Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 21. Apr. 2016 - 7 A 11108/14

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2016:0421.7A11108.14.0A
bei uns veröffentlicht am21.04.2016

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige und haben dunkle Hautfarbe. Sie fuhren am 25. Januar 2014 mit ihren beiden Kindern in der von Mainz nach Koblenz verkehrenden Regionalbahn "trans regio MRB 25326". Nachdem drei Polizeibeamte der Bundespolizeiinspektion Kaiserslautern am Hauptbahnhof B. in den Zug eingestiegen und zunächst – bis zur Abfahrt des Zuges – im Eingangsbereich stehen geblieben waren, begannen diese bei der Abfahrt um ca. 12:17 Uhr mit der Bestreifung des Zuges. Die Kläger, die sich untereinander und mit ihren Kindern in englischer Sprache unterhielten, wurden von einem der Polizeibeamten aufgefordert, ihre Ausweise vorzulegen, wobei die Beteiligten unterschiedliche Angaben dazu machen, ob, in welchem Umfang und in welcher Sprache zuvor eine Befragung des Klägers erfolgt ist. Die Kläger kamen der Aufforderung nach und zeigten Bundespersonalausweise vor. Der Polizeibeamte telefonierte sodann und gab die Personalien zum Datenabgleich weiter. Nach Abschluss der ca. vierminütigen Kontrolle der Kläger wurden in diesem Zug keine weiteren Maßnahmen durchgeführt, da die Polizeibeamten den Zug wenigen Minuten nach der Kontrolle der Kläger am Bahnhof N. verließen.

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Die Kläger haben am 24. März 2014 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, sie seien nur deshalb kontrolliert worden, weil sie dunkelhäutig seien. Dies belege der Umstand, dass die Beamten an ca. 20 Personen im Zug vorbeigegangen seien, ohne weitere Kontrollen vorzunehmen. Ein solches Verhalten sei mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren.

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Die Kläger haben beantragt,

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festzustellen, dass die von den Beamten der Beklagten durchgeführten Personalienfeststellung am 25. Januar 2014 sowie der daraufhin unmittelbar telefonisch durchgeführte Personalienabgleich rechtswidrig gewesen sind.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Den Klägern fehle zum einen das notwendige Feststellungsinteresse. Zum anderen sei die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a Bundespolizeigesetz – BPolG – nicht zu beanstanden. Die Entscheidung, welche Personen einer Kontrolle unterzogen würden, träfen die Polizeibeamten vor Ort anhand objektiver Kriterien sowie aufgrund ihrer Erfahrung. Solche Maßnahmen dienten der Gewinnung von polizeilichen Informationen im Zusammenhang mit der unerlaubten Einreise von Personen. Die von den Klägern benutzte Bahnstrecke stelle einen bekannten "Schleuserweg" dar.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23. Oktober 2014 stattgegeben und die von den Klägern beantragte Feststellung getroffen. Die zulässige Klage sei begründet. Die angegriffene Maßnahme sei rechtswidrig gewesen und habe die Kläger in ihren Rechten verletzt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG, auf die die Beklagte die Befragung der Kläger gestützt habe, hätten nicht vorgelegen. § 22 Abs. 1a BPolG setze voraus, dass der Zug, in dem die Personenkontrolle erfolge, zur unerlaubten Einreise genutzt werde. Ein regionaler Zug, der seinen Ausgangs- und Endpunkt im Bundesgebiet habe, und bei dessen Fahrt weder Flug- oder Seehäfen passiert, noch Grenzen zu anderen Staaten erreicht oder überschritten würden, könne indes von vornherein nicht im Sinne dieser Vorschrift zur unerlaubten Einreise genutzt werden. Für dieses Verständnis spreche der Wortlaut der Vorschrift. Der Begriff der Einreise bedeute nach dem Wortsinn die Reise von einem in einen anderen Staat. Es werde ein Vorgang beschrieben, der abgeschlossen sei, wenn sich der Reisende in dem anderen Staat befinde. Dem entspreche die Regelung im Aufenthaltsgesetz, dass ein Ausländer grundsätzlich dann eingereist sei, wenn er die Grenze überschritten habe. Mithin komme eine Nutzung des Zuges "zur unerlaubten Einreise" nur in Betracht, wenn der Zug, in dem die Personenkontrolle stattfinde, einen unmittelbaren Bezug zum Überschreiten der staatlichen Grenze habe.

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Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt.

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Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf grenzüberfahrende Züge beschränkt, sondern umfasse bei entsprechenden Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung auch regionale Züge, die ihren Ausgangs- und Endpunkt im Bundesgebiet hätten und bei deren Fahrt weder Flug- oder Seehäfen passiert würden noch Grenzen zu anderen Staaten erreicht oder überschritten werden könnten. Die zum gegenteiligen Ergebnis kommenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Der Wortlaut der Norm enthalte – anders als bei der Tatbestandvariante „Verkehrsflughäfen“ – keine Beschränkung auf grenzüberschreitenden Verkehr. Überdies sei der Begriff der Einreise als auslegungsfähiger Rechtsbegriff auch einem Verständnis zugänglich, demzufolge die unerlaubte Einreise zwar mit dem Grenzübertritt vollendet, nicht jedoch beendet sei. Für ein derartiges Begriffsverständnis der unerlaubten Einreise spreche auch der gesetzessystematische Vergleich mit der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, der zufolge im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km – mithin im Binnenland – zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet Identitätskontrollen durchgeführt werden könnten. Auch hier zielten die Kontrollen auf eine Phase nach dem eigentlichen Grenzübertritt. Die Entstehungsgeschichte spreche ebenfalls nicht für ein restriktives Verständnis der Norm, sondern belege vielmehr das Gegenteil. Den vom Bundesrat geäußerten Bedenken gegen die räumliche Ausdehnung des Kontrollbereichs sei in Bezug auf Züge und Bahnhöfe mit dem Tatbestandsmerkmal der Lageerkenntnisse oder grenzpolizeilichen Erfahrungen begegnet worden. Eine direkte Bindung an einen grenzüberschreitenden Verkehr – wie bei Verkehrsflughäfen – sei gerade nicht erfolgt. Entsprechendes ergebe sich auch aus der Entscheidung, die zunächst befristete Anwendbarkeit der Norm zu verlängern und später zu entfristen. Dementsprechend sei festzustellen, dass der Wille des Gesetzgebers nicht auf grenzüberschreitend verkehrende Züge beschränkt gewesen sei. Schließlich spreche der Gesetzeszweck für eine lageabhängige Anwendung der Norm auch auf Züge im regionalen Verkehr, zumal die Sorge naheliege, dass Kontrollen in Fernzügen zu einem Verdrängungseffekt in der Weise führten, dass nach einer unerlaubten Einreise zur Weiterreise nicht mehr Fern-, sondern vorwiegend Nahverkehrszüge genutzt würden.

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Verfassungsrechtliche Gründe stritten ebenfalls nicht für die enge Auslegung des Verwaltungsgerichts. Die Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 1a BPolG genügten insbesondere dem rechtsstaatlichen Gebot der Normklarheit und Bestimmtheit, zumal es sich bei den Maßnahmen des kurzzeitigen Anhaltens, Befragens und Verlangens, mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen, um Eingriffsmaßnahmen geringer Intensität handele. Die durch § 22 Abs. 1a BPolG ermöglichten lageabhängigen Befragungen liefen auch nicht der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) zuwider.

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Die Befragung und Ausweiskontrolle der Kläger seien im konkreten Fall rechtmäßig erfolgt. Soweit Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrungen verlangten, dass der Zug zur unerlaubten Einreise genutzt werde, beziehe sich dies nicht auf den konkreten Zug, sondern auf die Zugstrecke. Bezüglich der danach zu betrachtenden Rheinschiene bestünden entsprechende Erkenntnisse. Entsprechende Feststellungen zur Bedeutung der Rheinschiene weise auch das Lagebild für den Operativen Dienst, 3. Quartal 2013, der Bundespolizeiinspektion Trier auf. Dort enthalten seien korrespondierende ortsspezifische Handlungsempfehlungen zu Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG auf der Rheinstrecke. Die Kläger seien nicht allein aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert worden. Vielmehr hätten die Gesamtumstände die Polizeibeamten veranlasst, eine Befragung mit anschließender Ausweiskontrolle und einem Datenabgleich durchzuführen. Vor allem indiziere der Umstand, dass die Polizeibeamten in dem betreffenden Zug keine weiteren Befragungen durchgeführt hätten, keine rassistische Adressatenauswahl. Es hätten sachliche Gründe dafür vorgelegen, den Zug kurz nach der Befragung der Kläger zu verlassen, um am Bahnhof N. einen in die Gegenrichtung verkehrenden Zug zu erreichen. Auch der sich anschließende Abgleich mit dem Fahndungsbestand nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG sei rechtmäßig, insbesondere nicht unverhältnismäßig.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2014 die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung machen die Kläger – unabhängig von der Anwendung im konkreten Fall – die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des § 22 Abs. 1a BPolG geltend. Die verdachtsunabhängigen Kontrollen ermächtigten zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG von erheblichem Gewicht. Den danach zu stellenden Anforderungen an die Normenklarheit bzw. Bestimmtheit werde § 22 Abs. 1a BPolG nicht gerecht. Die Norm sei auch unter Berücksichtigung der mit ihr verfolgten durchaus legitimen Ziele nicht verhältnismäßig, da sie zu anlasslosen Kontrollen berechtige und damit ohne einschränkende Tatbestandsmerkmale einen Eingriff von erheblichem Gewicht zulasse. Darüber hinaus sei der Norm ein Verstoß gegen das Verbot rassistischer Diskriminierung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG immanent. Eine am Normzweck ausgerichtete Anwendung könne sich allein an phänotypischen Erscheinungen – mithin anknüpfend an unzulässige Merkmale – orientieren. Eine sachliche Rechtfertigung für eine derartige, in der Norm selbst angelegte Diskriminierung sei verfassungsrechtlich nicht gegeben. Darüber hinaus sei § 22 Abs. 1a BPolG europarechtswidrig. Ohne eine normative Begrenzung der Kontrollbefugnisse sei § 22 Abs. 1a BPolG, der zu verdachtslosen Personenkontrollen ermächtige, mit Art. 20 und 21 des Schengener Grenzkodexes unvereinbar. Die nationalen Regelungen müssten gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen habe.

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Über die unmittelbar gegen die Norm gerichteten verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Bedenken hinaus verteidigen die Kläger die Auslegung des Verwaltungsgerichts zum räumlichen Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG. Wortlaut, Historie, Systematik und Zweck stützten die Auslegung des Verwaltungsgerichts, der zufolge nur grenzüberfahrende Züge in den Anwendungsbereich der Norm fielen. Hierfür spreche auch eine grundrechtskonforme Lesart, da auf diese Weise den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Normklarheit genügt werden könne. Die weite Auslegung des § 22 Abs. 1a BPolG durch die Beklagte genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen hingegen nicht. Vergleichbares gelte auch hinsichtlich der tatbestandlich vorausgesetzten Lageerkenntnisse oder grenzpolizeilichen Erfahrungen. Auch hier seien qualitative Anforderungen einzuhalten, um den Bestimmtheitsanforderungen zu genügen und zusätzlich auch die kompetenzielle Zuständigkeitsabgrenzung zwischen der Bundespolizei und der Landespolizei zu gewährleisten.

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Schließlich sei die Anwendung der Norm – selbst wenn man ihr den beklagtenseits vertretenen weiten Geltungsbereich zuspreche – rechtswidrig. So fehlten bereits tatbestandlich Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrungen, dass die hier zu untersuchende Zugstrecke zwischen Mainz und Koblenz zur unerlaubten Einreise genutzt werde. Das von der Beklagten hierzu gelieferte Material sei unzureichend und ermögliche keine gerichtliche Kontrolle. Darüber hinaus habe die Beklagte bei der Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG und dem sich anschließenden Datenabgleich nach § 34 Abs. 1 BPolG die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten. Die Maßnahme beruhe auf einer diskriminierenden Auswahl, da ihre Hautfarbe zumindest eine verbotene Teilmotivation der polizeilichen Auswahlentscheidung gewesen sei. Hätten sie eine helle Hautfarbe gehabt, wäre der Eingriff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben. Die anderen Umstände, die die Beklagte zur Begründung ihrer Auswahlentscheidung vortrage, könnten ihre Auswahl nicht nachvollziehbar begründen. Neben der auch an die Hautfarbe anknüpfenden Auswahl sei insbesondere die Fortsetzung der Maßnahme unverhältnismäßig gewesen, nachdem sie den Bundespolizisten in fließendem Deutsch geantwortet und zudem deutsche Ausweispapiere vorgezeigt hätten. Der im Anschluss an die Personalienfeststellung erfolgte Datenabgleich beruhe auf derselben diskriminierenden Adressatenauswahl und verstoße somit auch gegen Art. 3 Abs. 3 GG.

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Der Senat hat das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) als Beistand des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung zugelassen.

21

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2015 und am 21. April 2016 zu den Umständen der Kontrolle der Kläger am 25. Januar 2014 Beweis erhoben durch die Vernehmung der an der Kontrolle beteiligten Polizeibeamten, Herrn O., Herrn H., Herrn M., und eines Mitreisenden, Herrn P., als Zeugen. Darüber hinaus sind die Kläger zu den Umständen ihrer Kontrolle angehört worden. Wegen des Inhalts der jeweiligen Angaben wird auf die Niederschriften über die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2015 und vom 21. April 2016 verwiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, des Beistandes des Klägers und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

I.

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Die Klage, mit der die Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der am 25. Januar 2014 durch Bundespolizeibeamte der Beklagten durchgeführten Maßnahmen begehren, ist als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO bzw. als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

25

Hinsichtlich der statthaften Klageart ist zwischen den einzelnen Maßnahmen zu unterscheiden. Während in Bezug auf das als Verwaltungsakt zu qualifizierende Ausweisverlangen nach dessen Erledigung die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, handelt es sich bei dem Datenabgleich um einen Realakt, der im Wege der Feststellungsklage zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden kann. Für beide Klagearten ist aufgrund der Erledigung des Verwaltungsaktes (Ausweisverlangen) bzw. des in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses (Datenabgleich) ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich. Die inhaltlichen Anforderungen an ein berechtigtes, über die Erledigung des Verwaltungsaktes oder die Beendigung des Rechtsverhältnisses hinausgehendes Feststellungsinteresse unterscheiden sich insoweit nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1997 – 1 C 2/95 –, juris, Rn. 17; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 25). Aus diesem Grund kann es auch dahinstehen, ob der nach Angabe der Beklagten zu Beginn der Maßnahme erfolgten Befragung der Kläger Regelungscharakter und damit Verwaltungsaktqualität beizumessen war oder ob es sich lediglich um einen Realakt im Sinne eines Ersuchens um freiwillige Auskunft handelte (zur Differenzierung vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rn. 209 f.).

26

Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.

27

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Kläger in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N., zur Fortsetzungsfeststellungsklage). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus.

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Den Klägern steht zumindest gestützt auf das Grundrecht effektiven Rechtsschutzes ein berechtigtes Feststellungsinteresse zur Seite.

29

Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert den Rechtsweg nicht nur bei aktuell anhaltenden, sondern grundsätzlich auch bei Rechtsverletzungen, die in der Vergangenheit erfolgt sind, allerdings unter dem Vorbehalt eines darauf bezogenen Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99, u.a. –, BVerfGE 104, 220 [232 f.] = juris, Rn. 34 ff.). Dies umfasst die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung auch in Erledigungsfällen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99, u.a. –, BVerfGE 104, 220 [233 f.] = juris, Rn. 36; stRspr; auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, juris, Rn. 32 = BVerwGE 146, 303).

30

Vorliegend kann es dahinstehen, ob neben der typischerweise kurzfristigen Erledigung auch ein „gewichtiger Eingriff“ für ein auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gestütztes berechtigtes Feststellungsinteresse erforderlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, juris, Rn. 28 = BVerfGE 110, 77) oder ob es auf die Intensität des erledigten Eingriffs und den Rang der betroffenen Rechte nicht ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 –, juris, Rn. 30 ff. = BVerwGE 146, 303). In Bezug auf die Befragung, das Ausweisverlangen und den Datenabgleich selbst handelt es sich zwar um geringfügige und kurze Eingriffe (dazu unten II./2./b./cc/(2)/(a)). Allerdings begründet der klägerseits geltend gemachte Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vorliegend die Möglichkeit eines gewichtigen Eingriffs.

II.

31

Die Klage ist begründet.

32

§ 22 Abs. 1a Bundespolizeigesetz – BPolG –, den die Beklagte als Eingriffsgrundlage für die nach ihren Angaben durchgeführte Befragung der Kläger und die Kontrolle ihrer Ausweispapiere herangezogen hat (1.), ist weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich zu beanstanden (2.). Allerdings ist dessen Anwendung im vorliegenden Fall – ebenso wie der sich daran anschließende Datenabgleich – rechtswidrig gewesen und hat die Kläger in ihren Rechten verletzt (3.).

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1. Die Beklagte hat die nach ihren Ausführungen durchgeführte Befragung und die darauf folgende Ausweiskontrolle auf § 22 Abs. 1a BPolG gestützt. Grundlage für den Datenabgleich war § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG.

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Nach § 22 Abs. 1a BPolG kann die Bundespolizei zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes, soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

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Der Senat kann es aufgrund der aus anderen Gründen folgenden Rechtswidrigkeit der Maßnahmen (dazu 3.) offen lassen, ob – wofür nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme indes einiges spricht – zunächst vor dem Ausweisverlangen eine kurze Befragung der Kläger erfolgt ist, und nimmt dies zugunsten der Beklagten an. Die insoweit im Raum stehende Abgrenzung zwischen der Befragung nach § 22 Abs. 1a BPolG zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise einerseits und einer Identitätskontrolle zu diesem Zweck nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG andererseits hat sich an der (schwerpunktmäßigen) Zielrichtung der polizeilichen Maßnahme zu orientieren. Während § 22 BPolG auf die Gewinnung polizeilich relevanter Informationen gerichtet ist und die Aushändigung der Ausweise in erster Linie der Zuordnung einer Information zu einer Person oder einer Plausibilitätskontrolle dient, zielt die Identitätskontrolle vorrangig auf die Identifizierung unbekannter Personen oder auf einen Identitätsabgleich (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7). Mithin wird eine Maßnahme nach § 22 Abs. 1a BPolG ohne vorangehende Befragung regelmäßig ausscheiden und eine ohne diese durchgeführte Ausweiskontrolle eine Identitätskontrolle nach § 23 Abs. 1 BPolG darstellen (vgl. dazu VG Köln, Urteil vom 13. Juni 2013 – 20 K 4683/12 –, juris, Rn. 24 ff.), deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegend jedoch offenkundig nicht gegeben wären.

36

2. Der räumliche Geltungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf grenzüberfahrende Züge beschränkt (a.). Die Norm ist überdies verfassungsgemäß (b.) und steht nicht in Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben (c.).

37

a. § 22 Abs. 1a BPolG erlaubt die dort genannten Maßnahmen unter anderem in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes, soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden. Der Gesetzeswortlaut „zur unerlaubten Einreise genutzt werden“ beschränkt dabei den räumlichen Anwendungsbereich der Norm nicht auf Züge, die selbst die Grenze überfahren, sondern erfasst vielmehr insgesamt (Bahn-)Strecken, die – gestützt auf Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung – zur unerlaubten Einreise genutzt werden. Eine Anknüpfung allein oder vordringlich an den tatsächlichen physischen Grenzübertritt wird dem Inhalt der Norm nicht gerecht.

38

aa. Der Begriff der unerlaubten Einreise bestimmt sich nach den §§ 13, 14 des AufenthaltsgesetzesAufenthG – (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 30; Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 21; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 8). Danach ist eine Einreise vereinfacht ausgedrückt unerlaubt, wenn der Betroffene bei der Einreise nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Papiere bzw. Aufenthaltstitel ist (§ 14 Abs. 1 AufenthG). Wann wiederum eine Einreise vorliegt, hängt davon ab, ob diese an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle erfolgt oder nicht. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Betroffener erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzkontrolle passiert hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Im Übrigen liegt bereits eine Einreise vor, wenn der Betroffene die Grenze überschritten hat (§ 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Bezieht man ein, dass nach Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) die vorliegend relevanten Binnengrenzen abweichend von § 13 Abs. 1 AufenthG nicht nur an Grenzübergangsstellen, sondern an „jeder Stelle“ ohne Personenkontrollen überschritten werden können und Grenzübergangsstellen nach der Verordnung für das Überschreiten der Außengrenzen zugelassene Orte für den Grenzübertritt sind (Art. 2 Nr. 8 Schengener Grenzkodex), es mithin an Binnengrenzen grundsätzlich keine Grenzübergangsstellen gibt, erfolgt die Einreise nach Deutschland mit dem (fahrenden) Zug mangels Grenzkontrollen bereits mit dem Grenzübertritt (vgl. dazu auch Nr. 13.2.7 VwV zu § 13 AufenthG).

39

Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten für ein erweitertes Begriffsverständnis herangezogene Argumentation, in Anlehnung an die strafrechtliche Unterscheidung zwischen Vollendung und Beendigung die unerlaubte Einreise nicht auf den Zeitpunkt des Grenzübertritts zu beschränken und stattdessen die Weiterfahrt zum Zielort ebenfalls dem Akt der unerlaubten Einreise zuzuordnen, ist bei der Begriffsbestimmung für die präventive Maßnahme nach § 22 Abs. 1a BPolG, bei der es auf eine strafrechtliche Einordnung mangels strafrechtlicher Teilnahmeproblematik nicht ankommt, nicht bedeutsam.

40

bb. Obschon dieses nach §§ 13, 14 AufenthG zu bestimmenden (eng umgrenzten) Begriffsinhalts der unerlaubten Einreise, die damit weitgehend mit dem Grenzübertritt zusammenfällt, ist der inhaltliche Aussagegehalt der Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt“ auch unter Berücksichtigung des Normzwecks, der ebenfalls auf unerlaubte Einreisen bezogen ist, und der Funktion des § 22 Abs. 1a BPolG zu bestimmen.

41

Die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG können zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise ergriffen werden. Hinsichtlich des Normzwecks besteht mithin eine Parallele zur Identitätsfeststellung nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, der diese Maßnahme im Grenzgebiet erlaubt. Geht es bei der Verhinderung inhaltlich darum, eine bevorstehende Verwirklichung der unerlaubten Einreise zu vereiteln, und bei der Unterbindung eine bereits begonnene fortgesetzte Begehung der Tat abzuwehren (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 21; Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 30), ergibt sich in der Zusammenschau mit dem eng umgrenzten Begriffsinhalt der unerlaubten Einreise, dass bei einer Kontrolle in Zügen – und zwar auch bei grenzüberfahrenden – und Bahnhöfen angesichts des (regelmäßig) bereits erfolgten Grenzübertritts, eine spezialpräventive Wirkung der Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG nicht zu erreichen ist. Dies gilt sowohl bei der auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der unerlaubten Einreise abstellenden Verhinderung als auch für die Unterbindung der unerlaubten Einreise, die zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt ist und damit nicht mehr unterbunden werden kann. Soweit in der Kommentarliteratur insoweit darauf abgestellt wird, das Unterbinden beziehe sich deshalb auf den sich an die unerlaubte Einreise anschließenden unerlaubten Aufenthalt (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 21; Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 30), ist dies kritisch zu sehen, da § 22 Abs. 1a BPolG jenseits seines grenzbezogenen präventiven Regelungsinhalts als ausländerrechtliche Befugnisnorm herangezogen würde (vgl. Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 8). Die fehlende Möglichkeit, mit Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG in Zügen und Bahnhöfen spezialpräventiv tätig werden zu können – anders bei Verkehrsflughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr –, stellt die Eignung der Norm indes nicht in Frage. Vielmehr zeigt dies lediglich auf, dass der zweckbezogene Schwerpunkt generalpräventiver Natur ist, indem einerseits Informationen über entsprechende Reiserouten gewonnen werden können und andererseits mithilfe der durchgeführten Stichproben eine vorwirkende Entdeckungsgefahr (vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rn. 367, „Abschreckungs- bzw. Verunsicherungsinstrument“ [allgemein zu anlasslosen Personenkontrollen]; Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 18, „Erhöhung des Verfolgungs- bzw. Fahndungsdrucks“) begründet wird.

42

Die danach in der Norm selbst angelegte, primär generalpräventive Funktion zeigt, dass der Begriff der unerlaubten Einreise, der selbst zwar eng mit dem physischen Grenzübertritt verknüpft ist, in seinem normativen Aussagegehalt indes nicht auf diesen allein reduziert werden kann. Dementsprechend fordert auch die Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt“ keine Beschränkung auf den konkreten, selbst die Grenze überfahrenden Zug.

43

cc. Für diese Auslegung des § 22 Abs. 1a BPolG spricht vor allem die Gesetzessystematik.

44

In § 22 Abs. 1a BPolG wird der räumliche Anwendungsbereich durch zwei unterschiedliche – den für eine bundespolizeiliche Kompetenz erforderlichen Grenzbezug herstellende (dazu unten 2./b./aa.) – Formulierungen beschrieben. Während bei Verkehrsflughäfen solche „mit grenzüberschreitendem Verkehr“ erfasst werden, wird abweichend davon bei Zügen und Bahnhöfen gerade nicht direkt an einen grenzüberschreitenden Verkehr angeknüpft, sondern eine lageabhängige Eingrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs vorgenommen. Dort dürfen Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG ergriffen werden, soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass Züge und Bahnhöfe zur unerlaubten Einreise genutzt werden. Die im Wortlaut des § 22 Abs. 1a BPolG angelegte systematische Unterscheidung zwischen Verkehrsflughäfen einerseits sowie Zügen und Bahnhöfen andererseits verdeutlich, dass letztgenannte inhaltlich den grenzüberschreitenden Verkehr nicht erfordern.

45

Hinzu kommt, dass die Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt“ nicht allein auf Züge bezogen verwendet wird, sondern auch Bahnhöfe umfasst. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass bei einer isolierten Betrachtung von Zügen, die zur unerlaubten Einreise genutzt werden, die Annahme naheliegt, dabei könne es sich allein um solche handeln, die selbst die Grenzen überfahren oder zumindest Kontakt zu internationalen Flug- oder Seehäfen haben (vgl. dazu Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 9). Unabhängig davon, dass diese isolierte Betrachtung die – wie zuvor dargelegt – im Gesetz angelegte Unterscheidung zu Verkehrsflughäfen übergeht und auch bei Zügen trotz der unterschiedlichen Formulierung auf grenzüberschreitenden (Zug-)Verkehr abstellt, wird diese Auslegung der eben nicht nur Züge, sondern auch Bahnhöfe einschließenden Variante nicht gerecht. Geht es nämlich um Bahnhöfe, die zur unerlaubten Einreise genutzt werden, und verlangt man – wie das Verwaltungsgericht –, dass diese zum Grenzübertritt selbst genutzt werden müssen, scheiden Kontrollen an Bahnhöfen nahezu vollständig aus. Denn es genügt nicht einmal, dass es sich um einen Grenzbahnhof handelt (so – wohl – Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 9), da auch diese regelmäßig im Inland und damit nach dem Grenzübertritt liegen. Ein Bahnhof könnte in diesem Sinne nur zur „unerlaubten Einreise genutzt werden“, wenn der Grenzübertritt im Bahnhof selbst erfolgt. Selbst wenn danach einzelne Anwendungsfälle für „grenzüberschreitende“ Bahnhöfe verblieben, kann von einem Willen des Gesetzgebers für einen derart beschränkten Geltungsbereich für Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG auf Bahnhöfen nicht ausgegangen werden.

46

Die einheitliche Bezugnahme der Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt“ auf Züge und Bahnhöfe legt danach – unter ergänzender Berücksichtigung der abweichenden Fassung bei Verkehrsflughäfen – den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber hierdurch Kontrollbefugnisse nach § 22 Abs. 1a BPolG für lageabhängig zu identifizierende schienengebundene Einreiserouten begründen wollte. Mithin kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Zug (oder Bahnhof) zum Grenzübertritt und damit zur unerlaubten Einreise genutzt wird, sondern darauf, ob die konkrete (Bahn-)Strecke – mit den auf ihr verkehrenden Zügen und den an ihr liegenden Bahnhöfen – diese Anforderungen erfüllt. Bestehen belastbare Erkenntnisse zu einer bestimmten Bahnstrecke, spielt es also keine Rolle, mit welchem Zug diese befahren wird (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34). Dass ein zwischenzeitlicher (zufälliger oder auch gesteuerter) Umstieg auf einen ausschließlich im Inland fahrenden Zug unschädlich ist, ergibt sich neben einer Sinn und Zweck betrachtenden Sichtweise, die auch die ansonsten schlichten Umgehungsmöglichkeiten zu berücksichtigen hat, letztlich gerade durch die Einbeziehung der an der Einreiseroute liegenden (Umsteige-)Bahnhöfe.

47

dd. Schließlich spricht die Gesetzgebungshistorie für den hier angenommenen räumlichen Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG.

48

Dabei ist es allerdings wenig zielführend, Äußerungen einzelner Beteiligter aus dem Gesetzgebungsverfahren für oder gegen die eine oder andere anzuführen. Für die Auslegung des Gesetzes kann es ebenso wie für seine Entstehung nicht auf die Vorstellung des einzelnen Abgeordneten bzw. Regierungsmitglieds ankommen, da der Einzelne nicht den „Willen des Gesetzgebers bildet“ (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteile vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [100], vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, juris Rn. 111 [insoweit nicht abgedruckt in AS 43, 307] und vom 26. Oktober 2015 – VGH N 36/14 –, UA S. 65). Eindeutig dokumentiert ist in diesem Zusammenhang, dass im ursprünglichen Gesetzesentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen Züge, Bahnhöfe und Verkehrsflughäfen ohne weitergehende Einschränkung zum räumlichen Geltungsbereich für verdachtsunabhängige Kontrollen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise erklärt werden sollten (vgl. BT-Drucks. 13/10790, S. 3). Nachdem der Bundesrat neben generellen Einwänden gegen verdachtsunabhängige Kontrollen auch kritisierte, dass mit dieser räumlichen Ausdehnung der in die Zuständigkeit der (heutigen) Bundespolizei fallende Grenzschutz verlassen werde und ohne einen Grenzbezug auch erhebliche Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestünden (vgl. BT-Drucks. 13/11119, S. 5 f.), erfolgte ein Änderungsvorschlag durch den zuständigen Bundestagsausschuss, der letztlich die Vorlage für den späteren Gesetzesbeschluss bildete (vgl. BT-Drucks. 13/11159, S. 4).

49

In der Begründung hierzu heißt es zwar an einer Stelle, der (damalige) Bundesgrenzschutz erhalte „zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise die Befugnis, in Zügen, Bahnhöfen sowie Verkehrsflughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr“ die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG durchzuführen (vgl. BT-Drucks. 13/11159, S. 6). Mithin unterscheidet dieser Begründungsteil – anders als der korrespondierende Vorschlag für den später auch so verabschiedeten Gesetzeswortlaut (vgl. BT-Drucks. 13/11159, S. 4) – nicht zwischen Zügen und Bahnhöfen einerseits und Verkehrsflughäfen andererseits, sondern benutzt für alle die Formulierung grenzüberschreitender Verkehr. Allerdings erfolgt im anschließenden Absatz eine gesonderte Begründung für die nur in Bezug auf Züge und Bahnhöfe normierte Lagebindung, die gewährleiste, dass keine flächendeckenden Personenkontrollen im (Bahn-)Reiserverkehr erfolgten (vgl. BT-Drucks. 13/11159, S. 6). Einer derartigen gesondert formulierten und begründeten Begrenzung hätte es nicht bedurft, wenn – gleich den Verkehrsflughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr – von vorneherein nur grenzüberfahrende Züge und grenzübergreifende Bahnhöfe hätten erfasst werden sollen.

50

Die spätere Verlängerung der ursprünglich befristeten Regelung sowie die letztliche Entfristung einschließlich der hierzu verfassten Entwurfsbegründungen sind zu der hier entscheidenden Frage des räumlichen Anwendungsbereichs indes ohne besonderen Aussagegehalt, weil dort zwar die Erforderlichkeit derartiger Befugnisse auch jenseits des durch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Sätze 2 bis 4 BPolG beschriebenen Grenzraums herausgestellt wird, allerdings ohne die inhaltlichen Anforderungen an Züge und Bahnhöfe, die nach Lageerkenntnissen zur unerlaubten Einreise genutzt werden, weiter zu behandeln (vgl. BT-Drucks. 15/1861, S. 6 und 16/4665, S. 6).

51

b. Auch mit diesem, im Vergleich zur Auslegung durch das Verwaltungsgericht erweiterten räumlichen Anwendungsbereich wahrt § 22 Abs. 1a BPolG die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dies gilt in Bezug auf die Zuständigkeit der Bundespolizei (aa), die Vereinbarkeit der Norm mit dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG (bb), die Anforderungen an die Bestimmtheit und Normenklarheit (cc) und die Verhältnismäßigkeit (dd).

52

aa. Die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG sind von der auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 5, Art. 87 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GG gestützten Aufgabenzuweisung in § 2 BPolG gedeckt.

53

Die Verwaltungskompetenz des Bundes für den Grenzschutz gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG, die mit der Gesetzgebungskompetenz in Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG korrespondiert, umfasst sowohl die polizeiliche Überwachung der Grenzen einschließlich der Abwehr von Gefahren für die Grenzen als auch die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs. Außerdem erfordert der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes nicht nur die Überwachung der unmittelbaren Bundesgrenzen, sondern auch die Kontrolle des anliegenden Hinterlandes sowie des grenzüberschreitenden Verkehrs auf den Flughäfen und Grenzbahnhöfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE 97, 198 [214] = juris Rn. 81).

54

Die Befugnis nach § 22 Abs. 1a BPolG ist hierunter zu fassen, weil es sich – auch in der hier zugrunde gelegten Auslegung zum räumlichen Anwendungsbereich – um eine Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs handelt, der in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPolG ausdrücklich zu den Grenzschutzaufgaben der Bundespolizei zählt. Dementsprechend kommt es nicht auf die Diskussion an, ob die Aufgabenzuweisung in § 2 Abs. 2 BPolG abschließend ist oder § 2 Abs. 1 BPolG auch darüber hinausgehende (ungeschriebene) Grenzschutzaufgaben umfasst (vgl. zum Streitstand Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 2 Rn. 10 ff.; Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 2 Rn. 8; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 2 Rn. 5). Unter Berücksichtigung der vor allem durch die verfassungsrechtlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen zu bestimmenden Abgrenzung zwischen den sonderpolizeilichen Befugnissen der Bundepolizei und der allgemeinen polizeilichen Zuständigkeit der Landespolizei bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs ist insoweit nicht eine räumliche, sondern in erster Linie eine funktionale Betrachtung heranzuziehen (vgl. in diese Richtung Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 2 Rn. 8). Dabei liegt es zwar in der Natur der Sache, dass Grenzschutzaufgaben vor allem in der Grenzregion wahrgenommen werden und damit (auch) eine räumliche Nähe zur Grenze und deren Übertritt aufweisen; dies schließt Maßnahmen ohne räumlichen Bezug zum Grenzübertritt indes nicht aus (vgl. in diese Richtung Martens, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 2 Rn. 8). Mithin kommt es nicht darauf auf, ob ein Zug selbst die Grenze überfährt und damit sowohl räumlich als auch funktional zum grenzüberschreitenden Verkehr gehört, wenn auch ohne räumliche Anbindung gewährleistet ist, dass es sich funktional um grenzüberschreitenden Verkehr handelt. Letzteres wird in § 22 Abs. 1a BPolG hinsichtlich der Kontrollbefugnisse in Zügen und Bahnhöfen durch die erforderlichen Lageerkenntnisse oder die grenzpolizeiliche Erfahrung erreicht, während bei Verkehrsflughäfen (auch) eine räumliche Anknüpfung an den Grenzübertritt erfolgt.

55

Wird danach bei Zügen und Bahnhöfen die Zuständigkeit der Bundespolizei funktional über Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung hergestellt, sind an diese inhaltliche Anforderungen zu stellen, um das Gepräge der Bundespolizei als Polizei mit begrenzten Aufgaben zu wahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Januar 1998 – 2 BvF 3/92 –, BVerfGE 97, 198 [218] = juris, Rn. 89). Die Bundespolizei ist nach § 22 Abs. 1a BPolG nicht berechtigt, die den Ländern obliegenden Polizeiaufgaben bei Gelegenheit der Aufgabenwahrnehmung als Bahnpolizei (§ 3 BPolG) auszuführen. Dies ist weder mit dem Normzweck des § 22 Abs. 1a BPolG noch mit dessen kompetenzieller Einordnung zu vereinbaren.

56

bb. § 22 Abs. 1a BPolG enthält keinen strukturell angelegten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der eine Verfassungswidrigkeit der Norm selbst begründen würde.

57

(1) Nach § 22 Abs. 1a BPolG kann die Bundespolizei „jede Person“, die an den dort näher bezeichneten und eingegrenzten Orten angetroffen wird, kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden. Darüber hinaus können mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden. Auch wenn der Normzweck, die Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise, das Handlungsziel vorgibt, muss also die Person, an die sich die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG richtet, nicht selbst in Verdacht stehen, unerlaubt einreisen zu wollen, unerlaubt eingereist zu sein oder sich an einer unerlaubten Einreise beteiligen zu wollen oder beteiligt zu haben (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 22; Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 36 f.; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 12). Aus § 20 Abs. 2 BPolG ergibt sich, dass die Maßnahmen eben nicht allein gegen Verantwortliche oder – unter den in § 20 Abs. 1 BPolG genannten Voraussetzungen – gegen Nicht-Verantwortliche ergriffen werden dürfen. Bei § 22 Abs. 1a BPolG handelt es sich um einen Verdachtsgewinnungs- bzw. Informationseingriff (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 36; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rn. 367 [allgemein zu anlasslosen Personenkontrollen]). Bereits diese Regelungstruktur verdeutlicht, dass kein normativer Eingriff in das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG besteht.

58

(2) Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kreis der von der Norm Betroffenen – entgegen dem Wortlaut – nicht zwangsläufig jede Person umfasst, sondern mit Blick auf den Normzweck gerade solche, bei denen angenommen werden kann, sie könnten Informationen zur Erreichung des Zwecks mitteilen oder begründeten selbst eine zweckbezogene Verdachtsmöglichkeit im Sinne einer Vorstufe zu einem gerade nicht erforderlichen Gefahrenverdacht, ist § 22 Abs. 1a BPolG kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG immanent. Unabhängig davon, dass für eine solche Beschränkung des Adressatenkreises insbesondere unter Einbeziehung der vorangehend skizzierten generalpräventiven Funktion der Norm kein Anlass besteht (zur Verhältnismäßigkeit unten 2./b./dd.), bietet auch eine derartige Anwendung des § 22 Abs.1a BPolG, die sich weitgehend an äußerlich erkennbaren Kriterien orientieren müsste, ausreichend Raum für eine im Einklang mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG stehende Handhabung.

59

Sollen nach § 22 Abs. 1a BPolG zielgerichtet Maßnahmen gegenüber Personen ergriffen werden, die – ohne einen Gefahrenverdacht hervorzurufen – eine gesteigerte Nähe zum Normzweck aufweisen, ist es naheliegend, dass Ausschau nach nicht deutschen Staatsangehörigen gehalten wird. Eine (faktische) Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit und damit eine Sonderbehandlung von Ausländern wird indes von keinem der speziellen Diskriminierungsverbote nach § 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst, sondern (lediglich) vom allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschlüsse vom 20. März 1979 – 1 BvR 111/74, u.a. –, BVerfGE 51, 1 [30] = juris, Rn. 95, vom 9. Februar 1994 – 1 BvR 1687/92 –, BVerfGE 90, 27 [37] = juris, Rn. 29 und vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240 [255] = juris, Rn. 46; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 126; Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Stand: 01/2016, Art. 3, Rn. 4011; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 132). An dessen Rechtfertigung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen, da die Ungleichbehandlung einerseits an ein personengebundenes Merkmal anknüpft und andererseits eine gewisse Nähe zu den besonderen Diskriminierungsverboten des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweist (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 26. Januar 1993 – 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 –, BVerfGE 88, 87 [96] = juris, Rn. 35, vom 7. Juli 2009 – 1 BvR 1164/07 –, BVerfGE 124, 199 [220] = juris, Rn. 87 und vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, BVerfGE 130, 240 [255] = juris, Rn. 42; a.A. Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 132). Die sachliche Rechtfertigung für eine Sonderbehandlung von Ausländern folgt hier unter Berücksichtigung des Normzwecks daraus, dass die zu verhindernde oder zu unterbindende unerlaubte Einreise nach den §§ 13, 14 AufenthG aus Rechtsgründen nur durch Ausländer erfolgen kann und die Bekämpfung illegaler Migration mit ihren Begleiterscheinungen dem Schutz gewichtiger öffentlicher Interessen (vgl. hierzu BT-Drucks. 16/4665, S. 6) dient.

60

Die (zulässige) Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit ist indes zu trennen von der Frage, aufgrund welcher im Vorfeld der Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG erkennbarer Kriterien eine etwaig fremde Staatsangehörigkeit und damit eine gesteigerte Nähe zum Normzweck angenommen wird. Auch bei Anwendung dieses an sich neutralen oder zulässigen Differenzierungskriteriums handelte es sich nämlich um eine grundsätzlich unzulässige Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wenn sich die (neutrale oder zulässige) Differenzierung weitgehend oder zwingend aus einem der dort genannten Merkmale ergibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 –, BVerfGE 121, 241 [254 f.] = juris, Rn. 49; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 217). Eine derartig enge Verknüpfung zwischen den Merkmalen in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, die einen normativen Eingriff des § 22 Abs. 1a BPolG in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG begründen könnte, besteht indes nicht. Besondere Kleidung oder Gepäck mit hinweisgebenden Anhängern oder Aufdrucken, die auf eine Einreise und/oder eine fremde Nationalität hindeuten können, kommen dabei ebenso in Betracht wie das offen getragene oder sonst erkennbare Ausweispapier eines anderen Staates.

61

Ebenfalls nicht die Verfassungsmäßigkeit der Norm betrifft es im Weiteren, wenn sich die Normanwendung im Einzelfall als verdeckte Diskriminierung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darstellt (vgl. Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 216), wenn also der wahre (diskriminierende) Grund für eine Ungleichbehandlung verschleiert werden soll.

62

Der Umstand, dass sich durch eine zulässige Differenzierung anhand der Staatsangehörigkeit eine Belastung von Personengruppen ergeben wird, die (auch) geschützte Differenzierungsmerkmale nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, stellt die Vereinbarkeit des § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht in Frage. Unabhängig davon, ob man eine solche mittelbare bzw. reflexhafte Diskriminierung aus dem Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG herausnimmt und die Verfassungsmäßigkeit direkt an dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG misst (so Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 215) oder – worauf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hindeutet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1997 – 1 BvL 12/91 –, BVerfGE 97, 35 [43] = juris, Rn. 34; Urteil vom 30. Januar 2002 – 1 BvL 23/96 –, BVerfGE 104, 373 [393] = juris, Rn. 69; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 –, BVerfGE 121, 241 [254] = juris, Rn. 49; jeweils zur Differenzierung nach dem Geschlecht) – auch mittelbare Diskriminierungen durch Art. 3 Abs. 3 GG erfasst werden (vgl. Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 255), gelten insoweit letztlich abgeschwächte Rechtfertigungsanforderungen (vgl. Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 218; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 256; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 135).

63

cc. § 22 Abs. 1a BPolG wahrt auch unter Einbeziehung des hier zugrunde gelegten räumlichen Anwendungsbereichs die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Normenklarheit und Normenbestimmtheit.

64

(1) Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Eingriffs müssen hinreichend klar und bestimmt geregelt sein. Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten daran ausrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvE 6/08, u.a. –, BVerfGE 134, 141 [184] = juris, Rn. 126, m.w.N.). Mithin hat der Gesetzgeber Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, u.a. –, BVerfGE 120, 274 [316] = juris, Rn. 209, m.w.N.).

65

Allerdings mangelt es an der notwendigen Bestimmtheit nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig ist. Dem Bestimmtheitserfordernis ist vielmehr genügt, wenn die Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können. Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen (BVerfG, Beschluss vom 17. September 2013 – 2 BvE 6/08, u.a. –, BVerfGE 134, 141 [184 f.] = juris, Rn. 127, m.w.N.).

66

Schließlich ist bei der Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, auch die Intensität der Einwirkungen auf die Regelungsadressaten zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94, u.a. –, BVerfGE 102, 254 [337] = juris, Rn. 325, m.w.N.; BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Februar 2006 – Vf. 69-VI-04 –, juris, Rn. 29).

67

(2) Nach diesen Maßgaben ist § 22 Abs. 1a BPolG, der zu Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) berechtigt, hinreichend klar und bestimmt.

68

(a) Bei den in § 22 Abs. 1a BPolG vorgesehenen Maßnahmen des kurzzeitigen Anhaltens, Befragens und Verlangens, mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen, handelt es sich um Eingriffe von geringer Intensität (vgl. OVG RP, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 11202/13 –, juris, Rn. 29; BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 – Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 –, juris, Rn. 114; jeweils zur Identitätskontrolle; vgl. auch Gnüchtel, NVwZ 2013, 980 [983], demzufolge die Eingriffsintensität der Maßnahme nach § 22 Abs. 1a BPolG auf geringerer Stufe als die Identitätsfeststellung anzusiedeln sei; a.A. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 71, zur Identitätsfeststellung; VerfGH Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 2/98 –, juris, Rn. 81; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rn. 376).

69

Eine schwerwiegende Eingriffsintensität ergibt sich entgegen dem Einwand der Kläger weder aus einem – wie ausgeführt nicht gegebenen – normativen Verstoß des § 22 Abs. 1a BPolG gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG noch in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu anderen Datenerhebungs- und Datennutzungsbefugnissen. Dies gilt im Besonderen hinsichtlich der Entscheidungen zur Rasterfahndung (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320), zur automatischen Kennzeichenerfassung (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378) und zur Vorratsdatenspeicherung (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260).

70

Soweit in den genannten Entscheidungen ein „besonders schwerer Eingriff“ (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [318] = juris, Rn. 210) und Eingriffe von „erheblichem Gewicht“ (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [347] = juris, Rn. 93; Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [407], = juris, Rn. 92) angenommen oder zumindest für möglich gehalten werden, sind die dafür herangezogenen Erwägungen auf die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG nicht übertragbar.

71

Neben der hier nicht gegebenen Heimlichkeit der Datenerhebung und Datenverwendung, die eine Steigerung der Eingriffsintensität begründet (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [335] = juris, Rn. 241 ff.; Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [402 f., 406] = juris, Rn. 79, 89; Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [353] = juris, Rn. 113), werden auch die Auswertungs- und Datenverknüpfungsmöglichkeiten, die zum Teil Erkenntnisse zum Persönlichkeits- und Bewegungsprofil offenbaren können, zur weiteren Begründung der dort angenommenen hohen Eingriffsintensität herangezogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [319] = juris, Rn. 211; Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [403 ff.], = juris, Rn. 80 ff.; Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [347 f.] = juris, Rn. 96 ff.). Die nach § 22 Abs. 1a BPolG gewonnenen persönlichen Daten werden jedoch weder gesammelt oder gespeichert noch erfolgt eine strukturierte bzw. fortwirkende Auswertung oder Verknüpfung mit anderen Datenbeständen. Allein die Möglichkeit zum Datenabgleich nach § 34 BPolG, der lediglich einen punktuellen Datenabgleich, nicht jedoch eine Datenspeicherung erlaubt (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 2), begründet keine vergleichbare Steigerung des Informationseingriffs.

72

Soweit auch die Gefahr, von weiteren Folgeeingriffen betroffen zu werden, für eine (weiter) gesteigerte Eingriffsintensität herangezogen wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [319 f.] = juris, Rn. 212; Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [403], = juris, Rn. 80; Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [351] = juris, Rn. 108), ist zu differenzieren. Sind die erhobenen, gespeicherten bzw. zusammengeführten Daten selbst die Grundlage für Folgeeingriffe, weil der Betroffene – ohne in seiner Person einen konkreten Gefahren- oder Tatverdacht zu begründen – beispielweise zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einer bestimmten Funkzelle gewesen oder von einer bestimmten Person kontaktiert wurde (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [319 f.] = juris, Rn. 212) oder weil er in ein bestimmtes Fahndungsraster passt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [352] = juris, Rn. 110), ist die Möglichkeit, mit Folgeeingriffen konfrontiert zu werden, bei der Bestimmung der Eingriffsintensität mit zu berücksichtigen. In dieser Konstellation setzt sich mithin auch die Maßnahme der Datenerhebung und -speicherung im Folgeeingriff fort. Etwas anderes gilt hingegen, wenn nicht die erhobenen (und gegebenenfalls überprüften) Daten die Grundlage für Folgeeingriffe bilden, sondern beispielsweise der Umstand, dass der Betroffene zur Fahndung ausgeschrieben war, und die an sich mit geringer Eingriffsintensität in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung versehene Datenerhebung allein dazu führt, dass der Betroffene auffällig wird (in diese Richtung differenzierend auch BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [403 f.], = juris, Rn. 82, Kennzeichenerfassung zum Zweck, gestohlene Fahrzeuge ausfindig zu machen; a.A. wohl HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 72).

73

Schließlich ist auch die Streubreite des Eingriffs zu berücksichtigen, die dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, u.a. –, BVerfGE 120, 378 [402], = juris, Rn. 78; Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [354 f.] = juris, Rn. 117; auch BVerfGE Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256/08, u.a. –, BVerfGE 125, 260 [318 f., 335] = juris, Rn. 210, 241). Die durchaus vorhandene Streubreite des § 22 Abs.1a BPolG (im Jahr 2015 ergaben sich bei 317.221 durchgeführten Kontrollen lediglich 13.867 Feststellungen zur unerlaubten Einreise, vgl. BT-Drucks. 18/8037, S. 5 f.) ist allerdings nicht mit derjenigen der Rasterfahndung, der automatischen Kennzeichenerfassung oder der Vorratsdatenspeicherung vergleichbar.

74

Hinzu kommt weiter, dass auch der Verdachtslosigkeit des Eingriffs, die im Zusammenwirken mit einer großen Streubreite grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität aufweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [354 f.] = juris, Rn. 117), bei Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG eine andere Qualität zukommt als bei sonstigen präventiven oder repressiven polizeilichen (Vorfeld-)Maßnahmen (zu letzterem vgl. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 48; BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 –, BVerfGE 113, 348 [377 f.] = juris, Rn. 122 ff.). § 22 Abs. 1a BPolG begründet keine Vorfeldmaßnahme in dem Sinne, dass eine an sich verdachtsabhängige Eingriffsbefugnis in einen vorgelagerten Bereich ausgedehnt wird, um dort verdachtsunabhängige Maßnahmen zur Gefahrenerforschung zu begründen. Soweit also die Aussage getroffen wird, gefahr- oder verdachtsbegründende Eingriffe bildeten auch mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen staatlichen Handelns den Grundtypus, von dem durch anlasslose Eingriffsbefugnisse abgewichen werde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, BVerfGE 115, 320 [355 f.] = juris, Rn. 119, „Abkehr von traditionellen polizeilichen Strukturen“; vgl. auch VerfGH Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 2/98 –, juris, Rn. 85 ff.), ist dies zwar grundsätzlich zutreffend, gilt indessen nicht für die hier in Rede stehende Aufgabenwahrnehmung im Bereich des Grenzschutzes. Der Grenzschutz, konkret in Gestalt der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs, war und ist – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit solcher Kontrollen an den Schengen-Binnengrenzen (vgl. dazu Art. 20 und 21 Schengener Grenzkodex) – bereits im Ausgangspunkt auf eine Jedermann-Kontrolle beim Grenzübertritt ausgerichtet. Einer konkreten Gefahr oder auch nur eines Gefahrenverdachts bedarf es hierfür nicht; die allein im Grenzübertritt als Vermutung gründende allgemeine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eröffnet die Kontrollmöglichkeit (vgl. Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 4; Hoppe, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 23 Rn. 21; Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 23 Rn. 16). In diesem Zusammenhang sei nur darauf hingewiesen, dass auch die Grenzübertrittskontrollen von Personen an Schengen-Außengrenzen in der Weise erfolgen, dass alle Personen einer Mindestkontrolle unterzogen werden, die die Feststellung ihrer Identität anhand der vorgelegten oder vorzuzeigenden Reisedokumente ermöglicht (vgl. Art. 7 Abs. 2 Schengener Grenzkodex). Mithin begründet § 22 Abs. 1a BPolG keine Ausdehnung an sich verdachtsgebundener Maßnahmen in einen verdachtslosen Vorfeldbereich, sondern stellt eine strukturell verdachtsunabhängige Maßnahme dar, die gegenüber einer (vollwertigen) Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs in ihrer Anwendungsbreite und -intensität deutlich zurückgenommen ist. Unter Berücksichtigung der geringen Kontrolldichte ist es bei den stichprobenartigen Maßnahmen hinnehmbar, dass anders als bei systematischen Grenzkontrollen an Grenzübergangsstellen auch Personen kontrolliert werden, die weder die Grenze kürzlich überquert haben noch sie demnächst überqueren wollen (a.A. VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 2/98 –, juris, Rn. 113). Dies ändert nichts am Charakter der Befugnisnorm, die ihren Ursprung und ihre Funktion im Bereich der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs hat.

75

(b) Ausgehend von dieser als gering einzustufenden Intensität des Eingriffs, die bei der Frage zu berücksichtigen ist, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94, u.a. –, BVerfGE 102, 254 [337] = juris, Rn. 325, m.w.N.; BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Februar 2006 – Vf. 69-VI-04 –, juris, Rn. 29), ist § 22 Abs. 1a BPolG hinreichend klar und bestimmt.

76

Auch wenn § 22 Abs. 1a BPolG verdachtsunabhängige Maßnahmen gestattet, handelt es sich nicht um eine voraussetzungslose Eingriffsnorm, die vollkommen willkürliches, durch kein Ziel vorgegebenes Kontrollieren ermöglichte. Der Zweck ist hinreichend klar und deutlich festgelegt. § 22 Abs. 1a BPolG ermächtigt ausweislich des Wortlauts zu Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise. Die Norm ist ausweislich der Gesetzesbegründung darauf gerichtet, illegaler Einreise und Schleusungskriminalität nach dem Wegfall der Filterfunktion von Grenzkontrollen im Schengen-Raum durch stichprobenartige Kontrollen auf den inländischen Hauptverkehrsadern begegnen zu können (vgl. BT-Drucks. 16/4665, S. 7). Neben der eindeutigen Bestimmung von Anlass und Zweck der Norm enthält diese – soweit dies bereichsspezifisch bei einer anlasslosen Kontrollbefugnis strukturell möglich ist – auch handlungsbegrenzende Tatbestandsmerkmale, indem die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG nur in Zügen und Bahnhöfen erfolgen dürfen, bei denen aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung angenommen werden kann, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden (vgl. dazu jeweils zur Bedeutung der Lageabhängigkeit bei der sog. Schleierfahndung VerfGH Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 2/98 –, juris, Rn. 117 ff.; SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 – Vf. 43-II-00 –, juris, Rn. 213; BayVerfGH, Entscheidung vom 7. Februar 2006 – Vf. 69-VI-04 –, juris, Rn. 34; a.A. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 53 f., zur Identitätsfeststellung).

77

Die den räumlichen Anwendungsbereich einschränkenden und die Verbindung zum Normzweck herstellenden Tatbestandsmerkmale der Lageerkenntnisse und der grenzpolizeilichen Erfahrung sind ihrerseits hinreichend klar und bestimmt (zur Definition vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 32 ff.; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10). Der hinreichenden Bestimmtheit steht insbesondere nicht entgegen, dass Lageerkenntnisse und grenzpolizeiliche Erfahrungen auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe sind, die neben einer Anknüpfung an Tatsachen vor allem auch Wertungen und Einschätzungen enthalten. Der hiergegen erhobene Einwand, die Polizei bestimme die näheren Voraussetzungen des Eingriffs selbst und führe das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen selbst herbei (vgl. HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 53 f., zur Identitätsfeststellung), greift nicht durch. Die konkrete Eingriffsschwelle hat der Gesetzgeber festgelegt, indem er zum einen eine grundsätzlich anlasslose Kontrolle vorgesehen und zum anderen den räumlichen Anwendungsbereich lageabhängig begrenzt hat. Die gesetzgeberseits formulierte Begrenzung wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff auf Tatbestandsseite durch den Normanwender – hier die Bundespolizei – auszufüllen ist und neben Anknüpfungstatsachen auch Wertungen und Prognosen einfließen. Hierin unterscheiden sich Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung nicht von dem in seiner Bestimmtheit nicht anzuzweifelnden Gefahrenbegriff, der ebenfalls – gestützt auf eine Tatsachenbasis – eine (subjektive) Einschätzung über einen zukünftigen Geschehensablauf enthält (vgl. Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, D Rn. 46 f.).

