Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 04. Mai 2015 - 19 A 2097/14
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist am 2. Dezember 1991 in T. geboren. Die Beklagte stellte ihm am 16. Juli 2012 den Bundespersonalausweis Nr. , gültig bis zum 15. Juli 2018, sowie am 12. April 2013 den Reisepass Nr. , gültig bis zum 11. April 2019, aus.
3Unter dem 4. Dezember 2013 stellte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (MIK NRW) ein Behördenzeugnis aus, wonach dienstlich bekannt geworden sei, dass der Kläger beabsichtige, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" auszureisen, um sich am bewaffneten "Jihad" in Syrien zu beteiligen. Beamte der Bundespolizei kontrollierten ihn am selben Tag am Flughafen Köln/Bonn bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle des Fluges TK nach Istanbul. Der Kläger befand sich in Begleitung des T1. G. und des T2. C. . Die drei hatten ihr Flugticket erst am Abflugtag gekauft und führten lediglich Handgepäck mit sich. Auf der Grundlage des Behördenzeugnisses führten die Beamten eine Ausreisebefragung bei allen drei Personen durch. Diese gaben an, zu privaten Zwecken nach Istanbul reisen zu wollen; Angaben zu dortiger Unterkunft und Rückflug konnten sie nicht machen. In der Geldbörse des Klägers fand sich ein Zettel, auf dem handschriftlich notiert ist: "Nummer von Deutschland aus: ... Nummer von Türkei aus: ... Der Bruder heißt F. A. . Die Nummer haben wir von B. T3. . Wir wollen zum B. Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep". Die Bundespolizei untersagte dem Kläger und seinen beiden Begleitern die Ausreise und stellte den Reisepass des Klägers sicher.
4Das Polizeipräsidium (PP) X. erstellte unter dem 6. Dezember 2013 einen Vermerk zur Person des Klägers. Darin stellt der Verfasser, KOK L. , fest, der ältere Bruder T4. des Klägers habe zu den Gründungsmitgliedern der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" in T. gehört; der Kläger sei als regelmäßiger Besucher des Vereins bekannt. T4. K. sei Mitte 2012 aus Deutschland ausgereist. Die Deutsche Botschaft in Ankara habe am 24. Juli 2013 mitgeteilt, er sei nach Angaben türkischer Behörden am 19. Juli 2013 auf dem Hoheitsgebiet der Türkei festgenommen worden, weil er weder einen Pass noch sonstige Ausweisdokumente, sondern lediglich eine deutsche Einbürgerungsurkunde mit sich geführt habe. Er, KOK L. , habe T4. K. aufgrund verschiedener Haftbefehle bei der Einreise am Frankfurter Flughafen festgenommen. Dabei habe T4. K. freimütig angegeben, er und andere hätten sich "ganz nah an der Kriegsfront befunden". Beide Brüder hätten sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden. Weiter beteilige sich der Kläger auch an den aktuellen Koraninformationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid Deutschland". Hierzu enthält der Vermerk zwei Bilder, auf denen der Kläger mit mehreren anderen Personen abgebildet ist, darunter jeweils T1. G. und T2. C. . Schließlich sei der Kläger in den letzten Wochen mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des Predigers Hasan Keskin in Erscheinung getreten, der unter anderem während der Ausschreitungen am 1. Mai 2012 als aufhetzender Wortführer agiert habe.
5In den Vermerken zu den Begleitern des Klägers, T1. G. und T2. C. , ist gleichfalls ausgeführt, sie gehörten zum jugendlichen salafistischen Personenspektrum aus T. .
6Mit Ordnungsverfügung vom 19. Dezember 2013 entzog die Beklagte dem Kläger ohne vorherige Anhörung den Reisepass (Nr. 1) und beschränkte den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2). Zur Begründung gab sie den Inhalt des Behördenzeugnisses wieder und führte an, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Es lägen schwerwiegende Anhaltspunkte dafür vor, dass er beabsichtige, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, um sich im derzeitigen Krisengebiet Syrien am bewaffneten Kampf ("Jihad") zu beteiligen. In diesem Zusammenhang habe bereits die Abteilung Staatsschutz des PP X. ein Verfahren gegen ihn beantragt. Es werde keine Anhörung durchgeführt, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die angeordneten Maßnahmen könnten nur Erfolg haben, wenn die Ausreise des Klägers sofort verhindert werde.
7Der Kläger hat am 9. Januar 2014 Klage erhoben und nach Einsicht in den Verwaltungsvorgang der Beklagten geltend gemacht, in der Begründung der angefochtenen Ordnungsverfügung fehle eine Darlegung hinreichend konkreter und belegbarer Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose der Beklagten. Das Behördenzeugnis des MIK NRW sei keine solche Tatsache. Die erforderlichen Anknüpfungstatsachen unterlägen auch den allgemeinen Beweisregeln, Beweiserleichterungen stünden der Behörde insoweit nicht zu. Die angegriffene Verfügung sei im Hinblick auf die Gefahr begründenden Tatsachen nicht hinreichend bestimmt. Er, der Kläger, weise die Behauptung, zum salafistischen Personenspektrum aus T. zu zählen, mit Entschiedenheit zurück. Von dort habe er sich bereits seit langer Zeit zurückgezogen. Er besuche andere Moscheen, pflege andere Kontakte, habe eine Freundin und arbeite ganz normal 8 Stunden täglich. Von seinem Bruder, der allerdings in der einschlägigen Szene in T. verankert sei, lasse er sich nicht beeinflussen. Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. habe er sich früh vom Veranstaltungsort entfernt und sei im später eingeleiteten Strafverfahren freigesprochen worden. Auf dem Zettel, den er bei sich gehabt habe, stünden Telefonnummern von in der Türkei humanitär tätigen zum Teil syrischen Organisationen, keinesfalls aber handele es sich um irgendwelche Kontaktleute oder Schleuser für einen Transitweg. Sein Bruder habe ihm den Zettel mitgegeben, damit er in Istanbul Kontakt zu humanitär tätigen Organisationen für die Hilfe nach Syrien aufnehme. Mit dem im - ohnehin offensichtlich auf Anlass gefertigten und daher unverwertbaren - Bericht vom 11. August 2014 erwähnten V. B1. habe er zwar in der L1. Straße in T. gewohnt. Zu dessen Ausreise sei ihm aber nichts bekannt gewesen. Überdies habe er Kontakt mit einer Mitarbeiterin eines Aussteigerprogramms aufgenommen und einen ersten Besprechungstermin vereinbart.
8Der Kläger hat beantragt,
9die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat ergänzend auf den Vermerk des PP X. vom 6. Dezember 2013 Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass der Kläger danach regelmäßiger Besucher und Vorstandsmitglied des verbotenen Vereins "Millatu Ibrahim" gewesen sei, sich bei den Ausschreitungen am 1. Mai 2012 am Tatort befunden habe, im Zusammenhang mit den Koraninformationsständen aufgetreten sei und sich mehrfach in Begleitung von Hasan Keskin aufgehalten habe. Gegen die Annahme einer Ausreiseabsicht zu touristischen Zwecken spreche die bei ihm gefundene Telefonliste. Ferner hat die Beklagte einen ergänzenden Bericht des PP X. vom 11. August 2014 vorgelegt, wonach der Kläger zuletzt mit V. B1. in der L1. Straße in T. zusammengewohnt habe. B1. sei trotz eigener Ausreiseuntersagung im Juni 2014 zunächst über Wien vermutlich nach Syrien ausgereist. Mit S. C1. , E. K1. und C2. L2. seien drei der Terrorkrieger aus T. bereits in Syrien gestorben. Auch T5. L3. sei ehemaliger Weggefährte des Klägers und seines Bruders gewesen. Er gebe im Internet ganz offen an, für den Islamischen Staat zu kämpfen. Zweifelhaft sei die Glaubhaftigkeit der Angabe des Klägers, in einem Aussteigerprogramm zu sein. Auch in der Vergangenheit habe er stets geleugnet, Angehöriger der Szene zu sein, auch wenn hierfür offenkundige Befunde vorgelegen hätten.
13Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei zusammen mit seinem Bruder öfter auf Veranstaltungen einer wegen dort gehaltener Predigten jihadistischen Inhaltes inzwischen verbotenen Vereinigung gewesen. Auch wegen seiner Eigenschaft als deren Vorstandsmitglied dürfe angenommen werden, er stehe auch inhaltlich hinter den Zielen der von ihm repräsentierten Organisation. Als weitere Indizien für die Absicht des Klägers, zur Teilnahme am "Jihad" auszureisen, führte das Verwaltungsgericht seine Beteiligung an Informationsständen und Videoproduktionen der salafistischen Bewegung "Tauhid", sein Auftreten als Kontakt- und Begleitperson des Predigers Keskin, das Aufgreifen seines Bruders Mitte 2013 in der Türkei sowie den Besitz des Zettels mit Telefonnummern bei seiner unterbundenen Ausreise in die Türkei an.
14Gegen das am 19. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 20. Oktober 2014 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Dass er beabsichtigt habe, zur Teilnahme am "militanten Jihad" nach Syrien auszureisen, sei durch nichts belegt. Er würde sich niemals einer Terrorgruppe wie der ISIS anschließen. Konkrete und belegbare Anknüpfungstatsachen der für die Gefahrenprognose darlegungs- und beweispflichtigen Behörde fehlten. Die Beklagte verweise in dem Bescheid lediglich generell auf Kenntnisse von Sicherheitsbehörden. Dies sei nicht geeignet, die angegriffenen Maßnahmen zu begründen. Die Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 19. Dezember 2013 sei unerheblich, weil es nach der Gesetzeslage auf Tatsachen ankomme, nicht auf die behördliche Einschätzung oder Bewertung von Tatsachen. Auch "die Bezugnahme auf die Einschätzung des Bundesministeriums vom 14.06.2012" sei nicht ausreichend. Zudem gebe es eine Vielzahl von Gruppierungen, die gegen das Assad-Regime kämpften. Diese würden zum Teil von den USA unterstützt. Auch erhalte die ISIS oder IS Unterstützung durch Staaten wie die Türkei oder Qatar, zumindest aber durch in diesen Ländern tätige private Geschäftsleute, die ihrerseits Kontakte zu den USA unterhielten. Daher sei nicht zu erkennen, inwieweit ausgerechnet durch ihn, den Kläger, erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet würden.
15Der Kläger beantragt sinngemäß,
16das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verweist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts sowie des Senats im Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 - und übermittelt die telefonische Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW, dass sich der Kläger auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht gemeldet habe.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 24 L 37/14 und 24 L 1849/14 - VG Düsseldorf -, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akten zum Verfahren 80 Js 1120/13 (StA Düsseldorf) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
21Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 19. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in deren Nr. 1 verfügte Passentziehung findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Die in Nr. 2 der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordnete Ausweisbeschränkung hat die Beklagte zu Recht auf § 6 Abs. 7 PAuswG gestützt, der diese Maßnahme ebenfalls an das Vorliegen eines Passversagungsgrundes nach § 7 Abs. 1 PassG knüpft.
22Am Maßstab dieser beiden Ermächtigungsgrundlagen ist die angefochtene Ordnungsverfügung materiell rechtmäßig (A.). Auch Verfahrensfehler rechtfertigen nicht ihre Aufhebung (B.).
23A. In materiell-rechtlicher Hinsicht hat die Beklagte die beiden genannten Maßnahmen ausschließlich auf die 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG gestützt (Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland). Diesen Passversagungsgrund hat sie sinngemäß in Bezug genommen, indem sie zur Begründung ausgeführt hat, die Teilnahme eines deutschen Staatsangehörigen am bewaffneten "Jihad" sei geeignet, in erheblichem Maße die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
24Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Variante 3 sind erfüllt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Denn sowohl bei der Entziehung des Reisepasses als auch bei der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dauerverwaltungsakte sind solche Verfügungen, die einen fortwährenden Regelungsgehalt haben, und deren Rechtsgrundlage verlangt, dass ihre tatbestandlichen Voraussetzungen während des gesamten Wirkungszeitraums der Regelung vorliegen.
25Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 116 mit weiteren Nachweisen.
26Dies ist hier der Fall. Sowohl die Passentziehung als auch die räumliche Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises erschöpfen sich nicht in einer einmaligen Anordnung, sondern entfalten dauerhafte Wirkung für den Betroffenen.
27Vgl. VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59/10 -, juris Rdn. 15.
28Im Streitfall sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. In der Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" liegt eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG (I.). Im Streitfall begründen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger in solcher Absicht nach Syrien ausreisen wollte und noch will (II.).
29I. Die Ausreise eines Deutschen zum Zweck der Unterstützung des militanten "Jihad" begründet eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Begriff "sonstige erhebliche Belange" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der Senat in vollem Umfang nachzuprüfen hat. Er erfasst Tatbestände, die in ihrer Erheblichkeit den beiden anderen Tatbestandsvarianten (innere und äußere Sicherheit) nahekommen. Sie müssen so gewichtig sein, dass die Passbehörde sie aus zwingenden staatspolitischen Gründen der freiheitlichen Entwicklung in der Bundesrepublik voranstellen muss. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang der drei Tatbestandsvarianten des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Der Passinhaber gefährdet sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
30BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 - 6 C 39.06 -, BVerwGE 129, 142 = juris Rdn. 28; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 - 1 S 2218/03 -, VBlBW 2005, 231 = juris Rdn. 21; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3.
31Die Beteiligung am militanten "Jihad" ist geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu schädigen. Terroranschläge des militanten "Jihad", an denen deutsche Staatsangehörige mitwirken, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder sowie der internationalen Staatengemeinschaft und sind geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik nachhaltig zu beeinträchtigen.
32Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 3; VG Arnsberg, Urteil vom 23. Januar 2015 - 12 K 2036/13 -, juris Rdn. 32; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 9; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 14; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 21; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 45; abweichend Daum, Anforderungen an Ausreisebeschränkungen von Islamisten, DÖV 2014, 526 (531).
33Dies unterstreicht der Umstand, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der am 24. September 2014 verabschiedeten Resolution 2178 (2014) die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Personen, die im Ausland terroristische Taten begehen wollen, an der Einreise, dem Transit und der Ausreise zu hindern und entsprechende Taten unter Strafe zu stellen. Dabei werden sämtliche Vorbereitungs‑, Unterstützungs- und Finanzierungshandlungen erfasst.
34Vgl. Payandeh, Globale Anti-Terrorgesetzgebung: Die deutsche Rechtsordnung im Sog des UN-Sicherheitsrats?, ZRP 2014, 241 (242).
35Zudem gibt eine Vielzahl der militanten Kämpfer seine Herkunft und seine Staats-angehörigkeit in Videobotschaften in den sozialen Netzwerken öffentlich bekannt und kokettiert nicht selten sogar damit, Bürger eines westlichen Staates zu sein, den dieser Staat eingebürgert hat.
