Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 06. Nov. 2014 - 8 B 1101/14
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. September 2014 geändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
3Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht teilweise stattgegeben.
4Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, führt zu einer Abänderung der angegriffenen Entscheidung.
5Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ihr steht nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein ‑ im Beschwerdeverfahren allein noch anhängiger ‑ Anspruch auf teilweise Löschung des im Internet veröffentlichten Berichts über die Umweltinspektion vom 2. Mai 2013 in der Fassung vom 5. September 2013 zu. Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs liegen hinsichtlich der Streichung der im Bericht vorgenommenen Bewertung des festgestellten Mangels und der in der Legende erläuterten Bewertungskategorien aller Voraussicht nach nicht vor.
6Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art. Der Grundrechtsträger kann daher gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen, wenn ihm eine Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder sie bereits eingetreten ist und noch andauert.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. September 2013 - 5 B 417/13 -, NWVBl 2013, 120, juris Rn. 13, und vom 24. April 2013 - 13 B 192/13 -, NWVBl 2013, 334, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.
8Die Antragstellerin kann sich als juristische Person privaten Rechts zwar gegenüber der Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet sowohl auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit berufen. Denn sie wird durch die Veröffentlichung in ihrer maßgeblichen wirtschaftlich-unternehmerischen Tätigkeit unmittelbar tangiert. Dieser Grundrechtsschutz steht ihr der Sache nach auch insoweit zu, als die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts durch das Unionsrecht bestimmt ist.
9Vgl. hierzu ausführlich OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2014 - 8 B 721/14 -, S. 3 ff. des Abdrucks, m.w.N.
10Er begründet im Streitfall jedoch keinen Unterlassungsanspruch, weil die Internet-Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts insgesamt rechtmäßig sein dürfte.
11Es spricht ganz Überwiegendes für die Annahme, dass § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die zuständige Stelle ermächtigt, die anlässlich einer Vor-Ort-Besichtigung erhobenen und berichtsförmig zusammengestellten Daten aktiv zu verbreiten. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verweist jedenfalls auch auf die Regelungen in § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG zur Unterrichtung der Öffentlichkeit (dazu a). Die zuständigen Behörden sind - anders als das Verwaltungsgericht meint - auch zu einer Bewertung der festgestellten Verstöße befugt (dazu b). Der mit der aktiven Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (dazu c). Im vorliegenden Einzelfall dürfte die Veröffentlichung auch mit den gesetzlichen Vorgaben des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG in Einklang stehen (dazu d).
12a) Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG erstellt die zuständige Behörde nach jeder Vor-Ort-Besichtigung (§ 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG) einen Bericht mit den relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Der Bericht ist dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung durch die zuständige Behörde zu übermitteln (§ 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG). Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Bericht der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG setzt Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 um, der bestimmt, dass die zuständige Behörde den Bericht gemäß der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (RL 2003/4) der Öffentlichkeit binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich macht.
13Es kann offen bleiben, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die zuständigen Behörden verpflichtet, die Umweltinspektionsberichte aktiv im Internet zu verbreiten; die Vorschrift ermächtigt sie jedenfalls hierzu.
14Vgl. näher OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2014 ‑ 8 B 721/14 -, S. 8 ff. des Abdrucks.
15Weder Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 noch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG lassen sich Hinweise darauf entnehmen, dass die zuständige Behörde die Umweltinspektionsberichte ausschließlich auf Antrag zur Verfügung stellen darf. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG verweist zumindest auch auf die aktive Verbreitung der Informationen. Die aktive Verbreitung ist gegenüber dem passiven Informationszugang auch nicht nachrangig, sondern steht nach der Konzeption des Umweltinformationsgesetzes jedenfalls gleichrangig neben ihm. Langfristig dient die aktive Verbreitung von Umweltinformationen dem schrittweisen Abbau der Notwendigkeit des passiven Informationszugangs.
16Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 1, Stand 2014, § 1 UIG, Rn. 10 und § 10 UIG Rn. 1; Scherzberg, in: Fluck/Fischer/Fetzer,Informationsfreiheitsrecht, Band 1, Stand Oktober 2013, § 1 UIG Rn. 16.
17b) Die zuständigen Behörden sind ferner ermächtigt, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu bewerten. Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG hat der Umweltinspektionsbericht sowohl die relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen als auch Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind, zu enthalten. Verstößt der Betreiber einer Anlage „in schwerwiegender Weise“ gegen die Genehmigung, hat die zuständige Behörde nach § 52 a Abs. 3 S. 2 BImSchG eine zusätzliche Vor-Ort-Besichtigung innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verstoßes durchzuführen. Nach diesen Regelungen ist die Behörde gehalten, eine Beurteilung der Verstöße vorzunehmen. Sowohl die erforderlichen Schlussfolgerungen zur Frage weiterer Maßnahmen als auch die Notwendigkeit von eventuellen zusätzlichen Überprüfungsmaßnahmen erfordern eine inhaltliche, bewertende Auseinandersetzung mit den festgestellten Verstößen. Dieser Anforderung wird in der Regel nur genügt, wenn die relevanten Feststellungen in Umweltinspektionsberichten auch Aussagen zur Umweltrelevanz von Verstößen enthalten; die lediglich technische Beschreibung eines festgestellten Mangels reicht hierzu überwiegend nicht aus. Damit wird im Ergebnis auch den Regelungen in § 10 Abs. 3 S. 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG Rechnung getragen. Danach soll die Verbreitung von Umweltinformationen in einer für die Öffentlichkeit verständlichen Form erfolgen. Nur aufgrund fachkundiger Bewertungen ist die Öffentlichkeit in der Lage, die Schlussfolgerungen der Behörde zum Erfordernis weiterer Maßnahmen nachzuvollziehen. Ohne eine Bewertung der Feststellungen kann sie weder die tatsächliche (Umwelt)Bedeutung des Verstoßes einordnen noch zuverlässig beurteilen, ob die beabsichtigte Reaktion der zuständigen Behörde dem festgestellten Verstoß angemessen ist.
18Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Umweltinspektionsbericht insgesamt zugänglich zu machen, ohne bestimmte Teile auszunehmen. Dies schließt die Ermächtigung der zuständigen Behörde ein, den Umweltinspektionsbericht nicht nur in Teilen, sondern insgesamt - einschließlich der Bewertungen - der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen.
19c) Der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Berufsfreiheit dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
20Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten preisgegeben und/oder verwendet werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Einzelangaben über ihre persönlichen oder sachlichen Verhältnisse. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. Sie schützt auch das berufsbezogenen Verhalten inländischer juristischer Personen, soweit sie ‑ wie die Antragstellerin ‑ eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht (Art. 19 Abs. 3 GG).
21Hinsichtlich des Schutzumfangs bestehen keine Unterschiede zwischen dem Grundrecht auf Berufsfreiheit und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Weder ergibt sich aus der Berufsfreiheit ein gegenüber der informationellen Selbstbestimmung weitergehender Schutz, noch ergibt sich aus der informationellen Selbstbestimmung ein gegenüber der Berufsfreiheit weitergehender Schutz.
22Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. März 2014 - 1 BvR 3541/13 u.a. -, NJW 2014, 1581, juris Rn 32, und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 205.
23Die genannten Grundrechte sind nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieser Rechte hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Dies ist hier der Fall (dazu (1)). § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu (2)). Die Ausgestaltung des Verfahrens entspricht den sachlichen Erfordernissen eines effektiven Grundrechtsschutzes (dazu (3)).
24Vgl. auch zu Folgendem z.B. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 165 ff; OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2014 - 8 B 721/14 -, S. 11 ff. des Abdrucks.
25(1) § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist hinreichend klar und bestimmt. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs sind in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt. Die Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten wird durch die in regelmäßigen Abständen oder außerordentlich stattfindenden Vor-Ort-Besichtigungen im Sinne des § 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG ausgelöst. Bei den Vor-Ort-Besichtigungen überprüft die zuständige Stelle turnusmäßig oder anlassbezogen insbesondere, ob der Betrieb der Anlage die Anforderungen der Genehmigung erfüllt. Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Besichtigung einschließlich der Bewertung und der Schlussfolgerungen dient dazu, die Öffentlichkeit zum einen über Verstöße („relevante Feststellungen“) gegen die spezifisch umweltbezogenen Vorgaben der Genehmigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einschließlich der Nebenbestimmungen und zum anderen über die von der Behörde vor diesem Hintergrund eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten. Diese inhaltliche Grenze entspricht der Zwecksetzung des zugrundeliegenden Unionsrechts, mit dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen dazu beizutragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und so den Umweltschutz und die Umweltqualität zu verbessern (Erwägung (1) zu RL 2010/75; auch Erwägung (14) zu RL 2010/75).
26(2) Der Grundrechtseingriff durch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist verhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Veröffentlichung der umweltbezogenen Informationen legitime Gemeinwohlziele. Sie dient der Umsetzung unionsrechtlicher Regelungen, die die Verbesserung der Umweltqualität und des Umweltschutzes bezwecken. Dies soll durch erhöhte Transparenz umweltrelevanter Betätigungen Einzelner und der Entscheidungsfindungsprozesse der zuständigen Behörden erreicht werden. An der - vom Unionsrecht vorausgesetzten - Eignung der Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte, diesen Zweck zu fördern, bestehen keine Zweifel.
27Es fehlt auch nicht deshalb an der Erforderlichkeit, weil mit der Veröffentlichung nur der festgestellten Verstöße und der Schlussfolgerungen ohne eine Bewertung der Verstöße bezogen auf die gesetzliche Zielsetzung ein gleich geeignetes und den betroffenen Betreiber weniger belastendes Mittel gegeben wäre. Die Veröffentlichung der festgestellten Verstöße und der Schlussfolgerungen allein ist nicht in gleicher Weise geeignet, die Transparenz umweltrelevanter Betätigungen und behördlicher Entscheidungen zu erhöhen. Die Öffentlichkeit kann - wie oben dargelegt - ohne eine Bewertung des Verstoßes weder dessen Umweltrelevanz noch die behördlichen Reaktionen nachvollziehen.
28§ 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG wahrt auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Das Interesse der Allgemeinheit an einem wirksamen Umweltschutz überwiegt das Interesse der betroffenen Unternehmen, von geschäfts- und rufschädigenden Umweltinspektionsberichten verschont zu bleiben. Zwar ist der Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum der betroffenen Betreiber nicht unerheblich. Die Betreiber haben - wie es die Antragstellerin auch geltend macht - aufgrund der Veröffentlichung eines genehmigungswidrigen Verhaltens negative wirtschaftliche Folgen zu gewärtigen, die auch langfristiger Art sein können. Das Gewicht dieser Folgen wird allerdings dadurch gemildert, dass die betroffenen Unternehmen selbst den Anlass für die Veröffentlichung geben. Die Betreiber der Anlagen kennen den Inhalt des Genehmigungsbescheids. Sie sind verpflichtet, die Anforderungen der Genehmigung zu erfüllen, und sie haben die Erfüllung dieser Vorgaben aufgrund ihrer innerbetrieblichen Einflussmöglichkeiten auch regelmäßig in der Hand. Erfüllen sie ihre Verpflichtungen, wird die Veröffentlichung für sie negativer Umweltinspektionsberichte vermieden.
29Die Unternehmen sind zwar nicht vor der aktiven Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen und auch nicht vor informationsbedingten Imageschäden und Umsatzeinbußen geschützt. Allerdings ist die Richtigkeit einer wettbewerbsrelevanten Information grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 279, juris Rn. 45 und 60 (Glykolwarnung); OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 208 (zu einem Fall des Informationszugangs auf Antrag).
31Die Behörde muss vor diesem Hintergrund anders als bei der antragsabhängigen Herausgabe von Umweltinformationen,
32vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 2014, § 7 UIG Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 228,
33vor einer aktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit die Richtigkeit der Information überprüfen, jedenfalls muss sie entsprechende Zweifel kenntlich machen. Stellt sich eine Information nachträglich als falsch heraus oder trifft sie aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Umstände nicht mehr zu, muss die Behörde mit der Löschung oder der Richtigstellung/Aktualisierung der Information reagieren. Diese aus dem Grundrechtsschutz der Betroffenen fließenden Pflichten der Behörde sind gesetzlich in § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG verankert. Nach § 10 Abs. 6 UIG finden § 7 Abs. 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 UIG bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit entsprechende Anwendung. Nach § 7 Abs. 3 UIG, der unmittelbar für das Antragsverfahren nach §§ 3 ff. UIG gilt, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, soweit möglich, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind. Ungeachtet der Frage, ob die Behörde bei der Offenlegung - wie hier - eigener Informationen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ohnehin eine Richtigkeitsgewähr trifft, ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen.
34Vgl. auch Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1463.
35Zu diesen Anforderungen gehört auch, dass die zuständige Behörde den veröffentlichten Umweltinspektionsbericht ergänzt, wenn und soweit der Anlagenbetreiber festgestellte Mängel beseitigt hat. Diesem Erfordernis trägt der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 (Seite 4) Rechnung.
36Die Informationen dürfen ferner - insbesondere auch zum Schutz des betroffenen Betreibers - nicht unsachlich sein. Diesem Ziel dient unter anderem das oben dargestellte Erfordernis, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen auch nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu beschreiben.
37(3) Der Grundrechtsschutz ist durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert. Insoweit sind insbesondere Aufklärungs-, Auskunfts- Löschungs- und Ergänzungspflichten von Bedeutung. Auf die obigen Ausführungen zu den Prüf-, Löschungs- und Ergänzungspflichten der zuständigen Behörde bei unrichtigen Informationen oder nachträglichen maßgeblichen Änderungen der Sachlage kann verwiesen werden. § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG sieht ferner vor, dass der Bericht dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zu übermitteln ist. Der Betreiber hat damit ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
38Notwendig ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. mit § 7 Abs. 3 UIG auch eine hinreichend klare und verständliche Darstellung der Bewertung festgestellter Mängel gegenüber der Öffentlichkeit. Insoweit reicht eine Qualifizierung als „geringfügig“ oder „erheblich“ allein regelmäßig nicht aus. Ohne nähere Erläuterungen oder eine Offenlegung der diese Qualifizierung tragenden Maßstäbe (wie z.B. im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2012) haben diese Angaben keine ausreichende Aussagekraft oder verursachen möglicherweise sogar Fehlvorstellungen. Der von § 7 Abs. 3 UIG geforderten „Vergleichbarkeit“ der Umweltinformationen dient es, wenn - wie in Nordrhein-Westfalen - einheitliche Maßstäbe und Begrifflichkeiten aufgrund ministerieller Verwaltungsvorschriften zugrunde gelegt werden.
39Es fehlt schließlich auch nicht an einer ausreichenden zeitlichen Begrenzung der Veröffentlichung. Die Dauer der Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts ist durch die nächste turnusmäßige oder anlassbezogene Vor-Ort-Besichtigung begrenzt. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 52 a Abs. 3 Satz 1 BImSchG und § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG. Danach darf der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen bei Anlagen, die der höchsten Risikostufe unterfallen, ein Jahr, bei Anlagen, die der niedrigsten Stufe unterfallen, drei Jahre nicht überschreiten. Aus der grundsätzlichen Verpflichtung, die veröffentlichten Umweltinspektionsberichte auf dem gegenwärtigen Stand zu halten, folgt eine ein- bzw. dreijährige Begrenzung ihrer Veröffentlichung. Diese Zeiträume sind unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 sieht hiermit übereinstimmend vor, dass ein Umweltinspektionsbericht aus dem Internet zu entfernen ist, sobald ein aktualisierter Umweltinspektionsbericht für dieselbe Anlage im Internet veröffentlicht wird.
40d) Der streitgegenständliche Umweltinspektionsbericht über die Vor-Ort-Besichtigung der Anlage der Antragstellerin am 2. Mai 2013 entspricht den dargestellten Anforderungen. Die Bewertung der getroffenen relevanten Feststellungen - hier als „erheblich“ - ist als solche nicht zu beanstanden. Die im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 angeführten und vom Antragsgegner bei der Bewertung angelegten Maßstäbe zur Beschreibung von Mängeln als geringfügig, erheblich oder schwerwiegend begegnen keinen Bedenken. Geringfügige Mängel sind danach festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die augenscheinlich nicht zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Erhebliche Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Schwerwiegende Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu akuten erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führen können. Diese Maßstäbe sind im Lichte des § 52 a Abs. 5 BImSchG sachgerecht, ausreichend differenziert und für unbeteiligte Dritte nachvollziehbar. Sie werden in dem angegriffenen Umweltinspektionsbericht auch ausdrücklich wiedergegeben und offengelegt.
41Es ist ferner nicht zu erkennen, dass die Darstellung der Mängel in dem Umweltinspektionsbericht vom 5. September 2013 sachlich unzutreffend ist.
42Auf die Frage, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, kommt es nach alldem nicht mehr an.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
45Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 06. Nov. 2014 - 8 B 1101/14
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 10. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
3A. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens untersagt, den Bericht über die Umweltinspektion am 28. August 2013 in der Fassung der Anlage AG 9 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 4. März 2014 im Internet zu veröffentlichen. Der Antragstellerin stünden ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zu. Eine Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts sei rechtswidrig und würde die Antragstellerin in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Freiheit der Berufsausübung verletzen. Zwar dürfte es nach § 52 a Abs. 5 i.V.m. § 10 UIG grundsätzlich zulässig sein, Umweltinspektionsberichte im Internet zu veröffentlichen. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ermächtige aber nicht zur Aufnahme einer Bewertung festgestellter Mängel als „erheblich“ in den Bericht, wie dies hinsichtlich der Öffnung in der Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer geschehen sei. Ungeachtet dessen sei die Definition des Begriffs „erheblich“ im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 zu weit. Denn sie könne einen unzutreffenden Eindruck über das tatsächliche Ausmaß der Umweltbeeinträchtigung hervorrufen. Soweit im Bericht ferner bemängelt werde, die Antragstellerin habe Wartungsmaterial (Filterschläuche für die Entstaubungsanlage Klinkersilo) nicht in ausreichender Menge bevorratet, liege mangels einer Vorratspflicht der Antragstellerin der angeführte („geringfügige“) Mangel nicht vor. Der mit der Veröffentlichung des Berichts im Internet verbundene Grundrechtseingriff und die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen könnten auch im Falle des Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden.
4B. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Die - mit der Beschwerde allein angegriffene - Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne einen Anordnungsanspruch geltend machen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin kann auch im Lichte des Beschwerdevorbringens verlangen, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet vorläufig unterbleibt.
5Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch der Antragstellerin hat seine Grundlage in den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung (dazu 1.).
6Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art. Der Grundrechtsträger kann daher gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen, wenn ihm eine Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder sie bereits eingetreten ist und noch andauert.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. September 2013 - 5 B 417/13 -, NWVBl 2013, 120, juris Rn. 13, und vom 24. April 2013 - 13 B 192/13 -, NWVBl 2013, 334, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.
8Diese Voraussetzungen liegen vor. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Internet-Veröffentlichung des Umweltberichts über die Vor-Ort-Besichtigung vom 28. August 2013 ist aller Voraussicht nach rechtswidrig; sie entspricht nicht den Vorgaben der ‑ verfassungsrechtlich wohl unbedenklichen - Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG (dazu 2.).
91. Die Antragstellerin, eine juristische Person privaten Rechts, kann sich gegenüber einer Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet sowohl auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit berufen (dazu a). Der Sache nach steht ihr dieser Grundrechtsschutz auch insoweit zu, als die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts durch das Unionsrecht bestimmt ist (dazu b).
10a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten preisgegeben und/oder verwendet werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Einzelangaben über ihre persönlichen oder sachlichen Verhältnisse. Träger des Grundrechts können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen sein. Bei natürlichen Personen ist das Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG verankert. Juristische Personen des privaten Rechts sind Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur, soweit dieses Grundrecht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist und das Grundrecht korporativ betätigt werden kann. Geschützt ist insoweit (nur) der in der Regel durch eine bestimmte Zwecksetzung begrenzte Tätigkeitskreis der juristischen Person. Es kommt daher maßgeblich auf die Bedeutung der betroffenen Information für diesen grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an.
11Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, juris Rn. 150 ff. und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 151 und 155.
12Danach ist die Antragstellerin Trägerin des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die maßgebliche wirtschaftlich-unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin wird durch die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts unmittelbar tangiert. Umweltinspektionsberichte enthalten nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG behördliche Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sowie der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG und Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Diese Angaben betreffen sachliche Verhältnisse des Unternehmens und sind als personenbezogene Daten zu qualifizieren. Zweck des Zugänglichmachens der Berichte ist die Information der Öffentlichkeit - also auch möglicher Kunden und Geschäftspartner - unter anderem darüber, ob das Unternehmen seinen Verpflichtungen aus dem Genehmigungsbescheid nachkommt. Der Inhalt des Berichts kann daher einen wettbewerbsrelevanten Eindruck über die Zuverlässigkeit des Unternehmens vermitteln.
13Daneben kann die Antragstellerin sich auch auf das Grundrecht aus Art. 12 GG berufen. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. „Beruf“ ist jede Tätigkeit, die auf Dauer berechnet ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient. Das Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht. Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Geschützt ist ihr berufsbezogenes Verhalten. Das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung schützt den Marktteilnehmer jedoch nicht vor der aktiven Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen. Ein am Markt tätiges Unternehmen setzt sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aus. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie es selbst gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht. Das Grundrecht schützt daher auch nicht vor informationsbedingten Imageschäden und Umsatzeinbußen. Allerdings ist die Richtigkeit einer wettbewerbsrelevanten Information grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert.
14Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 279, juris Rn. 45 und 60 (Glykolwarnung);.OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 208 (zu einem Fall des Informationszugangs auf Antrag).
15Hinsichtlich des Schutzumfangs der beiden Grundrechte bestehen keine Unterschiede. Weder ergibt sich aus der Berufsfreiheit ein gegenüber der informationellen Selbstbestimmung weitergehender Schutz, noch ergibt sich aus der informationellen Selbstbestimmung ein gegenüber der Berufsfreiheit weitergehender Schutz.
16Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. März 2014 - 1 BvR 3541/13 u.a. -, NJW 2014, 1581, juris Rn 32, und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 205.
17b) Die Antragstellerin kann den grundrechtlichen Schutz ihrer personenbezogenen Daten der Sache nach in gleicher Weise geltend machen, soweit die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts vorliegend durch das Unionsrecht bestimmt wird. Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Sachverhalt im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „vollständig“ durch das Unionsrecht bestimmt wird, kann daher offen bleiben.
18Die Regelung des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG dient der Umsetzung von Art. 23 Abs. 6 der Richtlinie 2010/75 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verhinderung der Umweltverschmutzung) - RL 2010/75 -. Im Geltungsbereich des Unionsrechts sind die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) einschlägig, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang das Unionsrecht das Handeln des Mitgliedsstaats bestimmt. Die Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 bei der Durchführung von Unionsrecht auch für die Mitgliedstaaten; die nationalen Behörden und Gerichte haben die in der Charta garantierten Grundrechte immer zu beachten und anzuwenden. In den Fällen, in denen das Handeln des Mitgliedstaates vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, sind ausschließlich die Grundrechte der Charta anwendbar. Ansonsten gelten sie subsidiär und es steht den nationalen Behörden und Gerichten frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.
19Vgl. EuGH, Urteil Fransson vom 26. Februar 2010, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 20, 21 und 29, juris; auch: BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 91.
20Dass die Charta bezogen auf den Schutz personenbezogener Daten von juristischen Personen ein vom deutschen Verfassungsrecht abweichendes Schutzniveau aufweist, ist nicht zu erkennen. Art. 8 Abs. 1 der Charta, wonach jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat, dürfte zwar nur natürliche Personen betreffen.
21Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte - Erläuterungen zu Art. 8. - Schutz personenbezogener Daten mit Verweisen auf Art. 16 AEUV, die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr.
22In Art. 16 der Charta wird jedoch die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ausdrücklich anerkannt. Ausweislich der Erläuterungen zu Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) stützt sich dieser Artikel auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben und die Vertragsfreiheit anerkannt hat, sowie auf Art. 119 Abs. 1 und 3 AEUV, in dem der freie Wettbewerb anerkannt wird. Er kann nach Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden. Nach dieser Vorschrift muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Diese Anforderungen entsprechen den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in die nationalen Grundrechte auf Berufsfreiheit oder auf informationelle Selbstbestimmung.
232. Die beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts über die Vor-Ort-Besichtigung des Betriebes der Antragstellerin vom 28. August 2013 dürfte in der jetzigen Form rechtswidrig sein.
24Es spricht ganz Überwiegendes für die Annahme, dass § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die zuständige Stelle ermächtigt, die anlässlich einer Vor-Ort-Besichtigung erhobenen und berichtsförmig zusammengestellten Daten aktiv zu verbreiten. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verweist jedenfalls auch auf die Regelungen in § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG zur Unterrichtung der Öffentlichkeit (dazu a). Die zuständigen Behörden sind zu einer Bewertung der festgestellten Verstöße befugt. (dazu b). Der mit der aktiven Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (dazu c). Im vorliegenden Einzelfall steht die Veröffentlichung jedoch nicht mit den gesetzlichen Vorgaben des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG in Einklang (dazu d).
25a) Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG erstellt die zuständige Behörde nach jeder Vor-Ort-Besichtigung (§ 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG) einen Bericht mit den relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Der Bericht ist dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung durch die zuständige Behörde zu übermitteln (§ 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG). Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Bericht der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG setzt Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 um, der bestimmt, dass die zuständige Behörde den Bericht gemäß der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (RL 2003/4) der Öffentlichkeit binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich macht.
26Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG und Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 die zuständigen Behörden verpflichten, die Umweltinspektionsberichte aktiv zu verbreiten und es nicht genügt, die Berichte lediglich auf Antrag zur Verfügung zu stellen. In diese Richtung könnte allerdings deuten, dass die Informationen ausdrücklich der „Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht werden sollen (englische Fassung: „The report shall be made publicly available in accordance with the Directive …“; französische Fassung: „Il est rendu disponible au public…conformément à la directive…“.). Das von § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG in Bezug genommene Umweltinformationsgesetz unterscheidet zwischen dem Informationszugang auf Antrag einer „Person“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 3 ff. UIG) und der Unterrichtung der „Öffentlichkeit“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG). Die Öffentlichkeit ist allein Adressatin der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG. Das Unionsrecht unterscheidet in gleicher Weise. Zwar verwendet der Unionsgesetzgeber in dem Titel der RL 2003/4 („Zugang der Öffentlichkeit“) und den ihr vorangestellten Erwägungen auch einen weiteren - die Adressaten beider Formen des Informationszugangs umfassenden - Begriff der Öffentlichkeit. Im normativen Teil der Richtlinie grenzt der Unionsgesetzgeber aber ausdrücklich den Begriff der „Öffentlichkeit“ in Art. 2 Nr. 6 RL 2003/4 von dem - engeren - Begriff des „Antragstellers“ (englische Fassung: „applicant“; französische Fassung: „demandeur“) in Art. 2 Nr. 5 RL 2003/4 ab. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4 sind Umweltinformationen allen „Antragstellern“ auf Antrag zugänglich zu machen; Art. 7 Abs. 1 RL 2003/4 regelt demgegenüber eine aktive und systematische Verbreitung von Umweltinformationen in der „Öffentlichkeit“.
27Einer solchen Auslegung steht weder die Verwendung des Begriffs „zugänglich zu machen“ noch der allgemeine Verweis auf die Vorschriften über den „Zugang zu Umweltinformationen“ entgegen. Die Formulierung „zugänglich“ findet sich sowohl beim Recht auf Informationszugang als auch bei der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen, so in § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 UIG; „Zugang“ zu Informationen wird gleichermaßen bei der Bereitstellung auf Antrag wie bei der Verbreitung gewährt.
28Die Frist für die Zugänglichmachung stützt diese Auslegung. Mit der Formulierung „innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen“ in § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG bzw. „binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung“ in Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 (englische Fassung „within 4 months of the site visit taking place“; französische Fassung: „dans les quatre mois suivant la visite du site“) wird - wie bei der Zweimonatsfrist des § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG und des Art. 23 Abs. 6 Satz 2 RL 2010/75 - der Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Behörde tätig werden soll. Die Wendung deutet darauf hin, dass die Zugänglichmachung innerhalb der Frist abgeschlossen sein soll. Mit dem Antragsverfahren ließe sich dies nur schwer vereinbaren.
29Letztlich kann offen bleiben, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die Behörde zu einer aktiven Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte verpflichtet. Jedenfalls ermächtigt die Vorschrift hierzu.
30Vgl. Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1462; König, DVBL 2013, 1356, 1361; Halmschlag, I+E 2011, 16, 20; Jarass, NVwZ 2013, 169, 174; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395, 401; Schwertner, in: Giesberts/Reinhardt, Beck´scher Online-Kommentar Umweltrecht, Stand 1. Juli 2014, § 52 a BImSchG Rn. 5; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 52 a Rn. 7; a.A. Hennecken/ Rosenbeck, I+E 2014, 2, 5.
31Wie aus den voranstehenden Erwägungen ersichtlich, lassen sich weder Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 noch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG Hinweise darauf entnehmen, dass die zuständige Behörde die Umweltinspektionsberichte ausschließlich auf Antrag zur Verfügung stellen darf. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG verweist zumindest auch auf die aktive Verbreitung der Informationen. Die aktive Verbreitung ist - anders als die Antragstellerin meint - gegenüber dem passiven Informationszugang auch nicht nachrangig, sondern steht nach der Konzeption des Umweltinformationsgesetzes jedenfalls gleichrangig neben ihm. Langfristig dient die aktive Verbreitung von Umweltinformationen dem schrittweisen Abbau der Notwendigkeit des passiven Informationszugangs.
32Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 1, Stand 2014, § 1 UIG, Rn. 10 und § 10 UIG Rn. 1; Scherzberg, in: Fluck/Fischer/Fetzer, Informationsfreiheitsrecht, Band 1, Stand Oktober 2013, § 1 UIG Rn. 16.
33b) Die zuständigen Behörden sind ermächtigt, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu bewerten. Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG hat der Umweltinspektionsbericht sowohl die relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen als auch Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind, zu enthalten. Verstößt der Betreiber einer Anlage „in schwerwiegender Weise“ gegen die Genehmigung, hat die zuständige Behörde nach § 52 a Abs. 3 S. 2 BImSchG eine zusätzliche Vor-Ort-Besichtigung innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verstoßes durchzuführen. Nach diesen Regelungen ist die Behörde gehalten, eine Beurteilung der Verstöße vorzunehmen. Sowohl die erforderlichen Schlussfolgerungen zur Frage weiterer Maßnahmen als auch die Notwendigkeit von eventuellen zusätzlichen Überprüfungsmaßnahmen erfordern eine inhaltliche, bewertende Auseinandersetzung mit den festgestellten Verstößen. Dieser Anforderung wird in der Regel nur genügt, wenn die relevanten Feststellungen in Umweltinspektionsberichten auch Aussagen zur Umweltrelevanz von Verstößen enthalten; die lediglich technische Beschreibung eines festgestellten Mangels reicht hierzu überwiegend nicht aus. Damit wird im Ergebnis auch den Regelungen in § 10 Abs. 3 S. 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG Rechnung getragen. Danach soll die Verbreitung von Umweltinformationen in einer für die Öffentlichkeit verständlichen Form erfolgen. Nur aufgrund fachkundiger Bewertungen ist die Öffentlichkeit in der Lage, die Schlussfolgerungen der Behörde zum Erfordernis weiterer Maßnahmen nachzuvollziehen. Ohne eine Bewertung der Feststellungen kann sie weder die tatsächliche (Umwelt)Bedeutung des Verstoßes einordnen noch zuverlässig beurteilen, ob die beabsichtigte Reaktion der zuständigen Behörde dem festgestellten Verstoß angemessen ist.
34Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Umweltinspektionsbericht insgesamt zugänglich zu machen, ohne bestimmte Teile auszunehmen. Dies schließt die Ermächtigung der zuständigen Behörde ein, den Umweltinspektionsbericht nicht nur in Teilen, sondern insgesamt - einschließlich der Bewertungen - der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen.
35c) Der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Berufsfreiheit dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
36Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Dies ist hier der Fall (dazu (1)). § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu (2)). Die Ausgestaltung des Verfahrens entspricht den sachlichen Erfordernissen eines effektiven Grundrechtsschutzes (dazu (3)).
37Vgl. auch zu Folgendem z.B. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 165 ff.
38(1) § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist hinreichend klar und bestimmt. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs sind in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt. Die Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten wird durch die in regelmäßigen Abständen oder außerordentlich stattfindenden Vor-Ort-Besichtigungen im Sinne des § 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG ausgelöst. Bei den Vor-Ort-Besichtigungen überprüft die zuständige Stelle turnusmäßig oder anlassbezogen insbesondere, ob der Betrieb der Anlage die Anforderungen der Genehmigung erfüllt. Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Besichtigung dient (nur) dazu, die Öffentlichkeit zum einen über Verstöße („relevante Feststellungen“) gegen die spezifisch umweltbezogenen Vorgaben der Genehmigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einschließlich der Nebenbestimmungen und zum anderen über die von der Behörde vor diesem Hintergrund eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten. Diese inhaltliche Grenze entspricht der Zwecksetzung des zugrundeliegenden Unionsrechts, mit dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen dazu beizutragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und so den Umweltschutz und die Umweltqualität zu verbessern (Erwägung (1) zu RL 2010/75; auch Erwägung (14) zu RL 2010/75).
39(2) Der Grundrechtseingriff durch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist verhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Veröffentlichung der umweltbezogenen Informationen legitime Gemeinwohlziele. Sie dient der Umsetzung unionsrechtlicher Regelungen, die die Verbesserung der Umweltqualität und des Umweltschutzes bezwecken. Dies soll durch erhöhte Transparenz umweltrelevanter Betätigungen Einzelner und der Entscheidungsfindungsprozesse der zuständigen Behörden erreicht werden. An der - vom Unionsrecht vorausgesetzten - Eignung der Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte, diesen Zweck zu fördern, bestehen keine Zweifel.
40§ 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG wahrt auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Das Interesse der Allgemeinheit an einem wirksamen Umweltschutz überwiegt das Interesse der betroffenen Unternehmen, von geschäfts- und rufschädigenden Umweltinspektionsberichten verschont zu bleiben. Zwar ist der Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum der betroffenen Betreiber nicht unerheblich. Die Betreiber haben aufgrund der Veröffentlichung eines genehmigungswidrigen Verhaltens negative wirtschaftliche Folgen zu gewärtigen, die auch langfristiger Art sein können. Das Gewicht dieser Folgen wird allerdings dadurch gemildert, dass die betroffenen Unternehmen selbst den Anlass für die Veröffentlichung geben. Die Betreiber der Anlagen kennen den Inhalt des Genehmigungsbescheids. Sie sind verpflichtet, die Anforderungen der Genehmigung zu erfüllen, und sie haben die Erfüllung dieser Vorgaben aufgrund ihrer innerbetrieblichen Einflussmöglichkeiten auch regelmäßig in der Hand. Erfüllen sie ihre Verpflichtungen, wird die Veröffentlichung für sie negativer Umweltinspektionsberichte vermieden.
41Die Unternehmen sind bei einer Veröffentlichung im Internet - wie oben dargestellt - vor unrichtigen Feststellungen geschützt. Die Behörde muss anders als bei der antragsabhängigen Herausgabe von Umweltinformationen,
42vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 2014, § 7 UIG Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 228,
43vor einer aktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit die Richtigkeit der Information überprüfen, jedenfalls muss sie entsprechende Zweifel kenntlich machen. Stellt sich eine Information nachträglich als falsch heraus oder trifft sie aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Umstände nicht mehr zu, muss die Behörde mit der Löschung oder der Richtigstellung/Aktualisierung der Information reagieren. Diese aus dem Grundrechtsschutz der Betroffenen fließenden Pflichten der Behörde sind gesetzlich in § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG verankert. Nach § 10 Abs. 6 UIG finden § 7 Abs. 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit entsprechende Anwendung. Nach § 7 Abs. 3 UIG, der unmittelbar für das Antragsverfahren nach §§ 3 ff. UIG gilt, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, soweit möglich, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind. Ungeachtet der Frage, ob die Behörde bei der Offenlegung - wie hier - eigener Informationen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ohnehin eine Richtigkeitsgewähr trifft, ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen.
44Vgl. auch Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1463.
45Zu diesen Anforderungen gehört auch, dass die zuständige Behörde den veröffentlichten Umweltinspektionsbericht ergänzt, wenn und soweit der Anlagenbetreiber festgestellte Mängel beseitigt hat. Diesem Erfordernis trägt der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 (Seite 4) Rechnung.
46Die Informationen dürfen ferner - insbesondere auch zum Schutz des betroffenen Betreibers - nicht unsachlich sein. Diesem Ziel dient unter anderem das oben dargestellte Erfordernis, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen auch nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu beschreiben.
47(3) Der Grundrechtsschutz ist durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert. Insoweit sind insbesondere Aufklärungs-, Auskunfts- Löschungs- und Ergänzungspflichten von Bedeutung. Auf die obigen Ausführungen zu den Prüf-, Löschungs- und Ergänzungspflichten der zuständigen Behörde bei unrichtigen Informationen oder nachträglichen maßgeblichen Änderungen der Sachlage kann verwiesen werden. § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG sieht ferner vor, dass der Bericht dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zu übermitteln ist. Der Betreiber hat damit ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
48Notwendig ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. mit § 7 Abs. 3 UIG auch eine hinreichend klare und verständliche Darstellung der Bewertung festgestellter Mängel gegenüber der Öffentlichkeit. Insoweit reicht eine Qualifizierung als „geringfügig“ oder „erheblich“ allein regelmäßig nicht aus. Ohne nähere Erläuterungen oder eine Offenlegung der diese Qualifizierung tragenden Maßstäbe (wie z.B. im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2012) haben diese Angaben keine ausreichende Aussagekraft oder verursachen - worauf das Verwaltungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend hingewiesen hat - möglicherweise sogar Fehlvorstellungen. Der von § 7 Abs. 3 UIG geforderten „Vergleichbarkeit“ der Umweltinformationen dient es, wenn - wie in Nordrhein-Westfalen - einheitliche Maßstäbe und Begrifflichkeiten aufgrund ministerieller Verwaltungsvorschriften zugrunde gelegt werden.
49Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es auch nicht an einer ausreichenden zeitlichen Begrenzung der Veröffentlichung. Die Dauer der Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts ist durch die nächste turnusmäßige oder anlassbezogene Vor-Ort-Besichtigung begrenzt. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 52 a Abs. 3 Satz 1 BImSchG und § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG. Danach darf der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen bei Anlagen, die der höchsten Risikostufe unterfallen, ein Jahr, bei Anlagen, die der niedrigsten Stufe unterfallen, drei Jahre nicht überschreiten. Aus der grundsätzlichen Verpflichtung, die veröffentlichten Umweltinspektionsberichte auf dem gegenwärtigen Stand zu halten, folgt eine ein- bzw. dreijährige Begrenzung ihrer Veröffentlichung. Diese Zeiträume sind unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 sieht hiermit übereinstimmend vor, dass ein Umweltinspektionsbericht aus dem Internet zu entfernen ist, sobald ein aktualisierter Umweltinspektionsbericht für dieselbe Anlage im Internet veröffentlicht wird.
50d) Der streitgegenständliche Umweltinspektionsbericht über die Vor-Ort-Besichtigung der Anlage der Antragstellerin am 28. August 2013 entspricht nicht den dargestellten Anforderungen. Die bloße Bewertung der getroffenen relevanten Feststellungen als geringfügig bzw. erheblich ist - wie oben ausgeführt - ohne eine weitere Erläuterung nicht hinreichend verständlich.
51Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 angeführten und vom Antragsgegner bei der Bewertung angelegten Maßstäbe zur Beschreibung von Mängeln als geringfügig, erheblich oder schwerwiegend keinen Bedenken begegnen. Geringfügige Mängel sind danach festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die augenscheinlich nicht zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Erhebliche Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Schwerwiegende Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu akuten erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führen können. Diese Maßstäbe sind im Lichte des § 52 a Abs. 5 BImSchG sachgerecht, ausreichend differenziert und für unbeteiligte Dritte nachvollziehbar.