78

Davon zu trennen ist die Frage nach der gerichtlichen Kontrolle. Als unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen die Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34; Müller-Terpitz, DÖV 1999, 329 [336]). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Verwaltung hier einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative einräumen wollte, sind – unabhängig davon, ob hierfür eine sachliche Rechtfertigung bestünde – nicht vorhanden. Durch die gerichtliche Kontrolle wird gewährleistet, dass der Normanwender den gesetzlich gesetzten Rahmen nicht verlassen und sich eben nicht die Eingriffsvoraussetzungen selbst schaffen kann. Dass eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle aufgrund der einfließenden Einschätzungen inhaltslos wäre (so HambOVG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 4 Bf 226/12 –, juris, Rn. 54., zur Identitätsfeststellung), ist nicht ersichtlich. Insoweit ist es allerdings erforderlich, dass die Bewertungen und Tatsachen oder tatsächlichen Anhaltspunkte, auf denen die Lageerkenntnisse oder die grenzpolizeiliche Erfahrung beruhen, entsprechend dokumentiert und einer inhaltlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich sind (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 – Vf. 43-II-00 –, juris, Rn. 221 f.). Welche Anforderungen an die Dokumentation zu stellen sind, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Mit Blick auf den Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genügt es jedenfalls, wenn sich die Bundespolizei zu vorhandenen Lageerkenntnissen auf die von ihr erarbeiteten Lageberichte beziehen kann und die den Lageberichten zugrunde liegende Tatsachen- und Prognosebasis – wenn im konkreten Verfahren erforderlich – dargelegt und damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann.

79

Schließlich ist auch die Formulierung „zur unerlaubten Einreise genutzt“ trotz ihrer Auslegungsfähigkeit einer die Grenzen der Normanwendung hinreichend bestimmenden Auslegung zugänglich. Es ist in erster Linie Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit den herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen. Dem ist der Senat mit seiner Auslegung nachgekommen.

80

dd. Weiterhin ist § 22 Abs. 1a BPolG auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass das Gesetz einem legitimen Zweck dient, hierzu geeignet und erforderlich ist, und dass es zwischen der Schwere der grundrechtlichen Beeinträchtigung und der Bedeutung des legitimen Zwecks einen angemessenen Ausgleich schafft.

81

Die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG dienen einem legitimen Ziel. Die Norm selbst benennt als Zweck die Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise. Über den Wortlaut hinausgehendes (legitimes) Ziel ist es auch, der Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit der unerlaubten Einweise – insbesondere auch begünstigt durch banden- und/oder gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern – entgegenzutreten (vgl. Drewes, in: Derwes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 18).

82

Die Maßnahmen sind auch geeignet. Die Eignung wird insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass bei den in den Jahren 2013 bis 2015 durchgeführten Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG im Inland (Züge und Bahnhöfe) und auf Flughäfen lediglich in gerundet 0,3 % (2013), 1,1 % (2014) und 4,4 % (2015) der Kontrollen Feststellungen zu unerlaubter Einreise getroffen werden konnten und bezogen auf die Kontrollen allein im Inland in den Jahren 2013 und 2014 sogar nur Trefferquoten von unter 1 ‰ vorliegen (vgl. dazu BT-Drucks. 18/4149, S. 4 ff. [zu 2013 und 2014] und BT-Drucks. 18/8037, S. 5 f. [zu 2015]). Denn zum einen ist ein Gesetz bereits geeignet, wenn die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung besteht, die zugelassenen Maßnahmen also nicht von vornherein untauglich sind, sondern dem gewünschten Erfolg förderlich sein können (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 1 BvR 2226/94, u.a. –, BVerfGE 100, 313 [373] = juris, Rn. 214). Zum anderen durfte der Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative zur Eignung der Maßnahmen auch die generalpräventiven Wirkungen der Befugnisnorm einbeziehen, die sich gerade nicht in konkreten Treffern abbilden lassen (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 – Vf. 43-II-00 –, juris, Rn. 226, zur Schleierfahndung; siehe auch BT-Drucks. 15/1861, S. 6).

83

Die gesetzliche Regelung ist auch erforderlich. Hieran fehlt es nur, wenn ein anderes, gleich wirksames, aber die Grundrechte eindeutig weniger stark einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 1 BvR 2226/94, u.a. –, BVerfGE 100, 313 [375] = juris, Rn. 219). Als milderes Mittel scheiden Maßnahmen mit einer geringeren Streubreite aus, weil durch eine erhöhte Eingriffsschwelle zwar ein kleinerer Adressatenkreis betroffen wäre, jedoch die generalpräventive Wirkung des § 22 Abs. 1a BPolG gerade auch auf stichprobenartigen Kontrollen eines weiten Adressatenkreises beruht (vgl. auch SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 – Vf. 43-II-00 –, juris, Rn. 227, zur Schleierfahndung). Hinzu kommt, dass unter den europarechtlichen Rahmenbedingungen, die systematische Kontrollen an Schengen-Binnengrenzen ausschließen (vgl. Art. 20, Art. 21 Schengener Grenzkodex), ein geeigneter Kontrollraum zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise durch Stichproben nach nicht zu beanstandender Einschätzung des Gesetzgebers nicht auf das unmittelbare Grenzgebiet beschränkt werden soll (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 – Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 –, juris, Rn. 111).

84

§ 22 Abs. 1a BPolG ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Ausgehend von der – wie dargelegt – geringen Eingriffsintensität der Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG ist die niedrige Eingriffsschwelle und die damit verbundene Streubreite der Maßnahmen unschädlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Maßnahmen als Element des Grenzschutzes dem Schutz bedeutsamer Güter dienen, deren Verletzung strafbewehrt ist, wobei nicht allein die unerlaubte Einreise selbst (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG), sondern auch die teilweise mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren versehene Schleuserkriminalität (§ 96 AufenthG) als Begleiterscheinung der unerlaubten Einreise einzubeziehen ist (vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 – Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 –, juris, Rn. 118). Hinzu kommt, dass der Schutz der genannten Güter gerade auch durch die generalpräventive Wirkung der damit auf eine gewisse Streubreite angelegten Maßnahmen erreicht wird. Des Weiteren sind die Befugnisse nach § 22 Abs. 1a BPolG hinsichtlich der herangezogenen Person zwar anlasslos; durch die räumliche Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Züge und Bahnhöfe, bei denen aufgrund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung die Annahme besteht, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, oder auf Flughäfen mit grenzüberschreitendem Verkehr werden jedoch nur Personen betroffen, die – örtlich betrachtet – in einer gewissen Nähebeziehung zu den mit § 22 Abs. 1a BPolG verfolgten Gemeinwohlzwecken stehen. Bei einer abwägenden Gegenüberstellung der geringfügigen Grundrechtsbeeinträchtigung und des damit verfolgten präventiven Gefahrenschutzes ist die Vorschrift nicht zu beanstanden.

85

c. § 22 Abs. 1a BPolG ist mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Die Art. 20 und 21 Schengener Grenzkodex stehen der Anwendung des § 22 Abs. 1a BPolG nicht entgegen. Bei den Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG handelt es sich – da sie nicht an der Grenze oder bei Grenzübertritt erfolgen – um Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets nach Art. 21 Schengener Grenzkodex (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] –, juris, Rn. 68; Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 55 f.), die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 21 lit. a Schengener Grenzkodex zulässig sind.

86

aa. Nach Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex berührt die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen (vgl. Art. 20 Schengener Grenzkodex) nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] –, juris, Rn. 69).

87

Nach Satz 2 der Vorschrift darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen (i.) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben; (ii.) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen; (iii.) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet; (iv.) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden. Mithin ist unter den in Art. 21 lit. a Satz 2 i) bis iv) Schengener Grenzkodex alternativ (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 59) aufgezählten Situationen anzunehmen, dass die Maßnahmen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen haben und dementsprechend nach Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex zulässig sind.

88

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs genügt es indes nicht, wenn die Kontrollen im Tatsächlichen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzkontrollen haben, weil sie beispielsweise – wie dies für die Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG nicht in Abrede gestellt werden kann – nur stichprobenartig durchgeführt werden. Vielmehr verlangt die Rechtsprechung eine normative Einschränkung der Kontrollbefugnisse, um zu gewährleisten, dass diese nicht die gleiche Wirkung wie nach Art. 20 Schengener Grenzkodex unzulässige Grenzkontrollen haben können (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] –, juris, Rn. 73 f.; Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 68). In diesem Zusammenhang gilt, dass die normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse umso genauer sein müssen, je zahlreicher die Indizien für eine mögliche, einer Grenzkontrolle gleichkommende Wirkung sind (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 75).

89

bb. Nach diesen Maßstäben begründet § 22 Abs. 1a BPolG Befugnisse, die im Sinne des Art. 21 lit. a Schengener Grenzkodex nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Dies ist auch normativ hinreichend abgesichert (a.A. wohl VG Stuttgart, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 1 K 5060/13 –, juris, Rn. 33, allerdings ohne weitergehende Begründung zu den Unterschieden zu dem dort inhaltlich an sich geprüften § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG).

90

Zunächst ist festzustellen, dass nur wenige Indizien für eine einer Grenzkontrolle gleichkommenden Wirkung sprechen. Die Kontrollbefugnisse nach § 22 Abs. 1a BPolG sind einerseits – auch wenn dies, wie sich aus Art. 21 lit.a Satz 1, 2. Halbs. Schengener Grenzkodex ergibt, grundsätzlich zulässig wäre – nicht auf das Grenzgebiet beschränkt, berechtigen jedoch andererseits auch nicht zu flächendeckenden Kontrollen im Grenzgebiet. Soweit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Sonderregelung für den räumlichen Geltungsbereich als Indiz für das Vorliegen einer gleichen Wirkung im Sinne des Art. 21 lit. a Satz 1 Schengener Grenzkodex herangezogen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2010 – Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] –, juris, Rn. 72; Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 70), darf also in Bezug auf § 22 Abs. 1a BPolG nicht außer Acht gelassen werden, dass er aufgrund des eigeschränkten räumlichen Anwendungsbereichs strukturell gar nicht in der Lage ist, die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen zu begründen. Die Einrichtung einer sogenannten „zweiten Kontrolllinie“ ist beispielsweise nicht möglich, weil nur ausgewählte Verkehrsmittel und -wege erfasst werden. Mithin ist § 22 Abs. 1a BPolG im Sinne des Art. 21 lit. a Satz 2 iii) Schengener Grenzkodex in einer Weise konzipiert und wird auch tatsächlich in einer Art angewendet, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an der Außengrenzen unterscheidet.

91

In Bezug auf Kontrollen in Zügen und Bahnhöfen kommt hinzu, dass dort nur lageabhängig Befragungen durchgeführt werden dürfen. In diesem Bereich erfolgen die Kontrollen also in Anlehnung an Art. 21 lit. a Satz 2 ii) Schengener Grenzkodex, demzufolge polizeiliche Maßnahmen nicht Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden dürfen, wenn sie auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 72). Die Verpflichtung, sich für die Kontrollen auf solche Informationen und Erfahrungen zu stützen, trägt weiterhin wesentlich zur Selektivität der durchgeführten Kontrollen – in Abgrenzung zu allgemeinen Grenzkontrollen – bei (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 78).

92

Tatsächlich werden die Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG nur stichprobenartig durchgeführt (vgl. dazu auch BT-Drucks. 16/4665, S. 7: „Aufdeckung in Form von Stichproben“), so dass bei indizieller Betrachtung die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG auch unter diesem Gesichtspunkt gemäß Art. 21 lit. a Satz 2 iv) Schengener Grenzkodex nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben.

93

Einzig im Bereich der Zielrichtung ist angesichts des Normzwecks des § 22 Abs. 1a BPolG, der der Verhinderung und Unterbindung der unerlaubten Einreise dient, die ein Indiz begründende Nähe zu Grenzübertrittskontrollen gegeben, durch die nach Art. 2 Nr. 9 bis Nr. 11 Schengener Grenzkodex zum einen festgestellt werden soll, ob die betreffenden Personen in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausreisen dürfen, und zum anderen vermieden werden soll, dass Personen die Grenzübertrittskontrollen umgehen (vgl. Urteil vom 22. Juni 2010 – Rs. C-188/10 u.a., [Melki und Abdeli] –, juris, Rn. 71). Berücksichtigt man jedoch, dass Grenzkontrollen bzw. Grenzübertrittskontrollen im Sinne des Schengener Grenzkodexes – soweit sie zulässig sind – darauf ausgerichtet sind, jede Person einer Mindestkontrolle zu unterziehen (vgl. Art. 7 Abs. 2 Schengener Grenzkodex), demgegenüber die Zielrichtung des § 22 Abs. 1a BPolG ausweislich der Gesetzesbegründung darauf ausgerichtet ist, durch „eine Aufdeckung […] in Form von Stichproben […] illegaler Einreise und Schleusungskriminalität ohne die Filterfunktion der Grenzkontrollen überhaupt noch begegnen zu können“ (vgl. BT-Drucks. 16/4665, S. 7), bestätigt auch dies, dass mit § 22 Abs. 1a BPolG nicht das Ziel verfolgt wird, Grenzkontrollen durchzuführen.

94

Bestehen demnach nur geringfügige Indizien, die für eine mögliche, einer Grenzkontrolle gleichkommende Wirkung sprechen, sind die Anforderungen an eine normative Absicherung nicht besonders streng, weil letztlich die Verwirklichung des Ziels der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen nicht allzu gefährdet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 75). Den hiernach zu stellenden normativen Anforderungen, die verhindern, dass gestützt auf § 22 Abs. 1a BPolG Befugnisse ausgeübt werden, die die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, wird die Vorschrift gerecht.

95

Ausgehend davon, dass gemäß Art. 21 lit. a Satz 2 Schengener Grenzkodex die Ausübung polizeilicher Befugnisse insbesondere dann nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden darf, wenn „eine oder mehrere der dort aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind“ (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 59), muss es den Anforderungen an eine normative Absicherung folglich genügen, wenn diese für ein oder mehrere der dort aufgeführten Voraussetzungen festgestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es spiegelbildlich unschädlich, wenn einzelne der in Art. 21 lit. a Satz 2 Schengener Grenzkodex genannten Voraussetzungen, die – wie hier – im Tatsächlichen vorliegen und dementsprechend bei der Indizien gestützten Prüfung der Gefährdungssituation für das Ziel des Art. 20 Schengener Grenzkodex einzubeziehen sind, normativ nicht abgesichert sind. Dies gilt hier in Bezug auf Art. 21 lit. a Satz 2 i) und iv) Schengener Grenzkodex, da ausweislich der Gesetzesbegründung und der tatsächlichen Ausübung der Kontrollbefugnisse, diese zwar keine Grenzkontrollen zum Ziel haben (Art. 21 lit. a Satz 2 i) Schengener Grenzkodex) und auch nur auf Grundlage von Stichproben durchgeführt werden, entsprechende Beschränkungen jedoch gesetzlich nicht fixiert sind.

96

Hinreichend gesetzlich geregelt ist demgegenüber der räumliche Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1a BPolG, der – wie dargelegt – bereits einer systematischen Kontrolltätigkeit entgegensteht und damit die Befugnisse auf ein Maß beschränkt, das sich im Sinne des Art. 21 lit. a Satz 2 iii) Schengener Grenzkodex eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen (vgl. dazu Art. 7 Abs. 2 Schengener Grenzkodex) unterscheidet. Ebenfalls normativ abgesichert ist bei Kontrollen in Zügen und Bahnhöfen, dass diese nur lageabhängig durchgeführt werden dürfen, mithin auch die Voraussetzungen in Anlehnung an Art. 21 lit. a Satz 2 ii) Schengener Grenzkodex Niederschlag im Gesetz gefunden haben. Soweit es bei der normativen Absicherung (auch) darum geht, sowohl die Notwendigkeit der Kontrollen als auch die konkret gestattete Kontrollmaßnahme selbst einer Kontrolle zu unterziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – Rs. C-278/12 [Adil] –, juris, Rn. 76), ist dies angesichts der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung gewährleistet, die sich auf die Lageabhängigkeit ebenso erstreckt (siehe oben) wie auf den – zum Teil damit in Zusammenhang stehenden – räumlichen Anwendungsbereich.

97

3. Während nach alledem die Norm des § 22 Abs. 1a BPolG rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist ihre Anwendung vorliegend indes rechtswidrig. Dabei sieht der Senat von einer weiteren Beweiserhebung zum Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen – insbesondere zu den entsprechenden Lageerkenntnissen oder der grenzpolizeilichen Erfahrung – ab (a.), weil die Normanwendung jedenfalls hinsichtlich der Auswahl der Kläger als zu kontrollierende Personen nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebung als ermessensfehlerhaft anzusehen ist (b). Daraus folgend ist auch der Datenabgleich nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG rechtswidrig (c.).

98

a. Wie bereits im Zusammenhang mit dem räumlichen Anwendungsbereich der Norm ausgeführt, stellt § 22 Abs. 1a BPolG nicht auf den einzelnen, selbst die Grenze überfahrenden Zug ab, sondern auf eine konkrete Bahnstrecke mit den auf ihr verkehrenden Zügen und den an ihr gelegenen Bahnhöfen. Mithin haben sich auch die entsprechenden Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung auf die konkrete Bahnstrecke zu beziehen.

99

Die Begriffe „Lageerkenntnisse“ und „grenzpolizeiliche Erfahrung“ sind gesetzlich nicht definiert. Unter Lageerkenntnissen lassen sich – als Bausteine der polizeilichen Lagebilder, die ihrerseits eine systematisch verdichtete Beschreibung von polizeilich relevanten Daten und Fakten zu einem bestimmten Bereich und zu einer bestimmten Zeit darstellen – jegliche polizeilichen Informationen fassen, die in Hinblick auf den jeweiligen polizeilichen Zweck relevant sind (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10). Der Begriff der grenzpolizeilichen Erfahrung nimmt Bezug auf sich wiederholende, polizeilich relevante Vorgänge aus der Vergangenheit, aus denen gestützt auf Erfahrungswerte Folgerungen für das Vorliegen einer abstrakten Gefahr – hier: die Nutzung zur unerlaubten Einreise – gezogen werden (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 27; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 22 Rn. 10; vgl. auch Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34, Nähe zum „Gefahrenverdacht“).

100

Als unbestimmte Rechtsbegriffe unterliegen die Lageerkenntnisse und die grenzpolizeiliche Erfahrung – wie bereits ausgeführt – der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. Hoppe/Peilert, in: Heesen/Hönle/Peilert/Martens, BPolG, 5. Aufl. 2012, § 22 Rn. 34; Müller-Terpitz, DÖV 1999, 329 [336]). Dies setzt gleichzeitig voraus, dass die Bewertungen und Tatsachen oder tatsächlichen Anhaltspunkte, auf denen die Lageerkenntnisse oder die grenzpolizeilichen Erfahrungen beruhen, in einer die inhaltliche Kontrolle ermöglichenden Weise belegt werden können (vgl. dazu SächsVerfGH, Urteil vom 10. Juli 2003 – Vf. 43-II-00 –, juris, Rn. 221 f.). Mit Blick auf den Vortrag der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genügt es hierzu grundsätzlich, wenn sich die Bundespolizei bezüglich der Lageerkenntnisse auf die von ihr erarbeiteten Lageberichte beziehen kann sowie die den Lageberichten zugrunde liegende Tatsachen- und Prognosebasis darlegt und sie damit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden kann. In diesem Zusammenhang haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung zum einen plausibel und nachvollziehbar geschildert, wie die im Verfahren konkret vorgelegten Lagebilder erarbeitet worden seien, und zum anderen auch ausgeführt, dass das für die Lagebilder ausgewertete Datenmaterial zwar nicht im Lagebericht selbst benannt, eine entsprechende Rückführbarkeit auf die Datengrundlage jedoch möglich sei, da sämtliche Feststellungen lückenlos festgehalten würden.

101

Ausgehend davon liegt es unter Berücksichtigung des Lagebildes für den operativen Dienst – Fahndung im Grenzgebiet, auf dem Gebiet der Bahnanlagen und dem Verkehrsflughafen Hahn – der Bundespolizeidirektion Trier (3. Quartal 2013) zwar nahe, gestützt auf Lageerkenntnisse für die im vorliegenden Verfahren betroffene Strecke zwischen Mainz und Koblenz als Teil der sogenannten Rheinschiene anzunehmen, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt wird. Denn dort wird zum einen unter Ziffer 4.1.1 ausgeführt, dass außerhalb des Grenzgebiets unerlaubt eingereiste und unerlaubt aufhältige Personen überwiegend auf der Rheinschiene und dem Umsteigebahnhof Koblenz festgestellt würden. Zum anderen wird unter Ziffer 7.2.2 eine ortsspezifische Handlungsanweisung zu § 22 Abs. 1a BPolG gegeben und als Brennpunkt im Bereich Koblenz die linke und rechte Rheinstrecke benannt, welche Direktverbindungen sowohl ins Rhein-Main-Gebiet als auch in die Ballungszentren des Ruhrgebiets und in die westeuropäischen Nachbarstaaten darstellten. Allerdings konnte eine weitergehende gerichtliche Prüfung nicht vorgenommen werden, weil die Beklagte das den oben genannten Auswertungsergebnissen und Folgerungen zugrunde gelegte Datenmaterial nicht weiter konkretisiert hat und die Kläger in Abrede gestellt haben, dass eine entsprechend belastbare Datengrundlage vorhanden ist.

102

Mangels Entscheidungserheblichkeit sieht der Senat davon ab, den Sachverhalt insoweit weiter aufzuklären. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass das Gericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es auf ihr Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (vgl. BVerwG Urteil vom 24. Oktober 1984 – 6 C 49.84 –, BVerwGE 70, 216 [221 f.] = juris, Rn. 16; Beschluss vom 22. März 2010 – 2 B 6.10 –, juris, Rn. 6). Hier kommt es nicht darauf an, ob der Senat sich vom Vorliegen des allein in Streit stehenden Tatbestandsmerkmals der Lageerkenntnisse oder grenzpolizeilicher Erfahrung eine Überzeugung bilden kann, weil die angegriffenen Maßnahmen auch dann, wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, dass die von ihr herangezogenen Lagebilder plausibilisiert, konkretisiert und belegt worden wären, aufgrund einer als ermessenfehlerhaft zu behandelnden Auswahl der zu kontrollierenden Personen rechtswidrig gewesen sind (dazu b. und c.).

103

b. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stellt sich die auf § 22 Abs. 1a BPolG gestützte Kontrolle der Kläger als ermessensfehlerhaft dar, weil der Senat hiernach nicht die Überzeugung gewinnen konnte, dass die Hautfarbe der Kläger nicht zumindest ein mitentscheidendes Kriterium für ihre Kontrolle gewesen ist.

104

aa. Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Art. 3 Abs. 3 GG konkretisiert – ebenso wie Absatz 2 – den allgemeinen Gleichheitssatz und setzt damit der dort eingeräumten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers feste Grenzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967 – 2 BvL 3/62 –, BVerfGE 21, 329 [343] = juris, Rn. 32; Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, u.a. –, BVerfGE 85, 191 [206] = juris, Rn. 52; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 –, BVerfGE 121, 241 [254] = juris, Rn. 48; stRspr). Die in Absatz 3 genannten Merkmale dürfen nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. nur BVerfG Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, u.a. –, BVerfGE 85, 191 [206] = juris, Rn. 52; Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 BvL 6/07 –, BVerfGE 121, 241 [254] = juris, Rn. 48; stRspr).

105

Der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich – vor allem auch hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten – keine eindeutige Linie entnehmen, unter welchen qualitativen Voraussetzungen eine verbotene Diskriminierung „wegen“ der dort genannten Merkmale angenommen wird (zum Streitstand vgl. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 119 ff. m.w.N.). Unabhängig von der Bezeichnung bezieht sich eine unzulässige Anknüpfung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG („wegen“) letztlich auf die Frage eines Ursachenzusammenhangs. Mithin kommt es jedenfalls im Bereich der Normanwendung darauf an, ob eine (plausible) Begründung der Ungleichbehandlung ohne Rückgriff auf ein Merkmal nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgt.

106

Eine rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung liegt also nach Art. 3 Abs. 3 GG bereits vor, wenn eine Ungleichbehandlung an ein dort genanntes Merkmal in diesem Sinne kausal anknüpft; ob daneben auch andere Gründe in einem Motivbündel maßgeblich waren, ist dann unerheblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. November 1993 – 1 BvR 258/86 –, BVerfGE 89, 276 [288 f.] = juris, Rn. 49).

107

Mithin handelt es sich nicht erst um einen Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wenn die Ungleichbehandlung ausschließlich oder ausschlaggebend an eines der dort genannten Merkmale anknüpft (vgl. OVG RP, Urteil vom 27. März 2014 – 7 A 10993/13.OVG –, juris, Rn. 36, „allein aufgrund der Hautfarbe“; OVG RP in der mündlichen Verhandlung in dem für erledigt erklärten Verfahren 7 A 10532/12.OVG, Pressemitteilung 30/2012 vom 30. Oktober 2012, „ausschlaggebendes Kriterium“; zum Diskriminierungsverbot nach Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention vgl. auch EGMR, Entscheidung vom 13. Dezember 2005 – Nr. 55762/00, u.a., Timishev/Russland -, Rn. 58, „exclusively or to a decisive extent“ [abrufbar unter: www.hudoc.echr.coe.int]; Urteil vom 13. November 2007 – Nr. 57325/00, D.H. u.a/Tschechien –, Rn. 176, „ausschließlich oder wesentlich“ NVwZ 2008, 533 [534]), sondern bereits dann, wenn bei einem Motivbündel ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal ein tragendes Kriterium unter mehreren gewesen ist. Eine verdachtsunabhängige Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG in Anknüpfung an die Hautfarbe ist unzulässig.

108

bb. Nach diesen Maßstäben liegt ein Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG vor, da der Senat nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen konnte, dass die Hautfarbe der Kläger, die von dem Merkmal der Rasse in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst wird (vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 122), für ihre Kontrolle nicht doch mitentscheidend gewesen ist. Dies geht in der vorliegenden zur Entscheidung stehenden Konstellation zulasten der Beklagten.

109

(1) Entgegen dem Vorbringen der Kläger folgt aus § 3 Abs. 3 Satz 1 GG keine prozessuale Beweislastumkehr. Die Beklagte muss, wenn sie gestützt auf § 22 Abs. 1a BPolG Personen kontrolliert, grundsätzlich nicht darlegen und beweisen, dass ein Merkmal nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die Auswahl nicht ein mittragendes bzw. mitentscheidendes Kriterium gewesen ist.

110

Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 22 Abs. 1a BPolG dazu ermächtigt, im Rahmen des Normzwecks und des räumlichen Anwendungsbereichs jedermann einer anlasslosen Kontrolle zu unterziehen. Mit Blick auf die in erster Linie generalpräventive Wirkung des § 22 Abs. 1a BPolG (dazu bereits oben) bedarf es insbesondere zur Wahrung des Normzwecks gerade keiner unterhalb einer Verdachts- oder Gefahrenschwelle liegenden Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen. Werden solche Jedermann-Kontrollen – beispielsweise allein nach dem Zufallsprinzip – durchgeführt und dabei auch Personen kontrolliert, die ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, besteht keine Beweis- und Begründungslast dafür, dass der Auswahlentscheidung keine unzulässige Anknüpfung an eines der dort genannten Differenzierungsmerkmale zugrunde gelegen hat. Zu beachten ist allerdings, dass die gerichtliche Kontrolle sich in dieser Konstellation auch darauf zu beziehen hat, ob tatsächlich solche Jedermann-Kontrollen durchgeführt wurden.

111

(2) Eine andere Ausgangssituation ergibt sich, wenn den Kontrollen nach § 22 Abs. 1a BPolG eine Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen zugrunde gelegt wird, weil bei diesen – immer noch unterhalb einer konkreten Verdachts- oder Gefahrenschwelle – eine zwar unspezifische, aber gesteigerte Nähe zum Normzweck (Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise) angenommen wird. Eine solche zielgerichtete Auswahl setzt eine schlüssige, die Auswahlentscheidung tragende Begründung voraus, die ihrerseits nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen darf. Kommt es bei einer solchen zielgerichteten Auswahl zu einer Kontrolle von Personen, die ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG aufweisen, trägt die Beklagte ebenfalls keine generelle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Auswahlentscheidung nicht auf einer unzulässigen Anknüpfung an eines der dort genannten Differenzierungsmerkmale beruht.

112

Allerdings gilt etwas anderes, wenn die eine zielgerichtete Auswahlentscheidung tragende Begründung sich als nicht belastbar bzw. nicht nachvollziehbar erweist. Bei Ermessensentscheidungen kommt es nämlich darauf an, dass die Entscheidungsfindung sich unbeeinflusst von Fehlern vollzieht, da sich allein am Entscheidungsergebnis – hier bezogen auf die konkrete Auswahlentscheidung – die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit regelmäßig nicht feststellen lässt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 – 7 C 80/82 –, juris, Rn. 29). Berücksichtigt man weiter, dass die Fehlerfreiheit der Entscheidungsfindung die Fehlerfreiheit des Entscheidungsergebnisses gewährleisten soll, kann nicht der Betroffene die Beweislast dafür tragen, dass festgestellte Fehler in der Entscheidungsfindung auch das Entscheidungsergebnis beeinflusst haben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20. September 1984 – 7 C 80/82 –, juris, Rn. 29). Mithin obliegt es in diesem Fall der Behörde, trotz eines Fehlers in der Entscheidungsfindung die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsergebnisses zu beweisen.

113

Übertragen auf die Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG folgt daraus, dass bei einer zielgerichteten Auswahlentscheidung, deren tragende Begründung (Entscheidungsfindung) sich bei gerichtlicher Kontrolle als fehlerhaft bzw. als zumindest nicht schlüssig erweist, die Behörde die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung (Entscheidungsergebnis) darlegen und gegebenenfalls auch beweisen muss. Bestehen also in dieser Situation Anhaltspunkte dafür, dass ein besonders geschütztes Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als zumindest mitentscheidender Anknüpfungspunkt herangezogen worden sein könnte, trägt die Behörde letztlich auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßende Auswahlentscheidung getroffen wurde.

114

(3) Ausgehend davon stellt sich die auf § 22 Abs. 1a BPolG gestützte Kontrolle der Kläger als ermessensfehlerhaft dar, weil sich die für die Auswahlentscheidung seitens der Beklagten vorgetragene Begründung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als nicht schlüssig darstellt. Die genaue Motivlage der die Kläger kontrollierenden Bundespolizeibeamten ließ sich auch im Rahmen der umfangreichen Beweisaufnahme nicht feststellen. Der Senat konnte nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen, dass die Hautfarbe der Kläger nicht zumindest ein mitentscheidendes Kriterium für ihre Kontrolle gewesen ist.

115

(a) Der die Kontrolle durchführende Bundespolizeibeamte, der Zeuge O., begründete im Verfahren die Entscheidung, die Kläger gestützt auf § 22 Abs. 1a BPolG anzusprechen, die Ausweise zu kontrollieren und im Anschluss daran einen Datenabgleich durchzuführen, mit dem Gesamtbild und schloss eine Auswahlentscheidung wegen der Hautfarbe aus.

116

Er habe sich noch im Einstiegsbereich stehend einen Überblick über den Waggon verschafft. Dabei sei ihm die Familie der Kläger aufgefallen, die direkt vor ihm in der ersten Vierer-Sitzgruppe auf der rechten Seite gesessen habe. Im Einstiegsbereich sei ihm weiter nichts aufgefallen, insbesondere kein Gepäck. Erst als er bei der Familie der Kläger gestanden habe, seien ihm Plastiktüten und eine Handtasche aufgefallen. Er schätze, dass es zwei bis drei Plastiktüten gewesen seien. An Beschriftungen der Tüten könne er sich nicht erinnern. Schon im Einstiegsbereich habe er gehört, dass sich die Kläger in sehr gutem Englisch unterhalten hätten. Er habe sie ansprechen wollen, weil er sich Gewissheit darüber habe verschaffen wollen, ob es sich um Touristen oder Militärangehörige handelte. Diese Entscheidung habe er bereits im Eingangsbereich getroffen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 9). Sofern zu dem Gesamtbild, das er beschrieben habe, auch die gute Kleidung gehöre, könne gerade eine solche Kleidung ein Anhaltspunkt für das Bemühen sein, möglichst bei der illegalen Einreise und Durchreise nicht aufzufallen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11). Die Rheinstrecke von Mainz nach Koblenz und weiterführend Richtung Norden werde sehr oft genutzt von Leuten, die durch Deutschland durchreisen wollten, um anderswo illegal einzureisen, meistens nach Skandinavien. Die Leute seien häufig gut gekleidet, hätten Plastiktüten dabei und leichtes Gepäck (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9). Er könne für sich hundertprozentig persönlich ausschließen, dass er die Kläger wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert habe (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11). Er sei sich ganz sicher, das Gespräch mit der Frage nach dem Reiseweg begonnen zu haben, und zwar in englischer Sprache. Der Kläger habe ihm zunächst in Englisch geantwortet, habe aber dann zur deutschen Sprache gewechselt. Er habe dem Kläger zu verstehen gegeben, dass ihm das die Sache wirklich erleichtere (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10 f.).

117

Während der Zeuge O. im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahmen vom 5. und 11. Januar 2015 noch angegeben hatte, der Kläger habe ihm zwei deutsche Reisepässe übergeben, und er es als auffällig empfunden habe, dass diese bei einer Inlandsfahrt mitgeführt würden, sagte er in den mündlichen Verhandlungen aus, die Kläger hätten sich mit Personalausweisen ausgewiesen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9 und vom 21. April 2016, S. 10). Da allein der Kläger das Gespräch geführt und ihm auch den Personalausweis der Klägerin gegeben habe, habe er aufgrund des Gesamtbildes einen Datenabgleich durchgeführt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 9). Ihm sei auch das Verhältnis der Personen untereinander nicht klar gewesen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10). Durch den Datenabgleich habe er klären wollen, ob die Personalausweise als gestohlen gemeldet oder schon einmal mit Schleuserkriminalität in Erscheinung getreten seien (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 10). Im Rahmen des Gesamtbildes bei der Kontrolle habe er schon den Verdacht gehabt, dass sich die Familie der Kläger hier illegal aufhalten bzw. illegal durchreisen könnte (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 11 f.).

118

(b) Diese zur Begründung der Auswahlentscheidung vorgetragenen Umstände sind jedenfalls teilweise nicht verständlich und nicht nachvollziehbar.

119

Im Ausgangspunkt ist es nicht zu beanstanden, dass der Zeuge auf die Kläger aufgrund ihrer in flüssiger englischer Sprache geführten Unterhaltung aufmerksam geworden ist. Zwar wird auch die Sprache in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als unzulässiges Anknüpfungsmerkmal benannt. Die Aufnahme der Sprache in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zielt allerdings darauf, jegliche sprachliche Minderheit gegen Diskriminierung zu schützen und hierdurch den Gebrauch der Muttersprache sowie die Nutzung eigener kultureller Einrichtungen zu gewährleisten (vgl. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 3 Rn. 129; Stark, in: v.Mangoldt/Klein/Stark, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 3 Abs. 3 Rn. 389; Kischel, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 03/2016, Art. 3 Rn. 228). In dieser geschützten Funktion wird die Sprache jedoch nicht betroffen, wenn sie lediglich unter Berücksichtigung ihres indiziellen Aussagegehalts – die Sprache ist eben auch Ausdruck einer nationalen Identität – als ein die Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit stützendes bzw. förderndes Element herangezogen wird.

120

Soweit sich danach die bereits im Eingangsbereich getroffene Entscheidung, die Kläger anzusprechen, zunächst noch als schlüssig erweist, vermag das von dem Zeugen geschilderte Gesamtbild, auf das sich auch die Beklagte beruft, die endgültige Entscheidung, eine Kontrolle durchzuführen, sowie die konkrete Durchführung der Kontrolle nicht zu tragen.

121

Dies gilt zunächst hinsichtlich der Angaben des Zeugen zu auffälligem Gepäck in Form mehrerer Plastiktüten: Nach dem glaubhaften Vorbringen der Kläger bei ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung führten diese ein solches Gepäck nicht mit sich, sondern hatten lediglich die Handtasche der Klägerin und eine Plastiktüte mit am Bahnhof eingekauftem Proviant dabei. Die Schilderungen der Kläger zu den mitgeführten Utensilien – auch für die Kinder – waren in jeder Hinsicht überzeugend. Die Angaben wirkten insbesondere in keiner Weise abgesprochen, sondern wiesen mit Blick auf den inzwischen bestehenden Zeitablauf auch natürliche, auf Erinnerungsverlust zurückzuführende Unterschiede und auch nur ganz geringfügige Widersprüche (z.B. hinsichtlich der gekauften Zeitschriften) auf. Die Kläger machten deutlich, wenn sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten und schilderten gleichzeitig auch Vorgänge aus dem Randgeschehen, was für eine erlebnisbasierte Erinnerung spricht. Sie konnten auf Nachfragen (z.B. zu mitgeführten Jacken, Wickelutensilien für die kleinere Tochter oder Spielsachen für die Kinder) schlüssige und nachvollziehbare Antworten geben – abermals unter Hinweis auf durchaus bestehende Erinnerungslücken.

122

Die Klägerin gab an, es habe sich um einen Tagesausflug gehandelt. Sie hätten einen Buggy dabei gehabt, weil ihre jüngste Tochter damals erst 1 ½ Jahre alt gewesen sei. Auf der Ablage im unteren Bereich des Buggys hätten sie die Wickelutensilien dabei gehabt. Diese seien nicht in Plastiktüten, sondern unverpackt gewesen. Sie könne sich nicht erinnern, dass sie Rucksäcke dabei gehabt hätten (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 3). Der Buggy habe nicht direkt bei ihnen gestanden, da er zu sperrig gewesen sei. Er habe in der Nähe der Tür gestanden (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 4). Sie gehe davon aus, dass sie ihre Mäntel nicht mehr angehabt hätten; wo diese sich während der Reise befanden, könne sie heute nicht mehr sagen. Sie wisse genau, welches Spielzeug die Kinder dabei gehabt hätten. Wenn sie Spielzeug dabei gehabt hätten, hätten sie, die Kinder, das in der Regel selbst in der Hand getragen. Es habe keine Taschen oder ähnliche Behältnisse gegeben, auch keine Plastiktüten, in denen Spielzeug enthalten gewesen sei (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 6). Die Jacken der Kinder hätten sich wahrscheinlich zwischen ihnen befunden und die Mützen seien in den Jackenärmeln versteckt gewesen. Sie selbst habe ein Foto von ihnen auf ihrem Handy (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 7). Auch der Kläger gab an, dass die Kinder keine Taschen, Rucksäcke oder Ähnliches dabei gehabt hätten. Es könne nicht die Rede davon sein, dass sie mehrere Plastiktüten dabei gehabt hätten. Allenfalls hätten sie eine Tüte für die Zeitschriften dabei gehabt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 4). Die Klägerin gab hierzu noch an, sie habe ihre Handtasche dabei gehabt, die sie auch heute, in der mündlichen Verhandlung, trage. Darüber hinaus habe man am Mainzer Bahnhof Snacks für die Kinder gekauft, die sich in einer Plastiktüte befunden hätten. Am Mainzer Hauptbahnhof habe sie sich noch eine Zeitschrift gekauft, nämlich DIE ZEIT. Diese Zeitschrift sei nicht in einer Plastiktüte verpackt gewesen, sondern sie habe diese in der Hand oder im Arm gehabt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 21. April 2016, S. 3).

123

Gegen die Glaubwürdigkeit der Kläger spricht insbesondere nicht, dass beide angaben, sie seien auf Deutsch angesprochen worden (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 3 und vom 21. April 2016, S. 4, 7), während der Zeuge O. ausführte, die Ansprache sei in englischer Sprache erfolgt, wofür angesichts der vorherigen Gesprächsführung der Kläger in englischer Sprache und den insoweit detailreichen Angaben des Zeugen (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 8 f. und vom 21. April 2016, S. 9 f.) Vieles spricht. Insoweit werden die Angaben des Zeugen O. auch durch die Aussagen der beiden anderen beteiligten Bundespolizeibeamten, den Zeugen H. und M., bestätigt (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14 f., 16). Da die Kläger sowohl fließend Deutsch als auch Englisch sprechen und der Kläger nach den Angaben des Zeugen O. mühelos die Sprache wechselte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich bezogen auf die Sprache, in der sie von dem Zeugen O. angesprochen worden sind, irren, weil dies nicht mit besonderen Erinnerungen verknüpft gewesen ist.

124

Im Vergleich zu den konkreten, in der Sache überzeugenden Ausführungen der Kläger zu ihrem mitgeführten Gepäck stellen sich die Angaben des Zeugen O. als nur vage dar und ziehen die Schilderungen der Kläger nicht in Zweifel. Auch die Zeugen H. und M. konnten keine konkreten Angaben zum mitgeführten Gepäck machen. Der Zeuge M. gab bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. Dezember 2014, S. 3 (Bl. 596 GA) an, keine Erinnerung an das mitgeführte Gepäck zu haben. Der Zeuge H. führte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 30. März 2015, S. 3 (Bl. 17 der Verwaltungsakte „VerwV BPOLP Ref. 23 Befragung I 23-180402-0001-19“) zwar aus, er habe mehrere Plastiktüten wahrnehmen können. Allerdings handelt es sich zum einen auch insoweit letztlich um unspezifische Angaben und zum anderen sagte er bei seiner späteren Zeugenvernehmung aus, sich an Einzelheiten der Kontrolle überhaupt nicht mehr erinnern zu können. Er habe sich auf seine Funktion als Sicherer konzentriert (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14).

125

Damit entfällt das Gepäck als wesentlicher Bestandteil des behaupteten Gesamtbildes, das Grundlage der Auswahlentscheidung gewesen sein soll.

126

Auch die englische Sprache als Anknüpfungspunkt für die Kontrolle erscheint durch die weitere Durchführung der Kontrolle – jetzt in deutscher Sprache – nicht mehr hinreichend plausibel. In dem Augenblick, in dem der Kläger dem Zeugen O. in fließendem Deutsch geantwortet hat, und jedenfalls spätestens, als zwei deutsche Personalausweise vorgelegt wurden, die neben der Staatsangehörigkeit auch die Beziehung der Personen untereinander verdeutlichten, blieb von der behaupteten ursprünglichen Vorstellung über den Anlass der Kontrolle nichts mehr übrig. Nichtsdestotrotz wurden die Maßnahmen nach § 22 Abs. 1a BPolG fortgesetzt und es wurde zudem ein Datenabgleich nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG durchgeführt. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass sich einzelne Erkenntnisse, die die vorgetragene Grundannahme nach und nach widerlegt haben, erst während der Kontrolle ergeben haben. Allerdings lassen sich aus dem Umstand, dass die Kontrolle trotzdem fortgesetzt und sogar intensiviert wurde, indem – letztlich ohne erkennbare Anhaltspunkte – eine Vermutung von der nächsten Vermutung abgelöst wurde, Rückschlüsse auf die Nachvollziehbarkeit der vor Beginn der Maßnahme bestehenden Erwägungen ziehen. Letztlich bleibt für den Senat die Motivlage unklar.

127

Auch die beiden anderen Bundespolizeibeamten, die Zeugen H. und M., konnten weder in ihren schriftlichen Stellungnahmen noch in ihrer Vernehmung weiterführende Angaben zur Motivlage des die Auswahl treffenden und die Kontrolle durchführenden Zeugen O. machen. Beide gaben in ihren schriftlichen Stellungnahmen an, dass vor einer Kontrolle in der Regel keine Abstimmung zwischen den Bundespolizeibeamten erfolge, sondern der kontrollführende Beamte allein die Entscheidung treffe (vgl. schriftliche Stellungnahmen vom 30. März 2015, S. 2 [Zeuge H.] und vom 30. Dezember 2014, S. 2 [Zeuge M.], Bl. 16 bzw. Bl. 20 der Verwaltungsakte „VerwV BPOLP Ref. 23 Befragung I 23-180402-0001-19“). Der Zeuge H. sagte weiter aus, der Zeuge O. habe ihm vor der Kontrolle mitgeteilt, er wolle die Kläger ansprechen, weil diese sich auf Englisch unterhielten (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 14 und schriftliche Stellungnahme vom 30. Dezember 2014, S. 2, a.a.O.). Der Zeuge M. gab an, man habe sich über die Gründe, die Kläger zu befragen, nicht unterhalten. In den Gesprächen, die danach geführt worden seien, sei deutlich geworden, dass die englische Sprache Ursache der Befragung gewesen sei. Außerdem sei es noch um Tüten gegangen, später dann um sogenanntes mitgeführtes Gepäck (vgl. Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 17. Juli 2015, S. 16 f.).

128

Damit fehlt es an einer schlüssigen, die Auswahlentscheidung tragenden Begründung.

129

(c) In Konsequenz daraus ist es Sache der Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass die Kontrolle der Kläger nicht aufgrund einer Anknüpfung an ihre Hautfarbe und damit unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfolgt ist.

130

Soweit dem äußeren Ablauf des Geschehens, bei dem in dem konkreten Zug nur eine Kontrolle durchgeführt wurde und diese eine Familie mit dunkler Hautfarbe betraf, klägerseits indizielle Wirkung dafür beigemessen wird, es habe sich um eine diskriminierende Kontrolle gehandelt, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Die Beklagte hat einen nachvollziehbaren sachlichen Grund dafür benannt, weshalb es in dem konkreten Zug keine weiteren Kontrollen gegeben habe. Die Bundespolizeibeamten seien nach der Kontrolle der Kläger am nächsten Bahnhof ausgestiegen, um kurz vor dem Ende ihres Zuständigkeitsbereiches einen Zug in die Gegenrichtung zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist die Wirkung auf Außenstehende, denen die Gründe für die singuläre Kontrolle in dem Zug nicht bekannt sind, zu beachten und kann Anlass geben, die Motive für die durchgeführte Kontrolle zu hinterfragen.

131

Die Angaben des Zeugen O., er könne für sich persönlich hundertprozentig ausschließen, die Kläger wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert zu haben, lassen sich – unabhängig von der Frage, ob er damit nur eine alleinige oder ausschlaggebende Bedeutung der Hautfarbe ausgeschlossen hat – nicht widerlegen. Gleichzeitig deuten jedoch der Ablauf der Kontrolle mit der zur Überzeugung des Senats widerlegten Grundannahme des auffälligen Gepäcks sowie insbesondere die Fortsetzung und Intensivierung der Kontrolle trotz der sich nach und nach ergebenden, gegen eine Fortführung sprechenden Erkenntnisse darauf hin, dass auch andere Gründe für die Auswahlentscheidung in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund kann der Senat trotz der umfangreichen Beweisaufnahme nicht mit der für seine Überzeugung notwendigen Sicherheit ausschließen, dass die Hautfarbe der Kläger entgegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG für die Kontrolle doch ein mitentscheidendes Kriterium gewesen ist. Diese Unaufklärbarkeit geht zulasten der Beklagten.

132

cc. Der danach anzunehmende Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist nicht gerechtfertigt. Da Art. 3 Abs. 3 GG keinen Gesetzesvorbehalt aufweist, ist grundsätzlich allein eine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht möglich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1995 – 1 BvL 18/93, u.a. –, BVerfGE 92, 91 [109] = juris, Rn. 68; Beschluss vom 7. Oktober 2003 – 2 BvR 2118/01 –, juris, Rn. 27). Hier kommt in Anlehnung an den Normzweck des § 22 Abs. 1a BPolG als Einschränkung die Verhinderung und Unterbindung unerlaubter Einreise in Betracht, die dem Schutz bedeutsamer Güter dient, deren Verletzung strafbewehrt ist, wobei nicht allein die unerlaubte Einreise selbst (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG), sondern auch die teilweise mit einer Strafandrohung von bis zu zehn Jahren versehene Schleuserkriminalität (§ 96 AufenthG) als Begleiterscheinung der unerlaubten Einreise einzubeziehen ist (vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 28. März 2003 – Vf. 7-VII-00, Vf. 8-VIII-00 –, juris, Rn. 118).

133

Eine an die Rasse anknüpfende Auswahlentenscheidung bei einer Kontrolle nach § 22 Abs. 1a BPolG ist allerdings unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den legitimen Gemeinwohlzwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Dabei steht dem Eingriff in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, mithin eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an ein besonders geschütztes Differenzierungskriterium, bezogen auf den Normzweck eine Erfolgsquote von (gerundet) lediglich 0,3 % (2013), 1,1 % (2014) und 4,4 % (2015) gegenüber, die sich nochmals auf unter 1 ‰ (2013 und 2014) verringert, wenn man die Kontrollen an Flughäfen außer Acht lässt (vgl. dazu BT-Drucks. 18/4149, S. 4 ff. [zu 2013 und 2014] und BT-Drucks. 18/8037, S. 5 f. [zu 2015]). In diesem Zusammenhang kann auch die generalpräventive Wirkung nicht berücksichtigt werden, weil diese gerade auch ohne eine zielgerichtete Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen erreicht wird. Mithin ist die Verhältnismäßigkeit einer diskriminierenden Vorauswahl allein an den sich daraus konkret folgenden „Treffern“ im Sinne des Normzwecks zu messen. Dies zugrunde gelegt lässt sich nicht feststellen, dass der Befugnis nach § 22 Abs. 1a BPolG eine so große Bedeutung zum Schutz der genannten öffentlichen Belange zukommt, dass sie ausnahmsweise die Ungleichbehandlung aufgrund der Rasse rechtfertigen könnte.

134

c. Der im Anschluss an das Ausweisverlangen telefonisch durchgeführte Abgleich der Personalien der Kläger mit dem Fahndungsbestand nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG war folglich ebenfalls rechtswidrig. Die Norm ermächtigt nicht zur Datenerhebung, sondern setzt eine rechtmäßige Datenerhebung voraus (vgl. Drewes, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12), an der es hier – wie dargelegt – fehlte.

III.

135

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

136

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

137

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Beschluss

138

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,2a. zwar ein nach § 4 erforderliche

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(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,1.zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verk

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 22 Befragung und Auskunftspflicht


(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Pe

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. Ausländer sind verpflichtet, bei der Einreise und der Ausreise einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen.

(2) An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt. Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. Ausländer sind verpflichtet, bei der Einreise und der Ausreise einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen.

(2) An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt. Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. Ausländer sind verpflichtet, bei der Einreise und der Ausreise einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen.

(2) An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt. Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.

(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.

(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt. Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden, Zentralstellen für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen, für die Kriminalpolizei und zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes und des Schutzes gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, eingerichtet werden.

(2) Als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes werden diejenigen sozialen Versicherungsträger geführt, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes, aber nicht über mehr als drei Länder hinaus erstreckt, werden abweichend von Satz 1 als landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechtes geführt, wenn das aufsichtsführende Land durch die beteiligten Länder bestimmt ist.

(3) Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:

1.
die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;
2.
die Staatsangehörigkeit im Bunde;
3.
die Freizügigkeit, das Paßwesen, das Melde- und Ausweiswesen, die Ein- und Auswanderung und die Auslieferung;
4.
das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung;
5.
die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schiffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes;
5a.
den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland;
6.
den Luftverkehr;
6a.
den Verkehr von Eisenbahnen, die ganz oder mehrheitlich im Eigentum des Bundes stehen (Eisenbahnen des Bundes), den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes sowie die Erhebung von Entgelten für die Benutzung dieser Schienenwege;
7.
das Postwesen und die Telekommunikation;
8.
die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen;
9.
den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht;
9a.
die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht;
10.
die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder
a)
in der Kriminalpolizei,
b)
zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes oder eines Landes (Verfassungsschutz) und
c)
zum Schutze gegen Bestrebungen im Bundesgebiet, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
sowie die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und die internationale Verbrechensbekämpfung;
11.
die Statistik für Bundeszwecke;
12.
das Waffen- und das Sprengstoffrecht;
13.
die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen;
14.
die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 9a bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt.

(2) Der Grenzschutz umfaßt

1.
die polizeiliche Überwachung der Grenzen,
2.
die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs einschließlich
a)
der Überprüfung der Grenzübertrittspapiere und der Berechtigung zum Grenzübertritt,
b)
der Grenzfahndung,
c)
der Abwehr von Gefahren,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern und von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern die Abwehr von Gefahren, die die Sicherheit der Grenze beeinträchtigen.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, zur Sicherung des Grenzraumes das in Satz 1 Nr. 3 bezeichnete Gebiet von der seewärtigen Begrenzung an durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auszudehnen, soweit die Grenzüberwachung im deutschen Küstengebiet dies erfordert. In der Rechtsverordnung ist der Verlauf der rückwärtigen Begrenzungslinie des erweiterten Grenzgebietes genau zu bezeichnen. Von der seewärtigen Begrenzung an darf diese Linie eine Tiefe von 80 Kilometern nicht überschreiten.

(3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln.

(4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, die

1.
den Benutzern, den Anlagen oder dem Betrieb der Bahn drohen oder
2.
beim Betrieb der Bahn entstehen oder von den Bahnanlagen ausgehen.

(2) Die durch die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 begünstigten Verkehrsunternehmen sind verpflichtet, der Bundespolizei für die erlangten Vorteile einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur für den zu leistenden Ausgleich einen Prozentsatz festzusetzen, der 50 Prozent des Gesamtaufwandes der Bundespolizei für die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 nicht überschreiten darf. Dabei sind insbesondere die erlangten Vorteile und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verkehrsunternehmens zu berücksichtigen. Sind mehrere Verkehrsunternehmen begünstigt, ist für jedes Unternehmen nach Maßgabe des Satzes 3 gesondert ein Prozentsatz festzusetzen, die Summe dieser Prozentsätze darf 50 Prozent des Gesamtaufwandes nicht überschreiten. Die Ausgleichsbeträge werden durch die in der Rechtsverordnung nach § 58 Abs. 1 bestimmte Bundespolizeibehörde erhoben.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann Maßnahmen gegen andere Personen als die nach § 17 oder § 18 Verantwortlichen richten, wenn

1.
eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist,
2.
Maßnahmen gegen die nach § 17 oder § 18 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen,
3.
die Bundespolizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch einen Beauftragten abwehren kann und
4.
die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können.
Die Maßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist.

(2) Die Bundespolizei kann ferner Maßnahmen gegen andere Personen als die nach § 17 oder § 18 Verantwortlichen richten, soweit sich dies aus den nachfolgenden Vorschriften dieses Abschnitts ergibt.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.

I.

2

Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

3

Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:

4

(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer

5

1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,

6

2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

7

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,

8

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und

9

5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

10

2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.

II.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).

12

Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).

III.

13

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).

14

2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.

15

Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.

16

Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.

17

Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.

18

Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.

19

Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.

IV.

20

Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

21

1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.

22

Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.

23

Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.

24

Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.

25

2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.

26

Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.

27

3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

28

4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

29

Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.

30

Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.

31

Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.

32

5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

33

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.

B.

34

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.

I.

35

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

36

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.

37

Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.

38

Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.

II.

39

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

40

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).

41

Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I , Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.

42

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

43

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.

44

aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).

45

bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).

46

cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.

47

2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.

48

a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.

49

Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.

50

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.

51

b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.

52

c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

53

d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.

54

e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

55

f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.

56

Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).

57

g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.

C.

I.

58

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.

II.

59

Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).

III.

60

Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).

IV.

61

Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

V.

62

Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

1. Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 818), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 76), Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 133) und Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 442) sind mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrigen Regelungen nicht bis zum 31. August 2012 durch eine Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Gewährung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz - BayLErzGG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 (GVBl S. 818) die Gewährung von Landeserziehungsgeld auf Deutsche und andere Personen beschränkt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen.

I.

2

Der Freistaat Bayern erließ 1989 ein Landeserziehungsgeldgesetz. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Leistungen nach diesem Gesetz zeitlich an den Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) anschließen und es Eltern so ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Erziehungsgeld wurde gemäß Art. 3 Abs. 1 BayLErzGG in der Fassung des Jahres 1995 ab dem Ende des Bezugs von Bundeserziehungsgeld für weitere zwölf Lebensmonate des Kindes, längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, gezahlt. Die Höhe des Landeserziehungsgeldes betrug nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayLErzGG 500 DM monatlich. Die Bezugsberechtigung war in Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG geregelt. Berechtigt war nach der hier allein zur Prüfung gestellten Regelung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nur, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besaß.

3

Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG hatte in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. November 1995 folgenden Wortlaut:

4

(1) 1 Anspruch auf Landeserziehungsgeld hat, wer

5

1. seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch fünfzehn Monate in Bayern hat,

6

2. mit einem nach dem 30. Juni 1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

7

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht,

8

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt und

9

5. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

10

2 Der Anspruch auf Landeserziehungsgeld setzt nicht voraus, dass der Berechtigte zuvor Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen hat.