36II. Es sind Tatsachen bekannt geworden, die die Annahme begründen, dass der Kläger zum Zwecke der Unterstützung des "Jihad" nach Syrien ausreisen wollte und noch will.
37Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Hinsichtlich dieser Gefahreneinschätzung erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise; es reicht aus, wenn der begründete Verdacht einer Gefährdung der Belange der Bundesrepublik Deutschland besteht. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen hingegen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen. Diese Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen "die Annahme" einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss.
38Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT- Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 5 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 - 8 K 637/09 -, juris Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013
39- 1 B 297/12 -, NordÖR 2013, 217 = juris Rdn. 5.
40Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
41Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 - 6 VR 10.02 -, juris Rdn. 13; zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG etwa BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 B 55.10 -, juris Rdn. 3.
42Die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen "bestimmten Tatsachen" im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Diese Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind; für sie verbleibt es bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
43OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 11.
44Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten "Jihad" kommen ebenso wie bei der Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften oder an einem Ausbildungscamp für Terroristen; Auffinden von Notizzetteln mit Rufnummern oder Anschriften).
45OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, NVwZ-RR 2014, 593 = juris Rdn. 12; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 - 5 S 22.10, 5 M 34.10 -, juris, Rdn. 4, 6; VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris Rdn. 7; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 - 2 E 2951/12 -, juris Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteile vom 6. März 2012 - 23 K 59.10 -, juris Rdn. 18, und - 23 K 58.10 -, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - 5 B 164/11 -, juris Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 - 18 B 866/13 -, juris Rdn. 11 (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG); Daum, a. a. O., S. 529.
46Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Reiseziel, die Art und Weise der Beteiligung am "Jihad" und die Rückkehrabsicht des Verfügungsadressaten jeweils konkret bezeichnet werden können. Angesichts des erheblichen Gewichts der Gefährdung kann insoweit auf allgemeine Erkenntnisse zur Unterstützung des bewaffneten "Jihad" zurückgegriffen werden. Hierzu ist dem Verfassungsschutzbericht 2013 unter anderem zu entnehmen, die Grenzen zwischen politischen und "jihadistischen" Salafisten seien fließend. Bis Anfang 2014 hätten Erkenntnisse zu mehr als 270 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vorgelegen, die in Richtung Syrien ausgereist seien, um sich an den Kampfhandlungen zu beteiligen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen - ein Trend, dessen Ende nicht abzusehen sei. Wenngleich aus den meisten Bundesländern Personen nach Syrien ausgereist seien, sei eine Schwerpunktbildung insbesondere dort zu erkennen, wo - wie in T. - über Jahre eine aktive islamistische Szene existiere. In vielen Fällen bleibe das tatsächliche Ziel der Ausreisen unklar.
47Dies zugrunde gelegt begründen im Fall des Klägers bestimmte Tatsachen im Sinne der 3. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme, dass er sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, nämlich deren auswärtige Beziehungen. Die Beklagte hat ihre behördliche Gefahreneinschätzung, der Kläger wolle zum Zweck der Beteiligung am bewaffneten Jihad im Bürgerkrieg in Syrien ausreisen, auf konkrete Tatsachen gestützt, die die Begründetheit dieser Prognose nachvollziehbar rechtfertigen. Als Anknüpfungstatsachen für diese Prognose hat sie unter anderem angeführt,
48 der Kläger sei bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Moscheevereins "Millatu Ibrahim e. V." in T. gewesen (1.),
49 habe sich bei den salafistischen Ausschreitungen in T. am 1. Mai 2012 am Veranstaltungsort befunden (2.),
50 habe sich an den sog. Koraninformationsständen und an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene Solingens beteiligt (3.), und
51 sei in den letzten Wochen vor seinem Ausreiseversuch mehrfach als Begleit- und Kontaktperson des islamistischen Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten (4.).
52Diese Indiztatsachen lassen jedenfalls in ihrer Gesamtheit den von den Sicherheitsbehörden und der Beklagten gezogenen Prognoseschluss zu, der Kläger habe zum Zweck der Teilnahme am bewaffneten "Jihad" ausreisen wollen und plane dies auch weiterhin.
53Zunächst liegen Tatsachen vor, die die Annahme der Ausreiseabsicht des Klägers Richtung Syrien begründen. Es steht fest, dass der Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn durch die Grenzpolizei daran gehindert worden ist, nach Istanbul auszureisen. Er war dabei in Begleitung zweier Personen - T1. G. und T2. C. -, für die ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Einbindung in das Umfeld der verbotenen Vereinigung "Millatu Ibrahim" bestehen. Der Annahme, die Reise habe touristischen Zwecken gedient, standen deren Umstände entgegen: Der Kläger und seine Begleiter hatten das Flugticket erst am gleichen Tag erworben; sie führten jeweils lediglich Handgepäck mit sich; Angaben dazu, wo sich aufhalten und wie sie zurückreisen wollten, machten sie nicht. Die Notizen auf dem Zettel, den der Kläger bei sich trug, lassen darauf schließen, dass die Reise in die nahe der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Stadt Gaziantep (kurz Antep) weitergehen sollte; denn auf dem Zettel ist neben Namen des oder der Ansprechpartner und einer Telefonnummer notiert: "Anrufen vom Reisebus-Bahnhof (…) in Antep oder Anrufen vom Flughafen in Antep" . Angemerkt sei wegen der Beanstandungen des Klägers, die Notiz nicht zur Kenntnis bekommen zu haben, dass sich die Kopie jenes Zettels bei den Verwaltungsvorgängen befindet, in die der Prozessbevollmächtigte des Klägers Einsicht genommen hat.
54Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe in Istanbul Verwandte besuchen wollen, den Zettel mit den Telefonnummern habe er von seinem Bruder bekommen, um ihn seinen Begleitern zu geben, und/oder er habe über die Telefonnummern in Kontakt zu in der Türkei tätigen Organisationen für humanitäre Hilfe in Syrien treten wollen, auch seine Begleiter habe er auf Wunsch seines Bruders mitgenommen und ebenfalls auf deren Wunsch erst nur ein Hinflugticket gekauft, ist insgesamt ungereimt und nicht glaubhaft. Weder ist nachvollziehbar, warum der Kläger nur mit Handgepäck zu Verwandten gereist sein will, noch, warum es nötig gewesen sein sollte, dass er seine Begleiter mitnimmt, noch, warum er - wirtschaftlich unvernünftigerweise - deren Wunsch entsprochen und nur ein Hinflugticket gekauft haben sollte, noch, warum er diese Verwandten zuvor niemals erwähnt und insbesondere bei der Ausreisekontrolle nicht genannt hat. Sein Vorbringen zu dem Zettel mit den Telefonnummern ist schon nicht einheitlich.
55Eine Reihe von Tatsachen belegt darüber hinaus die Einbindung des Klägers in einen Personenkreis von mit dem "Jihad" sympathisierenden Islamisten jedenfalls bis ins Jahr 2013 hinein. Diese Einbindung lässt darauf schließen, dass Zweck der Ausreise die Unterstützung des "Jihad" in Syrien war und weiterhin wäre.