52Nach diesen Maßstäben dürfte ferner die Bewertung des - unstreitig festgestellten - Mangels, dass die Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer nicht vollständig geschlossen war, als „erheblich“ zutreffen. Auch der Hinweis, es sei aufgrund dieses Mangels (bei der Vor-Ort-Besichtigung) zu einem Staubaustritt gekommen, ist nach der vorläufigen Einschätzung des Senats im Eilrechtsschutzverfahren inhaltlich richtig und muss daher nicht unterbleiben. Der Senat hat keinen Anlass, die Angabe der Mitarbeiter des Antragsgegners Frau T. und Herr U. , sie hätten einen Staubaustritt wahrgenommen, in Zweifel zu ziehen. Beide haben die Richtigkeit ihrer Angabe an Eides statt versichert. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin demgegenüber erklären, einen Staubaustritt nicht wahrgenommen zu haben, stellt die Glaubhaftigkeit des Vorbringens nicht durchgreifend in Frage. Beide Behauptungen stehen nicht notwendig in Widerspruch. Die Antragstellerin weist selbst darauf hin, dass ihre Mitarbeiter bei der Begehung des Betriebes nicht ununterbrochen anwesend waren und ein Staubaustritt auch während der Abwesenheit ihrer Mitarbeiter stattgefunden haben kann. Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die weitere Angabe von Frau T. und Herrn U. , die Herren X. und N. von der Antragstellerin hätten den Staubaustritt ebenfalls wahrgenommen. Beide relativieren ihre Aussage von vorneherein mit dem Zusatz, dies sei „ihrer Erinnerung nach“ so gewesen. Der Umweltinspektionsbericht ist im Übrigen um den Hinweis zu ergänzen, dass dieser Mangel zwischenzeitlich beseitigt wurde.
53Die Beantwortung der Frage, ob das weiter festgestellte Fehlen von Wartungsmaterial einen Mangel darstellt und wie dieser gegebenenfalls zu bewerten ist, obliegt dem Hauptsacheverfahren. Der Senat regt insoweit an, die umstrittene Nebenbestimmung zu konkretisieren und im Hinblick auf die unsichere Rechtslage auf eine Veröffentlichung zu verzichten.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
55Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
56Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Die informationspflichtigen Stellen unterrichten die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. In diesem Rahmen verbreiten sie Umweltinformationen, die für ihre Aufgaben von Bedeutung sind und über die sie verfügen.
(2) Zu den zu verbreitenden Umweltinformationen gehören zumindest:
- 1.
der Wortlaut von völkerrechtlichen Verträgen, das von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassene Gemeinschaftsrecht sowie Rechtsvorschriften von Bund, Ländern oder Kommunen über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt; - 2.
politische Konzepte sowie Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt; - 3.
Berichte über den Stand der Umsetzung von Rechtsvorschriften sowie Konzepten, Plänen und Programmen nach den Nummern 1 und 2, sofern solche Berichte von den jeweiligen informationspflichtigen Stellen in elektronischer Form ausgearbeitet worden sind oder bereitgehalten werden; - 4.
Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 5.
Zulassungsentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und Umweltvereinbarungen sowie - 6.
zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach den §§ 24 und 25 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung und Risikobewertungen im Hinblick auf Umweltbestandteile nach § 2 Absatz 3 Nummer 1.
(3) Die Verbreitung von Umweltinformationen soll in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten erfolgen. Hierzu sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Zur Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 kann das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genutzt werden. Satz 2 gilt nicht für Umweltinformationen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angefallen sind, es sei denn, sie liegen bereits in elektronischer Form vor.
(4) Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internet-Seiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Umweltinformationen zu finden sind.
(5) Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt haben die informationspflichtigen Stellen sämtliche Informationen, über die sie verfügen und die es der eventuell betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen könnten, Maßnahmen zur Abwendung oder Begrenzung von Schäden infolge dieser Bedrohung zu ergreifen, unmittelbar und unverzüglich zu verbreiten; dies gilt unabhängig davon, ob diese Folge menschlicher Tätigkeit oder einer natürlichen Ursache ist. Verfügen mehrere informationspflichtige Stellen über solche Informationen, sollen sie sich bei deren Verbreitung abstimmen.
(6) § 7 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 finden entsprechende Anwendung.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben des § 10 kann auf bestimmte Stellen der öffentlichen Verwaltung oder private Stellen übertragen werden.
(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln:
- 1.
die Art und Weise der Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 über das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder über andere elektronische Kommunikationswege sowie - 2.
die Einzelheiten der Aktualisierung von veröffentlichten Umweltinformationen gemäß Absatz 2 Satz 3, einschließlich des nachträglichen Wegfalls der Unterrichtungspflicht nach Absatz 1.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Die Genehmigung kann unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Zur Sicherstellung der Anforderungen nach § 5 Absatz 3 soll bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 auch eine Sicherheitsleistung auferlegt werden.
(1a) Für den Fall, dass eine Verwaltungsvorschrift nach § 48 für die jeweilige Anlagenart keine Anforderungen vorsieht, ist bei der Festlegung von Emissionsbegrenzungen für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie in der Genehmigung sicherzustellen, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten.
(1b) Abweichend von Absatz 1a kann die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen, wenn
- 1.
eine Bewertung ergibt, dass wegen technischer Merkmale der Anlage die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre, oder - 2.
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(2) Die Genehmigung kann auf Antrag für einen bestimmten Zeitraum erteilt werden. Sie kann mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden, wenn die genehmigungsbedürftige Anlage lediglich Erprobungszwecken dienen soll.
(2a) Die Genehmigung kann mit Einverständnis des Antragstellers mit dem Vorbehalt nachträglicher Auflagen erteilt werden, soweit hierdurch hinreichend bestimmte, in der Genehmigung bereits allgemein festgelegte Anforderungen an die Errichtung oder den Betrieb der Anlage in einem Zeitpunkt nach Erteilung der Genehmigung näher festgelegt werden sollen. Dies gilt unter den Voraussetzungen des Satzes 1 auch für den Fall, dass eine beteiligte Behörde sich nicht rechtzeitig äußert.
(2b) Im Falle des § 6 Absatz 2 soll der Antragsteller durch eine Auflage verpflichtet werden, der zuständigen Behörde unverzüglich die erstmalige Herstellung oder Verwendung eines anderen Stoffes innerhalb der genehmigten Betriebsweise mitzuteilen.
(2c) Der Betreiber kann durch Auflage verpflichtet werden, den Wechsel eines im Genehmigungsverfahren dargelegten Entsorgungswegs von Abfällen der zuständigen Behörde anzuzeigen. Das gilt ebenso für in Abfallbehandlungsanlagen erzeugte Abfälle. Bei Abfallbehandlungsanlagen können außerdem Anforderungen an die Qualität und das Schadstoffpotential der angenommenen Abfälle sowie der die Anlage verlassenden Abfälle gestellt werden.
(3) Die Teilgenehmigung kann für einen bestimmten Zeitraum oder mit dem Vorbehalt erteilt werden, dass sie bis zur Entscheidung über die Genehmigung widerrufen oder mit Auflagen verbunden werden kann.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 10. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
3A. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens untersagt, den Bericht über die Umweltinspektion am 28. August 2013 in der Fassung der Anlage AG 9 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 4. März 2014 im Internet zu veröffentlichen. Der Antragstellerin stünden ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zu. Eine Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts sei rechtswidrig und würde die Antragstellerin in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Freiheit der Berufsausübung verletzen. Zwar dürfte es nach § 52 a Abs. 5 i.V.m. § 10 UIG grundsätzlich zulässig sein, Umweltinspektionsberichte im Internet zu veröffentlichen. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ermächtige aber nicht zur Aufnahme einer Bewertung festgestellter Mängel als „erheblich“ in den Bericht, wie dies hinsichtlich der Öffnung in der Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer geschehen sei. Ungeachtet dessen sei die Definition des Begriffs „erheblich“ im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 zu weit. Denn sie könne einen unzutreffenden Eindruck über das tatsächliche Ausmaß der Umweltbeeinträchtigung hervorrufen. Soweit im Bericht ferner bemängelt werde, die Antragstellerin habe Wartungsmaterial (Filterschläuche für die Entstaubungsanlage Klinkersilo) nicht in ausreichender Menge bevorratet, liege mangels einer Vorratspflicht der Antragstellerin der angeführte („geringfügige“) Mangel nicht vor. Der mit der Veröffentlichung des Berichts im Internet verbundene Grundrechtseingriff und die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen könnten auch im Falle des Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden.
4B. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Die - mit der Beschwerde allein angegriffene - Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne einen Anordnungsanspruch geltend machen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin kann auch im Lichte des Beschwerdevorbringens verlangen, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet vorläufig unterbleibt.
5Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch der Antragstellerin hat seine Grundlage in den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung (dazu 1.).
6Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art. Der Grundrechtsträger kann daher gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen, wenn ihm eine Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder sie bereits eingetreten ist und noch andauert.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. September 2013 - 5 B 417/13 -, NWVBl 2013, 120, juris Rn. 13, und vom 24. April 2013 - 13 B 192/13 -, NWVBl 2013, 334, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.
8Diese Voraussetzungen liegen vor. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Internet-Veröffentlichung des Umweltberichts über die Vor-Ort-Besichtigung vom 28. August 2013 ist aller Voraussicht nach rechtswidrig; sie entspricht nicht den Vorgaben der ‑ verfassungsrechtlich wohl unbedenklichen - Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG (dazu 2.).
91. Die Antragstellerin, eine juristische Person privaten Rechts, kann sich gegenüber einer Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet sowohl auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit berufen (dazu a). Der Sache nach steht ihr dieser Grundrechtsschutz auch insoweit zu, als die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts durch das Unionsrecht bestimmt ist (dazu b).
10a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten preisgegeben und/oder verwendet werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Einzelangaben über ihre persönlichen oder sachlichen Verhältnisse. Träger des Grundrechts können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen sein. Bei natürlichen Personen ist das Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG verankert. Juristische Personen des privaten Rechts sind Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur, soweit dieses Grundrecht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist und das Grundrecht korporativ betätigt werden kann. Geschützt ist insoweit (nur) der in der Regel durch eine bestimmte Zwecksetzung begrenzte Tätigkeitskreis der juristischen Person. Es kommt daher maßgeblich auf die Bedeutung der betroffenen Information für diesen grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an.
11Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, juris Rn. 150 ff. und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 151 und 155.
12Danach ist die Antragstellerin Trägerin des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die maßgebliche wirtschaftlich-unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin wird durch die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts unmittelbar tangiert. Umweltinspektionsberichte enthalten nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG behördliche Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sowie der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG und Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Diese Angaben betreffen sachliche Verhältnisse des Unternehmens und sind als personenbezogene Daten zu qualifizieren. Zweck des Zugänglichmachens der Berichte ist die Information der Öffentlichkeit - also auch möglicher Kunden und Geschäftspartner - unter anderem darüber, ob das Unternehmen seinen Verpflichtungen aus dem Genehmigungsbescheid nachkommt. Der Inhalt des Berichts kann daher einen wettbewerbsrelevanten Eindruck über die Zuverlässigkeit des Unternehmens vermitteln.
13Daneben kann die Antragstellerin sich auch auf das Grundrecht aus Art. 12 GG berufen. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. „Beruf“ ist jede Tätigkeit, die auf Dauer berechnet ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient. Das Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht. Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Geschützt ist ihr berufsbezogenes Verhalten. Das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung schützt den Marktteilnehmer jedoch nicht vor der aktiven Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen. Ein am Markt tätiges Unternehmen setzt sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aus. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie es selbst gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht. Das Grundrecht schützt daher auch nicht vor informationsbedingten Imageschäden und Umsatzeinbußen. Allerdings ist die Richtigkeit einer wettbewerbsrelevanten Information grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert.
14Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 279, juris Rn. 45 und 60 (Glykolwarnung);.OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 208 (zu einem Fall des Informationszugangs auf Antrag).
15Hinsichtlich des Schutzumfangs der beiden Grundrechte bestehen keine Unterschiede. Weder ergibt sich aus der Berufsfreiheit ein gegenüber der informationellen Selbstbestimmung weitergehender Schutz, noch ergibt sich aus der informationellen Selbstbestimmung ein gegenüber der Berufsfreiheit weitergehender Schutz.
16Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. März 2014 - 1 BvR 3541/13 u.a. -, NJW 2014, 1581, juris Rn 32, und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 205.
17b) Die Antragstellerin kann den grundrechtlichen Schutz ihrer personenbezogenen Daten der Sache nach in gleicher Weise geltend machen, soweit die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts vorliegend durch das Unionsrecht bestimmt wird. Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Sachverhalt im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „vollständig“ durch das Unionsrecht bestimmt wird, kann daher offen bleiben.
18Die Regelung des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG dient der Umsetzung von Art. 23 Abs. 6 der Richtlinie 2010/75 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verhinderung der Umweltverschmutzung) - RL 2010/75 -. Im Geltungsbereich des Unionsrechts sind die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) einschlägig, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang das Unionsrecht das Handeln des Mitgliedsstaats bestimmt. Die Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 bei der Durchführung von Unionsrecht auch für die Mitgliedstaaten; die nationalen Behörden und Gerichte haben die in der Charta garantierten Grundrechte immer zu beachten und anzuwenden. In den Fällen, in denen das Handeln des Mitgliedstaates vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, sind ausschließlich die Grundrechte der Charta anwendbar. Ansonsten gelten sie subsidiär und es steht den nationalen Behörden und Gerichten frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.
19Vgl. EuGH, Urteil Fransson vom 26. Februar 2010, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 20, 21 und 29, juris; auch: BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 91.
20Dass die Charta bezogen auf den Schutz personenbezogener Daten von juristischen Personen ein vom deutschen Verfassungsrecht abweichendes Schutzniveau aufweist, ist nicht zu erkennen. Art. 8 Abs. 1 der Charta, wonach jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat, dürfte zwar nur natürliche Personen betreffen.
21Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte - Erläuterungen zu Art. 8. - Schutz personenbezogener Daten mit Verweisen auf Art. 16 AEUV, die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr.
22In Art. 16 der Charta wird jedoch die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ausdrücklich anerkannt. Ausweislich der Erläuterungen zu Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) stützt sich dieser Artikel auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben und die Vertragsfreiheit anerkannt hat, sowie auf Art. 119 Abs. 1 und 3 AEUV, in dem der freie Wettbewerb anerkannt wird. Er kann nach Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden. Nach dieser Vorschrift muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Diese Anforderungen entsprechen den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in die nationalen Grundrechte auf Berufsfreiheit oder auf informationelle Selbstbestimmung.
232. Die beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts über die Vor-Ort-Besichtigung des Betriebes der Antragstellerin vom 28. August 2013 dürfte in der jetzigen Form rechtswidrig sein.
24Es spricht ganz Überwiegendes für die Annahme, dass § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die zuständige Stelle ermächtigt, die anlässlich einer Vor-Ort-Besichtigung erhobenen und berichtsförmig zusammengestellten Daten aktiv zu verbreiten. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verweist jedenfalls auch auf die Regelungen in § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG zur Unterrichtung der Öffentlichkeit (dazu a). Die zuständigen Behörden sind zu einer Bewertung der festgestellten Verstöße befugt. (dazu b). Der mit der aktiven Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (dazu c). Im vorliegenden Einzelfall steht die Veröffentlichung jedoch nicht mit den gesetzlichen Vorgaben des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG in Einklang (dazu d).
25a) Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG erstellt die zuständige Behörde nach jeder Vor-Ort-Besichtigung (§ 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG) einen Bericht mit den relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Der Bericht ist dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung durch die zuständige Behörde zu übermitteln (§ 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG). Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Bericht der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG setzt Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 um, der bestimmt, dass die zuständige Behörde den Bericht gemäß der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (RL 2003/4) der Öffentlichkeit binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich macht.
26Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG und Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 die zuständigen Behörden verpflichten, die Umweltinspektionsberichte aktiv zu verbreiten und es nicht genügt, die Berichte lediglich auf Antrag zur Verfügung zu stellen. In diese Richtung könnte allerdings deuten, dass die Informationen ausdrücklich der „Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht werden sollen (englische Fassung: „The report shall be made publicly available in accordance with the Directive …“; französische Fassung: „Il est rendu disponible au public…conformément à la directive…“.). Das von § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG in Bezug genommene Umweltinformationsgesetz unterscheidet zwischen dem Informationszugang auf Antrag einer „Person“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 3 ff. UIG) und der Unterrichtung der „Öffentlichkeit“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG). Die Öffentlichkeit ist allein Adressatin der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG. Das Unionsrecht unterscheidet in gleicher Weise. Zwar verwendet der Unionsgesetzgeber in dem Titel der RL 2003/4 („Zugang der Öffentlichkeit“) und den ihr vorangestellten Erwägungen auch einen weiteren - die Adressaten beider Formen des Informationszugangs umfassenden - Begriff der Öffentlichkeit. Im normativen Teil der Richtlinie grenzt der Unionsgesetzgeber aber ausdrücklich den Begriff der „Öffentlichkeit“ in Art. 2 Nr. 6 RL 2003/4 von dem - engeren - Begriff des „Antragstellers“ (englische Fassung: „applicant“; französische Fassung: „demandeur“) in Art. 2 Nr. 5 RL 2003/4 ab. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4 sind Umweltinformationen allen „Antragstellern“ auf Antrag zugänglich zu machen; Art. 7 Abs. 1 RL 2003/4 regelt demgegenüber eine aktive und systematische Verbreitung von Umweltinformationen in der „Öffentlichkeit“.
27Einer solchen Auslegung steht weder die Verwendung des Begriffs „zugänglich zu machen“ noch der allgemeine Verweis auf die Vorschriften über den „Zugang zu Umweltinformationen“ entgegen. Die Formulierung „zugänglich“ findet sich sowohl beim Recht auf Informationszugang als auch bei der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen, so in § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 UIG; „Zugang“ zu Informationen wird gleichermaßen bei der Bereitstellung auf Antrag wie bei der Verbreitung gewährt.
28Die Frist für die Zugänglichmachung stützt diese Auslegung. Mit der Formulierung „innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen“ in § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG bzw. „binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung“ in Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 (englische Fassung „within 4 months of the site visit taking place“; französische Fassung: „dans les quatre mois suivant la visite du site“) wird - wie bei der Zweimonatsfrist des § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG und des Art. 23 Abs. 6 Satz 2 RL 2010/75 - der Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Behörde tätig werden soll. Die Wendung deutet darauf hin, dass die Zugänglichmachung innerhalb der Frist abgeschlossen sein soll. Mit dem Antragsverfahren ließe sich dies nur schwer vereinbaren.
29Letztlich kann offen bleiben, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die Behörde zu einer aktiven Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte verpflichtet. Jedenfalls ermächtigt die Vorschrift hierzu.
30Vgl. Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1462; König, DVBL 2013, 1356, 1361; Halmschlag, I+E 2011, 16, 20; Jarass, NVwZ 2013, 169, 174; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395, 401; Schwertner, in: Giesberts/Reinhardt, Beck´scher Online-Kommentar Umweltrecht, Stand 1. Juli 2014, § 52 a BImSchG Rn. 5; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 52 a Rn. 7; a.A. Hennecken/ Rosenbeck, I+E 2014, 2, 5.
31Wie aus den voranstehenden Erwägungen ersichtlich, lassen sich weder Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 noch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG Hinweise darauf entnehmen, dass die zuständige Behörde die Umweltinspektionsberichte ausschließlich auf Antrag zur Verfügung stellen darf. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG verweist zumindest auch auf die aktive Verbreitung der Informationen. Die aktive Verbreitung ist - anders als die Antragstellerin meint - gegenüber dem passiven Informationszugang auch nicht nachrangig, sondern steht nach der Konzeption des Umweltinformationsgesetzes jedenfalls gleichrangig neben ihm. Langfristig dient die aktive Verbreitung von Umweltinformationen dem schrittweisen Abbau der Notwendigkeit des passiven Informationszugangs.
32Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 1, Stand 2014, § 1 UIG, Rn. 10 und § 10 UIG Rn. 1; Scherzberg, in: Fluck/Fischer/Fetzer, Informationsfreiheitsrecht, Band 1, Stand Oktober 2013, § 1 UIG Rn. 16.
33b) Die zuständigen Behörden sind ermächtigt, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu bewerten. Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG hat der Umweltinspektionsbericht sowohl die relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen als auch Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind, zu enthalten. Verstößt der Betreiber einer Anlage „in schwerwiegender Weise“ gegen die Genehmigung, hat die zuständige Behörde nach § 52 a Abs. 3 S. 2 BImSchG eine zusätzliche Vor-Ort-Besichtigung innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verstoßes durchzuführen. Nach diesen Regelungen ist die Behörde gehalten, eine Beurteilung der Verstöße vorzunehmen. Sowohl die erforderlichen Schlussfolgerungen zur Frage weiterer Maßnahmen als auch die Notwendigkeit von eventuellen zusätzlichen Überprüfungsmaßnahmen erfordern eine inhaltliche, bewertende Auseinandersetzung mit den festgestellten Verstößen. Dieser Anforderung wird in der Regel nur genügt, wenn die relevanten Feststellungen in Umweltinspektionsberichten auch Aussagen zur Umweltrelevanz von Verstößen enthalten; die lediglich technische Beschreibung eines festgestellten Mangels reicht hierzu überwiegend nicht aus. Damit wird im Ergebnis auch den Regelungen in § 10 Abs. 3 S. 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG Rechnung getragen. Danach soll die Verbreitung von Umweltinformationen in einer für die Öffentlichkeit verständlichen Form erfolgen. Nur aufgrund fachkundiger Bewertungen ist die Öffentlichkeit in der Lage, die Schlussfolgerungen der Behörde zum Erfordernis weiterer Maßnahmen nachzuvollziehen. Ohne eine Bewertung der Feststellungen kann sie weder die tatsächliche (Umwelt)Bedeutung des Verstoßes einordnen noch zuverlässig beurteilen, ob die beabsichtigte Reaktion der zuständigen Behörde dem festgestellten Verstoß angemessen ist.
34Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Umweltinspektionsbericht insgesamt zugänglich zu machen, ohne bestimmte Teile auszunehmen. Dies schließt die Ermächtigung der zuständigen Behörde ein, den Umweltinspektionsbericht nicht nur in Teilen, sondern insgesamt - einschließlich der Bewertungen - der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen.
35c) Der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Berufsfreiheit dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
36Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Dies ist hier der Fall (dazu (1)). § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu (2)). Die Ausgestaltung des Verfahrens entspricht den sachlichen Erfordernissen eines effektiven Grundrechtsschutzes (dazu (3)).
37Vgl. auch zu Folgendem z.B. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 165 ff.
38(1) § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist hinreichend klar und bestimmt. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs sind in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt. Die Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten wird durch die in regelmäßigen Abständen oder außerordentlich stattfindenden Vor-Ort-Besichtigungen im Sinne des § 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG ausgelöst. Bei den Vor-Ort-Besichtigungen überprüft die zuständige Stelle turnusmäßig oder anlassbezogen insbesondere, ob der Betrieb der Anlage die Anforderungen der Genehmigung erfüllt. Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Besichtigung dient (nur) dazu, die Öffentlichkeit zum einen über Verstöße („relevante Feststellungen“) gegen die spezifisch umweltbezogenen Vorgaben der Genehmigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einschließlich der Nebenbestimmungen und zum anderen über die von der Behörde vor diesem Hintergrund eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten. Diese inhaltliche Grenze entspricht der Zwecksetzung des zugrundeliegenden Unionsrechts, mit dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen dazu beizutragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und so den Umweltschutz und die Umweltqualität zu verbessern (Erwägung (1) zu RL 2010/75; auch Erwägung (14) zu RL 2010/75).
39(2) Der Grundrechtseingriff durch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist verhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Veröffentlichung der umweltbezogenen Informationen legitime Gemeinwohlziele. Sie dient der Umsetzung unionsrechtlicher Regelungen, die die Verbesserung der Umweltqualität und des Umweltschutzes bezwecken. Dies soll durch erhöhte Transparenz umweltrelevanter Betätigungen Einzelner und der Entscheidungsfindungsprozesse der zuständigen Behörden erreicht werden. An der - vom Unionsrecht vorausgesetzten - Eignung der Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte, diesen Zweck zu fördern, bestehen keine Zweifel.
40§ 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG wahrt auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Das Interesse der Allgemeinheit an einem wirksamen Umweltschutz überwiegt das Interesse der betroffenen Unternehmen, von geschäfts- und rufschädigenden Umweltinspektionsberichten verschont zu bleiben. Zwar ist der Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum der betroffenen Betreiber nicht unerheblich. Die Betreiber haben aufgrund der Veröffentlichung eines genehmigungswidrigen Verhaltens negative wirtschaftliche Folgen zu gewärtigen, die auch langfristiger Art sein können. Das Gewicht dieser Folgen wird allerdings dadurch gemildert, dass die betroffenen Unternehmen selbst den Anlass für die Veröffentlichung geben. Die Betreiber der Anlagen kennen den Inhalt des Genehmigungsbescheids. Sie sind verpflichtet, die Anforderungen der Genehmigung zu erfüllen, und sie haben die Erfüllung dieser Vorgaben aufgrund ihrer innerbetrieblichen Einflussmöglichkeiten auch regelmäßig in der Hand. Erfüllen sie ihre Verpflichtungen, wird die Veröffentlichung für sie negativer Umweltinspektionsberichte vermieden.
41Die Unternehmen sind bei einer Veröffentlichung im Internet - wie oben dargestellt - vor unrichtigen Feststellungen geschützt. Die Behörde muss anders als bei der antragsabhängigen Herausgabe von Umweltinformationen,
42vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 2014, § 7 UIG Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 228,
43vor einer aktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit die Richtigkeit der Information überprüfen, jedenfalls muss sie entsprechende Zweifel kenntlich machen. Stellt sich eine Information nachträglich als falsch heraus oder trifft sie aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Umstände nicht mehr zu, muss die Behörde mit der Löschung oder der Richtigstellung/Aktualisierung der Information reagieren. Diese aus dem Grundrechtsschutz der Betroffenen fließenden Pflichten der Behörde sind gesetzlich in § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG verankert. Nach § 10 Abs. 6 UIG finden § 7 Abs. 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit entsprechende Anwendung. Nach § 7 Abs. 3 UIG, der unmittelbar für das Antragsverfahren nach §§ 3 ff. UIG gilt, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, soweit möglich, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind. Ungeachtet der Frage, ob die Behörde bei der Offenlegung - wie hier - eigener Informationen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ohnehin eine Richtigkeitsgewähr trifft, ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen.
44Vgl. auch Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1463.
45Zu diesen Anforderungen gehört auch, dass die zuständige Behörde den veröffentlichten Umweltinspektionsbericht ergänzt, wenn und soweit der Anlagenbetreiber festgestellte Mängel beseitigt hat. Diesem Erfordernis trägt der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 (Seite 4) Rechnung.
46Die Informationen dürfen ferner - insbesondere auch zum Schutz des betroffenen Betreibers - nicht unsachlich sein. Diesem Ziel dient unter anderem das oben dargestellte Erfordernis, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen auch nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu beschreiben.
47(3) Der Grundrechtsschutz ist durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert. Insoweit sind insbesondere Aufklärungs-, Auskunfts- Löschungs- und Ergänzungspflichten von Bedeutung. Auf die obigen Ausführungen zu den Prüf-, Löschungs- und Ergänzungspflichten der zuständigen Behörde bei unrichtigen Informationen oder nachträglichen maßgeblichen Änderungen der Sachlage kann verwiesen werden. § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG sieht ferner vor, dass der Bericht dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zu übermitteln ist. Der Betreiber hat damit ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
48Notwendig ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. mit § 7 Abs. 3 UIG auch eine hinreichend klare und verständliche Darstellung der Bewertung festgestellter Mängel gegenüber der Öffentlichkeit. Insoweit reicht eine Qualifizierung als „geringfügig“ oder „erheblich“ allein regelmäßig nicht aus. Ohne nähere Erläuterungen oder eine Offenlegung der diese Qualifizierung tragenden Maßstäbe (wie z.B. im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2012) haben diese Angaben keine ausreichende Aussagekraft oder verursachen - worauf das Verwaltungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend hingewiesen hat - möglicherweise sogar Fehlvorstellungen. Der von § 7 Abs. 3 UIG geforderten „Vergleichbarkeit“ der Umweltinformationen dient es, wenn - wie in Nordrhein-Westfalen - einheitliche Maßstäbe und Begrifflichkeiten aufgrund ministerieller Verwaltungsvorschriften zugrunde gelegt werden.
49Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es auch nicht an einer ausreichenden zeitlichen Begrenzung der Veröffentlichung. Die Dauer der Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts ist durch die nächste turnusmäßige oder anlassbezogene Vor-Ort-Besichtigung begrenzt. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 52 a Abs. 3 Satz 1 BImSchG und § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG. Danach darf der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen bei Anlagen, die der höchsten Risikostufe unterfallen, ein Jahr, bei Anlagen, die der niedrigsten Stufe unterfallen, drei Jahre nicht überschreiten. Aus der grundsätzlichen Verpflichtung, die veröffentlichten Umweltinspektionsberichte auf dem gegenwärtigen Stand zu halten, folgt eine ein- bzw. dreijährige Begrenzung ihrer Veröffentlichung. Diese Zeiträume sind unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 sieht hiermit übereinstimmend vor, dass ein Umweltinspektionsbericht aus dem Internet zu entfernen ist, sobald ein aktualisierter Umweltinspektionsbericht für dieselbe Anlage im Internet veröffentlicht wird.
50d) Der streitgegenständliche Umweltinspektionsbericht über die Vor-Ort-Besichtigung der Anlage der Antragstellerin am 28. August 2013 entspricht nicht den dargestellten Anforderungen. Die bloße Bewertung der getroffenen relevanten Feststellungen als geringfügig bzw. erheblich ist - wie oben ausgeführt - ohne eine weitere Erläuterung nicht hinreichend verständlich.
51Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 angeführten und vom Antragsgegner bei der Bewertung angelegten Maßstäbe zur Beschreibung von Mängeln als geringfügig, erheblich oder schwerwiegend keinen Bedenken begegnen. Geringfügige Mängel sind danach festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die augenscheinlich nicht zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Erhebliche Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Schwerwiegende Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu akuten erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führen können. Diese Maßstäbe sind im Lichte des § 52 a Abs. 5 BImSchG sachgerecht, ausreichend differenziert und für unbeteiligte Dritte nachvollziehbar.
52Nach diesen Maßstäben dürfte ferner die Bewertung des - unstreitig festgestellten - Mangels, dass die Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer nicht vollständig geschlossen war, als „erheblich“ zutreffen. Auch der Hinweis, es sei aufgrund dieses Mangels (bei der Vor-Ort-Besichtigung) zu einem Staubaustritt gekommen, ist nach der vorläufigen Einschätzung des Senats im Eilrechtsschutzverfahren inhaltlich richtig und muss daher nicht unterbleiben. Der Senat hat keinen Anlass, die Angabe der Mitarbeiter des Antragsgegners Frau T. und Herr U. , sie hätten einen Staubaustritt wahrgenommen, in Zweifel zu ziehen. Beide haben die Richtigkeit ihrer Angabe an Eides statt versichert. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin demgegenüber erklären, einen Staubaustritt nicht wahrgenommen zu haben, stellt die Glaubhaftigkeit des Vorbringens nicht durchgreifend in Frage. Beide Behauptungen stehen nicht notwendig in Widerspruch. Die Antragstellerin weist selbst darauf hin, dass ihre Mitarbeiter bei der Begehung des Betriebes nicht ununterbrochen anwesend waren und ein Staubaustritt auch während der Abwesenheit ihrer Mitarbeiter stattgefunden haben kann. Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die weitere Angabe von Frau T. und Herrn U. , die Herren X. und N. von der Antragstellerin hätten den Staubaustritt ebenfalls wahrgenommen. Beide relativieren ihre Aussage von vorneherein mit dem Zusatz, dies sei „ihrer Erinnerung nach“ so gewesen. Der Umweltinspektionsbericht ist im Übrigen um den Hinweis zu ergänzen, dass dieser Mangel zwischenzeitlich beseitigt wurde.
53Die Beantwortung der Frage, ob das weiter festgestellte Fehlen von Wartungsmaterial einen Mangel darstellt und wie dieser gegebenenfalls zu bewerten ist, obliegt dem Hauptsacheverfahren. Der Senat regt insoweit an, die umstrittene Nebenbestimmung zu konkretisieren und im Hinblick auf die unsichere Rechtslage auf eine Veröffentlichung zu verzichten.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
55Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
56Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen.
(2) Dieses Gesetz gilt für informationspflichtige Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
(1) Die informationspflichtigen Stellen unterrichten die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. In diesem Rahmen verbreiten sie Umweltinformationen, die für ihre Aufgaben von Bedeutung sind und über die sie verfügen.
(2) Zu den zu verbreitenden Umweltinformationen gehören zumindest:
- 1.
der Wortlaut von völkerrechtlichen Verträgen, das von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassene Gemeinschaftsrecht sowie Rechtsvorschriften von Bund, Ländern oder Kommunen über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt; - 2.
politische Konzepte sowie Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt; - 3.
Berichte über den Stand der Umsetzung von Rechtsvorschriften sowie Konzepten, Plänen und Programmen nach den Nummern 1 und 2, sofern solche Berichte von den jeweiligen informationspflichtigen Stellen in elektronischer Form ausgearbeitet worden sind oder bereitgehalten werden; - 4.
Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 5.
Zulassungsentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und Umweltvereinbarungen sowie - 6.
zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach den §§ 24 und 25 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung und Risikobewertungen im Hinblick auf Umweltbestandteile nach § 2 Absatz 3 Nummer 1.
(3) Die Verbreitung von Umweltinformationen soll in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten erfolgen. Hierzu sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Zur Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 kann das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genutzt werden. Satz 2 gilt nicht für Umweltinformationen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angefallen sind, es sei denn, sie liegen bereits in elektronischer Form vor.
(4) Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internet-Seiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Umweltinformationen zu finden sind.
(5) Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt haben die informationspflichtigen Stellen sämtliche Informationen, über die sie verfügen und die es der eventuell betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen könnten, Maßnahmen zur Abwendung oder Begrenzung von Schäden infolge dieser Bedrohung zu ergreifen, unmittelbar und unverzüglich zu verbreiten; dies gilt unabhängig davon, ob diese Folge menschlicher Tätigkeit oder einer natürlichen Ursache ist. Verfügen mehrere informationspflichtige Stellen über solche Informationen, sollen sie sich bei deren Verbreitung abstimmen.
(6) § 7 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 finden entsprechende Anwendung.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben des § 10 kann auf bestimmte Stellen der öffentlichen Verwaltung oder private Stellen übertragen werden.
(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln:
- 1.
die Art und Weise der Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 über das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder über andere elektronische Kommunikationswege sowie - 2.
die Einzelheiten der Aktualisierung von veröffentlichten Umweltinformationen gemäß Absatz 2 Satz 3, einschließlich des nachträglichen Wegfalls der Unterrichtungspflicht nach Absatz 1.
(1) Zweck dieses Gesetzes ist es, den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen bei informationspflichtigen Stellen sowie für die Verbreitung dieser Umweltinformationen zu schaffen.
(2) Dieses Gesetz gilt für informationspflichtige Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
(1) Die informationspflichtigen Stellen unterrichten die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. In diesem Rahmen verbreiten sie Umweltinformationen, die für ihre Aufgaben von Bedeutung sind und über die sie verfügen.
(2) Zu den zu verbreitenden Umweltinformationen gehören zumindest:
- 1.
der Wortlaut von völkerrechtlichen Verträgen, das von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassene Gemeinschaftsrecht sowie Rechtsvorschriften von Bund, Ländern oder Kommunen über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt; - 2.
politische Konzepte sowie Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt; - 3.
Berichte über den Stand der Umsetzung von Rechtsvorschriften sowie Konzepten, Plänen und Programmen nach den Nummern 1 und 2, sofern solche Berichte von den jeweiligen informationspflichtigen Stellen in elektronischer Form ausgearbeitet worden sind oder bereitgehalten werden; - 4.
Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 5.
Zulassungsentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und Umweltvereinbarungen sowie - 6.
zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach den §§ 24 und 25 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung und Risikobewertungen im Hinblick auf Umweltbestandteile nach § 2 Absatz 3 Nummer 1.
(3) Die Verbreitung von Umweltinformationen soll in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten erfolgen. Hierzu sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Zur Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 kann das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genutzt werden. Satz 2 gilt nicht für Umweltinformationen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angefallen sind, es sei denn, sie liegen bereits in elektronischer Form vor.
(4) Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internet-Seiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Umweltinformationen zu finden sind.
(5) Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt haben die informationspflichtigen Stellen sämtliche Informationen, über die sie verfügen und die es der eventuell betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen könnten, Maßnahmen zur Abwendung oder Begrenzung von Schäden infolge dieser Bedrohung zu ergreifen, unmittelbar und unverzüglich zu verbreiten; dies gilt unabhängig davon, ob diese Folge menschlicher Tätigkeit oder einer natürlichen Ursache ist. Verfügen mehrere informationspflichtige Stellen über solche Informationen, sollen sie sich bei deren Verbreitung abstimmen.
(6) § 7 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 finden entsprechende Anwendung.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben des § 10 kann auf bestimmte Stellen der öffentlichen Verwaltung oder private Stellen übertragen werden.
(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln:
- 1.
die Art und Weise der Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 über das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder über andere elektronische Kommunikationswege sowie - 2.
die Einzelheiten der Aktualisierung von veröffentlichten Umweltinformationen gemäß Absatz 2 Satz 3, einschließlich des nachträglichen Wegfalls der Unterrichtungspflicht nach Absatz 1.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tenor
-
§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
-
A.
- 1
-
Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.
-
I.
- 2
-
1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).
- 3
-
Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.
- 4
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Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung
Nr. 1829/2003).
- 5
-
Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.
- 6
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2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.
- 7
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Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.
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a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.
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b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,
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1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,
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2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,
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3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.
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Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.
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aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).
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bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).
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cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).
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(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.
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(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).
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(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.
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Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.
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§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.
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§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.
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3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.
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Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).
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II.
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Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.
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Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:
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§ 3
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Begriffsbestimmungen
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Im Sinne dieses Gesetzes sind
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…
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3. gentechnisch veränderter Organismus
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ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,
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…
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6. Inverkehrbringen
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die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten
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a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,
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b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung
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nicht als Inverkehrbringen,
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...
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§ 16a
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Standortregister
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(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.
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(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,
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4. den Freisetzungszeitraum.
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Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.
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(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,
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4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.
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Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.
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(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:
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1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,
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2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,
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3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.
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Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.
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(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.
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...
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§ 16b
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Umgang mit
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in Verkehr gebrachten Produkten
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(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.
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(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2
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1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder
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2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,
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der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.
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(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.
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(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere
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1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,
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2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,
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3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,
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4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.
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(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.
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...
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§ 36a
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Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen
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(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere
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1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder
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2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder
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3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.
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(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
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(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.
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(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.
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Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:
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1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.
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a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.
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§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.
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Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.
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Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.
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b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.
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c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.
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2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.
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§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.
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3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.
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4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".
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III.
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Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.
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Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.
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1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.
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Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.
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a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.
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b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.
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c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.
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d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.
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e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.
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Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.
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Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.
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Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.
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§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.
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2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.
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3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.
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4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.
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B.
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Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).
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I.
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Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61
; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.
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§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.
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II.
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Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).
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III.
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Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.
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C.
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Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
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I.
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Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.
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1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).
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a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).
- 124
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Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.
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Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.
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b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.
- 127
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2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.
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a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).
- 129
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b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.
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II.
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Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).
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2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.
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a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.
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Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.
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Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.
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b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.
- 137
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aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.
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bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
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Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).
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Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.
- 141
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c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.
- 142
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d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.
- 143
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aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).
- 144
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Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.
- 145
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Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.
- 146
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bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.