II.

11

In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 11. April 1989 heißt es zur Einführung des Landeserziehungsgeldes, die Ergebnisse der Forschung und Praxis hätten in den letzten Jahren zu der allgemeinen Überzeugung geführt, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung in den ersten drei Lebensjahren die Grundlage für die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit bilde, die Sicherheit und Lebenstüchtigkeit mit emotionaler Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn verbinde. Die frühe soziale Prägung durch die Familie sei deshalb für Gesellschaft und Staat von besonderer Bedeutung. Die Einführung des Erziehungsgeldes und Erziehungsurlaubs für die ersten zwölf Lebensmonate durch das Bundeserziehungsgeldgesetz auf Bundesebene ab dem 1. Januar 1986 habe diese Erkenntnisse politisch umgesetzt. Der Landesgesetzgeber sei von der Richtigkeit des Erziehungsgeldgedankens zutiefst überzeugt. Angesichts einer anstehenden Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes habe sich die Bayerische Staatsregierung entschlossen, Landesleistungen der Familienförderung neu zu ordnen und ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Das Landeserziehungsgeld verstehe sich als Anerkennung für die intensive Erziehungsleistung von Müttern und Vätern und solle zugleich die finanzielle Lage junger Familien verbessern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4).

12

Um "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, müsse der Antragsteller seit der Geburt, mindestens aber seit 15 Monaten in Bayern seinen Hauptwohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit werde eine gezielte Förderung von "Landeskindern" gewährleistet (BayLTDrucks 11/11033, S. 5).

III.

13

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist polnische Staatsangehörige und begehrt Landeserziehungsgeld für die Betreuung ihres im Februar 2000, und damit vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004 geborenen Kindes. Sie wohnt seit 1984 in M. und besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seit 1988 hat sie wiederholt gearbeitet. So war sie längere Zeit als Fotolaborantin und kurzfristig in einem Textillager tätig. Seit 2002 arbeitete sie mit circa sieben Wochenstunden in der Gastronomie. Für das erste und zweite Lebensjahr ihres Kindes hatte sie Bundeserziehungsgeld in voller Höhe erhalten. Ihr Antrag auf Landeserziehungsgeld wurde zurückgewiesen, weil ihr aufgrund ihrer polnischen Staatsangehörigkeit Landeserziehungsgeld nicht zustehe. Nachdem auch ihr gegen die Ablehnung gerichteter Widerspruch erfolglos blieb, erhob sie Klage vor dem Sozialgericht München und begehrte die Gewährung von Landeserziehungsgeld unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Das Sozialgericht München setzte das Verfahren aus und legte zunächst dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof die Frage vor, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung des Freistaats Bayern verstoße. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied, die vorgelegte Regelung des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes sei mit der bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, Entscheidung vom 19. Juli 2007 - Vf. 6-V-06 -, juris).

14

2. Das Sozialgericht München hat das Verfahren sodann gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, § 80 Abs. 1 BVerfGG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG verstößt und nichtig ist.

15

Das vorlegende Gericht hält die zur Prüfung gestellte Norm für verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG verlange eine umso strengere Kontrolle, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der hier zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie sei nicht nur gegenüber Deutschen gewährleistet. Aufgrund von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erhielten Eltern bestimmter Staatsangehörigkeit unabhängig von der familiären Erziehungssituation und der Verfestigung ihres Aufenthalts in Bayern kein Landeserziehungsgeld. Es gebe keine Gründe, die diese Ungleichbehandlung nach Art und Gewicht rechtfertigen könnten.

16

Die sachliche Differenzierung müsse von den Zielen des Erziehungsgeldgesetzes im Lichte des Ehe- und Familienschutzes ausgehen. Im Vordergrund stehe dabei, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Der Gesetzgeber handle im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er diejenigen Antragsteller ausschließe, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könnten. Diese könnten das Hauptziel des Erziehungsgeldes, Kinderbetreuung unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder unter deren Einschränkung zu leisten, nicht erreichen. Diesem Ziel diene die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit jedoch nicht, sie stehe dazu in keinem sachlichen Zusammenhang.

17

Verfassungsrechtlich sei auch legitim, wenn der Gesetzgeber nur denjenigen Erziehungsgeld zukommen lasse, von denen erwartet werden könne, dass sie dauerhaft in Bayern blieben. Bei Sukzessivleistungen wie dem Erziehungsgeld werde die Zielerreichung durch eine Aufenthaltskontinuität des Empfängers wesentlich befördert. Diese Voraussetzung werde aber für alle Leistungsempfänger - nicht nur für ausländische Staatsangehörige - bereits durch die Voraussetzung der Vorwohnzeit des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erfüllt.

18

Die gewählte Unterscheidung diene lediglich Fiskalinteressen. Die Verhinderung fiskalischer Mehrbelastungen könne die vorgenommene Differenzierung jedoch nicht begründen. Zwar könne der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß von der Gewährung "freiwilliger familienpolitischer Zusatzleistungen", die nicht zum Familienlastenausgleich beziehungsweise nicht zum Existenzminimum des Kindes beitragen, absehen. Verzichtete der Gesetzgeber generell auf die Gewährung von Landeserziehungsgeld, würde dies auch die problematischen Differenzierungen zwischen verschiedenen Personengruppen beenden. Entscheide er sich jedoch dafür, eine derartige Leistung zu gewähren, dürften trotz der Freiwilligkeit der Leistung die Differenzierungsregeln des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Fiskalischen Interessen könne der Freistaat Bayern auch im Wege von Leistungskürzungen Rechnung tragen, ohne ausländische Staatsangehörige vom Leistungsbezug auszuschließen.

19

Die Staatsangehörigkeit komme als Unterscheidungskriterium nicht in Betracht. Zwar könne sie nicht grundsätzlich als Differenzierungskriterium ausgeschlossen werden. Die Eignung als Differenzierungskriterium müsse jedoch konkret bezogen auf das zu regelnde Sachgebiet bestimmt werden. Sei durch die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit ein Grundrecht beeinträchtigt, bedürfe es einer an der Schwere der Beeinträchtigung ausgerichteten Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung sei nicht ersichtlich. Keinesfalls dürfe die Staatsangehörigkeit zu einem isolierten Differenzierungskriterium degenerieren. In eine solche Richtung weise jedoch der Beschluss des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der das "Motiv einer gezielten Förderung der Landeskinder" in diese Richtung aufwerte.

IV.

20

Zu der Vorlage haben die Bayerische Staatsregierung, der 10. Senat des Bundessozialgerichts, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Familiengerichtstag sowie der Deutsche Juristinnenbund Stellung genommen.

21

1. Die Bayerische Staatsregierung hält die vorgelegte Regelung für verfassungsgemäß. Der Gleichheitssatz verlange keine schematische Gleichbehandlung, sondern lasse Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Bei einer rechtsgewährenden Regelung komme dem Gesetzgeber für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise eine besonders weitreichende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gestaltungsspielraum im Bereich der Leistungsverwaltung ende erst dort, wo eine ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei und mangels einleuchtender Gründe als willkürlich beurteilt werden müsse.

22

Der Gesetzgeber habe diese Grenze nicht überschritten. Die Regelung differenziere nach der Staatsangehörigkeit und nicht - wie die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) für mit der Verfassung unvereinbar erklärte Regelung über die Gewährung von Bundeserziehungsgeld - nach dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ziele gerade nicht auf die Erwartung, dass der Ausländer dauerhaft in Bayern bleibe. Dieses Ziel werde durch die Vorwohndauer in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG erreicht und gelte für Antragsteller aller Herkunftsländer. Das Gesetz bezwecke auch keine Förderung der Integration von Ausländern. Zu einer solchen Förderung sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet.

23

Vielmehr könnten bereits bloße finanzpolitische Überlegungen sachliche Gründe für die vorgelegte Norm darstellen. Das gelte jedenfalls für Leistungen, zu deren Gewährung keine Verpflichtung bestehe. Der Gesetzgeber müsse allerdings den Kreis der Betroffenen sachgerecht abgrenzen. Das Ermessen des Gesetzgebers sei jedoch nicht durch die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160) zur Gewährung von Kindergeld eingeschränkt. Die dortige Argumentation stehe in engem Zusammenhang mit dem Charakter des Kindergeldes als Komponente des dualen Systems des Familienlastenausgleichs. Die wirtschaftliche Belastung der Eltern solle teilweise ausgeglichen werden und diene damit der Einhaltung der in Art. 6 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG vorgegebenen Mindestvoraussetzungen, das Existenzminimum von Kindern steuerlich frei zu halten. Zur Zahlung des Erziehungsgeldes sei der Staat demgegenüber nicht verpflichtet. Das Landeserziehungsgeld könne ersatzlos wegfallen.

24

Außerdem sei die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit gerechtfertigt. Die Gegenseitigkeitsverbürgung sei eine Erscheinungsform des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten und der Verbesserung der Rechtsstellung deutscher Staatsbürger im Ausland diene. Die Bevorzugung von Deutschen bei der Erteilung von Leistungen im Vergleich zu ausländischen Staatsangehörigen, in deren Heimatländern Deutschen entsprechende Leistungen verwehrt blieben, sei gerechtfertigt. Andernfalls bestehe kein Anreiz für andere Staaten, Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen. Die Orientierung am Gegenseitigkeitsprinzip zeige sich auch darin, dass neben deutschen Staatsangehörigen auch Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum privilegiert würden. Denn gegenüber diesen Ländern bestünden völkerrechtliche Differenzierungsverbote.

25

2. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts teilt mit, er habe die Vorschrift noch nicht angewandt. Das Sozialgericht München habe beachtliche verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht. Das Grundgesetz verbiete zwar nicht generell Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Diese gehöre auch nicht zu den in Art. 3 Abs. 3 GG verbotenen Differenzierungskriterien. Prüfungsmaßstab sei daher allein der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung stets betont, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehre und ihm insbesondere im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zukomme. Für den Gesetzgeber ergäben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthalte keine Beschränkung auf Deutsche. Da es sich bei dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit um ein personenbezogenes Merkmal handele, sei eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt.

26

Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts gebe es zwischen dem Bundeserziehungsgeldgesetz und dem Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz nach Voraussetzungen und Zweck keine Unterschiede von Gewicht. Es stelle sich deshalb vor allem die Frage, ob die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ein geeignetes Kriterium sei, um den mit dem Bundeserziehungsgeld und dem zeitlich nachfolgenden Landeserziehungsgeld verfolgten Zweck zu erreichen, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen. Auf diesen Punkt bezögen sich in erster Linie die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts.

27

3. Der Deutsche Landkreistag hält die Argumentation des Sozialgerichts München für überzeugend. Fiskalische Ziele könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

28

4. Auch der Deutsche Familiengerichtstag teilt die Bedenken des vorlegenden Gerichts. Zwar sei dem Gesetzgeber im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit ein weitreichender Gestaltungsspielraum zuzuerkennen. Staatlichem Handeln seien aber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich eine Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken könne. Der gemäß Art. 6 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie sei unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

29

Die Staatsangehörigkeit sei ein gleichheitswidriger Gegenstand der Differenzierung. Das Kriterium diene nicht der Verfolgung des Ziels des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes, Eltern im Anschluss an die Förderung durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein weiteres Jahr die eigene Betreuung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne einer Berufstätigkeit nachgehen zu müssen. Das legitime Interesse des dauerhaften Aufenthalts werde durch die Vorwohnzeit sichergestellt. Für eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit bestehe kein sachlicher Grund. Das Merkmal sei damit ausgrenzend und diskriminierend.

30

Bei freiwilligen Leistungen wie dem Erziehungsgeld dürften fiskalische Interessen berücksichtigt werden. Trotzdem dürften Berechtigte nicht durch sachfremde Erwägungen von der Leistung ausgeschlossen werden. Könne der Gesetzgeber nur beschränkte Mittel einsetzen, stehe es ihm frei, die Leistung einzustellen, das Leistungsniveau abzusenken oder nicht diskriminierende Kriterien einzuführen.

31

Die Staatsangehörigkeit stelle sich als ein familienfeindliches und Kinder ungleich behandelndes Abgrenzungskriterium dar. Das Ziel der Regelung, eine Betreuung kleiner Kinder in der gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie sicherzustellen beziehungsweise die ökonomische Grundlage für die Entscheidung zugunsten einer Betreuung in der Familie zu schaffen, würde vielmehr durch die Voraussetzung der privilegierten Staatsangehörigkeit konterkariert. Eltern mit nicht privilegierter Staatsangehörigkeit müssten einer Erwerbstätigkeit nachgehen und könnten sich im Gegensatz zu anderen Eltern nicht der Familienarbeit widmen, obwohl ihre Familien ebenso unter dem Schutz des Art. 6 GG ständen. Auch die Kinder von Eltern mit und ohne privilegierte Staatsangehörigkeit würden entgegen Art. 3 GG durch das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz ungleich behandelt.

32

5. Der Deutsche Juristinnenbund schließt sich in seiner Stellungnahme der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Das Bayerische Landeserziehungsgeldgesetz sei eine Leistung zur Förderung von Familien. Dabei komme dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu. Bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten dürfe aber nicht sachwidrig differenziert werden. Dies müsse nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beurteilt werden. Prüfungsmaßstab bei Familienförderleistungen sei nicht das Willkürverbot, sondern das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es sei zu prüfen, ob Gründe von solcher Art und solchem Gewicht vorlägen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

33

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt, beim Landeserziehungsgeld handele es sich um eine unter dem Aspekt der Gestaltungsfreiheit von Familien und der Förderung von Gleichberechtigung insgesamt verfassungsrechtlich und rechtspolitisch fragwürdige Leistung. Der Gesetzgeber habe sich allerdings noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen gehalten. Mit der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit habe der Freistaat Bayern diese Grenze jedoch überschritten. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sei zwar nicht generell unzulässig. In Bezug auf die Einhaltung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Gewährung von Erziehungsgeld sei jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 176) zu beachten. Das Gericht habe zum Bundeserziehungsgeldgesetz Grundsätze formuliert, die bezogen auf die familienpolitischen Zwecke des Erziehungsgeldes auch beim Landeserziehungsgeld eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit sachwidrig erscheinen ließen. Die Förderung der Entscheidung für Kinder, die Abmilderung finanzieller Nachteile und die Anerkennung der Betreuungsleistung betreffe Eltern unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits entschieden, dass die Zwecke des Erziehungsgeldes bei Ausländern mit Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung nicht weniger zur Geltung kommen als bei Deutschen oder Ausländern mit anderen Aufenthaltstiteln. Wenn das Bundesverfassungsgericht schon einen Ausschluss von Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln für unzulässig erachtet habe, müsse eine an der Staatsangehörigkeit orientierte Differenzierung erst recht unzulässig sein. Eine Bezugsberechtigung ausländischer Eltern sei sinnvoll und der Integration dienlich. Fiskalische Argumente könnten nicht überzeugen.

B.

34

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG, ist jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, weil er Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, generell vom Anspruch auf Landeserziehungsgeld ausschließt.

I.

35

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt nicht gegen Art. 6 GG.

36

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG statuiert eine gesetzliche Bedingung des Anspruchs auf Landeserziehungsgeld. Die Vorschrift regelt damit die Voraussetzungen staatlicher Leistungsgewährung im Bereich der Familienförderung, greift jedoch nicht in die abwehrrechtlichen Verbürgungen des Familiengrundrechts, insbesondere des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG speziell (vgl. BVerfGE 24, 119 <135>; 31, 194 <204>) geschützten Elternrechts ein.

37

Ob das durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Recht der Eltern, ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen zu planen und zu verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung zu entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>), dadurch beeinträchtigt ist, dass eine finanzielle Förderung nur für den Fall der eigenen Betreuung durch ein Elternteil, nicht aber für andere von den Eltern gewählte Formen der Kinderbetreuung vorgesehen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Dass Anspruch auf Landeserziehungsgeld nur hat, wer sein Kind selbst betreut und erzieht, ist in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayLErzGG geregelt und folgt nicht aus dem hier allein zur Prüfung gestellten Staatsangehörigkeitserfordernis des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG.

38

Die Regelung verletzt keine aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG abzuleitende Schutz- und Förderpflicht des Staats zugunsten der Familie. Ein Verstoß gegen Schutz- und Förderpflichten aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG käme nur in Betracht, wenn eine verfassungsrechtliche Pflicht des Freistaats Bayern bestünde, Familien durch die Gewährung von Erziehungsgeld zu fördern. Zwar umfasst der besondere Gewährleistungsgehalt der ausdrücklichen Schutzverpflichtung des Art. 6 Abs. 1 GG eine über die allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht noch hinausgehende Förder- und Schutzpflicht des Staats für die Familie (vgl. auch BVerfGE 43, 108 <121>; 110, 412 <436>; 111, 160 <172>; Burgi, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Rn. 51). Die Art. 6 Abs. 1 GG als Generalnorm des Familienschutzes eigene, nicht auf Deutsche beschränkte (vgl. BVerfGE 111, 176 <184>) Schutz- und Förderdimension erstreckt sich auf das speziellere elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Aus dieser Schutz- und Förderpflicht ergibt sich die Aufgabe des Staats, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen zu unterstützen und zu fördern (vgl. Jestaedt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz , Art. 6 Abs. 2 und 3 Rn. 21). Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen lassen sich aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot, die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern zu unterstützen, jedoch nicht herleiten (vgl. BVerfGE 82, 60 <81 f.>; 87, 1 <36>; 107, 205 <213>; 110, 412 <445>). Insbesondere ist der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine familienfördernde Leistung in Form eines Erziehungsgeldes zu gewähren.

II.

39

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

40

1. a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 79, 1 <17>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 76). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 88, 87 <97>; 93, 386 <397>; 99, 367 <389>; 105, 73 <110>; 107, 27 <46>; 110, 412 <432>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77).

41

Diesen allgemeinen Grundsätzen folgt auch die verfassungsrechtliche Beurteilung einer Norm, die Ausländer im Vergleich zu Deutschen anders behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz garantiert "allen Menschen" die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und steht damit auch Ausländern zu (BVerfGE 30, 409 <412>). Gleiches gilt für den hier angesichts des familienpolitischen Charakters des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes zu berücksichtigenden Schutz der Familie (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184> m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber indessen nicht jede Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. Es ist dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren (vgl. BVerfGE 116, 243 <259>). Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz bedarf es für die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal jedoch eines hinreichenden Sachgrundes. Dass die Staatsangehörigkeit kein generell unzulässiges Differenzierungsmerkmal ist, bedeutet nicht umgekehrt, dass eine grundlose Ungleichbehandlung von Ausländern und Deutschen vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. Gundel, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 198 Rn. 86; Rüfner, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. I , Art. 3 Abs. 1 Rn. 136; vgl. auch EGMR, Urteil vom 16. September 1996 - 17371/90 -, Rn. 42, Gaygusuz v. Österreich; Urteil vom 30. September 2003 - 40892/98 -, Rn. 46, Poirrez v. Frankreich). Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere und verlöre damit ihren Sinn.

42

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416> m.w.N.; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 77). Dem Gesetzgeber kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>; 111, 176 <184>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich allerdings aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 78).

43

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die vorgelegte Regelung über das bloße Willkürverbot hinaus.

44

aa) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen erschöpfen sich hier schon deshalb nicht im bloßen Willkürverbot, weil die Verwehrung von Erziehungsgeld das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte und nicht auf Deutsche beschränkte Elternrecht berührt (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>). Auch wenn Art. 6 GG für sich genommen nicht verletzt ist (oben B. I.), ist das verfassungsrechtliche Elternrecht doch in seiner Schutz- und Förderdimension betroffen. Das Landeserziehungsgeld fördert eine bestimmte Form der Ausübung des Elternrechts, indem es die persönliche Betreuung des Kindes durch die Eltern unter Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit finanziell unterstützt. Mit der Verwehrung von Landeserziehungsgeld bleibt den Betroffenen dieses Element staatlicher Förderung des Elternrechts versagt. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Ungleichbehandlung ist dies zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169>; 111, 176 <184>), auch wenn sich daraus angesichts des freiwilligen Charakters der staatlichen Leistung noch keine besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, juris Rn. 11).

45

bb) Eine Verschärfung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenüber dem bloßen Willkürverbot folgt auch daraus, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG mit der Staatsangehörigkeit an ein Merkmal anknüpft, das den antragstellenden Personen kaum verfügbar ist. Die Staatsangehörigkeit einer Person hängt grundsätzlich von der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern oder dem Ort ihrer Geburt und damit von Umständen ab, die sie nicht beeinflussen kann. Eine Änderung der Staatsangehörigkeit ist nur unter Voraussetzungen möglich, die wiederum nicht allein im Belieben der Betroffenen stehen (vgl. BVerfGE 111, 160 <169 f.>).

46

cc) Die Staatsangehörigkeit wird in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG trotz Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit den dort genannten Merkmalen nicht als unzulässiges Differenzierungsmerkmal aufgeführt. Eine Unterscheidung anhand der Staatsangehörigkeit unterliegt darum nicht dem strengen Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 90, 27 <37>). Das schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung ausländischer Staatsangehöriger in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer nachteiligen Auswirkungen auf die Betroffenen einer Unterscheidung nach den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Merkmalen nahe kommt, so dass strenge verfassungsrechtliche Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu stellen sind (vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 297; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3 Rn. 127; Gundel, a.a.O. Rn. 86; König/Peters, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, 2006, Kap. 21 Rn. 138; vgl. auch EGMR, a.a.O.). Wie weit dies der Fall ist, bedarf keiner Entscheidung, da die vorgelegte Regelung bereits weniger strenge verfassungsrechtliche Anforderungen verfehlt.

47

2. Die durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG bewirkte Ungleichbehandlung von Personen, die nicht eine der dort genannten Staatsangehörigkeiten besitzen, ist nach den vorgenannten Grundsätzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, weil es der Regelung auch in Anerkennung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers an einem legitimen Zweck fehlt, der die Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen tragen könnte und dem zu dienen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung geeignet wäre.

48

a) Der Ausschluss von Personen, die nicht über eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG genannten Staatsangehörigkeiten verfügen, ist nicht durch die Zwecke des Bayerischen Landeserziehungsgeldgesetzes gerechtfertigt.

49

Die Gewährung von Erziehungsgeld zielt vor allem darauf, Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung zu fördern (BayLTDrucks 11/11033, S. 4). Zwar ist die wirtschaftliche Unterstützung der Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern angesichts des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderauftrags (Art. 6 Abs. 2 GG) ein legitimer Gesetzeszweck (oben B. I.), jedoch deckt dieser Zweck den in der vorgelegten Norm geregelten Leistungsausschluss nicht. Das Anliegen des Gesetzgebers, Eltern die persönliche Betreuung ihres Kindes zu ermöglichen und dadurch die frühkindliche Entwicklung zu fördern, kommt bei Ausländern und ihren Kindern auf gleiche Weise zum Tragen wie bei Deutschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie (Art. 6 GG) ist nicht auf Deutsche beschränkt.

50

Die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG vorgesehene Differenzierung dient auch nicht mittelbar der Verwirklichung des Gesetzeszwecks. Angesichts des Gesetzeszwecks wäre es verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Leistungsbezug auf Personen beschränkt würde, die in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein können. Der Gesetzgeber handelte im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er jene Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschlösse, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit ohnehin nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist (vgl. BVerfGE 111, 176 <185 f.>). Die vorgelegte Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit lässt noch weniger als die vom Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 6. Juli 2004 (BVerfGE 111, 160 <174 f.>; 111, 176 <185 ff.>) beanstandete Anknüpfung an den Aufenthaltstitel Rückschlüsse darauf zu, ob eine Arbeitserlaubnis besteht oder nicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war in Bayern rechtmäßig berufstätig, so dass ihr der Bezug von Landeserziehungsgeld einen Anreiz zur Einschränkung ihrer Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung hätte bieten können.

51

b) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel gerechtfertigt werden, eine Förderung auf Personen zu begrenzen, die dauerhaft in Bayern leben werden. In bestimmten Konstellationen mag die voraussehbare Dauer des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen in Deutschland eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <184>), ohne dass allerdings das Fehlen eines dauerhaften Aufenthalts automatisch jede Differenzierung hinsichtlich der Gewährung von Sozialleistungen legitimieren könnte (vgl. BVerfGE 116, 229 <239 f.>). Das Kriterium der Staatsangehörigkeit ist hier jedoch weder darauf gerichtet noch ist es geeignet, den Personenkreis zu erfassen, der voraussichtlich dauerhaft in Bayern ansässig sein wird. Die Staatsangehörigkeit gibt noch weniger als die - vom Bundesverfassungsgericht auch insofern bereits für unzureichend erklärte (vgl. BVerfGE 111, 160 <174>; 111, 176 <185>) - Art des Aufenthaltstitels verlässlich Aufschluss darüber, ob eine Person dauerhaft in Bayern ansässig sein wird.

52

c) Der Ausschluss von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union noch die eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzen, kann nicht mit dem Ziel der Begünstigung sogenannter "Landeskinder" (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 33) gerechtfertigt werden. Inwiefern eine Begünstigung von "Landeskindern" nach dem Grundgesetz zulässig ist, bedarf hier keiner Erörterung, da die vorgelegte Regelung nicht nach der Herkunft aus anderen Bundesländern, sondern nach der Staatsangehörigkeit unterscheidet und darum von vornherein nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung von "Landeskindern" gerechtfertigt werden kann. Anderes mag für die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG getroffene Regelung zur Vorwohnzeit in Bayern gelten (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5), die jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

53

d) Sofern der Landesgesetzgeber "Mitnahmeeffekte" verhindern wollte, die daraus resultieren könnten, dass sich Personen kurzfristig in Bayern niederlassen, um in den Genuss der bayerischen Erziehungsgeldregelung zu gelangen, wird dieses Ziel ebenfalls mit der Regelung zur Vorwohndauer (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayLErzGG) erreicht (vgl. BayLTDrucks 11/11033, S. 5). Davon abgesehen wäre die Staatsangehörigkeit kein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Ziels, da sie, wie dargelegt, weder über die der Geburt vorausgegangene Aufenthaltszeit noch über die künftige Aufenthaltszeit in Bayern zuverlässig Aufschluss gibt.

54

e) Fiskalische Interessen können die Schlechterstellung durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber eine Leistung freiwillig gewährt, darf er zwar durchaus berücksichtigen, welche finanziellen Mittel er angesichts der sonstigen Staatsaufgaben einsetzen kann (vgl. BVerfGE 102, 254 <303>). Finanzpolitische Belange dürfen aber nur dergestalt zur Geltung kommen, dass Berechtigte, die die Voraussetzungen eines Leistungsbezugs gleichermaßen erfüllen wie andere, nicht aufgrund sachfremder Differenzierung von der Leistung ausgeschlossen werden. Die bloße Absicht, das Leistungsvolumen zum Zwecke der Reduzierung staatlicher Ausgaben zu verringern, genügt für sich genommen nicht, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 87, 1 <46> m.w.N. sowie BVerfGE 19, 76 <84 f.>; 76, 256 <311>; 93, 386 <402>; 107, 218 <253>; 122, 210 <233>). Ansonsten liefe das allgemeine Gleichbehandlungsgebot im Bereich staatlicher Geldleistungen leer, da sich der Gesetzgeber zur Begründung von Ungleichheiten stets auf die Absicht berufen könnte, staatliche Ausgaben durch Teileinsparungen verringern zu wollen (vgl. BVerfGE 121, 241 <258>). Staatliche Ausgaben zu vermeiden, ist ein legitimer Zweck, der jedoch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen nicht zu rechtfertigen vermag. Ist ein darüber hinausgehender sachlicher Differenzierungsgrund nicht vorhanden, muss der Gesetzgeber finanzpolitischen Belangen durch eine Beschränkung der Leistungshöhe oder der Bezugsdauer für alle Berechtigten Rechnung tragen.

55

f) Schließlich kann die Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden. Danach müssen ausländischen Staatsangehörigen in einem Staat bestimmte Vorteile nur dann eingeräumt werden, wenn die Staatsangehörigen des Gaststaats im jeweiligen Heimatstaat ebensolche Vorteile beanspruchen könnten. Dass ausländischen Staatsangehörigen Leistungen vorenthalten werden, die den eigenen Staatsangehörigen gewährt werden, kann etwa dem Ziel dienen, andere Staaten zu beeinflussen, internationalen Verträgen beizutreten oder Gegenseitigkeitsabkommen abzuschließen, welche Deutschen im Ausland einen erhöhten Schutz gewähren. Die im Falle fehlender Gegenseitigkeit gezielt herbeigeführte Benachteiligung Angehöriger der betroffenen Staaten kann unter Umständen verfassungsrechtlich hinzunehmen sein (vgl. BVerfGE 51, 1 <24>; 81, 208 <224>). Näherer Überprüfung bedürfte allerdings die Frage, inwiefern sich angesichts der Bundeskompetenz für die auswärtigen Beziehungen nach Art. 32 Abs. 1 GG auch ein Landesgesetzgeber im Verhältnis zu anderen Staaten auf den Gesichtspunkt der Gegenseitigkeit berufen kann.

56

Die vorgelegte Regelung kann jedoch schon deshalb nicht mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit gerechtfertigt werden, weil Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht anhand der gegenseitigen Verbürgung entsprechender Leistungen unterscheidet (vgl. BayVerfGH, a.a.O. Rn. 36). Die vorgelegte Regelung stellt nicht auf die konkrete Gegenseitigkeit ab, sondern verlangt die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Möglicherweise bestehende Abkommen mit anderen Ländern werden ebenso wenig berücksichtigt wie die von einem Abkommen unabhängige Gewährung entsprechender Leistungen durch andere Staaten. Damit ist eine Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen im jeweiligen Leistungsfall nicht möglich. Selbst für den Fall, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen vor deren Beitritt zur Europäischen Union ein Gegenseitigkeitsabkommen bestanden oder Polen davon unabhängig entsprechende Leistungen an Deutsche gewährt haben sollte, hätte dies bei der Vergabe von Landeserziehungsgeld nicht berücksichtigt werden können. Lässt eine Regelung keinen Raum zur Prüfung der konkreten Gegenseitigkeitsvoraussetzungen, schließt dies aber von vornherein aus, dass sie unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Gegenseitigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben könnte (vgl. BVerfGE 51, 1 <25>; 81, 208 <224>).

57

g) Sonstige Zwecke, die die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG getroffene Unterscheidung tragen könnten, sind nicht ersichtlich.

C.

I.

58

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. BVerfGE 84, 168 <186 f.>; 92, 158 <186>). So könnte der Gesetzgeber auf die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit ersatzlos verzichten. Er könnte aber auch eine Regelung schaffen, die an die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit anknüpft (vgl. BVerfGE 111, 176 <189>). Der Gesetzgeber kann sich zudem dafür entscheiden, künftig gar kein oder allgemein ein geringeres Landeserziehungsgeld zu gewähren. Hinsichtlich der vor Inkrafttreten einer solchen Neuregelung anhängig gemachten Verfahren ist ihm dieser Weg indes versperrt, da jene Eltern, die die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG erfüllen, Elterngeld bereits aufgrund bestands- beziehungsweise rechtskräftig abgeschlossener Verfahren erhalten haben oder haben werden, das ihnen nicht rückwirkend genommen werden kann. Die nachträgliche Abschaffung des Landeserziehungsgeldes benachteiligte damit erneut in gleichheitswidriger Weise diejenigen, die die mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG nicht erfüllen.

II.

59

Entsprechend § 78 Satz 2 BVerfGG sind im Interesse der Rechtsklarheit auch die Nachfolgevorschriften in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 26. März 2001 (GVBl S. 76), in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bayerischen Gesetzes zur Zahlung eines Landeserziehungsgeldes und zur Ausführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. April 2004 (GVBl S. 133) und in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes vom 9. Juli 2007 (GVBl S. 442), die keine inhaltliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BayLErzGG 1995 aufweisen, für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar zu erklären (vgl. BVerfGE 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>, jeweils m.w.N.).

III.

60

Bescheide, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung bereits bestandskräftig sind, bleiben von ihr unberührt. Dies entspricht dem Grundgedanken des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, der auch zur Anwendung kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht eine Vorschrift für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt (vgl. BVerfGE 81, 363 <384>). Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, im Zusammenhang mit dem Gegenstand der vorliegenden Entscheidung eine andere Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 94, 241 <266 f.>; 111, 115 <146>).

IV.

61

Für den Erlass einer Neuregelung bleibt dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. August 2012. Kommt es bis zu diesem Zeitpunkt zu keiner verfassungsgemäßen Neuregelung, tritt Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

V.

62

Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen der Gewährung von Landeserziehungsgeld lediglich die Staatsangehörigkeit der Antragstellenden entgegensteht, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>; 116, 96 <135>) bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat (vgl. BVerfGE 28, 324 <363>; 111, 160 <176>), oder entsprechend C. IV. Nichtigkeit eintritt (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>).

(1) Die Einreise in das Bundesgebiet und die Ausreise aus dem Bundesgebiet sind nur an den zugelassenen Grenzübergangsstellen und innerhalb der festgesetzten Verkehrsstunden zulässig, soweit nicht auf Grund anderer Rechtsvorschriften oder zwischenstaatlicher Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen sind. Ausländer sind verpflichtet, bei der Einreise und der Ausreise einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 mitzuführen und sich der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zu unterziehen.

(2) An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Lassen die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden einen Ausländer vor der Entscheidung über die Zurückweisung (§ 15 dieses Gesetzes, §§ 18, 18a des Asylgesetzes) oder während der Vorbereitung, Sicherung oder Durchführung dieser Maßnahme die Grenzübergangsstelle zu einem bestimmten vorübergehenden Zweck passieren, so liegt keine Einreise im Sinne des Satzes 1 vor, solange ihnen eine Kontrolle des Aufenthalts des Ausländers möglich bleibt. Im Übrigen ist ein Ausländer eingereist, wenn er die Grenze überschritten hat.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein durch Beamte der Bundespolizei angeordneter Platzverweis im K. Hauptbahnhof und eine anschließend durchgeführte Feststellung ihrer Personalien rechtswidrig waren.

2

Am 5. Mai 2012 fuhr sie zusammen mit Frau A., die ebenfalls Klage bezüglich der gegen sie ergriffenen polizeilichen Maßnahmen erhoben hat (vgl. Urteil des Senats im Verfahren 7 A 10993/13.OVG), mit dem Zug nach K.. Sie beobachteten dabei zwei Beamte der Bundespolizei, die lagebildabhängige Befragungen und Kontrollen unter anderem zur Dunkelfeldaufhellung im Bereich illegaler Migration durchführten. Nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person sprachen sie die Polizeibeamten an und fragten nach den Gründen der Kontrolle. Dabei machten sie deutlich, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten.

3

Am Hauptbahnhof in K. stiegen sowohl die Klägerin und ihre Begleiterin als auch die beiden Polizeibeamten aus. Im Bahnhofsgebäude beobachteten sie die Befragung und Kontrolle eines dunkelhäutigen Mannes - Herrn M. - durch die Polizeibeamten. Sie gingen auf die dreiköpfige Personengruppe zu und stellten sich in einem Abstand von etwa 1,5 m seitlich neben die Polizeibeamten. Ihren eigenen Angaben zufolge wollten sie der kontrollierten Person deutlich machen, dass sie nicht allein war, und - so die Formulierung von Frau A. - ihr Beistand leisten bzw. - so die Formulierung der Klägerin - den Polizisten kenntlich machen, dass sie mit der Kontrolle nicht einverstanden waren. Die Polizeibeamten forderten sie auf, sich zu entfernen, weil sie eine polizeiliche Maßnahme behinderten. Frau A. entgegnete, sie störten doch nicht. Die Polizeibeamten wiederholten die Aufforderung zweimal und wiesen darauf hin, dass dies ein Platzverweis sei. Frau A. wendete ein, dafür bestehe ihrer Ansicht nach kein Anlass. Daraufhin drohten die Polizeibeamten mehrfach körperlichen Zwang zur Durchsetzung des Platzverweises an. Nachdem die beiden Frauen der Aufforderung weiterhin nicht nachkamen, ergriff einer der beiden Polizeibeamten, Polizeihauptmeister B., Frau A. am Arm, drehte ihn auf den Rücken und brachte sie in diesem Polizeigriff zu einem Seitenausgang aus dem Bahnhofsgebäude. Dort ließ er sie los und kehrte in die Bahnhofshalle zurück. Frau A. folgte ihm. Die Klägerin und der andere Polizeibeamte, Polizeikommissar S., waren ihnen in einem Abstand von mehreren Metern nachgegangen und blieben in der Bahnhofshalle, als sie Polizeihauptmeister B. und Frau A. dorthin zurückkehren sahen. Daraufhin wurden die Personalien der Klägerin überprüft.

4

Am 4. September 2012 hat die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des angeordneten Platzverweises und der Personalienfeststellung. Zur Begründung hat sie angegeben, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Sie wolle im Fall einer polizeilichen Personenkontrolle, die möglicherweise allein aufgrund der Hautfarbe der kontrollierten Person erfolge, die Kontrolle beobachten können. Solche Kontrollen fänden gerade im Bereich des K. Hauptbahnhofs statt, den sie regelmäßig besuche. Eine gerichtliche Entscheidung solle ihr als Richtschnur für künftiges Verhalten dienen. Sie habe zudem ein Rehabilitierungsinteresse, da die polizeilichen Maßnahmen von anderen Personen in der Umgebung hätten beobachtet werden können und sie von dem Makel der scheinbar gefährlichen Störerin befreit werden wolle. Schließlich stellten der Platzverweis und die Identitätsfeststellung auch einen tiefgreifenden Eingriff in ihr Grundrecht auf Bewegungsfreiheit bzw. informationelle Selbstbestimmung dar. Für die polizeilichen Maßnahmen habe keine Veranlassung bestanden, da sie durch die bloße Beobachtung der Personenkontrolle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründet habe.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2013 mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Klägerin unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, sie habe entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.

7

Die Klägerin beantragt,

8

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 20. März 2013 festzustellen, dass der von Beamten der Beklagten angeordnete Platzverweis sowie die anschließend durchgeführte Feststellung ihrer Personalien am 5. Mai 2012 in dem Hauptbahnhof K. rechtswidrig gewesen sind.

9

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

10

die Berufung zurückzuweisen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

12

Die Berufung ist unbegründet.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Sie ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (1.). Der Klägerin fehlt jedoch das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse (2.).

14

1. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des durch Beamte der Bundespolizei angeordneten Platzverweises und der anschließenden Personalienfeststellung der Klägerin gerichtete Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 - 6 C 21.07 -, juris, Rn. 10 = BVerwGE 131, 216, m.w.N.).

15

2. Die Klägerin hat kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

16

Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 20 = BVerwGE 146, 303, m.w.N.).

17

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse lässt sich im vorliegenden Fall nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Bedeutung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.). Demgemäß besteht kein berechtigtes Feststellungsinteresse bei nur vager Möglichkeit einer Wiederholung oder bei Ungewissheit, ob künftig gleiche tatsächliche Verhältnisse vorliegen werden (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 2012, § 113 Rn. 93 m.w.N.).

18

Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Klägerin künftig in eine Lage geraten wird, die hinsichtlich der maßgebliche Umstände dem vorliegenden Fall im Wesentlichen entspricht, und ihr gegenüber erneut ein Platzverweis sowie anschließend eine Identitätsfeststellung durch die Bundespolizei angeordnet werden wird.

19

Die Polizeibeamten haben den Platzverweis ihr gegenüber mit der Begründung angeordnet, sie behindere - zusammen mit ihrer Begleiterin - eine polizeiliche Maßnahme, nämlich die Befragung und Kontrolle einer Person im K. Hauptbahnhof. Die Klägerin sieht eine Wiederholungsgefahr als gegeben an, weil sie im Fall einer polizeilichen Personenkontrolle, die möglicherweise allein aufgrund der Hautfarbe der kontrollierten Person erfolge, die Kontrolle beobachten können wolle. Solche Kontrollen fänden gerade im Bereich des K. Hauptbahnhofs statt, den sie regelmäßig besuche. Dies vermag eine Wiederholungsgefahr jedoch nicht zu begründen.

20

Der Platzverweis und die ihm zugrunde liegende Einschätzung der Polizeibeamten, die Klägerin behindere eine polizeiliche Maßnahme, beruhen maßgeblich auf mehreren Umständen: auf dem von der Klägerin und ihrer Begleiterin im Bahnhof gezeigten Verhalten bei der Befragung und Kontrolle einer dunkelhäutigen Person, insbesondere auf der von den Beamten als aufdringlich empfundenen räumlichen Nähe, mit der den eigenen Angaben der Klägerin zufolge auch die Missbilligung der Kontrolle kenntlich gemacht werden sollte; darüber hinaus auf dem von der Klägerin und ihrer Begleiterin zuvor im Zug gegenüber den gleichen Polizeibeamten gezeigten Verhalten nach der Kontrolle einer "ausländisch aussehenden" Person, wobei sie die Polizeibeamten nach den Gründen der Kontrolle befragten und im Gespräch deutlich machten, dass sie eine Kontrolle allein aufgrund des ausländischen Erscheinungsbildes für diskriminierend und nicht zulässig hielten. Ein erneutes Zusammentreffen dieser für den Erlass der polizeilichen Maßnahmen maßgeblichen Umstände ist nicht wahrscheinlich, sondern vielmehr völlig ungewiss, sodass allenfalls die vage Möglichkeit einer Wiederholung steht. So hat auch die Klägerin, obwohl sie ihren Angaben zufolge den K. Hauptbahnhof regelmäßig besucht, nichts davon berichtet, in der seit dem Vorfall vom 5. Mai 2012 verstrichenen Zeit von immerhin knapp zwei Jahren nochmals in eine vergleichbare Lage gekommen zu sein. Für die im Anschluss an den Platzverweis getroffene Identitätsfeststellung gilt nichts anderes.

21

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen.

22

Ein Rehabilitierungsinteresse begründet ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene den erledigten Verwaltungsakt als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob abträgliche Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsaktes fortbesehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5/98 -, Buchholz 310, § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8 m.w.N.). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

23

Eine diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkung kann sich nicht nur aus der Art des Verwaltungsaktes, seiner Begründung und den Umständen seines Erlasses ergeben, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch aus der Art und Weise seines Vollzugs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2013, § 113 Rn. 143; Knauff, in: Gärditz, VwGO, 2013, § 113 Rn. 59). Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtmäßigkeit von Grundverwaltungsakt und Vollstreckungsmaßnahmen rechtlich getrennt zu prüfen ist (vgl. BVerwGE 26, 161). Der Vollzug eines Verwaltungsaktes kann gleichwohl Bedeutung für die Beurteilung der Frage von dessen Außenwirkung und des dadurch eingetretenen Ansehensverlusts haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 26 f.). So ist ein schutzwürdiges Rehabilitierungsinteresse bei einer polizeilichen Identitätsfeststellung angesichts der diskriminierenden Begleitumstände anerkannt worden, weil das Ansehen der Betroffenen in der Öffentlichkeit - bei unbeteiligten Beobachtern des Polizeieinsatzes - eine schwere Einbuße erlitten haben konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 2. Dezember 1991 - 21 B 90.1066 -, juris, Rn. 49). Wenngleich diskriminierende bzw. stigmatisierende Wirkungen einer polizeilichen Maßnahme vor allem dann anzunehmen sind, wenn sie das Ansehen der Betroffenen bei Nachbarn und Bekannten herabsetzen, so kann demnach auch der erhebliche Ansehensverlust in der Öffentlichkeit hierfür ausreichen (vgl. nochmals BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013, a.a.O., Rn. 25).

24

Platzverweis und Personalienfeststellung der Klägerin haben bei objektiver Betrachtung weder nach der Art der Verwaltungsakte noch nach ihrer Begründung diskriminierende Wirkung. Eine solche Wirkung ergibt sich auch nicht aus den Begleitumständen der polizeilichen Maßnahmen. Der Platzverweis wurde im Fall der Klägerin nicht wie bei ihrer Begleiterin, die im Polizeigriff zwangsweise aus der Bahnhofshalle gebracht wurde, mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt. Sie ist daher von dem durch den zwangsweisen Vollzug des Platzverweises eingetretenen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit - anders als ihre Begleiterin - nicht betroffen. Der Gesamtvorgang ist auch nicht - wie vom Senat im Prozesskostenhilfeverfahren erwogen (vgl. Beschluss des Senats vom 8. März 2013 - 7 D 10121/13.OVG -) - als ein einheitlicher Lebensvorgang anzusehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zwischen den beiden von dem angeordneten Platzverweis betroffenen Personen und ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit nicht unterscheiden kann. Während ihre Begleiterin durch einen der beiden Polizeibeamten zwangsweise aus der Bahnhofshalle gebracht wurde, blieb die Klägerin im Bahnhofsgebäude und folgte ihrer Begleiterin lediglich in einem Abstand von mehreren Metern. Angesichts der unterschiedlichen polizeilichen Behandlung der beiden Frauen konnte bei einem unbeteiligten Beobachter nicht der Eindruck entstehen, die Klägerin habe in nicht unerheblicher Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen. Dies gilt ebenso für die anschließende Personalienfeststellung.

25

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse liegt ferner nicht im Hinblick auf einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff vor.

26

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen gewichtiger, allerdings in zeitlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, juris, Rn. 28 = BVerfGE 110, 77, m.w.N.).

27

Weder Platzverweis noch Identitätsfeststellung der Klägerin stellen einen gewichtigen Grundrechtseingriff dar.

28

Dabei kann dahinstehen, ob ein Platzverweis den Schutzbereich der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) oder lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Betroffenen berührt. Der Umfang des Schutzbereichs von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, durch den die körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen geschützt wird, ist umstritten, so auch die Frage, ob ein Platzverweis in diesen eingreift (vgl. Murswiek, in: Sachs, GG, 6. Auflage 2011, Art. 2 Rn. 229 ff. und 240; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Auflage 2013, Art. 2 Abs. 2 Rn. 98 ff. und 104; jeweils m.w.N.). Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, handelt es sich hier jedenfalls nicht um einen gewichtigen Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit der Klägerin, sondern nur um eine geringfügige Beeinträchtigung. Denn die mit dem Platzverweis ausgesprochene Aufforderung, sich zu entfernen, die ersichtlich für die Dauer der polizeilichen Befragung bzw. Kontrolle des Passanten im Bahnhof galt, schränkte die körperliche Bewegungsfreiheit der Klägerin sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht allenfalls gering ein. Gleiches gilt, sofern der Platzverweis allein als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin anzusehen sein sollte.

29

Die Identitätsfeststellung der Klägerin durch die Beamten der Bundespolizei berührt zwar ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Sie greift jedoch nur geringfügig in dieses Grundrecht ein, da sie sich in der einmaligen Preisgabe der Personalien erschöpft und nicht zu einer Speicherung personenbezogener Daten geführt hat. Auch im Vergleich zu anderen möglichen Polizeimaßnahmen zur Erhebung personenbezogener Daten ist das Gewicht des Grundrechtseingriffs durch diese Identitätsfeststellung äußerst gering.

30

Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

32

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

33

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

34

Beschluss

35

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 und 2 GKG).

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 geändert, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung, dass die in einem sog. Gefahrengebiet erfolgte polizeiliche Feststellung ihrer Identität sowie die Kontrolle ihres mitgeführten Rucksacks rechtswidrig gewesen seien.

2

Der Führungs- und Lagedienst der Polizei richtete unter dem 26. April 2011 an die damalige ZD 20 (Leitung Zentraldirektion) einen Antrag auf Ausweisung eines sog. Gefahrengebiets anlässlich möglicher Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ am 30. April 2011: In den zurückliegenden Jahren sei es jeweils in der sog. Walpurgisnacht zu Ausschreitungen im Schanzenviertel und den umliegenden Straßenzügen gekommen, in den Jahren 2008 und 2009 jeweils im Anschluss an einen angemeldeten Aufzug. Für den 30. April 2011 sei erneut ein Aufzug angemeldet. Es stehe zu erwarten, dass hierdurch Personen angezogen würden, die sich anschließend an Ausschreitungen im Schanzenviertel beteiligten. Die wiederkehrenden Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ ähnelten stark den Ausschreitungen im Anschluss an das jährliche „Schanzenfest“. Sie begännen nach Einbruch der Dunkelheit und setzten sich bis in die Morgenstunden fort. So würden Sperrmüll, Bauzäune und Müllcontainer als Barrikaden auf Straßen und Wege gezogen und angezündet. Sehr wahrscheinlich seien auch gezielte Aktionen wie „Entglasungen“ von Geschäften, um den Einsatz der Polizei zu provozieren. Entsprechend der polizeilichen Kräftedichte stehe zu erwarten, dass Straftäter und Störer in das erweiterte räumliche Umfeld auswichen und dort Straftaten begingen. Um diesen Erscheinungen besser begegnen zu können, sei es erforderlich, ein „Gefahrengebiet Walpurgisnacht 2011“ gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in Hamburg vom 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233; im Folgenden: HmbPolDVG a.F.) einzurichten, und zwar vom 30. April 2011, 19.00 Uhr bis zum 1. Mai 2011, 5.00 Uhr. Das Gefahrengebiet solle im Norden durch die Straßen Fruchtallee, Schäferkampsallee, Schröderstiftstraße, einschließlich U-Bahnhof Christuskirche, im Osten durch die Straßen Karolinenstraße, Glacischaussee, im Süden durch die Straßen Millerntorplatz, Simon-von-Utrecht-Straße, einschließlich U-Bahnhof St. Pauli und im Westen durch die Straßen Holstenstraße, Stresemannstraße, Alsenstraße, Doormannsweg begrenzt werden. Relevante Personen und Personengruppen seien Personen bzw. Personengruppen, die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen seien, 16- bis 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen), Personen, die alkoholisiert seien und/oder sich besonders auffällig (z.B. besonders ausgelassen oder aggressiv) verhielten sowie Personen bzw. Personengruppen, die sich verdächtig verhielten bzw. verdächtige Gegenstände mit sich führten. Die genannten Personen hätten ein hohes Interesse daran, möglichst anonym und unbeeinflusst von der Polizei zu agieren. Durch die Möglichkeit der vereinfachten Überprüfung von Personen, Personengruppen sowie mitgeführten Gegenständen würden die Personen aus ihrer Anonymität gelöst und die Durchführung geplanter Aktionen erschwert. Ferner bestehe die Möglichkeit, weitere Folgemaßnahmen anzuschließen. Die Abteilung ZD 20 ordnete daraufhin die Ausweisung eines Gefahrengebiets durch Sichtvermerk – hierbei wird ein Antrag durch Anbringen von Namenszeichen und Datum genehmigt – antragsgemäß an.

3

Am späten Abend des 30. April 2011 hielt sich die Klägerin mit drei Bekannten in der Eifflerstraße auf und ging zu Fuß in Richtung Schulterblatt. Diese Straßen liegen innerhalb des o.g. Gefahrengebiets. An der Einmündung der Eifflerstraße zur Straße Schulterblatt befand sich eine Polizeikette. Die Klägerin wurde dort angehalten und ihre Identität wurde überprüft. Zu diesem Zweck händigte die Klägerin ihren Personalausweis aus. Ferner wurde der Rucksack, den die Klägerin zunächst auf ihrem Rücken trug, von einer Polizistin kontrolliert. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde und die Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Im Anschluss an die Identitätskontrolle und die Kontrolle des Rucksacks verfügte ein weiterer bei der Maßnahme eingesetzter Polizist ein Aufenthaltsverbot gegen die Klägerin. Im weiteren Verlauf wurde die Ingewahrsamnahme der Klägerin angeordnet und durchgesetzt. Aus dem Gewahrsam wurde sie um 3.00 Uhr morgens des Folgetages (1. Mai 2011) entlassen.

4

Mit ihrer im Juni 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die gegen sie gerichteten Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien und hierzu vor allem geltend gemacht: Die auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützten Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle des Rucksacks seien rechtswidrig gewesen, weil schon die Rechtsgrundlage verfassungswidrig sei. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Wesentlichkeitsgebot, den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführten Maßnahmen wiesen eine hohe Eingriffsintensität auf. Die Betroffenen könnten mangels Kenntnis der Kriterien, nach denen die Polizei – im Übrigen ohne hinreichende verfahrensmäßige Absicherung und allein anhand nicht näher definierter „Lageerkenntnisse“ – Maßnahmeadressaten bzw. „Zielgruppen“ im Gefahrengebiet bestimme und auswähle, ihr Verhalten nicht entsprechend ausrichten. Zudem dürften die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. im Gefahrengebiet zulässigen Maßnahmen nicht bloß isoliert betrachtet werden, sondern es seien auch die möglichen Folgemaßnahmen – nicht zuletzt solche der Datenweitergabe und -speicherung – in den Blick zu nehmen. Überdies hätten im konkreten Fall auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht vorgelegen. Die von der Beklagten genannten Lageerkenntnisse hätten die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht – schon gar nicht in dem konkreten Umfang – gerechtfertigt. Die Festlegung der zu kontrollierenden Personengruppen sei willkürlich und zu weitreichend. Die Feststellung ihrer Identität sei im Übrigen nicht erforderlich gewesen. Bei der Kontrolle ihres Rucksacks habe es sich nicht um eine bloße Inaugenscheinnahme, sondern um eine Durchsuchung gehandelt. Ferner seien die Voraussetzungen für die Verfügung eines Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 SOG) und für eine Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG) nicht erfüllt gewesen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6
1. festzustellen, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren,
7
2. festzustellen, dass das ihr am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot rechtswidrig war,
8
3. festzustellen, dass die am 30. April 2011 erfolgte Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.
9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht: Die Voraussetzungen für die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks seien erfüllt gewesen. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei zum einen verfassungsgemäß. Zum anderen hätten die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung bei der Klägerin und für eine Kontrolle ihres Rucksacks konkret vorgelegen. Insbesondere sei die Klägerin augenscheinlich dem linken Spektrum zugehörig und entsprechend polizeilich bekannt gewesen. Die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin habe keine Durchsuchung dargestellt, sondern die mitgeführten Sachen seien lediglich genauer betrachtet worden. Im Übrigen seien auch das Aufenthaltsverbot und die anschließende Ingewahrsamnahme der Klägerin rechtmäßig gewesen.

12

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012, das der Klägerin am 15. Oktober 2012 zugestellt worden ist, festgestellt, dass das der Klägerin am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot sowie ihre Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Einschätzung, die Identitätskontrolle sowie die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin seien rechtmäßig erfolgt, im Wesentlichen ausgeführt:

13

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Der mit den danach zulässigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei – erstens – hinreichend bestimmt. Der Zweck der Datenerhebung werde durch die Bezugnahme auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F. klargestellt. Auch der Begriff „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die nähere Definition enthalte § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. Der in einer Verwaltungsvorschrift der Polizei näher definierte Begriff „konkrete Lageerkenntnisse“ sei richterlicher Konkretisierung und Überprüfung zugänglich und genüge dem Bestimmtheitsgebot. Der Landesgesetzgeber sei für die Regelung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. – zweitens – zuständig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – drittens – nicht das rechtsstaatliche Wesentlichkeitsgebot. Die notwendige zeitliche und örtliche Begrenzung werde durch die Gestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen erreicht. Auch habe der Gesetzgeber die materiellen Einschreitschwellen festgelegt, denn nach der Vorschrift müssten konkrete Lagebilder darauf hindeuten, dass in einem bestimmten Gebiet erhebliche Straftaten begangen würden. Es verletze auch nicht das Wesentlichkeitsgebot, dass das Gesetz keine Verfahrensregelungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets enthalte. Eine hinreichende Dokumentation der zur Ausweisung eines Gefahrengebiets führenden Erwägungen liege im Interesse der Beklagten selbst. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – viertens – auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die danach zulässigen Maßnahmen seien zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen. Die Eingriffsintensität der Identitätskontrolle, bei der keine besonders schutzwürdigen Daten erhoben würden, sei geringer als bei der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen. Letztere Maßnahme sei deshalb nur zulässig, wenn es zusätzliche und greifbare Erkenntnisse dafür gebe, dass (auch) diese Maßnahme zur Straftatenverhütung erforderlich sei. Im Übrigen werde der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff gemildert, indem die Maßnahmen nicht verdeckt, sondern offen und ohne Zuhilfenahme technischer Mittel erfolgten. Aufgrund der Begrenztheit der personellen Mittel könne die Maßnahme auch nicht uferlos ausgeweitet werden. Zwar werde auf die Voraussetzungen eines Gefahrenverdachts und der Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten verzichtet. Ein hinreichender Zurechnungszusammenhang werde aber hergestellt, indem an den Aufenthalt in einem Gefahrengebiet und mithin an eine Sondersituation angeknüpft werde. Auch die mit einer Identitätsfeststellung nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. möglicherweise verbundenen Folgeeingriffe führten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vorschrift, weil sie nur unter strengeren Voraussetzungen bzw. auf der Grundlage von Sondervorschriften zulässig seien. Die Gemeinwohlbelange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. diene, seien von erheblichem Gewicht.