561. Ein gewichtiges Indiz hierfür bildet der Umstand, dass der Kläger bis zu dessen Verbot im Juni 2012 regelmäßiger Besucher des Vereins "Millatu Ibrahim e. V." ("Religion Abrahams") in T. war, der im Jahre 2012 durch das Bundesministerium des Innern wegen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung verboten worden ist (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2012, S. 236). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest, zumal der Kläger die Tatsache nicht dezidiert bestritten hat. Er stellt lediglich pauschal eine "Verbindung zum salafistischen Personenspektrum" in T. in Abrede ("wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen"), räumt diese aber für die Vergangenheit sogar indirekt ein, wenn er geltend macht, er habe sich "bereits seit langer Zeit von dort zurückgezogen". Diese vagen Formulierungen entkräften die vorgenannte Indiztatsache nicht, weil sie Zeitpunkt, Beweggründe, nähere Umstände und vor allem die Art des angeblichen "Zurückziehens" offen lassen. Die Behauptung des Klägers, er besuche "andere Moscheen" und pflege "andere Kontakte", ist ohne Substanz geblieben; der Kläger hat weder andere Moscheen noch Kontakte benannt.
572. Bei den salafistischen Ausschreitungen am 1. Mai 2012 in T. , bei denen Islamisten gegen das Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch die Bürgerbewegung "Pro NRW" protestierten und in darauf folgenden Krawallen Polizisten verletzten, befand der Kläger sich am Veranstaltungsort. Auch diesen Umstand hat er mit dem Vorbringen eingeräumt, am 1. Mai 2012 habe er sich frühzeitig vom Ort der Ausschreitungen entfernt.
583. Der Kläger ist überdies wie sein Bruder im Zusammenhang mit der mittlerweile ebenfalls verbotenen Vereinigung "Tauhid Deutschland" sowie als Teilnehmer an Freizeitaktivitäten der salafistischen Szene in Erscheinung getreten. Im Bericht des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 finden sich ein Foto und ein Screenshot, die den Kläger in einem Kreis von ersichtlich Gleichgesinnten an einem Koraninformationsstand der salafistischen Vereinigung "Tauhid" und als Beteiligten an deren Videoproduktion zeigen. Unter der Bezeichnung "Tauhid Germany" (zeitweise auch "Tauhid Deutschland") firmierte eine Gruppe, die sich zur Verbreitung salafistischer Propaganda im Internet zusammengeschlossen hatte (Verfassungsschutzbericht NRW 2013, S. 272). Sie verfügte neben einer eigenen Webseite über Online-Auftritte bei Facebook und YouTube, wo sich neben Predigten in deutscher Sprache Beiträge von arabischsprachigen Gelehrten fanden, die der salafistischen Szene als Vorbild dienten. Viele der bei "Tauhid Germany" eingestellten Videos und Postings ließen starke Bezüge zum Jihadismus erkennen, indem sie etwa den gewaltsamen "Jihad" verherrlichten und zum Hass gegen "Ungläubige" aufriefen. Das Bundesinnenministerium hat die Vereinigung "Tauhid Germany" am 26. März 2015 verboten mit der Begründung, die Vereinigung rufe über das Internet und mit Informationsständen Muslime "zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung" auf und glorifiziere den gewaltsamen "Jihad" von Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) in Syrien und im Irak.
59Die bei den Verwaltungsvorgängen befindliche Abbildung aus dem Screenshot (wohl vom November 2013), die auch den Kläger zeigt, ist überschrieben mit "B. Ibrahim und ein paar Brüder nach den Dreharbeiten zu den Video zur Unterstützung von Ansarul Asser". Mit "Ansarul Asser" ist offensichtlich die entsprechende Webseite der deutschen Islamisten-Szene zur Unterstützung inhaftierter Islamisten gemeint (ansarul-aseer.com; vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Verfassungsschutzbericht 2013, S. 272 f.), mit "Abu Ibrahim" Hasdan (Hassan) Keskin, ein wegen der Schärfe seiner Predigten kritisierter, strafgerichtlich verurteilter und vom Verfassungsschutz beobachteter islamistischer Prediger.
60Hierzu hat der Kläger sich dahin eingelassen, auf dem Foto sowie dem Screenshot unterscheide er sich nach Kleidung und Habitus von den übrigen Abgebildeten. Die Beeinflussungen seines Bruders sowie anderer Bekannter aus der salafistischen Szene wehre er ab. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Foto und auf dem Screenshot jeweils der einzige von fünf Abgebildeten ist, der keinen Bart trägt - hierauf will der Kläger möglicherweise hinaus -, schmälert jedoch den im Übrigen zu gewinnenden Eindruck nicht durchgreifend, dass es sich um Gleichgesinnte handelt; neben der Bildüberschrift spricht hierfür etwa, dass der Kläger die gleiche Geste wie jeweils ein Teil der Abgebildeten zeigt, nämlich den erhobenen Zeigefinger. Seine Behauptung, er unterscheide sich auf den Abbildungen auch nach seiner Kleidung von den übrigen Abgebildeten, hat der Kläger weder näher erläutert noch ist sie sonst nachvollziehbar.
614. Der Kläger hat schließlich nicht in Abrede gestellt, dass er als Begleit- und Kontaktperson des vorerwähnten Predigers Hassan Keskin in Erscheinung getreten ist.
62Der Kläger hat das Gewicht dieser seine Einbindung in die salafistische Szene Solingens belegenden Anhaltspunkte nicht entkräftet. Es ist nicht anzunehmen, dass er sich tatsächlich vollständig aus diesen Zusammenhängen gelöst hat. Hierfür genügt es nicht, dass er sich mit einer Mitarbeiterin eines Aussteiger-programms in Verbindung gesetzt hat. Denn nach der Auskunft der für das Aussteigerprogramm zuständigen Sachbearbeiterin beim MIK NRW vom 30. Oktober 2014 hat der Kläger sich auf mehrfache telefonische und zuletzt schriftliche Kontaktversuche nicht mehr gemeldet; man werde ihm mitteilen, dass man nicht mehr mit seinem Interesse an dem Programm rechne. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er seine Teilnahme an dem Programm abgebrochen hat.
63Auch der Umstand, dass der Kläger, wie er behauptet, in einem festen Arbeitsverhältnis steht, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass er es insoweit an jeder näheren Angabe hat fehlen lassen, ist anzunehmen, dass er seine bis Ende 2013 innegehabte Arbeitsstelle aufgegeben hat, als er im Dezember 2013 nach Syrien auszureisen versucht hat. Denn in den Auszügen zum Girokonto Nr. … bei der T6. T. sind für die Zeit bis November 2013 Lohnzahlungen des Unternehmens H. H1. T. belegt, für die Zeit ab Januar 2014 jedoch solche der L4. Q. T7. Das lässt darauf schließen, dass den Kläger allein das Innehaben einer Arbeitsstelle von der Ausreise nicht abhält.
64Endlich rechtfertigt es keine abweichende Beurteilung, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung weniger den Eindruck eines fanatischen Islamisten, sondern eher den eines leicht beeinflussbaren Mitläufers hinterlassen oder zumindest zu hinterlassen versucht hat. Denn auch dann verbleibt der Befund, dass er sich dem Einfluss insbesondere seines fest in der salafistischen Szene verankerten älteren Bruders nur unzureichend entziehen kann und von diesem namentlich zur Unterstützung des "Jihad" - einschließlich der Ausreise zu diesem Zweck - zu verleiten ist.
65Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten herangezogenen Anknüpfungstatsachen auch im Sinne der 1. Variante des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG die Annahme begründen, der Kläger gefährde die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland,
66vgl. hierzu VG Münster, Beschluss vom 27. Juni 2014 - 1 L 328/14 -, juris, Rdn. 11; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30. November 2009 - 5 L 3142/09.F -, juris.