- 147
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Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).
- 148
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Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 149
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3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).
- 150
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a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.
- 151
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Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).
- 152
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aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.
- 153
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Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.
- 154
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Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.
- 155
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bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.
- 156
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Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).
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Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.
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Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung
Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.
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cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
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Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.
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(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.
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(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
- 163
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Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.
- 164
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dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
- 165
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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).
- 166
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(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.
- 167
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Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.
- 168
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Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.
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Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.
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§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.
- 171
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(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.
- 172
-
(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.
- 173
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Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).
- 174
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Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.
- 175
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Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.
- 176
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Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.
- 177
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(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 178
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Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.
- 179
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Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.
- 180
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Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.
- 181
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(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.
- 182
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Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).
- 183
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Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.
- 184
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Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.
- 185
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Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.
- 186
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(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.
- 187
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Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.
- 188
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Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.
- 189
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Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.
- 190
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Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.
- 191
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Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.
- 192
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Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.
- 193
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Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.
- 194
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(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.
- 195
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Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.
- 196
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Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
- 197
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Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.
- 198
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Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).
- 199
-
Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.
- 200
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b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 201
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aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
- 202
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Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.
- 203
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Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.
- 204
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bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.
- 205
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Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).
- 206
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c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.
- 207
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d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.
- 208
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Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.
- 209
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e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
- 210
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4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.
- 211
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a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
- 212
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aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.
- 213
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bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.
- 215
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In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.
- 216
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§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.
- 217
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Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.
- 218
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Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.
- 219
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(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.
- 220
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(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.
- 221
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(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.
- 222
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Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).
- 223
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§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).
- 224
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(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.
- 225
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Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.
- 226
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(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.
- 227
-
Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.
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(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.
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Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.
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Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).
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Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.
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Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.
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Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.
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Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).
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Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.
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Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.
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Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.
- 238
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b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.
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aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.
- 240
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bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.
- 241
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cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
- 242
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c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.
- 243
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Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).
- 244
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Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.
- 245
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Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.
- 246
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Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.
- 247
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d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.
- 248
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.
- 249
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Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.
- 250
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Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.
- 251
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5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
- 252
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a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).
- 253
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Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.
- 254
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b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.
- 255
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aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.
- 256
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§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).
- 257
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Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.
- 258
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Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).
- 259
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Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).
- 260
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§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.
- 261
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Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).
- 262
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Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.
- 263
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bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.
- 264
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Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.
- 265
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(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.
- 266
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Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.
- 267
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Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.
- 268
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Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.
- 269
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§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").
- 270
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§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.
- 271
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(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).
- 272
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(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.
- 273
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Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes (§ 1 GenTG).
- 274
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(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.
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(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
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Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.
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Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).
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Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).
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(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).
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(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.
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(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.
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Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.
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Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.
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(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.
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(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.
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(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).
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Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).
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(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.
- 291
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§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
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bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).
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Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.
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Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.
- 295
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cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.
- 297
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Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.
- 298
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(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.
- 299
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Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.
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dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.
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d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.
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aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.
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bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.
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Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.
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Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).
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Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.
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Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.
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Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.
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Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.
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Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.
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Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.
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e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.
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Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
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In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.
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Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.
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Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 10. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
3A. Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens untersagt, den Bericht über die Umweltinspektion am 28. August 2013 in der Fassung der Anlage AG 9 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 4. März 2014 im Internet zu veröffentlichen. Der Antragstellerin stünden ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zu. Eine Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts sei rechtswidrig und würde die Antragstellerin in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung sowie auf Freiheit der Berufsausübung verletzen. Zwar dürfte es nach § 52 a Abs. 5 i.V.m. § 10 UIG grundsätzlich zulässig sein, Umweltinspektionsberichte im Internet zu veröffentlichen. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ermächtige aber nicht zur Aufnahme einer Bewertung festgestellter Mängel als „erheblich“ in den Bericht, wie dies hinsichtlich der Öffnung in der Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer geschehen sei. Ungeachtet dessen sei die Definition des Begriffs „erheblich“ im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 zu weit. Denn sie könne einen unzutreffenden Eindruck über das tatsächliche Ausmaß der Umweltbeeinträchtigung hervorrufen. Soweit im Bericht ferner bemängelt werde, die Antragstellerin habe Wartungsmaterial (Filterschläuche für die Entstaubungsanlage Klinkersilo) nicht in ausreichender Menge bevorratet, liege mangels einer Vorratspflicht der Antragstellerin der angeführte („geringfügige“) Mangel nicht vor. Der mit der Veröffentlichung des Berichts im Internet verbundene Grundrechtseingriff und die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen könnten auch im Falle des Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden.
4B. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage. Die - mit der Beschwerde allein angegriffene - Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne einen Anordnungsanspruch geltend machen, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin kann auch im Lichte des Beschwerdevorbringens verlangen, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet vorläufig unterbleibt.
5Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch der Antragstellerin hat seine Grundlage in den Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung (dazu 1.).
6Die Grundrechte schützen vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art. Der Grundrechtsträger kann daher gestützt auf das jeweilige Grundrecht Unterlassung verlangen, wenn ihm eine Rechtsverletzung (wiederholt) droht oder sie bereits eingetreten ist und noch andauert.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. September 2013 - 5 B 417/13 -, NWVBl 2013, 120, juris Rn. 13, und vom 24. April 2013 - 13 B 192/13 -, NWVBl 2013, 334, juris Rn. 8, jeweils m.w.N.
8Diese Voraussetzungen liegen vor. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Internet-Veröffentlichung des Umweltberichts über die Vor-Ort-Besichtigung vom 28. August 2013 ist aller Voraussicht nach rechtswidrig; sie entspricht nicht den Vorgaben der ‑ verfassungsrechtlich wohl unbedenklichen - Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG (dazu 2.).
91. Die Antragstellerin, eine juristische Person privaten Rechts, kann sich gegenüber einer Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts im Internet sowohl auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als auch auf das Grundrecht auf Berufsfreiheit berufen (dazu a). Der Sache nach steht ihr dieser Grundrechtsschutz auch insoweit zu, als die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts durch das Unionsrecht bestimmt ist (dazu b).
10a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen seine personenbezogenen Daten preisgegeben und/oder verwendet werden. Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Einzelangaben über ihre persönlichen oder sachlichen Verhältnisse. Träger des Grundrechts können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen sein. Bei natürlichen Personen ist das Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG verankert. Juristische Personen des privaten Rechts sind Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nur, soweit dieses Grundrecht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist und das Grundrecht korporativ betätigt werden kann. Geschützt ist insoweit (nur) der in der Regel durch eine bestimmte Zwecksetzung begrenzte Tätigkeitskreis der juristischen Person. Es kommt daher maßgeblich auf die Bedeutung der betroffenen Information für diesen grundrechtlich geschützten Tätigkeitskreis sowie auf den Zweck und die möglichen Folgen der Maßnahme an.
11Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, BVerfGE 118, 168, juris Rn. 150 ff. und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 151 und 155.
12Danach ist die Antragstellerin Trägerin des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die maßgebliche wirtschaftlich-unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin wird durch die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts unmittelbar tangiert. Umweltinspektionsberichte enthalten nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG behördliche Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sowie der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG und Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Diese Angaben betreffen sachliche Verhältnisse des Unternehmens und sind als personenbezogene Daten zu qualifizieren. Zweck des Zugänglichmachens der Berichte ist die Information der Öffentlichkeit - also auch möglicher Kunden und Geschäftspartner - unter anderem darüber, ob das Unternehmen seinen Verpflichtungen aus dem Genehmigungsbescheid nachkommt. Der Inhalt des Berichts kann daher einen wettbewerbsrelevanten Eindruck über die Zuverlässigkeit des Unternehmens vermitteln.
13Daneben kann die Antragstellerin sich auch auf das Grundrecht aus Art. 12 GG berufen. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG gewährt allen Deutschen das Recht, den Beruf frei zu wählen und frei auszuüben. „Beruf“ ist jede Tätigkeit, die auf Dauer berechnet ist und der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage dient. Das Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offensteht. Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Geschützt ist ihr berufsbezogenes Verhalten. Das Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung schützt den Marktteilnehmer jedoch nicht vor der aktiven Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen. Ein am Markt tätiges Unternehmen setzt sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aus. Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, von anderen nur so dargestellt zu werden, wie es selbst gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht. Das Grundrecht schützt daher auch nicht vor informationsbedingten Imageschäden und Umsatzeinbußen. Allerdings ist die Richtigkeit einer wettbewerbsrelevanten Information grundsätzlich Voraussetzung dafür, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert.
14Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u.a. - BVerfGE 105, 279, juris Rn. 45 und 60 (Glykolwarnung);.OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 208 (zu einem Fall des Informationszugangs auf Antrag).
15Hinsichtlich des Schutzumfangs der beiden Grundrechte bestehen keine Unterschiede. Weder ergibt sich aus der Berufsfreiheit ein gegenüber der informationellen Selbstbestimmung weitergehender Schutz, noch ergibt sich aus der informationellen Selbstbestimmung ein gegenüber der Berufsfreiheit weitergehender Schutz.
16Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 6. März 2014 - 1 BvR 3541/13 u.a. -, NJW 2014, 1581, juris Rn 32, und Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 205.
17b) Die Antragstellerin kann den grundrechtlichen Schutz ihrer personenbezogenen Daten der Sache nach in gleicher Weise geltend machen, soweit die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts vorliegend durch das Unionsrecht bestimmt wird. Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Sachverhalt im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs „vollständig“ durch das Unionsrecht bestimmt wird, kann daher offen bleiben.
18Die Regelung des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG dient der Umsetzung von Art. 23 Abs. 6 der Richtlinie 2010/75 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verhinderung der Umweltverschmutzung) - RL 2010/75 -. Im Geltungsbereich des Unionsrechts sind die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) einschlägig, und zwar unabhängig davon, in welchem Umfang das Unionsrecht das Handeln des Mitgliedsstaats bestimmt. Die Charta gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 bei der Durchführung von Unionsrecht auch für die Mitgliedstaaten; die nationalen Behörden und Gerichte haben die in der Charta garantierten Grundrechte immer zu beachten und anzuwenden. In den Fällen, in denen das Handeln des Mitgliedstaates vollständig durch das Unionsrecht bestimmt wird, sind ausschließlich die Grundrechte der Charta anwendbar. Ansonsten gelten sie subsidiär und es steht den nationalen Behörden und Gerichten frei, nationale Schutzstandards für die Grundrechte anzuwenden, sofern durch diese Anwendung weder das Schutzniveau der Charta noch der Vorrang, die Einheit und die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt werden.
19Vgl. EuGH, Urteil Fransson vom 26. Februar 2010, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 20, 21 und 29, juris; auch: BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 -, BVerfGE 133, 277, juris Rn. 91.
20Dass die Charta bezogen auf den Schutz personenbezogener Daten von juristischen Personen ein vom deutschen Verfassungsrecht abweichendes Schutzniveau aufweist, ist nicht zu erkennen. Art. 8 Abs. 1 der Charta, wonach jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat, dürfte zwar nur natürliche Personen betreffen.
21Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte - Erläuterungen zu Art. 8. - Schutz personenbezogener Daten mit Verweisen auf Art. 16 AEUV, die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr sowie die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr.
22In Art. 16 der Charta wird jedoch die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ausdrücklich anerkannt. Ausweislich der Erläuterungen zu Art. 16 (Unternehmerische Freiheit) stützt sich dieser Artikel auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, der die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben und die Vertragsfreiheit anerkannt hat, sowie auf Art. 119 Abs. 1 und 3 AEUV, in dem der freie Wettbewerb anerkannt wird. Er kann nach Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden. Nach dieser Vorschrift muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Diese Anforderungen entsprechen den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen in die nationalen Grundrechte auf Berufsfreiheit oder auf informationelle Selbstbestimmung.
232. Die beabsichtigte Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts über die Vor-Ort-Besichtigung des Betriebes der Antragstellerin vom 28. August 2013 dürfte in der jetzigen Form rechtswidrig sein.
24Es spricht ganz Überwiegendes für die Annahme, dass § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die zuständige Stelle ermächtigt, die anlässlich einer Vor-Ort-Besichtigung erhobenen und berichtsförmig zusammengestellten Daten aktiv zu verbreiten. § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verweist jedenfalls auch auf die Regelungen in § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG zur Unterrichtung der Öffentlichkeit (dazu a). Die zuständigen Behörden sind zu einer Bewertung der festgestellten Verstöße befugt. (dazu b). Der mit der aktiven Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und auf Freiheit der Berufsausübung dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein (dazu c). Im vorliegenden Einzelfall steht die Veröffentlichung jedoch nicht mit den gesetzlichen Vorgaben des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG in Einklang (dazu d).
25a) Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG erstellt die zuständige Behörde nach jeder Vor-Ort-Besichtigung (§ 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG) einen Bericht mit den relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG und der Nebenbestimmungen nach § 12 BImSchG sowie mit Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Der Bericht ist dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung durch die zuständige Behörde zu übermitteln (§ 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG). Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Bericht der Öffentlichkeit nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG setzt Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 um, der bestimmt, dass die zuständige Behörde den Bericht gemäß der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (RL 2003/4) der Öffentlichkeit binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich macht.
26Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG und Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 die zuständigen Behörden verpflichten, die Umweltinspektionsberichte aktiv zu verbreiten und es nicht genügt, die Berichte lediglich auf Antrag zur Verfügung zu stellen. In diese Richtung könnte allerdings deuten, dass die Informationen ausdrücklich der „Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht werden sollen (englische Fassung: „The report shall be made publicly available in accordance with the Directive …“; französische Fassung: „Il est rendu disponible au public…conformément à la directive…“.). Das von § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG in Bezug genommene Umweltinformationsgesetz unterscheidet zwischen dem Informationszugang auf Antrag einer „Person“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 3 ff. UIG) und der Unterrichtung der „Öffentlichkeit“ (§ 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG). Die Öffentlichkeit ist allein Adressatin der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen nach § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 UIG. Das Unionsrecht unterscheidet in gleicher Weise. Zwar verwendet der Unionsgesetzgeber in dem Titel der RL 2003/4 („Zugang der Öffentlichkeit“) und den ihr vorangestellten Erwägungen auch einen weiteren - die Adressaten beider Formen des Informationszugangs umfassenden - Begriff der Öffentlichkeit. Im normativen Teil der Richtlinie grenzt der Unionsgesetzgeber aber ausdrücklich den Begriff der „Öffentlichkeit“ in Art. 2 Nr. 6 RL 2003/4 von dem - engeren - Begriff des „Antragstellers“ (englische Fassung: „applicant“; französische Fassung: „demandeur“) in Art. 2 Nr. 5 RL 2003/4 ab. Nach Art. 3 Abs. 1 RL 2003/4 sind Umweltinformationen allen „Antragstellern“ auf Antrag zugänglich zu machen; Art. 7 Abs. 1 RL 2003/4 regelt demgegenüber eine aktive und systematische Verbreitung von Umweltinformationen in der „Öffentlichkeit“.
27Einer solchen Auslegung steht weder die Verwendung des Begriffs „zugänglich zu machen“ noch der allgemeine Verweis auf die Vorschriften über den „Zugang zu Umweltinformationen“ entgegen. Die Formulierung „zugänglich“ findet sich sowohl beim Recht auf Informationszugang als auch bei der aktiven Verbreitung von Umweltinformationen, so in § 10 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 UIG; „Zugang“ zu Informationen wird gleichermaßen bei der Bereitstellung auf Antrag wie bei der Verbreitung gewährt.
28Die Frist für die Zugänglichmachung stützt diese Auslegung. Mit der Formulierung „innerhalb von vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zugänglich zu machen“ in § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG bzw. „binnen vier Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung“ in Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 (englische Fassung „within 4 months of the site visit taking place“; französische Fassung: „dans les quatre mois suivant la visite du site“) wird - wie bei der Zweimonatsfrist des § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG und des Art. 23 Abs. 6 Satz 2 RL 2010/75 - der Zeitraum bestimmt, innerhalb dessen die Behörde tätig werden soll. Die Wendung deutet darauf hin, dass die Zugänglichmachung innerhalb der Frist abgeschlossen sein soll. Mit dem Antragsverfahren ließe sich dies nur schwer vereinbaren.
29Letztlich kann offen bleiben, ob § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG die Behörde zu einer aktiven Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte verpflichtet. Jedenfalls ermächtigt die Vorschrift hierzu.
30Vgl. Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1462; König, DVBL 2013, 1356, 1361; Halmschlag, I+E 2011, 16, 20; Jarass, NVwZ 2013, 169, 174; Betensted/Grandjot/Waskow, ZUR 2013, 395, 401; Schwertner, in: Giesberts/Reinhardt, Beck´scher Online-Kommentar Umweltrecht, Stand 1. Juli 2014, § 52 a BImSchG Rn. 5; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 52 a Rn. 7; a.A. Hennecken/ Rosenbeck, I+E 2014, 2, 5.
31Wie aus den voranstehenden Erwägungen ersichtlich, lassen sich weder Art. 23 Abs. 6 Satz 3 RL 2010/75 noch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG Hinweise darauf entnehmen, dass die zuständige Behörde die Umweltinspektionsberichte ausschließlich auf Antrag zur Verfügung stellen darf. § 52 a Abs. 3 Satz 5 BImSchG verweist zumindest auch auf die aktive Verbreitung der Informationen. Die aktive Verbreitung ist - anders als die Antragstellerin meint - gegenüber dem passiven Informationszugang auch nicht nachrangig, sondern steht nach der Konzeption des Umweltinformationsgesetzes jedenfalls gleichrangig neben ihm. Langfristig dient die aktive Verbreitung von Umweltinformationen dem schrittweisen Abbau der Notwendigkeit des passiven Informationszugangs.
32Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band 1, Stand 2014, § 1 UIG, Rn. 10 und § 10 UIG Rn. 1; Scherzberg, in: Fluck/Fischer/Fetzer, Informationsfreiheitsrecht, Band 1, Stand Oktober 2013, § 1 UIG Rn. 16.
33b) Die zuständigen Behörden sind ermächtigt, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu bewerten. Nach § 52 a Abs. 5 Satz 1 BImSchG hat der Umweltinspektionsbericht sowohl die relevanten Feststellungen über die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen als auch Schlussfolgerungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind, zu enthalten. Verstößt der Betreiber einer Anlage „in schwerwiegender Weise“ gegen die Genehmigung, hat die zuständige Behörde nach § 52 a Abs. 3 S. 2 BImSchG eine zusätzliche Vor-Ort-Besichtigung innerhalb von sechs Monaten nach der Feststellung des Verstoßes durchzuführen. Nach diesen Regelungen ist die Behörde gehalten, eine Beurteilung der Verstöße vorzunehmen. Sowohl die erforderlichen Schlussfolgerungen zur Frage weiterer Maßnahmen als auch die Notwendigkeit von eventuellen zusätzlichen Überprüfungsmaßnahmen erfordern eine inhaltliche, bewertende Auseinandersetzung mit den festgestellten Verstößen. Dieser Anforderung wird in der Regel nur genügt, wenn die relevanten Feststellungen in Umweltinspektionsberichten auch Aussagen zur Umweltrelevanz von Verstößen enthalten; die lediglich technische Beschreibung eines festgestellten Mangels reicht hierzu überwiegend nicht aus. Damit wird im Ergebnis auch den Regelungen in § 10 Abs. 3 S. 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG Rechnung getragen. Danach soll die Verbreitung von Umweltinformationen in einer für die Öffentlichkeit verständlichen Form erfolgen. Nur aufgrund fachkundiger Bewertungen ist die Öffentlichkeit in der Lage, die Schlussfolgerungen der Behörde zum Erfordernis weiterer Maßnahmen nachzuvollziehen. Ohne eine Bewertung der Feststellungen kann sie weder die tatsächliche (Umwelt)Bedeutung des Verstoßes einordnen noch zuverlässig beurteilen, ob die beabsichtigte Reaktion der zuständigen Behörde dem festgestellten Verstoß angemessen ist.
34Nach § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Umweltinspektionsbericht insgesamt zugänglich zu machen, ohne bestimmte Teile auszunehmen. Dies schließt die Ermächtigung der zuständigen Behörde ein, den Umweltinspektionsbericht nicht nur in Teilen, sondern insgesamt - einschließlich der Bewertungen - der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen.
35c) Der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht auf Berufsfreiheit dürfte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
36Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Dies ist hier der Fall (dazu (1)). § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu (2)). Die Ausgestaltung des Verfahrens entspricht den sachlichen Erfordernissen eines effektiven Grundrechtsschutzes (dazu (3)).
37Vgl. auch zu Folgendem z.B. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 -, BVerfGE 128, 1, juris Rn. 165 ff.
38(1) § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist hinreichend klar und bestimmt. Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs sind in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt. Die Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten wird durch die in regelmäßigen Abständen oder außerordentlich stattfindenden Vor-Ort-Besichtigungen im Sinne des § 52 a Abs. 2 bis 4 BImSchG ausgelöst. Bei den Vor-Ort-Besichtigungen überprüft die zuständige Stelle turnusmäßig oder anlassbezogen insbesondere, ob der Betrieb der Anlage die Anforderungen der Genehmigung erfüllt. Die Veröffentlichung des Ergebnisses der Besichtigung dient (nur) dazu, die Öffentlichkeit zum einen über Verstöße („relevante Feststellungen“) gegen die spezifisch umweltbezogenen Vorgaben der Genehmigung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG einschließlich der Nebenbestimmungen und zum anderen über die von der Behörde vor diesem Hintergrund eingeleiteten oder beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten. Diese inhaltliche Grenze entspricht der Zwecksetzung des zugrundeliegenden Unionsrechts, mit dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen dazu beizutragen, das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und so den Umweltschutz und die Umweltqualität zu verbessern (Erwägung (1) zu RL 2010/75; auch Erwägung (14) zu RL 2010/75).
39(2) Der Grundrechtseingriff durch § 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist verhältnismäßig. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Veröffentlichung der umweltbezogenen Informationen legitime Gemeinwohlziele. Sie dient der Umsetzung unionsrechtlicher Regelungen, die die Verbesserung der Umweltqualität und des Umweltschutzes bezwecken. Dies soll durch erhöhte Transparenz umweltrelevanter Betätigungen Einzelner und der Entscheidungsfindungsprozesse der zuständigen Behörden erreicht werden. An der - vom Unionsrecht vorausgesetzten - Eignung der Veröffentlichung der Umweltinspektionsberichte, diesen Zweck zu fördern, bestehen keine Zweifel.
40§ 52 a Abs. 5 Satz 3 BImSchG wahrt auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Das Interesse der Allgemeinheit an einem wirksamen Umweltschutz überwiegt das Interesse der betroffenen Unternehmen, von geschäfts- und rufschädigenden Umweltinspektionsberichten verschont zu bleiben. Zwar ist der Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum der betroffenen Betreiber nicht unerheblich. Die Betreiber haben aufgrund der Veröffentlichung eines genehmigungswidrigen Verhaltens negative wirtschaftliche Folgen zu gewärtigen, die auch langfristiger Art sein können. Das Gewicht dieser Folgen wird allerdings dadurch gemildert, dass die betroffenen Unternehmen selbst den Anlass für die Veröffentlichung geben. Die Betreiber der Anlagen kennen den Inhalt des Genehmigungsbescheids. Sie sind verpflichtet, die Anforderungen der Genehmigung zu erfüllen, und sie haben die Erfüllung dieser Vorgaben aufgrund ihrer innerbetrieblichen Einflussmöglichkeiten auch regelmäßig in der Hand. Erfüllen sie ihre Verpflichtungen, wird die Veröffentlichung für sie negativer Umweltinspektionsberichte vermieden.
41Die Unternehmen sind bei einer Veröffentlichung im Internet - wie oben dargestellt - vor unrichtigen Feststellungen geschützt. Die Behörde muss anders als bei der antragsabhängigen Herausgabe von Umweltinformationen,
42vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 2014, § 7 UIG Rn. 11; OVG NRW, Urteil vom 1. April 2014 - 8 A 655/12 -, juris Rn. 228,
43vor einer aktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit die Richtigkeit der Information überprüfen, jedenfalls muss sie entsprechende Zweifel kenntlich machen. Stellt sich eine Information nachträglich als falsch heraus oder trifft sie aufgrund einer nachträglichen Veränderung der Umstände nicht mehr zu, muss die Behörde mit der Löschung oder der Richtigstellung/Aktualisierung der Information reagieren. Diese aus dem Grundrechtsschutz der Betroffenen fließenden Pflichten der Behörde sind gesetzlich in § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG verankert. Nach § 10 Abs. 6 UIG finden § 7 Abs. 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit entsprechende Anwendung. Nach § 7 Abs. 3 UIG, der unmittelbar für das Antragsverfahren nach §§ 3 ff. UIG gilt, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, soweit möglich, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind. Ungeachtet der Frage, ob die Behörde bei der Offenlegung - wie hier - eigener Informationen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ohnehin eine Richtigkeitsgewähr trifft, ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift Rechnung zu tragen.
44Vgl. auch Weidemann/Krappel/v. Süßkind-Schwendi, DVBl. 2012, 1457, 1463.
45Zu diesen Anforderungen gehört auch, dass die zuständige Behörde den veröffentlichten Umweltinspektionsbericht ergänzt, wenn und soweit der Anlagenbetreiber festgestellte Mängel beseitigt hat. Diesem Erfordernis trägt der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 (Seite 4) Rechnung.
46Die Informationen dürfen ferner - insbesondere auch zum Schutz des betroffenen Betreibers - nicht unsachlich sein. Diesem Ziel dient unter anderem das oben dargestellte Erfordernis, die in den Umweltinspektionsberichten festgestellten Verstöße gegen die Genehmigungsanforderungen auch nach ihrer Schwere und dem Ausmaß ihrer Umweltrelevanz zu beschreiben.
47(3) Der Grundrechtsschutz ist durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert. Insoweit sind insbesondere Aufklärungs-, Auskunfts- Löschungs- und Ergänzungspflichten von Bedeutung. Auf die obigen Ausführungen zu den Prüf-, Löschungs- und Ergänzungspflichten der zuständigen Behörde bei unrichtigen Informationen oder nachträglichen maßgeblichen Änderungen der Sachlage kann verwiesen werden. § 52 a Abs. 5 Satz 2 BImSchG sieht ferner vor, dass der Bericht dem Betreiber innerhalb von zwei Monaten nach der Vor-Ort-Besichtigung zu übermitteln ist. Der Betreiber hat damit ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme.
48Notwendig ist nach § 10 Abs. 3 Satz 1 UIG und § 10 Abs. 6 i.V.m. mit § 7 Abs. 3 UIG auch eine hinreichend klare und verständliche Darstellung der Bewertung festgestellter Mängel gegenüber der Öffentlichkeit. Insoweit reicht eine Qualifizierung als „geringfügig“ oder „erheblich“ allein regelmäßig nicht aus. Ohne nähere Erläuterungen oder eine Offenlegung der diese Qualifizierung tragenden Maßstäbe (wie z.B. im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur-und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2012) haben diese Angaben keine ausreichende Aussagekraft oder verursachen - worauf das Verwaltungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend hingewiesen hat - möglicherweise sogar Fehlvorstellungen. Der von § 7 Abs. 3 UIG geforderten „Vergleichbarkeit“ der Umweltinformationen dient es, wenn - wie in Nordrhein-Westfalen - einheitliche Maßstäbe und Begrifflichkeiten aufgrund ministerieller Verwaltungsvorschriften zugrunde gelegt werden.
49Anders als die Antragstellerin meint, fehlt es auch nicht an einer ausreichenden zeitlichen Begrenzung der Veröffentlichung. Die Dauer der Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts ist durch die nächste turnusmäßige oder anlassbezogene Vor-Ort-Besichtigung begrenzt. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 52 a Abs. 3 Satz 1 BImSchG und § 2 Satz 3 UIG NRW i.V.m. § 10 Abs. 6 i.V.m. § 7 Abs. 3 UIG. Danach darf der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen bei Anlagen, die der höchsten Risikostufe unterfallen, ein Jahr, bei Anlagen, die der niedrigsten Stufe unterfallen, drei Jahre nicht überschreiten. Aus der grundsätzlichen Verpflichtung, die veröffentlichten Umweltinspektionsberichte auf dem gegenwärtigen Stand zu halten, folgt eine ein- bzw. dreijährige Begrenzung ihrer Veröffentlichung. Diese Zeiträume sind unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Der Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 sieht hiermit übereinstimmend vor, dass ein Umweltinspektionsbericht aus dem Internet zu entfernen ist, sobald ein aktualisierter Umweltinspektionsbericht für dieselbe Anlage im Internet veröffentlicht wird.
50d) Der streitgegenständliche Umweltinspektionsbericht über die Vor-Ort-Besichtigung der Anlage der Antragstellerin am 28. August 2013 entspricht nicht den dargestellten Anforderungen. Die bloße Bewertung der getroffenen relevanten Feststellungen als geringfügig bzw. erheblich ist - wie oben ausgeführt - ohne eine weitere Erläuterung nicht hinreichend verständlich.
51Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die im Erlass des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW vom 24. September 2012 in der ergänzten Fassung vom 31. Juli 2013 angeführten und vom Antragsgegner bei der Bewertung angelegten Maßstäbe zur Beschreibung von Mängeln als geringfügig, erheblich oder schwerwiegend keinen Bedenken begegnen. Geringfügige Mängel sind danach festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die augenscheinlich nicht zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Erhebliche Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu Umweltbeeinträchtigungen führen können. Schwerwiegende Mängel sind festgestellte Verstöße gegen materielle oder formelle Anforderungen, die zu akuten erheblichen Umweltbeeinträchtigungen führen können. Diese Maßstäbe sind im Lichte des § 52 a Abs. 5 BImSchG sachgerecht, ausreichend differenziert und für unbeteiligte Dritte nachvollziehbar.
52Nach diesen Maßstäben dürfte ferner die Bewertung des - unstreitig festgestellten - Mangels, dass die Einhausung im Bereich Becherwerk-Trogkettenförderer nicht vollständig geschlossen war, als „erheblich“ zutreffen. Auch der Hinweis, es sei aufgrund dieses Mangels (bei der Vor-Ort-Besichtigung) zu einem Staubaustritt gekommen, ist nach der vorläufigen Einschätzung des Senats im Eilrechtsschutzverfahren inhaltlich richtig und muss daher nicht unterbleiben. Der Senat hat keinen Anlass, die Angabe der Mitarbeiter des Antragsgegners Frau T. und Herr U. , sie hätten einen Staubaustritt wahrgenommen, in Zweifel zu ziehen. Beide haben die Richtigkeit ihrer Angabe an Eides statt versichert. Der Umstand, dass die Mitarbeiter der Antragstellerin demgegenüber erklären, einen Staubaustritt nicht wahrgenommen zu haben, stellt die Glaubhaftigkeit des Vorbringens nicht durchgreifend in Frage. Beide Behauptungen stehen nicht notwendig in Widerspruch. Die Antragstellerin weist selbst darauf hin, dass ihre Mitarbeiter bei der Begehung des Betriebes nicht ununterbrochen anwesend waren und ein Staubaustritt auch während der Abwesenheit ihrer Mitarbeiter stattgefunden haben kann. Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die weitere Angabe von Frau T. und Herrn U. , die Herren X. und N. von der Antragstellerin hätten den Staubaustritt ebenfalls wahrgenommen. Beide relativieren ihre Aussage von vorneherein mit dem Zusatz, dies sei „ihrer Erinnerung nach“ so gewesen. Der Umweltinspektionsbericht ist im Übrigen um den Hinweis zu ergänzen, dass dieser Mangel zwischenzeitlich beseitigt wurde.
53Die Beantwortung der Frage, ob das weiter festgestellte Fehlen von Wartungsmaterial einen Mangel darstellt und wie dieser gegebenenfalls zu bewerten ist, obliegt dem Hauptsacheverfahren. Der Senat regt insoweit an, die umstrittene Nebenbestimmung zu konkretisieren und im Hinblick auf die unsichere Rechtslage auf eine Veröffentlichung zu verzichten.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
55Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
56Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin produziert und vertreibt vornehmlich Haushaltsprodukte aus Kunststoff; sie wendet sich gegen die Erteilung von Informationen über das Migrationsverhalten bestimmter Druckchemikalien in einem ihrer Produkte an den Beigeladenen.
3Der Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 25. September 2009 beim damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ‑ BMELV -, nunmehr Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ‑ BMEL - (im Folgenden: Bundesministerium), unter Hinweis auf das damals geltende Verbraucherinformationsgesetz (im Folgenden: VIG 2008) u. a. die Beantwortung folgender Fragen:
4„1. Aus Ihrem Schreiben vom 9. Juni 2009 geht hervor, dass die Bundesländer im Rahmen der amtlichen Überwachung folgende Photoinitiatoren nachgewiesen haben: DETX, Ethyl-4-dimethylaminobenzoat, Benzophenon, 4-Methylbenzophenon, 2-Methyl-4-(methylthio)-2-morpholinopropiophenon, 2,2-Dimethoxy-2-phenylacetophenon, 4-Benzoylbiphenyl, 1-Hydroxycyclohexylphenylketon und Diphenyl-(2,4,6-trimethylbenzoyl)-phosphinoxid.
5a) In welchen Produkten (bitte genaue Produktnamen und Hersteller angeben) wurden Belastungen der jeweiligen oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
6b) Wann wurden die Belastungen festgestellt?
7c) In welchen Verpackungen (Verpackungsart, Verpackungsmaterial, Füllvolumen) wurden Belastungen der jeweiligen oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
8d) In welchen Konzentrationen wurden die oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
9e) In wie vielen Fällen wurden die oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
10f) Liegen dem BMELV nach dem 5. März 2009 neue Informationen hinsichtlich nachgewiesener Photoinitiatoren in Lebensmitteln vor? Wenn ja, wie viele Fälle, für welche Produkte (bitte genaue Produktnamen und Hersteller angeben), in welchen Verpackungen (Verpackungsart, Verpackungsmaterial, Füllvolumen) und in welchen Konzentrationen?
11...
124. Ist dem BMELV bekannt, ob den Ländern weitere (seit 5. März 2009 neue) Untersuchungsergebnisse hinsichtlich Photoinitiatoren und anderen Druckchemikalien in Lebensmittel vorliegen bzw. vorliegen müssten? Wenn ja, welche?
135. Ist dem BMELV bekannt, ob die Länder die Ursachen der nachgewiesenen Chemikalienbelastungen in Lebensmitteln (z.B. Migration oder produktbedingte Verunreinigungen) untersucht haben? Wenn ja, wurden dem BMELV diese Ursachen mitgeteilt, welche waren sie und welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Belastungen wurden veranlasst?
14…“
15Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass auch zu einem ihrer Produkte entsprechende Informationen beim Bundesministerium vorhanden seien (u. a. Produktname, Bezeichnung des Photoinitiators, festgestellter Migrationswert betreffend den Übergang auf Lebensmittel und Zeitpunkt der diesbezüglichen Feststellung). Insofern gewährte sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme.
16Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 5. November 2009 einer Weitergabe der Informationen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 lägen nicht vor. Die Information betreffe keine Verletzung von Normvorgaben. Außerdem beruhten die Daten auf einer methodisch falschen Untersuchung. Ungeachtet dessen habe sie inzwischen das Herstellverfahren des Produkts geändert, so dass keine Photoinitiatoren mehr zum Einsatz kämen.
17Mit Schreiben vom 18. November 2009 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Vorlage einer gesonderten Stellungnahme, die gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 der Auskunftserteilung beigefügt werden solle. Mit Schreiben vom 23. November 2009 wies die Klägerin die Beklagte abermals darauf hin, dass eine Bekanntgabe der Informationen rechtswidrig sei; die erbetene Stellungnahme legte sie nicht vor.
18Mit Bescheid vom 25. November 2009 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass der Informationszugang - nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides - durch schriftliche Auskunftserteilung gewährt werde. Zu den Einwänden der Klägerin und anderer angehörter Unternehmen sei festzustellen, dass das Verbraucherinformationsgesetz nicht nur einen Anspruch auf Informationen über Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften einräume. Vielmehr bestehe Zugang zu allen vorhandenen Daten sowohl über die Beschaffenheit von Erzeugnissen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008) als auch über behördliche Überwachungsmaßnahmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008). Insoweit bestehe der Anspruch unabhängig von den festgestellten Gehalten, etwaigen Höchstgehaltsüberschreitungen oder von einem Erzeugnis ausgehenden Gesundheitsgefahren. Auch enthalte das Verbraucherinformationsgesetz grundsätzlich keine Ausschlussfristen für die Herausgabe von Informationen. Ungünstige Untersuchungsergebnisse stellten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar; dies gelte erst recht für günstige Untersuchungsergebnisse. Sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar seien, würden ebenfalls nicht offenbart. Soweit die Richtigkeit der festgestellten Werte sowie die Richtigkeit der Mess- und Analyseverfahren in Zweifel gezogen worden seien, würden die Stellungnahmen der betreffenden Firmen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 bei der Übermittlung der Informationen auch dem Beigeladenen zur Kenntnis gebracht.
19Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 Widerspruch ein. Zu dem Widerspruchsverfahren zog die Beklagte den Beigeladenen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinzu und gab diesem den Namen und die Anschrift der Klägerin bekannt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
20Die hiergegen am 1. März 2010 erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, dass die streitgegenständlichen Migrationswerte, die die Beklagte herausgeben wolle, schon nicht vom Informationsantrag des Beigeladenen umfasst seien; dieser begehre ausschließlich Daten über „Belastungen“ von Produkten mit Photoinitiatoren, nicht aber Daten bezüglich des „bloßen Vorhandenseins“ von Photoinitiatoren in einem Produkt bzw. über das Migrationsverhalten der Photoinitiatoren. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es sich bei den festgestellten Migrationswerten um Daten über eine „Belastung“ handele, würden sie nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 und vor allem nicht vom Begriff der „Beschaffenheit“ eines Erzeugnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 erfasst. Hierunter fielen keine Daten über die „Belastung“ eines Produktes mit bestimmten Stoffen. Dies folge insbesondere aus einem Vergleich mit den spezielleren Tatbeständen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 VIG 2008. Diese eng gefassten Tatbestände würden unterlaufen, wenn jeder „Verdachtsfall“ bezüglich einer „Belastung“, bei dem weder ein Rechtsverstoß noch ein Gesundheitsrisiko in Rede stehe, auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 gestützt werden könne.
21Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Daten falsch seien. Die festgestellten Migrationswerte beruhten auf einer im Rahmen der Lebensmittelkontrolle entnommenen und anschließend von einer Landesuntersuchungsanstalt analysierten Probenahme. Sie, die Klägerin, habe bereits gegenüber den Lebensmittelbehörden nachgewiesen, dass die Werte auf falschen Messmethoden beruhten. Das Produkt sei unter Bedingungen getestet worden, die seiner tatsächlichen Verwendung widersprächen. Folgerichtig sei es auch nie zur Eröffnung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gekommen. Durch eine Weitergabe der falschen Daten werde die Klägerin in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 stehe dem nicht entgegen; diese Vorschrift sei verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass die Behörde verpflichtet sei, Auskünfte sorgfältig und richtig zu erteilen. Die Weitergabe der falschen Migrationswerte sei in Anbetracht des der Klägerin drohenden „Imageschadens“ und der zu befürchtenden „beträchtlichen ökonomischen Einbußen“ nicht angemessen. Allein die Möglichkeit, der Informationsgewährung eine Stellungnahme beizufügen, sei nicht ausreichend, um die Interessen der Klägerin zu wahren.