14

Die gegenüber der Klägerin erfolgte Identitätsfeststellung sowie die Kontrolle ihres Rucksacks seien im konkreten Fall rechtmäßig auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets hätten vorgelegen. Dies gelte jedenfalls für den Bereich – Kreuzungsbereich Schulterblatt und Eifflerstraße –, in dem die Klägerin kontrolliert worden sei. Eine etwaige Überschreitung der zulässigen räumlichen Ausweitung eines Gefahrengebiets lasse die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines „Kernbereichs“ unberührt. Auch seien die Identitätsfeststellung der Klägerin sowie die Kontrolle ihres Rucksacks zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich gewesen. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin zu der bei der Ausweisung des Gefahrengebiets beschriebenen „Zielgruppe“ gehört habe und ob diese Definition rechtmäßig sei. Jedenfalls hätten die Maßnahmen von den handelnden Bediensteten der Polizei für erforderlich gehalten werden dürfen, weil diese – wie sie bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hätten – die Klägerin „vom Sehen her“ im Zusammenhang mit verschiedenen polizeilichen Einsatzanlässen gekannt hätten und ihnen die Zugehörigkeit der Klägerin zur „Szene“ bekannt gewesen sei. Die Maßnahmen seien schließlich auch ermessensfehlerfrei durchgeführt worden und hätten sich innerhalb der von der Rechtsgrundlage vorgegebenen Grenzen gehalten. Bei der Kontrolle des Rucksacks habe es sich um eine Inaugenscheinnahme und nicht um eine Durchsuchung gehandelt. Bei der Inaugenscheinnahme handele es sich um einen nur oberflächlichen Vorgang, bei dem der Einsatz von Hilfsmitteln und ein tieferes Eindringen in die Privatsphäre des Betroffenen nicht zulässig seien. Allerdings sei die Polizei nicht darauf beschränkt, mitgeführte Behältnisse oder Fahrzeuge lediglich von außen zu betrachten. Es könne im Einzelfall auch zulässig sein, Behältnisse zu öffnen und darin befindliche Gegenstände beiseite zu schieben oder sogar herauszunehmen.

15

Mit ihrer am 12. November 2012 erhobenen und – nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden des erkennenden Senats – am 14. Februar 2013 begründeten Berufung vertieft die Klägerin ihre Rechtsauffassung, § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungswidrig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Bestimmtheits- und Wesentlichkeitsgebot und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zur Begründung verweist die Klägerin ergänzend insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber keine näheren Begrenzungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht für die Einrichtung eines Gefahrengebiets vorgesehen, sondern dies vollständig der Verwaltung überlassen habe. Der Gesetzgeber habe auch kein normativ verbindliches Schutzkonzept, sondern nur ein verwaltungsinternes Verfahren vorgesehen, das unzureichend sei. Die Beschreibung der „Zielgruppen“ sei für eine notwendige Begrenzung nicht geeignet, zumal damit eine erhebliche diskriminierende Wirkung verbunden sei. Im konkreten Fall seien zudem die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht erfüllt gewesen. Hinreichende Lageerkenntnisse, die die Ausweisung des Gefahrengebiets „Walpurgisnacht 2011“ in seinem gesamten Umfang gerechtfertigt hätten, habe die Beklagte nicht belegt. Schließlich sei es im konkreten Fall auch nicht erforderlich gewesen, den Rucksack zu kontrollieren. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie – die Klägerin – darin Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt habe, habe es nicht gegeben.

16

Die Klägerin beantragt,

17

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 zu ändern, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, dass ihre am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen und macht insbesondere ergänzend geltend: § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Es könne gerichtlich überprüft werden, ob konkrete Lageerkenntnisse vorlägen, die die Einrichtung eines Gefahrengebiets rechtfertigten. In den polizeilichen Dienstvorschriften werde im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gefahrengebiet ausgewiesen werden könne und welche Erkenntnisse hierzu vorliegen und nachgewiesen werden müssten. Näherer gesetzlicher Vorgaben bedürfe es hierzu nicht. Die notwendige Begrenzung werde durch das Übermaßverbot erreicht. Kleinteiligere Verfahrensvorgaben seien nicht zweckmäßig, da dann nicht mehr alle denkbaren Konstellationen erfasst werden könnten. Ferner sei in der polizeilichen Dienstvorschrift geregelt, dass nach Ausweisung eines Gefahrengebiets spätestens alle vier Wochen überprüft werden müsse, ob die erforderlichen Voraussetzungen unverändert vorlägen. Überdies sei es nach der Dienstvorschrift erforderlich, eine „Zielgruppe“ für die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet zu definieren. Hierdurch werde verhindert, dass „jedermann“ Adressat einer Maßnahme im Gefahrengebiet werden könne. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hätten im konkreten Fall auch vorgelegen. Es sei für die „Walpurgisnacht“ 2011 mit der Begehung erheblicher Straftaten zu rechnen gewesen. Auch die räumliche Ausweitung des Gefahrengebiets sei rechtmäßig gewesen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin, nachdem das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Berufung bereits zugelassen hatte, die Fristen zur Einlegung der Berufung (§ 124a Abs. 2) und zu ihrer Begründung (§ 124a Abs. 3 VwGO) gewahrt.

23

Die Berufung ist auch begründet, da die zulässige Klage auch in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, begründet ist. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen waren – soweit sie im Berufungsverfahren streitgegenständlich sind (Identitätsfeststellung, Rucksackkontrolle) – rechtswidrig. Die von der Beklagten hierfür herangezogene Rechtsgrundlage (§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F.) ist verfassungswidrig (hierzu A.). Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) auszusetzen und es ist nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. einzuholen, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist (hierzu B.).

A.

24

Die Rechtsgrundlage, auf die die Beklagte die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen – soweit sie im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich sind – gestützt hat, ist verfassungswidrig. Seine diesbezügliche Auffassung begründet der erkennende Senat im Folgenden eingehend, weil dies dem ausdrücklichen Wunsch beider Verfahrensbeteiligter entspricht.

25

Die Beklagte hat die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützt. Diese Maßnahmen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein (hierzu I.). § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke dieses Grundrechts dar (hierzu II.).

26

I. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein.

27

1. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., der im Wesentlichen dem heutigen § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG entspricht, hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind, den nachfolgenden Wortlaut:

28

„(2) Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist.“

29

§ 4 Abs. 3 und 4 HmbPolDVG a.F. enthalten ergänzende Regelungen, die den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die danach zulässigen Maßnahmen weiter konkretisieren und ausgestalten. Diese Vorschriften lauteten seinerzeit – und lauten auch heute noch unverändert – wie folgt:

30

„(3) Zur Feststellung der Identität dürfen Namen, frühere Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Anschrift erhoben werden.

31

(4) Zur Feststellung der Identität darf die Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie darf

32

1. den Betroffenen anhalten,

33

2. den Betroffenen oder Auskunftspersonen nach seiner Identität befragen,

34

3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt,

35

4. den Betroffenen festhalten,

36

5. den Betroffenen und die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen können,

37

6. den Betroffenen zur Dienststelle bringen,

38

7. in den Fällen des Absatzes 1 unter den Voraussetzungen des § 7 erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

39

Maßnahmen nach den Nummern 4 bis 6 dürfen nur getroffen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind.“

40

2. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Daneben können auch weitere Grundrechte – namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG) – betroffen sein. Da die nach § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen aber allesamt der Datenerhebung dienen, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für diese Maßnahmen die „verbindende Klammer“ (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 67; vgl. ferner SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202;BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 96, jeweils zur sog. Schleierfahndung). Bei der folgenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage steht es demgemäß im Vordergrund.

41

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen, also auf ihn bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten voraus. Das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 146). Vom Schutzbereich umfasst sind dabei nicht allein personenbezogene Informationen, die die Privat- oder Intimsphäre betreffen. Schon das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, also auch der Aufenthalt und das Verhalten an einem bestimmten öffentlichen Platz zu einer bestimmten Zeit, kann eine vom Schutzbereich des Grundrechts grundsätzlich erfasste personenbezogene Information sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.3.2008, 1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, juris Rn. 67; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, 4 Bf 274 Bf 276/07, juris Rn. 52).

42

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ermächtigt zu Eingriffen in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen Personen, die Adressat der in der Vorschrift vorgesehenen polizeilichen Maßnahme sind (vgl. zur entsprechenden rechtlichen Einordnung von Maßnahmen der sog. Schleierfahndung: BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 25 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202 ff.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 95; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 66 f.). Mit der durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellten Befugnis, die in § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. genannten Daten offen zu erheben und hierbei die in § 4 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen – u.U. auch gegen den Willen des Betroffenen – zur Anwendung zu bringen, ist umgekehrt die Verpflichtung des Betroffenen verbunden, entsprechende Angaben zu machen und die Durchführung der Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu dulden. Bei den nach § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. zu erhebenden Daten handelt es sich ausnahmslos um personenbezogene Daten, die vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erfasst sind. Zusätzlich werden Daten darüber erhoben, dass sich die betroffene Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort – ggf. auch in Begleitung bestimmter weiterer Personen – aufhält und – soweit mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden – bestimmte Sachen mit sich führt. Auch hierbei handelt es sich um personenbezogene Informationen, die daher ebenfalls vom Schutzbereichs des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst sind.

43

II. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

44

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150 ff.). Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Die Regelung ist weder hinreichend bestimmt (hierzu 1.), noch genügt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (hierzu 2.).

45

1. Das Bestimmtheitsgebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 94). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und ggf. sein Verhalten mit Blick auf die geltende Rechtslage ausrichten kann. Es soll ferner gewährleisten, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet – hier weist das Bestimmtheitsgebot Überschneidungen mit dem Parlaments- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt auf –, damit die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive damit eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll. Durch die Beachtung des Bestimmtheitsgebots soll schließlich ermöglicht werden, dass die Gerichte die Rechtskontrolle effektiv durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen eines im Gesetz vorgesehenen Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 118 ff., m.w.N.).

46

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt diesen Anforderungen nicht. Für das Bestimmtheitsgebot gilt vorliegend ein strenger Maßstab (hierzu a)), dem die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vollständig gerecht werden (hierzu b)).

47

a) Bei der Bestimmung von Zweck, Anlass und Grenzen möglicher Eingriffsmaßnahmen im Gefahrengebiet gilt ein strenger Maßstab. Dies beruht – neben dem auch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz relevanten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995, 1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, juris Rn. 55, m.w.N.; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 29) Umstand, dass Eingriffsmaßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. eine erhebliche Eingriffsintensität aufweisen können (hierzu noch eingehend unter 2. b] bb]) – auf Folgendem:

48

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. berechtigt zur Durchführung sog. Vorfeldmaßnahmen, die keine konkrete Gefahrenlage voraussetzen (zur Abgrenzung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Vorfeldmaßnahmen: OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 67). Die in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG vorgesehenen Maßnahmen weisen überdies eine erhebliche Streubreite auf, indem von ihnen auch „Unbeteiligte“ – d.h. solche Personen, die nicht Störer (§§ 8, 9 HmbSOG) im polizeirechtlichen Sinne sind – betroffen werden können und sollen (vgl. hierzu auch die Fallzahlen betreffend den Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 aus der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Dass bei der Ermöglichung derartiger Vorfeldmaßnahmen besondere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit von Befugnisnormen zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt: Bei der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder bei ihrer Verhütung kann nicht an dieselben Kriterien angeknüpft werden, die für die Gefahrenabwehr oder die Verfolgung begangener Straftaten entwickelt worden sind. Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen, setzen eine konkrete Gefahrenlage voraus. Die Strafverfolgung knüpft an den Verdacht einer schon verwirklichten Straftat an. Solche Bezüge fehlen, soweit die Aufgabe darin besteht, im Vorfeld der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten zu treffen. Deshalb müssen hier die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Bei der Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen, besteht das Risiko, dass der Eingriff an ein nur durch relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Straftaten gekennzeichnetes, in der Bedeutung der beobachteten Einzelheiten noch schwer fassbares und unterschiedlich deutbares Geschehen anknüpft. Sachverhaltsfeststellung und Prognose sind mit vorgreiflichen Einschätzungen über das weitere Geschehen, ebenso wie über die erst noch bevorstehende strafrechtliche Relevanz der festgestellten Tatsachen verknüpft. Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln. Sieht der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 122 ff., m.w.N.; OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, a.a.O., juris Rn. 67 f.).

49

b) Die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zur Ausweisung eines Gefahrengebiets werden den strengen Bestimmtheitsanforderungen nicht vollständig gerecht.

50

Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchgeführt werden und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen erfolgen können. Schon die Ausweisung eines Gefahrengebiets kann sich überdies auch faktisch auf die unbehelligte Grundrechtsausübung auswirken, weil sie zur Verhaltenssteuerung geeignet ist, indem sie Veranlassung geben kann, den Aufenthalt im Gefahrengebiet zu vermeiden. Angesichts der Wirkungen, die danach bereits der Gefahrengebietsausweisung zukommt, hat der Gesetzgeber die hierfür geltenden Voraussetzungen nicht hinreichend normenklar geregelt. Jedenfalls den Ausweisungsanlass (hierzu aa)) und die hierbei zu beachtenden Grenzen in zeitlicher Hinsicht (hierzu bb)) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nur unzureichend bestimmt. Diese Defizite werden auch nicht durch Regelungen des bei der Ausweisung eines Gefahrengebiets zu beachtenden Verfahrens kompensiert, weil auch diese unzureichend sind (hierzu cc)).

51

aa) In § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird der Anlass für die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht hinreichend klar gesetzlich bestimmt.

52

Nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bedarf es des Vorliegens „konkreter Lageerkenntnisse“, die auf die bevorstehende Begehung erheblicher Straftaten in einem bestimmten Gebiet hindeuten, um ein Gefahrengebiet auszuweisen. Lageerkenntnisse sind nicht mit Tatsachen gleichzusetzen, denn das Gesetz sieht differenzierte Eingriffsschwellen vor und verwendet an anderer Stelle die Begriffe „Tatsachen“ (z.B. in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HmbPolDVG a.F.) bzw. „tatsächliche Anhaltspunkte“ (z.B. in §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 HmbPolDVG a.F.). „Konkrete Lageerkenntnisse“ nehmen also nicht nur tatsächliche Gesichtspunkte, sondern auch und insbesondere die hierauf beruhenden (Be-) Wertungen sowie Einschätzungen in Bezug. Erfasst vom Begriff der „konkreten Lageerkenntnisse“ in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sind daher zum einen alle Informationen, die eine Behörde ihrer Einschätzung, in einem bestimmten Gebiet könnten Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden, zugrunde legt, und zum anderen die getroffenen Einschätzungen und Bewertungen selbst. Dieses Verständnis entspricht auch der Praxis der Beklagten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Der Gefahrengebietsausweisung „Walpurgisnacht 2011“ lag maßgeblich die aus Erfahrungen der vergangenen Jahre bzw. bei vergleichbaren Anlässen abgeleitete Bewertung zugrunde, auch in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 werde es – wie regelmäßig bei derartigen Anlässen – zu Ausschreitungen kommen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die sich auf das zu erwartende Geschehen in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 beziehen, enthielt der Antrag auf Ausweisung eines Gefahrengebiets vom 26. April 2011 nicht.

53

Mit dem Erfordernis „konkreter Lageerkenntnisse“ wird eine relevante, die polizeilichen Befugnisse schon auf der Normebene beschränkende Eingriffsschwelle nicht formuliert (i.E. a.A. wohl SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 218, 221 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 115; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 95 f., jeweils zur sog. Schleierfahndung). Der Begriff der Lageerkenntnisse, der jede für geeignet gehaltene Information erfasst und maßgeblich auf polizeiliche Einschätzungen und Bewertungen abstellt, macht die polizeiliche Lagebeurteilung zum einzigen Maßstab für einen Rechtseingriff (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 379 [zur sog. Schleierfahndung]). Die vermeintlich objektive Tatbestandsvoraussetzung erhält ihren Inhalt erst durch die entsprechende polizeiliche Lagebeurteilung (vgl. Waechter, DÖV 1999, 138, 142 [zur sog. Schleierfahndung]). Der Gesetzgeber ermöglicht damit dem Normadressaten, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung selbst herbeizuführen, da bereits die polizeiliche Einschätzung, die Einrichtung eines Gefahrengebiets sei geboten, ausreicht, um die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bejahen zu können.

54

Diese Regelungstechnik verstößt in zweierlei Hinsicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zum einen bestimmt die Polizei die näheren Voraussetzungen eines Eingriffs, was gerade Aufgabe des Gesetzgebers ist. Zum anderen wird die nachträgliche Rechtskontrolle durch Gerichte weitgehend inhaltslos. Denn mehr, als dass eine bestimmte polizeiliche Bewertung vorliegen muss, fordert § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht und kann daher auch gerichtlich nicht überprüft werden. In der Sache wird der zuständigen Behörde damit eine einem gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum vergleichbare Einschätzungsprärogative eingeräumt. Dies wäre zwar nicht von vornherein unzulässig. Dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumen will, muss sich aber zum einen aus der betreffenden gesetzlichen Vorschrift – ggf. durch Auslegung – ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, DVBl. 2010, 250, juris Rn. 53 ff.; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 3 C 8.06, BVerwGE 129, 27, juris Rn. 26 f., m.w.N.), und dies muss zum anderen im Hinblick auf die damit einhergehende Einschränkung des Rechtsschutzes auch sachlich gerechtfertigt sein. Es fehlen aber schon Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der zuständigen Behörde einen Beurteilungsspielraum verschaffen wollte. Im Gegenteil verweist die Gesetzesbegründung auf die Möglichkeit der nachträglichen (gerichtlichen) Kontrolle. Davon, dass diese eingeschränkt ist, ist dort nicht die Rede (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14).

55

bb) Bestimmtheitsdefizite weist § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ferner deshalb auf, weil in der Vorschrift keine zeitlichen Grenzen für die Gebietsausweisung normiert sind.

56

Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. enthält keine zeitlichen Begrenzungen. Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nach dem Gesetz zeitlich unbeschränkt möglich. Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend verweist, die sachliche Einschränkung, dass ein Gefahrengebiet nur ausgewiesen werden darf, „soweit“ aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass erhebliche Straftaten begangen werden, auch im Sinne einer gleichzeitig zeitlichen Einschränkung („solange“) verstanden werden. Liegen derartige Lageerkenntnisse (d.h. Einschätzungen, s.o.) allerdings vor, so ist es nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. in seiner gegenwärtigen Ausprägung möglich, dass die Verwaltung ohne jede parlamentarische Absicherung ein „bestimmtes Gebiet“ für mehrere Monate oder sogar Jahre zum Gefahrengebiet erklärt. Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis. So wurde etwa das Gefahrengebiet „Gewaltkriminalität“ im Bereich des Polizeikommissariats 15 (Vergnügungsviertel St. Pauli) im Juli 2005 eingerichtet und besteht seither – mithin seit fast zehn Jahren – fort (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.).

57

Ungeachtet der Frage, ob eine derart langdauernde Gebietsausweisung in der Sache zulässig, insbesondere verhältnismäßig ist, ist der Gesetzgeber gehalten, dermaßen weitreichende und wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen bzw. die Zulässigkeit solcher Verwaltungsentscheidungen durch Gesetz ausdrücklich vorzusehen. Er darf sich demgegenüber nicht jeder Vorgaben enthalten und der Verwaltung die Entscheidung darüber überlassen, wie lange ein Gefahrengebiet eingerichtet und damit die Möglichkeit eröffnet werden soll, Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegt und die Maßnahmeadressaten im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich sind. Andernfalls könnte in bestimmten Gebieten dauerhaft der polizeirechtliche „Ausnahmezustand“ verhängt werden, ohne dass dies durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. Allein das Vertrauen darauf, dass die Polizei ein Gefahrengebiet nur so lange einrichten wird, wie sie dies durch das Vorliegen konkreter Lageerkenntnisse für gerechtfertigt hält, kann die notwendige Begrenzung des Handlungsspielraums der Verwaltung, die Aufgabe des Gesetzgebers ist, nicht ersetzen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134; siehe auch OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 57; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635).

58

cc) Die aufgezeigten Bestimmtheitsdefizite werden nicht durch Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen kompensiert.

59

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es allerdings „zu erlassende“ Verfahrensregelungen geben, um den Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Diesem Ansatz lag insbesondere die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der dortigen Regelungen zur sog. Schleierfahndung zugrunde (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 216 ff.; ebenso bereits VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 118 ff.). Danach habe die Regelung der Organisation und des Verfahrens eigenständige grundrechtliche Bedeutung dort, wo der Gesetzgeber in entwicklungsoffenen Bereichen die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe im Wesentlichen durch unbestimmte Gesetzesbegriffe umschreibe.

60

Der erkennende Senat lässt offen, unter welchen Voraussetzungen Regelungen der Zuständigkeit und des Verfahrens Bestimmtheitsdefizite, die – wie hier – die materiellen Eingriffsvoraussetzungen betreffen, kompensieren können. Denn die für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bestehenden gesetzlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sind unzureichend. Als zuständige Behörde erwähnt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. lediglich „die Polizei“ und nimmt hiermit die weit gefasste organisatorische Bestimmung in § 1 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. in Bezug. Nach dem Regelungsverständnis des Gesetzgebers soll die Entscheidung über die Ausweisung eines Gefahrengebietes aber „bestimmten Funktionsträgern, zum Beispiel dem jeweiligen Leiter eines Polizeikommissariats“, vorbehalten sein (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Offenbar hielt es auch der Gesetzgeber für geboten, dass die – mit weitreichenden Konsequenzen verbundene (s.o.) – Entscheidung, ein Gefahrengebiet auszuweisen, auf der übergeordneten Leitungsebene zu treffen ist. Eine entsprechende Eingrenzung oder Konkretisierung enthält das Gesetz indes nicht. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht überdies keine Verfahrensvorschriften vor. Zwar wird – was bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011, 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, juris Rn. 140; BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, juris Rn. 134; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 174; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, NordÖR 2010, 498, juris Rn. 58) – in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass „die Lageerkenntnisse (...) vorab von der Polizei zu dokumentieren (sind)“, dass sodann „Ort und Zeit der Kontrolle“ festzulegen seien und sich daran „die Auswahl der zu Kontrollierenden“ durch Bestimmung der „lageabhängigen Zielgruppe“ anschließe (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Mit diesen rudimentären Verfahrensvorgaben des Gesetzgebers, die allenfalls programmatischen Charakter haben und keine hinreichend präzise Regelung des Verfahrens darstellen (anders wohl BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 34 f. [zur sog. Schleierfahndung]), hat es aber sein Bewenden.

61

Nähere Einzelheiten zur Zuständigkeit für die Gebietsausweisung und zum Verfahren hierzu finden sich allerdings in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift der Polizei (vgl. PDV 350, Ziff. 140.093000 ff.). Indes können Verwaltungsvorschriften ein bestehendes Bestimmtheitsdefizit nicht ausgleichen. Sollen Verfahrensregelungen nämlich ihre Funktion, einen effektiven Grundrechtsschutz durch Bereitstellung von Verfahrensvorkehrungen zu gewährleisten, erfüllen, müssen sie in einer außenwirksamen und für den (potentiell) Betroffenen nachvollziehbaren Weise in einer gesetzlichen Vorschrift niedergelegt oder zumindest – etwa durch eine Verordnungsermächtigung, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (vgl. Art. 53 HV) – angelegt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften, deren Inhalt dem betroffenen Bürger regelmäßig nicht bekannt ist und auf deren Einhaltung sich der Einzelne auch nicht ohne Weiteres berufen kann (zu diesem Problemkreis vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 42 ff.), sind hierfür ungeeignet. Ungeeignet sind Verwaltungsvorschriften zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens der Gebietsausweisung zudem deshalb, weil sie von der Verwaltung, deren Handeln sie gerade begrenzen sollen, selbst erlassen werden. Eine Begrenzung der behördlichen Eingriffsbefugnisse kann nicht erreicht werden, wenn die begrenzende und die zu begrenzende Stelle identisch sind. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in der gebotenen Weise selbst eingeengt wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134). Ein Rechtssetzungsdefizit bei der Normierung materieller Eingriffsvoraussetzungen kann von vornherein nicht durch Verfahrensregelungen kompensiert werden, für die der parlamentarische Gesetzgeber nicht die Verantwortung trägt.

62

2. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

63

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07 u.a., BVerfGE 120, 274, juris Rn. 200). Mit der in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Möglichkeit der Kontrolle von Personen und Sachen im Gefahrengebiet verfolgt der Gesetzgeber zwar einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung die Maßnahme geeignet und erforderlich ist (hierzu a)). Jedoch fehlt es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (hierzu b)).

64

a) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit einem legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehene Mittel der Identitätsfeststellung und der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen geeignet und erforderlich. Der erkennende Senat berücksichtigt hierbei, dass die Eignung bereits zu bejahen ist, wenn der erstrebte Erfolg auch nur gefördert werden kann. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn sich die vorgesehene Maßnahmen als objektiv oder evident untauglich erweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, juris Rn. 209 ff.). Hiervon ist vorliegend zumindest nicht schlechthin für jeden denkbaren Gebietsausweisungsanlass und für jede denkbare Kontrollsituation auszugehen, wie die bisherigen Erfahrungen nahelegen (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Das von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellte Mittel der Kontrolle von Personen im Gefahrengebiet ist für die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks auch erforderlich, weil sich dieser Zweck durch mildere Mittel nicht ebenso gut erreichen lässt. Insbesondere wäre die Statuierung einer Gefahrenschwelle und/oder die Voraussetzung, dass nur Störer (vgl. §§ 8, 9 HmbSOG) in Anspruch genommen werden dürfen, nicht geeignet, um den mit der Möglichkeit der jederzeitigen Identitätskontrolle auch verfolgten (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14 „Aufhebung der Anonymität“) Abschreckungseffekt zu erzielen und ein hierauf ausgerichtetes Instrument zur Gefahrvermeidung, wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, schon im Gefahrenvorfeld zu schaffen.

65

b) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

66

Für das Recht der inneren Sicherheit verlangt die Verfassung vom Gesetzgeber, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Das Grundgesetz unterwirft auch die Verfolgung des Zieles, die größtmögliche Sicherheit herzustellen, rechtsstaatlichen Bindungen, zu denen insbesondere das Verbot unangemessener Eingriffe in die Grundrechte als Rechte staatlicher Eingriffsabwehr zählt. In diesem Verbot finden auch die Schutzpflichten des Staates ihre Grenze. Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern. Sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Bei der Wahl der Mittel zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ist der Staat daher auf diejenigen Mittel beschränkt, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht. Aber auch im Rahmen der Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dürfen staatliche Schutzpflichten nicht dazu führen, dass das Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe unter Berufung auf grundrechtliche Schutzpflichten leer läuft, so dass in der Folge allenfalls ungeeignete oder unnötige Eingriffe abgewehrt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 128 ff.).

67

Diesen Vorgaben wird § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gerecht. Der mit Maßnahmen auf der Grundlage dieser Vorschrift verbundene Eingriff dient zwar dem Schutz von Rechtsgütern mit einigem Gewicht (hierzu aa)). Der mit einer Maßnahme auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber von so hohem Gewicht (hierzu bb)), dass in der Abwägung die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen, ohne dass hierfür eine Eingriffsschwelle existiert und ein persönlicher Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt wird, als übermäßig erscheint (hierzu cc)).

68

aa) Die Durchführung von Kontrollmaßnahmen in Gefahrengebieten auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der Verhütung von Straftaten sowie – wenn auch nur nachrangig und insoweit abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG in der gegenwärtig geltenden Fassung – der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Diesem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel kommt eine hohe Bedeutung zu, die dadurch verstärkt wird, dass es um die Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit um Straftaten geht, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013, 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, juris Rn. 21). Mit der Bezugnahme auf den Bereich der mittleren Kriminalität ist umgekehrt aber auch eine Relativierung des Gewichts des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung von Straftaten verbunden. Denn durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität bereitgestellt – hieran besteht ein herausragendes öffentliches Interesse –, sondern auch zur Bekämpfung von (nur) mittelschweren Straftaten. Das Gewicht des öffentlichen Interesses hieran bleibt hinter dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung schwerer und schwerster Straftaten zurück.

69

bb) Die mit Maßnahmen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können von erheblichem Gewicht sein und eine hohe Intensität aufweisen.

70

Bereits die unmittelbar in § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen weisen eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies gilt ohne Weiteres für die in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 bis 6 HmbPolDVG a.F. geregelten, mit einem zusätzlichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahmen des Festhaltens, der Personen- und Sachdurchsuchung sowie des Verbringens zur Dienststelle (vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42). Diese sind zwar gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 HmbPolDVG a.F. nur nachrangig und nur dann zulässig, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind. Bei der Bestimmung der (möglichen) Eingriffsintensität sind sie gleichwohl in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.; s. ferner VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 81).

71

Doch selbst die „einfache“ Identitätsfeststellung mittels der in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HmbPolDVG a.F. genannten Einzelmaßnahmen (Anhalten, Befragen, Aufforderung zur Aushändigung von Ausweispapieren) weist eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies beruht zum einen auf der hohen Streubreite dieser Maßnahmen, von denen jedermann, ohne dass er hierfür konkret Veranlassung gegeben hätte, betroffen werden kann. Denn Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind – bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben –, weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 116 ff., m.w.N.). Der erkennende Senat teilt zum anderen und dessen ungeachtet aber auch nicht die mitunter – und auch von der Beklagten – vertretene Auffassung, die dem Angehalten- und Befragtwerden sowie der Verpflichtung, ein mitgeführtes Ausweispapier zur Prüfung auszuhändigen, eine nur „sehr geringfügige“ Eingriffsqualität zuspricht (so aber BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 114; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 237; vgl. ferner Kastner, VerwArch 92 [2001], 216, 254 f.). Zwar mögen die Maßnahmen selbst und ihre Dauer nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Abgesehen davon, dass Personen – zumal wenn sie etwa in einem Gefahrengebiet wohnen oder dort beruflich tätig sind – wiederholt Adressaten einer Kontrollmaßnahme werden können, folgt eine nicht unerhebliche Eingriffsschwere aber daraus, dass nicht jedermann im Gefahrengebiet nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kontrolliert wird und nach dem Normverständnis des Gesetzgebers auch nicht kontrolliert werden soll (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14), sondern nur solche Personen, die einer bestimmten, aufgrund von Lageerkenntnissen vorab festgelegten „Zielgruppe“ zugerechnet werden. Dieses auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Kontrollkonzept führt dazu, dass mit jeder – für die Umgebung wahrnehmbaren – Kontrolle im Gefahrengebiet eine stigmatisierende Wirkung verbunden ist. Denn bereits durch die Auswahl einer Person für eine Kontrolle wird zum Ausdruck gebracht, dass dieser Person in gesteigertem Maße zugetraut wird, sie könnte eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen (zum Gesichtspunkt der Stigmatisierung vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 111 f.; vgl. auch Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 376). Mag es auch eine „allgemeine Redlichkeitsvermutung“ nicht geben (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 84) – die gezielte Kontrolle bestimmter Personenkreise bringt zum Ausdruck, dass sie für bestimmte Personengruppen in gesteigertem Maße nicht gilt. Mit der Einengung auf bestimmte Personengruppen wird daher der mit einer Kontrollmaßnahme verbundene Eingriff zusätzlich vertieft, obwohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers hierdurch die Streubreite der Maßnahme und die hierauf beruhende Eingriffsschwere (s.o.) verringert werden sollte.

72

Zur Beurteilung der Eingriffsintensität sind überdies auch solche (Folge-) Maßnahmen einzubeziehen, die sich an eine zunächst durchgeführte Kontrollmaßnahme anschließen können, wenn diese Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahrenlage erbracht hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.). Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Datenerhebung sollen gerade auch dazu dienen, die Voraussetzungen für weitergehende, auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhende Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu schaffen, indem die dafür erforderliche Tatsachengrundlage erst ermittelt wird (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung: Bü-Drs. 18/1487, S. 14; siehe ferner BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 109). Dass Maßnahmen der Platzverweisung (§ 12a HmbSOG), des Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 HmbSOG) oder der Ingewahrsamnahme (§§ 13 ff. HmbSOG) – um nur die typischen, auch im vorliegenden Fall relevant gewordenen „Anschlussmaßnahmen“ zu benennen – mit gravierenden Grundrechtseingriffen verbunden sind, bedarf keiner weitergehenden Erläuterung. Gleiches gilt für sich anschließende Maßnahmen der weiteren Datenverarbeitung (auf der Grundlage der §§ 14 ff. HmbPolDVG a.F.), die immer dann relevant werden können, wenn die auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgenommene Identitätsfeststellung einen „Treffer“ gebracht hat.

73

cc) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen im Gefahrengebiet das Übermaßverbot verletzt.

74

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren. Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose dürfen allerdings nicht beliebig herabgesenkt werden, sondern müssen auch in angemessenem Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und zur Aussicht auf den Erfolg des beabsichtigten Rechtsgüterschutzes stehen. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Auch muss als Voraussetzung eines schweren Grundrechtseingriffs gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen. Insbesondere lässt die Verfassung grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" nicht zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 136).

75

Der Gesetzgeber ist bei der Gestaltung von Eingriffsbefugnissen im Gefahrenabwehrrecht nicht zwingend an die überkommenen polizeirechtlichen Eingriffsgrenzen – die konkrete Gefahr als Eingriffsschwelle und die Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten zur Gewährleistung eines persönlichen Zurechnungszusammenhangs – gebunden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt allerdings dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf. Ob ein Grundrechtseingriff zur Abwehr künftig drohender Rechtsgutbeeinträchtigungen auch im Vorfeld konkreter Gefahren verhältnismäßig sein kann, hängt nicht nur davon ab, ob eine hinreichende Aussicht darauf besteht, dass der Eingriff Erfolg verspricht, sondern auch davon, welche Anforderungen die Eingriffsnorm hinsichtlich der Nähe der betroffenen Personen zur fraglichen Rechtsgutbedrohung vorsieht. Verzichtet der Gesetzgeber auf begrenzende Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts sowie an die Nähe der Betroffenen zur abzuwehrenden Bedrohung und sieht er gleichwohl eine Befugnis zu Eingriffen von erheblichem Gewicht vor, genügt dies dem Verfassungsrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 135, 137).

76

Die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt den Anforderungen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nicht. Es fehlt wegen des zwar nicht unerheblichen, aber auch nicht überragenden Gewichts der Belange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die dort normierten Maßnahmen dienen sollen, an der Normierung geeigneter Eingriffsgrenzen. Die Vorschrift formuliert weder eine relevante Eingriffsschwelle (hierzu [1]), noch ist vorgesehen, dass die Maßnahmeadressaten eine besondere Nähe zu der abzuwehrenden Gefahr aufweisen müssen (hierzu [2]). Ob eine derart weitreichende Befugnisnorm zulässig, d.h. im engeren Sinne verhältnismäßig sein könnte, wenn sie nur der Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität diente, kann dahin stehen. Denn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. weist eine derartige Einschränkung nicht auf.

77

(1) Eine relevante, d.h. die polizeilichen Befugnisse wirksam begrenzende Eingriffsschwelle sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Dies gilt zunächst – auf der ersten Stufe – für die Ausweisung eines Gefahrengebiets. Voraussetzung hierfür ist weder, dass eine konkrete Gefahr vorliegt, noch ist es erforderlich, dass konkrete Tatsachen darauf schließen lassen, dass bestimmte (erhebliche) Straftaten in Zukunft begangen werden. Es reicht vielmehr aus, dass „konkrete Lageerkenntnisse“ dafür sprechen, dass in einem bestimmten Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Kern derartiger Lageerkenntnisse ist die polizeiliche Einschätzung, es sei die Ausweisung eines Gefahrengebiets zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Dies hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass die Polizei überall dort ein Gefahrengebiet ausweisen (und in der Folge Maßnahmen der Datenerhebung vornehmen) kann, wo sie es selbst aufgrund eigener Einschätzung für geboten hält, ohne dass dies auf einer überprüfbaren und durch konkrete Tatsachen gestützten Wahrscheinlichkeitsprognose beruhen muss (s.o.).

78

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht auch – auf der zweiten Stufe – keine relevante Eingriffsschwelle für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme im Gefahrengebiet vor. Auch insoweit ist weder das Vorliegen einer konkreten Gefahr Voraussetzung, noch, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, es werde eine bestimmte Straftat begangen. Einzige Voraussetzung ist nach dem Gesetz, dass die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist. Weitergehende Maßstäbe für die Beurteilung der Erforderlichkeit gibt das Gesetz indes nicht vor. Damit richtet sich auch diese Beurteilung letztlich nach den vorhandenen Lageerkenntnissen und damit nach der durch das Gesetz nicht näher determinierten und überprüfbaren Bewertung der Polizei selbst.

79

(2) Auch eine besondere Nähe der Maßnahmeadressaten zu der abzuwehrenden (abstrakten) Gefahr sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Die Vorschrift ermöglicht Maßnahmen der Identitätskontrolle nicht nur gegenüber Störern i.S.v. §§ 8 und 9 HmbSOG, sondern grundsätzlich gegenüber jedermann, der sich im Gefahrengebiet aufhält. Auch insoweit wird eine relevante Begrenzung des für eine Kontrollmaßnahme in Frage kommenden Personenkreises nicht dadurch erreicht, dass diese Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich sein muss. Denn nähere Maßgaben für die Bestimmung der Erforderlichkeit enthält § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Damit wird der Polizei schon kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der in Anspruch zu nehmenden Personen deren freier Einschätzung überlassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 164).

80

Ein relevanter Zurechnungszusammenhang wird auch nicht durch die im Gesetzeswortlaut zwar nicht zum Ausdruck gebrachte, aber nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14) gleichwohl geltende Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit der zu kontrollierenden Personen erreicht. Abgesehen davon, dass die Bestimmung von Zielgruppen und die Zuordnung einer bestimmten Person zu einer Zielgruppe den mit der Kontrollmaßnahme verbundenen Grundrechtseingriff vertieft (s.o.), bewirkt die Zielgruppenzugehörigkeit keine Begrenzung der Befugnisnorm, die geeignet ist, ihre Angemessenheit zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die Bestimmung der Zielgruppen allein durch die Behörde erfolgt, ohne dass es hierfür nähere gesetzliche Vorgaben gibt. Dass die Zielgruppenbestimmung sich aus den Lageerkenntnissen ergeben, also „lageabhängig“ sein muss, ändert hieran nichts. Denn auch die Notwendigkeit des Vorliegens konkreter Lageerkenntnisse schafft keine relevante Begrenzung der behördlichen Befugnisse (s.o.). Zum anderen wird durch die Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit nicht sichergestellt, dass ein hinreichend konkreter Zurechnungszusammenhang zwischen dem Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und der abzuwehrenden Gefahr besteht, weil Maßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Abwehr bloß abstrakter Gefahren dienen. Anders als bei der konkreten Gefahr, die regelmäßig einem Störer persönlich zugerechnet werden kann, fehlt es bei der abstrakten Gefahr an einem hinreichend individualisierten Personenkreis, dem sich diese Gefahr zurechnen lässt. Während die sachliche Voraussetzung der konkreten Gefahr auf der persönlichen Ebene sein Pendant im Störer findet, fehlt ein vergleichbares Pendant dort, wo es – wie hier – um die Abwehr bloß abstrakter Gefahren geht. Eine „Nähe“ zu der abzuwehrenden abstrakten Bedrohung wird auch nicht durch die Zugehörigkeit des Kontrolladressaten zur Zielgruppe bewirkt, und zwar auch dann nicht, wenn diese „lageabhängig“ definiert wird. Denn auch die lageabhängige Festlegung von Zielgruppen bewirkt lediglich eine abstrakte Beschreibung von Personen, die – nach einer gesetzlich nicht näher determinierten behördlichen Einschätzung – potentiell zu Störern werden könnten. Von einer persönlichen „Gefahrennähe“ kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.

B.

81

Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV auszusetzen. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig (hierzu I.). Es bedarf daher nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist (hierzu II.).

82

I. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig. Dabei lässt der erkennende Senat offen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets anlässlich der sog. Walpurgisnacht am 30. April 2011 und am 1. Mai 2011 vorlagen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren unabhängig davon nicht erfüllt.

83

1. Dies gilt zunächst für die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin. Insoweit steht aufgrund der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme fest und ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde, eine Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Dieses Vorgehen ist von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gedeckt. Die Vorschrift berechtigt die zuständige Behörde dazu, mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Schon der Gesetzeswortlaut macht deutlich, dass hiervon (nur) ein Betrachten sowohl des Äußeren als auch des Inneren mitgeführter Sachen erfasst ist. In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, dass mitgeführte Sachen „lediglich genauer betrachtet werden“ dürften, „ohne tiefer in die Privatsphäre einzudringen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Jedes körperliche Einwirken, und sei es auch nur zu dem Zweck, in mitgeführten Sachen befindliche Gegenstände näher betrachten zu können, geht demnach über eine Inaugenscheinnahme i.S.v. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hinaus. Andernfalls könnte eine Inaugenscheinnahme nicht von einer Durchsuchung, zu der § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ausdrücklich nicht ermächtigt, abgegrenzt werden, und § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. fehlte die hinreichende Bestimmtheit.

84

2. Die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen waren des Weiteren und darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil die Auswahl der Klägerin zu den Kontrollmaßnahmen ermessensfehlerhaft war.

85

Gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kann die Polizei eine Kontrolle im Gefahrengebiet vornehmen, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Im Übrigen eröffnet die Vorschrift Ermessen. Im Ermessen steht danach auch und insbesondere die Entscheidung der Polizei über die Auswahl der zu kontrollierenden Personen. Dieses Auswahlermessen hat die Beklagte fehlerhaft ausgeübt.

86

Die Beklagte hat ihr Auswahlermessen im Hinblick auf die für eine Kontrolle auszuwählenden Personen in zwei Schritten ausgeübt. In einem ersten Schritt hat sie mit der Ausweisungsentscheidung die zu kontrollierenden „Zielgruppen“ abstrakt festgelegt. Diese Zielgruppenbestimmung haben die Bediensteten der Beklagten herangezogen bei der in einem zweiten Schritt vorgenommenen konkreten Auswahl derjenigen Personen, die – wie die Klägerin – in dem ausgewiesenen Gefahrengebiet anlässlich der sog. Walpurgisnacht 2011 kontrolliert worden sind.

87

Zur „Zielgruppe“ gehörten ausweislich des Antrags auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 auch und insbesondere solche Personen, „die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen sind“. Dieser Zielgruppe war auch die Klägerin zugerechnet worden, wie sich etwa aus der schriftlichen Stellungnahme des Polizeibeamten X. vom 20. Juni 2011 (in der Sachakte) oder aus der Zeugenaussage dieses Polizisten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, ferner aus der Aussage des von dem Verwaltungsgericht als Zeuge gehörten Polizeibeamten Y. ergibt. Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personen und namentlich auch der Klägerin war für die Beklagte mithin zweierlei maßgeblich: Zum einen die Zurechnung einer Person „zum linken Spektrum“, zum anderen das äußere Erscheinungsbild der betreffenden Person, das eine entsprechende Zuordnung erlaubt.

88

Die vorgenannten Auswahlkriterien begründen einen Ermessensfehler in der Form der Ermessensüberschreitung. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält. Insbesondere darf die Ausübung des Ermessens nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 91, 93). Einen derartigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nimmt der erkennende Senat vorliegend an. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung danach, ob eine im Gefahrengebiet angetroffene Person „dem linken Spektrum“ zugehörig ist oder nicht, bereits gegen ein absolutes Differenzierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstößt, wonach niemand wegen seinen politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Denn die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

89

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt danach vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, juris Rn. 73 ff., m.w.N.).

90

Nach diesen Maßgaben ist die von der Beklagten vorgenommene Auswahl der zu kontrollierenden Personen nicht nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt, sondern es ist zu prüfen, ob die vorgenommene Differenzierung verhältnismäßig ist. Denn die Beklagte hat eine Differenzierung nicht bloß von Sachverhalten, sondern von Personengruppen vorgenommen und dabei durch die Bezugnahme auf das „linke Spektrum“ eine Unterscheidung nach Merkmalen vorgenommen, die den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen zumindest angenähert sind.

91

Die vorzunehmende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung unverhältnismäßig ist. Mit der Bildung von Zielgruppen verfolgt die Beklagte den für sich genommen legitimen Zweck, die Kontrollen auf denjenigen Personenkreis zu beziehen und zu beschränken, von dem nach den vorliegenden Lageerkenntnissen potentiell die Begehung bestimmter Straftaten zu erwarten ist. Die Differenzierung dient damit umgekehrt auch dem weiteren – legitimen – Ziel, solche Personengruppen, die nach den vorliegenden Lageerkenntnissen nicht relevant sind, von den Eingriffsmaßnahmen möglichst zu verschonen und unbehelligt zu lassen. Die Differenzierung nach Personengruppen, die entweder dem „linken Spektrum“ zuzuordnen oder nicht zuzuordnen sind, ist aber zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet.

92

a) Die Eignung ist bereits deshalb zweifelhaft, weil zwangsläufig – wie dies auch in dem Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 zum Ausdruck gelangt („augenscheinlich“) – auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden muss, um eine Person dem „linken Spektrum“ zuordnen zu können. Es kann offen bleiben, ob Angehörige des „linken Spektrums“ bzw. – wie die Beklagte diesen Begriff in der Sache verstanden haben will – des „linksautonomen Spektrums“ regelmäßig bereits anhand äußerer Merkmale (Kleidung, Frisur o.ä.) identifiziert werden können. Zweifelhaft kann das nicht zuletzt dann sein, wenn eine bestimmte szenetypische Kleidung oder andere in der Szene verbreitete Äußerlichkeiten auch in einem szenefernen Umfeld aufgrund schlichter Modeerscheinungen verbreitet sind. Die Anknüpfung an das äußere Erscheinungsbild erscheint dessen ungeachtet aber vor allem auch deshalb kaum effektiv, weil dieses ohne größeren Aufwand verändert werden kann (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 636). Will ein Angehöriger des „linken Spektrums“ sich unbehelligt im Gefahrengebiet bewegen, müsste er also nur dafür sorgen, dass er nicht entsprechend aussieht.

93

b) Die mangelnde Eignung beruht jedenfalls darauf, dass allein mithilfe der durchgeführten Maßnahmen weder eine (abstrakte) Gefahr verhindert werden konnte, noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden konnten, dass eine (konkrete) Gefahr abgewehrt werden kann.

94

Der erkennende Senat hält es – erstens – schon generell für fernliegend, dass eine Person, die beabsichtigt, sich an Ausschreitungen zu beteiligen, und die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung einer Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. unterzogen wird, von ihrem Plan allein aufgrund der vorgenommenen Kontrolle wieder Abstand nimmt. Die Annahme des Gesetzgebers, es könne „die Aufhebung der Anonymität bei potentiellen Störern zum Verzicht auf bestimmte Aktivitäten führen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14), ist nicht weiter belegt. Sie erscheint zumindest bei der Ausweisung eines anlassbezogenen Gefahrengebiets wie dem vorliegenden auch als kaum tragfähig. Denn es ist nicht erkennbar, dass allein eine Personenkontrolle einen potentiellen Störer davon abhalten wird, zu einem späteren Zeitpunkt im Schutz der Dunkelheit und in der Anonymität der Masse Straftaten zu begehen, die ihm als (im Vorwege kontrollierter) Person gar nicht ohne Weiteres zugeordnet werden können. Die „Herauslösung aus der Anonymität“ (vgl. den Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011) durch eine Identitätskontrolle ist auch mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F.) nicht geeignet, denn die Möglichkeit der Strafverfolgung im Fall der Beteiligung an Ausschreitungen hängt nicht von einer vorangegangenen Identitätsfeststellung, sondern davon ab, ob die betreffende Person als Beteiligter an Ausschreitungen identifiziert werden kann. Diese Identifizierung gelingt aber nicht schon deshalb, weil einige Stunden vorher eine Kontrollmaßnahme durchgeführt worden ist.

95

Vor allem aber vermag – zweitens – allein die Kontrolle die Angehörigen der „Zielgruppe“ bzw. potentielle Straftäter nicht aus dem Gefahrengebiet fernzuhalten. Hierfür bedarf es weiterer Folgemaßnahmen, namentlich der Verfügung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 12b Abs. 2 HmbSOG und ggf. einer nachfolgenden Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbots, § 13 Abs. 1 Nr. 4 HmbSOG. Zur Vornahme derartiger Folgemaßnahmen reicht die bloße Zugehörigkeit zur Zielgruppe, anders als für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., nicht aus. Vielmehr bedarf es nach § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG des Vorliegens von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, die betreffende Person werde in einem bestimmten Gebiet Straftaten begehen. Derartige tatsächliche Anhaltspunkte lassen sich durch eine bloße Identitätsfeststellung regelmäßig aber nicht ermitteln. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Identitätsfeststellung und der anschließend vorgenommene Datenabgleich ergibt, dass die kontrollierte Person in der Vergangenheit Straftaten begangen hat oder – wie im Fall der Klägerin (vgl. etwa den Einsatzbericht vom 1. Mai 2011 und die schriftliche Stellungnahme des Polizeibeamten Z. vom 20. Juni 2011, die sich in der Sachakte befinden) – als „linksmotivierter Straftäter“ polizeilich erfasst ist. Hieraus mag sich eine erhöhte abstrakte Gefahr ableiten lassen, dass die betreffende Person sich an Ausschreitungen beteiligen bzw. auch in der Zukunft weitere Straftaten begehen könnte. Um konkrete Tatsachen i.S.v. § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG handelt es sich insoweit aber gerade nicht.

96

II. Es bedarf nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist.

97

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV ist die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht der Auffassung ist, dass ein hamburgisches Gesetz gegen die Landesverfassung verstößt, sofern es auf die Gültigkeit der Vorschrift bei der Entscheidung ankommt. Entscheidungserheblichkeit in dem vorgenannten Sinne liegt dann vor, wenn das Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, juris Rn. 35). Es muss also auf den Bestand der Regelung ankommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2001, 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74, juris Rn. 38). Hierzu bedarf es der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die für verfassungswidrig gehaltene Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2013, 1 BvL 5/12, juris Rn. 8 f.). Räumt die für verfassungswidrig gehaltene Norm ein Ermessen ein, dann kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur in Betracht, wenn die angefochtene Ermessensentscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden ist bzw. eine Ermessensfehlerhaftigkeit nur aus Erwägungen abgeleitet werden kann, die ihrerseits die Verfassungswidrigkeit der Ermessensvorschrift begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, juris Rn. 71; BVerfG, Beschl. v. 12.12.1973, 2 BvL 4/72, BVerfGE 36, 258, juris Rn. 23 f.).

98

Werden diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorliegend nicht entscheidungserheblich i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV. Der Klage ist in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, auch dann stattzugeben, wenn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für verfassungsgemäß gehalten wird. Denn die streitgegenständlichen Maßnahmen sind rechtswidrig, weil sie zum Teil über das nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. Zulässige hinausgehen (Rucksackkontrolle) und weil jedenfalls die Auswahl der Klägerin zu einer Kontrollmaßnahme ermessensfehlerhaft erfolgt ist. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruht dabei nicht auf Gründen, die der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zugrunde liegen. Sie folgt dessen ungeachtet vielmehr daraus, dass die allgemeinen und auch im konkreten Fall zur Anwendung gebrachten Kriterien für die Auswahl der „Zielgruppe“, der die Beklagte auch die Klägerin zugeordnet hat, zumindest mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

C.

99

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und nimmt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kostenpflicht der Beklagten hinsichtlich des Teils des Streitgegenstandes auf, über den das Verwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat.

100

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

101

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 geändert, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung, dass die in einem sog. Gefahrengebiet erfolgte polizeiliche Feststellung ihrer Identität sowie die Kontrolle ihres mitgeführten Rucksacks rechtswidrig gewesen seien.

2

Der Führungs- und Lagedienst der Polizei richtete unter dem 26. April 2011 an die damalige ZD 20 (Leitung Zentraldirektion) einen Antrag auf Ausweisung eines sog. Gefahrengebiets anlässlich möglicher Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ am 30. April 2011: In den zurückliegenden Jahren sei es jeweils in der sog. Walpurgisnacht zu Ausschreitungen im Schanzenviertel und den umliegenden Straßenzügen gekommen, in den Jahren 2008 und 2009 jeweils im Anschluss an einen angemeldeten Aufzug. Für den 30. April 2011 sei erneut ein Aufzug angemeldet. Es stehe zu erwarten, dass hierdurch Personen angezogen würden, die sich anschließend an Ausschreitungen im Schanzenviertel beteiligten. Die wiederkehrenden Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ ähnelten stark den Ausschreitungen im Anschluss an das jährliche „Schanzenfest“. Sie begännen nach Einbruch der Dunkelheit und setzten sich bis in die Morgenstunden fort. So würden Sperrmüll, Bauzäune und Müllcontainer als Barrikaden auf Straßen und Wege gezogen und angezündet. Sehr wahrscheinlich seien auch gezielte Aktionen wie „Entglasungen“ von Geschäften, um den Einsatz der Polizei zu provozieren. Entsprechend der polizeilichen Kräftedichte stehe zu erwarten, dass Straftäter und Störer in das erweiterte räumliche Umfeld auswichen und dort Straftaten begingen. Um diesen Erscheinungen besser begegnen zu können, sei es erforderlich, ein „Gefahrengebiet Walpurgisnacht 2011“ gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in Hamburg vom 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233; im Folgenden: HmbPolDVG a.F.) einzurichten, und zwar vom 30. April 2011, 19.00 Uhr bis zum 1. Mai 2011, 5.00 Uhr. Das Gefahrengebiet solle im Norden durch die Straßen Fruchtallee, Schäferkampsallee, Schröderstiftstraße, einschließlich U-Bahnhof Christuskirche, im Osten durch die Straßen Karolinenstraße, Glacischaussee, im Süden durch die Straßen Millerntorplatz, Simon-von-Utrecht-Straße, einschließlich U-Bahnhof St. Pauli und im Westen durch die Straßen Holstenstraße, Stresemannstraße, Alsenstraße, Doormannsweg begrenzt werden. Relevante Personen und Personengruppen seien Personen bzw. Personengruppen, die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen seien, 16- bis 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen), Personen, die alkoholisiert seien und/oder sich besonders auffällig (z.B. besonders ausgelassen oder aggressiv) verhielten sowie Personen bzw. Personengruppen, die sich verdächtig verhielten bzw. verdächtige Gegenstände mit sich führten. Die genannten Personen hätten ein hohes Interesse daran, möglichst anonym und unbeeinflusst von der Polizei zu agieren. Durch die Möglichkeit der vereinfachten Überprüfung von Personen, Personengruppen sowie mitgeführten Gegenständen würden die Personen aus ihrer Anonymität gelöst und die Durchführung geplanter Aktionen erschwert. Ferner bestehe die Möglichkeit, weitere Folgemaßnahmen anzuschließen. Die Abteilung ZD 20 ordnete daraufhin die Ausweisung eines Gefahrengebiets durch Sichtvermerk – hierbei wird ein Antrag durch Anbringen von Namenszeichen und Datum genehmigt – antragsgemäß an.

3

Am späten Abend des 30. April 2011 hielt sich die Klägerin mit drei Bekannten in der Eifflerstraße auf und ging zu Fuß in Richtung Schulterblatt. Diese Straßen liegen innerhalb des o.g. Gefahrengebiets. An der Einmündung der Eifflerstraße zur Straße Schulterblatt befand sich eine Polizeikette. Die Klägerin wurde dort angehalten und ihre Identität wurde überprüft. Zu diesem Zweck händigte die Klägerin ihren Personalausweis aus. Ferner wurde der Rucksack, den die Klägerin zunächst auf ihrem Rücken trug, von einer Polizistin kontrolliert. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde und die Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Im Anschluss an die Identitätskontrolle und die Kontrolle des Rucksacks verfügte ein weiterer bei der Maßnahme eingesetzter Polizist ein Aufenthaltsverbot gegen die Klägerin. Im weiteren Verlauf wurde die Ingewahrsamnahme der Klägerin angeordnet und durchgesetzt. Aus dem Gewahrsam wurde sie um 3.00 Uhr morgens des Folgetages (1. Mai 2011) entlassen.