67oder die Passversagungsgründe in § 7 Abs. 1 Nr. 6 PassG (unbefugtes Verpflichten zum Wehrdienst außerhalb der Bundeswehr) oder in § 7 Abs. 1 Nr. 10 PassG erfüllen (Vornahme einer in § 89a StGB beschriebenen Handlung).
68Vgl. Daum, a.a.O., S. 531 ff.
69II. Ermessensfehler liegen nicht vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 PassG, wonach von einer Passversagung abzusehen ist, wenn sie unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn es genügt, den Geltungsbereich oder die Gültigkeitsdauer des Passes zu beschränken, sind nicht erfüllt. Die Maßnahme ist geeignet, erforderlich und auch angemessen, die nach dem oben Ausgeführten weiterhin gegebene Gefahr einer Teilnahme des Klägers am bewaffneten "Jihad" im Ausland zumindest zu verringern. Mildere Mittel mit gleicher Eignung zur Zielerreichung sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet angesichts der Unbestimmtheit der konkreten Unterstützungshandlungen und der Vielzahl der Reisemöglichkeiten eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Passes auf bestimmte Länder aus. Da derzeit keine hinreichenden Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Ausreiseabsicht des Klägers zeitlich begrenzt wäre, führt auch die mangelnde Befristung nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Die Behörde hat überdies den Fall unter Kontrolle zu halten, da den Verwaltungsakten Dauerwirkung zukommt. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 PassG wird auf Antrag ein neuer Pass ausgestellt, soweit die Voraussetzungen für die Beschränkung fortfallen.
70Der Senat verkennt nicht, dass die Entziehung des Passes für den Kläger einen erheblichen Eingriff in seine grundgesetzlich geschützte Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG darstellt. Dieser Eingriff ist jedoch angesichts der Schwere des hier zu schützenden Rechtsguts gerechtfertigt. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntes Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen überragendes Gewicht zu. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die verfügte Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises des Klägers.
71B. Die angefochtene Ordnungsverfügung ist auch nicht wegen formeller Mängel aufzuheben. Von einer Anhörung des Klägers durfte die Beklagte absehen (I.). Ein ihrer Ordnungsverfügung etwa anhaftender Begründungsmangel ist unbeachtlich (II.).
72I. Von der nach § 28 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Anhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes durfte die Beklagte nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW absehen, weil nach den Umständen des Einzelfalls eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Es genügt hierfür, dass die Behörde unter diesen Gesichtspunkten eine sofortige Entscheidung für notwendig halten durfte. Im Streitfall bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass genommen hätte, das Bundesgebiet vor Erlass der Verfügung zu verlassen. Die unten noch näher erläuterte Gefährdung wäre damit eingetreten, die Verfügung ins Leere gegangen. Daran führt nicht vorbei, dass der Reisepass bereits seit dem 4. Dezember 2013 sichergestellt war; denn gleichwohl bestand die Gefahr, dass der Kläger eine Anhörung zur Passentziehung oder zur Ausreiseuntersagung zum Anlass der sofortigen Ausreise auf dem Landweg genommen hätte.
73II. Soweit ein Mangel der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW erforderlichen Begründung vorliegt, ist dieser unbeachtlich.
74Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Dies verlangt nicht die Darlegung aller Einzelheiten, die für eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts notwendig wären; anzugeben sind jedoch die tragenden Gründe, von denen die erlassende Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist, in tatsächlicher Hinsicht also der von der Behörde ermittelte als gegeben angenommene Sachverhalt.
75Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 39 Rdn. 45; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, 2010, § 39 Rdn. 32 f.
76Ob die Beklagte diesen Anforderungen gerecht geworden ist, unterliegt Zweifeln, weil sie im streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Dezember 2013 für die Darlegung der Tatsachen, die die Annahme einer Gefährdung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen, lediglich darauf verwiesen hat, dass dem Kläger am 4. Dezember 2013 am Flughafen Köln-Bonn die Ausreise nach Istanbul untersagt und gegen ihn von der Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums X. ein Verfahren eingeleitet worden ist, sowie auf das Behördenzeugnis des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. Dezember 2013. Das Behördenzeugnis beschränkt sich jedoch auf den Satz "Hier wurde dienstlich bekannt, dass Herr T8. K. beabsichtigt, gemeinsam mit weiteren Personen aus dem Umfeld der verbotenen Vereinigung 'Millatu Ibrahim' auszureisen, um sich am bewaffneten Jihad in Syrien zu beteiligen" und enthält mithin keine konkreten Anknüpfungstatsachen. Die zahlreichen Einzelheiten, die insbesondere dem seinerzeit bereits vorliegenden und in den Verwaltungsvorgängen befindlichen "Vermerk zur Person T8. K. " des Polizeipräsidiums X. vom 6. Dezember 2013 zu entnehmen sind, sind in dem Bescheid weder wiedergegeben noch auch nur in Bezug genommen.
77Wegen eines Begründungsdefizits könnte jedoch die Aufhebung des Verwaltungsakts gemäß § 46 VwVfG NRW nicht verlangt werden. Denn eine etwaige Verletzung des Begründungserfordernisses hätte die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst. Im Streitfall erscheint es ausgeschlossen, dass bei Beachtung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Denn die Beklagte hat lediglich versäumt, die seinerzeit bereits bekannten, in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten und der Verfügung zugrunde liegenden Umstände im Einzelnen aufzuführen.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
80Der Senat lässt die Revision nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 04. Mai 2015 - 19 A 2097/14
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 04. Mai 2015 - 19 A 2097/14 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seines Reisepasses sowie gegen die räumliche Beschränkung seines Personalausweises.
3Mit Schreiben vom 19. April 2013 übermittelte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen der Beklagten ein am Vortag ausgestelltes Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ausweislich dessen der Kläger, ein im Jahre 1989 geborener deutsch-marokkanischer Staatsangehöriger, die Absicht habe, in naher Zukunft nach Syrien auszureisen, um sich dort am bewaffneten Jihad zu beteiligen.
4Mit Bescheid vom 22. April 2014 zog die Beklagte den Reisepass des Klägers ein (Ziffer 1.), beschränkte den Geltungsbereich des Personalausweises des Klägers in räumlicher Hinsicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 2.), forderte den Kläger zur Übergabe seines Reisepasses auf (Ziffer 3.), ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 5.) und drohte dem Kläger für den Fall der Nichterfüllung der Pflicht aus Ziffer 3. der Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,00 Euro an (Ziffer 6.). Zur Begründung führte die Beklagte aus: Die Voraussetzungen zur Passentziehung nach § 8 PassG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 PassG lägen vor. Das Bundesamt für Verfassungsschutz komme aufgrund von Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass der Kläger plane, nach Syrien auszureisen und sich dort am bewaffneten Jihad zu beteiligen. Damit erfülle der Kläger den Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, da den auswärtigen Beziehungen und dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ein erheblicher Schaden zugefügt werde, wenn der Kläger seinen Plan in die Tat umsetze, ohne dass behördlicherseits Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, denn eine zeitliche bzw. räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Reisepasses könne eine Reise des Klägers in das beabsichtigte Zielgebiet nicht verhindern. Daneben überwiege das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an ihrer inneren und äußeren Sicherheit das Interesse des Klägers an einer uneingeschränkten Reisefreiheit in erheblichem Maße. Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen aus § 6 Abs. 7 PAuswG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 PassG für die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Die räumliche Beschränkung diene dazu, Ausreisen zu verhindern, die lediglich einen Personalausweis erforderten. Im Übrigen habe man vor Erlass des Bescheides von einer Anhörung des Klägers abgesehen, da eine solche dem Kläger die Möglichkeit der unmittelbaren Ausreise eröffnet hätte.