22Der angefochtene Bescheid sei jedenfalls wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass bei der Entscheidung über den Informationsanspruch kein Ermessensspielraum eröffnet sei. Aus § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 und der diesbezüglichen Gesetzesbegründung folge indes, dass die Behörde die Interessen des Dritten im Rahmen „pflichtgemäßen Ermessens“ zu berücksichtigen habe. Des Weiteren eröffne § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 einen Ermessenspielraum, wenn sich die Behörde - wie vorliegend - für die Weitergabe der Informationen entschieden habe. Nach dieser Vorschrift sollen die Informationen für die Verbraucher verständlich dargestellt werden. Hiernach stehe eine Erläuterung der Informationen im Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle. Vorliegend sei mindestens eine gesonderte Klarstellung seitens der Beklagten erforderlich, dass die Migrationswerte auf einer falschen Testmethode beruhten. Auch insoweit liege ein Ermessensausfall vor.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 aufzuheben
25und
26die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat zur Begründung vorgetragen, die streitgegenständlichen Informationen seien vom Informationsantrag des Beigeladenen umfasst. Wie etwa den Ziffern 1 f und 4 des Fragenkatalogs zu entnehmen sei, begehre der Beigeladene nicht nur Angaben zu „Belastungen“ im Sinne von Normverstößen, sondern allgemein Informationen hinsichtlich nachgewiesener Photoinitiatoren. Auch seien die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 habe jeder einen Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten unter anderem über die Beschaffenheit von Erzeugnissen. Inhaltsstoffe, die - wie die hier in Rede stehenden Photoinitiatoren - unter bestimmten Umständen in Lebensmittel migrieren könnten, gehörten zur Beschaffenheit eines Erzeugnisses.
30Der Umstand, dass die Probenahme bereits im Januar 2008 erfolgt sei und die Klägerin nach eigenen Angaben das Produkt inzwischen ohne Einsatz von Photoinitiatoren herstelle, stehe dem Informationsanspruch nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2008 deutlich gemacht, dass es auf das Alter der Information grundsätzlich nicht ankomme. Ebenso wenig stehe der Informationsgewährung entgegen, dass die Informationen nach Auffassung der Klägerin unzutreffend seien. § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 entbinde die Beklagte von einer Richtigkeitsprüfung der ihr vorliegenden Informationen. Dies sei auch folgerichtig, denn informationspflichtig seien nach dem Verbraucherinformationsgesetz auch Behörden, die nur in irgendeiner Weise Aufgaben im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts wahrnehmen würden, ohne überhaupt in der Lage zu sein, solche Informationen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Gesetzgeber überantworte die Prüfung der Richtigkeit in den Verantwortungsbereich des Antragsstellers. Den Bedenken der Klägerin an der Richtigkeit der Information wolle die Beklagte nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG Rechnung tragen.
31Schließlich sei auch die Auffassung der Klägerin, die Entscheidung über das „Ob“ der Informationsgewährung stehe im Ermessen der Behörde, unzutreffend. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VIG 2008 und den Regelungen in § 3 Abs. 3 bis 5 VIG 2008. Aus § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 ergebe sich nichts anderes. Trotz der in der Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang verwendeten Formulierung („pflichtgemäßes Ermessen“) eröffne § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 der Behörde kein Ermessen, sondern weise darauf hin, dass im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 1 und 2 VIG 2008 auch die nicht artikulierten Interessen des Dritten von Amts wegen zu beachten seien, insbesondere bei der Anwendung solcher Vorschriften, bei denen - auf der Ebene des Tatbestandes - eine Abwägung vorzunehmen sei.
32Der Beigeladene, der keinen eigenen Antrag gestellt hat, hat sich inhaltlich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen.
33Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Februar 2012 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid verletze die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Zu prüfen seien im Rahmen der Drittanfechtungsklage nur drittschützende Vorschriften, zu denen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 nicht gehöre. Ungeachtet dessen unterfielen die vom Beigeladenen begehrten Informationen dem Begriff der Beschaffenheit und damit dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008. Der Begriff der Beschaffenheit sei denkbar weit zu verstehen. Hierfür spreche u. a. der Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes; der Gesetzgeber habe die zu Lasten der Verbraucher bestehenden strukturellen Informationsasymmetrien gerade durch die Gewährleistung umfassender Informationen abbauen wollen. Mit diesem erklärten Ziel ließe es sich nicht vereinbaren, den Umfang des in § 1 VIG 2008 geschaffenen Informationszugangsanspruchs durch eine restriktive Auslegung seiner Tatbestandsmerkmale wieder einzuschränken.
34Die Informationsgewährung sei auch nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 ausgeschlossen. Bei den in Rede stehenden Informationen handele es sich weder um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse noch um sonstige wettbewerbsrelevante Informationen im Sinne dieser Vorschrift. Den Informationen komme nicht die Qualität eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses zu, weil die Klägerin an der Nichtverbreitung kein berechtigtes Interesse geltend machen könne. Soweit sich die Klägerin auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufe, sei dem nicht zu folgen; die Freiheit der unternehmerischen Außendarstellung, um die es hier gehe, werde durch Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Ein Eingriff in Art. 12 GG liege nicht vor, weil das Grundrecht der Berufsfreiheit nach den Maßstäben der Glykolwein-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen Schutz biete vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein könnten, und zwar selbst dann nicht, wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken könnten; ein Eingriff in Art. 14 GG scheide aus, weil dieses Grundrecht nicht in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten schütze.
35Entgegen der Ansicht der Klägerin seien die streitgegenständlichen Messergebnisse nicht unzutreffend. Die Klägerin selbst habe nur die angewandte Testmethode gerügt; dass die ermittelten Ergebnisse etwa aufgrund von Mess- oder Rechenfehlern unrichtig seien, sei nicht ersichtlich und werde auch von der Klägerin nicht behauptet. Die Bekanntgabe der Messergebnisse verstoße auch nicht gegen das Gebot der Sachlichkeit. Eine wie auch immer geartete Kommentierung dieser Ergebnisse durch die Beklagte sei nicht vorgesehen; vielmehr solle dem Beigeladenen gemeinsam mit den Messergebnissen eine Stellungnahme der Klägerin übermittelt werden. Eine Verletzung des Gebots der Sachlichkeit sei auch nicht mittelbar durch die Verwendung der Informationen durch den Beigeladenen zu befürchten. Bei alledem stelle sich die Entscheidung der Beklagten, den Informationszugang zu gewähren, auch nicht als abwägungsfehlerhaft im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 dar. Im Übrigen stehe das „Ob“ der Informationsgewährung nicht im Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle.
36Gegen das Urteil hat die Klägerin am 8. März 2012 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung bleibe auch nach Inkrafttreten des geänderten Verbraucherinformationsgesetzes vom 15. März 2012 (im Folgenden: VIG 2012) die Gesetzeslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Ungeachtet dessen wäre die Herausgabe der streitgegenständlichen Messergebnisse auch nach diesem Gesetz rechtswidrig.
37Mit Blick auf § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 sei zu beachten, dass bezüglich des Informationsbegehrens des Beigeladenen zu differenzieren sei zwischen Auskünften über das bloße Vorhandensein von Photoinitiatoren einerseits und die Frage nach der Migration von Photoinitiatoren in Lebensmittel andererseits. Vorliegend gehe es nicht um das Vorhandensein von Photoinitiatoren in dem Produkt, sondern um Messergebnisse, die sich auf Migrationswerte bezögen. Zur „Beschaffenheit“ eines Erzeugnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 gehörten nur solche Eigenschaften, die der Sache unmittelbar anhaften würden. Das Migrationsverhalten betreffe demgegenüber die Interaktion mit fremden Stoffen.
38Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verletze die Informationsgewährung das Grundrecht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, so dass ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 bzw. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 vorläge. Die Maßstäbe der Glykolwein-Entscheidung könnten nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In jener Entscheidung sei es um Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen gegangen. Außerdem sei im vorliegenden Fall die streitgegenständliche Information falsch und unsachlich, womit die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer staatlichen Informationsgewährung gerade nicht erfüllt seien. Die Information, die hier veröffentlicht werden solle, beruhe auf einer falschen Testmethode. Denn der Versuchsaufbau des Landesuntersuchungsamtes sei nicht geeignet gewesen, die von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 geforderte Unbedenklichkeit bei normaler Verwendung des Produkts nachzuweisen. Das in Rede stehende Produkt, welches ausschließlich für vorbereitende Arbeiten mit Teig- und Backwaren verwendet werde, sei so getestet worden, als wenn es für die Nutzung im Backofen unter den dortigen Temperaturen vorgesehen sei. Mit Blick auf die Bemaßung des Produkts (63,5 cm breit x 46,0 cm tief) passe es aber gar nicht in einen handelsüblichen Backofen. Dass es nicht für die Nutzung im Backofen vorgesehen sei, sei dem Verbraucher bekannt; zur Klarstellung sei das Produkt sogar mit einem Piktogramm gekennzeichnet, dass einen durchgestrichenen Ofenhandschuh zeige. Mit einer Information darüber, dass Druckfarbenbestandteile bei einer Beanspruchung von zwei Stunden bei 70 Grad Celcius migrieren, werde der Verbraucher nicht zutreffend informiert, sondern im Gegenteil in die Irre geführt. Hinzu komme, dass beim Versuchsaufbau nachweislich für die Klägerin nachteilige Prüfsubstanzen verwendet worden seien. Diese Substanzen hätten zu einer Verfälschung der Messergebnisse geführt. Dies belege ein entsprechendes (Gegen-)Gutachten des Fraunhofer Instituts.
39Zu bedenken sei ferner, dass der Beigeladene in der Vergangenheit bereits durch zahlreiche unsachliche Verlautbarungen zu vergleichbaren Themen in Erscheinung getreten sei. Daher sei zu besorgen, dass eine sachlich angemessene Verwendung der hier im Streit stehenden Daten durch den Beigeladenen nicht gewährleistet sei.
40Schließlich sei die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts insofern fehlerhaft, als sie in Übereinstimmung mit der erlassenden Behörde davon ausgehe, dass es sich bei der im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 vorzunehmenden Entscheidung nicht um eine Ermessensentscheidung handeln solle. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13) und der einschlägigen Kommentarliteratur. Selbst wenn man allerdings davon ausgehe, dass der Behörde kein Ermessen zustehe, so falle dennoch die von § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 geforderte Abwägung zu Gunsten der Klägerin aus, da der Verbraucher kein berechtigtes Interesse an der Bekanntgabe unrichtiger Daten habe.
41Die Klägerin beantragt sinngemäß,
42unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009, soweit er sie betrifft, und den Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 aufzuheben
43und
44die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
45Die Beklagte beantragt,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt u. a. aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 nicht drittschützend sei. Die Vorschrift solle dem Verbraucher einen möglichst umfassenden Informationsanspruch verschaffen; den Rechten betroffener Dritter werde im Rahmen des § 2 VIG 2008 Rechnung getragen. Unabhängig davon, dass sich die Klägerin auf einen etwaigen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 nicht berufen könne, seien die Voraussetzungen dieses Tatbestandes erfüllt. Die im Streit stehenden Messwerte seien allein auf das Produkt der Klägerin zurückzuführen und beträfen damit dessen Beschaffenheit im Sinne seiner stofflichen Zusammensetzung bzw. seines stofflichen Verhaltens. Die Daten gäben Aufschluss darüber, welche Photoinitiatoren das Produkt enthalte. Auch habe das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass der Ausschlussgrund des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 nicht vorläge. Vor allem müsse das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin gegenüber dem Informationsinteresse des Verbrauchers, welches der Beigeladene stellvertretend geltend mache, zurücktreten. Die insofern allein befürchtete Rufschädigung der Klägerin sei rein spekulativ.
48Entgegen der Ansicht der Klägerin sei sie, die Beklagte, auch nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu prüfen. Dies sei in § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG ausdrücklich klargestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle durch das Verbraucherinformationsgesetz das Amtsgeheimnis zu Gunsten des mündigen Verbrauchers gelockert werden. Dazu gehöre auch, dass die Prüfung der Richtigkeit und Aussagekraft der Informationen dem Antragsteller überantwortet werde. Aus diesen Gründen sei auch das Gegengutachten des von der Klägerin beauftragten Instituts sowie der Einwand, es seien für die Klägerin nachteilige Prüfungssubstanzen verwendet worden, irrelevant. Die Informationsgewährung durch die Beklagte folge auch dem Gebot der Sachlichkeit, indem eine wie auch immer geartete Kommentierung nicht vorgesehen sei. Außerdem eröffne die Beklagte der Klägerin sogar die Möglichkeit, den Messergebnissen eine eigene Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen sei auch eine unsachgemäße Verwendung durch den Beigeladenen nicht sehr wahrscheinlich; es sei nicht einmal gewiss, ob der Beigeladene die Informationen überhaupt veröffentlichen wolle.
49Ergänzend führt die Beklagte aus, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 auch nach der VIG-Novelle rechtmäßig sei.
50Der Beigeladene beantragt,
51die Berufung zurückzuweisen.
52Er ist der Ansicht, für die Berufungsentscheidung des Senats sei das Verbraucherinformationsgesetz vom 15. März 2012 maßgeblich. Auf der Grundlage dieser Fassung sei der geltend gemachte Informationsanspruch erst recht begründet, zumal der Gesetzgeber den Ausschlussgrund der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 durch die weiteren einschränkenden Regelungen erheblich reduziert habe.
53Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat sich die Klägerin gegen eine Hinzuziehung des Beigeladenen ausgesprochen. Die Beiladung führe zu einer nicht mehr eingrenzbaren Informationsöffentlichkeit, zumal sich eine Anonymisierung der Klägerin und des betroffenen Produkts durch prozessleitende Verfügungen nicht sicher erreichen lasse; dem Beigeladenen müsse zumindest das Recht auf Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO verwehrt bleiben. Mit Beschluss vom 16. November 2010 hat das Verwaltungsgericht die Beiladung ausgesprochen und mit Verfügung vom selben Tage angeordnet, dass in den Schriftsätzen, die an den Beigeladenen weitergeleitet werden, sowohl der Name der Klägerin als auch sämtliche auf das Informationsbegehren bezogene Ausführungen zu schwärzen seien. Für die geschwärzten Fassungen der Schriftsätze hat das Verwaltungsgericht eine Zweitakte angelegt. Außerdem hat das Verwaltungsgericht gemäß seiner Verfügung vom 15. Februar 2012 in der für den Beigeladenen bestimmten Urteilsaufertigung Schwärzungen vorgenommen und dies damit begründet, dass die entsprechenden Textpassagen Rückschlüsse auf das von der Klägerin vertriebene Produkt zulassen könnten; das Urteil ohne die vorgenommenen Auslassungen könne dem Beigeladenen nach Rechtskraft der Entscheidung übersandt werden. Der Beigeladene hat diese Verfahrensweise u. a. mit Schriftsätzen vom 14. Februar 2011 und 18. September 2012 als unzulässig gerügt und Einsicht in die ungeschwärzten Schriftsätze beantragt.
54Der Senat hat mit prozessleitenden Verfügungen vom 5. und 6. Februar 2014 den Beteiligten mitgeteilt, dass von einer (weiteren) Anonymisierung des Namens der Klägerin abgesehen werde, weil die Identität der Klägerin dem Beigeladenen bereits seit dem Widerspruchsverfahren bekannt sei. Ferner hat der Senat die dem Gericht bislang vorgelegten ungeschwärzten Schriftsätze an die Klägerin bzw. an die Beklagte zurückgesandt und in der Gerichtsakte nur die geschwärzten Fassungen belassen, die auch dem Beigeladene zur Verfügung gestellt worden sind. Die vom Verwaltungsgericht angelegte Zweitakte ist als Beiakte zur Gerichtsakte genommen worden. Den Beteiligten ist mit der Rücksendung ihrer Schriftsätze Gelegenheit gewährt worden, hinsichtlich der geschwärzten Passagen gegebenenfalls ergänzend in einer Weise vorzutragen, die es ermöglicht, den Inhalt allen Beteiligten zur Kenntnis zu geben. Außerdem hat der Senat dem Beigeladenen - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - eine ungeschwärzte Fassung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Verfügung gestellt, da die geschwärzten Passagen - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts - keine Rückschlüsse auf die streitgegenständlichen Informationen zulassen.
55Bereits zuvor hat der Senat mit Verfügung vom 30. August 2012 einen Schriftsatz der Beklagten nicht zur Gerichtsakte genommen und an den Absender zurückgesandt, da der Schriftsatz offensichtlich Informationen enthielt, die Gegenstand des Verfahrens sind. Ferner hat der Senat mit Verfügung vom 14. Januar 2014 ein Exemplar des streitgegenständlichen Produkts, welches die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 „nur für das Gericht“ übersandt hatte, an diese zurückgesandt. Der Beigeladene hat die Rücksendung von Schriftsätzen als unzulässig gerügt, da hierdurch sein Akteneinsichtsrecht aus § 100 Abs. 1 VwGO vereitelt worden sei.
56Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 8. Januar 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
57Die Urschrift des in der Besetzung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung gefällten Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 war nur von zwei Berufsrichtern unterschrieben. Die fehlende Unterschrift der an der Entscheidung beteiligten Richterin ist am 26. März 2014 nachgeholt worden. Mit Vermerk vom selben Tage hat die Richterin erklärt, die Unterschrift sei seinerzeit aufgrund eines Versehens unterblieben. Das Verwaltungsgericht Köln hat das Urteil daraufhin allen Beteiligten erneut zugestellt.
58Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
59E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
60Der Senat entscheidet gemäß §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin, die zulässig, aber unbegründet ist.
61A. Gegenstand der Berufung ist ein existentes erstinstanzliches Urteil. Die nach § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Unterschrift der Richterin unter dem erstinstanzlichen Urteil konnte noch im Berufungsverfahren nachgeholt werden.
62Vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1955 - II ZR 310/53 -, BGHZ 18, 350 (354 f.), und Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 -, NJW 2003, 3057 = juris Rn. 3; BAG, Urteil vom 20. Dezember 1956 ‑ 3 AZR 333/56 -, AP Nr. 1 zu § 315 ZPO = juris Rn. 6; BSG, Urteil vom 21. September 1960 - 2 RU 28/58 -, juris Rn. 17; BFH, Urteil vom 13. September 1988 - VIII R 218/85 -, BFH/NV 1989, 354 = juris Rn. 18; Hess. VGH, Beschluss vom 20. August 2002 - 10 ZU 4067/98 -, ESVGH 53, 51 = juris Rn. 1; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 117 Rn. 58; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 117 Rn. 3; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 117 Rn. 14, jeweils m.w.N.; a. A. - soweit ersichtlich - nur Bay. LSG, Urteil vom 21. März 2012 - L 19 R 97/12 -, NZS 2012, 559 (Ls.) = juris Rn. 15.
63Mit Nachholung der Unterschrift und erneuter Zustellung ist das bis dahin unwirksame (Schein-)Urteil existent und damit Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, ohne dass es einer erneuten Rechtsmitteleinlegung bedurft hätte.
64Vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 117 Rn. 58; vgl. zur Unwirksamkeit des Urteils bis zur Nachholung der Unterschrift: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 5 C 9.89 -, BVerwGE 91, 242 = juris Rn. 4.
65Der Umstand, dass die fehlende Unterschrift erst nach Ablauf von fünf Monaten nach dem Tag der gerichtlichen Entscheidung nachgeholt wurde, steht dem nicht entgegen. Zwar ist die nachträgliche Abfassung, Unterzeichnung und Übergabe der Urteilsurschrift an die Geschäftsstelle gemäß § 117 Abs. 4 VwGO nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993,
66vgl. Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 -, BVerwGE 92, 367 = juris,
67auf längstens diese Frist begrenzt. Dies gilt jedenfalls für Urteile, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen und nach § 116 Abs. 1 oder 2 VwGO verkündet werden.
68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2003 - 4 B 11.03 -, NVwZ-RR 2003, 460 = juris Rn. 7 ff.; vgl. zur Anwendbarkeit der 5-Monats-Frist auf Kammerentscheidungen ohne mündliche Verhandlung (§ 116 Abs. 3 VwGO): Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 138 Rn. 249.
69Wird diese Frist überschritten, ist das Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen; dies führt im Revisionsverfahren zur Aufhebung des Urteils.
70Vgl. zu § 547 Nr. 6 ZPO: BGH, Urteile vom 27. Januar 2006 - V ZR 243/04 -, NJW 2006, 1881 = juris Rn. 12 ff., und vom 16. Oktober 2006 - II ZR 101/05 -, NJW-RR 2007, 141 = juris Rn. 7 ff.
71Dies gilt indes nicht gleichermaßen für das Berufungsverfahren, weil sich die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Senat - anders als im Revisionsverfahren (vgl. § 137 VwGO) - nicht darauf beschränkt, ob diese Entscheidung auf der Verletzung geltenden Rechts beruht, sondern der Senat eine von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängige umfassende Neuprüfung des Rechtsstreits vornimmt.
72Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 221.
73Ausgehend hiervon war das angefochtene Urteil nicht aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Vielmehr konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden.
74B. Der Senat entscheidet gemäß § 108 Abs. 2 VwGO ausschließlich auf der Grundlage des Akteninhalts, der allen Beteiligten bekannt ist und zu dem alle Beteiligten Stellung nehmen konnten. Beteiligt am Verfahren ist gemäß § 63 Nr. 3 VwGO auch der Beigeladene; dessen Beiladung ist zu Recht erfolgt (hierzu I.). Sowohl die Anonymisierung des Namens der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen (hierzu II.) als auch die Schwärzung der an den Beigeladenen weitergeleiteten Schriftsätze (hierzu III.) waren nicht zulässig. Die diesbezüglichen Anordnungen des Verwaltungsgerichts waren daher durch den Senat entsprechend abzuändern.
75I. Die Beiladung des Beigeladenen war notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO).
76Erhebt ein Dritter Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem die informationspflichtige Stelle einem Antrag auf Zugang zu ihn betreffenden Informationen stattgibt, ist der durch den Verwaltungsakt begünstigte Antragsteller notwendig beizuladen. Die mit einer solchen Klage begehrte Aufhebung des Verwaltungsaktes kann nicht getroffen werden, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Antragstellers verändert oder aufgehoben werden. Damit kann die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO ergehen.
77Vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 65 Rn. 120
78Das Verbraucherinformationsgesetz enthält keine hiervon abweichenden Regelungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren.
79Vgl. Mühlbauer, DVBl. 2009, 354 (357); Kugele, in: Böhm/Freund/Voit (Hrsg.), VIG, 2009, S. 102 (104); Wustmann, ZLR 2011, 57 (75); teilweise a. A. Grube/Immel, ZLR 2009, 649 (655); Immel/Schneider, LMuR 2009, 142 ff.; Grote, in: Böhm/Freund/Voit (Hrsg.), VIG, 2009, S. 113 (119); Grube, in: Meyer (Hrsg.), Lebensmittel heute, 2010, S. 295 (300).
80Auch das Verfassungsrecht schließt die Beiladung in der vorliegenden Fallkonstellation der Drittanfechtungsklage nicht aus.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2009 ‑ 1 BvQ 39/09 u. a. -, NVwZ 2009, 1556 = juris Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2009 ‑ 14 PS 4/09 -, NVwZ 2010, 199 = juris Rn. 3.
82Zwar wird dem Antragsteller, dem der Informationszugang nach dem Willen der Behörde gewährt werden soll, durch seine Beiladung infolge der Mitteilung des Rubrums die Identität des Drittanfechtungsklägers bekannt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, von der Beiladung abzusehen. Der Antragsteller erhält allein durch das Bekanntwerden der Identität des Klägers im Regelfall noch keine näheren Informationen über die Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte, auf die sich der Anspruch auf Informationszugang seinem wesentlichen Inhalt nach bezieht. Allein das Bekanntwerden der Identität begründet insoweit für den Kläger in der Regel keinen rechtlich relevanten Nachteil.
83Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2009 ‑ 1 BvQ 39/09 u. a. -, NVwZ 2009, 1556 = juris Rn. 3.
84Für den Fall, dass der Antragsteller mithilfe des Informationsanspruchs gerade (auch) die Identität des Dritten in Erfahrung bringen will, gilt nichts anderes. Auch in diesem Fall sieht das Prozessrecht keine Ausnahme von § 65 Abs. 2 VwGO vor. Die notwendige Beiladung ist vielmehr zwingend vorgeschrieben und zur Sicherung und Durchsetzung des Anspruchs unmittelbar materiell-rechtlich betroffener Personen auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen unabdingbar.
85Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2006 ‑ 1 BvR 675/06 u. a. -, BVerfGK 9, 425 = juris Rn. 18; vgl. auch Stober, in: Festschrift für Menger, 1985, S. 401 (417 f.).
86II. Die vom Verwaltungsgericht am 16. November 2010 angeordnete Anonymisierung der Identität der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen war unzulässig.
87Ist das streitgegenständliche Informationsbegehren ausschließlich auf die Bekanntgabe des Namens oder der Anschrift eines Prozessbeteiligten gerichtet oder ist dessen Identität zumindest wesentlicher Bestandteil des Informationsbegehrens, kann es ausnahmsweise geboten sein, den Namen und/oder die Anschrift im Gerichtsverfahren gegenüber dem Prozessgegner zu anonymisieren. Dies folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG.
88Zwar sieht die Verwaltungsgerichtsordnung die Anonymisierung der Identität eines Beteiligten gegenüber einem anderen Prozessbeteiligten nicht ausdrücklich vor. Gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger bezeichnen; die Schriftsätze sollen die Parteien namentlich benennen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO). In der Sitzungsniederschrift werden die erschienenen Prozessbeteiligten namentlich erfasst (§ 105 VwGO i.V.m § 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Auch die Entscheidungen des Gerichts enthalten im Rubrum die Bezeichnung der Beteiligten (§ 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Vorschriften sind jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Es ist allgemein anerkannt, dass das Erfordernis der Angabe des Namens und/oder der ladungsfähigen Anschrift im Gerichtsverfahren entfällt, wenn es im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einer unzumutbaren Einschränkung des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Zugangsrechts zu den Gerichten führt.
89Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 1999 ‑ 1 BvR 1203/99 -, juris Rn. 1; BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24.97 -, NJW 1999, 2608 = juris Rn. 40; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87 -, BGHZ 102, 332 = juris Rn. 10; BFH, Beschluss vom 18. August 2011 - V B 44/10 -, BFH/NV 2011, 2084 = juris Rn. 7 ff.; vgl. ferner Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand: April 2013, Band II, § 82 Rn. 4 (keine Angabe der ladungsfähigen Anschrift z. B. bei schutzwürdigem Geheimhaltungsinteresse bei Unterbringung in einem Frauenhaus).
90Ist die Bekanntgabe der Identität eines Beteiligten als solche streitgegenständlich, muss das Gericht diesem Umstand - gegebenenfalls durch gesonderte Aktenführung und einer besonderen Gestaltung der mündlichen Verhandlung - Rechnung tragen. Vor allem können in den Schriftsätzen und in den gerichtlichen Verfügungen, die an andere Beteiligte weitergeleitet werden, der Name und/oder die Anschrift des betroffenen Beteiligten anonymisiert werden. Anderenfalls würde das Recht des betroffenen Prozessbeteiligten auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterlaufen. Eine Klärung der Berechtigung der Bekanntgabe seiner Identität soll nämlich erst im gerichtlichen Verfahren herbeigeführt werden.
91Vgl. - insoweit zutreffend - Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D, § 5 Rn. 35.
92Eine solche Anonymisierung ist gleichwohl auf Ausnahmefälle zu beschränken und darf auch während des Gerichtsverfahrens nur soweit und solange aufrechterhalten bleiben, wie Art. 19 Abs. 4 GG dies im jeweiligen konkreten Fall erfordert. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sowohl der Grundsatz der prozessualen Waffen- und Verfahrensgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Anspruch auf rechtliches Gehör der übrigen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich das Recht einschließt, die Identität des Prozessgegners zu kennen.
93Im vorliegenden Fall war gemessen hieran im Gerichtsverfahren hinsichtlich des Namens der Klägerin schon deshalb keine Ausnahme zu machen, weil deren Identität dem Beigeladenen bereits seit dem Widerspruchsverfahren bekannt ist. Ihr Schutzbedürfnis ist damit bereits vor Klageerhebung entfallen. Hinzu kommt, dass der Name der Klägerin aufgrund ihrer umfangreichen Produktpalette keine Rückschlüsse auf das betroffene Produkt, auf die chemische Substanz oder auf die Messwerte zulässt. Gerade diese Daten sind indes zentrales Ziel des Informationsbegehrens des Beigeladenen. Hat das Bekanntwerden der Identität der Klägerin für den Beigeladenen danach keinen eigenständigen Informationswert, ist die Anonymisierung ihres Namens nicht gerechtfertigt. Das Bekanntwerden der Identität führt in einem solchen Fall regelmäßig - so auch hier - nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung des Zugangsrechts zu den Gerichten nach Art. 19 Abs. 4 GG.
94III. Soweit das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 16. November 2010 die Schwärzung sämtlicher auf das Informationsbegehren bezogener Ausführungen in den für den Beigeladenen bestimmten Abschriften angeordnet und das Hauptsacheverfahren über eine doppelte Aktenführung teilweise zu einem „in-camera“-Verfahren gemacht hat, war dies ebenfalls nicht zulässig.
95Schriftsätze einschließlich etwaiger Anlagen müssen - auch im Fall der Anfechtungsklage gegen die Gewährung des Zugangs zu Informationen - allen Verfahrensbeteiligten vollständig und ohne Schwärzungen für einzelne Beteiligte zugänglich gemacht werden. Ein „in-camera“-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor. § 99 Abs. 2 VwGO bestimmt, dass der nach § 189 VwGO zuständige Spruchkörper in einem besonderen Zwischenverfahren die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Urkunden oder Akten auf Antrag eines Beteiligten überprüft, wenn die Behörde deren Vorlage verweigert. Darüber hinaus kann in „erweiterter“ Auslegung des § 99 Abs. 2 VwGO ausnahmsweise auch die Geheimhaltung der behördlichen Akten oder Urkunden, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eines Verfahrensbeteiligten enthalten, von diesem beim zuständigen Fachsenat beantragt werden, falls die Behörde die betreffenden Akten oder Urkunden im Gerichtsverfahren entsprechend der Aufforderung des Prozessgerichts offenlegen will.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 2003 - 20 F 1.03 -, BVerwGE 118, 350 = juris Rn. 3 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2009 - 14 PS 4/09 -, NVwZ 2010, 199 = juris Rn. 2; vgl. hierzu auch Schenke, NVwZ 2008, 938 (940), und Schroeter, NVwZ 2011, 457 (459 f.).
97§ 99 VwGO bezieht sich aber zum einen nur auf Akten und Urkunden der Behörde, nicht jedoch auf den Vortrag eines Beteiligten. Zum andern lässt die Vorschrift eine Verwertung der geheim zu haltenden Informationen gerade nur in einem gesonderten Zwischenverfahren zu. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift für das Hauptsacheverfahren ist insofern schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht möglich. Nur der Gesetzgeber könnte ein „in-camera“-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache zur Verwertung geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen für die Sachentscheidung einführen und ausgestalten.
98Vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 20 F 8.03 -, NVwZ 2004, 105 = juris Rn. 12; ebenso Seibert, NVwZ 2002, 265 (270); vgl. schon früher zum Zivilprozessrecht: Lachmann, NJW 1987, 2206 (2210); Kürschner, NJW 1992, 1804 (1805); Prütting, NJW 1993, 576 (577), jeweils m.w.N.
99Ein derartiges Verfahrensmodell hat der Gesetzgeber jedoch - auch und gerade im Bereich des Informationszugangsrechts - in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 ‑ 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236 = juris Rn. 12, vom 15. Oktober 2008 - 20 F 1.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 50 = juris Rn. 7 f., und vom 5. Februar 2009 ‑ 20 F 3.08 -, juris Rn. 6 f.; kritisch hierzu u. a. Mayen, NVwZ 2003, 537 (542 ff.), und Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); vgl. demgegenüber etwa für telekommunikationsrechtliche Streitigkeiten die Sonderregelung in § 138 Abs. 2 TKG, hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 9. Januar 2007 - 20 F 1.06 u. a. -, BVerwGE 127, 282 = juris Rn. 12 ff., und vom 21. Januar 2014 - 6 B 43.13 -, juris Rn. 10.
101Die Geheimhaltung des Sachvortrags eines Beteiligten ist im Hauptsacheverfahren ohne entsprechende gesetzliche Grundlage mit dem in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz des rechtlichen Gehörs unvereinbar. Dieser Grundsatz gebietet es, dass einer gerichtlichen Entscheidung regelmäßig nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen alle Beteiligten Stellung nehmen konnten.
102Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 -, BVerfGE 57, 250 = juris Rn. 63, und vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 = juris Rn. 90.
103In Ausprägung dieses Grundsatzes verlangt § 108 Abs. 2 VwGO, dass den Prozessbeteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich vor der Entscheidung zum gesamten Prozessstoff, insbesondere zu allen entscheidungserheblichen Umständen und dem darauf bezogenen Vorbringen der übrigen Beteiligten zu äußern. Daraus folgt die weitere Pflicht des Gerichts, Schriftsätze eines Beteiligten allen anderen Beteiligten zur Kenntnis zu bringen, wie dies in § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorgeschrieben ist. Jeder Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens darf sich daher darauf verlassen, dass sich in der Gerichtsakte, auf deren Inhalt die das Verfahren abschließende Entscheidung aufbaut, keine Schriftsätze anderer Beteiligter befinden, die er nicht kennt.
104Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1987 - 6 C 60.86 -, BVerwGE 78, 30 = juris Rn. 13, und vom 25. Mai 1988 - 6 C 40.86 -,Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 201 = juris Rn. 14, sowie Beschluss vom 25. Juni 2010 - 8 B 128.09 -, juris Rn. 6; Höfling, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 108 Rn. 192; vgl. auch für den Zivilprozess: OLG München, Beschluss vom 8. November 2004 - 29 W 2601/04 -, NJW 2005, 1130 = juris Rn. 20 ff., und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2008 - I-2 W 57/08, 2 W 52 W 57/08 -, InstGE 10, 122 = juris Rn. 6 f.
105Schriftsätze eines Beteiligten, die von ihm als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet und nur zur Kenntnisnahme für das Gericht bzw. für ausgewählte Verfahrensbeteiligte übersandt werden, können daher nicht ohne Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Gleiches gilt, wenn der Beteiligte für einen bestimmten Prozessbeteiligten geschwärzte Abschriften seiner Schriftsätze mit dem Hinweis beifügt, dass die ungeschwärzte Fassung nicht weitergegeben werden dürfe. Das Gericht ist prozessrechtlich gehindert, solche Schriftsätze zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen und die gerichtliche Sachentscheidung hierauf zu stützen.
106Vgl. - insoweit zutreffend - VG Köln, Urteil vom 31. Juli 2003 - 1 K 1246/02 -, CR 2003, 831 = juris Rn. 151.
107Solche Schriftsätze gehören daher von vornherein nicht zu den Gerichtsakten. Sie müssen grundsätzlich bereits mit Eingang bei Gericht an den Absender zurückgesandt werden; zugleich ist dem Absender Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls ergänzend in einer Weise vorzutragen, die es ermöglicht, den Inhalt allen Beteiligten zur Kenntnis zu geben.
108Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. November 2003 ‑ 20 F 16.03 -, NVwZ 2004, 486 = juris Rn. 2 f., vom 5. November 2008 - 20 F 6.08 -, juris Rn. 15, vom 6. November 2008 - 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 17, vom 5. Februar 2009 ‑ 20 F 24.08 -, juris Rn. 16, vom 24. August 2009 ‑ 20 F 2.09 -, juris Rn. 14 f., und vom 8. März 2010 ‑ 20 F 11.09 -, NJW 2010, 2295 = juris Rn. 16 f.
109Wird dies in der Vorinstanz versäumt, kann die Rückgabe solcher Schriftsätze auch noch im Rechtsmittelverfahren erfolgen.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 -, NJW 2010, 2295 = juris Rn. 17 (Rücksendung erst im Beschwerdeverfahren).
111Durch die Rückgabe der unter dem Vorbehalt der Nichtweitergabe eingereichten Schriftsätze wird das Akteneinsichtsrecht des Prozessgegners nicht verletzt. § 100 Abs. 1 VwGO will sicherstellen, dass die Verfahrensbeteiligten Kenntnis von allen Akten nehmen und sich zu allen Akteninhalten äußern können, die dem Gericht zur Entscheidung vorliegen und die es damit zur Entscheidungsgrundlage macht. Dem Akteneinsichtsrecht unterliegen daher nicht solche Unterlagen, hinsichtlich derer das Gericht auf eine Beiziehung verzichtet und die es damit nicht zum Prozessstoff macht.
112Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2004 - 6 B 71.03 -, juris Rn. 9 f.
113Nichts anderes gilt für Schriftsätze, die nach den vorstehenden Grundsätzen nicht zur Gerichtsakte genommen werden, sondern an den Absender zurückgegeben werden müssen.
114Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. November 2008 ‑ 20 F 6.08 -, juris Rn. 14, vom 6. November 2008 ‑ 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 16, vom 5. Februar 2009 - 20 F 24.08 -, juris Rn. 17, und vom 24. August 2009 - 20 F 2.09 -, juris Rn. 15.
115Ob eingereichte Schriftsätze möglicherweise Passagen enthalten, die geheimhaltungsbedürftig sind oder unmittelbar die Angaben enthalten, die vom streitgegenständlichen Informationsbegehren erfasst sind, ist im Übrigen nicht durch das Gericht zu prüfen; erst recht ist es dem Gericht verwehrt, selbst Schwärzungen in den Schriftsätzen vorzunehmen. Werden Schriftsätze mit einem geheimhaltungsbedürftigen Inhalt ohne einen „Vorbehalt der Nichtweitergabe“ dem Gericht vorgelegt, sind sie grundsätzlich mit der Folge zur Gerichtsakte zu nehmen, dass sich das Recht auf Akteneinsicht der anderen Beteiligten hierauf erstreckt.
116Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1997 - 7 C 97.1151 -, NVwZ-RR 1998, 686 (687).
117Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, auf eine (versehentliche) Vorlage offensichtlich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen oder streitgegenständlicher Informationen durch Erteilung eines richterlichen Hinweises zu reagieren, um dem Absender Gelegenheit einzuräumen, den Schriftsatz zurückzuziehen, bevor dieser zur Gerichtsakte genommen wird. Ein derartiger Hinweis ist in der Regel von § 86 Abs. 3 VwGO und vom allgemeinen Verfahrensermessen gedeckt und verstößt nicht gegen das Gebot der Unparteilichkeit.
118Vgl. Gärditz/Orth, JuS 2010, 317 (319).
119Die Prozessbeteiligten müssen bei alledem grundsätzlich selbst dafür Sorge tragen, dass ihre Stellungnahmen gegenüber dem Gericht so abgefasst sind, dass der von ihnen begehrte Geheimnisschutz auch dann gewahrt bleibt, wenn der Schriftsatz prozessordnungsgemäß dem Gegner zugestellt wird. Den Beteiligten werden dadurch keine unerfüllbaren oder unzumutbaren Darlegungsanforderungen auferlegt, zumal auch das Gericht bei der Abfassung des Urteils nicht anders verfahren kann.
120Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2003 ‑ 20 F 16.03 -, NVwZ 2004, 486 = juris Rn. 2.
121Dass ein Verfahrensbeteiligter dadurch in seinen Darlegungsmöglichkeiten eingeschränkt ist, dass er die Umstände, die er geheim halten möchte, als solche im Rahmen seines Vortrags nicht benennen kann, hat das Gericht bei den Anforderungen an die Substantiiertheit des Vorbringens sowie bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
122Vgl. allgemein BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133 = juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 17 A 1888/92 -, NVwZ-RR 1998, 398 = juris Rn. 23; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2008 - I-2 W 57/08, 2 W 52 W 57/08 -, InstGE 10, 122 = juris Rn. 7, und Stadler, NJW 1989, 1202 (1203).
123Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Senat mit Verfügungen vom 30. August 2012, vom 8. Januar 2014 und insbesondere vom 5. und 6. Februar 2014 die zur Gerichtsakte gereichten ungeschwärzten Schriftsätze an die Klägerin bzw. an die Beklagte zurückgesandt und in der Gerichtsakte nur die geschwärzten Fassungen belassen, die auch dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden sind. Außerdem war dem Beigeladenen aus denselben Erwägungen eine ungeschwärzte Fassung des Urteils zu übersenden.
124Auf der Grundlage des danach allen Beteiligten gleichermaßen zur Verfügung gestellten Akteninhalts konnte der Senat ohne eine Beiziehung der Unterlagen, in der sich die streitgegenständlichen Informationen befinden, über die Klage entscheiden.