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Mit ihrer im Juni 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die gegen sie gerichteten Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien und hierzu vor allem geltend gemacht: Die auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützten Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle des Rucksacks seien rechtswidrig gewesen, weil schon die Rechtsgrundlage verfassungswidrig sei. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Wesentlichkeitsgebot, den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführten Maßnahmen wiesen eine hohe Eingriffsintensität auf. Die Betroffenen könnten mangels Kenntnis der Kriterien, nach denen die Polizei – im Übrigen ohne hinreichende verfahrensmäßige Absicherung und allein anhand nicht näher definierter „Lageerkenntnisse“ – Maßnahmeadressaten bzw. „Zielgruppen“ im Gefahrengebiet bestimme und auswähle, ihr Verhalten nicht entsprechend ausrichten. Zudem dürften die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. im Gefahrengebiet zulässigen Maßnahmen nicht bloß isoliert betrachtet werden, sondern es seien auch die möglichen Folgemaßnahmen – nicht zuletzt solche der Datenweitergabe und -speicherung – in den Blick zu nehmen. Überdies hätten im konkreten Fall auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht vorgelegen. Die von der Beklagten genannten Lageerkenntnisse hätten die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht – schon gar nicht in dem konkreten Umfang – gerechtfertigt. Die Festlegung der zu kontrollierenden Personengruppen sei willkürlich und zu weitreichend. Die Feststellung ihrer Identität sei im Übrigen nicht erforderlich gewesen. Bei der Kontrolle ihres Rucksacks habe es sich nicht um eine bloße Inaugenscheinnahme, sondern um eine Durchsuchung gehandelt. Ferner seien die Voraussetzungen für die Verfügung eines Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 SOG) und für eine Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG) nicht erfüllt gewesen.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. festzustellen, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren,
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2. festzustellen, dass das ihr am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot rechtswidrig war,
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3. festzustellen, dass die am 30. April 2011 erfolgte Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.
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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht: Die Voraussetzungen für die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks seien erfüllt gewesen. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei zum einen verfassungsgemäß. Zum anderen hätten die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung bei der Klägerin und für eine Kontrolle ihres Rucksacks konkret vorgelegen. Insbesondere sei die Klägerin augenscheinlich dem linken Spektrum zugehörig und entsprechend polizeilich bekannt gewesen. Die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin habe keine Durchsuchung dargestellt, sondern die mitgeführten Sachen seien lediglich genauer betrachtet worden. Im Übrigen seien auch das Aufenthaltsverbot und die anschließende Ingewahrsamnahme der Klägerin rechtmäßig gewesen.

12

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012, das der Klägerin am 15. Oktober 2012 zugestellt worden ist, festgestellt, dass das der Klägerin am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot sowie ihre Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Einschätzung, die Identitätskontrolle sowie die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin seien rechtmäßig erfolgt, im Wesentlichen ausgeführt:

13

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Der mit den danach zulässigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei – erstens – hinreichend bestimmt. Der Zweck der Datenerhebung werde durch die Bezugnahme auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F. klargestellt. Auch der Begriff „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die nähere Definition enthalte § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. Der in einer Verwaltungsvorschrift der Polizei näher definierte Begriff „konkrete Lageerkenntnisse“ sei richterlicher Konkretisierung und Überprüfung zugänglich und genüge dem Bestimmtheitsgebot. Der Landesgesetzgeber sei für die Regelung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. – zweitens – zuständig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – drittens – nicht das rechtsstaatliche Wesentlichkeitsgebot. Die notwendige zeitliche und örtliche Begrenzung werde durch die Gestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen erreicht. Auch habe der Gesetzgeber die materiellen Einschreitschwellen festgelegt, denn nach der Vorschrift müssten konkrete Lagebilder darauf hindeuten, dass in einem bestimmten Gebiet erhebliche Straftaten begangen würden. Es verletze auch nicht das Wesentlichkeitsgebot, dass das Gesetz keine Verfahrensregelungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets enthalte. Eine hinreichende Dokumentation der zur Ausweisung eines Gefahrengebiets führenden Erwägungen liege im Interesse der Beklagten selbst. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – viertens – auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die danach zulässigen Maßnahmen seien zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen. Die Eingriffsintensität der Identitätskontrolle, bei der keine besonders schutzwürdigen Daten erhoben würden, sei geringer als bei der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen. Letztere Maßnahme sei deshalb nur zulässig, wenn es zusätzliche und greifbare Erkenntnisse dafür gebe, dass (auch) diese Maßnahme zur Straftatenverhütung erforderlich sei. Im Übrigen werde der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff gemildert, indem die Maßnahmen nicht verdeckt, sondern offen und ohne Zuhilfenahme technischer Mittel erfolgten. Aufgrund der Begrenztheit der personellen Mittel könne die Maßnahme auch nicht uferlos ausgeweitet werden. Zwar werde auf die Voraussetzungen eines Gefahrenverdachts und der Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten verzichtet. Ein hinreichender Zurechnungszusammenhang werde aber hergestellt, indem an den Aufenthalt in einem Gefahrengebiet und mithin an eine Sondersituation angeknüpft werde. Auch die mit einer Identitätsfeststellung nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. möglicherweise verbundenen Folgeeingriffe führten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vorschrift, weil sie nur unter strengeren Voraussetzungen bzw. auf der Grundlage von Sondervorschriften zulässig seien. Die Gemeinwohlbelange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. diene, seien von erheblichem Gewicht.

14

Die gegenüber der Klägerin erfolgte Identitätsfeststellung sowie die Kontrolle ihres Rucksacks seien im konkreten Fall rechtmäßig auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets hätten vorgelegen. Dies gelte jedenfalls für den Bereich – Kreuzungsbereich Schulterblatt und Eifflerstraße –, in dem die Klägerin kontrolliert worden sei. Eine etwaige Überschreitung der zulässigen räumlichen Ausweitung eines Gefahrengebiets lasse die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines „Kernbereichs“ unberührt. Auch seien die Identitätsfeststellung der Klägerin sowie die Kontrolle ihres Rucksacks zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich gewesen. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin zu der bei der Ausweisung des Gefahrengebiets beschriebenen „Zielgruppe“ gehört habe und ob diese Definition rechtmäßig sei. Jedenfalls hätten die Maßnahmen von den handelnden Bediensteten der Polizei für erforderlich gehalten werden dürfen, weil diese – wie sie bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hätten – die Klägerin „vom Sehen her“ im Zusammenhang mit verschiedenen polizeilichen Einsatzanlässen gekannt hätten und ihnen die Zugehörigkeit der Klägerin zur „Szene“ bekannt gewesen sei. Die Maßnahmen seien schließlich auch ermessensfehlerfrei durchgeführt worden und hätten sich innerhalb der von der Rechtsgrundlage vorgegebenen Grenzen gehalten. Bei der Kontrolle des Rucksacks habe es sich um eine Inaugenscheinnahme und nicht um eine Durchsuchung gehandelt. Bei der Inaugenscheinnahme handele es sich um einen nur oberflächlichen Vorgang, bei dem der Einsatz von Hilfsmitteln und ein tieferes Eindringen in die Privatsphäre des Betroffenen nicht zulässig seien. Allerdings sei die Polizei nicht darauf beschränkt, mitgeführte Behältnisse oder Fahrzeuge lediglich von außen zu betrachten. Es könne im Einzelfall auch zulässig sein, Behältnisse zu öffnen und darin befindliche Gegenstände beiseite zu schieben oder sogar herauszunehmen.

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Mit ihrer am 12. November 2012 erhobenen und – nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden des erkennenden Senats – am 14. Februar 2013 begründeten Berufung vertieft die Klägerin ihre Rechtsauffassung, § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungswidrig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Bestimmtheits- und Wesentlichkeitsgebot und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zur Begründung verweist die Klägerin ergänzend insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber keine näheren Begrenzungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht für die Einrichtung eines Gefahrengebiets vorgesehen, sondern dies vollständig der Verwaltung überlassen habe. Der Gesetzgeber habe auch kein normativ verbindliches Schutzkonzept, sondern nur ein verwaltungsinternes Verfahren vorgesehen, das unzureichend sei. Die Beschreibung der „Zielgruppen“ sei für eine notwendige Begrenzung nicht geeignet, zumal damit eine erhebliche diskriminierende Wirkung verbunden sei. Im konkreten Fall seien zudem die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht erfüllt gewesen. Hinreichende Lageerkenntnisse, die die Ausweisung des Gefahrengebiets „Walpurgisnacht 2011“ in seinem gesamten Umfang gerechtfertigt hätten, habe die Beklagte nicht belegt. Schließlich sei es im konkreten Fall auch nicht erforderlich gewesen, den Rucksack zu kontrollieren. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie – die Klägerin – darin Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt habe, habe es nicht gegeben.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 zu ändern, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, dass ihre am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen und macht insbesondere ergänzend geltend: § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Es könne gerichtlich überprüft werden, ob konkrete Lageerkenntnisse vorlägen, die die Einrichtung eines Gefahrengebiets rechtfertigten. In den polizeilichen Dienstvorschriften werde im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gefahrengebiet ausgewiesen werden könne und welche Erkenntnisse hierzu vorliegen und nachgewiesen werden müssten. Näherer gesetzlicher Vorgaben bedürfe es hierzu nicht. Die notwendige Begrenzung werde durch das Übermaßverbot erreicht. Kleinteiligere Verfahrensvorgaben seien nicht zweckmäßig, da dann nicht mehr alle denkbaren Konstellationen erfasst werden könnten. Ferner sei in der polizeilichen Dienstvorschrift geregelt, dass nach Ausweisung eines Gefahrengebiets spätestens alle vier Wochen überprüft werden müsse, ob die erforderlichen Voraussetzungen unverändert vorlägen. Überdies sei es nach der Dienstvorschrift erforderlich, eine „Zielgruppe“ für die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet zu definieren. Hierdurch werde verhindert, dass „jedermann“ Adressat einer Maßnahme im Gefahrengebiet werden könne. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hätten im konkreten Fall auch vorgelegen. Es sei für die „Walpurgisnacht“ 2011 mit der Begehung erheblicher Straftaten zu rechnen gewesen. Auch die räumliche Ausweitung des Gefahrengebiets sei rechtmäßig gewesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin, nachdem das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Berufung bereits zugelassen hatte, die Fristen zur Einlegung der Berufung (§ 124a Abs. 2) und zu ihrer Begründung (§ 124a Abs. 3 VwGO) gewahrt.

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Die Berufung ist auch begründet, da die zulässige Klage auch in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, begründet ist. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen waren – soweit sie im Berufungsverfahren streitgegenständlich sind (Identitätsfeststellung, Rucksackkontrolle) – rechtswidrig. Die von der Beklagten hierfür herangezogene Rechtsgrundlage (§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F.) ist verfassungswidrig (hierzu A.). Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) auszusetzen und es ist nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. einzuholen, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist (hierzu B.).

A.

24

Die Rechtsgrundlage, auf die die Beklagte die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen – soweit sie im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich sind – gestützt hat, ist verfassungswidrig. Seine diesbezügliche Auffassung begründet der erkennende Senat im Folgenden eingehend, weil dies dem ausdrücklichen Wunsch beider Verfahrensbeteiligter entspricht.

25

Die Beklagte hat die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützt. Diese Maßnahmen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein (hierzu I.). § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke dieses Grundrechts dar (hierzu II.).

26

I. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein.

27

1. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., der im Wesentlichen dem heutigen § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG entspricht, hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind, den nachfolgenden Wortlaut:

28

„(2) Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist.“

29

§ 4 Abs. 3 und 4 HmbPolDVG a.F. enthalten ergänzende Regelungen, die den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die danach zulässigen Maßnahmen weiter konkretisieren und ausgestalten. Diese Vorschriften lauteten seinerzeit – und lauten auch heute noch unverändert – wie folgt:

30

„(3) Zur Feststellung der Identität dürfen Namen, frühere Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Anschrift erhoben werden.

31

(4) Zur Feststellung der Identität darf die Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie darf

32

1. den Betroffenen anhalten,

33

2. den Betroffenen oder Auskunftspersonen nach seiner Identität befragen,

34

3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt,

35

4. den Betroffenen festhalten,

36

5. den Betroffenen und die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen können,

37

6. den Betroffenen zur Dienststelle bringen,

38

7. in den Fällen des Absatzes 1 unter den Voraussetzungen des § 7 erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

39

Maßnahmen nach den Nummern 4 bis 6 dürfen nur getroffen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind.“

40

2. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Daneben können auch weitere Grundrechte – namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG) – betroffen sein. Da die nach § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen aber allesamt der Datenerhebung dienen, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für diese Maßnahmen die „verbindende Klammer“ (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 67; vgl. ferner SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202;BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 96, jeweils zur sog. Schleierfahndung). Bei der folgenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage steht es demgemäß im Vordergrund.

41

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen, also auf ihn bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten voraus. Das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 146). Vom Schutzbereich umfasst sind dabei nicht allein personenbezogene Informationen, die die Privat- oder Intimsphäre betreffen. Schon das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, also auch der Aufenthalt und das Verhalten an einem bestimmten öffentlichen Platz zu einer bestimmten Zeit, kann eine vom Schutzbereich des Grundrechts grundsätzlich erfasste personenbezogene Information sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.3.2008, 1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, juris Rn. 67; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, 4 Bf 274 Bf 276/07, juris Rn. 52).

42

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ermächtigt zu Eingriffen in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen Personen, die Adressat der in der Vorschrift vorgesehenen polizeilichen Maßnahme sind (vgl. zur entsprechenden rechtlichen Einordnung von Maßnahmen der sog. Schleierfahndung: BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 25 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202 ff.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 95; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 66 f.). Mit der durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellten Befugnis, die in § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. genannten Daten offen zu erheben und hierbei die in § 4 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen – u.U. auch gegen den Willen des Betroffenen – zur Anwendung zu bringen, ist umgekehrt die Verpflichtung des Betroffenen verbunden, entsprechende Angaben zu machen und die Durchführung der Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu dulden. Bei den nach § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. zu erhebenden Daten handelt es sich ausnahmslos um personenbezogene Daten, die vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erfasst sind. Zusätzlich werden Daten darüber erhoben, dass sich die betroffene Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort – ggf. auch in Begleitung bestimmter weiterer Personen – aufhält und – soweit mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden – bestimmte Sachen mit sich führt. Auch hierbei handelt es sich um personenbezogene Informationen, die daher ebenfalls vom Schutzbereichs des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst sind.

43

II. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

44

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150 ff.). Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Die Regelung ist weder hinreichend bestimmt (hierzu 1.), noch genügt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (hierzu 2.).

45

1. Das Bestimmtheitsgebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 94). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und ggf. sein Verhalten mit Blick auf die geltende Rechtslage ausrichten kann. Es soll ferner gewährleisten, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet – hier weist das Bestimmtheitsgebot Überschneidungen mit dem Parlaments- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt auf –, damit die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive damit eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll. Durch die Beachtung des Bestimmtheitsgebots soll schließlich ermöglicht werden, dass die Gerichte die Rechtskontrolle effektiv durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen eines im Gesetz vorgesehenen Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 118 ff., m.w.N.).

46

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt diesen Anforderungen nicht. Für das Bestimmtheitsgebot gilt vorliegend ein strenger Maßstab (hierzu a)), dem die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vollständig gerecht werden (hierzu b)).

47

a) Bei der Bestimmung von Zweck, Anlass und Grenzen möglicher Eingriffsmaßnahmen im Gefahrengebiet gilt ein strenger Maßstab. Dies beruht – neben dem auch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz relevanten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995, 1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, juris Rn. 55, m.w.N.; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 29) Umstand, dass Eingriffsmaßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. eine erhebliche Eingriffsintensität aufweisen können (hierzu noch eingehend unter 2. b] bb]) – auf Folgendem:

48

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. berechtigt zur Durchführung sog. Vorfeldmaßnahmen, die keine konkrete Gefahrenlage voraussetzen (zur Abgrenzung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Vorfeldmaßnahmen: OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 67). Die in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG vorgesehenen Maßnahmen weisen überdies eine erhebliche Streubreite auf, indem von ihnen auch „Unbeteiligte“ – d.h. solche Personen, die nicht Störer (§§ 8, 9 HmbSOG) im polizeirechtlichen Sinne sind – betroffen werden können und sollen (vgl. hierzu auch die Fallzahlen betreffend den Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 aus der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Dass bei der Ermöglichung derartiger Vorfeldmaßnahmen besondere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit von Befugnisnormen zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt: Bei der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder bei ihrer Verhütung kann nicht an dieselben Kriterien angeknüpft werden, die für die Gefahrenabwehr oder die Verfolgung begangener Straftaten entwickelt worden sind. Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen, setzen eine konkrete Gefahrenlage voraus. Die Strafverfolgung knüpft an den Verdacht einer schon verwirklichten Straftat an. Solche Bezüge fehlen, soweit die Aufgabe darin besteht, im Vorfeld der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten zu treffen. Deshalb müssen hier die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Bei der Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen, besteht das Risiko, dass der Eingriff an ein nur durch relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Straftaten gekennzeichnetes, in der Bedeutung der beobachteten Einzelheiten noch schwer fassbares und unterschiedlich deutbares Geschehen anknüpft. Sachverhaltsfeststellung und Prognose sind mit vorgreiflichen Einschätzungen über das weitere Geschehen, ebenso wie über die erst noch bevorstehende strafrechtliche Relevanz der festgestellten Tatsachen verknüpft. Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln. Sieht der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 122 ff., m.w.N.; OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, a.a.O., juris Rn. 67 f.).

49

b) Die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zur Ausweisung eines Gefahrengebiets werden den strengen Bestimmtheitsanforderungen nicht vollständig gerecht.

50

Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchgeführt werden und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen erfolgen können. Schon die Ausweisung eines Gefahrengebiets kann sich überdies auch faktisch auf die unbehelligte Grundrechtsausübung auswirken, weil sie zur Verhaltenssteuerung geeignet ist, indem sie Veranlassung geben kann, den Aufenthalt im Gefahrengebiet zu vermeiden. Angesichts der Wirkungen, die danach bereits der Gefahrengebietsausweisung zukommt, hat der Gesetzgeber die hierfür geltenden Voraussetzungen nicht hinreichend normenklar geregelt. Jedenfalls den Ausweisungsanlass (hierzu aa)) und die hierbei zu beachtenden Grenzen in zeitlicher Hinsicht (hierzu bb)) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nur unzureichend bestimmt. Diese Defizite werden auch nicht durch Regelungen des bei der Ausweisung eines Gefahrengebiets zu beachtenden Verfahrens kompensiert, weil auch diese unzureichend sind (hierzu cc)).

51

aa) In § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird der Anlass für die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht hinreichend klar gesetzlich bestimmt.

52

Nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bedarf es des Vorliegens „konkreter Lageerkenntnisse“, die auf die bevorstehende Begehung erheblicher Straftaten in einem bestimmten Gebiet hindeuten, um ein Gefahrengebiet auszuweisen. Lageerkenntnisse sind nicht mit Tatsachen gleichzusetzen, denn das Gesetz sieht differenzierte Eingriffsschwellen vor und verwendet an anderer Stelle die Begriffe „Tatsachen“ (z.B. in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HmbPolDVG a.F.) bzw. „tatsächliche Anhaltspunkte“ (z.B. in §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 HmbPolDVG a.F.). „Konkrete Lageerkenntnisse“ nehmen also nicht nur tatsächliche Gesichtspunkte, sondern auch und insbesondere die hierauf beruhenden (Be-) Wertungen sowie Einschätzungen in Bezug. Erfasst vom Begriff der „konkreten Lageerkenntnisse“ in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sind daher zum einen alle Informationen, die eine Behörde ihrer Einschätzung, in einem bestimmten Gebiet könnten Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden, zugrunde legt, und zum anderen die getroffenen Einschätzungen und Bewertungen selbst. Dieses Verständnis entspricht auch der Praxis der Beklagten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Der Gefahrengebietsausweisung „Walpurgisnacht 2011“ lag maßgeblich die aus Erfahrungen der vergangenen Jahre bzw. bei vergleichbaren Anlässen abgeleitete Bewertung zugrunde, auch in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 werde es – wie regelmäßig bei derartigen Anlässen – zu Ausschreitungen kommen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die sich auf das zu erwartende Geschehen in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 beziehen, enthielt der Antrag auf Ausweisung eines Gefahrengebiets vom 26. April 2011 nicht.

53

Mit dem Erfordernis „konkreter Lageerkenntnisse“ wird eine relevante, die polizeilichen Befugnisse schon auf der Normebene beschränkende Eingriffsschwelle nicht formuliert (i.E. a.A. wohl SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 218, 221 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 115; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 95 f., jeweils zur sog. Schleierfahndung). Der Begriff der Lageerkenntnisse, der jede für geeignet gehaltene Information erfasst und maßgeblich auf polizeiliche Einschätzungen und Bewertungen abstellt, macht die polizeiliche Lagebeurteilung zum einzigen Maßstab für einen Rechtseingriff (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 379 [zur sog. Schleierfahndung]). Die vermeintlich objektive Tatbestandsvoraussetzung erhält ihren Inhalt erst durch die entsprechende polizeiliche Lagebeurteilung (vgl. Waechter, DÖV 1999, 138, 142 [zur sog. Schleierfahndung]). Der Gesetzgeber ermöglicht damit dem Normadressaten, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung selbst herbeizuführen, da bereits die polizeiliche Einschätzung, die Einrichtung eines Gefahrengebiets sei geboten, ausreicht, um die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bejahen zu können.

54

Diese Regelungstechnik verstößt in zweierlei Hinsicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zum einen bestimmt die Polizei die näheren Voraussetzungen eines Eingriffs, was gerade Aufgabe des Gesetzgebers ist. Zum anderen wird die nachträgliche Rechtskontrolle durch Gerichte weitgehend inhaltslos. Denn mehr, als dass eine bestimmte polizeiliche Bewertung vorliegen muss, fordert § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht und kann daher auch gerichtlich nicht überprüft werden. In der Sache wird der zuständigen Behörde damit eine einem gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum vergleichbare Einschätzungsprärogative eingeräumt. Dies wäre zwar nicht von vornherein unzulässig. Dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumen will, muss sich aber zum einen aus der betreffenden gesetzlichen Vorschrift – ggf. durch Auslegung – ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, DVBl. 2010, 250, juris Rn. 53 ff.; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 3 C 8.06, BVerwGE 129, 27, juris Rn. 26 f., m.w.N.), und dies muss zum anderen im Hinblick auf die damit einhergehende Einschränkung des Rechtsschutzes auch sachlich gerechtfertigt sein. Es fehlen aber schon Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der zuständigen Behörde einen Beurteilungsspielraum verschaffen wollte. Im Gegenteil verweist die Gesetzesbegründung auf die Möglichkeit der nachträglichen (gerichtlichen) Kontrolle. Davon, dass diese eingeschränkt ist, ist dort nicht die Rede (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14).

55

bb) Bestimmtheitsdefizite weist § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ferner deshalb auf, weil in der Vorschrift keine zeitlichen Grenzen für die Gebietsausweisung normiert sind.

56

Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. enthält keine zeitlichen Begrenzungen. Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nach dem Gesetz zeitlich unbeschränkt möglich. Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend verweist, die sachliche Einschränkung, dass ein Gefahrengebiet nur ausgewiesen werden darf, „soweit“ aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass erhebliche Straftaten begangen werden, auch im Sinne einer gleichzeitig zeitlichen Einschränkung („solange“) verstanden werden. Liegen derartige Lageerkenntnisse (d.h. Einschätzungen, s.o.) allerdings vor, so ist es nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. in seiner gegenwärtigen Ausprägung möglich, dass die Verwaltung ohne jede parlamentarische Absicherung ein „bestimmtes Gebiet“ für mehrere Monate oder sogar Jahre zum Gefahrengebiet erklärt. Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis. So wurde etwa das Gefahrengebiet „Gewaltkriminalität“ im Bereich des Polizeikommissariats 15 (Vergnügungsviertel St. Pauli) im Juli 2005 eingerichtet und besteht seither – mithin seit fast zehn Jahren – fort (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.).

57

Ungeachtet der Frage, ob eine derart langdauernde Gebietsausweisung in der Sache zulässig, insbesondere verhältnismäßig ist, ist der Gesetzgeber gehalten, dermaßen weitreichende und wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen bzw. die Zulässigkeit solcher Verwaltungsentscheidungen durch Gesetz ausdrücklich vorzusehen. Er darf sich demgegenüber nicht jeder Vorgaben enthalten und der Verwaltung die Entscheidung darüber überlassen, wie lange ein Gefahrengebiet eingerichtet und damit die Möglichkeit eröffnet werden soll, Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegt und die Maßnahmeadressaten im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich sind. Andernfalls könnte in bestimmten Gebieten dauerhaft der polizeirechtliche „Ausnahmezustand“ verhängt werden, ohne dass dies durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. Allein das Vertrauen darauf, dass die Polizei ein Gefahrengebiet nur so lange einrichten wird, wie sie dies durch das Vorliegen konkreter Lageerkenntnisse für gerechtfertigt hält, kann die notwendige Begrenzung des Handlungsspielraums der Verwaltung, die Aufgabe des Gesetzgebers ist, nicht ersetzen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134; siehe auch OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 57; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635).

58

cc) Die aufgezeigten Bestimmtheitsdefizite werden nicht durch Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen kompensiert.

59

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es allerdings „zu erlassende“ Verfahrensregelungen geben, um den Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Diesem Ansatz lag insbesondere die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der dortigen Regelungen zur sog. Schleierfahndung zugrunde (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 216 ff.; ebenso bereits VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 118 ff.). Danach habe die Regelung der Organisation und des Verfahrens eigenständige grundrechtliche Bedeutung dort, wo der Gesetzgeber in entwicklungsoffenen Bereichen die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe im Wesentlichen durch unbestimmte Gesetzesbegriffe umschreibe.

60

Der erkennende Senat lässt offen, unter welchen Voraussetzungen Regelungen der Zuständigkeit und des Verfahrens Bestimmtheitsdefizite, die – wie hier – die materiellen Eingriffsvoraussetzungen betreffen, kompensieren können. Denn die für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bestehenden gesetzlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sind unzureichend. Als zuständige Behörde erwähnt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. lediglich „die Polizei“ und nimmt hiermit die weit gefasste organisatorische Bestimmung in § 1 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. in Bezug. Nach dem Regelungsverständnis des Gesetzgebers soll die Entscheidung über die Ausweisung eines Gefahrengebietes aber „bestimmten Funktionsträgern, zum Beispiel dem jeweiligen Leiter eines Polizeikommissariats“, vorbehalten sein (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Offenbar hielt es auch der Gesetzgeber für geboten, dass die – mit weitreichenden Konsequenzen verbundene (s.o.) – Entscheidung, ein Gefahrengebiet auszuweisen, auf der übergeordneten Leitungsebene zu treffen ist. Eine entsprechende Eingrenzung oder Konkretisierung enthält das Gesetz indes nicht. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht überdies keine Verfahrensvorschriften vor. Zwar wird – was bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011, 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, juris Rn. 140; BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, juris Rn. 134; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 174; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, NordÖR 2010, 498, juris Rn. 58) – in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass „die Lageerkenntnisse (...) vorab von der Polizei zu dokumentieren (sind)“, dass sodann „Ort und Zeit der Kontrolle“ festzulegen seien und sich daran „die Auswahl der zu Kontrollierenden“ durch Bestimmung der „lageabhängigen Zielgruppe“ anschließe (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Mit diesen rudimentären Verfahrensvorgaben des Gesetzgebers, die allenfalls programmatischen Charakter haben und keine hinreichend präzise Regelung des Verfahrens darstellen (anders wohl BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 34 f. [zur sog. Schleierfahndung]), hat es aber sein Bewenden.

61

Nähere Einzelheiten zur Zuständigkeit für die Gebietsausweisung und zum Verfahren hierzu finden sich allerdings in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift der Polizei (vgl. PDV 350, Ziff. 140.093000 ff.). Indes können Verwaltungsvorschriften ein bestehendes Bestimmtheitsdefizit nicht ausgleichen. Sollen Verfahrensregelungen nämlich ihre Funktion, einen effektiven Grundrechtsschutz durch Bereitstellung von Verfahrensvorkehrungen zu gewährleisten, erfüllen, müssen sie in einer außenwirksamen und für den (potentiell) Betroffenen nachvollziehbaren Weise in einer gesetzlichen Vorschrift niedergelegt oder zumindest – etwa durch eine Verordnungsermächtigung, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (vgl. Art. 53 HV) – angelegt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften, deren Inhalt dem betroffenen Bürger regelmäßig nicht bekannt ist und auf deren Einhaltung sich der Einzelne auch nicht ohne Weiteres berufen kann (zu diesem Problemkreis vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 42 ff.), sind hierfür ungeeignet. Ungeeignet sind Verwaltungsvorschriften zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens der Gebietsausweisung zudem deshalb, weil sie von der Verwaltung, deren Handeln sie gerade begrenzen sollen, selbst erlassen werden. Eine Begrenzung der behördlichen Eingriffsbefugnisse kann nicht erreicht werden, wenn die begrenzende und die zu begrenzende Stelle identisch sind. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in der gebotenen Weise selbst eingeengt wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134). Ein Rechtssetzungsdefizit bei der Normierung materieller Eingriffsvoraussetzungen kann von vornherein nicht durch Verfahrensregelungen kompensiert werden, für die der parlamentarische Gesetzgeber nicht die Verantwortung trägt.

62

2. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

63

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07 u.a., BVerfGE 120, 274, juris Rn. 200). Mit der in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Möglichkeit der Kontrolle von Personen und Sachen im Gefahrengebiet verfolgt der Gesetzgeber zwar einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung die Maßnahme geeignet und erforderlich ist (hierzu a)). Jedoch fehlt es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (hierzu b)).

64

a) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit einem legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehene Mittel der Identitätsfeststellung und der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen geeignet und erforderlich. Der erkennende Senat berücksichtigt hierbei, dass die Eignung bereits zu bejahen ist, wenn der erstrebte Erfolg auch nur gefördert werden kann. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn sich die vorgesehene Maßnahmen als objektiv oder evident untauglich erweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, juris Rn. 209 ff.). Hiervon ist vorliegend zumindest nicht schlechthin für jeden denkbaren Gebietsausweisungsanlass und für jede denkbare Kontrollsituation auszugehen, wie die bisherigen Erfahrungen nahelegen (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Das von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellte Mittel der Kontrolle von Personen im Gefahrengebiet ist für die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks auch erforderlich, weil sich dieser Zweck durch mildere Mittel nicht ebenso gut erreichen lässt. Insbesondere wäre die Statuierung einer Gefahrenschwelle und/oder die Voraussetzung, dass nur Störer (vgl. §§ 8, 9 HmbSOG) in Anspruch genommen werden dürfen, nicht geeignet, um den mit der Möglichkeit der jederzeitigen Identitätskontrolle auch verfolgten (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14 „Aufhebung der Anonymität“) Abschreckungseffekt zu erzielen und ein hierauf ausgerichtetes Instrument zur Gefahrvermeidung, wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, schon im Gefahrenvorfeld zu schaffen.

65

b) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

66

Für das Recht der inneren Sicherheit verlangt die Verfassung vom Gesetzgeber, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Das Grundgesetz unterwirft auch die Verfolgung des Zieles, die größtmögliche Sicherheit herzustellen, rechtsstaatlichen Bindungen, zu denen insbesondere das Verbot unangemessener Eingriffe in die Grundrechte als Rechte staatlicher Eingriffsabwehr zählt. In diesem Verbot finden auch die Schutzpflichten des Staates ihre Grenze. Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern. Sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Bei der Wahl der Mittel zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ist der Staat daher auf diejenigen Mittel beschränkt, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht. Aber auch im Rahmen der Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dürfen staatliche Schutzpflichten nicht dazu führen, dass das Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe unter Berufung auf grundrechtliche Schutzpflichten leer läuft, so dass in der Folge allenfalls ungeeignete oder unnötige Eingriffe abgewehrt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 128 ff.).

67

Diesen Vorgaben wird § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gerecht. Der mit Maßnahmen auf der Grundlage dieser Vorschrift verbundene Eingriff dient zwar dem Schutz von Rechtsgütern mit einigem Gewicht (hierzu aa)). Der mit einer Maßnahme auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber von so hohem Gewicht (hierzu bb)), dass in der Abwägung die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen, ohne dass hierfür eine Eingriffsschwelle existiert und ein persönlicher Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt wird, als übermäßig erscheint (hierzu cc)).

68

aa) Die Durchführung von Kontrollmaßnahmen in Gefahrengebieten auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der Verhütung von Straftaten sowie – wenn auch nur nachrangig und insoweit abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG in der gegenwärtig geltenden Fassung – der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Diesem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel kommt eine hohe Bedeutung zu, die dadurch verstärkt wird, dass es um die Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit um Straftaten geht, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013, 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, juris Rn. 21). Mit der Bezugnahme auf den Bereich der mittleren Kriminalität ist umgekehrt aber auch eine Relativierung des Gewichts des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung von Straftaten verbunden. Denn durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität bereitgestellt – hieran besteht ein herausragendes öffentliches Interesse –, sondern auch zur Bekämpfung von (nur) mittelschweren Straftaten. Das Gewicht des öffentlichen Interesses hieran bleibt hinter dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung schwerer und schwerster Straftaten zurück.

69

bb) Die mit Maßnahmen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können von erheblichem Gewicht sein und eine hohe Intensität aufweisen.

70

Bereits die unmittelbar in § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen weisen eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies gilt ohne Weiteres für die in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 bis 6 HmbPolDVG a.F. geregelten, mit einem zusätzlichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahmen des Festhaltens, der Personen- und Sachdurchsuchung sowie des Verbringens zur Dienststelle (vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42). Diese sind zwar gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 HmbPolDVG a.F. nur nachrangig und nur dann zulässig, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind. Bei der Bestimmung der (möglichen) Eingriffsintensität sind sie gleichwohl in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.; s. ferner VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 81).

71

Doch selbst die „einfache“ Identitätsfeststellung mittels der in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HmbPolDVG a.F. genannten Einzelmaßnahmen (Anhalten, Befragen, Aufforderung zur Aushändigung von Ausweispapieren) weist eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies beruht zum einen auf der hohen Streubreite dieser Maßnahmen, von denen jedermann, ohne dass er hierfür konkret Veranlassung gegeben hätte, betroffen werden kann. Denn Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind – bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben –, weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 116 ff., m.w.N.). Der erkennende Senat teilt zum anderen und dessen ungeachtet aber auch nicht die mitunter – und auch von der Beklagten – vertretene Auffassung, die dem Angehalten- und Befragtwerden sowie der Verpflichtung, ein mitgeführtes Ausweispapier zur Prüfung auszuhändigen, eine nur „sehr geringfügige“ Eingriffsqualität zuspricht (so aber BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 114; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 237; vgl. ferner Kastner, VerwArch 92 [2001], 216, 254 f.). Zwar mögen die Maßnahmen selbst und ihre Dauer nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Abgesehen davon, dass Personen – zumal wenn sie etwa in einem Gefahrengebiet wohnen oder dort beruflich tätig sind – wiederholt Adressaten einer Kontrollmaßnahme werden können, folgt eine nicht unerhebliche Eingriffsschwere aber daraus, dass nicht jedermann im Gefahrengebiet nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kontrolliert wird und nach dem Normverständnis des Gesetzgebers auch nicht kontrolliert werden soll (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14), sondern nur solche Personen, die einer bestimmten, aufgrund von Lageerkenntnissen vorab festgelegten „Zielgruppe“ zugerechnet werden. Dieses auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Kontrollkonzept führt dazu, dass mit jeder – für die Umgebung wahrnehmbaren – Kontrolle im Gefahrengebiet eine stigmatisierende Wirkung verbunden ist. Denn bereits durch die Auswahl einer Person für eine Kontrolle wird zum Ausdruck gebracht, dass dieser Person in gesteigertem Maße zugetraut wird, sie könnte eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen (zum Gesichtspunkt der Stigmatisierung vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 111 f.; vgl. auch Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 376). Mag es auch eine „allgemeine Redlichkeitsvermutung“ nicht geben (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 84) – die gezielte Kontrolle bestimmter Personenkreise bringt zum Ausdruck, dass sie für bestimmte Personengruppen in gesteigertem Maße nicht gilt. Mit der Einengung auf bestimmte Personengruppen wird daher der mit einer Kontrollmaßnahme verbundene Eingriff zusätzlich vertieft, obwohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers hierdurch die Streubreite der Maßnahme und die hierauf beruhende Eingriffsschwere (s.o.) verringert werden sollte.

72

Zur Beurteilung der Eingriffsintensität sind überdies auch solche (Folge-) Maßnahmen einzubeziehen, die sich an eine zunächst durchgeführte Kontrollmaßnahme anschließen können, wenn diese Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahrenlage erbracht hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.). Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Datenerhebung sollen gerade auch dazu dienen, die Voraussetzungen für weitergehende, auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhende Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu schaffen, indem die dafür erforderliche Tatsachengrundlage erst ermittelt wird (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung: Bü-Drs. 18/1487, S. 14; siehe ferner BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 109). Dass Maßnahmen der Platzverweisung (§ 12a HmbSOG), des Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 HmbSOG) oder der Ingewahrsamnahme (§§ 13 ff. HmbSOG) – um nur die typischen, auch im vorliegenden Fall relevant gewordenen „Anschlussmaßnahmen“ zu benennen – mit gravierenden Grundrechtseingriffen verbunden sind, bedarf keiner weitergehenden Erläuterung. Gleiches gilt für sich anschließende Maßnahmen der weiteren Datenverarbeitung (auf der Grundlage der §§ 14 ff. HmbPolDVG a.F.), die immer dann relevant werden können, wenn die auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgenommene Identitätsfeststellung einen „Treffer“ gebracht hat.

73

cc) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen im Gefahrengebiet das Übermaßverbot verletzt.

74

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren. Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose dürfen allerdings nicht beliebig herabgesenkt werden, sondern müssen auch in angemessenem Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und zur Aussicht auf den Erfolg des beabsichtigten Rechtsgüterschutzes stehen. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Auch muss als Voraussetzung eines schweren Grundrechtseingriffs gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen. Insbesondere lässt die Verfassung grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" nicht zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 136).

75

Der Gesetzgeber ist bei der Gestaltung von Eingriffsbefugnissen im Gefahrenabwehrrecht nicht zwingend an die überkommenen polizeirechtlichen Eingriffsgrenzen – die konkrete Gefahr als Eingriffsschwelle und die Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten zur Gewährleistung eines persönlichen Zurechnungszusammenhangs – gebunden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt allerdings dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf. Ob ein Grundrechtseingriff zur Abwehr künftig drohender Rechtsgutbeeinträchtigungen auch im Vorfeld konkreter Gefahren verhältnismäßig sein kann, hängt nicht nur davon ab, ob eine hinreichende Aussicht darauf besteht, dass der Eingriff Erfolg verspricht, sondern auch davon, welche Anforderungen die Eingriffsnorm hinsichtlich der Nähe der betroffenen Personen zur fraglichen Rechtsgutbedrohung vorsieht. Verzichtet der Gesetzgeber auf begrenzende Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts sowie an die Nähe der Betroffenen zur abzuwehrenden Bedrohung und sieht er gleichwohl eine Befugnis zu Eingriffen von erheblichem Gewicht vor, genügt dies dem Verfassungsrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 135, 137).

76

Die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt den Anforderungen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nicht. Es fehlt wegen des zwar nicht unerheblichen, aber auch nicht überragenden Gewichts der Belange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die dort normierten Maßnahmen dienen sollen, an der Normierung geeigneter Eingriffsgrenzen. Die Vorschrift formuliert weder eine relevante Eingriffsschwelle (hierzu [1]), noch ist vorgesehen, dass die Maßnahmeadressaten eine besondere Nähe zu der abzuwehrenden Gefahr aufweisen müssen (hierzu [2]). Ob eine derart weitreichende Befugnisnorm zulässig, d.h. im engeren Sinne verhältnismäßig sein könnte, wenn sie nur der Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität diente, kann dahin stehen. Denn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. weist eine derartige Einschränkung nicht auf.

77

(1) Eine relevante, d.h. die polizeilichen Befugnisse wirksam begrenzende Eingriffsschwelle sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Dies gilt zunächst – auf der ersten Stufe – für die Ausweisung eines Gefahrengebiets. Voraussetzung hierfür ist weder, dass eine konkrete Gefahr vorliegt, noch ist es erforderlich, dass konkrete Tatsachen darauf schließen lassen, dass bestimmte (erhebliche) Straftaten in Zukunft begangen werden. Es reicht vielmehr aus, dass „konkrete Lageerkenntnisse“ dafür sprechen, dass in einem bestimmten Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Kern derartiger Lageerkenntnisse ist die polizeiliche Einschätzung, es sei die Ausweisung eines Gefahrengebiets zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Dies hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass die Polizei überall dort ein Gefahrengebiet ausweisen (und in der Folge Maßnahmen der Datenerhebung vornehmen) kann, wo sie es selbst aufgrund eigener Einschätzung für geboten hält, ohne dass dies auf einer überprüfbaren und durch konkrete Tatsachen gestützten Wahrscheinlichkeitsprognose beruhen muss (s.o.).

78

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht auch – auf der zweiten Stufe – keine relevante Eingriffsschwelle für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme im Gefahrengebiet vor. Auch insoweit ist weder das Vorliegen einer konkreten Gefahr Voraussetzung, noch, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, es werde eine bestimmte Straftat begangen. Einzige Voraussetzung ist nach dem Gesetz, dass die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist. Weitergehende Maßstäbe für die Beurteilung der Erforderlichkeit gibt das Gesetz indes nicht vor. Damit richtet sich auch diese Beurteilung letztlich nach den vorhandenen Lageerkenntnissen und damit nach der durch das Gesetz nicht näher determinierten und überprüfbaren Bewertung der Polizei selbst.

79

(2) Auch eine besondere Nähe der Maßnahmeadressaten zu der abzuwehrenden (abstrakten) Gefahr sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Die Vorschrift ermöglicht Maßnahmen der Identitätskontrolle nicht nur gegenüber Störern i.S.v. §§ 8 und 9 HmbSOG, sondern grundsätzlich gegenüber jedermann, der sich im Gefahrengebiet aufhält. Auch insoweit wird eine relevante Begrenzung des für eine Kontrollmaßnahme in Frage kommenden Personenkreises nicht dadurch erreicht, dass diese Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich sein muss. Denn nähere Maßgaben für die Bestimmung der Erforderlichkeit enthält § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Damit wird der Polizei schon kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der in Anspruch zu nehmenden Personen deren freier Einschätzung überlassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 164).

80

Ein relevanter Zurechnungszusammenhang wird auch nicht durch die im Gesetzeswortlaut zwar nicht zum Ausdruck gebrachte, aber nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14) gleichwohl geltende Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit der zu kontrollierenden Personen erreicht. Abgesehen davon, dass die Bestimmung von Zielgruppen und die Zuordnung einer bestimmten Person zu einer Zielgruppe den mit der Kontrollmaßnahme verbundenen Grundrechtseingriff vertieft (s.o.), bewirkt die Zielgruppenzugehörigkeit keine Begrenzung der Befugnisnorm, die geeignet ist, ihre Angemessenheit zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die Bestimmung der Zielgruppen allein durch die Behörde erfolgt, ohne dass es hierfür nähere gesetzliche Vorgaben gibt. Dass die Zielgruppenbestimmung sich aus den Lageerkenntnissen ergeben, also „lageabhängig“ sein muss, ändert hieran nichts. Denn auch die Notwendigkeit des Vorliegens konkreter Lageerkenntnisse schafft keine relevante Begrenzung der behördlichen Befugnisse (s.o.). Zum anderen wird durch die Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit nicht sichergestellt, dass ein hinreichend konkreter Zurechnungszusammenhang zwischen dem Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und der abzuwehrenden Gefahr besteht, weil Maßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Abwehr bloß abstrakter Gefahren dienen. Anders als bei der konkreten Gefahr, die regelmäßig einem Störer persönlich zugerechnet werden kann, fehlt es bei der abstrakten Gefahr an einem hinreichend individualisierten Personenkreis, dem sich diese Gefahr zurechnen lässt. Während die sachliche Voraussetzung der konkreten Gefahr auf der persönlichen Ebene sein Pendant im Störer findet, fehlt ein vergleichbares Pendant dort, wo es – wie hier – um die Abwehr bloß abstrakter Gefahren geht. Eine „Nähe“ zu der abzuwehrenden abstrakten Bedrohung wird auch nicht durch die Zugehörigkeit des Kontrolladressaten zur Zielgruppe bewirkt, und zwar auch dann nicht, wenn diese „lageabhängig“ definiert wird. Denn auch die lageabhängige Festlegung von Zielgruppen bewirkt lediglich eine abstrakte Beschreibung von Personen, die – nach einer gesetzlich nicht näher determinierten behördlichen Einschätzung – potentiell zu Störern werden könnten. Von einer persönlichen „Gefahrennähe“ kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.

B.

81

Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV auszusetzen. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig (hierzu I.). Es bedarf daher nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist (hierzu II.).

82

I. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig. Dabei lässt der erkennende Senat offen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets anlässlich der sog. Walpurgisnacht am 30. April 2011 und am 1. Mai 2011 vorlagen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren unabhängig davon nicht erfüllt.

83

1. Dies gilt zunächst für die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin. Insoweit steht aufgrund der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme fest und ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde, eine Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Dieses Vorgehen ist von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gedeckt. Die Vorschrift berechtigt die zuständige Behörde dazu, mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Schon der Gesetzeswortlaut macht deutlich, dass hiervon (nur) ein Betrachten sowohl des Äußeren als auch des Inneren mitgeführter Sachen erfasst ist. In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, dass mitgeführte Sachen „lediglich genauer betrachtet werden“ dürften, „ohne tiefer in die Privatsphäre einzudringen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Jedes körperliche Einwirken, und sei es auch nur zu dem Zweck, in mitgeführten Sachen befindliche Gegenstände näher betrachten zu können, geht demnach über eine Inaugenscheinnahme i.S.v. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hinaus. Andernfalls könnte eine Inaugenscheinnahme nicht von einer Durchsuchung, zu der § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ausdrücklich nicht ermächtigt, abgegrenzt werden, und § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. fehlte die hinreichende Bestimmtheit.

84

2. Die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen waren des Weiteren und darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil die Auswahl der Klägerin zu den Kontrollmaßnahmen ermessensfehlerhaft war.

85

Gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kann die Polizei eine Kontrolle im Gefahrengebiet vornehmen, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Im Übrigen eröffnet die Vorschrift Ermessen. Im Ermessen steht danach auch und insbesondere die Entscheidung der Polizei über die Auswahl der zu kontrollierenden Personen. Dieses Auswahlermessen hat die Beklagte fehlerhaft ausgeübt.

86

Die Beklagte hat ihr Auswahlermessen im Hinblick auf die für eine Kontrolle auszuwählenden Personen in zwei Schritten ausgeübt. In einem ersten Schritt hat sie mit der Ausweisungsentscheidung die zu kontrollierenden „Zielgruppen“ abstrakt festgelegt. Diese Zielgruppenbestimmung haben die Bediensteten der Beklagten herangezogen bei der in einem zweiten Schritt vorgenommenen konkreten Auswahl derjenigen Personen, die – wie die Klägerin – in dem ausgewiesenen Gefahrengebiet anlässlich der sog. Walpurgisnacht 2011 kontrolliert worden sind.

87

Zur „Zielgruppe“ gehörten ausweislich des Antrags auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 auch und insbesondere solche Personen, „die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen sind“. Dieser Zielgruppe war auch die Klägerin zugerechnet worden, wie sich etwa aus der schriftlichen Stellungnahme des Polizeibeamten X. vom 20. Juni 2011 (in der Sachakte) oder aus der Zeugenaussage dieses Polizisten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, ferner aus der Aussage des von dem Verwaltungsgericht als Zeuge gehörten Polizeibeamten Y. ergibt. Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personen und namentlich auch der Klägerin war für die Beklagte mithin zweierlei maßgeblich: Zum einen die Zurechnung einer Person „zum linken Spektrum“, zum anderen das äußere Erscheinungsbild der betreffenden Person, das eine entsprechende Zuordnung erlaubt.

88

Die vorgenannten Auswahlkriterien begründen einen Ermessensfehler in der Form der Ermessensüberschreitung. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält. Insbesondere darf die Ausübung des Ermessens nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 91, 93). Einen derartigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nimmt der erkennende Senat vorliegend an. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung danach, ob eine im Gefahrengebiet angetroffene Person „dem linken Spektrum“ zugehörig ist oder nicht, bereits gegen ein absolutes Differenzierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstößt, wonach niemand wegen seinen politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Denn die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

89

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt danach vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, juris Rn. 73 ff., m.w.N.).

90

Nach diesen Maßgaben ist die von der Beklagten vorgenommene Auswahl der zu kontrollierenden Personen nicht nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt, sondern es ist zu prüfen, ob die vorgenommene Differenzierung verhältnismäßig ist. Denn die Beklagte hat eine Differenzierung nicht bloß von Sachverhalten, sondern von Personengruppen vorgenommen und dabei durch die Bezugnahme auf das „linke Spektrum“ eine Unterscheidung nach Merkmalen vorgenommen, die den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen zumindest angenähert sind.

91

Die vorzunehmende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung unverhältnismäßig ist. Mit der Bildung von Zielgruppen verfolgt die Beklagte den für sich genommen legitimen Zweck, die Kontrollen auf denjenigen Personenkreis zu beziehen und zu beschränken, von dem nach den vorliegenden Lageerkenntnissen potentiell die Begehung bestimmter Straftaten zu erwarten ist. Die Differenzierung dient damit umgekehrt auch dem weiteren – legitimen – Ziel, solche Personengruppen, die nach den vorliegenden Lageerkenntnissen nicht relevant sind, von den Eingriffsmaßnahmen möglichst zu verschonen und unbehelligt zu lassen. Die Differenzierung nach Personengruppen, die entweder dem „linken Spektrum“ zuzuordnen oder nicht zuzuordnen sind, ist aber zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet.

92

a) Die Eignung ist bereits deshalb zweifelhaft, weil zwangsläufig – wie dies auch in dem Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 zum Ausdruck gelangt („augenscheinlich“) – auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden muss, um eine Person dem „linken Spektrum“ zuordnen zu können. Es kann offen bleiben, ob Angehörige des „linken Spektrums“ bzw. – wie die Beklagte diesen Begriff in der Sache verstanden haben will – des „linksautonomen Spektrums“ regelmäßig bereits anhand äußerer Merkmale (Kleidung, Frisur o.ä.) identifiziert werden können. Zweifelhaft kann das nicht zuletzt dann sein, wenn eine bestimmte szenetypische Kleidung oder andere in der Szene verbreitete Äußerlichkeiten auch in einem szenefernen Umfeld aufgrund schlichter Modeerscheinungen verbreitet sind. Die Anknüpfung an das äußere Erscheinungsbild erscheint dessen ungeachtet aber vor allem auch deshalb kaum effektiv, weil dieses ohne größeren Aufwand verändert werden kann (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 636). Will ein Angehöriger des „linken Spektrums“ sich unbehelligt im Gefahrengebiet bewegen, müsste er also nur dafür sorgen, dass er nicht entsprechend aussieht.

93

b) Die mangelnde Eignung beruht jedenfalls darauf, dass allein mithilfe der durchgeführten Maßnahmen weder eine (abstrakte) Gefahr verhindert werden konnte, noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden konnten, dass eine (konkrete) Gefahr abgewehrt werden kann.

94

Der erkennende Senat hält es – erstens – schon generell für fernliegend, dass eine Person, die beabsichtigt, sich an Ausschreitungen zu beteiligen, und die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung einer Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. unterzogen wird, von ihrem Plan allein aufgrund der vorgenommenen Kontrolle wieder Abstand nimmt. Die Annahme des Gesetzgebers, es könne „die Aufhebung der Anonymität bei potentiellen Störern zum Verzicht auf bestimmte Aktivitäten führen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14), ist nicht weiter belegt. Sie erscheint zumindest bei der Ausweisung eines anlassbezogenen Gefahrengebiets wie dem vorliegenden auch als kaum tragfähig. Denn es ist nicht erkennbar, dass allein eine Personenkontrolle einen potentiellen Störer davon abhalten wird, zu einem späteren Zeitpunkt im Schutz der Dunkelheit und in der Anonymität der Masse Straftaten zu begehen, die ihm als (im Vorwege kontrollierter) Person gar nicht ohne Weiteres zugeordnet werden können. Die „Herauslösung aus der Anonymität“ (vgl. den Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011) durch eine Identitätskontrolle ist auch mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F.) nicht geeignet, denn die Möglichkeit der Strafverfolgung im Fall der Beteiligung an Ausschreitungen hängt nicht von einer vorangegangenen Identitätsfeststellung, sondern davon ab, ob die betreffende Person als Beteiligter an Ausschreitungen identifiziert werden kann. Diese Identifizierung gelingt aber nicht schon deshalb, weil einige Stunden vorher eine Kontrollmaßnahme durchgeführt worden ist.

95

Vor allem aber vermag – zweitens – allein die Kontrolle die Angehörigen der „Zielgruppe“ bzw. potentielle Straftäter nicht aus dem Gefahrengebiet fernzuhalten. Hierfür bedarf es weiterer Folgemaßnahmen, namentlich der Verfügung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 12b Abs. 2 HmbSOG und ggf. einer nachfolgenden Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbots, § 13 Abs. 1 Nr. 4 HmbSOG. Zur Vornahme derartiger Folgemaßnahmen reicht die bloße Zugehörigkeit zur Zielgruppe, anders als für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., nicht aus. Vielmehr bedarf es nach § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG des Vorliegens von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, die betreffende Person werde in einem bestimmten Gebiet Straftaten begehen. Derartige tatsächliche Anhaltspunkte lassen sich durch eine bloße Identitätsfeststellung regelmäßig aber nicht ermitteln. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Identitätsfeststellung und der anschließend vorgenommene Datenabgleich ergibt, dass die kontrollierte Person in der Vergangenheit Straftaten begangen hat oder – wie im Fall der Klägerin (vgl. etwa den Einsatzbericht vom 1. Mai 2011 und die schriftliche Stellungnahme des Polizeibeamten Z. vom 20. Juni 2011, die sich in der Sachakte befinden) – als „linksmotivierter Straftäter“ polizeilich erfasst ist. Hieraus mag sich eine erhöhte abstrakte Gefahr ableiten lassen, dass die betreffende Person sich an Ausschreitungen beteiligen bzw. auch in der Zukunft weitere Straftaten begehen könnte. Um konkrete Tatsachen i.S.v. § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG handelt es sich insoweit aber gerade nicht.

96

II. Es bedarf nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist.

97

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV ist die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht der Auffassung ist, dass ein hamburgisches Gesetz gegen die Landesverfassung verstößt, sofern es auf die Gültigkeit der Vorschrift bei der Entscheidung ankommt. Entscheidungserheblichkeit in dem vorgenannten Sinne liegt dann vor, wenn das Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, juris Rn. 35). Es muss also auf den Bestand der Regelung ankommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2001, 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74, juris Rn. 38). Hierzu bedarf es der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die für verfassungswidrig gehaltene Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2013, 1 BvL 5/12, juris Rn. 8 f.). Räumt die für verfassungswidrig gehaltene Norm ein Ermessen ein, dann kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur in Betracht, wenn die angefochtene Ermessensentscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden ist bzw. eine Ermessensfehlerhaftigkeit nur aus Erwägungen abgeleitet werden kann, die ihrerseits die Verfassungswidrigkeit der Ermessensvorschrift begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, juris Rn. 71; BVerfG, Beschl. v. 12.12.1973, 2 BvL 4/72, BVerfGE 36, 258, juris Rn. 23 f.).

98

Werden diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorliegend nicht entscheidungserheblich i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV. Der Klage ist in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, auch dann stattzugeben, wenn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für verfassungsgemäß gehalten wird. Denn die streitgegenständlichen Maßnahmen sind rechtswidrig, weil sie zum Teil über das nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. Zulässige hinausgehen (Rucksackkontrolle) und weil jedenfalls die Auswahl der Klägerin zu einer Kontrollmaßnahme ermessensfehlerhaft erfolgt ist. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruht dabei nicht auf Gründen, die der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zugrunde liegen. Sie folgt dessen ungeachtet vielmehr daraus, dass die allgemeinen und auch im konkreten Fall zur Anwendung gebrachten Kriterien für die Auswahl der „Zielgruppe“, der die Beklagte auch die Klägerin zugeordnet hat, zumindest mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

C.

99

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und nimmt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kostenpflicht der Beklagten hinsichtlich des Teils des Streitgegenstandes auf, über den das Verwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat.

100

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

101

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 geändert, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung, dass die in einem sog. Gefahrengebiet erfolgte polizeiliche Feststellung ihrer Identität sowie die Kontrolle ihres mitgeführten Rucksacks rechtswidrig gewesen seien.