5Im Anschluss an die persönliche Übergabe des Bescheides an den Kläger händigte dieser einem Bediensteten der Beklagten seinen Reisepass aus.
6Am 22. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben und nachfolgend einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Den genannten Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 21. März 2014 – 12 L 209/14 – abgelehnt.
7Während des Klageverfahrens ist der Kläger am 12. November 2014 im Rahmen einer bundesweiten Aktion gegen mutmaßliche Unterstützer von syrischen Terrororganisationen festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
8Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er beabsichtige nicht, in ein Krisengebiet zu reisen, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen. Im Übrigen seien im vorliegenden Verfahren wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze verletzt worden, da die Angaben der Beklagten nicht belegt seien.
9Der Kläger beantragt sinngemäß,
10den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend: Das Bürgerbüro der Stadt L habe ihr am 10. Oktober 2013 mitgeteilt, dass sich der Kläger dort als sein Bruder L ausgegeben und mit der Behauptung, seinen Reisepass und seinen Personalausweis verloren zu haben, vergeblich versucht habe, beide Dokumente neu zu beantragen. Der Verdacht der Vorspiegelung falscher Tatsachen habe sich im Nachhinein bestätigt, so dass keine Dokumente ausgestellt worden seien. Außerdem habe sich am 31. März 2014 ein junger Mann im Bürgerbüro der Beklagten als Bruder des Klägers ausgegeben, um dort einen neuen Personalausweis zu beantragen. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger und sein Bruder äußerlich stark ähnelten, habe der zuständige Mitarbeiter der Beklagten eine sofortige Bearbeitung des Antrages im Hinblick auf eine erforderliche gründliche Prüfung abgelehnt. Daraufhin habe der Antragsteller das Bürgerbüro der Beklagten verlassen und es sei auch in der Folgezeit zu keiner weiteren Kontaktaufnahme gekommen. Im Übrigen habe der Vater des Klägers Mitarbeitern der Beklagten mitgeteilt, dass sein Sohn beabsichtige, nach Syrien auszureisen, um dort kämpferische Handlungen zu unterstützen bzw. daran teilzunehmen.
14Des Weiteren habe das Polizeipräsidium I sie, die Beklagte, darüber informiert, dass der Kläger am 15. November 2013 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist und von Brüssel aus nach Istanbul sowie von dort nach Hatay – an der türkisch-syrischen Grenze gelegen - geflogen sei. Es werde vermutet, dass der Kläger von dort weiter nach Syrien gereist sei. Am 19. Dezember sei der Kläger dann nach Deutschland zurückgekehrt.
15Zudem habe das Polizeipräsidium I mitgeteilt, dass auch nach der Entlassung des Klägers aus der Untersuchungshaft weiter zu erwarten sei, dass dieser zeitnah versuchen werde, nach Syrien auszureisen, um dort am Jihad teilzunehmen. Damit einher gehend habe sich der Kläger im Januar 2014 sowie in den Monaten davor mit weiteren Personen aus seinem Umfeld zu einer Bande zusammengeschlossen und eine Vielzahl von Straftaten im vermögensrechtlichen Bereich begangen, mit deren Tatbeute u.a. Kämpfer in Syrien finanziert worden seien. In diesem Zusammenhang habe der Kläger einem Bekannten mitgeteilt, dass er einen Teil des erbeuteten Geldes an zwei Personen spenden wolle, die beabsichtigten, nach Syrien auszureisen. Weiterhin habe der Kläger am 13. April 2014 während mehrerer Telefonate einen Bekannten gefragt, wie sich ein gläubiger Muslim, der beabsichtige zu heiraten und zwecks Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien ausreisen wolle, zu verhalten habe. Diese Informationen brauche er für einen Bruder. Wenige Tage nach den Telefonaten habe der Kläger dann nach muslimischem Recht geheiratet. Schließlich habe der Kläger regen Kontakt zu seiner Schwester und deren Ehemann, die seit geraumer Zeit am bewaffneten Jihad teilnähmen. Schließlich sei der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland in ein Netzwerk radikaler Salafisten eingebunden, welches ihm im Falle einer Ausreise die erforderliche finanzielle und logistische Unterstützung biete.
16Die Kammer hat mit Aufklärungsverfügung vom 1. Juli 2014 bei dem Polizeipräsidium I um Mitteilung der über den Kläger vorliegenden Erkenntnisse gebeten. Wegen des Ergebnisses wird auf die den Beteiligten bekannt gegebene Stellungnahme des Polizeipräsidiums I verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer kann ohne das Erscheinen des Klägers bzw. dessen Prozessbevollmächtigten entscheiden, da der Prozessbevollmächtigte am 5. Dezember 2014 ordnungsgemäß geladen wurde und jedenfalls im Ladungszeitpunkt noch keine Mandatsniederlegung mitgeteilt hatte.
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21Sie ist insgesamt unbegründet.
22Der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Passgesetzes (PassG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) bzw. § 7 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 OBG NRW ist die Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde für den Erlass der streitigen Verfügung sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 1 PassG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 PAuswG. Diese bei Erlass der Ordnungsverfügung durch die seinerzeitige Wohnsitznahme des Klägers im Bezirk der Beklagten begründete örtliche Zuständigkeit ist auch nicht durch den späteren Wegzug des Klägers in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Ordnungsbehörde erloschen, sondern besteht für die streitige Verfügung fort.
24Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 23. Juni 2008 – 18 B 831/08 -.
25Ob von der Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW zu Recht abgesehen worden ist, kann dahinstehen, denn jedenfalls wäre ein solcher Verstoß wegen der Möglichkeit, im gerichtlichen Verfahren gehört zu werden, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW unbeachtlich.
26Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
27Dies gilt zunächst für die Ziffern 1. und 2. Die in Ziffer 1 der streitigen Verfügung angeordnete Entziehung des Reisepasses findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen würden. Die Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 2. verfügte räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises ergibt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG, wonach die zuständige Behörde im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG anordnen kann, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Der somit für beide Anordnungen tatbestandlich relevante § 7 Abs. 1 PassG bestimmt in der hier maßgeblichen Fallgruppe, dass ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (Nr. 1).
28Als eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 2007 – 6 C 39/06 –, juris.
30Eine solche Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands kommt dann in Betracht, wenn der Passinhaber sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligt,
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
32beispielsweise in Form der Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris; für den Fall einer geplanten Übergabe von Sprengstoff an eine Kontaktperson im Ausland OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 – 18 B 866/13 -; Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg), Beschluss vom 7. März 2011 – OVG 5 S 22/10 -, juris.
34Denn Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitgewirkt haben, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und sind in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen.
35Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urteil vom 06. März 2012 – 23 K59.10 –, juris.
36In tatsächlicher Hinsicht setzt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für die Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine positive Gefahrenprognose.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
38Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt also nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
40Als Anknüpfungstatsachen wegen einer befürchteten Ausreise zur Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen kommen insbesondere die Einbindung des Passinhabers in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politischen Ziele in Betracht. Dies kann beispielsweise durch missglückte Ausreiseversuche dokumentiert werden.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014, - 19 B 59/14 -, juris.