125Vgl. zu dieser Konstellation, die nicht zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren führt, etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f.
126C. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 ist, soweit er die Klägerin betrifft, rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Beigeladenen ist der begehrte Informationszugang zum Namen der Klägerin, zum Namen des betroffenen Produkts, zur Bezeichnung des festgestellten Photoinitiators, zu den Migrationswerten dieses Photoinitiators sowie dazu, wann die diesbezüglichen Werte ermittelt wurden, zu gewähren.
127I. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
128Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 LB 2/06 -, NVwZ 2006, 847 = juris Rn. 9, und VG München, Urteil vom 22. November 2012 - M 18 K 11.4507 -, juris Rn. 20; a. A. VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. Juni 2005 - 12 A 182/02 -, Abdruck S. 17 f.
129Die Frage des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts bestimmt sich nach dem dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden materiellen Recht. Fehlt es - wie hier im Verbraucherinformationsgesetz - an gesetzlichen Anhaltspunkten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass es bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt für die gerichtliche Überprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt und dass nur bei der Anfechtung eines - hier nicht vorliegenden - Dauerverwaltungsakts Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zur gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind.
130Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1989 ‑ 7 B 21.89 -, NVwZ 1990, 653 = juris Rn. 4, vom 23. November 1990 - 1 B 155.90 -, NVwZ 1991, 372 = juris Rn. 3, vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -, GewArch 1991, 276 = juris Rn. 3, und vom 8. Februar 1995 - 1 B 6.94 -, NVwZ-RR 1995, 392 = juris Rn. 5, sowie Urteil vom 6. April 2000 - 3 C 6.99 -, NVwZ 2001, 322 = juris Rn. 28 ff.
131Die vorstehend dargelegte, auf den Fall der Anfechtung eines belastenden Verwaltungsaktes durch den Adressaten zugeschnittene Regel gilt im Grundsatz auch für die hier in Rede stehende Fallgestaltung, dass sich ein Dritter mit der Anfechtungsklage gegen den einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt wendet.
132Allerdings widerspräche es der Prozessökonomie, im Rahmen der Drittanfechtung einen Verwaltungsakt, dessen Erlass nicht im Ermessen der Behörde steht, aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt sogleich nach der Aufhebung auf erneuten Antrag wegen der inzwischen geänderten Rechtslage wiedererteilt werden müsste.
133Für den baurechtlichen Nachbarprozess ist deshalb in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass die Klage des Nachbarn gegen die einem Bauwilligen erteilte Baugenehmigung nicht nur dann abzuweisen ist, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung erfüllt waren, sondern auch dann, wenn sie jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sind; nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zugunsten des Bauwilligen sind danach in dem Rechtsstreit zu berücksichtigen.
134Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1965 - IV C 3.65 -, BVerwGE 22, 129 = juris Rn. 13; vgl. ferner Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 119; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 108 Rn. 25; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 53, jeweils m.w.N.
135Nach Auffassung des Senats spricht Vieles dafür, diese für den baurechtlichen Nachbarstreit entwickelten prozessrechtlichen Regeln auf die hier gegebene Konstellation zu übertragen.
136Im Ergebnis kann diese Frage indes offenbleiben. Der angefochtene Bescheid vom 25. November 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 erweisen sich unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage sowohl zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (dazu II.) als auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (dazu III.) als rechtmäßig. Eine die Aufhebung des Verwaltungsaktes rechtfertigende Verletzung der Rechte der Klägerin liegt demgemäß nicht vor, ungeachtet der Frage, ob allen Vorschriften des Verbraucherinformationsgesetzes drittschützender Charakter zukommt.
137II. Ausgehend von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 ist der angefochtene Bescheid formell und materiell rechtmäßig.
138Maßgebliche Rechtsgrundlage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung war das Verbraucherinformationsgesetz vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558), dessen §§ 1 bis 5 am 1. Mai 2008 in Kraft getreten sind (VIG 2008). Das Bundesministerium war danach eine informationspflichtige Stelle (1.), die gesetzlichen Verfahrensvorgaben wurden eingehalten (2.) und die Voraussetzungen des Anspruchs auf Informationszugang gemäß § 1 VIG 2008 waren erfüllt (3.). Dem Informationsanspruch stand insbesondere kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 VIG 2008 entgegen (4.). Auch konnte die Informationsgewährung im Einklang mit § 5 Abs. 3 VIG 2008 unabhängig von einer Überprüfung der Richtigkeit der Informationen erfolgen (5.). Bezüglich der Gewährung der Information als solcher bestand kein Ermessen (6.).
1391. Das Bundesministerium war informationspflichtig gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2008 und damit auch für den Erlass des angefochtenen Bewilligungsbescheides zuständig (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 VIG 2008).
140Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 VIG 2008 ist informationspflichtige Stelle im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes jede Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, die auf Grund anderer bundesrechtlicher oder landesrechtlicher Vorschriften öffentlich-rechtliche Aufgaben oder Tätigkeiten wahrnimmt, die der Erfüllung der in § 1 LFGB genannten Zwecke dienen. Erfasst werden damit grundsätzlich alle Behörden eines Bundeslandes und des Bundes, denen nach den dafür geltenden Regelungen Aufgaben im Bereich der Lebensmittelüberwachung zugewiesen sind. Dies ist auf der Ebene des Bundes neben dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und dem Bundesinstitut für Risikobewertung auch das Bundesministerium. Dieses nimmt im Bereich der Lebensmittelüberwachung Aufsichtsaufgaben wahr (vgl. z. B. § 8 Abs. 1 BfR-Gesetz). Es ist zuständiges Ministerium im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (vgl. § 4 Abs. 3 LFGB) und in dieser Funktion u. a. von den Lebensmittelbehörden über bestimmte Sachverhalte zu unterrichten (vgl. z. B. § 38 Abs. 4 Nr. 2 LFGB). Auch kann das Bundesministerium etwa im Rahmen des Europäischen Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) Befugnisse selbst wahrnehmen, vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 2 Nr. 1 Buchst. a) der BVL-Übertragungsverordnung. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes ist das Bundesministerium als oberste Bundesbehörde nach § 1 Abs. 3 VIG 2008 nur, soweit es - was vorliegend nicht in Rede steht - im Rahmen der Gesetzgebung oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig wird.
1412. Der Bescheid vom 25. November 2009 ist unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Anforderungen des Verbraucherinformationsgesetzes ergangen.
142Die Klägerin wurde insbesondere vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 4 Abs. 1 VIG 2008 ordnungsgemäß beteiligt. Auch entsprach der Antrag des Beigeladenen vom 25. September 2009 den Anforderungen des § 3 Abs. 1 VIG 2008; insbesondere war der Antrag hinreichend bestimmt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VIG 2008) und auf die hier im Streit stehenden Informationen bezogen. Dass sich der Antrag des Beigeladenen auf sämtliche Produkte, bei denen im Rahmen der amtlichen Überwachung Druckchemikalien nachgewiesen wurden, erstreckt hat, steht dem nicht entgegen. Der Antrag nach § 3 Abs. 1 VIG 2008 muss sich nicht auf ein konkret bezeichnetes Erzeugnis im engeren Sinne beziehen, sondern kann von vornherein auch auf bestimmte Erzeugnisgruppen bezogen sein. Denn der Antragsteller kann häufig nicht wissen, zu welchen konkreten Erzeugnissen eine auskunftspflichtige Stelle über Informationen verfügt. In einem solchen Fall kann der Antrag - wie hier - dadurch näher bestimmt werden, dass der Antragsteller sein Informationsbegehren themenbezogen eingrenzt (z. B. in Bezug auf bestimmte durchgeführte Überwachungsmaßnahmen). Bei einer derartigen Präzisierung des Antrags liegt kein unzulässiger oder missbräuchlicher Ausforschungs- oder Rundumantrag vor.
143Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 8 B 922/07 -, NVwZ 2008, 235 = juris Rn. 8 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 31; Schoch, NJW 2010, 2241 (2243); Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 3 Rn. 10.
1443. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 lagen vor. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu den in Nummern 1 bis 5 genannten Informationen, die bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Das Bestehen des Anspruchs ist von keinem besonderen Interesse oder einer Betroffenheit abhängig.
145Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 10; vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 26 ff.
146a) Zwar sind keine Anhaltpunkte dafür gegeben, dass die streitgegenständlichen Messergebnisse einen Rechtsverstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 betrafen bzw. einen solchen offenlegten. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass aufgrund der gemessenen Werte Gefahren oder Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008 bestanden. Für einen Großteil der in Rede stehenden Photoinitiatoren bestanden - soweit ersichtlich - weder spezifische Migrationsgrenzwerte (vgl. z. B. die Richtlinie 2002/72/EG, inzwischen Verordnung (EU) Nr. 10/2011, oder die Bedarfsgegenständeverordnung) noch lag eine gesundheitliche Bewertung vor. Derartiges wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
147b) Der Informationszugang war, soweit es um den Inhalt der Untersuchungsergebnisse geht, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 zu gewähren. Danach besteht ein Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten u. a. über die „Beschaffenheit“ von „Erzeugnissen“. Das Verbraucherinformationsgesetz gewährt einen Informationsanspruch über die Beschaffenheit von Lebensmitteln bzw. (Lebensmittel-)Bedarfsgegenständen auch dann, wenn weder ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht noch eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers in Rede steht.
148aa) Bei dem streitbefangenen Produkt der Klägerin handelt es sich nach dem ‑ insoweit unstreitigen - Vortrag der Klägerin und der Beklagten um einen für Arbeiten mit Teig- und Backwaren bestimmten Haushaltsgegenstand und damit um ein „Erzeugnis“. Der Begriff des Erzeugnisses im Verbraucherinformationsgesetz entspricht demjenigen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008). Erzeugnisse sind nach § 2 Abs. 1 LFGB Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffe, Futtermittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände. Erfasst werden damit auch die sog. Lebensmittelbedarfsgegenstände, zu denen sowohl Lebensmittelverpackungen als auch die im Haushalt verwendeten Gegenstände gehören, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
149Vgl. Gorny, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg.), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 2 Rn. 179; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl., 2012, § 2 Rn. 189 ff.
150bb) Das Vorhandensein sowie das Migrationsverhalten von Druckchemikalien in einem Lebensmittel bzw. in einem (Lebensmittel-)Bedarfsgegenstand betrifft dessen „Beschaffenheit“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008. Auch der Begriff der Beschaffenheit ist im Ansatz im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches auszulegen,
151vgl. Borchert, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 1 Rn. 50,
152und bezieht sich vor allem auf die stoffliche Zusammensetzung des Erzeugnisses einschließlich des chemisch-physikalischen Zustandes seiner Bestandteile sowie darüber hinaus auf sonstige wertbildende Eigenschaften wie etwa Geruch, Geschmack, haptische Eindrücke und sonstige Konsistenz, Reinheit und Farbe.
153Vgl. Preuß, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg.), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 15 Rn. 17; Wehlau, LFGB, 2010, § 11 Rn. 54; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl., 2012, § 11 Rn. 54 und § 15 Rn. 3; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 2, Stand: September 2013, § 11 Rn. 93 und § 15 Rn. 30.
154Zur stofflichen Beschaffenheit eines Erzeugnisses gehören insofern auch Gehalte an gegebenenfalls unerwünschten Substanzen wie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder Tierarzneimitteln sowie alle Kontaminationen aus der Umwelt, also z. B. Schwermetalle, Mykotoxine oder organische Chlorverbindungen. Für Belastungen in einem Erzeugnis, die aus dem chemischen Reaktionsverhalten einzelner seiner stofflichen Bestandteile resultieren, gilt dabei nichts anderes.
155Vgl. Preuß, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 15 Rn. 17; Zilkens, NVwZ 2009, 1465 (1467).
156Ebenfalls eine Frage der stofflichen Beschaffenheit des Erzeugnisses ist sein Aggregatzustand und dessen Veränderlichkeit, die Löslichkeit der in dem Erzeugnis vorhandenen Stoffe, die Radioaktivität oder sonstiges stoffliches Verhalten und damit auch das - hier in Rede stehende - Migrationsverhalten einzelner Substanzen. Insofern betreffen sowohl die in dem Erzeugnis selbst gemessenen als auch die von einem Erzeugnis herrührenden Migrationswerte dessen Beschaffenheit.
157Dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 ein Informationszugang zu Messwerten auch dann besteht, wenn weder ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht (im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008) noch eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers (im Sinne § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008) in Rede steht, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm und entspricht dem Zweck des Gesetzes, einen umfassenden Zugang zu den Informationen über Erzeugnisse zu eröffnen.
158Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 10.
159Gegen einen derart umfassenden Informationsanspruch bestehen auch keine unionsrechtlichen Einwände. Dies gilt vor allem mit Blick auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der schon nicht die Informationsgewährung auf Antrag, sondern die Voraussetzungen regelt, unter denen die Behörde ohne Antrag von sich aus informieren darf.
160Vgl. VG München, Urteil vom 22. September 2010 - M 18 K 09.5878, M 18 K M 18 K 09.5879 -, juris Rn. 26; vgl. im Übrigen zu § 40 LFGB: EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-636/11 -, NJW 2013, 1725 = juris; hierzu u. a. Wollenschläger, EuZW 2013, 419 ff., sowie Gurlit, NVwZ 2013, 1267 ff.
161c) Soweit der Beigeladene nicht nur Angaben zum Inhalt der Untersuchungsergebnisse, sondern auch zum Zeitpunkt der getroffenen Feststellungen begehrt, folgt der Informationszugangsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Zugang zu Daten über Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbrauchern einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen. Hiervon erfasst wird jedenfalls die Verwaltungstätigkeit der zuständigen Behörden auf der Grundlage der §§ 38 ff. LFGB. Zu den Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008 gehören daher vor allem solche, die die routinemäßigen Betriebskontrollen oder Probenahmen (§§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1 LFGB) einschließlich der Analysen und Untersuchungen der Proben - wie sie auch hier durchgeführt wurden - betreffen.
162Vgl. Domeier/Matthes, VIG, Stand: Februar 2008, § 1 Erl. 4.5; Falck/Schwind, VIG, 1. Aufl. 2011, § 1 Erl. 2.6.
163d) Der Informationsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 VIG 2008 war nicht durch vorrangige Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 4 VIG 2008 ausgeschlossen. Insbesondere sind etwaige Ansprüche nach dem IFG oder UIG nicht vorrangig.
164Vgl. zum Verhältnis des VIG zum IFG und UIG Borchert, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 1 Rn. 74 ff.; vgl. im Übrigen auch zu möglichen Überschneidungen mit dem Umweltinformationsrecht OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juni 2006 - 8 A 10267/06 -, NVwZ 2007, 351 = juris Rn. 41 f.
165Auch bestand vorliegend keine Geheimhaltungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts. Die danach geschützte Vertraulichkeit von „Voruntersuchungen“ und „laufenden rechtlichen Verfahren“ begründet zum einen schon kein Schutzrecht zu Gunsten der von den Kontrollen betroffenen Firmen oder Personen.Zum anderen kann begrifflich von „Voruntersuchungen“ bzw. von einem „laufenden“ Verfahren nicht mehr gesprochen werden, wenn Kontrollmaßnahmen - wie hier - mit der Analyse einer Probenahme bereits ihren Abschluss gefunden haben.
166Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2009 ‑ 13a F 13/09 -, NVwZ 2009, 1510 = juris Rn. 29; Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 ‑ G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 25.
167Ebenso wenig stand Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 der beabsichtigten Informationsgewährung entgegen; hiernach hat die zuständige Behörde sicherzustellen, dass keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen, die bei Wahrnehmung der Kontrollaufgaben gewonnen worden sind, weitergegeben werden. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Vorschrift kein weitergehender Schutz zugunsten der Klägerin als aus den hier zu prüfenden Ausschluss- und Beschränkungsgründen nach § 2 VIG 2008.
168Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 ‑ G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 26 m.w.N.; VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2012 - 7 A 1405/11 -, juris Rn. 33.
1694. Dem Informationsanspruch standen keine Ausschluss- oder Beschränkungsgründe gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 VIG 2008 entgegen.
170a) Dies gilt zunächst mit Blick auf § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2008. Danach besteht in der Regel kein Anspruch bei Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Die hier vorgesehene zeitliche Begrenzung des Informationszugangs gilt zum einen nicht zwingend („in der Regel“) und greift zum anderen nur für Informationen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 und ist schon deswegen vorliegend nicht einschlägig. Ungeachtet dessen ist für die Berechnung der Zeitspanne weder auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung noch auf denjenigen einer gerichtlichen Entscheidung abzustellen, sondern auf denjenigen der Antragstellung. Als der Beigeladene den Antrag auf Informationszugang im Jahr 2009 gestellt hat, waren die hier im Streit stehenden Testergebnisse, die nach den Angaben der Beklagten auf einer Probenahme aus Januar 2008 beruhen, noch nicht älter als fünf Jahre. Dass die Daten vor dem Inkrafttreten des Verbraucherinformationsgesetzes am 1. Mai 2008 erhoben worden sind, steht im Übrigen der Informationsgewährung nicht entgegen; das Gesetz erstreckt sich vielmehr auch auf solche Daten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VIG 2008).
171Vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 21. Januar 2009 ‑ 4 K 4605/08 -, GewArch 2009, 459 = juris Rn. 9.
172b) Der Informationsanspruch war auch nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 ausgeschlossen. Nach diesem Ausschlusstatbestand besteht der Anspruch nach § 1 VIG 2008 wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (hierzu aa) oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind (hierzu bb), offenbart würden.
173aa) Bei den hier im Streit stehenden Daten handelt es sich nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008.
174Der Begriff des „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses“ ist nach dem Willen des Gesetzgebers in Anlehnung an § 17 UWG auszulegen,
175vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12,
176und wird sowohl im Anwendungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb als auch in anderen Normzusammenhängen entsprechend der Begriffsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 14. März 2006,
177BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87,
178weitgehend einheitlich definiert. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind danach - auch im Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes - alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.
179Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87; vgl. ferner zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG und § 6 Satz 2 IFG: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113 = juris Rn. 12, sowie Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 -, juris Rn. 10.
180(1) Dass die hier im Streit stehenden Testergebnisse nicht offenkundig, also weder allgemein bekannt noch ohne weiteres zugänglich sind, ist zugunsten der Klägerin anzunehmen. Lässt sich ein Betriebsgeheimnis (z. B. die Konstruktionsart oder eine chemische Zusammensetzung) durch eine Untersuchung (z. B. Zerlegung, Analyse, Entschlüsselung - sog. reverse engineering) des in den Verkehr gebrachten Produkts erschließen, ist es nur dann offenkundig, wenn jeder Fachmann dazu ohne größeren Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand in der Lage wäre.
181Vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 17 Rn. 8.
182Dass dies für die Untersuchung auf das Migrationsverhalten von Photoinitiatoren konkret in Bezug auf das klägerische Produkt zutreffen könnte, lässt sich nicht feststellen.
183(2) Die Frage der Offenkundigkeit kann aber im Ergebnis ohnedies dahingestellt bleiben. Denn die Klägerin hat jedenfalls kein „berechtigtes“ Geheimhaltungsinteresse bezüglich dieser Testergebnisse.
184(a) Ob ein solches Interesse vorliegt, muss durch den Betroffenen so plausibel gemacht werden, dass unter Wahrung des Geheimnisses ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden Information und der Möglichkeit eines Wettbewerbsnachteils hergestellt werden kann. Die bloße Behauptung, dass ein Geschäftsgeheimnis vorliege, reicht dagegen nicht aus.
185Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 - OVG 12 B 34.10 -, juris Rn. 37 (zu § 6 Satz 2 IFG).
186Im Allgemeinen ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse anzunehmen, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
187Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114 = juris Rn. 11, sowie Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113 = juris Rn. 13; vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 134; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 17 Rn. 9.
188Für die Frage, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, kommt es nicht allein darauf an, ob der Geschäftsinhaber subjektiv meint, eine bestimmte Tatsache müsse geheim gehalten werden. Vielmehr muss für eine Geheimhaltung ein objektivierbares begründetes Interesse bestehen.
189Vgl. Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Ernst, in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 17 Rn. 18; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 - OVG 12 B 34.10 -, juris Rn. 36 („objektivierbaren Bezug auf den Wettbewerb“).
190(b) Während im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum umstritten ist, ob vor diesem Hintergrund der sitten- oder gesetzwidrige Inhalt eines Geheimnisses grundsätzlich bedeutungslos ist,
191vgl. hierzu etwa Mayer, GRUR 2011, 884 (887) m.w.N.,
192hat der Gesetzgeber für den Bereich des Verbraucherinformationsgesetzes in § 2 Satz 3 VIG 2008 klargestellt, dass Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 nicht durch § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 geschützt sind. Für Untersuchungsergebnisse, die Rechtsverstöße feststellen, besteht regelmäßig kein berechtigtes Interesse daran, diese nicht zu offenbaren; sie haben deshalb grundsätzlich keinen Ausschluss des Informationsanspruchs zur Folge.
193Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12.
194Mit dieser Wertung, die angesichts des Dritt- und Sozialbezugs der betreffenden Informationen dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
195vgl. Schoch, NJW 2009, 2987 (2992); ders., NJW 2010, 2241 (2245); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (36) m.w.N.,
196verfolgt der Gesetzgeber das allgemeine Ziel, dass der „mündige Verbraucher“ mit Hilfe der Verbraucherinformationsrechte besser befähigt werden soll, als Marktteilnehmer Kaufentscheidungen eigenverantwortlich zu treffen.
197Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 7; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 22, und VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 39.
198Ausgehend hiervon kann auch für Untersuchungsergebnisse, bei denen zwar ein Rechtsverstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 nicht in Rede steht, die aber dennoch für das betroffene Unternehmen ungünstig sind bzw. sein könnten, das Geheimhaltungsinteresse nicht allein mit der Besorgnis begründet werden, bei Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse drohe dem Unternehmen ein „Imageschaden“ oder der Verbraucher könne das Produkt „meiden“. Dies gilt gleichermaßen für Testergebnisse, bei denen z. B. Qualitätsunterschiede oder Abweichungen von bestimmten Qualitätsmerkmalen oder entsprechender Standards offenbart werden, wie für solche Untersuchungen, bei denen unerwünschte - wenngleich nicht gesetzeswidrige - Inhaltsstoffe nachgewiesen werden. Dass bei einer Offenlegung solcher Ergebnisse tatsächlich Absatzeinbußen eintreten können, ist in der vom Verbraucherinformationsgesetz bezweckten Förderung der Marktransparenz angelegt. Als Marktteilnehmer haben Verbraucher eine gestaltende Funktion im Wettbewerb. Sie können - so die Modellvorstellung, die dem Verbraucherinformationsgesetz zugrunde liegt - gezielt und bewusst Produkte entsprechend ihren Bedürfnissen aus dem Warenangebot mit der Folge auswählen, dass Produkte mit unerwünschten Qualitäten unter Umständen sogar gänzlich vom Markt verdrängt werden.
199Vgl. Albers/Ortler, GewArch 2009, 225 (225 f.) m.w.N.
200Aus der Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein zur Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 11 Abs. 1 IFG-SH bei beanstandeten Füllmengenunterschreitungen,
201vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Juni 2005 - 4 LB 30/04 -, NuR 2006, 327 = juris Rn. 48 ff.,
202folgt insofern jedenfalls für die Auslegung des Verbraucherinformationsgesetzes nichts anderes. Das Erfordernis des berechtigten Geheimhaltungsinteresses ist bereichsspezifisch auszulegen. Im Zusammenhang mit dem Verbraucherinformationsgesetz steht nicht die wettbewerblich geprägte Sichtweise, sondern die Herstellung der Markttransparenz und Informationsfreiheit im Vordergrund. Das Gesetz bezweckt gerade nicht den Schutz des Wettbewerbs; § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 geht es nur darum, den Kern der betrieblichen Informationssphäre zu schützen.
203Vgl. Schrader, in: Schlacke/Schrader/Bunge, Informationsrechte, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht - Aarhus-Handbuch, 2010, § 1 Rn. 137 (zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG).
204Dementsprechend kann im Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes das für die Annahme eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses erforderliche berechtigte Geheimhaltungsinteresse grundsätzlich nicht allein mit möglichen nachteiligen (Kauf-)Entscheidungen des informierten Verbrauchers und dadurch bedingten Absatzeinbußen begründet werden.
205Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 13a F 13/09 -, NVwZ 2009, 1510 = juris Rn. 27, und VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 ‑ 26 L 683/10 -, juris Rn. 37 (jeweils zur fehlenden Schutzwürdigkeit im Falle der Überschreitung dem Verbraucherschutz dienender Normwerte); vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 21. Januar 2009 ‑ 4 K 4605/08 -, GewArch 2009, 459 = juris Rn. 11 (kein Schutz vor möglichen Absatzeinbußen).
206Dies bedeutet freilich nicht, dass für das Unternehmen ungünstige Test- oder Untersuchungsergebnisse im vorstehenden Sinne prinzipiell nicht dem Schutz des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 unterfielen. Entscheidend bleibt, ob durch die Offenlegung solcher Ergebnisse im Einzelfall für den Wettbewerb mit Konkurrenten erhebliches technisches oder kaufmännisches Wissen bekannt wird. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die Test- oder Untersuchungsergebnisse inhaltlich z. B. eine geheimhaltungswürdige Rezeptur oder Herstellungsweise offenbaren, deren Kenntnis es Konkurrenten erlauben würde, ein weitgehend identisches Produkt auf den Markt zu bringen.
207Vgl. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (36) m.w.N.; vgl. auch - allerdings noch vor Inkrafttreten des VIG zu § 8 UIG a.F. bzw. § 18c PflSchG a.F. - OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 13a D 43/04 -, NuR 2004, 750 = juris (zur Verwendung von Alkylphenolethoxylaten in Pflanzenschutzmitteln).
208Nicht planmäßige Qualitätsunterschiede oder Abweichungen, die bei der Herstellung eines Erzeugnisses unerwünscht oder zufällig auftreten, sind hingegen regelmäßig keine schützenswerten - für den Wettbewerb mit Konkurrenten erheblichen - Produktionsgeheimnisse.
209Vgl. in diesem Sinne bereits Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 24 (zum fehlenden Geheimhaltungsinteresse bei festgestellten Abweichungen des Produktinhalts von der Etikettierung); vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 139.
210Auch bei der streitgegenständlichen Auskunft geht es nicht etwa darum, welche Inhaltsstoffe für das klägerische Produkt nach seiner Rezeptur vorgesehen sind oder wie es konkret hergestellt wird, sondern allein darum, dass das Produkt auf das Vorhandensein von Photoinitiatoren und deren Migrationsverhalten getestet wurde. Dieses Wissen lässt keine Rückschlüsse auf die Rezeptur oder die genaue Herstellungsweise zu und betrifft damit keine Information, die es einem Konkurrenten ermöglichen würde, ein Produkt zu „kopieren“, oder die sich ein Konkurrent sonst zu Eigen machen und daraus einen Nutzen ziehen könnte.
211(c) Diese Auslegung des Verbraucherinformationsgesetzes steht im Einklang mit den Grundrechten des Unternehmens aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte verbürgen zwar auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen; der grundrechtliche Geheimnisschutz wird allerdings durch die einfach-rechtlichen Verbraucherschutz- und ‑informationsrechte entscheidend mitbestimmt.
212Die vorgenannten grundrechtlichen Gewährleistungen schützen ein am Markt tätiges Unternehmen, das sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aussetzt, nicht vor diesbezüglichen „Imageschäden“ und dadurch bedingten „Umsatzeinbußen“. Vor allem Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht; ein solches Recht kann auch nicht in Parallele zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), worauf sich die Klägerin beruft, begründet werden, weil auch dieses einen solchen Anspruch nicht umfasst. Vielmehr sichert Art. 12 Abs. 1 GG nur die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Der Schutz der unternehmerischen Berufstätigkeit am Markt - um den es auch hier geht - wird insofern durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Diese Regeln sind zugleich Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).
213Vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252 = juris Rn. 40 ff. und 76 ff. (Glykolwein).
214Der Verbraucherschutz ist ein verfassungsrechtlicher Gemeinwohlbelang, dem der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts einen hohen Stellenwert beimessen und der eine Einschränkung des Schutzgehalts der vorgenannten Grundrechte rechtfertigen kann.
215Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 303/90 -, NJW 1993, 1969 = juris Rn. 20, vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 238/92 -, GRUR 1993, 754 = juris Rn. 7 ff., und vom 4. Juni 1998 - 1 BvR 2652/95 -, NJW 1998, 2811 = juris Rn. 17 (jeweils zum wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutz), sowie vom 22. Januar 1997 - 2 BvR 1915/91 -, BVerfGE 95, 173 = juris Rn. 51 ff. (Warnhinweise für Tabakerzeugnisse).
216Die durch den Gesetzgeber ausgeformten Verbraucherschutz- und -informationsrechte, die die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördern, zählen zu den Regelungen, die den grundrechtlichen Schutzgehalt mitbestimmen. Dem trägt die hier vorgenommene Auslegung Rechnung.
217bb) Bei den hier im Streit stehenden Testergebnissen handelt es sich auch nicht um „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“ im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008.
218Das Tatbestandsmerkmal der „sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen“ ist gesetzlich weder definiert noch in der Gesetzesbegründung näher erläutert. Diese beschränkt sich auf den Hinweis, dass „für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse, wie z. B. Qualitätsunterschiede oder die Ausnutzung von Toleranzen“, im Einzelfall wettbewerbsrelevante Informationen darstellen „können“.
219Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12; vgl. auch Falck/Schwind, VIG, 1. Aufl. 2011, § 2 Erl. 3.3, vgl. ferner Grube/Weyland, VIG 2008, § 2 Rn. 11.
220Aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass wettbewerbsrelevante Informationen in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sein müssen. Auch für den Begriff der wettbewerbsrelevanten Informationen muss daher in enger Anlehnung an den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses gelten, dass sie sich auf nicht offenkundige Umstände beziehen müssen, die für den Wettbewerb mit Konkurrenten erheblich sind.
221Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 47; VG Ansbach, Urteil vom 9. Juni 2011 - AN 16 K 10.02612 -, juris Rn. 39; vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 127 und 139: „Auffangtatbestand“ nur für solche Informationen, die insbesondere den notwendigen unmittelbaren Unternehmensbezug nicht aufweisen.
222Die hier im Streit stehenden Informationen sind nicht wettbewerbsrelevant; sie weisen - wie aufgezeigt - keine Erheblichkeit für den Wettbewerb mit Konkurrenten auf. Die von der Klägerin allein befürchteten Absatzeinbußen sind insofern auch nicht durch die Tatbestandsalternative der sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen geschützt.
223cc) Liegt damit der Ausschlussgrund des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 schon tatbestandlich nicht vor, kommt es auf die Frage, ob im Anwendungsbereich des VIG 2008 - etwa gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 - das Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses im Wege der Abwägung mit dem öffentlichen Informationsinteresse überwunden werden kann - wie dies in § 3 Satz 2 VIG 2012 inzwischen vorgesehen ist -, nicht mehr an.
2245. Die Informationen konnten im Einklang mit § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 ohne Überprüfung ihrer Richtigkeit gewährt werden. Nach dieser Vorschrift, die den Regelungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 UIG a.F. und des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG nachgebildet ist, ist die informationspflichtige Stelle nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu überprüfen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Dass die Klägerin die Richtigkeit der streitgegenständlichen Messerergebnisse bestreitet, ist mithin nicht rechtserheblich. Nichts anderes gilt für die Einwände der Klägerin, die Ergebnisse beruhten auf einer falschen oder unsachgemäßen Testmethode und die verwandten Prüfsubstanzen seien für die Klägerin ungünstig gewesen.
225a) Nach der Konzeption der Informationszugangsgesetze hat die Behörde die Informationen im Rahmen der Zugangsgewährung weder zu bewerten noch deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Informationsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist ebenso wie der Anspruch nach dem Umweltinformationsgesetz und derjenige nach dem Informationsfreiheitsgesetz seinem Inhalt nach - vergleichbar mit dem Anspruch auf Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) - auf den bei der in Anspruch genommenen Behörde tatsächlich vorhandenen Bestand an Informationen gerichtet. Von dem Anspruch erfasst werden damit - entsprechend dem Grundsatz der „Aktenwahrheit“ - alle vorhandenen Informationen und zwar gerade unabhängig davon, ob die betreffenden Daten „richtig“ oder „unrichtig“ sind. Diese Akten- und Dokumentenöffentlichkeit erlaubt es jedermann nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzes - gewissermaßen wie bei einem öffentlich-rechtlich zugänglichen Archiv - Einblick in den Informationsbestand der Verwaltung zu nehmen. Die Behörde ist ihrerseits - in Abkehr von dem Grundsatz der Amtsverschwiegenheit - verpflichtet, diese Einblicke zu gestatten. Dementsprechend steht dem Antragsteller auch kein Anspruch auf richtige Informationen oder auf eine Überprüfung auf Richtigkeit zu,
226vgl. zu § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG: Schoch, IFG, § 7 Rn. 78 m.w.N.; vgl. ferner zu § 5 Abs. 2 Satz 2 UIG a.F.: Schomerus, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, 2. Aufl. 2002, § 5 Rn. 49,
227und können sich weder die informationspflichtige Stelle noch vom Informationszugang betroffene Dritte mit Erfolg zwecks Vermeidung des Informationszugangs auf die (angebliche) Unrichtigkeit der betroffenen Informationen berufen.
228Insofern unterscheidet sich die Verpflichtung zur Informationsgewährung nach dem VIG, UIG und IFG von den allgemeinen behördlichen Belehrungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten (§ 25 VwVfG), bei denen die Behörde eigene sachbezogene oder sonst inhaltliche Erklärungen oder Bewertungen abgibt, für deren Richtigkeit sie einzustehen hat.
229Vgl. nur Kallerhof, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 25 Rn. 19 m.w.N.
230Dies gilt auch für den Informationsanspruch nach dem Umweltinformationsgesetz in seiner Neufassung. Aus § 7 Abs. 3 UIG n.F., der in Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2003/4/EG im Interesse des Antragstellers Qualitätsanforderungen an die Informationsgewährung formuliert, folgt keine generelle Pflicht der informationspflichtigen Stelle, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu prüfen.
231Vgl. BT-Drs. 15/3406, S. 18; VG Arnsberg, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 K 753/10 -, juris Rn. 28; Gassner, UIG, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2008, § 7 Erl. 4; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand: April 2013, § 7 UIG Rn. 11.
232b) Soweit das Verbraucherinformationsgesetz die informationspflichtige Stelle von einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Information freistellt, bestehen für die auf Antrag erfolgende Informationsgewährung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; inwieweit für antragsunabhängige staatliche Informationsmaßnahmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 VIG 2008) etwas anderes gilt, braucht hier nicht entschieden zu werden.
233Vgl. VG Ansbach, Urteile vom 26. November 2009 - AN 16 K 08.01750, AN 16 KAN 16 K 09.00087 -, ZLR 2010, 228 = juris Rn. 40, und vom 9. Juni 2011 - AN 16 K 10.02612 -, juris Rn. 38; Schoch, NJW 2010, 2241 (2246 f.); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47).
234Zwar ist die „Richtigkeit“ der Information nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Grundvoraussetzung aktiver staatlicher Informationstätigkeit. Erweist sich eine Information nachträglich als unrichtig, ist der Staat von Verfassungs wegen - entsprechend dem Grundsatz der Folgenbeseitigung - zur Berichtigung verpflichtet.
235Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252 = juris Rn. 60 ff.
236Diese Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die aktive staatliche Information der Öffentlichkeit formuliert hat, gelten allerdings nicht gleichermaßen für die auf Antrag erfolgende Informationsgewährung.
237Vgl. Augsberg, DVBl. 2007, 733 (740); in diesem Sinne auch Schoch, NJW 2010, 2241 (2245); ders., NJW 2012, 2844 (2848); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47).
238Das Schutzbedürfnis des Unternehmens vor einer aktiven staatlichen Veröffentlichung unrichtiger Informationen ist ungleich größer als in den Fällen der antragsveranlassten individuellen Einsichtsgewähr. Denn die Öffentlichkeitsinformation, die - wie etwa eine produktbezogene Warnung - auf Initiative des Staates erfolgt, ist ihrer Intention nach auf eine unmittelbare Unterrichtung des Marktes gerichtet. Der Staat nimmt in diesem Fall selbst am öffentlichen Kommunikationsprozess teil und wirkt unmittelbar auf ihn ein. Er selbst wählt dabei die Informationen aus, die er bekannt geben will. Informationen, die der Staat in einem solchen Sinne direkt an alle Markteilnehmer richtet, finden eine breite Beachtung. Sie wirken sich auf die Wettbewerbsposition eines am Markt tätigen Unternehmens mit einer deutlich größeren Intensität aus als die Informationsgewährung an einen einzelnen Antragsteller.
239Vgl. Albers/Ortler, GewArch 2009, 225 (230); ferner - insoweit durchaus zutreffend - Britz/Eifert/Groß, DÖV 2007, 717 (722).
240Demgegenüber hat die individuelle Bekanntgabe der Information als solche (noch) keinen oder (allenfalls) einen nur geringen wettbewerbserheblichen Einfluss. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation des Unternehmens ist im Regelfall ernsthaft erst dann zu besorgen, wenn der Informationsempfänger seinerseits die Informationen veröffentlicht. Einer solchen privaten Veröffentlichung wird der Verbraucher einen geringeren Stellenwert - gerade auch im Hinblick auf die Richtigkeitsgewähr - beimessen als einer originär staatlichen Informationsmaßnahme. Hinzu kommt, dass sich das betroffene Unternehmen - wie sonst im Wettbewerb auch - gegen wettbewerbsschädigende unwahre Tatsachenbehauptungen oder unzulässige wertende Äußerungen auch vor den Zivilgerichten zur Wehr setzen kann und damit nicht etwa schutzlos wäre.
241Vgl. nur Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 823 Rn. 129 m.w.N.
242Gerade vor diesem Hintergrund ist zum Ausgleich der kollidierenden Schutzinteressen des betroffenen Unternehmens einerseits (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) und der Informationsfreiheit andererseits (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) im Sinne praktischer Konkordanz die informationspflichtige Stelle dazu verpflichtet, dem Antragsteller bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit mit der Informationsgewährung mitzuteilen, wie dies § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 vorsieht. Die gilt erst recht für den Fall, dass sich die Informationen unrichtig erwiesen haben. Zu den mitzuteilenden Informationen gehören auch etwaige Stellungnahmen betroffener Dritter oder Unternehmen, die Zweifel an den herauszugebenden Daten geltend machen. Das Gesetz überantwortet damit sowohl die Prüfung der Informationen auf Richtigkeit als auch die Verantwortung bezüglich der weiteren Verwendung der erlangten Informationen auf den Antragsteller. Es sieht den Bürger als mündigen Informationsempfänger, der selbst bereit und in der Lage ist, die Informationen auf ihren sachlichen Gehalt und ihre Verwertbarkeit zu überprüfen.
243Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 K 753/10 -, juris Rn. 24 ff. (zu § 7 Abs. 3 UIG); VG Dessau, Urteil vom 23. November 2007- 1 A 156/07 -, UPR 2008, 119 = juris Rn. 17 f., und VG Oldenburg, Beschluss vom 28. März 2013 - 5 A 4541/12 -, juris Rn. 14 (jeweils zu § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG); vgl. auch VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2012 - 7 A 1405/11 -, LRE 64, 449 = juris Rn. 38 (zu § 4 Abs. 1 NdsPresseG).