2

Der Führungs- und Lagedienst der Polizei richtete unter dem 26. April 2011 an die damalige ZD 20 (Leitung Zentraldirektion) einen Antrag auf Ausweisung eines sog. Gefahrengebiets anlässlich möglicher Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ am 30. April 2011: In den zurückliegenden Jahren sei es jeweils in der sog. Walpurgisnacht zu Ausschreitungen im Schanzenviertel und den umliegenden Straßenzügen gekommen, in den Jahren 2008 und 2009 jeweils im Anschluss an einen angemeldeten Aufzug. Für den 30. April 2011 sei erneut ein Aufzug angemeldet. Es stehe zu erwarten, dass hierdurch Personen angezogen würden, die sich anschließend an Ausschreitungen im Schanzenviertel beteiligten. Die wiederkehrenden Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ ähnelten stark den Ausschreitungen im Anschluss an das jährliche „Schanzenfest“. Sie begännen nach Einbruch der Dunkelheit und setzten sich bis in die Morgenstunden fort. So würden Sperrmüll, Bauzäune und Müllcontainer als Barrikaden auf Straßen und Wege gezogen und angezündet. Sehr wahrscheinlich seien auch gezielte Aktionen wie „Entglasungen“ von Geschäften, um den Einsatz der Polizei zu provozieren. Entsprechend der polizeilichen Kräftedichte stehe zu erwarten, dass Straftäter und Störer in das erweiterte räumliche Umfeld auswichen und dort Straftaten begingen. Um diesen Erscheinungen besser begegnen zu können, sei es erforderlich, ein „Gefahrengebiet Walpurgisnacht 2011“ gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in Hamburg vom 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233; im Folgenden: HmbPolDVG a.F.) einzurichten, und zwar vom 30. April 2011, 19.00 Uhr bis zum 1. Mai 2011, 5.00 Uhr. Das Gefahrengebiet solle im Norden durch die Straßen Fruchtallee, Schäferkampsallee, Schröderstiftstraße, einschließlich U-Bahnhof Christuskirche, im Osten durch die Straßen Karolinenstraße, Glacischaussee, im Süden durch die Straßen Millerntorplatz, Simon-von-Utrecht-Straße, einschließlich U-Bahnhof St. Pauli und im Westen durch die Straßen Holstenstraße, Stresemannstraße, Alsenstraße, Doormannsweg begrenzt werden. Relevante Personen und Personengruppen seien Personen bzw. Personengruppen, die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen seien, 16- bis 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen), Personen, die alkoholisiert seien und/oder sich besonders auffällig (z.B. besonders ausgelassen oder aggressiv) verhielten sowie Personen bzw. Personengruppen, die sich verdächtig verhielten bzw. verdächtige Gegenstände mit sich führten. Die genannten Personen hätten ein hohes Interesse daran, möglichst anonym und unbeeinflusst von der Polizei zu agieren. Durch die Möglichkeit der vereinfachten Überprüfung von Personen, Personengruppen sowie mitgeführten Gegenständen würden die Personen aus ihrer Anonymität gelöst und die Durchführung geplanter Aktionen erschwert. Ferner bestehe die Möglichkeit, weitere Folgemaßnahmen anzuschließen. Die Abteilung ZD 20 ordnete daraufhin die Ausweisung eines Gefahrengebiets durch Sichtvermerk – hierbei wird ein Antrag durch Anbringen von Namenszeichen und Datum genehmigt – antragsgemäß an.

3

Am späten Abend des 30. April 2011 hielt sich die Klägerin mit drei Bekannten in der Eifflerstraße auf und ging zu Fuß in Richtung Schulterblatt. Diese Straßen liegen innerhalb des o.g. Gefahrengebiets. An der Einmündung der Eifflerstraße zur Straße Schulterblatt befand sich eine Polizeikette. Die Klägerin wurde dort angehalten und ihre Identität wurde überprüft. Zu diesem Zweck händigte die Klägerin ihren Personalausweis aus. Ferner wurde der Rucksack, den die Klägerin zunächst auf ihrem Rücken trug, von einer Polizistin kontrolliert. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde und die Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Im Anschluss an die Identitätskontrolle und die Kontrolle des Rucksacks verfügte ein weiterer bei der Maßnahme eingesetzter Polizist ein Aufenthaltsverbot gegen die Klägerin. Im weiteren Verlauf wurde die Ingewahrsamnahme der Klägerin angeordnet und durchgesetzt. Aus dem Gewahrsam wurde sie um 3.00 Uhr morgens des Folgetages (1. Mai 2011) entlassen.

4

Mit ihrer im Juni 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die gegen sie gerichteten Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien und hierzu vor allem geltend gemacht: Die auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützten Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle des Rucksacks seien rechtswidrig gewesen, weil schon die Rechtsgrundlage verfassungswidrig sei. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Wesentlichkeitsgebot, den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführten Maßnahmen wiesen eine hohe Eingriffsintensität auf. Die Betroffenen könnten mangels Kenntnis der Kriterien, nach denen die Polizei – im Übrigen ohne hinreichende verfahrensmäßige Absicherung und allein anhand nicht näher definierter „Lageerkenntnisse“ – Maßnahmeadressaten bzw. „Zielgruppen“ im Gefahrengebiet bestimme und auswähle, ihr Verhalten nicht entsprechend ausrichten. Zudem dürften die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. im Gefahrengebiet zulässigen Maßnahmen nicht bloß isoliert betrachtet werden, sondern es seien auch die möglichen Folgemaßnahmen – nicht zuletzt solche der Datenweitergabe und -speicherung – in den Blick zu nehmen. Überdies hätten im konkreten Fall auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht vorgelegen. Die von der Beklagten genannten Lageerkenntnisse hätten die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht – schon gar nicht in dem konkreten Umfang – gerechtfertigt. Die Festlegung der zu kontrollierenden Personengruppen sei willkürlich und zu weitreichend. Die Feststellung ihrer Identität sei im Übrigen nicht erforderlich gewesen. Bei der Kontrolle ihres Rucksacks habe es sich nicht um eine bloße Inaugenscheinnahme, sondern um eine Durchsuchung gehandelt. Ferner seien die Voraussetzungen für die Verfügung eines Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 SOG) und für eine Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG) nicht erfüllt gewesen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6
1. festzustellen, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren,
7
2. festzustellen, dass das ihr am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot rechtswidrig war,
8
3. festzustellen, dass die am 30. April 2011 erfolgte Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.
9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht: Die Voraussetzungen für die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks seien erfüllt gewesen. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei zum einen verfassungsgemäß. Zum anderen hätten die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung bei der Klägerin und für eine Kontrolle ihres Rucksacks konkret vorgelegen. Insbesondere sei die Klägerin augenscheinlich dem linken Spektrum zugehörig und entsprechend polizeilich bekannt gewesen. Die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin habe keine Durchsuchung dargestellt, sondern die mitgeführten Sachen seien lediglich genauer betrachtet worden. Im Übrigen seien auch das Aufenthaltsverbot und die anschließende Ingewahrsamnahme der Klägerin rechtmäßig gewesen.

12

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012, das der Klägerin am 15. Oktober 2012 zugestellt worden ist, festgestellt, dass das der Klägerin am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot sowie ihre Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Einschätzung, die Identitätskontrolle sowie die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin seien rechtmäßig erfolgt, im Wesentlichen ausgeführt:

13

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Der mit den danach zulässigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei – erstens – hinreichend bestimmt. Der Zweck der Datenerhebung werde durch die Bezugnahme auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F. klargestellt. Auch der Begriff „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die nähere Definition enthalte § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. Der in einer Verwaltungsvorschrift der Polizei näher definierte Begriff „konkrete Lageerkenntnisse“ sei richterlicher Konkretisierung und Überprüfung zugänglich und genüge dem Bestimmtheitsgebot. Der Landesgesetzgeber sei für die Regelung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. – zweitens – zuständig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – drittens – nicht das rechtsstaatliche Wesentlichkeitsgebot. Die notwendige zeitliche und örtliche Begrenzung werde durch die Gestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen erreicht. Auch habe der Gesetzgeber die materiellen Einschreitschwellen festgelegt, denn nach der Vorschrift müssten konkrete Lagebilder darauf hindeuten, dass in einem bestimmten Gebiet erhebliche Straftaten begangen würden. Es verletze auch nicht das Wesentlichkeitsgebot, dass das Gesetz keine Verfahrensregelungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets enthalte. Eine hinreichende Dokumentation der zur Ausweisung eines Gefahrengebiets führenden Erwägungen liege im Interesse der Beklagten selbst. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – viertens – auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die danach zulässigen Maßnahmen seien zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen. Die Eingriffsintensität der Identitätskontrolle, bei der keine besonders schutzwürdigen Daten erhoben würden, sei geringer als bei der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen. Letztere Maßnahme sei deshalb nur zulässig, wenn es zusätzliche und greifbare Erkenntnisse dafür gebe, dass (auch) diese Maßnahme zur Straftatenverhütung erforderlich sei. Im Übrigen werde der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff gemildert, indem die Maßnahmen nicht verdeckt, sondern offen und ohne Zuhilfenahme technischer Mittel erfolgten. Aufgrund der Begrenztheit der personellen Mittel könne die Maßnahme auch nicht uferlos ausgeweitet werden. Zwar werde auf die Voraussetzungen eines Gefahrenverdachts und der Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten verzichtet. Ein hinreichender Zurechnungszusammenhang werde aber hergestellt, indem an den Aufenthalt in einem Gefahrengebiet und mithin an eine Sondersituation angeknüpft werde. Auch die mit einer Identitätsfeststellung nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. möglicherweise verbundenen Folgeeingriffe führten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vorschrift, weil sie nur unter strengeren Voraussetzungen bzw. auf der Grundlage von Sondervorschriften zulässig seien. Die Gemeinwohlbelange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. diene, seien von erheblichem Gewicht.

14

Die gegenüber der Klägerin erfolgte Identitätsfeststellung sowie die Kontrolle ihres Rucksacks seien im konkreten Fall rechtmäßig auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets hätten vorgelegen. Dies gelte jedenfalls für den Bereich – Kreuzungsbereich Schulterblatt und Eifflerstraße –, in dem die Klägerin kontrolliert worden sei. Eine etwaige Überschreitung der zulässigen räumlichen Ausweitung eines Gefahrengebiets lasse die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines „Kernbereichs“ unberührt. Auch seien die Identitätsfeststellung der Klägerin sowie die Kontrolle ihres Rucksacks zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich gewesen. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin zu der bei der Ausweisung des Gefahrengebiets beschriebenen „Zielgruppe“ gehört habe und ob diese Definition rechtmäßig sei. Jedenfalls hätten die Maßnahmen von den handelnden Bediensteten der Polizei für erforderlich gehalten werden dürfen, weil diese – wie sie bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hätten – die Klägerin „vom Sehen her“ im Zusammenhang mit verschiedenen polizeilichen Einsatzanlässen gekannt hätten und ihnen die Zugehörigkeit der Klägerin zur „Szene“ bekannt gewesen sei. Die Maßnahmen seien schließlich auch ermessensfehlerfrei durchgeführt worden und hätten sich innerhalb der von der Rechtsgrundlage vorgegebenen Grenzen gehalten. Bei der Kontrolle des Rucksacks habe es sich um eine Inaugenscheinnahme und nicht um eine Durchsuchung gehandelt. Bei der Inaugenscheinnahme handele es sich um einen nur oberflächlichen Vorgang, bei dem der Einsatz von Hilfsmitteln und ein tieferes Eindringen in die Privatsphäre des Betroffenen nicht zulässig seien. Allerdings sei die Polizei nicht darauf beschränkt, mitgeführte Behältnisse oder Fahrzeuge lediglich von außen zu betrachten. Es könne im Einzelfall auch zulässig sein, Behältnisse zu öffnen und darin befindliche Gegenstände beiseite zu schieben oder sogar herauszunehmen.

15

Mit ihrer am 12. November 2012 erhobenen und – nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden des erkennenden Senats – am 14. Februar 2013 begründeten Berufung vertieft die Klägerin ihre Rechtsauffassung, § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungswidrig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Bestimmtheits- und Wesentlichkeitsgebot und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zur Begründung verweist die Klägerin ergänzend insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber keine näheren Begrenzungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht für die Einrichtung eines Gefahrengebiets vorgesehen, sondern dies vollständig der Verwaltung überlassen habe. Der Gesetzgeber habe auch kein normativ verbindliches Schutzkonzept, sondern nur ein verwaltungsinternes Verfahren vorgesehen, das unzureichend sei. Die Beschreibung der „Zielgruppen“ sei für eine notwendige Begrenzung nicht geeignet, zumal damit eine erhebliche diskriminierende Wirkung verbunden sei. Im konkreten Fall seien zudem die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht erfüllt gewesen. Hinreichende Lageerkenntnisse, die die Ausweisung des Gefahrengebiets „Walpurgisnacht 2011“ in seinem gesamten Umfang gerechtfertigt hätten, habe die Beklagte nicht belegt. Schließlich sei es im konkreten Fall auch nicht erforderlich gewesen, den Rucksack zu kontrollieren. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie – die Klägerin – darin Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt habe, habe es nicht gegeben.

16

Die Klägerin beantragt,

17

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 zu ändern, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, dass ihre am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen und macht insbesondere ergänzend geltend: § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Es könne gerichtlich überprüft werden, ob konkrete Lageerkenntnisse vorlägen, die die Einrichtung eines Gefahrengebiets rechtfertigten. In den polizeilichen Dienstvorschriften werde im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gefahrengebiet ausgewiesen werden könne und welche Erkenntnisse hierzu vorliegen und nachgewiesen werden müssten. Näherer gesetzlicher Vorgaben bedürfe es hierzu nicht. Die notwendige Begrenzung werde durch das Übermaßverbot erreicht. Kleinteiligere Verfahrensvorgaben seien nicht zweckmäßig, da dann nicht mehr alle denkbaren Konstellationen erfasst werden könnten. Ferner sei in der polizeilichen Dienstvorschrift geregelt, dass nach Ausweisung eines Gefahrengebiets spätestens alle vier Wochen überprüft werden müsse, ob die erforderlichen Voraussetzungen unverändert vorlägen. Überdies sei es nach der Dienstvorschrift erforderlich, eine „Zielgruppe“ für die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet zu definieren. Hierdurch werde verhindert, dass „jedermann“ Adressat einer Maßnahme im Gefahrengebiet werden könne. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hätten im konkreten Fall auch vorgelegen. Es sei für die „Walpurgisnacht“ 2011 mit der Begehung erheblicher Straftaten zu rechnen gewesen. Auch die räumliche Ausweitung des Gefahrengebiets sei rechtmäßig gewesen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin, nachdem das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Berufung bereits zugelassen hatte, die Fristen zur Einlegung der Berufung (§ 124a Abs. 2) und zu ihrer Begründung (§ 124a Abs. 3 VwGO) gewahrt.

23

Die Berufung ist auch begründet, da die zulässige Klage auch in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, begründet ist. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen waren – soweit sie im Berufungsverfahren streitgegenständlich sind (Identitätsfeststellung, Rucksackkontrolle) – rechtswidrig. Die von der Beklagten hierfür herangezogene Rechtsgrundlage (§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F.) ist verfassungswidrig (hierzu A.). Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) auszusetzen und es ist nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. einzuholen, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist (hierzu B.).

A.

24

Die Rechtsgrundlage, auf die die Beklagte die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen – soweit sie im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich sind – gestützt hat, ist verfassungswidrig. Seine diesbezügliche Auffassung begründet der erkennende Senat im Folgenden eingehend, weil dies dem ausdrücklichen Wunsch beider Verfahrensbeteiligter entspricht.

25

Die Beklagte hat die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützt. Diese Maßnahmen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein (hierzu I.). § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke dieses Grundrechts dar (hierzu II.).

26

I. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein.

27

1. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., der im Wesentlichen dem heutigen § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG entspricht, hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind, den nachfolgenden Wortlaut:

28

„(2) Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist.“

29

§ 4 Abs. 3 und 4 HmbPolDVG a.F. enthalten ergänzende Regelungen, die den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die danach zulässigen Maßnahmen weiter konkretisieren und ausgestalten. Diese Vorschriften lauteten seinerzeit – und lauten auch heute noch unverändert – wie folgt:

30

„(3) Zur Feststellung der Identität dürfen Namen, frühere Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Anschrift erhoben werden.

31

(4) Zur Feststellung der Identität darf die Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie darf

32

1. den Betroffenen anhalten,

33

2. den Betroffenen oder Auskunftspersonen nach seiner Identität befragen,

34

3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt,

35

4. den Betroffenen festhalten,

36

5. den Betroffenen und die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen können,

37

6. den Betroffenen zur Dienststelle bringen,

38

7. in den Fällen des Absatzes 1 unter den Voraussetzungen des § 7 erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

39

Maßnahmen nach den Nummern 4 bis 6 dürfen nur getroffen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind.“

40

2. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Daneben können auch weitere Grundrechte – namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG) – betroffen sein. Da die nach § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen aber allesamt der Datenerhebung dienen, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für diese Maßnahmen die „verbindende Klammer“ (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 67; vgl. ferner SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202;BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 96, jeweils zur sog. Schleierfahndung). Bei der folgenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage steht es demgemäß im Vordergrund.

41

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen, also auf ihn bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten voraus. Das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 146). Vom Schutzbereich umfasst sind dabei nicht allein personenbezogene Informationen, die die Privat- oder Intimsphäre betreffen. Schon das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, also auch der Aufenthalt und das Verhalten an einem bestimmten öffentlichen Platz zu einer bestimmten Zeit, kann eine vom Schutzbereich des Grundrechts grundsätzlich erfasste personenbezogene Information sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.3.2008, 1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, juris Rn. 67; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, 4 Bf 274 Bf 276/07, juris Rn. 52).

42

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ermächtigt zu Eingriffen in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen Personen, die Adressat der in der Vorschrift vorgesehenen polizeilichen Maßnahme sind (vgl. zur entsprechenden rechtlichen Einordnung von Maßnahmen der sog. Schleierfahndung: BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 25 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202 ff.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 95; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 66 f.). Mit der durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellten Befugnis, die in § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. genannten Daten offen zu erheben und hierbei die in § 4 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen – u.U. auch gegen den Willen des Betroffenen – zur Anwendung zu bringen, ist umgekehrt die Verpflichtung des Betroffenen verbunden, entsprechende Angaben zu machen und die Durchführung der Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu dulden. Bei den nach § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. zu erhebenden Daten handelt es sich ausnahmslos um personenbezogene Daten, die vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erfasst sind. Zusätzlich werden Daten darüber erhoben, dass sich die betroffene Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort – ggf. auch in Begleitung bestimmter weiterer Personen – aufhält und – soweit mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden – bestimmte Sachen mit sich führt. Auch hierbei handelt es sich um personenbezogene Informationen, die daher ebenfalls vom Schutzbereichs des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst sind.

43

II. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

44

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150 ff.). Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Die Regelung ist weder hinreichend bestimmt (hierzu 1.), noch genügt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (hierzu 2.).

45

1. Das Bestimmtheitsgebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 94). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und ggf. sein Verhalten mit Blick auf die geltende Rechtslage ausrichten kann. Es soll ferner gewährleisten, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet – hier weist das Bestimmtheitsgebot Überschneidungen mit dem Parlaments- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt auf –, damit die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive damit eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll. Durch die Beachtung des Bestimmtheitsgebots soll schließlich ermöglicht werden, dass die Gerichte die Rechtskontrolle effektiv durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen eines im Gesetz vorgesehenen Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 118 ff., m.w.N.).

46

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt diesen Anforderungen nicht. Für das Bestimmtheitsgebot gilt vorliegend ein strenger Maßstab (hierzu a)), dem die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vollständig gerecht werden (hierzu b)).

47

a) Bei der Bestimmung von Zweck, Anlass und Grenzen möglicher Eingriffsmaßnahmen im Gefahrengebiet gilt ein strenger Maßstab. Dies beruht – neben dem auch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz relevanten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995, 1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, juris Rn. 55, m.w.N.; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 29) Umstand, dass Eingriffsmaßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. eine erhebliche Eingriffsintensität aufweisen können (hierzu noch eingehend unter 2. b] bb]) – auf Folgendem:

48

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. berechtigt zur Durchführung sog. Vorfeldmaßnahmen, die keine konkrete Gefahrenlage voraussetzen (zur Abgrenzung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Vorfeldmaßnahmen: OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 67). Die in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG vorgesehenen Maßnahmen weisen überdies eine erhebliche Streubreite auf, indem von ihnen auch „Unbeteiligte“ – d.h. solche Personen, die nicht Störer (§§ 8, 9 HmbSOG) im polizeirechtlichen Sinne sind – betroffen werden können und sollen (vgl. hierzu auch die Fallzahlen betreffend den Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 aus der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Dass bei der Ermöglichung derartiger Vorfeldmaßnahmen besondere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit von Befugnisnormen zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt: Bei der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder bei ihrer Verhütung kann nicht an dieselben Kriterien angeknüpft werden, die für die Gefahrenabwehr oder die Verfolgung begangener Straftaten entwickelt worden sind. Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen, setzen eine konkrete Gefahrenlage voraus. Die Strafverfolgung knüpft an den Verdacht einer schon verwirklichten Straftat an. Solche Bezüge fehlen, soweit die Aufgabe darin besteht, im Vorfeld der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten zu treffen. Deshalb müssen hier die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Bei der Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen, besteht das Risiko, dass der Eingriff an ein nur durch relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Straftaten gekennzeichnetes, in der Bedeutung der beobachteten Einzelheiten noch schwer fassbares und unterschiedlich deutbares Geschehen anknüpft. Sachverhaltsfeststellung und Prognose sind mit vorgreiflichen Einschätzungen über das weitere Geschehen, ebenso wie über die erst noch bevorstehende strafrechtliche Relevanz der festgestellten Tatsachen verknüpft. Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln. Sieht der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 122 ff., m.w.N.; OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, a.a.O., juris Rn. 67 f.).

49

b) Die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zur Ausweisung eines Gefahrengebiets werden den strengen Bestimmtheitsanforderungen nicht vollständig gerecht.

50

Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchgeführt werden und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen erfolgen können. Schon die Ausweisung eines Gefahrengebiets kann sich überdies auch faktisch auf die unbehelligte Grundrechtsausübung auswirken, weil sie zur Verhaltenssteuerung geeignet ist, indem sie Veranlassung geben kann, den Aufenthalt im Gefahrengebiet zu vermeiden. Angesichts der Wirkungen, die danach bereits der Gefahrengebietsausweisung zukommt, hat der Gesetzgeber die hierfür geltenden Voraussetzungen nicht hinreichend normenklar geregelt. Jedenfalls den Ausweisungsanlass (hierzu aa)) und die hierbei zu beachtenden Grenzen in zeitlicher Hinsicht (hierzu bb)) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nur unzureichend bestimmt. Diese Defizite werden auch nicht durch Regelungen des bei der Ausweisung eines Gefahrengebiets zu beachtenden Verfahrens kompensiert, weil auch diese unzureichend sind (hierzu cc)).

51

aa) In § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird der Anlass für die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht hinreichend klar gesetzlich bestimmt.

52

Nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bedarf es des Vorliegens „konkreter Lageerkenntnisse“, die auf die bevorstehende Begehung erheblicher Straftaten in einem bestimmten Gebiet hindeuten, um ein Gefahrengebiet auszuweisen. Lageerkenntnisse sind nicht mit Tatsachen gleichzusetzen, denn das Gesetz sieht differenzierte Eingriffsschwellen vor und verwendet an anderer Stelle die Begriffe „Tatsachen“ (z.B. in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HmbPolDVG a.F.) bzw. „tatsächliche Anhaltspunkte“ (z.B. in §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 HmbPolDVG a.F.). „Konkrete Lageerkenntnisse“ nehmen also nicht nur tatsächliche Gesichtspunkte, sondern auch und insbesondere die hierauf beruhenden (Be-) Wertungen sowie Einschätzungen in Bezug. Erfasst vom Begriff der „konkreten Lageerkenntnisse“ in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sind daher zum einen alle Informationen, die eine Behörde ihrer Einschätzung, in einem bestimmten Gebiet könnten Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden, zugrunde legt, und zum anderen die getroffenen Einschätzungen und Bewertungen selbst. Dieses Verständnis entspricht auch der Praxis der Beklagten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Der Gefahrengebietsausweisung „Walpurgisnacht 2011“ lag maßgeblich die aus Erfahrungen der vergangenen Jahre bzw. bei vergleichbaren Anlässen abgeleitete Bewertung zugrunde, auch in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 werde es – wie regelmäßig bei derartigen Anlässen – zu Ausschreitungen kommen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die sich auf das zu erwartende Geschehen in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 beziehen, enthielt der Antrag auf Ausweisung eines Gefahrengebiets vom 26. April 2011 nicht.

53

Mit dem Erfordernis „konkreter Lageerkenntnisse“ wird eine relevante, die polizeilichen Befugnisse schon auf der Normebene beschränkende Eingriffsschwelle nicht formuliert (i.E. a.A. wohl SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 218, 221 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 115; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 95 f., jeweils zur sog. Schleierfahndung). Der Begriff der Lageerkenntnisse, der jede für geeignet gehaltene Information erfasst und maßgeblich auf polizeiliche Einschätzungen und Bewertungen abstellt, macht die polizeiliche Lagebeurteilung zum einzigen Maßstab für einen Rechtseingriff (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 379 [zur sog. Schleierfahndung]). Die vermeintlich objektive Tatbestandsvoraussetzung erhält ihren Inhalt erst durch die entsprechende polizeiliche Lagebeurteilung (vgl. Waechter, DÖV 1999, 138, 142 [zur sog. Schleierfahndung]). Der Gesetzgeber ermöglicht damit dem Normadressaten, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung selbst herbeizuführen, da bereits die polizeiliche Einschätzung, die Einrichtung eines Gefahrengebiets sei geboten, ausreicht, um die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bejahen zu können.

54

Diese Regelungstechnik verstößt in zweierlei Hinsicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zum einen bestimmt die Polizei die näheren Voraussetzungen eines Eingriffs, was gerade Aufgabe des Gesetzgebers ist. Zum anderen wird die nachträgliche Rechtskontrolle durch Gerichte weitgehend inhaltslos. Denn mehr, als dass eine bestimmte polizeiliche Bewertung vorliegen muss, fordert § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht und kann daher auch gerichtlich nicht überprüft werden. In der Sache wird der zuständigen Behörde damit eine einem gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum vergleichbare Einschätzungsprärogative eingeräumt. Dies wäre zwar nicht von vornherein unzulässig. Dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumen will, muss sich aber zum einen aus der betreffenden gesetzlichen Vorschrift – ggf. durch Auslegung – ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, DVBl. 2010, 250, juris Rn. 53 ff.; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 3 C 8.06, BVerwGE 129, 27, juris Rn. 26 f., m.w.N.), und dies muss zum anderen im Hinblick auf die damit einhergehende Einschränkung des Rechtsschutzes auch sachlich gerechtfertigt sein. Es fehlen aber schon Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der zuständigen Behörde einen Beurteilungsspielraum verschaffen wollte. Im Gegenteil verweist die Gesetzesbegründung auf die Möglichkeit der nachträglichen (gerichtlichen) Kontrolle. Davon, dass diese eingeschränkt ist, ist dort nicht die Rede (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14).

55

bb) Bestimmtheitsdefizite weist § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ferner deshalb auf, weil in der Vorschrift keine zeitlichen Grenzen für die Gebietsausweisung normiert sind.

56

Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. enthält keine zeitlichen Begrenzungen. Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nach dem Gesetz zeitlich unbeschränkt möglich. Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend verweist, die sachliche Einschränkung, dass ein Gefahrengebiet nur ausgewiesen werden darf, „soweit“ aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass erhebliche Straftaten begangen werden, auch im Sinne einer gleichzeitig zeitlichen Einschränkung („solange“) verstanden werden. Liegen derartige Lageerkenntnisse (d.h. Einschätzungen, s.o.) allerdings vor, so ist es nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. in seiner gegenwärtigen Ausprägung möglich, dass die Verwaltung ohne jede parlamentarische Absicherung ein „bestimmtes Gebiet“ für mehrere Monate oder sogar Jahre zum Gefahrengebiet erklärt. Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis. So wurde etwa das Gefahrengebiet „Gewaltkriminalität“ im Bereich des Polizeikommissariats 15 (Vergnügungsviertel St. Pauli) im Juli 2005 eingerichtet und besteht seither – mithin seit fast zehn Jahren – fort (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.).

57

Ungeachtet der Frage, ob eine derart langdauernde Gebietsausweisung in der Sache zulässig, insbesondere verhältnismäßig ist, ist der Gesetzgeber gehalten, dermaßen weitreichende und wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen bzw. die Zulässigkeit solcher Verwaltungsentscheidungen durch Gesetz ausdrücklich vorzusehen. Er darf sich demgegenüber nicht jeder Vorgaben enthalten und der Verwaltung die Entscheidung darüber überlassen, wie lange ein Gefahrengebiet eingerichtet und damit die Möglichkeit eröffnet werden soll, Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegt und die Maßnahmeadressaten im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich sind. Andernfalls könnte in bestimmten Gebieten dauerhaft der polizeirechtliche „Ausnahmezustand“ verhängt werden, ohne dass dies durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. Allein das Vertrauen darauf, dass die Polizei ein Gefahrengebiet nur so lange einrichten wird, wie sie dies durch das Vorliegen konkreter Lageerkenntnisse für gerechtfertigt hält, kann die notwendige Begrenzung des Handlungsspielraums der Verwaltung, die Aufgabe des Gesetzgebers ist, nicht ersetzen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134; siehe auch OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 57; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635).

58

cc) Die aufgezeigten Bestimmtheitsdefizite werden nicht durch Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen kompensiert.

59

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es allerdings „zu erlassende“ Verfahrensregelungen geben, um den Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Diesem Ansatz lag insbesondere die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der dortigen Regelungen zur sog. Schleierfahndung zugrunde (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 216 ff.; ebenso bereits VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 118 ff.). Danach habe die Regelung der Organisation und des Verfahrens eigenständige grundrechtliche Bedeutung dort, wo der Gesetzgeber in entwicklungsoffenen Bereichen die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe im Wesentlichen durch unbestimmte Gesetzesbegriffe umschreibe.

60

Der erkennende Senat lässt offen, unter welchen Voraussetzungen Regelungen der Zuständigkeit und des Verfahrens Bestimmtheitsdefizite, die – wie hier – die materiellen Eingriffsvoraussetzungen betreffen, kompensieren können. Denn die für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bestehenden gesetzlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sind unzureichend. Als zuständige Behörde erwähnt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. lediglich „die Polizei“ und nimmt hiermit die weit gefasste organisatorische Bestimmung in § 1 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. in Bezug. Nach dem Regelungsverständnis des Gesetzgebers soll die Entscheidung über die Ausweisung eines Gefahrengebietes aber „bestimmten Funktionsträgern, zum Beispiel dem jeweiligen Leiter eines Polizeikommissariats“, vorbehalten sein (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Offenbar hielt es auch der Gesetzgeber für geboten, dass die – mit weitreichenden Konsequenzen verbundene (s.o.) – Entscheidung, ein Gefahrengebiet auszuweisen, auf der übergeordneten Leitungsebene zu treffen ist. Eine entsprechende Eingrenzung oder Konkretisierung enthält das Gesetz indes nicht. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht überdies keine Verfahrensvorschriften vor. Zwar wird – was bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011, 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, juris Rn. 140; BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, juris Rn. 134; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 174; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, NordÖR 2010, 498, juris Rn. 58) – in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass „die Lageerkenntnisse (...) vorab von der Polizei zu dokumentieren (sind)“, dass sodann „Ort und Zeit der Kontrolle“ festzulegen seien und sich daran „die Auswahl der zu Kontrollierenden“ durch Bestimmung der „lageabhängigen Zielgruppe“ anschließe (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Mit diesen rudimentären Verfahrensvorgaben des Gesetzgebers, die allenfalls programmatischen Charakter haben und keine hinreichend präzise Regelung des Verfahrens darstellen (anders wohl BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 34 f. [zur sog. Schleierfahndung]), hat es aber sein Bewenden.

61

Nähere Einzelheiten zur Zuständigkeit für die Gebietsausweisung und zum Verfahren hierzu finden sich allerdings in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift der Polizei (vgl. PDV 350, Ziff. 140.093000 ff.). Indes können Verwaltungsvorschriften ein bestehendes Bestimmtheitsdefizit nicht ausgleichen. Sollen Verfahrensregelungen nämlich ihre Funktion, einen effektiven Grundrechtsschutz durch Bereitstellung von Verfahrensvorkehrungen zu gewährleisten, erfüllen, müssen sie in einer außenwirksamen und für den (potentiell) Betroffenen nachvollziehbaren Weise in einer gesetzlichen Vorschrift niedergelegt oder zumindest – etwa durch eine Verordnungsermächtigung, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (vgl. Art. 53 HV) – angelegt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften, deren Inhalt dem betroffenen Bürger regelmäßig nicht bekannt ist und auf deren Einhaltung sich der Einzelne auch nicht ohne Weiteres berufen kann (zu diesem Problemkreis vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 42 ff.), sind hierfür ungeeignet. Ungeeignet sind Verwaltungsvorschriften zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens der Gebietsausweisung zudem deshalb, weil sie von der Verwaltung, deren Handeln sie gerade begrenzen sollen, selbst erlassen werden. Eine Begrenzung der behördlichen Eingriffsbefugnisse kann nicht erreicht werden, wenn die begrenzende und die zu begrenzende Stelle identisch sind. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in der gebotenen Weise selbst eingeengt wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134). Ein Rechtssetzungsdefizit bei der Normierung materieller Eingriffsvoraussetzungen kann von vornherein nicht durch Verfahrensregelungen kompensiert werden, für die der parlamentarische Gesetzgeber nicht die Verantwortung trägt.

62

2. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

63

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07 u.a., BVerfGE 120, 274, juris Rn. 200). Mit der in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Möglichkeit der Kontrolle von Personen und Sachen im Gefahrengebiet verfolgt der Gesetzgeber zwar einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung die Maßnahme geeignet und erforderlich ist (hierzu a)). Jedoch fehlt es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (hierzu b)).

64

a) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit einem legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehene Mittel der Identitätsfeststellung und der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen geeignet und erforderlich. Der erkennende Senat berücksichtigt hierbei, dass die Eignung bereits zu bejahen ist, wenn der erstrebte Erfolg auch nur gefördert werden kann. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn sich die vorgesehene Maßnahmen als objektiv oder evident untauglich erweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, juris Rn. 209 ff.). Hiervon ist vorliegend zumindest nicht schlechthin für jeden denkbaren Gebietsausweisungsanlass und für jede denkbare Kontrollsituation auszugehen, wie die bisherigen Erfahrungen nahelegen (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Das von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellte Mittel der Kontrolle von Personen im Gefahrengebiet ist für die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks auch erforderlich, weil sich dieser Zweck durch mildere Mittel nicht ebenso gut erreichen lässt. Insbesondere wäre die Statuierung einer Gefahrenschwelle und/oder die Voraussetzung, dass nur Störer (vgl. §§ 8, 9 HmbSOG) in Anspruch genommen werden dürfen, nicht geeignet, um den mit der Möglichkeit der jederzeitigen Identitätskontrolle auch verfolgten (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14 „Aufhebung der Anonymität“) Abschreckungseffekt zu erzielen und ein hierauf ausgerichtetes Instrument zur Gefahrvermeidung, wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, schon im Gefahrenvorfeld zu schaffen.

65

b) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

66

Für das Recht der inneren Sicherheit verlangt die Verfassung vom Gesetzgeber, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Das Grundgesetz unterwirft auch die Verfolgung des Zieles, die größtmögliche Sicherheit herzustellen, rechtsstaatlichen Bindungen, zu denen insbesondere das Verbot unangemessener Eingriffe in die Grundrechte als Rechte staatlicher Eingriffsabwehr zählt. In diesem Verbot finden auch die Schutzpflichten des Staates ihre Grenze. Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern. Sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Bei der Wahl der Mittel zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ist der Staat daher auf diejenigen Mittel beschränkt, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht. Aber auch im Rahmen der Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dürfen staatliche Schutzpflichten nicht dazu führen, dass das Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe unter Berufung auf grundrechtliche Schutzpflichten leer läuft, so dass in der Folge allenfalls ungeeignete oder unnötige Eingriffe abgewehrt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 128 ff.).

67

Diesen Vorgaben wird § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gerecht. Der mit Maßnahmen auf der Grundlage dieser Vorschrift verbundene Eingriff dient zwar dem Schutz von Rechtsgütern mit einigem Gewicht (hierzu aa)). Der mit einer Maßnahme auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber von so hohem Gewicht (hierzu bb)), dass in der Abwägung die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen, ohne dass hierfür eine Eingriffsschwelle existiert und ein persönlicher Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt wird, als übermäßig erscheint (hierzu cc)).

68

aa) Die Durchführung von Kontrollmaßnahmen in Gefahrengebieten auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der Verhütung von Straftaten sowie – wenn auch nur nachrangig und insoweit abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG in der gegenwärtig geltenden Fassung – der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Diesem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel kommt eine hohe Bedeutung zu, die dadurch verstärkt wird, dass es um die Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit um Straftaten geht, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013, 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, juris Rn. 21). Mit der Bezugnahme auf den Bereich der mittleren Kriminalität ist umgekehrt aber auch eine Relativierung des Gewichts des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung von Straftaten verbunden. Denn durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität bereitgestellt – hieran besteht ein herausragendes öffentliches Interesse –, sondern auch zur Bekämpfung von (nur) mittelschweren Straftaten. Das Gewicht des öffentlichen Interesses hieran bleibt hinter dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung schwerer und schwerster Straftaten zurück.

69

bb) Die mit Maßnahmen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können von erheblichem Gewicht sein und eine hohe Intensität aufweisen.

70

Bereits die unmittelbar in § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen weisen eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies gilt ohne Weiteres für die in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 bis 6 HmbPolDVG a.F. geregelten, mit einem zusätzlichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahmen des Festhaltens, der Personen- und Sachdurchsuchung sowie des Verbringens zur Dienststelle (vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42). Diese sind zwar gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 HmbPolDVG a.F. nur nachrangig und nur dann zulässig, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind. Bei der Bestimmung der (möglichen) Eingriffsintensität sind sie gleichwohl in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.; s. ferner VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 81).

71

Doch selbst die „einfache“ Identitätsfeststellung mittels der in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HmbPolDVG a.F. genannten Einzelmaßnahmen (Anhalten, Befragen, Aufforderung zur Aushändigung von Ausweispapieren) weist eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies beruht zum einen auf der hohen Streubreite dieser Maßnahmen, von denen jedermann, ohne dass er hierfür konkret Veranlassung gegeben hätte, betroffen werden kann. Denn Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind – bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben –, weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 116 ff., m.w.N.). Der erkennende Senat teilt zum anderen und dessen ungeachtet aber auch nicht die mitunter – und auch von der Beklagten – vertretene Auffassung, die dem Angehalten- und Befragtwerden sowie der Verpflichtung, ein mitgeführtes Ausweispapier zur Prüfung auszuhändigen, eine nur „sehr geringfügige“ Eingriffsqualität zuspricht (so aber BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 114; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 237; vgl. ferner Kastner, VerwArch 92 [2001], 216, 254 f.). Zwar mögen die Maßnahmen selbst und ihre Dauer nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Abgesehen davon, dass Personen – zumal wenn sie etwa in einem Gefahrengebiet wohnen oder dort beruflich tätig sind – wiederholt Adressaten einer Kontrollmaßnahme werden können, folgt eine nicht unerhebliche Eingriffsschwere aber daraus, dass nicht jedermann im Gefahrengebiet nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kontrolliert wird und nach dem Normverständnis des Gesetzgebers auch nicht kontrolliert werden soll (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14), sondern nur solche Personen, die einer bestimmten, aufgrund von Lageerkenntnissen vorab festgelegten „Zielgruppe“ zugerechnet werden. Dieses auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Kontrollkonzept führt dazu, dass mit jeder – für die Umgebung wahrnehmbaren – Kontrolle im Gefahrengebiet eine stigmatisierende Wirkung verbunden ist. Denn bereits durch die Auswahl einer Person für eine Kontrolle wird zum Ausdruck gebracht, dass dieser Person in gesteigertem Maße zugetraut wird, sie könnte eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen (zum Gesichtspunkt der Stigmatisierung vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 111 f.; vgl. auch Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 376). Mag es auch eine „allgemeine Redlichkeitsvermutung“ nicht geben (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 84) – die gezielte Kontrolle bestimmter Personenkreise bringt zum Ausdruck, dass sie für bestimmte Personengruppen in gesteigertem Maße nicht gilt. Mit der Einengung auf bestimmte Personengruppen wird daher der mit einer Kontrollmaßnahme verbundene Eingriff zusätzlich vertieft, obwohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers hierdurch die Streubreite der Maßnahme und die hierauf beruhende Eingriffsschwere (s.o.) verringert werden sollte.

72

Zur Beurteilung der Eingriffsintensität sind überdies auch solche (Folge-) Maßnahmen einzubeziehen, die sich an eine zunächst durchgeführte Kontrollmaßnahme anschließen können, wenn diese Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahrenlage erbracht hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.). Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Datenerhebung sollen gerade auch dazu dienen, die Voraussetzungen für weitergehende, auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhende Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu schaffen, indem die dafür erforderliche Tatsachengrundlage erst ermittelt wird (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung: Bü-Drs. 18/1487, S. 14; siehe ferner BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 109). Dass Maßnahmen der Platzverweisung (§ 12a HmbSOG), des Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 HmbSOG) oder der Ingewahrsamnahme (§§ 13 ff. HmbSOG) – um nur die typischen, auch im vorliegenden Fall relevant gewordenen „Anschlussmaßnahmen“ zu benennen – mit gravierenden Grundrechtseingriffen verbunden sind, bedarf keiner weitergehenden Erläuterung. Gleiches gilt für sich anschließende Maßnahmen der weiteren Datenverarbeitung (auf der Grundlage der §§ 14 ff. HmbPolDVG a.F.), die immer dann relevant werden können, wenn die auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgenommene Identitätsfeststellung einen „Treffer“ gebracht hat.

73

cc) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen im Gefahrengebiet das Übermaßverbot verletzt.

74

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren. Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose dürfen allerdings nicht beliebig herabgesenkt werden, sondern müssen auch in angemessenem Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und zur Aussicht auf den Erfolg des beabsichtigten Rechtsgüterschutzes stehen. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Auch muss als Voraussetzung eines schweren Grundrechtseingriffs gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen. Insbesondere lässt die Verfassung grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" nicht zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 136).

75

Der Gesetzgeber ist bei der Gestaltung von Eingriffsbefugnissen im Gefahrenabwehrrecht nicht zwingend an die überkommenen polizeirechtlichen Eingriffsgrenzen – die konkrete Gefahr als Eingriffsschwelle und die Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten zur Gewährleistung eines persönlichen Zurechnungszusammenhangs – gebunden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt allerdings dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf. Ob ein Grundrechtseingriff zur Abwehr künftig drohender Rechtsgutbeeinträchtigungen auch im Vorfeld konkreter Gefahren verhältnismäßig sein kann, hängt nicht nur davon ab, ob eine hinreichende Aussicht darauf besteht, dass der Eingriff Erfolg verspricht, sondern auch davon, welche Anforderungen die Eingriffsnorm hinsichtlich der Nähe der betroffenen Personen zur fraglichen Rechtsgutbedrohung vorsieht. Verzichtet der Gesetzgeber auf begrenzende Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts sowie an die Nähe der Betroffenen zur abzuwehrenden Bedrohung und sieht er gleichwohl eine Befugnis zu Eingriffen von erheblichem Gewicht vor, genügt dies dem Verfassungsrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 135, 137).

76

Die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt den Anforderungen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nicht. Es fehlt wegen des zwar nicht unerheblichen, aber auch nicht überragenden Gewichts der Belange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die dort normierten Maßnahmen dienen sollen, an der Normierung geeigneter Eingriffsgrenzen. Die Vorschrift formuliert weder eine relevante Eingriffsschwelle (hierzu [1]), noch ist vorgesehen, dass die Maßnahmeadressaten eine besondere Nähe zu der abzuwehrenden Gefahr aufweisen müssen (hierzu [2]). Ob eine derart weitreichende Befugnisnorm zulässig, d.h. im engeren Sinne verhältnismäßig sein könnte, wenn sie nur der Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität diente, kann dahin stehen. Denn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. weist eine derartige Einschränkung nicht auf.

77

(1) Eine relevante, d.h. die polizeilichen Befugnisse wirksam begrenzende Eingriffsschwelle sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Dies gilt zunächst – auf der ersten Stufe – für die Ausweisung eines Gefahrengebiets. Voraussetzung hierfür ist weder, dass eine konkrete Gefahr vorliegt, noch ist es erforderlich, dass konkrete Tatsachen darauf schließen lassen, dass bestimmte (erhebliche) Straftaten in Zukunft begangen werden. Es reicht vielmehr aus, dass „konkrete Lageerkenntnisse“ dafür sprechen, dass in einem bestimmten Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Kern derartiger Lageerkenntnisse ist die polizeiliche Einschätzung, es sei die Ausweisung eines Gefahrengebiets zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Dies hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass die Polizei überall dort ein Gefahrengebiet ausweisen (und in der Folge Maßnahmen der Datenerhebung vornehmen) kann, wo sie es selbst aufgrund eigener Einschätzung für geboten hält, ohne dass dies auf einer überprüfbaren und durch konkrete Tatsachen gestützten Wahrscheinlichkeitsprognose beruhen muss (s.o.).

78

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht auch – auf der zweiten Stufe – keine relevante Eingriffsschwelle für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme im Gefahrengebiet vor. Auch insoweit ist weder das Vorliegen einer konkreten Gefahr Voraussetzung, noch, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, es werde eine bestimmte Straftat begangen. Einzige Voraussetzung ist nach dem Gesetz, dass die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist. Weitergehende Maßstäbe für die Beurteilung der Erforderlichkeit gibt das Gesetz indes nicht vor. Damit richtet sich auch diese Beurteilung letztlich nach den vorhandenen Lageerkenntnissen und damit nach der durch das Gesetz nicht näher determinierten und überprüfbaren Bewertung der Polizei selbst.

79

(2) Auch eine besondere Nähe der Maßnahmeadressaten zu der abzuwehrenden (abstrakten) Gefahr sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Die Vorschrift ermöglicht Maßnahmen der Identitätskontrolle nicht nur gegenüber Störern i.S.v. §§ 8 und 9 HmbSOG, sondern grundsätzlich gegenüber jedermann, der sich im Gefahrengebiet aufhält. Auch insoweit wird eine relevante Begrenzung des für eine Kontrollmaßnahme in Frage kommenden Personenkreises nicht dadurch erreicht, dass diese Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich sein muss. Denn nähere Maßgaben für die Bestimmung der Erforderlichkeit enthält § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Damit wird der Polizei schon kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der in Anspruch zu nehmenden Personen deren freier Einschätzung überlassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 164).

80

Ein relevanter Zurechnungszusammenhang wird auch nicht durch die im Gesetzeswortlaut zwar nicht zum Ausdruck gebrachte, aber nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14) gleichwohl geltende Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit der zu kontrollierenden Personen erreicht. Abgesehen davon, dass die Bestimmung von Zielgruppen und die Zuordnung einer bestimmten Person zu einer Zielgruppe den mit der Kontrollmaßnahme verbundenen Grundrechtseingriff vertieft (s.o.), bewirkt die Zielgruppenzugehörigkeit keine Begrenzung der Befugnisnorm, die geeignet ist, ihre Angemessenheit zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die Bestimmung der Zielgruppen allein durch die Behörde erfolgt, ohne dass es hierfür nähere gesetzliche Vorgaben gibt. Dass die Zielgruppenbestimmung sich aus den Lageerkenntnissen ergeben, also „lageabhängig“ sein muss, ändert hieran nichts. Denn auch die Notwendigkeit des Vorliegens konkreter Lageerkenntnisse schafft keine relevante Begrenzung der behördlichen Befugnisse (s.o.). Zum anderen wird durch die Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit nicht sichergestellt, dass ein hinreichend konkreter Zurechnungszusammenhang zwischen dem Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und der abzuwehrenden Gefahr besteht, weil Maßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Abwehr bloß abstrakter Gefahren dienen. Anders als bei der konkreten Gefahr, die regelmäßig einem Störer persönlich zugerechnet werden kann, fehlt es bei der abstrakten Gefahr an einem hinreichend individualisierten Personenkreis, dem sich diese Gefahr zurechnen lässt. Während die sachliche Voraussetzung der konkreten Gefahr auf der persönlichen Ebene sein Pendant im Störer findet, fehlt ein vergleichbares Pendant dort, wo es – wie hier – um die Abwehr bloß abstrakter Gefahren geht. Eine „Nähe“ zu der abzuwehrenden abstrakten Bedrohung wird auch nicht durch die Zugehörigkeit des Kontrolladressaten zur Zielgruppe bewirkt, und zwar auch dann nicht, wenn diese „lageabhängig“ definiert wird. Denn auch die lageabhängige Festlegung von Zielgruppen bewirkt lediglich eine abstrakte Beschreibung von Personen, die – nach einer gesetzlich nicht näher determinierten behördlichen Einschätzung – potentiell zu Störern werden könnten. Von einer persönlichen „Gefahrennähe“ kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.

B.

81

Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV auszusetzen. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig (hierzu I.). Es bedarf daher nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist (hierzu II.).

82

I. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig. Dabei lässt der erkennende Senat offen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets anlässlich der sog. Walpurgisnacht am 30. April 2011 und am 1. Mai 2011 vorlagen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren unabhängig davon nicht erfüllt.

83

1. Dies gilt zunächst für die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin. Insoweit steht aufgrund der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme fest und ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde, eine Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Dieses Vorgehen ist von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gedeckt. Die Vorschrift berechtigt die zuständige Behörde dazu, mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Schon der Gesetzeswortlaut macht deutlich, dass hiervon (nur) ein Betrachten sowohl des Äußeren als auch des Inneren mitgeführter Sachen erfasst ist. In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, dass mitgeführte Sachen „lediglich genauer betrachtet werden“ dürften, „ohne tiefer in die Privatsphäre einzudringen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Jedes körperliche Einwirken, und sei es auch nur zu dem Zweck, in mitgeführten Sachen befindliche Gegenstände näher betrachten zu können, geht demnach über eine Inaugenscheinnahme i.S.v. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hinaus. Andernfalls könnte eine Inaugenscheinnahme nicht von einer Durchsuchung, zu der § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ausdrücklich nicht ermächtigt, abgegrenzt werden, und § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. fehlte die hinreichende Bestimmtheit.

84

2. Die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen waren des Weiteren und darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil die Auswahl der Klägerin zu den Kontrollmaßnahmen ermessensfehlerhaft war.

85

Gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kann die Polizei eine Kontrolle im Gefahrengebiet vornehmen, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Im Übrigen eröffnet die Vorschrift Ermessen. Im Ermessen steht danach auch und insbesondere die Entscheidung der Polizei über die Auswahl der zu kontrollierenden Personen. Dieses Auswahlermessen hat die Beklagte fehlerhaft ausgeübt.

86

Die Beklagte hat ihr Auswahlermessen im Hinblick auf die für eine Kontrolle auszuwählenden Personen in zwei Schritten ausgeübt. In einem ersten Schritt hat sie mit der Ausweisungsentscheidung die zu kontrollierenden „Zielgruppen“ abstrakt festgelegt. Diese Zielgruppenbestimmung haben die Bediensteten der Beklagten herangezogen bei der in einem zweiten Schritt vorgenommenen konkreten Auswahl derjenigen Personen, die – wie die Klägerin – in dem ausgewiesenen Gefahrengebiet anlässlich der sog. Walpurgisnacht 2011 kontrolliert worden sind.

87

Zur „Zielgruppe“ gehörten ausweislich des Antrags auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 auch und insbesondere solche Personen, „die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen sind“. Dieser Zielgruppe war auch die Klägerin zugerechnet worden, wie sich etwa aus der schriftlichen Stellungnahme des Polizeibeamten X. vom 20. Juni 2011 (in der Sachakte) oder aus der Zeugenaussage dieses Polizisten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, ferner aus der Aussage des von dem Verwaltungsgericht als Zeuge gehörten Polizeibeamten Y. ergibt. Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personen und namentlich auch der Klägerin war für die Beklagte mithin zweierlei maßgeblich: Zum einen die Zurechnung einer Person „zum linken Spektrum“, zum anderen das äußere Erscheinungsbild der betreffenden Person, das eine entsprechende Zuordnung erlaubt.

88

Die vorgenannten Auswahlkriterien begründen einen Ermessensfehler in der Form der Ermessensüberschreitung. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält. Insbesondere darf die Ausübung des Ermessens nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 91, 93). Einen derartigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nimmt der erkennende Senat vorliegend an. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung danach, ob eine im Gefahrengebiet angetroffene Person „dem linken Spektrum“ zugehörig ist oder nicht, bereits gegen ein absolutes Differenzierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstößt, wonach niemand wegen seinen politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Denn die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

89

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt danach vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, juris Rn. 73 ff., m.w.N.).

90

Nach diesen Maßgaben ist die von der Beklagten vorgenommene Auswahl der zu kontrollierenden Personen nicht nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt, sondern es ist zu prüfen, ob die vorgenommene Differenzierung verhältnismäßig ist. Denn die Beklagte hat eine Differenzierung nicht bloß von Sachverhalten, sondern von Personengruppen vorgenommen und dabei durch die Bezugnahme auf das „linke Spektrum“ eine Unterscheidung nach Merkmalen vorgenommen, die den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen zumindest angenähert sind.

91

Die vorzunehmende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung unverhältnismäßig ist. Mit der Bildung von Zielgruppen verfolgt die Beklagte den für sich genommen legitimen Zweck, die Kontrollen auf denjenigen Personenkreis zu beziehen und zu beschränken, von dem nach den vorliegenden Lageerkenntnissen potentiell die Begehung bestimmter Straftaten zu erwarten ist. Die Differenzierung dient damit umgekehrt auch dem weiteren – legitimen – Ziel, solche Personengruppen, die nach den vorliegenden Lageerkenntnissen nicht relevant sind, von den Eingriffsmaßnahmen möglichst zu verschonen und unbehelligt zu lassen. Die Differenzierung nach Personengruppen, die entweder dem „linken Spektrum“ zuzuordnen oder nicht zuzuordnen sind, ist aber zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet.

92

a) Die Eignung ist bereits deshalb zweifelhaft, weil zwangsläufig – wie dies auch in dem Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 zum Ausdruck gelangt („augenscheinlich“) – auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden muss, um eine Person dem „linken Spektrum“ zuordnen zu können. Es kann offen bleiben, ob Angehörige des „linken Spektrums“ bzw. – wie die Beklagte diesen Begriff in der Sache verstanden haben will – des „linksautonomen Spektrums“ regelmäßig bereits anhand äußerer Merkmale (Kleidung, Frisur o.ä.) identifiziert werden können. Zweifelhaft kann das nicht zuletzt dann sein, wenn eine bestimmte szenetypische Kleidung oder andere in der Szene verbreitete Äußerlichkeiten auch in einem szenefernen Umfeld aufgrund schlichter Modeerscheinungen verbreitet sind. Die Anknüpfung an das äußere Erscheinungsbild erscheint dessen ungeachtet aber vor allem auch deshalb kaum effektiv, weil dieses ohne größeren Aufwand verändert werden kann (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 636). Will ein Angehöriger des „linken Spektrums“ sich unbehelligt im Gefahrengebiet bewegen, müsste er also nur dafür sorgen, dass er nicht entsprechend aussieht.

93

b) Die mangelnde Eignung beruht jedenfalls darauf, dass allein mithilfe der durchgeführten Maßnahmen weder eine (abstrakte) Gefahr verhindert werden konnte, noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden konnten, dass eine (konkrete) Gefahr abgewehrt werden kann.

94

Der erkennende Senat hält es – erstens – schon generell für fernliegend, dass eine Person, die beabsichtigt, sich an Ausschreitungen zu beteiligen, und die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung einer Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. unterzogen wird, von ihrem Plan allein aufgrund der vorgenommenen Kontrolle wieder Abstand nimmt. Die Annahme des Gesetzgebers, es könne „die Aufhebung der Anonymität bei potentiellen Störern zum Verzicht auf bestimmte Aktivitäten führen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14), ist nicht weiter belegt. Sie erscheint zumindest bei der Ausweisung eines anlassbezogenen Gefahrengebiets wie dem vorliegenden auch als kaum tragfähig. Denn es ist nicht erkennbar, dass allein eine Personenkontrolle einen potentiellen Störer davon abhalten wird, zu einem späteren Zeitpunkt im Schutz der Dunkelheit und in der Anonymität der Masse Straftaten zu begehen, die ihm als (im Vorwege kontrollierter) Person gar nicht ohne Weiteres zugeordnet werden können. Die „Herauslösung aus der Anonymität“ (vgl. den Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011) durch eine Identitätskontrolle ist auch mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F.) nicht geeignet, denn die Möglichkeit der Strafverfolgung im Fall der Beteiligung an Ausschreitungen hängt nicht von einer vorangegangenen Identitätsfeststellung, sondern davon ab, ob die betreffende Person als Beteiligter an Ausschreitungen identifiziert werden kann. Diese Identifizierung gelingt aber nicht schon deshalb, weil einige Stunden vorher eine Kontrollmaßnahme durchgeführt worden ist.