42Nach diesen Grundsätzen liegen derartige, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG erfüllende Anknüpfungstatsachen vor, die die Annahme einer positiven Gefahrenprognose stützen.
43Zunächst ist der Kläger seit geraumer Zeit Mitglied in einem Personenkreis gewaltbereiter Islamisten, die für die Teilnahme am Jihad in Syrien werben. Dies ergibt sich aus den folgenden Umständen: Der Kläger ist – was insoweit von ihm auch nicht substantiiert bestritten wird – in einem Video aufgetreten, dass vom 1. ‑4. Oktober 2013 auf dem salafistisch geprägten Kanal „INDYJOURNALISTS“ der Plattform YouTube abrufbar war. Nach der vom Polizeipräsidium Hagen im Rahmen seiner Stellungnahme vom 2. Juli 2014 übermittelten Auswertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gegen deren sachliche Richtigkeit nichts vorgebracht ist und an der zu zweifeln kein Anlass besteht, setzt sich der Kläger in dem besagten Video vehement für die Teilnahme am bewaffneten Kampf in Syrien ein und ruft dazu auf. So fordert der Kläger in seinem Beitrag seine Zuschauer konkret auf, sich die Lage in Syrien und die „abgeschlachteten Geschwister“ zu vergegenwärtigen. Jeder, der noch nicht das Land verlassen habe, solle sich schämen, und jede Person, die noch nicht nach Syrien ausgereist sei, sei ein „dreckiger Heuchler“. Wenn man den richtigen Lehren folgen würde, dann wäre man bereits in Syrien. Wortwörtlich führt der Kläger aus:„ Ich sage euch und ich sage zu mir selber in aller erster Linie: Hört auf mit dieser Heuchelei, hört auf mit dieser Heuchelei, steht auf, packt eure Koffer und geht nach Syrien […], Wacht auf! Steht auf und rückt aus!“ Aus dem Gesamtkontext des Beitrages ergibt sich unzweifelhaft, dass der Kläger für eine Beteiligung am militanten Kampf jihadistischer Gruppierungen eintritt. Daneben pflegt der Kläger nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten Kontakt und Umgang mit mehreren Personen, die in Syrien am bewaffneten Jihad teilgenommen haben bzw. sich auch weiterhin an dortigen Kampfhandlungen beteiligen. Danach ist der Kläger zum einen mit Abu Fayed, einem Führer der Jabhat al-Nusra – bei dieser handelt es sich um eine dschihadistisch-salafistische Organisation, die im syrischen Bürgerkrieg gegen die Regierungstruppen kämpft – bekannt, zum anderen hat der Kläger Kontakt zu Majdi Jendoubi, der sich bei seinem Aufenthalt in Syrien zunächst ebenfalls der Jabhat al-Nusra anschloss, um sich danach dem Islamischen Staat (IS) zuzuwenden. Damit einhergehend sind nach den – von der Beklagten mitgeteilten und vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellten – Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Personen aus dem nahen familiären Umfeld des Klägers der radikalen salafistischen Szene zuzuordnen, da die Schwester des Klägers und deren Ehemann, zu denen der Kläger in ständigem Kontakt steht, seit längerer Zeit am bewaffneten Jihad in Syrien teilnehmen. Die Einbindung und Verwurzelung des Klägers in Gruppierungen, die salafistisches Gedankengut vertreten, wird des Weiteren durch Äußerungen seines Vaters bestätigt. Denn dieser hat nach den Angaben der Beklagten persönlich mehrmals gegenüber Mitarbeitern der Beklagten verlautbaren lassen, dass sein Sohn, der Kläger, Kontakt zu salafistischen Gruppierungen in Köln bzw. Bonn habe und beabsichtige, nach Syrien auszureisen, um dort kämpferische Handlungen zu unterstützen. Schließlich ist der Kläger mittlerweile als Mitglied einer Bande, die Straftaten zur Erlangung von Vermögenswerten begangen haben soll, um mit der so erlangten Beute unter anderem Kämpfer in Syrien zu unterstützen, Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren und in Untersuchungshaft genommen worden.
44Neben dieser Einbindung des Klägers in ein salafistisches Netzwerk dokumentieren weitere Anknüpfungstatsachen die Absicht des Klägers, nach Syrien auszureisen, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen bzw. diesen zu unterstützen. So hat der Kläger es nicht bei dem Versuch belassen, in Richtung Syrien auszureisen, sondern ist nach den im vorliegenden Verfahren in der angeforderten Auskunft des Polizeipräsidiums Hagen vom 2. Juli 2014 mitgeteilten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden am 15. November 2013, also nach Erlass der streitgegenständlichen Verfügung, von Brüssel aus über Istanbul nach Hatay, einem an der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Ort, geflogen. Angesichts dessen drängt sich mit Blick auf die salafistische Grundausrichtung des Klägers geradezu auf, dass sich dieser von Hatay aus in Richtung Syrien begeben hat, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen bzw. diesen zu unterstützen. Seinen zunächst für den 5. Dezember 2013 geplanten Rückflug buchte der Kläger um und kehrte erst am 19. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den nicht substantiiert bestrittenen Angaben der Beklagten im Eilverfahren vor seiner Ausreise unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht hat, im Bürgerbüro der Stadt L mit der Begründung, er habe seine alten Dokumente verloren, einen neuen Reisepass und einen neuen Personalausweis zu beantragen. Zu diesem Zweck gab sich der Kläger wahrheitswidrig als sein Bruder L aus. Die Täuschung verfing jedoch nicht, so dass keine neuen Ausweispapiere ausgestellt wurden. Dieser Vorfall verdeutlicht, dass der Kläger mit allen Mitteln versucht hat, sich für den nur ca. einen Monat später stattfindenden Flug in Richtung Syrien neue Reisedokumente zu verschaffen.
45Für ein Fortbestehen der vorstehend ausgeführten Motive des Klägers auch nach der zwischenzeitlichen Rückkehr aus Syrien sprechen weitere, aktuelle Anknüpfungstatsachen. So hat sich der Kläger nach den von der Beklagten mitgeteilten, unwidersprochen gebliebenen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in mehreren Telefonaten am 13. April 2014 bei einem Bekannten erkundigt, wie sich ein gläubiger Muslim zu verhalten habe, der beabsichtige zu heiraten und zudem plane, zwecks Teilnahme am bewaffneten Jihad nach Syrien auszureisen. Da der Kläger im Anschluss an die Telefonate nur wenige Tage später selbst nach muslimischem Recht heiratete, spricht Überwiegendes dafür, dass diese Information für den Kläger bestimmt war, auch wenn dieser im Rahmen der Telefonate anders lautende Angaben machte. Hinzu treten die bereits oben ausgeführten Umstände im Hinblick auf die anhaltende Einbindung des Klägers in ein Netzwerk gewaltbereiter Islamisten, die ebenso eindeutig dafür sprechen, dass der Kläger – wie insbesondere auch die Einlassung seines Vaters verdeutlicht - weiterhin die Teilnahme am Jihad in Syrien als erstrebens - und unterstützenswert ansieht.
46Es mag schließlich dahinstehen, ob bereits jede einzelne der vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen isoliert betrachtet den Verdacht begründet, dass der Kläger am Jihad in Syrien teilnehmen will. Jedenfalls begründet spätestens die Gesamtschau der ausgeführten Anknüpfungstatsachen weiterhin den Verdacht, dass der Kläger die Absicht nicht aufgegeben hat, sich am Jihad in Syrien zu beteiligen.