244Diesen Anforderungen hat die Beklagte im vorliegenden Fall hinreichend Rechnung getragen. Sie hat in dem angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Stellungnahmen der Firmen, die die Richtigkeit der festgestellten Werte sowie die Richtigkeit der Mess- und Analyseverfahren in Zweifel gezogen haben, bei der Übermittlung der Informationen auch dem Beigeladenen zur Kenntnis gebracht werden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. November 2009 sogar ausdrücklich Gelegenheit zur Vorlage einer solchen Stellungnahme gewährt. Auch hat die Beklagte während des Gerichtsverfahrens wiederholt klargestellt, dass sie der Klägerin - nach wie vor - die Möglichkeit eröffne, den Messergebnissen eine eigene Stellungnahme beizufügen. Soweit die Klägerin hiervon keinen Gebrauch machen will, ist die Beklagte - soweit und solange ihr keine anderweitigen Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit bekannt sind und sich die Informationen auch für die Beklagte nicht als unrichtig darstellen - nicht dazu verpflichtet, den Richtigkeitsgehalt der Informationen zu kommentieren. Aus § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - insofern nichts anderes. Nach dieser Vorschrift sollen die Informationen für die Verbraucher verständlich dargestellt werden. Die Regelung bezieht sich allein auf die „inhaltliche Verständlichkeit der Informationen“ und damit vor allem auf die Art und Übersichtlichkeit der Darstellung der Informationen, nicht aber auf deren Richtigkeit.
245Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13.
246Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die hier von der Beklagten beabsichtigte Übersendung der streitgegenständlichen Daten in einer tabellarischen Übersicht für den Beigeladenen als Informationsempfänger unverständlich oder sonst unsachlich sein könnte.
2476. Lagen nach alledem die Anspruchsvoraussetzungen vor, bestand bezüglich des „Ob“ der Informationsgewährung kein Ermessen. Nichts anderes folgt aus der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 VIG 2008. Soweit dort ausgeführt wird, die Behörde entscheide nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 nach „pflichtgemäßem Ermessen“, wenn der betroffene Dritte keine Stellungnahme abgeben wolle oder eine Auskunft durch die informationspflichtige Stelle ablehne,
248vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13,
249hat dies jedenfalls im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr sieht § 1 Abs. 1 VIG 2008 seinem eindeutigen Wortlaut nach bei Vorliegen der Voraussetzungen eine gebundene Entscheidung vor. Wie an anderer Stelle in der Gesetzesbegründung zutreffend ausgeführt wird, eröffnet lediglich § 5 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 Ermessen, und zwar nur hinsichtlich der „Art“ des Informationszugangs.
250Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12 f.
251Dass dieses Ermessen hier fehlerhaft ausgeübt worden ist, ist nicht zu erkennen.
252III. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 erweisen sich auch unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig. Anwendung findet insofern das durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformationen vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 476) novellierte Verbraucherinformationsgesetz (neu bekannt gemacht am 17. Oktober 2012, BGBl. I S. 2166, 2725), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 34 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) - im Folgenden: VIG 2012 -.
2531. Danach ergibt sich die Informationspflichtigkeit des Bundesministeriums aus § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2012. Auch entspricht das durchgeführte Verfahren den Anforderungen der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 VIG 2012.
2542. Ferner sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 VIG 2012 erfüllt.
255a) Zwar werden die streitgegenständlichen Informationen weder von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2012 noch von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2012 erfasst. Auch unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Testergebnisse „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches“ (Nr. 1 Buchst. a) oder „von einem Erzeugnis oder einem Verbraucherprodukt ausgehende Gefahren oder Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern“ (Nr. 2) betreffen.
256b) Die streitgegenständlichen Informationen sind indes, soweit es um den Inhalt der Untersuchungsergebnisse geht, solche im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 (vgl. bereits oben II. 3. b); die Zeitpunkte der Durchführung der amtlichen Untersuchungen sind Daten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG 2012 (oben II. 3. c).
257Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 besteht Zugang zu allen Daten über die Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, ihre Beschaffenheit, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften einschließlich ihres Zusammenwirkens und ihrer Einwirkung auf den Körper, auch unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung oder vorhersehbaren Fehlanwendung. Für den Begriff des Erzeugnisses verweist das Verbraucherinformationsgesetz nach wie vor auf das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (vgl. § 1 Nr. 1 VIG 2012). Dass es sich bei dem beprobten und untersuchten Produkt der Klägerin um ein Erzeugnis im lebensmittelrechtlichen Sinne handelt, wurde oben unter II. 3. b) aa) ausgeführt.
258Das Vorhandensein von Photoinitiatoren in einem Erzeugnis betrifft auch dessen „Beschaffenheit“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen unter II. 3. b) bb) zu verweisen. Dass dem Begriff der Beschaffenheit nach der Neufassung des Verbraucherinformationsgesetzes gegenüber dem bisherigen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 ein anderer Inhalt beizumessen wäre, ist nicht zu erkennen. Zwar ist dieser Tatbestand neugefasst worden. Hintergrund der Neufassung war jedoch allein die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Verbraucherinformationsgesetzes auf Verbraucherprodukte im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (vgl. § 1 Nr. 2 VIG 2012).
259Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D, § 2 Rn. 29.
260Diese Ausweitung hat - so die Gesetzesbegründung - „eine Reihe von terminologischen Folgeänderungen“ notwendig gemacht. Das nunmehr in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 verwandte Begriffspaar „Zusammensetzung und Beschaffenheit“ soll sicherstellen, dass die stofflichen und mechanischen Komponenten von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten erfasst werden. Die gewählte Formulierung ist bewusst an die Beschaffenheit bzw. Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten als solchen angeknüpft.
261Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15.
262Soweit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers „Rezepturen und sonstiges exklusives wettbewerbserhebliches Wissen über die Parameter eines Produktes“ nicht von dem Begriffspaar „Zusammensetzung und Beschaffenheit“ erfasst sein sollen,
263vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15,
264folgt hieraus für den vorliegenden Fall nichts anderes, da es vorliegend weder um die Rezeptur noch um Parameter des klägerischen Produkts geht; das Vorhandensein von Photoinitiatoren und deren Migrationsverhalten betrifft nicht unmittelbar die geheimhaltungsbedürftige Produktionsweise und lässt auch keine Rückschlüsse hierauf zu.
2653. Der Informationsgewährung stehen keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe gemäß § 3 VIG 2012 entgegen.
266a) Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass die Testergebnisse auf Probenahmen aus dem Jahre 2007 beruhen. Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2012 besteht der Anspruch in der Regel nicht bei Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2012, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt (vgl. oben II. 4. a).
267b) Auch der Ausschlussgrund des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012, der nunmehr den Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse regelt, ist nicht gegeben.
268Die Regelungen zum Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind im Rahmen der Gesetzesnovellierung weitgehend neugefasst worden. Der Ausschlussgrund der „sonstigen wettbewerbsrelevanten Information“ ist dabei ersatzlos weggefallen.
269Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15 ff.; Wustmann, BayVBl. 2012, 715 (718).
270Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 ist der Informationszugang ausgeschlossen, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, insbesondere Rezepturen, Konstruktions- oder Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen, offenbart würden. Der Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses wird durch die genannten Beispiele („insbesondere“) vor allem für die behördliche Anwendungspraxis konkretisiert, erfasst ansonsten aber weiterhin alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.
271Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 16 mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87.
272Der Schutz des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses steht dem Informationszugang nach § 3 Satz 2 VIG 2012 nicht entgegen, wenn der Betroffene dem Informationszugang zugestimmt hat oder eine Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe die privaten Schutzbelange überwiegt. Darüber hinaus enthält § 3 Sätze 5 und 6 VIG 2012 - deutlich weitergehend als § 2 Satz 3 VIG 2008 - mehrere Tatbestände, in denen kraft Gesetzes der Informationszugang nicht unter Berufung auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden kann. Dies gilt namentlich gemäß Satz 5 bei Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 VIG 2012, nach Nr. 3 und 4 soweit hinreichende Anhaltpunkte für eine von dem Erzeugnis bzw. Verbraucherprodukt ausgehende Gefährdung oder ein entsprechendes Risiko vorliegen sowie bei Informationen nach Nr. 3 bis 6, welche die Einhaltung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen betreffen.
273Vgl. Theis, DVBl. 2013, 627 (629).
274Gemäß Satz 6 gilt dies gleichfalls für die dort genannten Produktinformationen wie z. B. den Namen des Händlers und die Handelsbezeichnung des Erzeugnisses oder Verbraucherproduktes.
275Vgl. Wustmann, BayVBl. 2012, 715 (718 f.).
276Im vorliegenden Fall ist bezüglich des nachgewiesenen (Migrations-)Gehalts an Photoinitiatoren zwar keiner der in § 3 Sätze 5 und 6 VIG 2012 geregelten Tatbestände einschlägig. Vor allem liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem Erzeugnis der Klägerin eine Gefährdung oder ein Risiko für Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher ausgeht. Auch ist nicht zu erkennen, dass die Informationen solche sind, die die Einhaltung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen betreffen, da solche bislang (noch) nicht - jedenfalls (noch) nicht für alle hier in Betracht kommenden Druckchemikalien - existent sind. Nach den auf der Internetseite des Bundesministeriums veröffentlichten Angaben befindet sich eine Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung (sog. „Druckfarbenverordnung“) noch in Vorbereitung.
277http://www.bmel.de/SharedDocs/Rechtsgrundlagen/Entwuerfe/Entwurf21teVerordnungAenderungBedarfsgegenstaendeverordnung.html (Stand: 1. April 2014).
278Die Testergebnisse, zu denen der Beigeladene Zugang begehrt, sind ungeachtet dessen keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012. Insofern gelten die Ausführungen unter II. 4. b) aa) zu § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 entsprechend. Demgemäß kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob das öffentliche Interesse die hier geltend gemachten privaten Schutzbelange gemäß § 3 Satz 2 VIG 2012 überwiegt. Derartiges ist aber grundsätzlich anzunehmen, wenn - wie hier - das berechtigte Geheimhaltungsinteresse allein mit Blick auf mögliche nachteilige (Kauf-)Entscheidungen des informierten Verbrauchers und dadurch bedingte Absatzeinbußen begründet wird. Ein solches Interesse, welches für sich genommen schon nicht ausreichend für die Annahme eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes ist, hat gegenüber dem allgemeinen Interesse des Verbrauchers an einer möglichst umfassenden Markttransparenz regelmäßig kein besonderes Gewicht.
2794. Für die Freistellung der Behörde von einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Informationen gemäß § 6 Abs. 3 VIG 2012 gelten die obigen Ausführungen entsprechend (oben II. 5). Im Übrigen folgt aus dem nunmehr ausdrücklich in § 6 Abs. 4 VIG 2012 geregelten Anspruch auf Richtigstellung für den Fall, dass sich die von der informationspflichtigen Stelle zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben herausstellen, für den vorliegenden Fall nichts anderes. Stellen sich die Informationen nach dem Kenntnisstand der informationspflichtigen Stelle bei Informationsgewährung als unrichtig dar, muss diese - erst recht - hierauf hinweisen (vgl. oben II. 5).
280Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für das zweitinstanzliche Verfahren für erstattungsfähig zu erklären, weil er im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag gestellt und das Verfahren eigenständig gefördert hat.
281Mangels Klageerfolgs kommt eine Erstattung der durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren entstandenen Kosten nicht in Betracht (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
282Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
283Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin produziert und vertreibt vornehmlich Haushaltsprodukte aus Kunststoff; sie wendet sich gegen die Erteilung von Informationen über das Migrationsverhalten bestimmter Druckchemikalien in einem ihrer Produkte an den Beigeladenen.
3Der Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 25. September 2009 beim damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ‑ BMELV -, nunmehr Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ‑ BMEL - (im Folgenden: Bundesministerium), unter Hinweis auf das damals geltende Verbraucherinformationsgesetz (im Folgenden: VIG 2008) u. a. die Beantwortung folgender Fragen:
4„1. Aus Ihrem Schreiben vom 9. Juni 2009 geht hervor, dass die Bundesländer im Rahmen der amtlichen Überwachung folgende Photoinitiatoren nachgewiesen haben: DETX, Ethyl-4-dimethylaminobenzoat, Benzophenon, 4-Methylbenzophenon, 2-Methyl-4-(methylthio)-2-morpholinopropiophenon, 2,2-Dimethoxy-2-phenylacetophenon, 4-Benzoylbiphenyl, 1-Hydroxycyclohexylphenylketon und Diphenyl-(2,4,6-trimethylbenzoyl)-phosphinoxid.
5a) In welchen Produkten (bitte genaue Produktnamen und Hersteller angeben) wurden Belastungen der jeweiligen oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
6b) Wann wurden die Belastungen festgestellt?
7c) In welchen Verpackungen (Verpackungsart, Verpackungsmaterial, Füllvolumen) wurden Belastungen der jeweiligen oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
8d) In welchen Konzentrationen wurden die oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
9e) In wie vielen Fällen wurden die oben genannten Chemikalien nachgewiesen?
10f) Liegen dem BMELV nach dem 5. März 2009 neue Informationen hinsichtlich nachgewiesener Photoinitiatoren in Lebensmitteln vor? Wenn ja, wie viele Fälle, für welche Produkte (bitte genaue Produktnamen und Hersteller angeben), in welchen Verpackungen (Verpackungsart, Verpackungsmaterial, Füllvolumen) und in welchen Konzentrationen?
11...
124. Ist dem BMELV bekannt, ob den Ländern weitere (seit 5. März 2009 neue) Untersuchungsergebnisse hinsichtlich Photoinitiatoren und anderen Druckchemikalien in Lebensmittel vorliegen bzw. vorliegen müssten? Wenn ja, welche?
135. Ist dem BMELV bekannt, ob die Länder die Ursachen der nachgewiesenen Chemikalienbelastungen in Lebensmitteln (z.B. Migration oder produktbedingte Verunreinigungen) untersucht haben? Wenn ja, wurden dem BMELV diese Ursachen mitgeteilt, welche waren sie und welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Belastungen wurden veranlasst?
14…“
15Mit Schreiben vom 8. Oktober 2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass auch zu einem ihrer Produkte entsprechende Informationen beim Bundesministerium vorhanden seien (u. a. Produktname, Bezeichnung des Photoinitiators, festgestellter Migrationswert betreffend den Übergang auf Lebensmittel und Zeitpunkt der diesbezüglichen Feststellung). Insofern gewährte sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme.
16Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 5. November 2009 einer Weitergabe der Informationen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 lägen nicht vor. Die Information betreffe keine Verletzung von Normvorgaben. Außerdem beruhten die Daten auf einer methodisch falschen Untersuchung. Ungeachtet dessen habe sie inzwischen das Herstellverfahren des Produkts geändert, so dass keine Photoinitiatoren mehr zum Einsatz kämen.
17Mit Schreiben vom 18. November 2009 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Vorlage einer gesonderten Stellungnahme, die gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 der Auskunftserteilung beigefügt werden solle. Mit Schreiben vom 23. November 2009 wies die Klägerin die Beklagte abermals darauf hin, dass eine Bekanntgabe der Informationen rechtswidrig sei; die erbetene Stellungnahme legte sie nicht vor.
18Mit Bescheid vom 25. November 2009 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass der Informationszugang - nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides - durch schriftliche Auskunftserteilung gewährt werde. Zu den Einwänden der Klägerin und anderer angehörter Unternehmen sei festzustellen, dass das Verbraucherinformationsgesetz nicht nur einen Anspruch auf Informationen über Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften einräume. Vielmehr bestehe Zugang zu allen vorhandenen Daten sowohl über die Beschaffenheit von Erzeugnissen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008) als auch über behördliche Überwachungsmaßnahmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008). Insoweit bestehe der Anspruch unabhängig von den festgestellten Gehalten, etwaigen Höchstgehaltsüberschreitungen oder von einem Erzeugnis ausgehenden Gesundheitsgefahren. Auch enthalte das Verbraucherinformationsgesetz grundsätzlich keine Ausschlussfristen für die Herausgabe von Informationen. Ungünstige Untersuchungsergebnisse stellten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar; dies gelte erst recht für günstige Untersuchungsergebnisse. Sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar seien, würden ebenfalls nicht offenbart. Soweit die Richtigkeit der festgestellten Werte sowie die Richtigkeit der Mess- und Analyseverfahren in Zweifel gezogen worden seien, würden die Stellungnahmen der betreffenden Firmen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 bei der Übermittlung der Informationen auch dem Beigeladenen zur Kenntnis gebracht.
19Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 Widerspruch ein. Zu dem Widerspruchsverfahren zog die Beklagte den Beigeladenen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinzu und gab diesem den Namen und die Anschrift der Klägerin bekannt. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
20Die hiergegen am 1. März 2010 erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, dass die streitgegenständlichen Migrationswerte, die die Beklagte herausgeben wolle, schon nicht vom Informationsantrag des Beigeladenen umfasst seien; dieser begehre ausschließlich Daten über „Belastungen“ von Produkten mit Photoinitiatoren, nicht aber Daten bezüglich des „bloßen Vorhandenseins“ von Photoinitiatoren in einem Produkt bzw. über das Migrationsverhalten der Photoinitiatoren. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass es sich bei den festgestellten Migrationswerten um Daten über eine „Belastung“ handele, würden sie nicht von § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 und vor allem nicht vom Begriff der „Beschaffenheit“ eines Erzeugnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 erfasst. Hierunter fielen keine Daten über die „Belastung“ eines Produktes mit bestimmten Stoffen. Dies folge insbesondere aus einem Vergleich mit den spezielleren Tatbeständen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 VIG 2008. Diese eng gefassten Tatbestände würden unterlaufen, wenn jeder „Verdachtsfall“ bezüglich einer „Belastung“, bei dem weder ein Rechtsverstoß noch ein Gesundheitsrisiko in Rede stehe, auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 gestützt werden könne.
21Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Daten falsch seien. Die festgestellten Migrationswerte beruhten auf einer im Rahmen der Lebensmittelkontrolle entnommenen und anschließend von einer Landesuntersuchungsanstalt analysierten Probenahme. Sie, die Klägerin, habe bereits gegenüber den Lebensmittelbehörden nachgewiesen, dass die Werte auf falschen Messmethoden beruhten. Das Produkt sei unter Bedingungen getestet worden, die seiner tatsächlichen Verwendung widersprächen. Folgerichtig sei es auch nie zur Eröffnung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gekommen. Durch eine Weitergabe der falschen Daten werde die Klägerin in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 stehe dem nicht entgegen; diese Vorschrift sei verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass die Behörde verpflichtet sei, Auskünfte sorgfältig und richtig zu erteilen. Die Weitergabe der falschen Migrationswerte sei in Anbetracht des der Klägerin drohenden „Imageschadens“ und der zu befürchtenden „beträchtlichen ökonomischen Einbußen“ nicht angemessen. Allein die Möglichkeit, der Informationsgewährung eine Stellungnahme beizufügen, sei nicht ausreichend, um die Interessen der Klägerin zu wahren.
22Der angefochtene Bescheid sei jedenfalls wegen Ermessensausfalls rechtswidrig. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass bei der Entscheidung über den Informationsanspruch kein Ermessensspielraum eröffnet sei. Aus § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 und der diesbezüglichen Gesetzesbegründung folge indes, dass die Behörde die Interessen des Dritten im Rahmen „pflichtgemäßen Ermessens“ zu berücksichtigen habe. Des Weiteren eröffne § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 einen Ermessenspielraum, wenn sich die Behörde - wie vorliegend - für die Weitergabe der Informationen entschieden habe. Nach dieser Vorschrift sollen die Informationen für die Verbraucher verständlich dargestellt werden. Hiernach stehe eine Erläuterung der Informationen im Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle. Vorliegend sei mindestens eine gesonderte Klarstellung seitens der Beklagten erforderlich, dass die Migrationswerte auf einer falschen Testmethode beruhten. Auch insoweit liege ein Ermessensausfall vor.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 aufzuheben
25und
26die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat zur Begründung vorgetragen, die streitgegenständlichen Informationen seien vom Informationsantrag des Beigeladenen umfasst. Wie etwa den Ziffern 1 f und 4 des Fragenkatalogs zu entnehmen sei, begehre der Beigeladene nicht nur Angaben zu „Belastungen“ im Sinne von Normverstößen, sondern allgemein Informationen hinsichtlich nachgewiesener Photoinitiatoren. Auch seien die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 habe jeder einen Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten unter anderem über die Beschaffenheit von Erzeugnissen. Inhaltsstoffe, die - wie die hier in Rede stehenden Photoinitiatoren - unter bestimmten Umständen in Lebensmittel migrieren könnten, gehörten zur Beschaffenheit eines Erzeugnisses.
30Der Umstand, dass die Probenahme bereits im Januar 2008 erfolgt sei und die Klägerin nach eigenen Angaben das Produkt inzwischen ohne Einsatz von Photoinitiatoren herstelle, stehe dem Informationsanspruch nicht entgegen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2008 deutlich gemacht, dass es auf das Alter der Information grundsätzlich nicht ankomme. Ebenso wenig stehe der Informationsgewährung entgegen, dass die Informationen nach Auffassung der Klägerin unzutreffend seien. § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 entbinde die Beklagte von einer Richtigkeitsprüfung der ihr vorliegenden Informationen. Dies sei auch folgerichtig, denn informationspflichtig seien nach dem Verbraucherinformationsgesetz auch Behörden, die nur in irgendeiner Weise Aufgaben im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelrechts wahrnehmen würden, ohne überhaupt in der Lage zu sein, solche Informationen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Gesetzgeber überantworte die Prüfung der Richtigkeit in den Verantwortungsbereich des Antragsstellers. Den Bedenken der Klägerin an der Richtigkeit der Information wolle die Beklagte nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG Rechnung tragen.
31Schließlich sei auch die Auffassung der Klägerin, die Entscheidung über das „Ob“ der Informationsgewährung stehe im Ermessen der Behörde, unzutreffend. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VIG 2008 und den Regelungen in § 3 Abs. 3 bis 5 VIG 2008. Aus § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 ergebe sich nichts anderes. Trotz der in der Gesetzesbegründung in diesem Zusammenhang verwendeten Formulierung („pflichtgemäßes Ermessen“) eröffne § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 der Behörde kein Ermessen, sondern weise darauf hin, dass im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 1 und 2 VIG 2008 auch die nicht artikulierten Interessen des Dritten von Amts wegen zu beachten seien, insbesondere bei der Anwendung solcher Vorschriften, bei denen - auf der Ebene des Tatbestandes - eine Abwägung vorzunehmen sei.
32Der Beigeladene, der keinen eigenen Antrag gestellt hat, hat sich inhaltlich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen.
33Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 9. Februar 2012 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid verletze die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Zu prüfen seien im Rahmen der Drittanfechtungsklage nur drittschützende Vorschriften, zu denen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 nicht gehöre. Ungeachtet dessen unterfielen die vom Beigeladenen begehrten Informationen dem Begriff der Beschaffenheit und damit dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008. Der Begriff der Beschaffenheit sei denkbar weit zu verstehen. Hierfür spreche u. a. der Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes; der Gesetzgeber habe die zu Lasten der Verbraucher bestehenden strukturellen Informationsasymmetrien gerade durch die Gewährleistung umfassender Informationen abbauen wollen. Mit diesem erklärten Ziel ließe es sich nicht vereinbaren, den Umfang des in § 1 VIG 2008 geschaffenen Informationszugangsanspruchs durch eine restriktive Auslegung seiner Tatbestandsmerkmale wieder einzuschränken.
34Die Informationsgewährung sei auch nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 ausgeschlossen. Bei den in Rede stehenden Informationen handele es sich weder um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse noch um sonstige wettbewerbsrelevante Informationen im Sinne dieser Vorschrift. Den Informationen komme nicht die Qualität eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses zu, weil die Klägerin an der Nichtverbreitung kein berechtigtes Interesse geltend machen könne. Soweit sich die Klägerin auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufe, sei dem nicht zu folgen; die Freiheit der unternehmerischen Außendarstellung, um die es hier gehe, werde durch Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 14 Abs. 1 GG geschützt. Ein Eingriff in Art. 12 GG liege nicht vor, weil das Grundrecht der Berufsfreiheit nach den Maßstäben der Glykolwein-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen Schutz biete vor der Verbreitung zutreffender und sachlich gehaltener Informationen am Markt, die für das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer von Bedeutung sein könnten, und zwar selbst dann nicht, wenn die Inhalte sich auf einzelne Wettbewerbspositionen nachteilig auswirken könnten; ein Eingriff in Art. 14 GG scheide aus, weil dieses Grundrecht nicht in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten schütze.
35Entgegen der Ansicht der Klägerin seien die streitgegenständlichen Messergebnisse nicht unzutreffend. Die Klägerin selbst habe nur die angewandte Testmethode gerügt; dass die ermittelten Ergebnisse etwa aufgrund von Mess- oder Rechenfehlern unrichtig seien, sei nicht ersichtlich und werde auch von der Klägerin nicht behauptet. Die Bekanntgabe der Messergebnisse verstoße auch nicht gegen das Gebot der Sachlichkeit. Eine wie auch immer geartete Kommentierung dieser Ergebnisse durch die Beklagte sei nicht vorgesehen; vielmehr solle dem Beigeladenen gemeinsam mit den Messergebnissen eine Stellungnahme der Klägerin übermittelt werden. Eine Verletzung des Gebots der Sachlichkeit sei auch nicht mittelbar durch die Verwendung der Informationen durch den Beigeladenen zu befürchten. Bei alledem stelle sich die Entscheidung der Beklagten, den Informationszugang zu gewähren, auch nicht als abwägungsfehlerhaft im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 dar. Im Übrigen stehe das „Ob“ der Informationsgewährung nicht im Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle.
36Gegen das Urteil hat die Klägerin am 8. März 2012 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung bleibe auch nach Inkrafttreten des geänderten Verbraucherinformationsgesetzes vom 15. März 2012 (im Folgenden: VIG 2012) die Gesetzeslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Ungeachtet dessen wäre die Herausgabe der streitgegenständlichen Messergebnisse auch nach diesem Gesetz rechtswidrig.
37Mit Blick auf § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 sei zu beachten, dass bezüglich des Informationsbegehrens des Beigeladenen zu differenzieren sei zwischen Auskünften über das bloße Vorhandensein von Photoinitiatoren einerseits und die Frage nach der Migration von Photoinitiatoren in Lebensmittel andererseits. Vorliegend gehe es nicht um das Vorhandensein von Photoinitiatoren in dem Produkt, sondern um Messergebnisse, die sich auf Migrationswerte bezögen. Zur „Beschaffenheit“ eines Erzeugnisses im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 gehörten nur solche Eigenschaften, die der Sache unmittelbar anhaften würden. Das Migrationsverhalten betreffe demgegenüber die Interaktion mit fremden Stoffen.
38Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verletze die Informationsgewährung das Grundrecht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG, so dass ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 bzw. § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 vorläge. Die Maßstäbe der Glykolwein-Entscheidung könnten nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. In jener Entscheidung sei es um Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen gegangen. Außerdem sei im vorliegenden Fall die streitgegenständliche Information falsch und unsachlich, womit die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer staatlichen Informationsgewährung gerade nicht erfüllt seien. Die Information, die hier veröffentlicht werden solle, beruhe auf einer falschen Testmethode. Denn der Versuchsaufbau des Landesuntersuchungsamtes sei nicht geeignet gewesen, die von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 geforderte Unbedenklichkeit bei normaler Verwendung des Produkts nachzuweisen. Das in Rede stehende Produkt, welches ausschließlich für vorbereitende Arbeiten mit Teig- und Backwaren verwendet werde, sei so getestet worden, als wenn es für die Nutzung im Backofen unter den dortigen Temperaturen vorgesehen sei. Mit Blick auf die Bemaßung des Produkts (63,5 cm breit x 46,0 cm tief) passe es aber gar nicht in einen handelsüblichen Backofen. Dass es nicht für die Nutzung im Backofen vorgesehen sei, sei dem Verbraucher bekannt; zur Klarstellung sei das Produkt sogar mit einem Piktogramm gekennzeichnet, dass einen durchgestrichenen Ofenhandschuh zeige. Mit einer Information darüber, dass Druckfarbenbestandteile bei einer Beanspruchung von zwei Stunden bei 70 Grad Celcius migrieren, werde der Verbraucher nicht zutreffend informiert, sondern im Gegenteil in die Irre geführt. Hinzu komme, dass beim Versuchsaufbau nachweislich für die Klägerin nachteilige Prüfsubstanzen verwendet worden seien. Diese Substanzen hätten zu einer Verfälschung der Messergebnisse geführt. Dies belege ein entsprechendes (Gegen-)Gutachten des Fraunhofer Instituts.
39Zu bedenken sei ferner, dass der Beigeladene in der Vergangenheit bereits durch zahlreiche unsachliche Verlautbarungen zu vergleichbaren Themen in Erscheinung getreten sei. Daher sei zu besorgen, dass eine sachlich angemessene Verwendung der hier im Streit stehenden Daten durch den Beigeladenen nicht gewährleistet sei.
40Schließlich sei die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts insofern fehlerhaft, als sie in Übereinstimmung mit der erlassenden Behörde davon ausgehe, dass es sich bei der im Rahmen von § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 vorzunehmenden Entscheidung nicht um eine Ermessensentscheidung handeln solle. Dies widerspreche dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13) und der einschlägigen Kommentarliteratur. Selbst wenn man allerdings davon ausgehe, dass der Behörde kein Ermessen zustehe, so falle dennoch die von § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 geforderte Abwägung zu Gunsten der Klägerin aus, da der Verbraucher kein berechtigtes Interesse an der Bekanntgabe unrichtiger Daten habe.
41Die Klägerin beantragt sinngemäß,
42unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009, soweit er sie betrifft, und den Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 aufzuheben
43und
44die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
45Die Beklagte beantragt,
46die Berufung zurückzuweisen.
47Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt u. a. aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 nicht drittschützend sei. Die Vorschrift solle dem Verbraucher einen möglichst umfassenden Informationsanspruch verschaffen; den Rechten betroffener Dritter werde im Rahmen des § 2 VIG 2008 Rechnung getragen. Unabhängig davon, dass sich die Klägerin auf einen etwaigen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 nicht berufen könne, seien die Voraussetzungen dieses Tatbestandes erfüllt. Die im Streit stehenden Messwerte seien allein auf das Produkt der Klägerin zurückzuführen und beträfen damit dessen Beschaffenheit im Sinne seiner stofflichen Zusammensetzung bzw. seines stofflichen Verhaltens. Die Daten gäben Aufschluss darüber, welche Photoinitiatoren das Produkt enthalte. Auch habe das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass der Ausschlussgrund des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 nicht vorläge. Vor allem müsse das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin gegenüber dem Informationsinteresse des Verbrauchers, welches der Beigeladene stellvertretend geltend mache, zurücktreten. Die insofern allein befürchtete Rufschädigung der Klägerin sei rein spekulativ.
48Entgegen der Ansicht der Klägerin sei sie, die Beklagte, auch nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu prüfen. Dies sei in § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG ausdrücklich klargestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle durch das Verbraucherinformationsgesetz das Amtsgeheimnis zu Gunsten des mündigen Verbrauchers gelockert werden. Dazu gehöre auch, dass die Prüfung der Richtigkeit und Aussagekraft der Informationen dem Antragsteller überantwortet werde. Aus diesen Gründen sei auch das Gegengutachten des von der Klägerin beauftragten Instituts sowie der Einwand, es seien für die Klägerin nachteilige Prüfungssubstanzen verwendet worden, irrelevant. Die Informationsgewährung durch die Beklagte folge auch dem Gebot der Sachlichkeit, indem eine wie auch immer geartete Kommentierung nicht vorgesehen sei. Außerdem eröffne die Beklagte der Klägerin sogar die Möglichkeit, den Messergebnissen eine eigene Stellungnahme beizufügen. Im Übrigen sei auch eine unsachgemäße Verwendung durch den Beigeladenen nicht sehr wahrscheinlich; es sei nicht einmal gewiss, ob der Beigeladene die Informationen überhaupt veröffentlichen wolle.
49Ergänzend führt die Beklagte aus, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 25. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 auch nach der VIG-Novelle rechtmäßig sei.
50Der Beigeladene beantragt,
51die Berufung zurückzuweisen.
52Er ist der Ansicht, für die Berufungsentscheidung des Senats sei das Verbraucherinformationsgesetz vom 15. März 2012 maßgeblich. Auf der Grundlage dieser Fassung sei der geltend gemachte Informationsanspruch erst recht begründet, zumal der Gesetzgeber den Ausschlussgrund der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 durch die weiteren einschränkenden Regelungen erheblich reduziert habe.
53Bereits im erstinstanzlichen Verfahren hat sich die Klägerin gegen eine Hinzuziehung des Beigeladenen ausgesprochen. Die Beiladung führe zu einer nicht mehr eingrenzbaren Informationsöffentlichkeit, zumal sich eine Anonymisierung der Klägerin und des betroffenen Produkts durch prozessleitende Verfügungen nicht sicher erreichen lasse; dem Beigeladenen müsse zumindest das Recht auf Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO verwehrt bleiben. Mit Beschluss vom 16. November 2010 hat das Verwaltungsgericht die Beiladung ausgesprochen und mit Verfügung vom selben Tage angeordnet, dass in den Schriftsätzen, die an den Beigeladenen weitergeleitet werden, sowohl der Name der Klägerin als auch sämtliche auf das Informationsbegehren bezogene Ausführungen zu schwärzen seien. Für die geschwärzten Fassungen der Schriftsätze hat das Verwaltungsgericht eine Zweitakte angelegt. Außerdem hat das Verwaltungsgericht gemäß seiner Verfügung vom 15. Februar 2012 in der für den Beigeladenen bestimmten Urteilsaufertigung Schwärzungen vorgenommen und dies damit begründet, dass die entsprechenden Textpassagen Rückschlüsse auf das von der Klägerin vertriebene Produkt zulassen könnten; das Urteil ohne die vorgenommenen Auslassungen könne dem Beigeladenen nach Rechtskraft der Entscheidung übersandt werden. Der Beigeladene hat diese Verfahrensweise u. a. mit Schriftsätzen vom 14. Februar 2011 und 18. September 2012 als unzulässig gerügt und Einsicht in die ungeschwärzten Schriftsätze beantragt.
54Der Senat hat mit prozessleitenden Verfügungen vom 5. und 6. Februar 2014 den Beteiligten mitgeteilt, dass von einer (weiteren) Anonymisierung des Namens der Klägerin abgesehen werde, weil die Identität der Klägerin dem Beigeladenen bereits seit dem Widerspruchsverfahren bekannt sei. Ferner hat der Senat die dem Gericht bislang vorgelegten ungeschwärzten Schriftsätze an die Klägerin bzw. an die Beklagte zurückgesandt und in der Gerichtsakte nur die geschwärzten Fassungen belassen, die auch dem Beigeladene zur Verfügung gestellt worden sind. Die vom Verwaltungsgericht angelegte Zweitakte ist als Beiakte zur Gerichtsakte genommen worden. Den Beteiligten ist mit der Rücksendung ihrer Schriftsätze Gelegenheit gewährt worden, hinsichtlich der geschwärzten Passagen gegebenenfalls ergänzend in einer Weise vorzutragen, die es ermöglicht, den Inhalt allen Beteiligten zur Kenntnis zu geben. Außerdem hat der Senat dem Beigeladenen - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - eine ungeschwärzte Fassung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Verfügung gestellt, da die geschwärzten Passagen - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts - keine Rückschlüsse auf die streitgegenständlichen Informationen zulassen.
55Bereits zuvor hat der Senat mit Verfügung vom 30. August 2012 einen Schriftsatz der Beklagten nicht zur Gerichtsakte genommen und an den Absender zurückgesandt, da der Schriftsatz offensichtlich Informationen enthielt, die Gegenstand des Verfahrens sind. Ferner hat der Senat mit Verfügung vom 14. Januar 2014 ein Exemplar des streitgegenständlichen Produkts, welches die Klägerin mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 „nur für das Gericht“ übersandt hatte, an diese zurückgesandt. Der Beigeladene hat die Rücksendung von Schriftsätzen als unzulässig gerügt, da hierdurch sein Akteneinsichtsrecht aus § 100 Abs. 1 VwGO vereitelt worden sei.
56Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 8. Januar 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
57Die Urschrift des in der Besetzung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung gefällten Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Februar 2012 war nur von zwei Berufsrichtern unterschrieben. Die fehlende Unterschrift der an der Entscheidung beteiligten Richterin ist am 26. März 2014 nachgeholt worden. Mit Vermerk vom selben Tage hat die Richterin erklärt, die Unterschrift sei seinerzeit aufgrund eines Versehens unterblieben. Das Verwaltungsgericht Köln hat das Urteil daraufhin allen Beteiligten erneut zugestellt.
58Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
59E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
60Der Senat entscheidet gemäß §§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung der Klägerin, die zulässig, aber unbegründet ist.
61A. Gegenstand der Berufung ist ein existentes erstinstanzliches Urteil. Die nach § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Unterschrift der Richterin unter dem erstinstanzlichen Urteil konnte noch im Berufungsverfahren nachgeholt werden.
62Vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1955 - II ZR 310/53 -, BGHZ 18, 350 (354 f.), und Beschluss vom 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 -, NJW 2003, 3057 = juris Rn. 3; BAG, Urteil vom 20. Dezember 1956 ‑ 3 AZR 333/56 -, AP Nr. 1 zu § 315 ZPO = juris Rn. 6; BSG, Urteil vom 21. September 1960 - 2 RU 28/58 -, juris Rn. 17; BFH, Urteil vom 13. September 1988 - VIII R 218/85 -, BFH/NV 1989, 354 = juris Rn. 18; Hess. VGH, Beschluss vom 20. August 2002 - 10 ZU 4067/98 -, ESVGH 53, 51 = juris Rn. 1; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 117 Rn. 58; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 117 Rn. 3; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 117 Rn. 14, jeweils m.w.N.; a. A. - soweit ersichtlich - nur Bay. LSG, Urteil vom 21. März 2012 - L 19 R 97/12 -, NZS 2012, 559 (Ls.) = juris Rn. 15.
63Mit Nachholung der Unterschrift und erneuter Zustellung ist das bis dahin unwirksame (Schein-)Urteil existent und damit Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, ohne dass es einer erneuten Rechtsmitteleinlegung bedurft hätte.
64Vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 117 Rn. 58; vgl. zur Unwirksamkeit des Urteils bis zur Nachholung der Unterschrift: BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 5 C 9.89 -, BVerwGE 91, 242 = juris Rn. 4.
65Der Umstand, dass die fehlende Unterschrift erst nach Ablauf von fünf Monaten nach dem Tag der gerichtlichen Entscheidung nachgeholt wurde, steht dem nicht entgegen. Zwar ist die nachträgliche Abfassung, Unterzeichnung und Übergabe der Urteilsurschrift an die Geschäftsstelle gemäß § 117 Abs. 4 VwGO nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993,
66vgl. Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 -, BVerwGE 92, 367 = juris,
67auf längstens diese Frist begrenzt. Dies gilt jedenfalls für Urteile, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen und nach § 116 Abs. 1 oder 2 VwGO verkündet werden.
68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2003 - 4 B 11.03 -, NVwZ-RR 2003, 460 = juris Rn. 7 ff.; vgl. zur Anwendbarkeit der 5-Monats-Frist auf Kammerentscheidungen ohne mündliche Verhandlung (§ 116 Abs. 3 VwGO): Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 138 Rn. 249.
69Wird diese Frist überschritten, ist das Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen; dies führt im Revisionsverfahren zur Aufhebung des Urteils.
70Vgl. zu § 547 Nr. 6 ZPO: BGH, Urteile vom 27. Januar 2006 - V ZR 243/04 -, NJW 2006, 1881 = juris Rn. 12 ff., und vom 16. Oktober 2006 - II ZR 101/05 -, NJW-RR 2007, 141 = juris Rn. 7 ff.
71Dies gilt indes nicht gleichermaßen für das Berufungsverfahren, weil sich die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch den Senat - anders als im Revisionsverfahren (vgl. § 137 VwGO) - nicht darauf beschränkt, ob diese Entscheidung auf der Verletzung geltenden Rechts beruht, sondern der Senat eine von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unabhängige umfassende Neuprüfung des Rechtsstreits vornimmt.
72Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 221.
73Ausgehend hiervon war das angefochtene Urteil nicht aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen. Vielmehr konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden.