95

Vor allem aber vermag – zweitens – allein die Kontrolle die Angehörigen der „Zielgruppe“ bzw. potentielle Straftäter nicht aus dem Gefahrengebiet fernzuhalten. Hierfür bedarf es weiterer Folgemaßnahmen, namentlich der Verfügung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 12b Abs. 2 HmbSOG und ggf. einer nachfolgenden Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbots, § 13 Abs. 1 Nr. 4 HmbSOG. Zur Vornahme derartiger Folgemaßnahmen reicht die bloße Zugehörigkeit zur Zielgruppe, anders als für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., nicht aus. Vielmehr bedarf es nach § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG des Vorliegens von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, die betreffende Person werde in einem bestimmten Gebiet Straftaten begehen. Derartige tatsächliche Anhaltspunkte lassen sich durch eine bloße Identitätsfeststellung regelmäßig aber nicht ermitteln. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Identitätsfeststellung und der anschließend vorgenommene Datenabgleich ergibt, dass die kontrollierte Person in der Vergangenheit Straftaten begangen hat oder – wie im Fall der Klägerin (vgl. etwa den Einsatzbericht vom 1. Mai 2011 und die schriftliche Stellungnahme des Polizeibeamten Z. vom 20. Juni 2011, die sich in der Sachakte befinden) – als „linksmotivierter Straftäter“ polizeilich erfasst ist. Hieraus mag sich eine erhöhte abstrakte Gefahr ableiten lassen, dass die betreffende Person sich an Ausschreitungen beteiligen bzw. auch in der Zukunft weitere Straftaten begehen könnte. Um konkrete Tatsachen i.S.v. § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG handelt es sich insoweit aber gerade nicht.

96

II. Es bedarf nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist.

97

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV ist die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht der Auffassung ist, dass ein hamburgisches Gesetz gegen die Landesverfassung verstößt, sofern es auf die Gültigkeit der Vorschrift bei der Entscheidung ankommt. Entscheidungserheblichkeit in dem vorgenannten Sinne liegt dann vor, wenn das Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, juris Rn. 35). Es muss also auf den Bestand der Regelung ankommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2001, 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74, juris Rn. 38). Hierzu bedarf es der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die für verfassungswidrig gehaltene Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2013, 1 BvL 5/12, juris Rn. 8 f.). Räumt die für verfassungswidrig gehaltene Norm ein Ermessen ein, dann kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur in Betracht, wenn die angefochtene Ermessensentscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden ist bzw. eine Ermessensfehlerhaftigkeit nur aus Erwägungen abgeleitet werden kann, die ihrerseits die Verfassungswidrigkeit der Ermessensvorschrift begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, juris Rn. 71; BVerfG, Beschl. v. 12.12.1973, 2 BvL 4/72, BVerfGE 36, 258, juris Rn. 23 f.).

98

Werden diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorliegend nicht entscheidungserheblich i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV. Der Klage ist in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, auch dann stattzugeben, wenn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für verfassungsgemäß gehalten wird. Denn die streitgegenständlichen Maßnahmen sind rechtswidrig, weil sie zum Teil über das nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. Zulässige hinausgehen (Rucksackkontrolle) und weil jedenfalls die Auswahl der Klägerin zu einer Kontrollmaßnahme ermessensfehlerhaft erfolgt ist. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruht dabei nicht auf Gründen, die der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zugrunde liegen. Sie folgt dessen ungeachtet vielmehr daraus, dass die allgemeinen und auch im konkreten Fall zur Anwendung gebrachten Kriterien für die Auswahl der „Zielgruppe“, der die Beklagte auch die Klägerin zugeordnet hat, zumindest mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

C.

99

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und nimmt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kostenpflicht der Beklagten hinsichtlich des Teils des Streitgegenstandes auf, über den das Verwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat.

100

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

101

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 geändert, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung, dass die in einem sog. Gefahrengebiet erfolgte polizeiliche Feststellung ihrer Identität sowie die Kontrolle ihres mitgeführten Rucksacks rechtswidrig gewesen seien.

2

Der Führungs- und Lagedienst der Polizei richtete unter dem 26. April 2011 an die damalige ZD 20 (Leitung Zentraldirektion) einen Antrag auf Ausweisung eines sog. Gefahrengebiets anlässlich möglicher Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ am 30. April 2011: In den zurückliegenden Jahren sei es jeweils in der sog. Walpurgisnacht zu Ausschreitungen im Schanzenviertel und den umliegenden Straßenzügen gekommen, in den Jahren 2008 und 2009 jeweils im Anschluss an einen angemeldeten Aufzug. Für den 30. April 2011 sei erneut ein Aufzug angemeldet. Es stehe zu erwarten, dass hierdurch Personen angezogen würden, die sich anschließend an Ausschreitungen im Schanzenviertel beteiligten. Die wiederkehrenden Ausschreitungen in der „Walpurgisnacht“ ähnelten stark den Ausschreitungen im Anschluss an das jährliche „Schanzenfest“. Sie begännen nach Einbruch der Dunkelheit und setzten sich bis in die Morgenstunden fort. So würden Sperrmüll, Bauzäune und Müllcontainer als Barrikaden auf Straßen und Wege gezogen und angezündet. Sehr wahrscheinlich seien auch gezielte Aktionen wie „Entglasungen“ von Geschäften, um den Einsatz der Polizei zu provozieren. Entsprechend der polizeilichen Kräftedichte stehe zu erwarten, dass Straftäter und Störer in das erweiterte räumliche Umfeld auswichen und dort Straftaten begingen. Um diesen Erscheinungen besser begegnen zu können, sei es erforderlich, ein „Gefahrengebiet Walpurgisnacht 2011“ gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit in Hamburg vom 16. Juni 2005 (GVBl. S. 233; im Folgenden: HmbPolDVG a.F.) einzurichten, und zwar vom 30. April 2011, 19.00 Uhr bis zum 1. Mai 2011, 5.00 Uhr. Das Gefahrengebiet solle im Norden durch die Straßen Fruchtallee, Schäferkampsallee, Schröderstiftstraße, einschließlich U-Bahnhof Christuskirche, im Osten durch die Straßen Karolinenstraße, Glacischaussee, im Süden durch die Straßen Millerntorplatz, Simon-von-Utrecht-Straße, einschließlich U-Bahnhof St. Pauli und im Westen durch die Straßen Holstenstraße, Stresemannstraße, Alsenstraße, Doormannsweg begrenzt werden. Relevante Personen und Personengruppen seien Personen bzw. Personengruppen, die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen seien, 16- bis 35-jährige Personen in Gruppen (ab drei Personen), Personen, die alkoholisiert seien und/oder sich besonders auffällig (z.B. besonders ausgelassen oder aggressiv) verhielten sowie Personen bzw. Personengruppen, die sich verdächtig verhielten bzw. verdächtige Gegenstände mit sich führten. Die genannten Personen hätten ein hohes Interesse daran, möglichst anonym und unbeeinflusst von der Polizei zu agieren. Durch die Möglichkeit der vereinfachten Überprüfung von Personen, Personengruppen sowie mitgeführten Gegenständen würden die Personen aus ihrer Anonymität gelöst und die Durchführung geplanter Aktionen erschwert. Ferner bestehe die Möglichkeit, weitere Folgemaßnahmen anzuschließen. Die Abteilung ZD 20 ordnete daraufhin die Ausweisung eines Gefahrengebiets durch Sichtvermerk – hierbei wird ein Antrag durch Anbringen von Namenszeichen und Datum genehmigt – antragsgemäß an.

3

Am späten Abend des 30. April 2011 hielt sich die Klägerin mit drei Bekannten in der Eifflerstraße auf und ging zu Fuß in Richtung Schulterblatt. Diese Straßen liegen innerhalb des o.g. Gefahrengebiets. An der Einmündung der Eifflerstraße zur Straße Schulterblatt befand sich eine Polizeikette. Die Klägerin wurde dort angehalten und ihre Identität wurde überprüft. Zu diesem Zweck händigte die Klägerin ihren Personalausweis aus. Ferner wurde der Rucksack, den die Klägerin zunächst auf ihrem Rücken trug, von einer Polizistin kontrolliert. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde und die Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Im Anschluss an die Identitätskontrolle und die Kontrolle des Rucksacks verfügte ein weiterer bei der Maßnahme eingesetzter Polizist ein Aufenthaltsverbot gegen die Klägerin. Im weiteren Verlauf wurde die Ingewahrsamnahme der Klägerin angeordnet und durchgesetzt. Aus dem Gewahrsam wurde sie um 3.00 Uhr morgens des Folgetages (1. Mai 2011) entlassen.

4

Mit ihrer im Juni 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die gegen sie gerichteten Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien und hierzu vor allem geltend gemacht: Die auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützten Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle des Rucksacks seien rechtswidrig gewesen, weil schon die Rechtsgrundlage verfassungswidrig sei. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Wesentlichkeitsgebot, den Bestimmtheitsgrundsatz und das Übermaßverbot. Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführten Maßnahmen wiesen eine hohe Eingriffsintensität auf. Die Betroffenen könnten mangels Kenntnis der Kriterien, nach denen die Polizei – im Übrigen ohne hinreichende verfahrensmäßige Absicherung und allein anhand nicht näher definierter „Lageerkenntnisse“ – Maßnahmeadressaten bzw. „Zielgruppen“ im Gefahrengebiet bestimme und auswähle, ihr Verhalten nicht entsprechend ausrichten. Zudem dürften die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. im Gefahrengebiet zulässigen Maßnahmen nicht bloß isoliert betrachtet werden, sondern es seien auch die möglichen Folgemaßnahmen – nicht zuletzt solche der Datenweitergabe und -speicherung – in den Blick zu nehmen. Überdies hätten im konkreten Fall auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Maßnahmen nicht vorgelegen. Die von der Beklagten genannten Lageerkenntnisse hätten die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht – schon gar nicht in dem konkreten Umfang – gerechtfertigt. Die Festlegung der zu kontrollierenden Personengruppen sei willkürlich und zu weitreichend. Die Feststellung ihrer Identität sei im Übrigen nicht erforderlich gewesen. Bei der Kontrolle ihres Rucksacks habe es sich nicht um eine bloße Inaugenscheinnahme, sondern um eine Durchsuchung gehandelt. Ferner seien die Voraussetzungen für die Verfügung eines Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 SOG) und für eine Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 SOG) nicht erfüllt gewesen.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6
1. festzustellen, dass die am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren,
7
2. festzustellen, dass das ihr am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot rechtswidrig war,
8
3. festzustellen, dass die am 30. April 2011 erfolgte Ingewahrsamnahme rechtswidrig war.
9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte hat u.a. geltend gemacht: Die Voraussetzungen für die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks seien erfüllt gewesen. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei zum einen verfassungsgemäß. Zum anderen hätten die Voraussetzungen für eine Identitätsfeststellung bei der Klägerin und für eine Kontrolle ihres Rucksacks konkret vorgelegen. Insbesondere sei die Klägerin augenscheinlich dem linken Spektrum zugehörig und entsprechend polizeilich bekannt gewesen. Die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin habe keine Durchsuchung dargestellt, sondern die mitgeführten Sachen seien lediglich genauer betrachtet worden. Im Übrigen seien auch das Aufenthaltsverbot und die anschließende Ingewahrsamnahme der Klägerin rechtmäßig gewesen.

12

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012, das der Klägerin am 15. Oktober 2012 zugestellt worden ist, festgestellt, dass das der Klägerin am 30. April 2011 erteilte Aufenthaltsverbot sowie ihre Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Einschätzung, die Identitätskontrolle sowie die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin seien rechtmäßig erfolgt, im Wesentlichen ausgeführt:

13

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Der mit den danach zulässigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sei gerechtfertigt. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei – erstens – hinreichend bestimmt. Der Zweck der Datenerhebung werde durch die Bezugnahme auf die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F. klargestellt. Auch der Begriff „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die nähere Definition enthalte § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. Der in einer Verwaltungsvorschrift der Polizei näher definierte Begriff „konkrete Lageerkenntnisse“ sei richterlicher Konkretisierung und Überprüfung zugänglich und genüge dem Bestimmtheitsgebot. Der Landesgesetzgeber sei für die Regelung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. – zweitens – zuständig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – drittens – nicht das rechtsstaatliche Wesentlichkeitsgebot. Die notwendige zeitliche und örtliche Begrenzung werde durch die Gestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen erreicht. Auch habe der Gesetzgeber die materiellen Einschreitschwellen festgelegt, denn nach der Vorschrift müssten konkrete Lagebilder darauf hindeuten, dass in einem bestimmten Gebiet erhebliche Straftaten begangen würden. Es verletze auch nicht das Wesentlichkeitsgebot, dass das Gesetz keine Verfahrensregelungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets enthalte. Eine hinreichende Dokumentation der zur Ausweisung eines Gefahrengebiets führenden Erwägungen liege im Interesse der Beklagten selbst. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verletze – viertens – auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die danach zulässigen Maßnahmen seien zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen. Die Eingriffsintensität der Identitätskontrolle, bei der keine besonders schutzwürdigen Daten erhoben würden, sei geringer als bei der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen. Letztere Maßnahme sei deshalb nur zulässig, wenn es zusätzliche und greifbare Erkenntnisse dafür gebe, dass (auch) diese Maßnahme zur Straftatenverhütung erforderlich sei. Im Übrigen werde der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff gemildert, indem die Maßnahmen nicht verdeckt, sondern offen und ohne Zuhilfenahme technischer Mittel erfolgten. Aufgrund der Begrenztheit der personellen Mittel könne die Maßnahme auch nicht uferlos ausgeweitet werden. Zwar werde auf die Voraussetzungen eines Gefahrenverdachts und der Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten verzichtet. Ein hinreichender Zurechnungszusammenhang werde aber hergestellt, indem an den Aufenthalt in einem Gefahrengebiet und mithin an eine Sondersituation angeknüpft werde. Auch die mit einer Identitätsfeststellung nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. möglicherweise verbundenen Folgeeingriffe führten nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Vorschrift, weil sie nur unter strengeren Voraussetzungen bzw. auf der Grundlage von Sondervorschriften zulässig seien. Die Gemeinwohlbelange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. diene, seien von erheblichem Gewicht.

14

Die gegenüber der Klägerin erfolgte Identitätsfeststellung sowie die Kontrolle ihres Rucksacks seien im konkreten Fall rechtmäßig auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. durchgeführt worden. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets hätten vorgelegen. Dies gelte jedenfalls für den Bereich – Kreuzungsbereich Schulterblatt und Eifflerstraße –, in dem die Klägerin kontrolliert worden sei. Eine etwaige Überschreitung der zulässigen räumlichen Ausweitung eines Gefahrengebiets lasse die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines „Kernbereichs“ unberührt. Auch seien die Identitätsfeststellung der Klägerin sowie die Kontrolle ihres Rucksacks zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung erforderlich gewesen. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin zu der bei der Ausweisung des Gefahrengebiets beschriebenen „Zielgruppe“ gehört habe und ob diese Definition rechtmäßig sei. Jedenfalls hätten die Maßnahmen von den handelnden Bediensteten der Polizei für erforderlich gehalten werden dürfen, weil diese – wie sie bei ihrer Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet hätten – die Klägerin „vom Sehen her“ im Zusammenhang mit verschiedenen polizeilichen Einsatzanlässen gekannt hätten und ihnen die Zugehörigkeit der Klägerin zur „Szene“ bekannt gewesen sei. Die Maßnahmen seien schließlich auch ermessensfehlerfrei durchgeführt worden und hätten sich innerhalb der von der Rechtsgrundlage vorgegebenen Grenzen gehalten. Bei der Kontrolle des Rucksacks habe es sich um eine Inaugenscheinnahme und nicht um eine Durchsuchung gehandelt. Bei der Inaugenscheinnahme handele es sich um einen nur oberflächlichen Vorgang, bei dem der Einsatz von Hilfsmitteln und ein tieferes Eindringen in die Privatsphäre des Betroffenen nicht zulässig seien. Allerdings sei die Polizei nicht darauf beschränkt, mitgeführte Behältnisse oder Fahrzeuge lediglich von außen zu betrachten. Es könne im Einzelfall auch zulässig sein, Behältnisse zu öffnen und darin befindliche Gegenstände beiseite zu schieben oder sogar herauszunehmen.

15

Mit ihrer am 12. November 2012 erhobenen und – nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist durch den Vorsitzenden des erkennenden Senats – am 14. Februar 2013 begründeten Berufung vertieft die Klägerin ihre Rechtsauffassung, § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungswidrig. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstoße gegen das Bestimmtheits- und Wesentlichkeitsgebot und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zur Begründung verweist die Klägerin ergänzend insbesondere darauf, dass der Gesetzgeber keine näheren Begrenzungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht für die Einrichtung eines Gefahrengebiets vorgesehen, sondern dies vollständig der Verwaltung überlassen habe. Der Gesetzgeber habe auch kein normativ verbindliches Schutzkonzept, sondern nur ein verwaltungsinternes Verfahren vorgesehen, das unzureichend sei. Die Beschreibung der „Zielgruppen“ sei für eine notwendige Begrenzung nicht geeignet, zumal damit eine erhebliche diskriminierende Wirkung verbunden sei. Im konkreten Fall seien zudem die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht erfüllt gewesen. Hinreichende Lageerkenntnisse, die die Ausweisung des Gefahrengebiets „Walpurgisnacht 2011“ in seinem gesamten Umfang gerechtfertigt hätten, habe die Beklagte nicht belegt. Schließlich sei es im konkreten Fall auch nicht erforderlich gewesen, den Rucksack zu kontrollieren. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sie – die Klägerin – darin Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt habe, habe es nicht gegeben.

16

Die Klägerin beantragt,

17

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2012 zu ändern, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist, und festzustellen, dass ihre am 30. April 2011 in der Eifflerstraße erfolgte Identitätsfeststellung und die Kontrolle ihres Rucksacks rechtswidrig waren.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entgegen und macht insbesondere ergänzend geltend: § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sei verfassungsgemäß. Es könne gerichtlich überprüft werden, ob konkrete Lageerkenntnisse vorlägen, die die Einrichtung eines Gefahrengebiets rechtfertigten. In den polizeilichen Dienstvorschriften werde im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Gefahrengebiet ausgewiesen werden könne und welche Erkenntnisse hierzu vorliegen und nachgewiesen werden müssten. Näherer gesetzlicher Vorgaben bedürfe es hierzu nicht. Die notwendige Begrenzung werde durch das Übermaßverbot erreicht. Kleinteiligere Verfahrensvorgaben seien nicht zweckmäßig, da dann nicht mehr alle denkbaren Konstellationen erfasst werden könnten. Ferner sei in der polizeilichen Dienstvorschrift geregelt, dass nach Ausweisung eines Gefahrengebiets spätestens alle vier Wochen überprüft werden müsse, ob die erforderlichen Voraussetzungen unverändert vorlägen. Überdies sei es nach der Dienstvorschrift erforderlich, eine „Zielgruppe“ für die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet zu definieren. Hierdurch werde verhindert, dass „jedermann“ Adressat einer Maßnahme im Gefahrengebiet werden könne. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hätten im konkreten Fall auch vorgelegen. Es sei für die „Walpurgisnacht“ 2011 mit der Begehung erheblicher Straftaten zu rechnen gewesen. Auch die räumliche Ausweitung des Gefahrengebiets sei rechtmäßig gewesen.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

22

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin, nachdem das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung die Berufung bereits zugelassen hatte, die Fristen zur Einlegung der Berufung (§ 124a Abs. 2) und zu ihrer Begründung (§ 124a Abs. 3 VwGO) gewahrt.

23

Die Berufung ist auch begründet, da die zulässige Klage auch in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, begründet ist. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen waren – soweit sie im Berufungsverfahren streitgegenständlich sind (Identitätsfeststellung, Rucksackkontrolle) – rechtswidrig. Die von der Beklagten hierfür herangezogene Rechtsgrundlage (§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F.) ist verfassungswidrig (hierzu A.). Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg (HV) auszusetzen und es ist nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. einzuholen, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist (hierzu B.).

A.

24

Die Rechtsgrundlage, auf die die Beklagte die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen – soweit sie im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich sind – gestützt hat, ist verfassungswidrig. Seine diesbezügliche Auffassung begründet der erkennende Senat im Folgenden eingehend, weil dies dem ausdrücklichen Wunsch beider Verfahrensbeteiligter entspricht.

25

Die Beklagte hat die Feststellung der Identität der Klägerin und die Kontrolle ihres Rucksacks auf § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. gestützt. Diese Maßnahmen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein (hierzu I.). § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke dieses Grundrechts dar (hierzu II.).

26

I. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen insbesondere in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein.

27

1. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., der im Wesentlichen dem heutigen § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG entspricht, hatte zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Maßnahmen durchgeführt worden sind, den nachfolgenden Wortlaut:

28

„(2) Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist.“

29

§ 4 Abs. 3 und 4 HmbPolDVG a.F. enthalten ergänzende Regelungen, die den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die danach zulässigen Maßnahmen weiter konkretisieren und ausgestalten. Diese Vorschriften lauteten seinerzeit – und lauten auch heute noch unverändert – wie folgt:

30

„(3) Zur Feststellung der Identität dürfen Namen, frühere Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Anschrift erhoben werden.

31

(4) Zur Feststellung der Identität darf die Polizei die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie darf

32

1. den Betroffenen anhalten,

33

2. den Betroffenen oder Auskunftspersonen nach seiner Identität befragen,

34

3. verlangen, dass der Betroffene mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt,

35

4. den Betroffenen festhalten,

36

5. den Betroffenen und die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen durchsuchen, die zur Identitätsfeststellung dienen können,

37

6. den Betroffenen zur Dienststelle bringen,

38

7. in den Fällen des Absatzes 1 unter den Voraussetzungen des § 7 erkennungsdienstliche Maßnahmen durchführen.

39

Maßnahmen nach den Nummern 4 bis 6 dürfen nur getroffen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind.“

40

2. Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung sowie der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen greifen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Daneben können auch weitere Grundrechte – namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 GG) – betroffen sein. Da die nach § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen aber allesamt der Datenerhebung dienen, ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für diese Maßnahmen die „verbindende Klammer“ (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 67; vgl. ferner SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202;BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 96, jeweils zur sog. Schleierfahndung). Bei der folgenden Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage steht es demgemäß im Vordergrund.

41

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen, also auf ihn bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten voraus. Das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 146). Vom Schutzbereich umfasst sind dabei nicht allein personenbezogene Informationen, die die Privat- oder Intimsphäre betreffen. Schon das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, also auch der Aufenthalt und das Verhalten an einem bestimmten öffentlichen Platz zu einer bestimmten Zeit, kann eine vom Schutzbereich des Grundrechts grundsätzlich erfasste personenbezogene Information sein (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.3.2008, 1 BvR 2074/05 u.a., BVerfGE 120, 378, juris Rn. 67; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, 4 Bf 274 Bf 276/07, juris Rn. 52).

42

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ermächtigt zu Eingriffen in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung derjenigen Personen, die Adressat der in der Vorschrift vorgesehenen polizeilichen Maßnahme sind (vgl. zur entsprechenden rechtlichen Einordnung von Maßnahmen der sog. Schleierfahndung: BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 25 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 202 ff.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 95; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 66 f.). Mit der durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellten Befugnis, die in § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. genannten Daten offen zu erheben und hierbei die in § 4 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen – u.U. auch gegen den Willen des Betroffenen – zur Anwendung zu bringen, ist umgekehrt die Verpflichtung des Betroffenen verbunden, entsprechende Angaben zu machen und die Durchführung der Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu dulden. Bei den nach § 4 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. zu erhebenden Daten handelt es sich ausnahmslos um personenbezogene Daten, die vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung erfasst sind. Zusätzlich werden Daten darüber erhoben, dass sich die betroffene Person zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort – ggf. auch in Begleitung bestimmter weiterer Personen – aufhält und – soweit mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden – bestimmte Sachen mit sich führt. Auch hierbei handelt es sich um personenbezogene Informationen, die daher ebenfalls vom Schutzbereichs des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst sind.

43

II. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. stellt keine verfassungsgemäße Schranke des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

44

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 150 ff.). Diesen Anforderungen genügt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Die Regelung ist weder hinreichend bestimmt (hierzu 1.), noch genügt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (hierzu 2.).

45

1. Das Bestimmtheitsgebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 94). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und ggf. sein Verhalten mit Blick auf die geltende Rechtslage ausrichten kann. Es soll ferner gewährleisten, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet – hier weist das Bestimmtheitsgebot Überschneidungen mit dem Parlaments- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt auf –, damit die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Dem Gesetz kommt im Hinblick auf den Handlungsspielraum der Exekutive damit eine begrenzende Funktion zu, die rechtmäßiges Handeln des Staates sichern und dadurch auch die Freiheit der Bürger schützen soll. Durch die Beachtung des Bestimmtheitsgebots soll schließlich ermöglicht werden, dass die Gerichte die Rechtskontrolle effektiv durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen eines im Gesetz vorgesehenen Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 118 ff., m.w.N.).

46

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt diesen Anforderungen nicht. Für das Bestimmtheitsgebot gilt vorliegend ein strenger Maßstab (hierzu a)), dem die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vollständig gerecht werden (hierzu b)).

47

a) Bei der Bestimmung von Zweck, Anlass und Grenzen möglicher Eingriffsmaßnahmen im Gefahrengebiet gilt ein strenger Maßstab. Dies beruht – neben dem auch mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz relevanten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995, 1 BvR 2263/94 u.a., BVerfGE 93, 213, juris Rn. 55, m.w.N.; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 29) Umstand, dass Eingriffsmaßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. eine erhebliche Eingriffsintensität aufweisen können (hierzu noch eingehend unter 2. b] bb]) – auf Folgendem:

48

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. berechtigt zur Durchführung sog. Vorfeldmaßnahmen, die keine konkrete Gefahrenlage voraussetzen (zur Abgrenzung von Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Vorfeldmaßnahmen: OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 67). Die in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG vorgesehenen Maßnahmen weisen überdies eine erhebliche Streubreite auf, indem von ihnen auch „Unbeteiligte“ – d.h. solche Personen, die nicht Störer (§§ 8, 9 HmbSOG) im polizeirechtlichen Sinne sind – betroffen werden können und sollen (vgl. hierzu auch die Fallzahlen betreffend den Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 aus der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Dass bei der Ermöglichung derartiger Vorfeldmaßnahmen besondere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit und Klarheit von Befugnisnormen zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt: Bei der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder bei ihrer Verhütung kann nicht an dieselben Kriterien angeknüpft werden, die für die Gefahrenabwehr oder die Verfolgung begangener Straftaten entwickelt worden sind. Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die in die Freiheitsrechte der Bürger eingreifen, setzen eine konkrete Gefahrenlage voraus. Die Strafverfolgung knüpft an den Verdacht einer schon verwirklichten Straftat an. Solche Bezüge fehlen, soweit die Aufgabe darin besteht, im Vorfeld der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten zu treffen. Deshalb müssen hier die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an dieser Vorfeldsituation ausgerichtet werden. Bei der Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen, besteht das Risiko, dass der Eingriff an ein nur durch relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Straftaten gekennzeichnetes, in der Bedeutung der beobachteten Einzelheiten noch schwer fassbares und unterschiedlich deutbares Geschehen anknüpft. Sachverhaltsfeststellung und Prognose sind mit vorgreiflichen Einschätzungen über das weitere Geschehen, ebenso wie über die erst noch bevorstehende strafrechtliche Relevanz der festgestellten Tatsachen verknüpft. Da der Eingriff sich auf mögliche zukünftige Aktivitäten bezieht, kann er sich häufig nur auf Tatsachen stützen, bei denen noch offen ist, ob sie sich zu einer Rechtsgutverletzung weiterentwickeln. Sieht der Gesetzgeber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anforderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar ist. Die Norm muss handlungsbegrenzende Tatbestandselemente enthalten, die einen Standard an Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit vergleichbar dem schaffen, der für die überkommenen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 122 ff., m.w.N.; OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, a.a.O., juris Rn. 67 f.).

49

b) Die Regelungen in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zur Ausweisung eines Gefahrengebiets werden den strengen Bestimmtheitsanforderungen nicht vollständig gerecht.

50

Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist Voraussetzung dafür, dass Maßnahmen der Identitätsfeststellung durchgeführt werden und die Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen erfolgen können. Schon die Ausweisung eines Gefahrengebiets kann sich überdies auch faktisch auf die unbehelligte Grundrechtsausübung auswirken, weil sie zur Verhaltenssteuerung geeignet ist, indem sie Veranlassung geben kann, den Aufenthalt im Gefahrengebiet zu vermeiden. Angesichts der Wirkungen, die danach bereits der Gefahrengebietsausweisung zukommt, hat der Gesetzgeber die hierfür geltenden Voraussetzungen nicht hinreichend normenklar geregelt. Jedenfalls den Ausweisungsanlass (hierzu aa)) und die hierbei zu beachtenden Grenzen in zeitlicher Hinsicht (hierzu bb)) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nur unzureichend bestimmt. Diese Defizite werden auch nicht durch Regelungen des bei der Ausweisung eines Gefahrengebiets zu beachtenden Verfahrens kompensiert, weil auch diese unzureichend sind (hierzu cc)).

51

aa) In § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird der Anlass für die Ausweisung eines Gefahrengebiets nicht hinreichend klar gesetzlich bestimmt.

52

Nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bedarf es des Vorliegens „konkreter Lageerkenntnisse“, die auf die bevorstehende Begehung erheblicher Straftaten in einem bestimmten Gebiet hindeuten, um ein Gefahrengebiet auszuweisen. Lageerkenntnisse sind nicht mit Tatsachen gleichzusetzen, denn das Gesetz sieht differenzierte Eingriffsschwellen vor und verwendet an anderer Stelle die Begriffe „Tatsachen“ (z.B. in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HmbPolDVG a.F.) bzw. „tatsächliche Anhaltspunkte“ (z.B. in §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 HmbPolDVG a.F.). „Konkrete Lageerkenntnisse“ nehmen also nicht nur tatsächliche Gesichtspunkte, sondern auch und insbesondere die hierauf beruhenden (Be-) Wertungen sowie Einschätzungen in Bezug. Erfasst vom Begriff der „konkreten Lageerkenntnisse“ in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sind daher zum einen alle Informationen, die eine Behörde ihrer Einschätzung, in einem bestimmten Gebiet könnten Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden, zugrunde legt, und zum anderen die getroffenen Einschätzungen und Bewertungen selbst. Dieses Verständnis entspricht auch der Praxis der Beklagten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Der Gefahrengebietsausweisung „Walpurgisnacht 2011“ lag maßgeblich die aus Erfahrungen der vergangenen Jahre bzw. bei vergleichbaren Anlässen abgeleitete Bewertung zugrunde, auch in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 werde es – wie regelmäßig bei derartigen Anlässen – zu Ausschreitungen kommen. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die sich auf das zu erwartende Geschehen in der Nacht vom 30. April 2011 auf den 1. Mai 2011 beziehen, enthielt der Antrag auf Ausweisung eines Gefahrengebiets vom 26. April 2011 nicht.

53

Mit dem Erfordernis „konkreter Lageerkenntnisse“ wird eine relevante, die polizeilichen Befugnisse schon auf der Normebene beschränkende Eingriffsschwelle nicht formuliert (i.E. a.A. wohl SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 218, 221 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 115; VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 95 f., jeweils zur sog. Schleierfahndung). Der Begriff der Lageerkenntnisse, der jede für geeignet gehaltene Information erfasst und maßgeblich auf polizeiliche Einschätzungen und Bewertungen abstellt, macht die polizeiliche Lagebeurteilung zum einzigen Maßstab für einen Rechtseingriff (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 379 [zur sog. Schleierfahndung]). Die vermeintlich objektive Tatbestandsvoraussetzung erhält ihren Inhalt erst durch die entsprechende polizeiliche Lagebeurteilung (vgl. Waechter, DÖV 1999, 138, 142 [zur sog. Schleierfahndung]). Der Gesetzgeber ermöglicht damit dem Normadressaten, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzung selbst herbeizuführen, da bereits die polizeiliche Einschätzung, die Einrichtung eines Gefahrengebiets sei geboten, ausreicht, um die gesetzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bejahen zu können.

54

Diese Regelungstechnik verstößt in zweierlei Hinsicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Zum einen bestimmt die Polizei die näheren Voraussetzungen eines Eingriffs, was gerade Aufgabe des Gesetzgebers ist. Zum anderen wird die nachträgliche Rechtskontrolle durch Gerichte weitgehend inhaltslos. Denn mehr, als dass eine bestimmte polizeiliche Bewertung vorliegen muss, fordert § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht und kann daher auch gerichtlich nicht überprüft werden. In der Sache wird der zuständigen Behörde damit eine einem gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum vergleichbare Einschätzungsprärogative eingeräumt. Dies wäre zwar nicht von vornherein unzulässig. Dass der Gesetzgeber der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum einräumen will, muss sich aber zum einen aus der betreffenden gesetzlichen Vorschrift – ggf. durch Auslegung – ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, DVBl. 2010, 250, juris Rn. 53 ff.; BVerwG, Urt. v. 16.5.2007, 3 C 8.06, BVerwGE 129, 27, juris Rn. 26 f., m.w.N.), und dies muss zum anderen im Hinblick auf die damit einhergehende Einschränkung des Rechtsschutzes auch sachlich gerechtfertigt sein. Es fehlen aber schon Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der zuständigen Behörde einen Beurteilungsspielraum verschaffen wollte. Im Gegenteil verweist die Gesetzesbegründung auf die Möglichkeit der nachträglichen (gerichtlichen) Kontrolle. Davon, dass diese eingeschränkt ist, ist dort nicht die Rede (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14).

55

bb) Bestimmtheitsdefizite weist § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ferner deshalb auf, weil in der Vorschrift keine zeitlichen Grenzen für die Gebietsausweisung normiert sind.

56

Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. enthält keine zeitlichen Begrenzungen. Die Ausweisung eines Gefahrengebiets ist nach dem Gesetz zeitlich unbeschränkt möglich. Allerdings kann, worauf die Beklagte zutreffend verweist, die sachliche Einschränkung, dass ein Gefahrengebiet nur ausgewiesen werden darf, „soweit“ aufgrund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass erhebliche Straftaten begangen werden, auch im Sinne einer gleichzeitig zeitlichen Einschränkung („solange“) verstanden werden. Liegen derartige Lageerkenntnisse (d.h. Einschätzungen, s.o.) allerdings vor, so ist es nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. in seiner gegenwärtigen Ausprägung möglich, dass die Verwaltung ohne jede parlamentarische Absicherung ein „bestimmtes Gebiet“ für mehrere Monate oder sogar Jahre zum Gefahrengebiet erklärt. Dies entspricht auch der polizeilichen Praxis. So wurde etwa das Gefahrengebiet „Gewaltkriminalität“ im Bereich des Polizeikommissariats 15 (Vergnügungsviertel St. Pauli) im Juli 2005 eingerichtet und besteht seither – mithin seit fast zehn Jahren – fort (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.).

57

Ungeachtet der Frage, ob eine derart langdauernde Gebietsausweisung in der Sache zulässig, insbesondere verhältnismäßig ist, ist der Gesetzgeber gehalten, dermaßen weitreichende und wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen bzw. die Zulässigkeit solcher Verwaltungsentscheidungen durch Gesetz ausdrücklich vorzusehen. Er darf sich demgegenüber nicht jeder Vorgaben enthalten und der Verwaltung die Entscheidung darüber überlassen, wie lange ein Gefahrengebiet eingerichtet und damit die Möglichkeit eröffnet werden soll, Eingriffsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegt und die Maßnahmeadressaten im polizeirechtlichen Sinne verantwortlich sind. Andernfalls könnte in bestimmten Gebieten dauerhaft der polizeirechtliche „Ausnahmezustand“ verhängt werden, ohne dass dies durch eine entsprechende gesetzgeberische Entscheidung gedeckt ist. Allein das Vertrauen darauf, dass die Polizei ein Gefahrengebiet nur so lange einrichten wird, wie sie dies durch das Vorliegen konkreter Lageerkenntnisse für gerechtfertigt hält, kann die notwendige Begrenzung des Handlungsspielraums der Verwaltung, die Aufgabe des Gesetzgebers ist, nicht ersetzen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134; siehe auch OVG Hamburg, Urt. v. 4.6.2009, 4 Bf 213/07, NVwZ-RR 2009, 878, juris Rn. 57; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635).

58

cc) Die aufgezeigten Bestimmtheitsdefizite werden nicht durch Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen kompensiert.

59

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte es allerdings „zu erlassende“ Verfahrensregelungen geben, um den Bestimmtheitsanforderungen gerecht zu werden (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Diesem Ansatz lag insbesondere die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der dortigen Regelungen zur sog. Schleierfahndung zugrunde (vgl. SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 216 ff.; ebenso bereits VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 118 ff.). Danach habe die Regelung der Organisation und des Verfahrens eigenständige grundrechtliche Bedeutung dort, wo der Gesetzgeber in entwicklungsoffenen Bereichen die Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe im Wesentlichen durch unbestimmte Gesetzesbegriffe umschreibe.

60

Der erkennende Senat lässt offen, unter welchen Voraussetzungen Regelungen der Zuständigkeit und des Verfahrens Bestimmtheitsdefizite, die – wie hier – die materiellen Eingriffsvoraussetzungen betreffen, kompensieren können. Denn die für die Ausweisung eines Gefahrengebiets bestehenden gesetzlichen Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen sind unzureichend. Als zuständige Behörde erwähnt § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. lediglich „die Polizei“ und nimmt hiermit die weit gefasste organisatorische Bestimmung in § 1 Abs. 3 HmbPolDVG a.F. in Bezug. Nach dem Regelungsverständnis des Gesetzgebers soll die Entscheidung über die Ausweisung eines Gefahrengebietes aber „bestimmten Funktionsträgern, zum Beispiel dem jeweiligen Leiter eines Polizeikommissariats“, vorbehalten sein (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Offenbar hielt es auch der Gesetzgeber für geboten, dass die – mit weitreichenden Konsequenzen verbundene (s.o.) – Entscheidung, ein Gefahrengebiet auszuweisen, auf der übergeordneten Leitungsebene zu treffen ist. Eine entsprechende Eingrenzung oder Konkretisierung enthält das Gesetz indes nicht. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht überdies keine Verfahrensvorschriften vor. Zwar wird – was bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011, 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, juris Rn. 140; BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, juris Rn. 134; BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1, juris Rn. 174; BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Urt. v. 22.6.2010, 4 Bf 276/07, NordÖR 2010, 498, juris Rn. 58) – in der Gesetzesbegründung darauf verwiesen, dass „die Lageerkenntnisse (...) vorab von der Polizei zu dokumentieren (sind)“, dass sodann „Ort und Zeit der Kontrolle“ festzulegen seien und sich daran „die Auswahl der zu Kontrollierenden“ durch Bestimmung der „lageabhängigen Zielgruppe“ anschließe (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Mit diesen rudimentären Verfahrensvorgaben des Gesetzgebers, die allenfalls programmatischen Charakter haben und keine hinreichend präzise Regelung des Verfahrens darstellen (anders wohl BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 34 f. [zur sog. Schleierfahndung]), hat es aber sein Bewenden.

61

Nähere Einzelheiten zur Zuständigkeit für die Gebietsausweisung und zum Verfahren hierzu finden sich allerdings in der einschlägigen Verwaltungsvorschrift der Polizei (vgl. PDV 350, Ziff. 140.093000 ff.). Indes können Verwaltungsvorschriften ein bestehendes Bestimmtheitsdefizit nicht ausgleichen. Sollen Verfahrensregelungen nämlich ihre Funktion, einen effektiven Grundrechtsschutz durch Bereitstellung von Verfahrensvorkehrungen zu gewährleisten, erfüllen, müssen sie in einer außenwirksamen und für den (potentiell) Betroffenen nachvollziehbaren Weise in einer gesetzlichen Vorschrift niedergelegt oder zumindest – etwa durch eine Verordnungsermächtigung, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (vgl. Art. 53 HV) – angelegt sein. Bloße Verwaltungsvorschriften, deren Inhalt dem betroffenen Bürger regelmäßig nicht bekannt ist und auf deren Einhaltung sich der Einzelne auch nicht ohne Weiteres berufen kann (zu diesem Problemkreis vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 42 ff.), sind hierfür ungeeignet. Ungeeignet sind Verwaltungsvorschriften zur Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens der Gebietsausweisung zudem deshalb, weil sie von der Verwaltung, deren Handeln sie gerade begrenzen sollen, selbst erlassen werden. Eine Begrenzung der behördlichen Eingriffsbefugnisse kann nicht erreicht werden, wenn die begrenzende und die zu begrenzende Stelle identisch sind. Es ist in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich, im Wesentlichen darauf zu vertrauen, dass eine unbestimmte Eingriffsermächtigung seitens der Behörde, deren Verhalten gerade beschränkt werden soll, in der gebotenen Weise selbst eingeengt wird (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, juris Rn. 129, 134). Ein Rechtssetzungsdefizit bei der Normierung materieller Eingriffsvoraussetzungen kann von vornherein nicht durch Verfahrensregelungen kompensiert werden, für die der parlamentarische Gesetzgeber nicht die Verantwortung trägt.

62

2. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

63

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.2.2008, 1 BvR 370/07 u.a., BVerfGE 120, 274, juris Rn. 200). Mit der in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Möglichkeit der Kontrolle von Personen und Sachen im Gefahrengebiet verfolgt der Gesetzgeber zwar einen legitimen Zweck, zu dessen Erreichung die Maßnahme geeignet und erforderlich ist (hierzu a)). Jedoch fehlt es an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (hierzu b)).

64

a) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit einem legitimen Zweck. Zur Erreichung dieses Zwecks ist das in § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgesehene Mittel der Identitätsfeststellung und der Inaugenscheinnahme mitgeführter Sachen geeignet und erforderlich. Der erkennende Senat berücksichtigt hierbei, dass die Eignung bereits zu bejahen ist, wenn der erstrebte Erfolg auch nur gefördert werden kann. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn sich die vorgesehene Maßnahmen als objektiv oder evident untauglich erweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, juris Rn. 209 ff.). Hiervon ist vorliegend zumindest nicht schlechthin für jeden denkbaren Gebietsausweisungsanlass und für jede denkbare Kontrollsituation auszugehen, wie die bisherigen Erfahrungen nahelegen (vgl. die Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 7. April 2009, Bü-Drs. 19/2732, S. 3 ff.). Das von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. bereitgestellte Mittel der Kontrolle von Personen im Gefahrengebiet ist für die Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks auch erforderlich, weil sich dieser Zweck durch mildere Mittel nicht ebenso gut erreichen lässt. Insbesondere wäre die Statuierung einer Gefahrenschwelle und/oder die Voraussetzung, dass nur Störer (vgl. §§ 8, 9 HmbSOG) in Anspruch genommen werden dürfen, nicht geeignet, um den mit der Möglichkeit der jederzeitigen Identitätskontrolle auch verfolgten (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14 „Aufhebung der Anonymität“) Abschreckungseffekt zu erzielen und ein hierauf ausgerichtetes Instrument zur Gefahrvermeidung, wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, schon im Gefahrenvorfeld zu schaffen.

65

b) § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

66

Für das Recht der inneren Sicherheit verlangt die Verfassung vom Gesetzgeber, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen. Das Grundgesetz unterwirft auch die Verfolgung des Zieles, die größtmögliche Sicherheit herzustellen, rechtsstaatlichen Bindungen, zu denen insbesondere das Verbot unangemessener Eingriffe in die Grundrechte als Rechte staatlicher Eingriffsabwehr zählt. In diesem Verbot finden auch die Schutzpflichten des Staates ihre Grenze. Die Grundrechte sind dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern. Sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Bei der Wahl der Mittel zur Erfüllung seiner Schutzpflicht ist der Staat daher auf diejenigen Mittel beschränkt, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht. Aber auch im Rahmen der Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne dürfen staatliche Schutzpflichten nicht dazu führen, dass das Verbot unangemessener Grundrechtseingriffe unter Berufung auf grundrechtliche Schutzpflichten leer läuft, so dass in der Folge allenfalls ungeeignete oder unnötige Eingriffe abgewehrt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 128 ff.).

67

Diesen Vorgaben wird § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gerecht. Der mit Maßnahmen auf der Grundlage dieser Vorschrift verbundene Eingriff dient zwar dem Schutz von Rechtsgütern mit einigem Gewicht (hierzu aa)). Der mit einer Maßnahme auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber von so hohem Gewicht (hierzu bb)), dass in der Abwägung die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen, ohne dass hierfür eine Eingriffsschwelle existiert und ein persönlicher Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt wird, als übermäßig erscheint (hierzu cc)).

68

aa) Die Durchführung von Kontrollmaßnahmen in Gefahrengebieten auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. dient der Verhütung von Straftaten sowie – wenn auch nur nachrangig und insoweit abweichend von § 4 Abs. 2 Satz 1 HmbPolDVG in der gegenwärtig geltenden Fassung – der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Diesem im öffentlichen Interesse liegenden Ziel kommt eine hohe Bedeutung zu, die dadurch verstärkt wird, dass es um die Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1 Abs. 4 HmbPolDVG a.F. und damit um Straftaten geht, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 24.7.2013, 2 BvR 298/12, RuP 2014, 31, juris Rn. 21). Mit der Bezugnahme auf den Bereich der mittleren Kriminalität ist umgekehrt aber auch eine Relativierung des Gewichts des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung von Straftaten verbunden. Denn durch § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. wird nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität bereitgestellt – hieran besteht ein herausragendes öffentliches Interesse –, sondern auch zur Bekämpfung von (nur) mittelschweren Straftaten. Das Gewicht des öffentlichen Interesses hieran bleibt hinter dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Bekämpfung schwerer und schwerster Straftaten zurück.

69

bb) Die mit Maßnahmen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. verbundenen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können von erheblichem Gewicht sein und eine hohe Intensität aufweisen.

70

Bereits die unmittelbar in § 4 Abs. 2 und 4 HmbPolDVG a.F. vorgesehenen Maßnahmen weisen eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies gilt ohne Weiteres für die in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 bis 6 HmbPolDVG a.F. geregelten, mit einem zusätzlichen Grundrechtseingriff verbundenen Maßnahmen des Festhaltens, der Personen- und Sachdurchsuchung sowie des Verbringens zur Dienststelle (vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42). Diese sind zwar gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 HmbPolDVG a.F. nur nachrangig und nur dann zulässig, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angaben unrichtig sind. Bei der Bestimmung der (möglichen) Eingriffsintensität sind sie gleichwohl in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.; s. ferner VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 81).

71

Doch selbst die „einfache“ Identitätsfeststellung mittels der in § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 3 HmbPolDVG a.F. genannten Einzelmaßnahmen (Anhalten, Befragen, Aufforderung zur Aushändigung von Ausweispapieren) weist eine erhebliche Eingriffsintensität auf. Dies beruht zum einen auf der hohen Streubreite dieser Maßnahmen, von denen jedermann, ohne dass er hierfür konkret Veranlassung gegeben hätte, betroffen werden kann. Denn Grundrechtseingriffe, die sowohl durch Verdachtslosigkeit als auch durch eine große Streubreite gekennzeichnet sind – bei denen also zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben –, weisen grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität auf (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 116 ff., m.w.N.). Der erkennende Senat teilt zum anderen und dessen ungeachtet aber auch nicht die mitunter – und auch von der Beklagten – vertretene Auffassung, die dem Angehalten- und Befragtwerden sowie der Verpflichtung, ein mitgeführtes Ausweispapier zur Prüfung auszuhändigen, eine nur „sehr geringfügige“ Eingriffsqualität zuspricht (so aber BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 114; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.2003, Vf. 43-II-00, NJ 2003, 473, juris Rn. 237; vgl. ferner Kastner, VerwArch 92 [2001], 216, 254 f.). Zwar mögen die Maßnahmen selbst und ihre Dauer nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Abgesehen davon, dass Personen – zumal wenn sie etwa in einem Gefahrengebiet wohnen oder dort beruflich tätig sind – wiederholt Adressaten einer Kontrollmaßnahme werden können, folgt eine nicht unerhebliche Eingriffsschwere aber daraus, dass nicht jedermann im Gefahrengebiet nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kontrolliert wird und nach dem Normverständnis des Gesetzgebers auch nicht kontrolliert werden soll (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14), sondern nur solche Personen, die einer bestimmten, aufgrund von Lageerkenntnissen vorab festgelegten „Zielgruppe“ zugerechnet werden. Dieses auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Kontrollkonzept führt dazu, dass mit jeder – für die Umgebung wahrnehmbaren – Kontrolle im Gefahrengebiet eine stigmatisierende Wirkung verbunden ist. Denn bereits durch die Auswahl einer Person für eine Kontrolle wird zum Ausdruck gebracht, dass dieser Person in gesteigertem Maße zugetraut wird, sie könnte eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen (zum Gesichtspunkt der Stigmatisierung vgl. auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.2.2006, Vf. 69-VI-04, NVwZ 2006, 1284, juris Rn. 42; Ernst, NVwZ 2014, 633, 635; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 111 f.; vgl. auch Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Abschn. E Rn. 376). Mag es auch eine „allgemeine Redlichkeitsvermutung“ nicht geben (vgl. VerfG M-V, Urt. v. 21.10.1999, 2/98, DÖV 2000, 71, juris Rn. 84) – die gezielte Kontrolle bestimmter Personenkreise bringt zum Ausdruck, dass sie für bestimmte Personengruppen in gesteigertem Maße nicht gilt. Mit der Einengung auf bestimmte Personengruppen wird daher der mit einer Kontrollmaßnahme verbundene Eingriff zusätzlich vertieft, obwohl nach der Vorstellung des Gesetzgebers hierdurch die Streubreite der Maßnahme und die hierauf beruhende Eingriffsschwere (s.o.) verringert werden sollte.

72

Zur Beurteilung der Eingriffsintensität sind überdies auch solche (Folge-) Maßnahmen einzubeziehen, die sich an eine zunächst durchgeführte Kontrollmaßnahme anschließen können, wenn diese Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahrenlage erbracht hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u.a., BVerfGE 118, 168, juris Rn. 90 ff.). Die nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zulässigen Maßnahmen der Datenerhebung sollen gerade auch dazu dienen, die Voraussetzungen für weitergehende, auf gesonderten Rechtsgrundlagen beruhende Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu schaffen, indem die dafür erforderliche Tatsachengrundlage erst ermittelt wird (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung: Bü-Drs. 18/1487, S. 14; siehe ferner BayVerfGH, Entsch. v. 28.3.2003, Vf. 7-VII-00 u.a., NVwZ 2003, 1375, juris Rn. 109). Dass Maßnahmen der Platzverweisung (§ 12a HmbSOG), des Aufenthaltsverbots (§ 12b Abs. 2 HmbSOG) oder der Ingewahrsamnahme (§§ 13 ff. HmbSOG) – um nur die typischen, auch im vorliegenden Fall relevant gewordenen „Anschlussmaßnahmen“ zu benennen – mit gravierenden Grundrechtseingriffen verbunden sind, bedarf keiner weitergehenden Erläuterung. Gleiches gilt für sich anschließende Maßnahmen der weiteren Datenverarbeitung (auf der Grundlage der §§ 14 ff. HmbPolDVG a.F.), die immer dann relevant werden können, wenn die auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorgenommene Identitätsfeststellung einen „Treffer“ gebracht hat.

73

cc) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt zu dem Ergebnis, dass die von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Polizei eingeräumte Möglichkeit der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen im Gefahrengebiet das Übermaßverbot verletzt.

74

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren. Je gewichtiger die drohende oder erfolgte Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad und die Tatsachenbasis der Prognose dürfen allerdings nicht beliebig herabgesenkt werden, sondern müssen auch in angemessenem Verhältnis zur Art und Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung und zur Aussicht auf den Erfolg des beabsichtigten Rechtsgüterschutzes stehen. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Auch muss als Voraussetzung eines schweren Grundrechtseingriffs gewährleistet bleiben, dass Annahmen und Schlussfolgerungen einen konkret umrissenen Ausgangspunkt im Tatsächlichen besitzen. Insbesondere lässt die Verfassung grundrechtseingreifende Ermittlungen "ins Blaue hinein" nicht zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 136).

75

Der Gesetzgeber ist bei der Gestaltung von Eingriffsbefugnissen im Gefahrenabwehrrecht nicht zwingend an die überkommenen polizeirechtlichen Eingriffsgrenzen – die konkrete Gefahr als Eingriffsschwelle und die Störereigenschaft der Maßnahmeadressaten zur Gewährleistung eines persönlichen Zurechnungszusammenhangs – gebunden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führt allerdings dazu, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen darf. Ob ein Grundrechtseingriff zur Abwehr künftig drohender Rechtsgutbeeinträchtigungen auch im Vorfeld konkreter Gefahren verhältnismäßig sein kann, hängt nicht nur davon ab, ob eine hinreichende Aussicht darauf besteht, dass der Eingriff Erfolg verspricht, sondern auch davon, welche Anforderungen die Eingriffsnorm hinsichtlich der Nähe der betroffenen Personen zur fraglichen Rechtsgutbedrohung vorsieht. Verzichtet der Gesetzgeber auf begrenzende Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts sowie an die Nähe der Betroffenen zur abzuwehrenden Bedrohung und sieht er gleichwohl eine Befugnis zu Eingriffen von erheblichem Gewicht vor, genügt dies dem Verfassungsrecht nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006, 1 BvR 518/02, BVerfGE 115, 320, juris Rn. 135, 137).

76

Die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. genügt den Anforderungen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, nicht. Es fehlt wegen des zwar nicht unerheblichen, aber auch nicht überragenden Gewichts der Belange, denen § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. und die dort normierten Maßnahmen dienen sollen, an der Normierung geeigneter Eingriffsgrenzen. Die Vorschrift formuliert weder eine relevante Eingriffsschwelle (hierzu [1]), noch ist vorgesehen, dass die Maßnahmeadressaten eine besondere Nähe zu der abzuwehrenden Gefahr aufweisen müssen (hierzu [2]). Ob eine derart weitreichende Befugnisnorm zulässig, d.h. im engeren Sinne verhältnismäßig sein könnte, wenn sie nur der Bekämpfung schwerer und schwerster Kriminalität diente, kann dahin stehen. Denn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. weist eine derartige Einschränkung nicht auf.

77

(1) Eine relevante, d.h. die polizeilichen Befugnisse wirksam begrenzende Eingriffsschwelle sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Dies gilt zunächst – auf der ersten Stufe – für die Ausweisung eines Gefahrengebiets. Voraussetzung hierfür ist weder, dass eine konkrete Gefahr vorliegt, noch ist es erforderlich, dass konkrete Tatsachen darauf schließen lassen, dass bestimmte (erhebliche) Straftaten in Zukunft begangen werden. Es reicht vielmehr aus, dass „konkrete Lageerkenntnisse“ dafür sprechen, dass in einem bestimmten Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. Kern derartiger Lageerkenntnisse ist die polizeiliche Einschätzung, es sei die Ausweisung eines Gefahrengebiets zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Dies hat im Ergebnis zur Konsequenz, dass die Polizei überall dort ein Gefahrengebiet ausweisen (und in der Folge Maßnahmen der Datenerhebung vornehmen) kann, wo sie es selbst aufgrund eigener Einschätzung für geboten hält, ohne dass dies auf einer überprüfbaren und durch konkrete Tatsachen gestützten Wahrscheinlichkeitsprognose beruhen muss (s.o.).

78

§ 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. sieht auch – auf der zweiten Stufe – keine relevante Eingriffsschwelle für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme im Gefahrengebiet vor. Auch insoweit ist weder das Vorliegen einer konkreten Gefahr Voraussetzung, noch, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, es werde eine bestimmte Straftat begangen. Einzige Voraussetzung ist nach dem Gesetz, dass die Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich ist. Weitergehende Maßstäbe für die Beurteilung der Erforderlichkeit gibt das Gesetz indes nicht vor. Damit richtet sich auch diese Beurteilung letztlich nach den vorhandenen Lageerkenntnissen und damit nach der durch das Gesetz nicht näher determinierten und überprüfbaren Bewertung der Polizei selbst.