74B. Der Senat entscheidet gemäß § 108 Abs. 2 VwGO ausschließlich auf der Grundlage des Akteninhalts, der allen Beteiligten bekannt ist und zu dem alle Beteiligten Stellung nehmen konnten. Beteiligt am Verfahren ist gemäß § 63 Nr. 3 VwGO auch der Beigeladene; dessen Beiladung ist zu Recht erfolgt (hierzu I.). Sowohl die Anonymisierung des Namens der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen (hierzu II.) als auch die Schwärzung der an den Beigeladenen weitergeleiteten Schriftsätze (hierzu III.) waren nicht zulässig. Die diesbezüglichen Anordnungen des Verwaltungsgerichts waren daher durch den Senat entsprechend abzuändern.
75I. Die Beiladung des Beigeladenen war notwendig (§ 65 Abs. 2 VwGO).
76Erhebt ein Dritter Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem die informationspflichtige Stelle einem Antrag auf Zugang zu ihn betreffenden Informationen stattgibt, ist der durch den Verwaltungsakt begünstigte Antragsteller notwendig beizuladen. Die mit einer solchen Klage begehrte Aufhebung des Verwaltungsaktes kann nicht getroffen werden, ohne dass dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Antragstellers verändert oder aufgehoben werden. Damit kann die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO ergehen.
77Vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 65 Rn. 120
78Das Verbraucherinformationsgesetz enthält keine hiervon abweichenden Regelungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren.
79Vgl. Mühlbauer, DVBl. 2009, 354 (357); Kugele, in: Böhm/Freund/Voit (Hrsg.), VIG, 2009, S. 102 (104); Wustmann, ZLR 2011, 57 (75); teilweise a. A. Grube/Immel, ZLR 2009, 649 (655); Immel/Schneider, LMuR 2009, 142 ff.; Grote, in: Böhm/Freund/Voit (Hrsg.), VIG, 2009, S. 113 (119); Grube, in: Meyer (Hrsg.), Lebensmittel heute, 2010, S. 295 (300).
80Auch das Verfassungsrecht schließt die Beiladung in der vorliegenden Fallkonstellation der Drittanfechtungsklage nicht aus.
81Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2009 ‑ 1 BvQ 39/09 u. a. -, NVwZ 2009, 1556 = juris Rn. 3; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2009 ‑ 14 PS 4/09 -, NVwZ 2010, 199 = juris Rn. 3.
82Zwar wird dem Antragsteller, dem der Informationszugang nach dem Willen der Behörde gewährt werden soll, durch seine Beiladung infolge der Mitteilung des Rubrums die Identität des Drittanfechtungsklägers bekannt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, von der Beiladung abzusehen. Der Antragsteller erhält allein durch das Bekanntwerden der Identität des Klägers im Regelfall noch keine näheren Informationen über die Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte, auf die sich der Anspruch auf Informationszugang seinem wesentlichen Inhalt nach bezieht. Allein das Bekanntwerden der Identität begründet insoweit für den Kläger in der Regel keinen rechtlich relevanten Nachteil.
83Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. September 2009 ‑ 1 BvQ 39/09 u. a. -, NVwZ 2009, 1556 = juris Rn. 3.
84Für den Fall, dass der Antragsteller mithilfe des Informationsanspruchs gerade (auch) die Identität des Dritten in Erfahrung bringen will, gilt nichts anderes. Auch in diesem Fall sieht das Prozessrecht keine Ausnahme von § 65 Abs. 2 VwGO vor. Die notwendige Beiladung ist vielmehr zwingend vorgeschrieben und zur Sicherung und Durchsetzung des Anspruchs unmittelbar materiell-rechtlich betroffener Personen auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen unabdingbar.
85Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2006 ‑ 1 BvR 675/06 u. a. -, BVerfGK 9, 425 = juris Rn. 18; vgl. auch Stober, in: Festschrift für Menger, 1985, S. 401 (417 f.).
86II. Die vom Verwaltungsgericht am 16. November 2010 angeordnete Anonymisierung der Identität der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen war unzulässig.
87Ist das streitgegenständliche Informationsbegehren ausschließlich auf die Bekanntgabe des Namens oder der Anschrift eines Prozessbeteiligten gerichtet oder ist dessen Identität zumindest wesentlicher Bestandteil des Informationsbegehrens, kann es ausnahmsweise geboten sein, den Namen und/oder die Anschrift im Gerichtsverfahren gegenüber dem Prozessgegner zu anonymisieren. Dies folgt aus Art. 19 Abs. 4 GG.
88Zwar sieht die Verwaltungsgerichtsordnung die Anonymisierung der Identität eines Beteiligten gegenüber einem anderen Prozessbeteiligten nicht ausdrücklich vor. Gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger bezeichnen; die Schriftsätze sollen die Parteien namentlich benennen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 130 Nr. 1 ZPO). In der Sitzungsniederschrift werden die erschienenen Prozessbeteiligten namentlich erfasst (§ 105 VwGO i.V.m § 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Auch die Entscheidungen des Gerichts enthalten im Rubrum die Bezeichnung der Beteiligten (§ 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Vorschriften sind jedoch einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Es ist allgemein anerkannt, dass das Erfordernis der Angabe des Namens und/oder der ladungsfähigen Anschrift im Gerichtsverfahren entfällt, wenn es im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einer unzumutbaren Einschränkung des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Zugangsrechts zu den Gerichten führt.
89Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 1999 ‑ 1 BvR 1203/99 -, juris Rn. 1; BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 - 1 C 24.97 -, NJW 1999, 2608 = juris Rn. 40; BGH, Urteil vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87 -, BGHZ 102, 332 = juris Rn. 10; BFH, Beschluss vom 18. August 2011 - V B 44/10 -, BFH/NV 2011, 2084 = juris Rn. 7 ff.; vgl. ferner Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Stand: April 2013, Band II, § 82 Rn. 4 (keine Angabe der ladungsfähigen Anschrift z. B. bei schutzwürdigem Geheimhaltungsinteresse bei Unterbringung in einem Frauenhaus).
90Ist die Bekanntgabe der Identität eines Beteiligten als solche streitgegenständlich, muss das Gericht diesem Umstand - gegebenenfalls durch gesonderte Aktenführung und einer besonderen Gestaltung der mündlichen Verhandlung - Rechnung tragen. Vor allem können in den Schriftsätzen und in den gerichtlichen Verfügungen, die an andere Beteiligte weitergeleitet werden, der Name und/oder die Anschrift des betroffenen Beteiligten anonymisiert werden. Anderenfalls würde das Recht des betroffenen Prozessbeteiligten auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterlaufen. Eine Klärung der Berechtigung der Bekanntgabe seiner Identität soll nämlich erst im gerichtlichen Verfahren herbeigeführt werden.
91Vgl. - insoweit zutreffend - Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D, § 5 Rn. 35.
92Eine solche Anonymisierung ist gleichwohl auf Ausnahmefälle zu beschränken und darf auch während des Gerichtsverfahrens nur soweit und solange aufrechterhalten bleiben, wie Art. 19 Abs. 4 GG dies im jeweiligen konkreten Fall erfordert. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass sowohl der Grundsatz der prozessualen Waffen- und Verfahrensgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG als auch der Anspruch auf rechtliches Gehör der übrigen Verfahrensbeteiligten grundsätzlich das Recht einschließt, die Identität des Prozessgegners zu kennen.
93Im vorliegenden Fall war gemessen hieran im Gerichtsverfahren hinsichtlich des Namens der Klägerin schon deshalb keine Ausnahme zu machen, weil deren Identität dem Beigeladenen bereits seit dem Widerspruchsverfahren bekannt ist. Ihr Schutzbedürfnis ist damit bereits vor Klageerhebung entfallen. Hinzu kommt, dass der Name der Klägerin aufgrund ihrer umfangreichen Produktpalette keine Rückschlüsse auf das betroffene Produkt, auf die chemische Substanz oder auf die Messwerte zulässt. Gerade diese Daten sind indes zentrales Ziel des Informationsbegehrens des Beigeladenen. Hat das Bekanntwerden der Identität der Klägerin für den Beigeladenen danach keinen eigenständigen Informationswert, ist die Anonymisierung ihres Namens nicht gerechtfertigt. Das Bekanntwerden der Identität führt in einem solchen Fall regelmäßig - so auch hier - nicht zu einer unzumutbaren Einschränkung des Zugangsrechts zu den Gerichten nach Art. 19 Abs. 4 GG.
94III. Soweit das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 16. November 2010 die Schwärzung sämtlicher auf das Informationsbegehren bezogener Ausführungen in den für den Beigeladenen bestimmten Abschriften angeordnet und das Hauptsacheverfahren über eine doppelte Aktenführung teilweise zu einem „in-camera“-Verfahren gemacht hat, war dies ebenfalls nicht zulässig.
95Schriftsätze einschließlich etwaiger Anlagen müssen - auch im Fall der Anfechtungsklage gegen die Gewährung des Zugangs zu Informationen - allen Verfahrensbeteiligten vollständig und ohne Schwärzungen für einzelne Beteiligte zugänglich gemacht werden. Ein „in-camera“-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor. § 99 Abs. 2 VwGO bestimmt, dass der nach § 189 VwGO zuständige Spruchkörper in einem besonderen Zwischenverfahren die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Urkunden oder Akten auf Antrag eines Beteiligten überprüft, wenn die Behörde deren Vorlage verweigert. Darüber hinaus kann in „erweiterter“ Auslegung des § 99 Abs. 2 VwGO ausnahmsweise auch die Geheimhaltung der behördlichen Akten oder Urkunden, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eines Verfahrensbeteiligten enthalten, von diesem beim zuständigen Fachsenat beantragt werden, falls die Behörde die betreffenden Akten oder Urkunden im Gerichtsverfahren entsprechend der Aufforderung des Prozessgerichts offenlegen will.
96Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 2003 - 20 F 1.03 -, BVerwGE 118, 350 = juris Rn. 3 f.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2009 - 14 PS 4/09 -, NVwZ 2010, 199 = juris Rn. 2; vgl. hierzu auch Schenke, NVwZ 2008, 938 (940), und Schroeter, NVwZ 2011, 457 (459 f.).
97§ 99 VwGO bezieht sich aber zum einen nur auf Akten und Urkunden der Behörde, nicht jedoch auf den Vortrag eines Beteiligten. Zum andern lässt die Vorschrift eine Verwertung der geheim zu haltenden Informationen gerade nur in einem gesonderten Zwischenverfahren zu. Eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift für das Hauptsacheverfahren ist insofern schon mangels planwidriger Regelungslücke nicht möglich. Nur der Gesetzgeber könnte ein „in-camera“-Verfahren vor dem Gericht der Hauptsache zur Verwertung geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen für die Sachentscheidung einführen und ausgestalten.
98Vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 20 F 8.03 -, NVwZ 2004, 105 = juris Rn. 12; ebenso Seibert, NVwZ 2002, 265 (270); vgl. schon früher zum Zivilprozessrecht: Lachmann, NJW 1987, 2206 (2210); Kürschner, NJW 1992, 1804 (1805); Prütting, NJW 1993, 576 (577), jeweils m.w.N.
99Ein derartiges Verfahrensmodell hat der Gesetzgeber jedoch - auch und gerade im Bereich des Informationszugangsrechts - in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 ‑ 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236 = juris Rn. 12, vom 15. Oktober 2008 - 20 F 1.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 50 = juris Rn. 7 f., und vom 5. Februar 2009 ‑ 20 F 3.08 -, juris Rn. 6 f.; kritisch hierzu u. a. Mayen, NVwZ 2003, 537 (542 ff.), und Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); vgl. demgegenüber etwa für telekommunikationsrechtliche Streitigkeiten die Sonderregelung in § 138 Abs. 2 TKG, hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 9. Januar 2007 - 20 F 1.06 u. a. -, BVerwGE 127, 282 = juris Rn. 12 ff., und vom 21. Januar 2014 - 6 B 43.13 -, juris Rn. 10.
101Die Geheimhaltung des Sachvortrags eines Beteiligten ist im Hauptsacheverfahren ohne entsprechende gesetzliche Grundlage mit dem in Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz des rechtlichen Gehörs unvereinbar. Dieser Grundsatz gebietet es, dass einer gerichtlichen Entscheidung regelmäßig nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen, zu denen alle Beteiligten Stellung nehmen konnten.
102Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 -, BVerfGE 57, 250 = juris Rn. 63, und vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106 = juris Rn. 90.
103In Ausprägung dieses Grundsatzes verlangt § 108 Abs. 2 VwGO, dass den Prozessbeteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich vor der Entscheidung zum gesamten Prozessstoff, insbesondere zu allen entscheidungserheblichen Umständen und dem darauf bezogenen Vorbringen der übrigen Beteiligten zu äußern. Daraus folgt die weitere Pflicht des Gerichts, Schriftsätze eines Beteiligten allen anderen Beteiligten zur Kenntnis zu bringen, wie dies in § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorgeschrieben ist. Jeder Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens darf sich daher darauf verlassen, dass sich in der Gerichtsakte, auf deren Inhalt die das Verfahren abschließende Entscheidung aufbaut, keine Schriftsätze anderer Beteiligter befinden, die er nicht kennt.
104Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 1987 - 6 C 60.86 -, BVerwGE 78, 30 = juris Rn. 13, und vom 25. Mai 1988 - 6 C 40.86 -,Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 201 = juris Rn. 14, sowie Beschluss vom 25. Juni 2010 - 8 B 128.09 -, juris Rn. 6; Höfling, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 108 Rn. 192; vgl. auch für den Zivilprozess: OLG München, Beschluss vom 8. November 2004 - 29 W 2601/04 -, NJW 2005, 1130 = juris Rn. 20 ff., und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2008 - I-2 W 57/08, 2 W 52 W 57/08 -, InstGE 10, 122 = juris Rn. 6 f.
105Schriftsätze eines Beteiligten, die von ihm als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet und nur zur Kenntnisnahme für das Gericht bzw. für ausgewählte Verfahrensbeteiligte übersandt werden, können daher nicht ohne Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Gleiches gilt, wenn der Beteiligte für einen bestimmten Prozessbeteiligten geschwärzte Abschriften seiner Schriftsätze mit dem Hinweis beifügt, dass die ungeschwärzte Fassung nicht weitergegeben werden dürfe. Das Gericht ist prozessrechtlich gehindert, solche Schriftsätze zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen und die gerichtliche Sachentscheidung hierauf zu stützen.
106Vgl. - insoweit zutreffend - VG Köln, Urteil vom 31. Juli 2003 - 1 K 1246/02 -, CR 2003, 831 = juris Rn. 151.
107Solche Schriftsätze gehören daher von vornherein nicht zu den Gerichtsakten. Sie müssen grundsätzlich bereits mit Eingang bei Gericht an den Absender zurückgesandt werden; zugleich ist dem Absender Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls ergänzend in einer Weise vorzutragen, die es ermöglicht, den Inhalt allen Beteiligten zur Kenntnis zu geben.
108Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. November 2003 ‑ 20 F 16.03 -, NVwZ 2004, 486 = juris Rn. 2 f., vom 5. November 2008 - 20 F 6.08 -, juris Rn. 15, vom 6. November 2008 - 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 17, vom 5. Februar 2009 ‑ 20 F 24.08 -, juris Rn. 16, vom 24. August 2009 ‑ 20 F 2.09 -, juris Rn. 14 f., und vom 8. März 2010 ‑ 20 F 11.09 -, NJW 2010, 2295 = juris Rn. 16 f.
109Wird dies in der Vorinstanz versäumt, kann die Rückgabe solcher Schriftsätze auch noch im Rechtsmittelverfahren erfolgen.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 -, NJW 2010, 2295 = juris Rn. 17 (Rücksendung erst im Beschwerdeverfahren).
111Durch die Rückgabe der unter dem Vorbehalt der Nichtweitergabe eingereichten Schriftsätze wird das Akteneinsichtsrecht des Prozessgegners nicht verletzt. § 100 Abs. 1 VwGO will sicherstellen, dass die Verfahrensbeteiligten Kenntnis von allen Akten nehmen und sich zu allen Akteninhalten äußern können, die dem Gericht zur Entscheidung vorliegen und die es damit zur Entscheidungsgrundlage macht. Dem Akteneinsichtsrecht unterliegen daher nicht solche Unterlagen, hinsichtlich derer das Gericht auf eine Beiziehung verzichtet und die es damit nicht zum Prozessstoff macht.
112Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2004 - 6 B 71.03 -, juris Rn. 9 f.
113Nichts anderes gilt für Schriftsätze, die nach den vorstehenden Grundsätzen nicht zur Gerichtsakte genommen werden, sondern an den Absender zurückgegeben werden müssen.
114Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. November 2008 ‑ 20 F 6.08 -, juris Rn. 14, vom 6. November 2008 ‑ 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51 = juris Rn. 16, vom 5. Februar 2009 - 20 F 24.08 -, juris Rn. 17, und vom 24. August 2009 - 20 F 2.09 -, juris Rn. 15.
115Ob eingereichte Schriftsätze möglicherweise Passagen enthalten, die geheimhaltungsbedürftig sind oder unmittelbar die Angaben enthalten, die vom streitgegenständlichen Informationsbegehren erfasst sind, ist im Übrigen nicht durch das Gericht zu prüfen; erst recht ist es dem Gericht verwehrt, selbst Schwärzungen in den Schriftsätzen vorzunehmen. Werden Schriftsätze mit einem geheimhaltungsbedürftigen Inhalt ohne einen „Vorbehalt der Nichtweitergabe“ dem Gericht vorgelegt, sind sie grundsätzlich mit der Folge zur Gerichtsakte zu nehmen, dass sich das Recht auf Akteneinsicht der anderen Beteiligten hierauf erstreckt.
116Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 29. Juli 1997 - 7 C 97.1151 -, NVwZ-RR 1998, 686 (687).
117Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, auf eine (versehentliche) Vorlage offensichtlich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen oder streitgegenständlicher Informationen durch Erteilung eines richterlichen Hinweises zu reagieren, um dem Absender Gelegenheit einzuräumen, den Schriftsatz zurückzuziehen, bevor dieser zur Gerichtsakte genommen wird. Ein derartiger Hinweis ist in der Regel von § 86 Abs. 3 VwGO und vom allgemeinen Verfahrensermessen gedeckt und verstößt nicht gegen das Gebot der Unparteilichkeit.
118Vgl. Gärditz/Orth, JuS 2010, 317 (319).
119Die Prozessbeteiligten müssen bei alledem grundsätzlich selbst dafür Sorge tragen, dass ihre Stellungnahmen gegenüber dem Gericht so abgefasst sind, dass der von ihnen begehrte Geheimnisschutz auch dann gewahrt bleibt, wenn der Schriftsatz prozessordnungsgemäß dem Gegner zugestellt wird. Den Beteiligten werden dadurch keine unerfüllbaren oder unzumutbaren Darlegungsanforderungen auferlegt, zumal auch das Gericht bei der Abfassung des Urteils nicht anders verfahren kann.
120Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. November 2003 ‑ 20 F 16.03 -, NVwZ 2004, 486 = juris Rn. 2.
121Dass ein Verfahrensbeteiligter dadurch in seinen Darlegungsmöglichkeiten eingeschränkt ist, dass er die Umstände, die er geheim halten möchte, als solche im Rahmen seines Vortrags nicht benennen kann, hat das Gericht bei den Anforderungen an die Substantiiertheit des Vorbringens sowie bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
122Vgl. allgemein BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133 = juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 17 A 1888/92 -, NVwZ-RR 1998, 398 = juris Rn. 23; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2008 - I-2 W 57/08, 2 W 52 W 57/08 -, InstGE 10, 122 = juris Rn. 7, und Stadler, NJW 1989, 1202 (1203).
123Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Senat mit Verfügungen vom 30. August 2012, vom 8. Januar 2014 und insbesondere vom 5. und 6. Februar 2014 die zur Gerichtsakte gereichten ungeschwärzten Schriftsätze an die Klägerin bzw. an die Beklagte zurückgesandt und in der Gerichtsakte nur die geschwärzten Fassungen belassen, die auch dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden sind. Außerdem war dem Beigeladenen aus denselben Erwägungen eine ungeschwärzte Fassung des Urteils zu übersenden.
124Auf der Grundlage des danach allen Beteiligten gleichermaßen zur Verfügung gestellten Akteninhalts konnte der Senat ohne eine Beiziehung der Unterlagen, in der sich die streitgegenständlichen Informationen befinden, über die Klage entscheiden.
125Vgl. zu dieser Konstellation, die nicht zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren führt, etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f.
126C. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 ist, soweit er die Klägerin betrifft, rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem Beigeladenen ist der begehrte Informationszugang zum Namen der Klägerin, zum Namen des betroffenen Produkts, zur Bezeichnung des festgestellten Photoinitiators, zu den Migrationswerten dieses Photoinitiators sowie dazu, wann die diesbezüglichen Werte ermittelt wurden, zu gewähren.
127I. Maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
128Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 LB 2/06 -, NVwZ 2006, 847 = juris Rn. 9, und VG München, Urteil vom 22. November 2012 - M 18 K 11.4507 -, juris Rn. 20; a. A. VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. Juni 2005 - 12 A 182/02 -, Abdruck S. 17 f.
129Die Frage des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts bestimmt sich nach dem dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden materiellen Recht. Fehlt es - wie hier im Verbraucherinformationsgesetz - an gesetzlichen Anhaltspunkten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass es bei einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt für die gerichtliche Überprüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt und dass nur bei der Anfechtung eines - hier nicht vorliegenden - Dauerverwaltungsakts Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zur gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind.
130Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1989 ‑ 7 B 21.89 -, NVwZ 1990, 653 = juris Rn. 4, vom 23. November 1990 - 1 B 155.90 -, NVwZ 1991, 372 = juris Rn. 3, vom 11. Januar 1991 - 7 B 102.90 -, GewArch 1991, 276 = juris Rn. 3, und vom 8. Februar 1995 - 1 B 6.94 -, NVwZ-RR 1995, 392 = juris Rn. 5, sowie Urteil vom 6. April 2000 - 3 C 6.99 -, NVwZ 2001, 322 = juris Rn. 28 ff.
131Die vorstehend dargelegte, auf den Fall der Anfechtung eines belastenden Verwaltungsaktes durch den Adressaten zugeschnittene Regel gilt im Grundsatz auch für die hier in Rede stehende Fallgestaltung, dass sich ein Dritter mit der Anfechtungsklage gegen den einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt wendet.
132Allerdings widerspräche es der Prozessökonomie, im Rahmen der Drittanfechtung einen Verwaltungsakt, dessen Erlass nicht im Ermessen der Behörde steht, aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt sogleich nach der Aufhebung auf erneuten Antrag wegen der inzwischen geänderten Rechtslage wiedererteilt werden müsste.
133Für den baurechtlichen Nachbarprozess ist deshalb in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass die Klage des Nachbarn gegen die einem Bauwilligen erteilte Baugenehmigung nicht nur dann abzuweisen ist, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung erfüllt waren, sondern auch dann, wenn sie jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sind; nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage zugunsten des Bauwilligen sind danach in dem Rechtsstreit zu berücksichtigen.
134Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 1965 - IV C 3.65 -, BVerwGE 22, 129 = juris Rn. 13; vgl. ferner Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 119; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 108 Rn. 25; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 53, jeweils m.w.N.
135Nach Auffassung des Senats spricht Vieles dafür, diese für den baurechtlichen Nachbarstreit entwickelten prozessrechtlichen Regeln auf die hier gegebene Konstellation zu übertragen.
136Im Ergebnis kann diese Frage indes offenbleiben. Der angefochtene Bescheid vom 25. November 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 erweisen sich unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage sowohl zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (dazu II.) als auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (dazu III.) als rechtmäßig. Eine die Aufhebung des Verwaltungsaktes rechtfertigende Verletzung der Rechte der Klägerin liegt demgemäß nicht vor, ungeachtet der Frage, ob allen Vorschriften des Verbraucherinformationsgesetzes drittschützender Charakter zukommt.
137II. Ausgehend von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2010 ist der angefochtene Bescheid formell und materiell rechtmäßig.
138Maßgebliche Rechtsgrundlage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung war das Verbraucherinformationsgesetz vom 5. November 2007 (BGBl. I S. 2558), dessen §§ 1 bis 5 am 1. Mai 2008 in Kraft getreten sind (VIG 2008). Das Bundesministerium war danach eine informationspflichtige Stelle (1.), die gesetzlichen Verfahrensvorgaben wurden eingehalten (2.) und die Voraussetzungen des Anspruchs auf Informationszugang gemäß § 1 VIG 2008 waren erfüllt (3.). Dem Informationsanspruch stand insbesondere kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 VIG 2008 entgegen (4.). Auch konnte die Informationsgewährung im Einklang mit § 5 Abs. 3 VIG 2008 unabhängig von einer Überprüfung der Richtigkeit der Informationen erfolgen (5.). Bezüglich der Gewährung der Information als solcher bestand kein Ermessen (6.).
1391. Das Bundesministerium war informationspflichtig gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2008 und damit auch für den Erlass des angefochtenen Bewilligungsbescheides zuständig (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 VIG 2008).
140Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 VIG 2008 ist informationspflichtige Stelle im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes jede Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, die auf Grund anderer bundesrechtlicher oder landesrechtlicher Vorschriften öffentlich-rechtliche Aufgaben oder Tätigkeiten wahrnimmt, die der Erfüllung der in § 1 LFGB genannten Zwecke dienen. Erfasst werden damit grundsätzlich alle Behörden eines Bundeslandes und des Bundes, denen nach den dafür geltenden Regelungen Aufgaben im Bereich der Lebensmittelüberwachung zugewiesen sind. Dies ist auf der Ebene des Bundes neben dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und dem Bundesinstitut für Risikobewertung auch das Bundesministerium. Dieses nimmt im Bereich der Lebensmittelüberwachung Aufsichtsaufgaben wahr (vgl. z. B. § 8 Abs. 1 BfR-Gesetz). Es ist zuständiges Ministerium im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (vgl. § 4 Abs. 3 LFGB) und in dieser Funktion u. a. von den Lebensmittelbehörden über bestimmte Sachverhalte zu unterrichten (vgl. z. B. § 38 Abs. 4 Nr. 2 LFGB). Auch kann das Bundesministerium etwa im Rahmen des Europäischen Schnellwarnsystems für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) Befugnisse selbst wahrnehmen, vgl. § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) i.V.m. § 2 Nr. 1 Buchst. a) der BVL-Übertragungsverordnung. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes ist das Bundesministerium als oberste Bundesbehörde nach § 1 Abs. 3 VIG 2008 nur, soweit es - was vorliegend nicht in Rede steht - im Rahmen der Gesetzgebung oder beim Erlass von Rechtsverordnungen tätig wird.
1412. Der Bescheid vom 25. November 2009 ist unter Beachtung der verfahrensrechtlichen Anforderungen des Verbraucherinformationsgesetzes ergangen.
142Die Klägerin wurde insbesondere vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 4 Abs. 1 VIG 2008 ordnungsgemäß beteiligt. Auch entsprach der Antrag des Beigeladenen vom 25. September 2009 den Anforderungen des § 3 Abs. 1 VIG 2008; insbesondere war der Antrag hinreichend bestimmt (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VIG 2008) und auf die hier im Streit stehenden Informationen bezogen. Dass sich der Antrag des Beigeladenen auf sämtliche Produkte, bei denen im Rahmen der amtlichen Überwachung Druckchemikalien nachgewiesen wurden, erstreckt hat, steht dem nicht entgegen. Der Antrag nach § 3 Abs. 1 VIG 2008 muss sich nicht auf ein konkret bezeichnetes Erzeugnis im engeren Sinne beziehen, sondern kann von vornherein auch auf bestimmte Erzeugnisgruppen bezogen sein. Denn der Antragsteller kann häufig nicht wissen, zu welchen konkreten Erzeugnissen eine auskunftspflichtige Stelle über Informationen verfügt. In einem solchen Fall kann der Antrag - wie hier - dadurch näher bestimmt werden, dass der Antragsteller sein Informationsbegehren themenbezogen eingrenzt (z. B. in Bezug auf bestimmte durchgeführte Überwachungsmaßnahmen). Bei einer derartigen Präzisierung des Antrags liegt kein unzulässiger oder missbräuchlicher Ausforschungs- oder Rundumantrag vor.
143Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 8 B 922/07 -, NVwZ 2008, 235 = juris Rn. 8 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 31; Schoch, NJW 2010, 2241 (2243); Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 3 Rn. 10.
1443. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 lagen vor. Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu den in Nummern 1 bis 5 genannten Informationen, die bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Das Bestehen des Anspruchs ist von keinem besonderen Interesse oder einer Betroffenheit abhängig.
145Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 10; vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 26 ff.
146a) Zwar sind keine Anhaltpunkte dafür gegeben, dass die streitgegenständlichen Messergebnisse einen Rechtsverstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 betrafen bzw. einen solchen offenlegten. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass aufgrund der gemessenen Werte Gefahren oder Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008 bestanden. Für einen Großteil der in Rede stehenden Photoinitiatoren bestanden - soweit ersichtlich - weder spezifische Migrationsgrenzwerte (vgl. z. B. die Richtlinie 2002/72/EG, inzwischen Verordnung (EU) Nr. 10/2011, oder die Bedarfsgegenständeverordnung) noch lag eine gesundheitliche Bewertung vor. Derartiges wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
147b) Der Informationszugang war, soweit es um den Inhalt der Untersuchungsergebnisse geht, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 zu gewähren. Danach besteht ein Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten u. a. über die „Beschaffenheit“ von „Erzeugnissen“. Das Verbraucherinformationsgesetz gewährt einen Informationsanspruch über die Beschaffenheit von Lebensmitteln bzw. (Lebensmittel-)Bedarfsgegenständen auch dann, wenn weder ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht noch eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers in Rede steht.
148aa) Bei dem streitbefangenen Produkt der Klägerin handelt es sich nach dem ‑ insoweit unstreitigen - Vortrag der Klägerin und der Beklagten um einen für Arbeiten mit Teig- und Backwaren bestimmten Haushaltsgegenstand und damit um ein „Erzeugnis“. Der Begriff des Erzeugnisses im Verbraucherinformationsgesetz entspricht demjenigen im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008). Erzeugnisse sind nach § 2 Abs. 1 LFGB Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffe, Futtermittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände. Erfasst werden damit auch die sog. Lebensmittelbedarfsgegenstände, zu denen sowohl Lebensmittelverpackungen als auch die im Haushalt verwendeten Gegenstände gehören, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
149Vgl. Gorny, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg.), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 2 Rn. 179; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl., 2012, § 2 Rn. 189 ff.
150bb) Das Vorhandensein sowie das Migrationsverhalten von Druckchemikalien in einem Lebensmittel bzw. in einem (Lebensmittel-)Bedarfsgegenstand betrifft dessen „Beschaffenheit“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008. Auch der Begriff der Beschaffenheit ist im Ansatz im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches auszulegen,
151vgl. Borchert, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 1 Rn. 50,
152und bezieht sich vor allem auf die stoffliche Zusammensetzung des Erzeugnisses einschließlich des chemisch-physikalischen Zustandes seiner Bestandteile sowie darüber hinaus auf sonstige wertbildende Eigenschaften wie etwa Geruch, Geschmack, haptische Eindrücke und sonstige Konsistenz, Reinheit und Farbe.
153Vgl. Preuß, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg.), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 15 Rn. 17; Wehlau, LFGB, 2010, § 11 Rn. 54; Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl., 2012, § 11 Rn. 54 und § 15 Rn. 3; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 2, Stand: September 2013, § 11 Rn. 93 und § 15 Rn. 30.
154Zur stofflichen Beschaffenheit eines Erzeugnisses gehören insofern auch Gehalte an gegebenenfalls unerwünschten Substanzen wie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder Tierarzneimitteln sowie alle Kontaminationen aus der Umwelt, also z. B. Schwermetalle, Mykotoxine oder organische Chlorverbindungen. Für Belastungen in einem Erzeugnis, die aus dem chemischen Reaktionsverhalten einzelner seiner stofflichen Bestandteile resultieren, gilt dabei nichts anderes.
155Vgl. Preuß, in: Dannecker/Gorny/Höhn/Mettke/Preuß (Hrsg), LFGB, Band 1, Stand: Februar 2014, § 15 Rn. 17; Zilkens, NVwZ 2009, 1465 (1467).
156Ebenfalls eine Frage der stofflichen Beschaffenheit des Erzeugnisses ist sein Aggregatzustand und dessen Veränderlichkeit, die Löslichkeit der in dem Erzeugnis vorhandenen Stoffe, die Radioaktivität oder sonstiges stoffliches Verhalten und damit auch das - hier in Rede stehende - Migrationsverhalten einzelner Substanzen. Insofern betreffen sowohl die in dem Erzeugnis selbst gemessenen als auch die von einem Erzeugnis herrührenden Migrationswerte dessen Beschaffenheit.
157Dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 ein Informationszugang zu Messwerten auch dann besteht, wenn weder ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht (im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008) noch eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers (im Sinne § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2008) in Rede steht, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm und entspricht dem Zweck des Gesetzes, einen umfassenden Zugang zu den Informationen über Erzeugnisse zu eröffnen.
158Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 10.
159Gegen einen derart umfassenden Informationsanspruch bestehen auch keine unionsrechtlichen Einwände. Dies gilt vor allem mit Blick auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der schon nicht die Informationsgewährung auf Antrag, sondern die Voraussetzungen regelt, unter denen die Behörde ohne Antrag von sich aus informieren darf.
160Vgl. VG München, Urteil vom 22. September 2010 - M 18 K 09.5878, M 18 K M 18 K 09.5879 -, juris Rn. 26; vgl. im Übrigen zu § 40 LFGB: EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-636/11 -, NJW 2013, 1725 = juris; hierzu u. a. Wollenschläger, EuZW 2013, 419 ff., sowie Gurlit, NVwZ 2013, 1267 ff.
161c) Soweit der Beigeladene nicht nur Angaben zum Inhalt der Untersuchungsergebnisse, sondern auch zum Zeitpunkt der getroffenen Feststellungen begehrt, folgt der Informationszugangsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Zugang zu Daten über Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbrauchern einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen. Hiervon erfasst wird jedenfalls die Verwaltungstätigkeit der zuständigen Behörden auf der Grundlage der §§ 38 ff. LFGB. Zu den Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VIG 2008 gehören daher vor allem solche, die die routinemäßigen Betriebskontrollen oder Probenahmen (§§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1 LFGB) einschließlich der Analysen und Untersuchungen der Proben - wie sie auch hier durchgeführt wurden - betreffen.
162Vgl. Domeier/Matthes, VIG, Stand: Februar 2008, § 1 Erl. 4.5; Falck/Schwind, VIG, 1. Aufl. 2011, § 1 Erl. 2.6.
163d) Der Informationsanspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 VIG 2008 war nicht durch vorrangige Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 4 VIG 2008 ausgeschlossen. Insbesondere sind etwaige Ansprüche nach dem IFG oder UIG nicht vorrangig.
164Vgl. zum Verhältnis des VIG zum IFG und UIG Borchert, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 1 Rn. 74 ff.; vgl. im Übrigen auch zu möglichen Überschneidungen mit dem Umweltinformationsrecht OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Juni 2006 - 8 A 10267/06 -, NVwZ 2007, 351 = juris Rn. 41 f.
165Auch bestand vorliegend keine Geheimhaltungspflicht nach Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts. Die danach geschützte Vertraulichkeit von „Voruntersuchungen“ und „laufenden rechtlichen Verfahren“ begründet zum einen schon kein Schutzrecht zu Gunsten der von den Kontrollen betroffenen Firmen oder Personen.Zum anderen kann begrifflich von „Voruntersuchungen“ bzw. von einem „laufenden“ Verfahren nicht mehr gesprochen werden, wenn Kontrollmaßnahmen - wie hier - mit der Analyse einer Probenahme bereits ihren Abschluss gefunden haben.
166Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2009 ‑ 13a F 13/09 -, NVwZ 2009, 1510 = juris Rn. 29; Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 ‑ G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 25.
167Ebenso wenig stand Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 der beabsichtigten Informationsgewährung entgegen; hiernach hat die zuständige Behörde sicherzustellen, dass keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen, die bei Wahrnehmung der Kontrollaufgaben gewonnen worden sind, weitergegeben werden. Jedenfalls ergibt sich aus dieser Vorschrift kein weitergehender Schutz zugunsten der Klägerin als aus den hier zu prüfenden Ausschluss- und Beschränkungsgründen nach § 2 VIG 2008.
168Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 ‑ G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 26 m.w.N.; VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2012 - 7 A 1405/11 -, juris Rn. 33.
1694. Dem Informationsanspruch standen keine Ausschluss- oder Beschränkungsgründe gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 VIG 2008 entgegen.
170a) Dies gilt zunächst mit Blick auf § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2008. Danach besteht in der Regel kein Anspruch bei Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Die hier vorgesehene zeitliche Begrenzung des Informationszugangs gilt zum einen nicht zwingend („in der Regel“) und greift zum anderen nur für Informationen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 und ist schon deswegen vorliegend nicht einschlägig. Ungeachtet dessen ist für die Berechnung der Zeitspanne weder auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung noch auf denjenigen einer gerichtlichen Entscheidung abzustellen, sondern auf denjenigen der Antragstellung. Als der Beigeladene den Antrag auf Informationszugang im Jahr 2009 gestellt hat, waren die hier im Streit stehenden Testergebnisse, die nach den Angaben der Beklagten auf einer Probenahme aus Januar 2008 beruhen, noch nicht älter als fünf Jahre. Dass die Daten vor dem Inkrafttreten des Verbraucherinformationsgesetzes am 1. Mai 2008 erhoben worden sind, steht im Übrigen der Informationsgewährung nicht entgegen; das Gesetz erstreckt sich vielmehr auch auf solche Daten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VIG 2008).
171Vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 21. Januar 2009 ‑ 4 K 4605/08 -, GewArch 2009, 459 = juris Rn. 9.
172b) Der Informationsanspruch war auch nicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 ausgeschlossen. Nach diesem Ausschlusstatbestand besteht der Anspruch nach § 1 VIG 2008 wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (hierzu aa) oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind (hierzu bb), offenbart würden.
173aa) Bei den hier im Streit stehenden Daten handelt es sich nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008.
174Der Begriff des „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses“ ist nach dem Willen des Gesetzgebers in Anlehnung an § 17 UWG auszulegen,
175vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12,
176und wird sowohl im Anwendungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb als auch in anderen Normzusammenhängen entsprechend der Begriffsbestimmung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 14. März 2006,
177BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87,
178weitgehend einheitlich definiert. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind danach - auch im Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes - alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.
179Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87; vgl. ferner zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG und § 6 Satz 2 IFG: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113 = juris Rn. 12, sowie Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 -, juris Rn. 10.
180(1) Dass die hier im Streit stehenden Testergebnisse nicht offenkundig, also weder allgemein bekannt noch ohne weiteres zugänglich sind, ist zugunsten der Klägerin anzunehmen. Lässt sich ein Betriebsgeheimnis (z. B. die Konstruktionsart oder eine chemische Zusammensetzung) durch eine Untersuchung (z. B. Zerlegung, Analyse, Entschlüsselung - sog. reverse engineering) des in den Verkehr gebrachten Produkts erschließen, ist es nur dann offenkundig, wenn jeder Fachmann dazu ohne größeren Zeit-, Arbeits- und Kostenaufwand in der Lage wäre.
181Vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 17 Rn. 8.
182Dass dies für die Untersuchung auf das Migrationsverhalten von Photoinitiatoren konkret in Bezug auf das klägerische Produkt zutreffen könnte, lässt sich nicht feststellen.
183(2) Die Frage der Offenkundigkeit kann aber im Ergebnis ohnedies dahingestellt bleiben. Denn die Klägerin hat jedenfalls kein „berechtigtes“ Geheimhaltungsinteresse bezüglich dieser Testergebnisse.
184(a) Ob ein solches Interesse vorliegt, muss durch den Betroffenen so plausibel gemacht werden, dass unter Wahrung des Geheimnisses ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden Information und der Möglichkeit eines Wettbewerbsnachteils hergestellt werden kann. Die bloße Behauptung, dass ein Geschäftsgeheimnis vorliege, reicht dagegen nicht aus.
185Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 - OVG 12 B 34.10 -, juris Rn. 37 (zu § 6 Satz 2 IFG).
186Im Allgemeinen ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse anzunehmen, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.
187Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114 = juris Rn. 11, sowie Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113 = juris Rn. 13; vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 134; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 17 Rn. 9.
188Für die Frage, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, kommt es nicht allein darauf an, ob der Geschäftsinhaber subjektiv meint, eine bestimmte Tatsache müsse geheim gehalten werden. Vielmehr muss für eine Geheimhaltung ein objektivierbares begründetes Interesse bestehen.
189Vgl. Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Ernst, in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 17 Rn. 18; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2012 - OVG 12 B 34.10 -, juris Rn. 36 („objektivierbaren Bezug auf den Wettbewerb“).
190(b) Während im wettbewerbsrechtlichen Schrifttum umstritten ist, ob vor diesem Hintergrund der sitten- oder gesetzwidrige Inhalt eines Geheimnisses grundsätzlich bedeutungslos ist,
191vgl. hierzu etwa Mayer, GRUR 2011, 884 (887) m.w.N.,
192hat der Gesetzgeber für den Bereich des Verbraucherinformationsgesetzes in § 2 Satz 3 VIG 2008 klargestellt, dass Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 nicht durch § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 geschützt sind. Für Untersuchungsergebnisse, die Rechtsverstöße feststellen, besteht regelmäßig kein berechtigtes Interesse daran, diese nicht zu offenbaren; sie haben deshalb grundsätzlich keinen Ausschluss des Informationsanspruchs zur Folge.
193Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12.
194Mit dieser Wertung, die angesichts des Dritt- und Sozialbezugs der betreffenden Informationen dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
195vgl. Schoch, NJW 2009, 2987 (2992); ders., NJW 2010, 2241 (2245); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (36) m.w.N.,
196verfolgt der Gesetzgeber das allgemeine Ziel, dass der „mündige Verbraucher“ mit Hilfe der Verbraucherinformationsrechte besser befähigt werden soll, als Marktteilnehmer Kaufentscheidungen eigenverantwortlich zu treffen.
197Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 7; vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 22, und VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 39.
198Ausgehend hiervon kann auch für Untersuchungsergebnisse, bei denen zwar ein Rechtsverstoß im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2008 nicht in Rede steht, die aber dennoch für das betroffene Unternehmen ungünstig sind bzw. sein könnten, das Geheimhaltungsinteresse nicht allein mit der Besorgnis begründet werden, bei Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse drohe dem Unternehmen ein „Imageschaden“ oder der Verbraucher könne das Produkt „meiden“. Dies gilt gleichermaßen für Testergebnisse, bei denen z. B. Qualitätsunterschiede oder Abweichungen von bestimmten Qualitätsmerkmalen oder entsprechender Standards offenbart werden, wie für solche Untersuchungen, bei denen unerwünschte - wenngleich nicht gesetzeswidrige - Inhaltsstoffe nachgewiesen werden. Dass bei einer Offenlegung solcher Ergebnisse tatsächlich Absatzeinbußen eintreten können, ist in der vom Verbraucherinformationsgesetz bezweckten Förderung der Marktransparenz angelegt. Als Marktteilnehmer haben Verbraucher eine gestaltende Funktion im Wettbewerb. Sie können - so die Modellvorstellung, die dem Verbraucherinformationsgesetz zugrunde liegt - gezielt und bewusst Produkte entsprechend ihren Bedürfnissen aus dem Warenangebot mit der Folge auswählen, dass Produkte mit unerwünschten Qualitäten unter Umständen sogar gänzlich vom Markt verdrängt werden.
199Vgl. Albers/Ortler, GewArch 2009, 225 (225 f.) m.w.N.
200Aus der Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein zur Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 11 Abs. 1 IFG-SH bei beanstandeten Füllmengenunterschreitungen,
201vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Juni 2005 - 4 LB 30/04 -, NuR 2006, 327 = juris Rn. 48 ff.,
202folgt insofern jedenfalls für die Auslegung des Verbraucherinformationsgesetzes nichts anderes. Das Erfordernis des berechtigten Geheimhaltungsinteresses ist bereichsspezifisch auszulegen. Im Zusammenhang mit dem Verbraucherinformationsgesetz steht nicht die wettbewerblich geprägte Sichtweise, sondern die Herstellung der Markttransparenz und Informationsfreiheit im Vordergrund. Das Gesetz bezweckt gerade nicht den Schutz des Wettbewerbs; § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 geht es nur darum, den Kern der betrieblichen Informationssphäre zu schützen.
203Vgl. Schrader, in: Schlacke/Schrader/Bunge, Informationsrechte, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht - Aarhus-Handbuch, 2010, § 1 Rn. 137 (zu § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG).
204Dementsprechend kann im Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes das für die Annahme eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses erforderliche berechtigte Geheimhaltungsinteresse grundsätzlich nicht allein mit möglichen nachteiligen (Kauf-)Entscheidungen des informierten Verbrauchers und dadurch bedingten Absatzeinbußen begründet werden.
205Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 13a F 13/09 -, NVwZ 2009, 1510 = juris Rn. 27, und VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 ‑ 26 L 683/10 -, juris Rn. 37 (jeweils zur fehlenden Schutzwürdigkeit im Falle der Überschreitung dem Verbraucherschutz dienender Normwerte); vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 21. Januar 2009 ‑ 4 K 4605/08 -, GewArch 2009, 459 = juris Rn. 11 (kein Schutz vor möglichen Absatzeinbußen).
206Dies bedeutet freilich nicht, dass für das Unternehmen ungünstige Test- oder Untersuchungsergebnisse im vorstehenden Sinne prinzipiell nicht dem Schutz des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 unterfielen. Entscheidend bleibt, ob durch die Offenlegung solcher Ergebnisse im Einzelfall für den Wettbewerb mit Konkurrenten erhebliches technisches oder kaufmännisches Wissen bekannt wird. Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn die Test- oder Untersuchungsergebnisse inhaltlich z. B. eine geheimhaltungswürdige Rezeptur oder Herstellungsweise offenbaren, deren Kenntnis es Konkurrenten erlauben würde, ein weitgehend identisches Produkt auf den Markt zu bringen.
207Vgl. Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (36) m.w.N.; vgl. auch - allerdings noch vor Inkrafttreten des VIG zu § 8 UIG a.F. bzw. § 18c PflSchG a.F. - OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2004 - 13a D 43/04 -, NuR 2004, 750 = juris (zur Verwendung von Alkylphenolethoxylaten in Pflanzenschutzmitteln).
208Nicht planmäßige Qualitätsunterschiede oder Abweichungen, die bei der Herstellung eines Erzeugnisses unerwünscht oder zufällig auftreten, sind hingegen regelmäßig keine schützenswerten - für den Wettbewerb mit Konkurrenten erheblichen - Produktionsgeheimnisse.
209Vgl. in diesem Sinne bereits Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 24 (zum fehlenden Geheimhaltungsinteresse bei festgestellten Abweichungen des Produktinhalts von der Etikettierung); vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 139.
210Auch bei der streitgegenständlichen Auskunft geht es nicht etwa darum, welche Inhaltsstoffe für das klägerische Produkt nach seiner Rezeptur vorgesehen sind oder wie es konkret hergestellt wird, sondern allein darum, dass das Produkt auf das Vorhandensein von Photoinitiatoren und deren Migrationsverhalten getestet wurde. Dieses Wissen lässt keine Rückschlüsse auf die Rezeptur oder die genaue Herstellungsweise zu und betrifft damit keine Information, die es einem Konkurrenten ermöglichen würde, ein Produkt zu „kopieren“, oder die sich ein Konkurrent sonst zu Eigen machen und daraus einen Nutzen ziehen könnte.
211(c) Diese Auslegung des Verbraucherinformationsgesetzes steht im Einklang mit den Grundrechten des Unternehmens aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Grundrechte verbürgen zwar auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen; der grundrechtliche Geheimnisschutz wird allerdings durch die einfach-rechtlichen Verbraucherschutz- und ‑informationsrechte entscheidend mitbestimmt.
212Die vorgenannten grundrechtlichen Gewährleistungen schützen ein am Markt tätiges Unternehmen, das sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder seines Verhaltens aussetzt, nicht vor diesbezüglichen „Imageschäden“ und dadurch bedingten „Umsatzeinbußen“. Vor allem Art. 12 Abs. 1 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht; ein solches Recht kann auch nicht in Parallele zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), worauf sich die Klägerin beruft, begründet werden, weil auch dieses einen solchen Anspruch nicht umfasst. Vielmehr sichert Art. 12 Abs. 1 GG nur die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Der Schutz der unternehmerischen Berufstätigkeit am Markt - um den es auch hier geht - wird insofern durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Diese Regeln sind zugleich Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG).
213Vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252 = juris Rn. 40 ff. und 76 ff. (Glykolwein).
214Der Verbraucherschutz ist ein verfassungsrechtlicher Gemeinwohlbelang, dem der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts einen hohen Stellenwert beimessen und der eine Einschränkung des Schutzgehalts der vorgenannten Grundrechte rechtfertigen kann.
215Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 303/90 -, NJW 1993, 1969 = juris Rn. 20, vom 13. Juli 1992 - 1 BvR 238/92 -, GRUR 1993, 754 = juris Rn. 7 ff., und vom 4. Juni 1998 - 1 BvR 2652/95 -, NJW 1998, 2811 = juris Rn. 17 (jeweils zum wettbewerbsrechtlichen Verbraucherschutz), sowie vom 22. Januar 1997 - 2 BvR 1915/91 -, BVerfGE 95, 173 = juris Rn. 51 ff. (Warnhinweise für Tabakerzeugnisse).
216Die durch den Gesetzgeber ausgeformten Verbraucherschutz- und -informationsrechte, die die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördern, zählen zu den Regelungen, die den grundrechtlichen Schutzgehalt mitbestimmen. Dem trägt die hier vorgenommene Auslegung Rechnung.
217bb) Bei den hier im Streit stehenden Testergebnissen handelt es sich auch nicht um „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“ im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008.
218Das Tatbestandsmerkmal der „sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen“ ist gesetzlich weder definiert noch in der Gesetzesbegründung näher erläutert. Diese beschränkt sich auf den Hinweis, dass „für das betroffene Unternehmen ungünstige Untersuchungsergebnisse, wie z. B. Qualitätsunterschiede oder die Ausnutzung von Toleranzen“, im Einzelfall wettbewerbsrelevante Informationen darstellen „können“.
219Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12; vgl. auch Falck/Schwind, VIG, 1. Aufl. 2011, § 2 Erl. 3.3, vgl. ferner Grube/Weyland, VIG 2008, § 2 Rn. 11.
220Aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass wettbewerbsrelevante Informationen in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sein müssen. Auch für den Begriff der wettbewerbsrelevanten Informationen muss daher in enger Anlehnung an den Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses gelten, dass sie sich auf nicht offenkundige Umstände beziehen müssen, die für den Wettbewerb mit Konkurrenten erheblich sind.
221Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, ZLR 2010, 219 = juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 26 L 683/10 -, juris Rn. 47; VG Ansbach, Urteil vom 9. Juni 2011 - AN 16 K 10.02612 -, juris Rn. 39; vgl. auch Beyerlein, in: Beyerlein/Borchert, VIG, 2010, § 2 Rn. 127 und 139: „Auffangtatbestand“ nur für solche Informationen, die insbesondere den notwendigen unmittelbaren Unternehmensbezug nicht aufweisen.
222Die hier im Streit stehenden Informationen sind nicht wettbewerbsrelevant; sie weisen - wie aufgezeigt - keine Erheblichkeit für den Wettbewerb mit Konkurrenten auf. Die von der Klägerin allein befürchteten Absatzeinbußen sind insofern auch nicht durch die Tatbestandsalternative der sonstigen wettbewerbsrelevanten Informationen geschützt.
223cc) Liegt damit der Ausschlussgrund des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 schon tatbestandlich nicht vor, kommt es auf die Frage, ob im Anwendungsbereich des VIG 2008 - etwa gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 - das Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses im Wege der Abwägung mit dem öffentlichen Informationsinteresse überwunden werden kann - wie dies in § 3 Satz 2 VIG 2012 inzwischen vorgesehen ist -, nicht mehr an.
2245. Die Informationen konnten im Einklang mit § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG 2008 ohne Überprüfung ihrer Richtigkeit gewährt werden. Nach dieser Vorschrift, die den Regelungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 UIG a.F. und des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG nachgebildet ist, ist die informationspflichtige Stelle nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu überprüfen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Dass die Klägerin die Richtigkeit der streitgegenständlichen Messerergebnisse bestreitet, ist mithin nicht rechtserheblich. Nichts anderes gilt für die Einwände der Klägerin, die Ergebnisse beruhten auf einer falschen oder unsachgemäßen Testmethode und die verwandten Prüfsubstanzen seien für die Klägerin ungünstig gewesen.
225a) Nach der Konzeption der Informationszugangsgesetze hat die Behörde die Informationen im Rahmen der Zugangsgewährung weder zu bewerten noch deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Informationsanspruch nach dem Verbraucherinformationsgesetz ist ebenso wie der Anspruch nach dem Umweltinformationsgesetz und derjenige nach dem Informationsfreiheitsgesetz seinem Inhalt nach - vergleichbar mit dem Anspruch auf Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) - auf den bei der in Anspruch genommenen Behörde tatsächlich vorhandenen Bestand an Informationen gerichtet. Von dem Anspruch erfasst werden damit - entsprechend dem Grundsatz der „Aktenwahrheit“ - alle vorhandenen Informationen und zwar gerade unabhängig davon, ob die betreffenden Daten „richtig“ oder „unrichtig“ sind. Diese Akten- und Dokumentenöffentlichkeit erlaubt es jedermann nach Maßgabe des jeweiligen Gesetzes - gewissermaßen wie bei einem öffentlich-rechtlich zugänglichen Archiv - Einblick in den Informationsbestand der Verwaltung zu nehmen. Die Behörde ist ihrerseits - in Abkehr von dem Grundsatz der Amtsverschwiegenheit - verpflichtet, diese Einblicke zu gestatten. Dementsprechend steht dem Antragsteller auch kein Anspruch auf richtige Informationen oder auf eine Überprüfung auf Richtigkeit zu,
226vgl. zu § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG: Schoch, IFG, § 7 Rn. 78 m.w.N.; vgl. ferner zu § 5 Abs. 2 Satz 2 UIG a.F.: Schomerus, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, 2. Aufl. 2002, § 5 Rn. 49,
227und können sich weder die informationspflichtige Stelle noch vom Informationszugang betroffene Dritte mit Erfolg zwecks Vermeidung des Informationszugangs auf die (angebliche) Unrichtigkeit der betroffenen Informationen berufen.
228Insofern unterscheidet sich die Verpflichtung zur Informationsgewährung nach dem VIG, UIG und IFG von den allgemeinen behördlichen Belehrungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten (§ 25 VwVfG), bei denen die Behörde eigene sachbezogene oder sonst inhaltliche Erklärungen oder Bewertungen abgibt, für deren Richtigkeit sie einzustehen hat.
229Vgl. nur Kallerhof, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 25 Rn. 19 m.w.N.
230Dies gilt auch für den Informationsanspruch nach dem Umweltinformationsgesetz in seiner Neufassung. Aus § 7 Abs. 3 UIG n.F., der in Umsetzung des Art. 8 der Richtlinie 2003/4/EG im Interesse des Antragstellers Qualitätsanforderungen an die Informationsgewährung formuliert, folgt keine generelle Pflicht der informationspflichtigen Stelle, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu prüfen.
231Vgl. BT-Drs. 15/3406, S. 18; VG Arnsberg, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 K 753/10 -, juris Rn. 28; Gassner, UIG, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Stand: Januar 2008, § 7 Erl. 4; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand: April 2013, § 7 UIG Rn. 11.
232b) Soweit das Verbraucherinformationsgesetz die informationspflichtige Stelle von einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Information freistellt, bestehen für die auf Antrag erfolgende Informationsgewährung keine verfassungsrechtlichen Bedenken; inwieweit für antragsunabhängige staatliche Informationsmaßnahmen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 VIG 2008) etwas anderes gilt, braucht hier nicht entschieden zu werden.
233Vgl. VG Ansbach, Urteile vom 26. November 2009 - AN 16 K 08.01750, AN 16 KAN 16 K 09.00087 -, ZLR 2010, 228 = juris Rn. 40, und vom 9. Juni 2011 - AN 16 K 10.02612 -, juris Rn. 38; Schoch, NJW 2010, 2241 (2246 f.); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47).
234Zwar ist die „Richtigkeit“ der Information nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Grundvoraussetzung aktiver staatlicher Informationstätigkeit. Erweist sich eine Information nachträglich als unrichtig, ist der Staat von Verfassungs wegen - entsprechend dem Grundsatz der Folgenbeseitigung - zur Berichtigung verpflichtet.
235Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91 u. a. -, BVerfGE 105, 252 = juris Rn. 60 ff.
236Diese Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die aktive staatliche Information der Öffentlichkeit formuliert hat, gelten allerdings nicht gleichermaßen für die auf Antrag erfolgende Informationsgewährung.
237Vgl. Augsberg, DVBl. 2007, 733 (740); in diesem Sinne auch Schoch, NJW 2010, 2241 (2245); ders., NJW 2012, 2844 (2848); Wollenschläger, VerwArch 2011, 20 (47).
238Das Schutzbedürfnis des Unternehmens vor einer aktiven staatlichen Veröffentlichung unrichtiger Informationen ist ungleich größer als in den Fällen der antragsveranlassten individuellen Einsichtsgewähr. Denn die Öffentlichkeitsinformation, die - wie etwa eine produktbezogene Warnung - auf Initiative des Staates erfolgt, ist ihrer Intention nach auf eine unmittelbare Unterrichtung des Marktes gerichtet. Der Staat nimmt in diesem Fall selbst am öffentlichen Kommunikationsprozess teil und wirkt unmittelbar auf ihn ein. Er selbst wählt dabei die Informationen aus, die er bekannt geben will. Informationen, die der Staat in einem solchen Sinne direkt an alle Markteilnehmer richtet, finden eine breite Beachtung. Sie wirken sich auf die Wettbewerbsposition eines am Markt tätigen Unternehmens mit einer deutlich größeren Intensität aus als die Informationsgewährung an einen einzelnen Antragsteller.
239Vgl. Albers/Ortler, GewArch 2009, 225 (230); ferner - insoweit durchaus zutreffend - Britz/Eifert/Groß, DÖV 2007, 717 (722).
240Demgegenüber hat die individuelle Bekanntgabe der Information als solche (noch) keinen oder (allenfalls) einen nur geringen wettbewerbserheblichen Einfluss. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbssituation des Unternehmens ist im Regelfall ernsthaft erst dann zu besorgen, wenn der Informationsempfänger seinerseits die Informationen veröffentlicht. Einer solchen privaten Veröffentlichung wird der Verbraucher einen geringeren Stellenwert - gerade auch im Hinblick auf die Richtigkeitsgewähr - beimessen als einer originär staatlichen Informationsmaßnahme. Hinzu kommt, dass sich das betroffene Unternehmen - wie sonst im Wettbewerb auch - gegen wettbewerbsschädigende unwahre Tatsachenbehauptungen oder unzulässige wertende Äußerungen auch vor den Zivilgerichten zur Wehr setzen kann und damit nicht etwa schutzlos wäre.
241Vgl. nur Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 823 Rn. 129 m.w.N.
242Gerade vor diesem Hintergrund ist zum Ausgleich der kollidierenden Schutzinteressen des betroffenen Unternehmens einerseits (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) und der Informationsfreiheit andererseits (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) im Sinne praktischer Konkordanz die informationspflichtige Stelle dazu verpflichtet, dem Antragsteller bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit mit der Informationsgewährung mitzuteilen, wie dies § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG 2008 vorsieht. Die gilt erst recht für den Fall, dass sich die Informationen unrichtig erwiesen haben. Zu den mitzuteilenden Informationen gehören auch etwaige Stellungnahmen betroffener Dritter oder Unternehmen, die Zweifel an den herauszugebenden Daten geltend machen. Das Gesetz überantwortet damit sowohl die Prüfung der Informationen auf Richtigkeit als auch die Verantwortung bezüglich der weiteren Verwendung der erlangten Informationen auf den Antragsteller. Es sieht den Bürger als mündigen Informationsempfänger, der selbst bereit und in der Lage ist, die Informationen auf ihren sachlichen Gehalt und ihre Verwertbarkeit zu überprüfen.
243Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 27. Januar 2011 - 7 K 753/10 -, juris Rn. 24 ff. (zu § 7 Abs. 3 UIG); VG Dessau, Urteil vom 23. November 2007- 1 A 156/07 -, UPR 2008, 119 = juris Rn. 17 f., und VG Oldenburg, Beschluss vom 28. März 2013 - 5 A 4541/12 -, juris Rn. 14 (jeweils zu § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG); vgl. auch VG Oldenburg, Urteil vom 26. Juni 2012 - 7 A 1405/11 -, LRE 64, 449 = juris Rn. 38 (zu § 4 Abs. 1 NdsPresseG).
244Diesen Anforderungen hat die Beklagte im vorliegenden Fall hinreichend Rechnung getragen. Sie hat in dem angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Stellungnahmen der Firmen, die die Richtigkeit der festgestellten Werte sowie die Richtigkeit der Mess- und Analyseverfahren in Zweifel gezogen haben, bei der Übermittlung der Informationen auch dem Beigeladenen zur Kenntnis gebracht werden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. November 2009 sogar ausdrücklich Gelegenheit zur Vorlage einer solchen Stellungnahme gewährt. Auch hat die Beklagte während des Gerichtsverfahrens wiederholt klargestellt, dass sie der Klägerin - nach wie vor - die Möglichkeit eröffne, den Messergebnissen eine eigene Stellungnahme beizufügen. Soweit die Klägerin hiervon keinen Gebrauch machen will, ist die Beklagte - soweit und solange ihr keine anderweitigen Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit bekannt sind und sich die Informationen auch für die Beklagte nicht als unrichtig darstellen - nicht dazu verpflichtet, den Richtigkeitsgehalt der Informationen zu kommentieren. Aus § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - insofern nichts anderes. Nach dieser Vorschrift sollen die Informationen für die Verbraucher verständlich dargestellt werden. Die Regelung bezieht sich allein auf die „inhaltliche Verständlichkeit der Informationen“ und damit vor allem auf die Art und Übersichtlichkeit der Darstellung der Informationen, nicht aber auf deren Richtigkeit.
245Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13.
246Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die hier von der Beklagten beabsichtigte Übersendung der streitgegenständlichen Daten in einer tabellarischen Übersicht für den Beigeladenen als Informationsempfänger unverständlich oder sonst unsachlich sein könnte.
2476. Lagen nach alledem die Anspruchsvoraussetzungen vor, bestand bezüglich des „Ob“ der Informationsgewährung kein Ermessen. Nichts anderes folgt aus der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 1 VIG 2008. Soweit dort ausgeführt wird, die Behörde entscheide nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VIG 2008 nach „pflichtgemäßem Ermessen“, wenn der betroffene Dritte keine Stellungnahme abgeben wolle oder eine Auskunft durch die informationspflichtige Stelle ablehne,
248vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 13,
249hat dies jedenfalls im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Vielmehr sieht § 1 Abs. 1 VIG 2008 seinem eindeutigen Wortlaut nach bei Vorliegen der Voraussetzungen eine gebundene Entscheidung vor. Wie an anderer Stelle in der Gesetzesbegründung zutreffend ausgeführt wird, eröffnet lediglich § 5 Abs. 1 Satz 1 VIG 2008 Ermessen, und zwar nur hinsichtlich der „Art“ des Informationszugangs.
250Vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12 f.
251Dass dieses Ermessen hier fehlerhaft ausgeübt worden ist, ist nicht zu erkennen.
252III. Der Bescheid der Beklagten vom 25. November 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2010 erweisen sich auch unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtmäßig. Anwendung findet insofern das durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Verbraucherinformationen vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 476) novellierte Verbraucherinformationsgesetz (neu bekannt gemacht am 17. Oktober 2012, BGBl. I S. 2166, 2725), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 34 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) - im Folgenden: VIG 2012 -.
2531. Danach ergibt sich die Informationspflichtigkeit des Bundesministeriums aus § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2012. Auch entspricht das durchgeführte Verfahren den Anforderungen der §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 VIG 2012.
2542. Ferner sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 VIG 2012 erfüllt.
255a) Zwar werden die streitgegenständlichen Informationen weder von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) VIG 2012 noch von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VIG 2012 erfasst. Auch unter Zugrundelegung der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Testergebnisse „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches“ (Nr. 1 Buchst. a) oder „von einem Erzeugnis oder einem Verbraucherprodukt ausgehende Gefahren oder Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern“ (Nr. 2) betreffen.
256b) Die streitgegenständlichen Informationen sind indes, soweit es um den Inhalt der Untersuchungsergebnisse geht, solche im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 (vgl. bereits oben II. 3. b); die Zeitpunkte der Durchführung der amtlichen Untersuchungen sind Daten im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VIG 2012 (oben II. 3. c).
257Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 besteht Zugang zu allen Daten über die Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, ihre Beschaffenheit, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften einschließlich ihres Zusammenwirkens und ihrer Einwirkung auf den Körper, auch unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung oder vorhersehbaren Fehlanwendung. Für den Begriff des Erzeugnisses verweist das Verbraucherinformationsgesetz nach wie vor auf das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (vgl. § 1 Nr. 1 VIG 2012). Dass es sich bei dem beprobten und untersuchten Produkt der Klägerin um ein Erzeugnis im lebensmittelrechtlichen Sinne handelt, wurde oben unter II. 3. b) aa) ausgeführt.
258Das Vorhandensein von Photoinitiatoren in einem Erzeugnis betrifft auch dessen „Beschaffenheit“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen unter II. 3. b) bb) zu verweisen. Dass dem Begriff der Beschaffenheit nach der Neufassung des Verbraucherinformationsgesetzes gegenüber dem bisherigen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2008 ein anderer Inhalt beizumessen wäre, ist nicht zu erkennen. Zwar ist dieser Tatbestand neugefasst worden. Hintergrund der Neufassung war jedoch allein die Ausweitung des Anwendungsbereiches des Verbraucherinformationsgesetzes auf Verbraucherprodukte im Sinne des Produktsicherheitsgesetzes (vgl. § 1 Nr. 2 VIG 2012).
259Vgl. Grube/Immel/Wallau, Verbraucherinformationsrecht, 2013, Teil D, § 2 Rn. 29.
260Diese Ausweitung hat - so die Gesetzesbegründung - „eine Reihe von terminologischen Folgeänderungen“ notwendig gemacht. Das nunmehr in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VIG 2012 verwandte Begriffspaar „Zusammensetzung und Beschaffenheit“ soll sicherstellen, dass die stofflichen und mechanischen Komponenten von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten erfasst werden. Die gewählte Formulierung ist bewusst an die Beschaffenheit bzw. Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten als solchen angeknüpft.
261Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15.
262Soweit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers „Rezepturen und sonstiges exklusives wettbewerbserhebliches Wissen über die Parameter eines Produktes“ nicht von dem Begriffspaar „Zusammensetzung und Beschaffenheit“ erfasst sein sollen,
263vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15,
264folgt hieraus für den vorliegenden Fall nichts anderes, da es vorliegend weder um die Rezeptur noch um Parameter des klägerischen Produkts geht; das Vorhandensein von Photoinitiatoren und deren Migrationsverhalten betrifft nicht unmittelbar die geheimhaltungsbedürftige Produktionsweise und lässt auch keine Rückschlüsse hierauf zu.
2653. Der Informationsgewährung stehen keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe gemäß § 3 VIG 2012 entgegen.
266a) Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass die Testergebnisse auf Probenahmen aus dem Jahre 2007 beruhen. Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG 2012 besteht der Anspruch in der Regel nicht bei Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG 2012, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt (vgl. oben II. 4. a).
267b) Auch der Ausschlussgrund des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012, der nunmehr den Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse regelt, ist nicht gegeben.
268Die Regelungen zum Schutz der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind im Rahmen der Gesetzesnovellierung weitgehend neugefasst worden. Der Ausschlussgrund der „sonstigen wettbewerbsrelevanten Information“ ist dabei ersatzlos weggefallen.
269Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 15 ff.; Wustmann, BayVBl. 2012, 715 (718).
270Gemäß § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012 ist der Informationszugang ausgeschlossen, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, insbesondere Rezepturen, Konstruktions- oder Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen, offenbart würden. Der Begriff des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses wird durch die genannten Beispiele („insbesondere“) vor allem für die behördliche Anwendungspraxis konkretisiert, erfasst ansonsten aber weiterhin alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.
271Vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 16 mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u. a. -, BVerfGE 115, 205 = juris Rn. 87.
272Der Schutz des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses steht dem Informationszugang nach § 3 Satz 2 VIG 2012 nicht entgegen, wenn der Betroffene dem Informationszugang zugestimmt hat oder eine Abwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe die privaten Schutzbelange überwiegt. Darüber hinaus enthält § 3 Sätze 5 und 6 VIG 2012 - deutlich weitergehend als § 2 Satz 3 VIG 2008 - mehrere Tatbestände, in denen kraft Gesetzes der Informationszugang nicht unter Berufung auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden kann. Dies gilt namentlich gemäß Satz 5 bei Informationen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 VIG 2012, nach Nr. 3 und 4 soweit hinreichende Anhaltpunkte für eine von dem Erzeugnis bzw. Verbraucherprodukt ausgehende Gefährdung oder ein entsprechendes Risiko vorliegen sowie bei Informationen nach Nr. 3 bis 6, welche die Einhaltung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen betreffen.
273Vgl. Theis, DVBl. 2013, 627 (629).
274Gemäß Satz 6 gilt dies gleichfalls für die dort genannten Produktinformationen wie z. B. den Namen des Händlers und die Handelsbezeichnung des Erzeugnisses oder Verbraucherproduktes.
275Vgl. Wustmann, BayVBl. 2012, 715 (718 f.).
276Im vorliegenden Fall ist bezüglich des nachgewiesenen (Migrations-)Gehalts an Photoinitiatoren zwar keiner der in § 3 Sätze 5 und 6 VIG 2012 geregelten Tatbestände einschlägig. Vor allem liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem Erzeugnis der Klägerin eine Gefährdung oder ein Risiko für Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher ausgeht. Auch ist nicht zu erkennen, dass die Informationen solche sind, die die Einhaltung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen betreffen, da solche bislang (noch) nicht - jedenfalls (noch) nicht für alle hier in Betracht kommenden Druckchemikalien - existent sind. Nach den auf der Internetseite des Bundesministeriums veröffentlichten Angaben befindet sich eine Verordnung zur Änderung der Bedarfsgegenständeverordnung (sog. „Druckfarbenverordnung“) noch in Vorbereitung.
277http://www.bmel.de/SharedDocs/Rechtsgrundlagen/Entwuerfe/Entwurf21teVerordnungAenderungBedarfsgegenstaendeverordnung.html (Stand: 1. April 2014).
278Die Testergebnisse, zu denen der Beigeladene Zugang begehrt, sind ungeachtet dessen keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2012. Insofern gelten die Ausführungen unter II. 4. b) aa) zu § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG 2008 entsprechend. Demgemäß kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob das öffentliche Interesse die hier geltend gemachten privaten Schutzbelange gemäß § 3 Satz 2 VIG 2012 überwiegt. Derartiges ist aber grundsätzlich anzunehmen, wenn - wie hier - das berechtigte Geheimhaltungsinteresse allein mit Blick auf mögliche nachteilige (Kauf-)Entscheidungen des informierten Verbrauchers und dadurch bedingte Absatzeinbußen begründet wird. Ein solches Interesse, welches für sich genommen schon nicht ausreichend für die Annahme eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes ist, hat gegenüber dem allgemeinen Interesse des Verbrauchers an einer möglichst umfassenden Markttransparenz regelmäßig kein besonderes Gewicht.
2794. Für die Freistellung der Behörde von einer Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Informationen gemäß § 6 Abs. 3 VIG 2012 gelten die obigen Ausführungen entsprechend (oben II. 5). Im Übrigen folgt aus dem nunmehr ausdrücklich in § 6 Abs. 4 VIG 2012 geregelten Anspruch auf Richtigstellung für den Fall, dass sich die von der informationspflichtigen Stelle zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben herausstellen, für den vorliegenden Fall nichts anderes. Stellen sich die Informationen nach dem Kenntnisstand der informationspflichtigen Stelle bei Informationsgewährung als unrichtig dar, muss diese - erst recht - hierauf hinweisen (vgl. oben II. 5).
280Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für das zweitinstanzliche Verfahren für erstattungsfähig zu erklären, weil er im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag gestellt und das Verfahren eigenständig gefördert hat.
281Mangels Klageerfolgs kommt eine Erstattung der durch die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren entstandenen Kosten nicht in Betracht (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
282Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
283Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Die informationspflichtigen Stellen unterrichten die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. In diesem Rahmen verbreiten sie Umweltinformationen, die für ihre Aufgaben von Bedeutung sind und über die sie verfügen.
(2) Zu den zu verbreitenden Umweltinformationen gehören zumindest:
- 1.
der Wortlaut von völkerrechtlichen Verträgen, das von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassene Gemeinschaftsrecht sowie Rechtsvorschriften von Bund, Ländern oder Kommunen über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt; - 2.
politische Konzepte sowie Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt; - 3.
Berichte über den Stand der Umsetzung von Rechtsvorschriften sowie Konzepten, Plänen und Programmen nach den Nummern 1 und 2, sofern solche Berichte von den jeweiligen informationspflichtigen Stellen in elektronischer Form ausgearbeitet worden sind oder bereitgehalten werden; - 4.
Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 5.
Zulassungsentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und Umweltvereinbarungen sowie - 6.
zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach den §§ 24 und 25 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung und Risikobewertungen im Hinblick auf Umweltbestandteile nach § 2 Absatz 3 Nummer 1.
(3) Die Verbreitung von Umweltinformationen soll in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten erfolgen. Hierzu sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Zur Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 kann das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genutzt werden. Satz 2 gilt nicht für Umweltinformationen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angefallen sind, es sei denn, sie liegen bereits in elektronischer Form vor.
(4) Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internet-Seiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Umweltinformationen zu finden sind.
(5) Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt haben die informationspflichtigen Stellen sämtliche Informationen, über die sie verfügen und die es der eventuell betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen könnten, Maßnahmen zur Abwendung oder Begrenzung von Schäden infolge dieser Bedrohung zu ergreifen, unmittelbar und unverzüglich zu verbreiten; dies gilt unabhängig davon, ob diese Folge menschlicher Tätigkeit oder einer natürlichen Ursache ist. Verfügen mehrere informationspflichtige Stellen über solche Informationen, sollen sie sich bei deren Verbreitung abstimmen.
(6) § 7 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 finden entsprechende Anwendung.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben des § 10 kann auf bestimmte Stellen der öffentlichen Verwaltung oder private Stellen übertragen werden.
(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln:
- 1.
die Art und Weise der Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 über das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder über andere elektronische Kommunikationswege sowie - 2.
die Einzelheiten der Aktualisierung von veröffentlichten Umweltinformationen gemäß Absatz 2 Satz 3, einschließlich des nachträglichen Wegfalls der Unterrichtungspflicht nach Absatz 1.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
(1) Soweit
- 1.
durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, - 2.
Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen von Umweltinformationen verletzt würden oder - 3.
durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen,
(2) Umweltinformationen, die private Dritte einer informationspflichtigen Stelle übermittelt haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein oder rechtlich verpflichtet werden zu können, und deren Offenbarung nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Dritten hätte, dürfen ohne deren Einwilligung anderen nicht zugänglich gemacht werden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Satz 1 genannten Gründe abgelehnt werden.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Die informationspflichtigen Stellen unterrichten die Öffentlichkeit in angemessenem Umfang aktiv und systematisch über die Umwelt. In diesem Rahmen verbreiten sie Umweltinformationen, die für ihre Aufgaben von Bedeutung sind und über die sie verfügen.
(2) Zu den zu verbreitenden Umweltinformationen gehören zumindest:
- 1.
der Wortlaut von völkerrechtlichen Verträgen, das von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassene Gemeinschaftsrecht sowie Rechtsvorschriften von Bund, Ländern oder Kommunen über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt; - 2.
politische Konzepte sowie Pläne und Programme mit Bezug zur Umwelt; - 3.
Berichte über den Stand der Umsetzung von Rechtsvorschriften sowie Konzepten, Plänen und Programmen nach den Nummern 1 und 2, sofern solche Berichte von den jeweiligen informationspflichtigen Stellen in elektronischer Form ausgearbeitet worden sind oder bereitgehalten werden; - 4.
Daten oder Zusammenfassungen von Daten aus der Überwachung von Tätigkeiten, die sich auf die Umwelt auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 5.
Zulassungsentscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und Umweltvereinbarungen sowie - 6.
zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach den §§ 24 und 25 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94) in der jeweils geltenden Fassung und Risikobewertungen im Hinblick auf Umweltbestandteile nach § 2 Absatz 3 Nummer 1.
(3) Die Verbreitung von Umweltinformationen soll in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten erfolgen. Hierzu sollen, soweit vorhanden, elektronische Kommunikationsmittel verwendet werden. Zur Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 kann das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genutzt werden. Satz 2 gilt nicht für Umweltinformationen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angefallen sind, es sei denn, sie liegen bereits in elektronischer Form vor.
(4) Die Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 können auch dadurch erfüllt werden, dass Verknüpfungen zu Internet-Seiten eingerichtet werden, auf denen die zu verbreitenden Umweltinformationen zu finden sind.
(5) Im Falle einer unmittelbaren Bedrohung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt haben die informationspflichtigen Stellen sämtliche Informationen, über die sie verfügen und die es der eventuell betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen könnten, Maßnahmen zur Abwendung oder Begrenzung von Schäden infolge dieser Bedrohung zu ergreifen, unmittelbar und unverzüglich zu verbreiten; dies gilt unabhängig davon, ob diese Folge menschlicher Tätigkeit oder einer natürlichen Ursache ist. Verfügen mehrere informationspflichtige Stellen über solche Informationen, sollen sie sich bei deren Verbreitung abstimmen.
(6) § 7 Absatz 1 und 3 sowie die §§ 8 und 9 finden entsprechende Anwendung.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben des § 10 kann auf bestimmte Stellen der öffentlichen Verwaltung oder private Stellen übertragen werden.
(8) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln:
- 1.
die Art und Weise der Verbreitung von Umweltinformationen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 und 6 auch in Verbindung mit Satz 2 über das zentrale Internetportal des Bundes nach § 20 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder über andere elektronische Kommunikationswege sowie - 2.
die Einzelheiten der Aktualisierung von veröffentlichten Umweltinformationen gemäß Absatz 2 Satz 3, einschließlich des nachträglichen Wegfalls der Unterrichtungspflicht nach Absatz 1.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Die informationspflichtigen Stellen ergreifen Maßnahmen, um den Zugang zu den bei ihnen verfügbaren Umweltinformationen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wirken sie darauf hin, dass Umweltinformationen, über die sie verfügen, zunehmend in elektronischen Datenbanken oder in sonstigen Formaten gespeichert werden, die über Mittel der elektronischen Kommunikation abrufbar sind.
(2) Die informationspflichtigen Stellen treffen praktische Vorkehrungen zur Erleichterung des Informationszugangs, beispielsweise durch
- 1.
die Benennung von Auskunftspersonen oder Informationsstellen, - 2.
die Veröffentlichung von Verzeichnissen über verfügbare Umweltinformationen, - 3.
die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken oder - 4.
die Veröffentlichung von Informationen über behördliche Zuständigkeiten.
(3) Soweit möglich, gewährleisten die informationspflichtigen Stellen, dass alle Umweltinformationen, die von ihnen oder für sie zusammengestellt werden, auf dem gegenwärtigen Stand, exakt und vergleichbar sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.