79

(2) Auch eine besondere Nähe der Maßnahmeadressaten zu der abzuwehrenden (abstrakten) Gefahr sieht § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht vor. Die Vorschrift ermöglicht Maßnahmen der Identitätskontrolle nicht nur gegenüber Störern i.S.v. §§ 8 und 9 HmbSOG, sondern grundsätzlich gegenüber jedermann, der sich im Gefahrengebiet aufhält. Auch insoweit wird eine relevante Begrenzung des für eine Kontrollmaßnahme in Frage kommenden Personenkreises nicht dadurch erreicht, dass diese Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung der Straftaten erforderlich sein muss. Denn nähere Maßgaben für die Bestimmung der Erforderlichkeit enthält § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht. Damit wird der Polizei schon kein hinreichend bestimmter Maßstab an die Hand gegeben. Vielmehr bleibt die Bestimmung der in Anspruch zu nehmenden Personen deren freier Einschätzung überlassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.4.2013, 1 BvR 1215/07, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 164).

80

Ein relevanter Zurechnungszusammenhang wird auch nicht durch die im Gesetzeswortlaut zwar nicht zum Ausdruck gebrachte, aber nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bü-Drs. 18/1487, S. 14) gleichwohl geltende Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit der zu kontrollierenden Personen erreicht. Abgesehen davon, dass die Bestimmung von Zielgruppen und die Zuordnung einer bestimmten Person zu einer Zielgruppe den mit der Kontrollmaßnahme verbundenen Grundrechtseingriff vertieft (s.o.), bewirkt die Zielgruppenzugehörigkeit keine Begrenzung der Befugnisnorm, die geeignet ist, ihre Angemessenheit zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die Bestimmung der Zielgruppen allein durch die Behörde erfolgt, ohne dass es hierfür nähere gesetzliche Vorgaben gibt. Dass die Zielgruppenbestimmung sich aus den Lageerkenntnissen ergeben, also „lageabhängig“ sein muss, ändert hieran nichts. Denn auch die Notwendigkeit des Vorliegens konkreter Lageerkenntnisse schafft keine relevante Begrenzung der behördlichen Befugnisse (s.o.). Zum anderen wird durch die Voraussetzung der Zielgruppenzugehörigkeit nicht sichergestellt, dass ein hinreichend konkreter Zurechnungszusammenhang zwischen dem Adressaten einer polizeilichen Maßnahme und der abzuwehrenden Gefahr besteht, weil Maßnahmen auf der Grundlage des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. der Abwehr bloß abstrakter Gefahren dienen. Anders als bei der konkreten Gefahr, die regelmäßig einem Störer persönlich zugerechnet werden kann, fehlt es bei der abstrakten Gefahr an einem hinreichend individualisierten Personenkreis, dem sich diese Gefahr zurechnen lässt. Während die sachliche Voraussetzung der konkreten Gefahr auf der persönlichen Ebene sein Pendant im Störer findet, fehlt ein vergleichbares Pendant dort, wo es – wie hier – um die Abwehr bloß abstrakter Gefahren geht. Eine „Nähe“ zu der abzuwehrenden abstrakten Bedrohung wird auch nicht durch die Zugehörigkeit des Kontrolladressaten zur Zielgruppe bewirkt, und zwar auch dann nicht, wenn diese „lageabhängig“ definiert wird. Denn auch die lageabhängige Festlegung von Zielgruppen bewirkt lediglich eine abstrakte Beschreibung von Personen, die – nach einer gesetzlich nicht näher determinierten behördlichen Einschätzung – potentiell zu Störern werden könnten. Von einer persönlichen „Gefahrennähe“ kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.

B.

81

Das Verfahren ist nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV auszusetzen. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig (hierzu I.). Es bedarf daher nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist (hierzu II.).

82

I. Die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren ungeachtet der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. rechtswidrig. Dabei lässt der erkennende Senat offen, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Ausweisung eines Gefahrengebiets anlässlich der sog. Walpurgisnacht am 30. April 2011 und am 1. Mai 2011 vorlagen. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die gegenüber der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen der Identitätsfeststellung und der Kontrolle ihres Rucksacks waren unabhängig davon nicht erfüllt.

83

1. Dies gilt zunächst für die Kontrolle des Rucksacks der Klägerin. Insoweit steht aufgrund der in der ersten Instanz durchgeführten Beweisaufnahme fest und ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Rucksack geöffnet wurde, eine Polizistin mit einer Hand in den Rucksack griff und hierbei, um auf den Boden des Rucksacks sehen zu können, in dem Rucksack befindliche Gegenstände bewegte, ohne sie herauszunehmen. Dieses Vorgehen ist von § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht gedeckt. Die Vorschrift berechtigt die zuständige Behörde dazu, mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Schon der Gesetzeswortlaut macht deutlich, dass hiervon (nur) ein Betrachten sowohl des Äußeren als auch des Inneren mitgeführter Sachen erfasst ist. In der Gesetzesbegründung ist davon die Rede, dass mitgeführte Sachen „lediglich genauer betrachtet werden“ dürften, „ohne tiefer in die Privatsphäre einzudringen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14). Jedes körperliche Einwirken, und sei es auch nur zu dem Zweck, in mitgeführten Sachen befindliche Gegenstände näher betrachten zu können, geht demnach über eine Inaugenscheinnahme i.S.v. § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. hinaus. Andernfalls könnte eine Inaugenscheinnahme nicht von einer Durchsuchung, zu der § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. ausdrücklich nicht ermächtigt, abgegrenzt werden, und § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. fehlte die hinreichende Bestimmtheit.

84

2. Die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen waren des Weiteren und darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil die Auswahl der Klägerin zu den Kontrollmaßnahmen ermessensfehlerhaft war.

85

Gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. kann die Polizei eine Kontrolle im Gefahrengebiet vornehmen, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Im Übrigen eröffnet die Vorschrift Ermessen. Im Ermessen steht danach auch und insbesondere die Entscheidung der Polizei über die Auswahl der zu kontrollierenden Personen. Dieses Auswahlermessen hat die Beklagte fehlerhaft ausgeübt.

86

Die Beklagte hat ihr Auswahlermessen im Hinblick auf die für eine Kontrolle auszuwählenden Personen in zwei Schritten ausgeübt. In einem ersten Schritt hat sie mit der Ausweisungsentscheidung die zu kontrollierenden „Zielgruppen“ abstrakt festgelegt. Diese Zielgruppenbestimmung haben die Bediensteten der Beklagten herangezogen bei der in einem zweiten Schritt vorgenommenen konkreten Auswahl derjenigen Personen, die – wie die Klägerin – in dem ausgewiesenen Gefahrengebiet anlässlich der sog. Walpurgisnacht 2011 kontrolliert worden sind.

87

Zur „Zielgruppe“ gehörten ausweislich des Antrags auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 auch und insbesondere solche Personen, „die augenscheinlich dem linken Spektrum zuzuordnen sind“. Dieser Zielgruppe war auch die Klägerin zugerechnet worden, wie sich etwa aus der schriftlichen Stellungnahme des Polizeibeamten X. vom 20. Juni 2011 (in der Sachakte) oder aus der Zeugenaussage dieses Polizisten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, ferner aus der Aussage des von dem Verwaltungsgericht als Zeuge gehörten Polizeibeamten Y. ergibt. Bei der Auswahl der zu kontrollierenden Personen und namentlich auch der Klägerin war für die Beklagte mithin zweierlei maßgeblich: Zum einen die Zurechnung einer Person „zum linken Spektrum“, zum anderen das äußere Erscheinungsbild der betreffenden Person, das eine entsprechende Zuordnung erlaubt.

88

Die vorgenannten Auswahlkriterien begründen einen Ermessensfehler in der Form der Ermessensüberschreitung. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält. Insbesondere darf die Ausübung des Ermessens nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 40 Rn. 91, 93). Einen derartigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nimmt der erkennende Senat vorliegend an. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung danach, ob eine im Gefahrengebiet angetroffene Person „dem linken Spektrum“ zugehörig ist oder nicht, bereits gegen ein absolutes Differenzierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstößt, wonach niemand wegen seinen politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Denn die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung verstößt jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

89

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt danach vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer ungleichen Behandlung von Personengruppen sind umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen annähern, das heißt je größer die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06 u.a., BVerfGE 133, 377, juris Rn. 73 ff., m.w.N.).

90

Nach diesen Maßgaben ist die von der Beklagten vorgenommene Auswahl der zu kontrollierenden Personen nicht nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen das Willkürverbot verstößt, sondern es ist zu prüfen, ob die vorgenommene Differenzierung verhältnismäßig ist. Denn die Beklagte hat eine Differenzierung nicht bloß von Sachverhalten, sondern von Personengruppen vorgenommen und dabei durch die Bezugnahme auf das „linke Spektrum“ eine Unterscheidung nach Merkmalen vorgenommen, die den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmalen zumindest angenähert sind.

91

Die vorzunehmende Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung unverhältnismäßig ist. Mit der Bildung von Zielgruppen verfolgt die Beklagte den für sich genommen legitimen Zweck, die Kontrollen auf denjenigen Personenkreis zu beziehen und zu beschränken, von dem nach den vorliegenden Lageerkenntnissen potentiell die Begehung bestimmter Straftaten zu erwarten ist. Die Differenzierung dient damit umgekehrt auch dem weiteren – legitimen – Ziel, solche Personengruppen, die nach den vorliegenden Lageerkenntnissen nicht relevant sind, von den Eingriffsmaßnahmen möglichst zu verschonen und unbehelligt zu lassen. Die Differenzierung nach Personengruppen, die entweder dem „linken Spektrum“ zuzuordnen oder nicht zuzuordnen sind, ist aber zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet.

92

a) Die Eignung ist bereits deshalb zweifelhaft, weil zwangsläufig – wie dies auch in dem Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011 zum Ausdruck gelangt („augenscheinlich“) – auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt werden muss, um eine Person dem „linken Spektrum“ zuordnen zu können. Es kann offen bleiben, ob Angehörige des „linken Spektrums“ bzw. – wie die Beklagte diesen Begriff in der Sache verstanden haben will – des „linksautonomen Spektrums“ regelmäßig bereits anhand äußerer Merkmale (Kleidung, Frisur o.ä.) identifiziert werden können. Zweifelhaft kann das nicht zuletzt dann sein, wenn eine bestimmte szenetypische Kleidung oder andere in der Szene verbreitete Äußerlichkeiten auch in einem szenefernen Umfeld aufgrund schlichter Modeerscheinungen verbreitet sind. Die Anknüpfung an das äußere Erscheinungsbild erscheint dessen ungeachtet aber vor allem auch deshalb kaum effektiv, weil dieses ohne größeren Aufwand verändert werden kann (vgl. Ernst, NVwZ 2014, 633, 636). Will ein Angehöriger des „linken Spektrums“ sich unbehelligt im Gefahrengebiet bewegen, müsste er also nur dafür sorgen, dass er nicht entsprechend aussieht.

93

b) Die mangelnde Eignung beruht jedenfalls darauf, dass allein mithilfe der durchgeführten Maßnahmen weder eine (abstrakte) Gefahr verhindert werden konnte, noch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden konnten, dass eine (konkrete) Gefahr abgewehrt werden kann.

94

Der erkennende Senat hält es – erstens – schon generell für fernliegend, dass eine Person, die beabsichtigt, sich an Ausschreitungen zu beteiligen, und die aufgrund ihrer äußeren Erscheinung einer Personenkontrolle nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. unterzogen wird, von ihrem Plan allein aufgrund der vorgenommenen Kontrolle wieder Abstand nimmt. Die Annahme des Gesetzgebers, es könne „die Aufhebung der Anonymität bei potentiellen Störern zum Verzicht auf bestimmte Aktivitäten führen“ (Bü-Drs. 18/1487, S. 14), ist nicht weiter belegt. Sie erscheint zumindest bei der Ausweisung eines anlassbezogenen Gefahrengebiets wie dem vorliegenden auch als kaum tragfähig. Denn es ist nicht erkennbar, dass allein eine Personenkontrolle einen potentiellen Störer davon abhalten wird, zu einem späteren Zeitpunkt im Schutz der Dunkelheit und in der Anonymität der Masse Straftaten zu begehen, die ihm als (im Vorwege kontrollierter) Person gar nicht ohne Weiteres zugeordnet werden können. Die „Herauslösung aus der Anonymität“ (vgl. den Antrag auf Gebietsausweisung vom 26. April 2011) durch eine Identitätskontrolle ist auch mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG a.F.) nicht geeignet, denn die Möglichkeit der Strafverfolgung im Fall der Beteiligung an Ausschreitungen hängt nicht von einer vorangegangenen Identitätsfeststellung, sondern davon ab, ob die betreffende Person als Beteiligter an Ausschreitungen identifiziert werden kann. Diese Identifizierung gelingt aber nicht schon deshalb, weil einige Stunden vorher eine Kontrollmaßnahme durchgeführt worden ist.

95

Vor allem aber vermag – zweitens – allein die Kontrolle die Angehörigen der „Zielgruppe“ bzw. potentielle Straftäter nicht aus dem Gefahrengebiet fernzuhalten. Hierfür bedarf es weiterer Folgemaßnahmen, namentlich der Verfügung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 12b Abs. 2 HmbSOG und ggf. einer nachfolgenden Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbots, § 13 Abs. 1 Nr. 4 HmbSOG. Zur Vornahme derartiger Folgemaßnahmen reicht die bloße Zugehörigkeit zur Zielgruppe, anders als für die Durchführung einer Kontrollmaßnahme gemäß § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F., nicht aus. Vielmehr bedarf es nach § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG des Vorliegens von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, die betreffende Person werde in einem bestimmten Gebiet Straftaten begehen. Derartige tatsächliche Anhaltspunkte lassen sich durch eine bloße Identitätsfeststellung regelmäßig aber nicht ermitteln. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Identitätsfeststellung und der anschließend vorgenommene Datenabgleich ergibt, dass die kontrollierte Person in der Vergangenheit Straftaten begangen hat oder – wie im Fall der Klägerin (vgl. etwa den Einsatzbericht vom 1. Mai 2011 und die schriftliche Stellungnahme des Polizeibeamten Z. vom 20. Juni 2011, die sich in der Sachakte befinden) – als „linksmotivierter Straftäter“ polizeilich erfasst ist. Hieraus mag sich eine erhöhte abstrakte Gefahr ableiten lassen, dass die betreffende Person sich an Ausschreitungen beteiligen bzw. auch in der Zukunft weitere Straftaten begehen könnte. Um konkrete Tatsachen i.S.v. § 12b Abs. 2 Satz 1 HmbSOG handelt es sich insoweit aber gerade nicht.

96

II. Es bedarf nicht der Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG oder an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. nicht entscheidungserheblich ist.

97

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV ist die Entscheidung des Hamburgischen Verfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht der Auffassung ist, dass ein hamburgisches Gesetz gegen die Landesverfassung verstößt, sofern es auf die Gültigkeit der Vorschrift bei der Entscheidung ankommt. Entscheidungserheblichkeit in dem vorgenannten Sinne liegt dann vor, wenn das Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2012, 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, juris Rn. 35). Es muss also auf den Bestand der Regelung ankommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2001, 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74, juris Rn. 38). Hierzu bedarf es der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die für verfassungswidrig gehaltene Norm (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.12.2013, 1 BvL 5/12, juris Rn. 8 f.). Räumt die für verfassungswidrig gehaltene Norm ein Ermessen ein, dann kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nur in Betracht, wenn die angefochtene Ermessensentscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden ist bzw. eine Ermessensfehlerhaftigkeit nur aus Erwägungen abgeleitet werden kann, die ihrerseits die Verfassungswidrigkeit der Ermessensvorschrift begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, 1 BvL 89/78, BVerfGE 57, 295, juris Rn. 71; BVerfG, Beschl. v. 12.12.1973, 2 BvL 4/72, BVerfGE 36, 258, juris Rn. 23 f.).

98

Werden diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ist die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. vorliegend nicht entscheidungserheblich i.S.v. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. i.S.v. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 HV. Der Klage ist in dem Umfang, in dem sie Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist, auch dann stattzugeben, wenn § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. für verfassungsgemäß gehalten wird. Denn die streitgegenständlichen Maßnahmen sind rechtswidrig, weil sie zum Teil über das nach § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. Zulässige hinausgehen (Rucksackkontrolle) und weil jedenfalls die Auswahl der Klägerin zu einer Kontrollmaßnahme ermessensfehlerhaft erfolgt ist. Die Ermessensfehlerhaftigkeit beruht dabei nicht auf Gründen, die der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 2 HmbPolDVG a.F. zugrunde liegen. Sie folgt dessen ungeachtet vielmehr daraus, dass die allgemeinen und auch im konkreten Fall zur Anwendung gebrachten Kriterien für die Auswahl der „Zielgruppe“, der die Beklagte auch die Klägerin zugeordnet hat, zumindest mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

C.

99

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und nimmt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kostenpflicht der Beklagten hinsichtlich des Teils des Streitgegenstandes auf, über den das Verwaltungsgericht rechtskräftig entschieden hat.

100

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

101

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg durchgeführte Identitätsfeststellung und der anschließend erfolgte Datenabgleich rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer durch die Bundespolizei vorgenommenen Identitätsfeststellung und des anschließend erfolgten Datenabgleichs.
Der 1985 in Kabul geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger afghanischer Abstammung. Am 19.11.2013 befand er sich im Rahmen einer Geschäftsreise in der 1. Klasse des ICE 377 von Berlin nach Freiburg. Im Waggon befanden sich weitere sechs bis sieben Personen. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Baden-Baden und Offenburg wurde der Kläger gegen 22:30 Uhr von drei Beamten der Bundespolizei angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Der Kläger zeigte seinen deutschen Personalausweis vor und händigte diesen Polizeikommissar H. aus. Sodann äußerte er gegenüber den Beamten, dass die Personalienfeststellung in dieser Form rechtswidrig sei, und forderte die Beamten zur Herausgabe ihrer Namen bzw. Dienstnummern auf. Polizeikommissar H. führte anhand des Personalausweises des Klägers einen Datenabgleich durch und teilte dem Kläger anschließend die Dienststellen und -nummern der drei Polizeibeamten mit. Weitere Personen wurden in dem Waggon nicht kontrolliert. Die Beamten verließen nach der Feststellung der Personalien des Klägers den Bereich der 1. Klasse.
Der Kläger hat am 18.12.2013 Klage erhoben, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personalienfeststellung begehrt. Er trägt vor, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart zulässig. Er sei trotz Erledigung des Verwaltungsakts klagebefugt, da durch die Personalienfeststellung in seine allgemeine Handlungsfreiheit und in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen worden sei. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus seinem Rehabilitationsinteresse, aus der bestehenden Wiederholungsgefahr und schließlich auch aus nachhaltiger Grundrechtsbetroffenheit. Die Personalienfeststellung sei ferner materiell rechtswidrig erfolgt. Die von der Beklagten angeführte Ermächtigungsgrundlage, § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG, verstoße gegen Europarecht. Sie sei nach den Grundsätzen des sogenannten Melki-Urteils des Europäischen Gerichtshofs nicht mit den Art. 20, 21 der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex) vereinbar. Die einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG sei den gleichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Zudem lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG nicht vor. Hinweise auf eine migrationsrechtswidrige Nutzung des kontrollierten ICE 377 seien nicht ersichtlich. Auch sei der Zug von Berlin nach Basel gefahren; bei einer Kontrolle zwischen Baden-Baden und Offenburg habe daher schon begrifflich keine „unerlaubte Einreise“ in das Bundesgebiet - wie von § 22 Abs. 1a BPolG vorausgesetzt -, sondern allenfalls eine Ausreise stattfinden können. Die Maßnahmen der Identitätskontrolle und des folgenden Datenabgleichs seien ferner rechtswidrig, weil die Beklagte die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten habe. Eine Identitätsfeststellung, die sich am Kriterium der Hautfarbe orientiere, verstoße gegen Art. 3 Abs. 3 GG und auch gegen völkerrechtliche Grundsätze, insbesondere gegen Art. 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und gegen Art. 14, Art. 8 Abs. 1 Var. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die von Beamten der Beklagten am 19.11.2013 im ICE 377 zwischen Baden-Baden und Offenburg durchgeführte Identitätsfeststellung und der anschließend erfolgte Datenabgleich rechtswidrig gewesen sind.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, die beim Kläger durchgeführte Personalienfeststellung sei nicht rechtswidrig gewesen. Der Bundespolizei obliege gemäß § 2 Abs. 1 BPolG der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebiets. Der Grenzschutz umfasse u.a. gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern die Abwehr von Gefahren, welche die Sicherheit der Grenze beeinträchtigten. Die Kompetenz sei dabei auf den effektiven Schutz der Grenzregionen zugeschnitten, die aufgrund der Grenznähe einem erhöhten Risiko grenzüberschreitender Kriminalität ausgesetzt seien und daher als besonderer Gefahrenraum angesehen werden müssten. Die Norm knüpfe dabei nicht an die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 BPolG an und ermögliche somit polizeiliche Eingriffsmaßnahmen, die nicht unmittelbar aus Anlass des Grenzübertritts erfolgten. Die Einstufung erfolge unabhängig davon, ob es sich um den Grenzraum einer Außen- oder Binnengrenze handle. Im Rahmen dieser Aufgabenwahrnehmung könne die Bundespolizei gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG zur Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG die Identität einer Person feststellen. Die Norm setze hierbei keine konkrete Polizeigefahr voraus. Sie trage insoweit einem Vorsorgekonzept Rechnung und erlaube eine erhebliche polizeiliche Kontrolldichte im Grenzgebiet, was durch eine eingeschränkte Möglichkeit der Speicherung „kompensiert“ werden könne. Der Zug habe sich auf der Fahrt von Baden-Baden nach Offenburg und damit im 30 km-Grenzbereich befunden. Die Bundespolizeiinspektion Offenburg habe den gesetzlichen Auftrag, unerlaubte Einreisen zu unterbinden. Da in der Vergangenheit immer wieder unerlaubt eingereiste Personen in den Zügen festgestellt worden seien, sei eine Personenkontrolle aufgrund der Lageerkenntnisse angebracht und erforderlich gewesen. Die Bundespolizeiinspektion Offenburg stelle im Grenzgebiet zu Frankreich monatlich durchschnittlich 70 unerlaubt eingereiste Personen fest. Im ICE 377 seien am 19.11.2013 zehn bis 15 Personen - sowohl europäischer als auch nicht europäischer Herkunft - fahndungsmäßig überprüft worden. Der Abgleich der personenbezogenen Daten des Klägers sei rechtmäßig gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG erfolgt. Da die Kontrolle keine Anhaltspunkte für eine Polizeigefahr ergeben habe, seien die Personalien des Klägers nicht gespeichert worden. Die Maßnahmen der gesamten Zugkontrolle seien nicht dokumentiert worden. Dazu habe kein Anlass bestanden, da die gesamte Kontrolle keine Treffer ergeben habe. Für die Auswahl der kontrollierten Reisenden seien mehrere Kriterien maßgeblich. Zunächst sei das Lagebild der Bundespolizeiinspektion Offenburg zu berücksichtigen. Ferner seien polizeiliche Erfahrungen sowie das Gesamterscheinungsbild (Alter, mitgeführte Gegenstände, Kleidung, Verhalten) miteinzubeziehen. Die ethnische Erscheinung stelle kein Auswahlkriterium dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

10 
Die zulässige Klage ist begründet.
11 
Die Klage ist als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung gerichtete - Fortsetzungsfeststellungsklage und als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gerichtete - Feststellungsklage zulässig.
12 
Die Klage ist, soweit sie auf die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Identitätsfeststellung des Klägers durch die Aufforderung zur Vorlage des Ausweises durch Beamte der Bundespolizei gerichtet ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 ff., und vom 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, BVerwGE 131, 216 ff.).
13 
Bei dem im Anschluss an die Identitätsfeststellung erfolgten Datenabgleich handelt es sich mangels Regelung hingegen nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine tatsächliche Maßnahme. Denn ein Datenabgleich ist lediglich die Prüfung und Feststellung, ob zu einer bestimmten Person Speicherungen in bestimmten Dateien vorliegen (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 1). Insoweit ist die Klage indes als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, da ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis auch die hier in Streit stehende Befugnis eines Hoheitsträgers zum Erlass eines den Bürger belastenden Realakts umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2013 - 7 A 10816/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn. 11).
14 
Dem Kläger steht vorliegend ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite. Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 129). Sowohl die Identitätsfeststellung als auch der sich anschließende Datenabgleich stellen sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - kurzfristig erledigende polizeiliche Maßnahmen dar, die in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen haben. Da sich kurzfristig erledigende Maßnahmen ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris). Unter Berücksichtigung der Umstände der Maßnahmen kann dem Kläger vorliegend ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen nicht abgesprochen werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Feststellungsbegehren polizeiliche Maßnahmen in grundrechtlich geschützten Bereichen zum Gegenstand haben, das Feststellungsinteresse und damit die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des polizeilichen Handelns zu verneinen, würde einen rechtsfreien Raum eröffnen, der mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren wäre (vgl. VG Köln, Urteil vom 13.06.2013 - 20 K 4683/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn 145 m.w.N.). Ob der sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriff auch tiefgreifend war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde in der Vergangenheit für die Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses meist ein tiefgreifender, sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff gefordert. Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der die Kammer sich anschließt, ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse indes nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20.12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38.12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39.12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist danach in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsakts zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015, a.a.O., mit Verweis auf VG Freiburg, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 145). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich ein rechtliches Interesse des Klägers außerdem aus einer Wiederholungsgefahr und aus dem geltend gemachten Rehabilitationsinteresse ergibt.
15 
Die Klage ist auch begründet.
16 
Die am 19.11.2013 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen stellen sich als rechtswidrig dar und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
17 
Die Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizei war rechtswidrig. Die Beklagte hat diese Maßnahme auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt. Danach kann die Bundespolizei die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG feststellen.
18 
Die Beklagte konnte die Maßnahme der Personalienfeststellung bereits deswegen nicht wirksam auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stützen, weil diese nicht unionsrechtskonform ist und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat die sich bei der Einführung derartiger Kontrollen im Grenzgebiet zu anderen Schengenstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Schengener Grenzkodex ergebenden Anforderungen nicht beachtet.
19 
Die Art. 20 und 21 VO (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (im Folgenden: VO (EG) Nr. 562/2006; ABl G, Nr. L 105, 1) stehen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entgegen. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stattfindenden Identitätsfeststellungen stellen Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats dar, die unter Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 fallen, da sie nicht „an den Grenzen“ oder in dem Moment, in dem die Grenze überschritten wird, durchgeführt werden, sondern innerhalb des Hoheitsgebiets (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 22.06.2010 - C-188/10 und C-189/10 [Melki und Abdeli] -, Slg. 2010, I-5667). Gemäß Art. 72 AEUV berührt dessen Titel V zwar nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Insoweit bestimmt auch Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts berührt, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.
20 
Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006 („Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“) lautet:
21 
Die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen berührt nicht:
22 
a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
23 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
24 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
25 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
26 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
27 
Bei einer ausschließlich am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung wäre eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG wohl möglich. Zwar dienen die in dieser Befugnisnorm vorgesehenen Kontrollen auch der Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise und haben damit dasselbe Ziel wie Grenzkontrollen, sie werden jedoch in der Praxis lediglich stichprobenartig in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet (vgl. zum Kontrollumfang BT-Drs. 18/4149, 4 f.).
28 
Nach der vom Europäischen Gerichtshof im sogenannten Melki-Urteil im Jahr 2010 vorgenommenen Auslegung, welche er im Jahr 2012 bestätigt und konkretisiert hat (vgl. Urteil vom 19.07.2012 - C-278/12 PPU [Adil] -, juris), genügt jedoch eine bestimmte Zielsetzung oder faktische Ausgestaltung für die Vereinbarkeit der nationalen, grenznahen Kontrollbefugnisse mit der europarechtlich vorgegebenen Freiheit von Personenkontrollen an den Binnengrenzen gerade nicht. Vielmehr muss das in Art. 21 lit. a Satz 1 VO (EG) Nr. 562/2006 formulierte Postulat, die Ausübung nationaler Kontrollbefugnisse dürfe nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, sich nach der Lesart des Europäischen Gerichtshofs zwingend aus normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse hinsichtlich Intensität und Häufigkeit der Kontrollen ergeben. Danach stehen Art. 67 AEUV und Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 einer nationalen Ermächtigungsgrundlage entgegen, wenn diese nicht selbst durch konkrete Vorgaben hinreichend sicherstellt, dass ihre Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74). Der Europäische Gerichtshof begründet die hohen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit. Gerade eine nationale Regelung, die einerseits auf Identitätsfeststellungen im Grenzgebiet beschränkt sei, andererseits verdachtsunabhängige Kontrollen vorsehe, müsse „den erforderlichen Rahmen für die […] eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das [die Behörden] bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74).
29 
Nach diesen Maßgaben verstößt die nationale Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gegen Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006. Die Ermächtigungsgrundlage enthält nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderten normativen Einschränkungen, die gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Insbesondere findet keine Beschränkung der Befugnis hinsichtlich der Intensität und Häufigkeit der Kontrollen statt. Vielmehr kann jede Person im Grenzgebiet jederzeit anlassunabhängig Adressat der polizeilichen Identitätsfeststellung sein (vgl. zur Verfassungskonformität dieser Eingriffsvoraussetzungen Kastner, VerwArch 2001, 216 <240 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 357). Die einzige Tatbestandsvoraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ist das Antreffen einer Person im Grenzgebiet. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder ein Gefahrverdacht wird auf Tatbestandsebene hingegen nicht vorausgesetzt. Auch eine Einschränkung des Adressatenkreises dahingehend, dass diese nach allgemeinen Zurechnungskriterien ordnungsrechtlich als Störer verantwortlich sein müssten, sieht § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nicht vor (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <221>). Im Ergebnis steht es - aufgrund der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage - den Beamten der Bundespolizei frei, ob sie lediglich stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet durchführen oder im Gegenteil eine den Grenz(übertritts)kontrollen i.S.d. Art. 2 Nrn. 9 bis 11 VO (EG) Nr. 562/2006 angenäherte Verwaltungspraxis etablieren. Da weder auf Tatbestands- noch auf Ermessensebene vom Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen wurden, um § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entsprechend den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Bestimmtheitserfordernissen auszugestalten, ist die Vorschrift mit dem Schengener Grenzkodex unvereinbar (so auch Trennt, DÖV 2012, 216<218 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 387 f; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 5; a. A. für die inhaltlich ähnlich ausgestaltete landesrechtliche Befugnisnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG: Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <10 ff.>).
30 
Die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG konkretisierende Verwaltungsvorschriften liegen dem Gericht nicht vor. Selbst wenn es solche geben sollte, wären sie nach den im „Melki-Urteil“ formulierten Grundsätzen zur normativen Einschränkung der Befugnisnorm nicht ausreichend (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>; a. A. Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>, zu § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG). Denn nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs muss die nationale, zu Kontrollmaßnahmen ermächtigende Vorschrift selbst „den erforderlichen Rahmen für diese Befugnis“ vorgeben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 75). Auch die englische und die französische Sprachfassung streiten für die Auslegung, dass die Befugnisnorm selbst die normativen Einschränkungen beinhalten muss (vgl. Wortlaut der französischen Fassung «[…] que l’article 67, paragraphe 2, TFUE ainsi que les articles 20 et 21 du règlement n° 562/2006 s’opposent à une législation nationale conférant aux autorités de police de l’État membre concerné la compétence de contrôler,[…], sans prévoir l’encadrement nécessaire de cette compétence garantissant que l’exercice pratique de ladite compétence ne puisse pas revêtir un effet équivalent à celui des vérifications aux frontières.»). Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache „TA-Luft“ (Urteil vom 30.05.1991 - C-361/88 -, Slg 1991, I-2567), wonach Verwaltungsvorschriften grundsätzlich ungeeignet sind, der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Umsetzung von EU-Richtlinien zu genügen, stützt diesen Befund. Denn der Gedanke, dass Verwaltungsvorschriften mangels Außenwirkung von Betroffenen nicht unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden können und überdies den betroffenen Bürgern häufig nicht bekannt seien, lässt sich vorliegend dahingehend fruchtbar machen, dass Verwaltungsvorschriften per se weniger Rechtssicherheit gewährleisten als formelle Gesetze (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>).
31 
Aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts darf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im vorliegenden Kollisionsfall nicht herangezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führt die Unvereinbarkeit einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht nicht zur Nichtigkeit der nationalen Vorschrift. Stattdessen ist das nationale Gericht in dieser Situation verpflichtet, die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen (vgl. EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - 6/64 [Costa/E.N.E.L.] -, Slg 10, 1251, vom 22.10.1998 - C-10/97 bis C-22/97 -, Slg 1998, 630, und vom 19.01.2010 - C-555/07 [Kücükdeveci] -, Slg 2010, I-365).
32 
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist das Gericht darauf hin, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch künftig in Ausnahmesituationen als Ermächtigungsgrundlage für verdachtsunabhängige Personenkontrollen herangezogen werden kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex und im Einklang mit dessen Vorgaben vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der betreffenden Binnengrenze einführt. Dies war zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Personenkontrolle im November 2013 indes nicht der Fall.
33 
Die Beklagte kann die Maßnahme der Identitätsfeststellung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen. Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage kommt zwar auch bei Ermessensentscheidungen ausnahmsweise in Betracht, sofern die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen übertragbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Gericht die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 9 C 53.97 -, BVerwGE 108, 30 ff.). Auf die vorliegend einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG kann die vorgenommene Identitätsfeststellung nicht gestützt werden. Denn die Vorschrift dürfte - ebenso wie Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG - mit den Art. 20, 21 VO (EG) Nr. 562/2006 unvereinbar sein. Zudem liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG, der die Identitätsfeststellung als Annexkompetenz zur Befragung zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe ausgestaltet (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7), nicht vor.
34 
Ob die Identitätsfeststellung ferner rechtswidrig ist, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorlagen, kann nach den obigen Ausführungen im Ergebnis offen bleiben. Auch die Frage, ob die Beklagte ihr Ermessen bei der Identitätsfeststellung fehlerhaft ausgeübt und somit gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen hat, bedarf nach den obigen Ausführungen keiner Entscheidung.
35 
Die sich an die Identitätsfeststellung anschließende Maßnahme des Datenabgleichs ist ebenfalls rechtswidrig erfolgt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG kann die Bundespolizei die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Danach können alle personenbezogenen Daten, die der Bundespolizei auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind, mit dem Datenbestand abgeglichen werden (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12). Da die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers - wie ausgeführt - auf rechtswidrige Weise erlangt hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG nicht vor.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Klärung der für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage hat - über ihre Bedeutung für den zu entscheidenden konkreten Fall hinaus - wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung sowie für die Fortbildung des Rechts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 132 Rn. 9). Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wurden im Jahr 2013 2.321.243 und im Jahr 2014 2.313.750 Identitätskontrollen auf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt (vgl. BT-Drs. 18/4149, 4 f.). Die Unvereinbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit den Art. 20, 21 des Schengener Grenzkodex wird vorliegend erstmals verwaltungsgerichtlich festgestellt. Auch die Europäische Kommission ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens mit Fragen zur Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 Nr. 3 des BPolG mit der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 an die Bundesregierung herangetreten. Die Bundesregierung geht demgegenüber nach wie vor davon aus, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit europäischem Recht vereinbar ist und Kontrollintensität und -häufigkeit für den Binnengrenzbereich in Deutschland rechtlich hinreichend konkret normiert sind; sie erklärte im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 17.12.2014, dass sie in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission stehe und den Zweifeln an der Unionsrechtskonformität der Polizeikontrollen im Grenzbereich durch untergesetzliche Maßnahmen begegnen wolle (vgl. BT-Drs. 18/4149, 1 f.).
38 
Beschluss vom 22. Oktober 2015
39 
Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf
40 
10.000 EUR
41 
festgesetzt.

Gründe

10 
Die zulässige Klage ist begründet.
11 
Die Klage ist als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Identitätsfeststellung gerichtete - Fortsetzungsfeststellungsklage und als - auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gerichtete - Feststellungsklage zulässig.
12 
Die Klage ist, soweit sie auf die Feststellung der Rechtwidrigkeit der Identitätsfeststellung des Klägers durch die Aufforderung zur Vorlage des Ausweises durch Beamte der Bundespolizei gerichtet ist, als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen, in denen sich - wie hier - der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat, entsprechende Anwendung (vgl. z.B. BVerwG, Urteile vom 14.07.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203 ff., und vom 25.06.2008 - 6 C 21.07 -, BVerwGE 131, 216 ff.).
13 
Bei dem im Anschluss an die Identitätsfeststellung erfolgten Datenabgleich handelt es sich mangels Regelung hingegen nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine tatsächliche Maßnahme. Denn ein Datenabgleich ist lediglich die Prüfung und Feststellung, ob zu einer bestimmten Person Speicherungen in bestimmten Dateien vorliegen (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 1). Insoweit ist die Klage indes als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft, da ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis auch die hier in Streit stehende Befugnis eines Hoheitsträgers zum Erlass eines den Bürger belastenden Realakts umfasst (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.01.2013 - 7 A 10816/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 43 Rn. 11).
14 
Dem Kläger steht vorliegend ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung zur Seite. Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 129). Sowohl die Identitätsfeststellung als auch der sich anschließende Datenabgleich stellen sich typischerweise - d.h. entsprechend der Eigenart des Verwaltungsakts - kurzfristig erledigende polizeiliche Maßnahmen dar, die in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen haben. Da sich kurzfristig erledigende Maßnahmen ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten, eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit einer Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts im Wege nachträglicher Feststellung (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30.04.1997 - 2 BvR 817/90 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 - 2 BvR 370/13 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2015 - 6 S 494/15 -, juris). Unter Berücksichtigung der Umstände der Maßnahmen kann dem Kläger vorliegend ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen nicht abgesprochen werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Feststellungsbegehren polizeiliche Maßnahmen in grundrechtlich geschützten Bereichen zum Gegenstand haben, das Feststellungsinteresse und damit die verwaltungsgerichtliche Überprüfung des polizeilichen Handelns zu verneinen, würde einen rechtsfreien Raum eröffnen, der mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG und dem durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren wäre (vgl. VG Köln, Urteil vom 13.06.2013 - 20 K 4683/12 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn 145 m.w.N.). Ob der sich kurzfristig erledigende Grundrechtseingriff auch tiefgreifend war, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde in der Vergangenheit für die Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses meist ein tiefgreifender, sich typischerweise kurzfristig erledigender Grundrechtseingriff gefordert. Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung, der die Kammer sich anschließt, ist ein auf Art. 19 Abs. 4 GG gestütztes Fortsetzungsfeststellungsinteresse indes nicht auf Fälle tiefgreifender Grundrechtseingriffe beschränkt (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015 - 4 K 35/15 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mehrfach (Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20.12 -, juris; Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 38.12 -, juris; Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39.12 -, juris) festgestellt, die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und dem Rang der betroffenen Rechte. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist danach in Fällen typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verwaltungsakts zu bejahen, ohne dass es insoweit besonderer Anforderungen etwa an die Intensität des Grundrechtseingriffs bedürfte (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 25.09.2015, a.a.O., mit Verweis auf VG Freiburg, Urteil vom 23.02.2012 - 4 K 2649/10 -, juris; vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 27.01.2015 - 4 A 533/13 -, juris; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 145). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich ein rechtliches Interesse des Klägers außerdem aus einer Wiederholungsgefahr und aus dem geltend gemachten Rehabilitationsinteresse ergibt.
15 
Die Klage ist auch begründet.
16 
Die am 19.11.2013 durchgeführten polizeilichen Maßnahmen stellen sich als rechtswidrig dar und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO.
17 
Die Identitätsfeststellung durch Beamte der Bundespolizei war rechtswidrig. Die Beklagte hat diese Maßnahme auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt. Danach kann die Bundespolizei die Identität einer Person im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BPolG feststellen.
18 
Die Beklagte konnte die Maßnahme der Personalienfeststellung bereits deswegen nicht wirksam auf die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stützen, weil diese nicht unionsrechtskonform ist und auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden kann. Der deutsche Gesetzgeber hat die sich bei der Einführung derartiger Kontrollen im Grenzgebiet zu anderen Schengenstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Schengener Grenzkodex ergebenden Anforderungen nicht beachtet.
19 
Die Art. 20 und 21 VO (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (im Folgenden: VO (EG) Nr. 562/2006; ABl G, Nr. L 105, 1) stehen der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entgegen. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG stattfindenden Identitätsfeststellungen stellen Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats dar, die unter Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 fallen, da sie nicht „an den Grenzen“ oder in dem Moment, in dem die Grenze überschritten wird, durchgeführt werden, sondern innerhalb des Hoheitsgebiets (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urteil vom 22.06.2010 - C-188/10 und C-189/10 [Melki und Abdeli] -, Slg. 2010, I-5667). Gemäß Art. 72 AEUV berührt dessen Titel V zwar nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Insoweit bestimmt auch Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen nicht die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts berührt, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat.
20 
Art. 21 lit. a VO (EG) Nr. 562/2006 („Kontrollen innerhalb des Hoheitsgebiets“) lautet:
21 
Die Abschaffung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen berührt nicht:
22 
a) die Ausübung der polizeilichen Befugnisse durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des nationalen Rechts, sofern die Ausübung solcher Befugnisse nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen hat; dies gilt auch in Grenzgebieten. Im Sinne von Satz 1 darf die Ausübung der polizeilichen Befugnisse insbesondere nicht der Durchführung von Grenzübertrittskontrollen gleichgestellt werden, wenn die polizeilichen Maßnahmen
23 
i) keine Grenzkontrollen zum Ziel haben;
24 
ii) auf allgemeinen polizeilichen Informationen und Erfahrungen in Bezug auf mögliche Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit beruhen und insbesondere auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität abzielen;
25 
iii) in einer Weise konzipiert sind und durchgeführt werden, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet;
26 
iv) auf der Grundlage von Stichproben durchgeführt werden;
27 
Bei einer ausschließlich am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung wäre eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG wohl möglich. Zwar dienen die in dieser Befugnisnorm vorgesehenen Kontrollen auch der Verhinderung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise und haben damit dasselbe Ziel wie Grenzkontrollen, sie werden jedoch in der Praxis lediglich stichprobenartig in einer Art und Weise durchgeführt, die sich eindeutig von systematischen Personenkontrollen an den Außengrenzen unterscheidet (vgl. zum Kontrollumfang BT-Drs. 18/4149, 4 f.).
28 
Nach der vom Europäischen Gerichtshof im sogenannten Melki-Urteil im Jahr 2010 vorgenommenen Auslegung, welche er im Jahr 2012 bestätigt und konkretisiert hat (vgl. Urteil vom 19.07.2012 - C-278/12 PPU [Adil] -, juris), genügt jedoch eine bestimmte Zielsetzung oder faktische Ausgestaltung für die Vereinbarkeit der nationalen, grenznahen Kontrollbefugnisse mit der europarechtlich vorgegebenen Freiheit von Personenkontrollen an den Binnengrenzen gerade nicht. Vielmehr muss das in Art. 21 lit. a Satz 1 VO (EG) Nr. 562/2006 formulierte Postulat, die Ausübung nationaler Kontrollbefugnisse dürfe nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben, sich nach der Lesart des Europäischen Gerichtshofs zwingend aus normativen Einschränkungen der Kontrollbefugnisse hinsichtlich Intensität und Häufigkeit der Kontrollen ergeben. Danach stehen Art. 67 AEUV und Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006 einer nationalen Ermächtigungsgrundlage entgegen, wenn diese nicht selbst durch konkrete Vorgaben hinreichend sicherstellt, dass ihre Anwendung nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74). Der Europäische Gerichtshof begründet die hohen Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit. Gerade eine nationale Regelung, die einerseits auf Identitätsfeststellungen im Grenzgebiet beschränkt sei, andererseits verdachtsunabhängige Kontrollen vorsehe, müsse „den erforderlichen Rahmen für die […] eingeräumte Befugnis vorgeben, um insbesondere das Ermessen zu lenken, über das [die Behörden] bei der tatsächlichen Handhabung der Befugnis verfügen. Dieser Rahmen muss gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis zur Durchführung von Identitätskontrollen nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann, wie insbesondere aus den in Art. 21 Buchst. a Satz 2 der Verordnung Nr. 562/2006 genannten Umständen hervorgeht.“ (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 74).
29 
Nach diesen Maßgaben verstößt die nationale Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gegen Art. 21 VO (EG) Nr. 562/2006. Die Ermächtigungsgrundlage enthält nicht die vom Europäischen Gerichtshof geforderten normativen Einschränkungen, die gewährleisten, dass die tatsächliche Ausübung der Befugnis nicht die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben kann. Insbesondere findet keine Beschränkung der Befugnis hinsichtlich der Intensität und Häufigkeit der Kontrollen statt. Vielmehr kann jede Person im Grenzgebiet jederzeit anlassunabhängig Adressat der polizeilichen Identitätsfeststellung sein (vgl. zur Verfassungskonformität dieser Eingriffsvoraussetzungen Kastner, VerwArch 2001, 216 <240 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 357). Die einzige Tatbestandsvoraussetzung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG ist das Antreffen einer Person im Grenzgebiet. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder ein Gefahrverdacht wird auf Tatbestandsebene hingegen nicht vorausgesetzt. Auch eine Einschränkung des Adressatenkreises dahingehend, dass diese nach allgemeinen Zurechnungskriterien ordnungsrechtlich als Störer verantwortlich sein müssten, sieht § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG nicht vor (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <221>). Im Ergebnis steht es - aufgrund der Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage - den Beamten der Bundespolizei frei, ob sie lediglich stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet durchführen oder im Gegenteil eine den Grenz(übertritts)kontrollen i.S.d. Art. 2 Nrn. 9 bis 11 VO (EG) Nr. 562/2006 angenäherte Verwaltungspraxis etablieren. Da weder auf Tatbestands- noch auf Ermessensebene vom Gesetzgeber Vorkehrungen getroffen wurden, um § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG entsprechend den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Bestimmtheitserfordernissen auszugestalten, ist die Vorschrift mit dem Schengener Grenzkodex unvereinbar (so auch Trennt, DÖV 2012, 216<218 ff.>; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Kap. E Rn. 387 f; Wehr, BPolG, 1. Aufl. 2013, § 23 Rn. 5; a. A. für die inhaltlich ähnlich ausgestaltete landesrechtliche Befugnisnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG: Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <10 ff.>).
30 
Die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG konkretisierende Verwaltungsvorschriften liegen dem Gericht nicht vor. Selbst wenn es solche geben sollte, wären sie nach den im „Melki-Urteil“ formulierten Grundsätzen zur normativen Einschränkung der Befugnisnorm nicht ausreichend (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>; a. A. Kempfler, BayVBl. 2012, 9 <11>, zu § 13 Abs. 1 Nr. 5 bayPAG). Denn nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs muss die nationale, zu Kontrollmaßnahmen ermächtigende Vorschrift selbst „den erforderlichen Rahmen für diese Befugnis“ vorgeben (vgl. EuGH, Urteil vom 22.06.2010 [Melki und Abdeli], a.a.O., Rn. 75). Auch die englische und die französische Sprachfassung streiten für die Auslegung, dass die Befugnisnorm selbst die normativen Einschränkungen beinhalten muss (vgl. Wortlaut der französischen Fassung «[…] que l’article 67, paragraphe 2, TFUE ainsi que les articles 20 et 21 du règlement n° 562/2006 s’opposent à une législation nationale conférant aux autorités de police de l’État membre concerné la compétence de contrôler,[…], sans prévoir l’encadrement nécessaire de cette compétence garantissant que l’exercice pratique de ladite compétence ne puisse pas revêtir un effet équivalent à celui des vérifications aux frontières.»). Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtssache „TA-Luft“ (Urteil vom 30.05.1991 - C-361/88 -, Slg 1991, I-2567), wonach Verwaltungsvorschriften grundsätzlich ungeeignet sind, der mitgliedstaatlichen Pflicht zur Umsetzung von EU-Richtlinien zu genügen, stützt diesen Befund. Denn der Gedanke, dass Verwaltungsvorschriften mangels Außenwirkung von Betroffenen nicht unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden können und überdies den betroffenen Bürgern häufig nicht bekannt seien, lässt sich vorliegend dahingehend fruchtbar machen, dass Verwaltungsvorschriften per se weniger Rechtssicherheit gewährleisten als formelle Gesetze (vgl. Trennt, DÖV 2012, 216 <222>).
31 
Aufgrund des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts darf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im vorliegenden Kollisionsfall nicht herangezogen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führt die Unvereinbarkeit einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts mit dem Unionsrecht nicht zur Nichtigkeit der nationalen Vorschrift. Stattdessen ist das nationale Gericht in dieser Situation verpflichtet, die nationale Vorschrift unangewendet zu lassen (vgl. EuGH, Urteile vom 15.07.1964 - 6/64 [Costa/E.N.E.L.] -, Slg 10, 1251, vom 22.10.1998 - C-10/97 bis C-22/97 -, Slg 1998, 630, und vom 19.01.2010 - C-555/07 [Kücükdeveci] -, Slg 2010, I-365).
32 
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist das Gericht darauf hin, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG auch künftig in Ausnahmesituationen als Ermächtigungsgrundlage für verdachtsunabhängige Personenkontrollen herangezogen werden kann, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Art. 23 ff. des Schengener Grenzkodex und im Einklang mit dessen Vorgaben vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der betreffenden Binnengrenze einführt. Dies war zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Personenkontrolle im November 2013 indes nicht der Fall.
33 
Die Beklagte kann die Maßnahme der Identitätsfeststellung auch nicht auf eine andere Vorschrift stützen. Der Austausch der Ermächtigungsgrundlage kommt zwar auch bei Ermessensentscheidungen ausnahmsweise in Betracht, sofern die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen übertragbar sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Gericht die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 9 C 53.97 -, BVerwGE 108, 30 ff.). Auf die vorliegend einzig alternativ in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1a BPolG kann die vorgenommene Identitätsfeststellung nicht gestützt werden. Denn die Vorschrift dürfte - ebenso wie Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG - mit den Art. 20, 21 VO (EG) Nr. 562/2006 unvereinbar sein. Zudem liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 22 Abs. 1a BPolG, der die Identitätsfeststellung als Annexkompetenz zur Befragung zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe ausgestaltet (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 22 Rn. 7), nicht vor.
34 
Ob die Identitätsfeststellung ferner rechtswidrig ist, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG im Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorlagen, kann nach den obigen Ausführungen im Ergebnis offen bleiben. Auch die Frage, ob die Beklagte ihr Ermessen bei der Identitätsfeststellung fehlerhaft ausgeübt und somit gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen hat, bedarf nach den obigen Ausführungen keiner Entscheidung.
35 
Die sich an die Identitätsfeststellung anschließende Maßnahme des Datenabgleichs ist ebenfalls rechtswidrig erfolgt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG kann die Bundespolizei die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangten personenbezogenen Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Danach können alle personenbezogenen Daten, die der Bundespolizei auf rechtmäßige Art und Weise bekannt geworden sind, mit dem Datenbestand abgeglichen werden (vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, 5. Aufl. 2015, § 34 Rn. 12). Da die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers - wie ausgeführt - auf rechtswidrige Weise erlangt hat, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 2 BPolG nicht vor.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Denn die Klärung der für die Beurteilung des Streitfalles maßgeblichen Rechtsfrage hat - über ihre Bedeutung für den zu entscheidenden konkreten Fall hinaus - wesentliche Bedeutung für die einheitliche Auslegung und Anwendung sowie für die Fortbildung des Rechts (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 132 Rn. 9). Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE wurden im Jahr 2013 2.321.243 und im Jahr 2014 2.313.750 Identitätskontrollen auf die Befugnisnorm des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG gestützt (vgl. BT-Drs. 18/4149, 4 f.). Die Unvereinbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit den Art. 20, 21 des Schengener Grenzkodex wird vorliegend erstmals verwaltungsgerichtlich festgestellt. Auch die Europäische Kommission ist im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens mit Fragen zur Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 Nr. 3 des BPolG mit der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 an die Bundesregierung herangetreten. Die Bundesregierung geht demgegenüber nach wie vor davon aus, dass § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG mit europäischem Recht vereinbar ist und Kontrollintensität und -häufigkeit für den Binnengrenzbereich in Deutschland rechtlich hinreichend konkret normiert sind; sie erklärte im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 17.12.2014, dass sie in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission stehe und den Zweifeln an der Unionsrechtskonformität der Polizeikontrollen im Grenzbereich durch untergesetzliche Maßnahmen begegnen wolle (vgl. BT-Drs. 18/4149, 1 f.).
38 
Beschluss vom 22. Oktober 2015
39 
Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf
40 
10.000 EUR
41 
festgesetzt.

(1) Die Bundespolizei kann die Identität einer Person feststellen

1.
zur Abwehr einer Gefahr,
2.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs,
3.
im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet oder zur Verhütung von Straftaten im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 4,
4.
wenn die Person sich in einer Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3), einer Anlage oder Einrichtung der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4), dem Amtssitz eines Verfassungsorgans oder eines Bundesministeriums (§ 5) oder an einer Grenzübergangsstelle (§ 61) oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
5.
zum Schutz privater Rechte.

(1a) Das in Absatz 1 Nr. 3 genannte Grenzgebiet erstreckt sich im Küstengebiet von der seewärtigen Begrenzung an bis zu einer Tiefe von 50 Kilometern; darüber hinaus nur nach Maßgabe der Rechtsverordnung zu § 2 Abs. 2 Satz 2.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben nach § 7 kann die Bundespolizei ferner die Identität einer Person feststellen, wenn sie

1.
sich an einem Ort aufhält, in bezug auf den Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort
a)
Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben oder
b)
sich Straftäter verbergen,
2.
sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dort Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind, und die Feststellung der Identität auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist, oder
3.
an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Bundespolizei eingerichtet worden ist, um
a)
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
b)
Straftaten im Sinne des § 27 des Versammlungsgesetzes
zu verhindern, für deren Begehung Tatsachen sprechen.

(3) Die Bundespolizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten, ihn nach seinen Personalien befragen und verlangen, daß er Ausweispapiere zur Prüfung aushändigt. Bei der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs kann die Bundespolizei ferner verlangen, daß der Betroffene Grenzübertrittspapiere vorlegt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle mitgenommen werden, wenn seine Identität oder seine Berechtigung zum Grenzübertritt auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen des Satzes 4 können der Betroffene sowie die von ihm mitgeführten Sachen nach Gegenständen, die der Identitätsfeststellung dienen, durchsucht werden.

(4) Die Bundespolizei kann, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, verlangen, daß Berechtigungsscheine, Bescheinigungen, Nachweise oder sonstige Urkunden zur Prüfung ausgehändigt werden, wenn der Betroffene auf Grund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diese Urkunden mitzuführen.

(5) Die Bundespolizei kann verlangen, daß sich Personen ausweisen, die eine Einrichtung der Bundespolizei (§ 1 Abs. 3) oder den Amtssitz eines Verfassungsorganes oder eines Bundesministeriums (§ 5) betreten wollen oder darin angetroffen werden. Von den in Satz 1 bezeichneten Personen mitgeführte Sachen können bei der Einlaßkontrolle durchsucht werden, wenn dies auf Grund der Gefährdungslage oder auf die Person bezogener Anhaltspunkte erforderlich ist.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung

1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und
a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig handelt,
2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe a zugunsten eines minderjährigen ledigen Ausländers handelt, der ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut für ihn übernommen hat, in das Bundesgebiet einreist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn

1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundespolizei kann eine Person befragen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben für die Erfüllung einer bestimmten der Bundespolizei obliegenden Aufgabe machen kann. Zum Zwecke der Befragung kann die Person angehalten werden. Auf Verlangen hat die Person mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung auszuhändigen.

(1a) Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes (§ 3), soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens (§ 4) mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, daß mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

(2) Die befragte Person ist verpflichtet, Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit anzugeben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Bundespolizei erforderlich ist. Eine weitergehende Auskunftspflicht besteht nur für die nach den §§ 17 und 18 Verantwortlichen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 für die dort bezeichneten Personen sowie für die Personen, für die gesetzliche Handlungspflichten bestehen, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.

(3) Unter den in den §§ 52 bis 55 der Strafprozeßordnung bezeichneten Voraussetzungen ist der Betroffene zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, soweit die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Die betroffene Person ist über ihr Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren. Auskünfte, die gemäß Satz 2 erlangt wurden, dürfen nur für den dort bezeichneten Zweck verwendet werden.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. § 12 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes findet keine Anwendung.

(1) Die Bundespolizei kann personenbezogene Daten mit dem Inhalt von Dateien abgleichen, die sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben führt oder für die sie Berechtigung zum Abruf hat,

1.
zur polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs oder,
2.
wenn Grund zu der Annahme besteht, daß dies zur Erfüllung einer sonstigen Aufgabe der Bundespolizei erforderlich ist.
Die Bundespolizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Der Betroffene kann für die Dauer des Abgleichs angehalten werden.

(2) Rechtsvorschriften über den Datenabgleich in anderen Fällen bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.