47Mithin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG, auf den sowohl § 8 PassG als auch § 6 Abs. 7 PAuswG Bezug nehmen, vor.
48Die beiden Maßnahmen sind auch verhältnismäßig. Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellen sich als geeignete Maßnahmen dar, die Ausreise des Klägers in Richtung Syrien zum Zwecke der Teilnahme an bzw. Unterstützung von bewaffneten Kampfhandlungen zu verhindern, zumindest aber zu erschweren. Im Übrigen kann die Geeignetheit der Maßnahme nicht mit dem Argument verneint werden, der Kläger habe es geschafft, trotz der ergangenen Anordnungen die Bundesrepublik Deutschland in Richtung Syrien zu verlassen. Denn zum einen kann die Geeignetheit einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Möglichkeit der rechtswidrigen Umgehung derselben besteht. Zum anderen sind die getroffenen Maßnahmen ohne Zweifel dazu geeignet, die Ausreise zumindest zu behindern. Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind ebenso erforderlich. Denn gleich geeignete, aber mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst für die Entziehung des Reisepasses, denn die Möglichkeit, dessen räumlichen Geltungsbereich bzw. dessen Geltungsdauer zu beschränken, ist nicht genauso geeignet, die Ausreise des Antragstellers zu verhindern, wie eine Passentziehung. Dies folgt bereits daraus, dass eine räumliche Beschränkung es dem Passinhaber weiterhin erlauben würde, in die von der Beschränkung nicht erfassten Staaten einzureisen und von dort weiter in das eigentliche Zielgebiet zu gelangen. Hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Personalausweises ist bereits keine gleich geeignete und dennoch mildere Maßnahme erkennbar.
49Gegen die Angemessenheit der getroffenen Anordnungen ist ebenfalls nichts zu erinnern. Zwar wird durch die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers in dessen durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich abgesicherte Ausreisefreiheit eingegriffen. Jedoch überwiegt vorliegend das oben ausgeführte öffentliche Sicherheitsinteresse. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntem Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen ein die Klägerinteressen deutlich überwiegendes Gewicht zu. Dies gilt zumal der Kläger keine Gründe vorgetragen hat, die den Schluss rechtfertigen könnten, er müsse die Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit aus berechtigtem Anlass verlassen.
50Schließlich führt auch die fehlende zeitliche Befristung der Maßnahmen nicht zu deren Unverhältnismäßigkeit. Zunächst ist deren Wirkung aus der Natur der Sache heraus durch den Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses bzw. des Personalausweises – ersterer ist bis zum 30. März 2016 gültig, letzterer bis zum 31. Juli 2018 – bereits in zeitlicher Hinsicht limitiert. Insofern wird das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG spätestens im Falle der Neubeantragung des jeweiligen Dokumentes zu prüfen sein. Zudem steht es dem Kläger frei, im Falle einer Änderung seiner hier relevanten Lebensumstände bei der Beklagten einen Antrag auf Aufhebung der streitigen Verfügung oder auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu stellen.
51Die Beklagte hat auch das ihr in § 8 PassG bzw. in § 6 Abs. 7 PAuswG eingeräumte Ermessen rechtlich einwandfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO), indem sie alle zu berücksichtigenden Umstände in umfassender Weise in ihre Ermessensentscheidung eingestellt hat.
52Die in Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheides niedergelegte Verpflichtung des Klägers, seinen Reisepass unverzüglich den Bediensteten der Beklagten zu übergeben, ist ebenfalls rechtmäßig. Diese folgt im Falle der – wie hier – für sofort vollziehbar erklärten Passentziehung unmittelbar aus § 8 PassG.
53Vgl. Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Aufl., Stand: 1/2010, § 8 PassG Rn. 5,
54Entsprechendes gilt für die in Ziffer 6. verfügte Zwangsgeldandrohung. Insofern kann dahinstehen, ob sich die Zwangsgeldandrohung mit der Herausgabe des Reisepasses durch den Kläger an die Bediensteten der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) nicht schon auf andere Weise erledigt hat, da die Zwangsgeldandrohung die ihr einzig innewohnende Steuerungsfunktion, nämlich den Willen des Adressaten zu beugen, nachträglich verloren hat. Unbeschadet dessen ist die Zwangsgeldandrohung nach den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig (gewesen), so dass die erhobene Anfechtungsklage jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben kann und auch die Umdeutung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage ersichtlich nicht in Betracht kommt.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt O. aus Osnabrück ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
3Der Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 881/14 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. 4. 2014 wiederzustellen,
5ist in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
6Die formellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen vor, insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Sie hat durch ihre einzelfallbezogene Begründung erkennen lassen, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
7Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Sein privates Aussetzungsinteresse überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse und es besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die in der Ordnungsverfügung vom 15. 4. 2014 enthaltenen Verwaltungsakte als offensichtlich rechtmäßig.
8Die Entziehung des Reisepasses (Nr. 1 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 8 PassG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass der Antragsteller sich in Syrien paramilitärisch ausbilden lassen will. Er gibt selbst zu, streng gläubiger Moslem zu sein, und hat sein äußeres Erscheinungsbild in diesem Sinne verändert. Er war zumindest früher Mitglied der Gruppe „T. “, die nach Angaben der Geschädigten im Strafverfahren 540 Js 262/14 zumindest salafistische Tendenzen aufweist. Der Antragsteller ist ferner wegen Körperverletzungsdelikten auffällig geworden, die ihren Hintergrund darin hatten, dass die Geschädigten wegen Verstößen gegen die Regeln der Gruppe gemaßregelt werden sollten bzw. den Geschädigten gedroht wurde, sie dürften sich aufgrund ihrer verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen nicht mehr treffen. Im Rahmen der Strafverfahren erfuhr die Polizei durch Aussage eines Geschädigten, der Antragsteller wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Entscheidend kommt hinzu, dass die aufgrund dieser Tatsachen vom Antragsgegner geäußerte Annahme, der Antragsteller wolle nach Syrien ausreisen, sich durch sein weiteres Verhalten weiter bestätigt hat. Der Antragsteller wurde am 3. 6. 2014 gegen 23.25 Uhr auf der BAB 8 München – Salzburg und anschließend auf der Inntalautobahn BAB 93 Richtung Kufstein in Begleitung des Herrn L. U. angetroffen, von dem mehrere Geschädigte im Strafverfahren 540 Js 262/14 angaben, er sei Anfang 2014 gerade aus Syrien zurückgekehrt. Das Vorbringen des Antragstellers und des Herrn U. , sie wollten zu einem Baggersee, ist schon angesichts der Reisezeit und der mitgeführten Winteroutdoor-Bekleidung unglaubhaft; hinzu kommt, dass sie dazu keine näheren Angaben machen konnten, das am selben Tag gekaufte Navigationsgerät, das sich im Auto befand, aber das Ziel „Ancona/Italien“ angab, die beiden bereits eine Autobahnvignette für Österreich gekauft hatten und sich auf einer Autobahn befanden, die allein weiter nach Österreich führt. Ferner führten sie einen Notizzettel mit einer türkischen Adresse bei sich, die sich auf die Stadt Kirsehir bezieht. Diese liegt auf dem Weg von der von Ancona aus mit der Fähre zu erreichenden Stadt Cesme nach Syrien. Diese Umstände widerlegen deutlich den Vortrag des Antragstellers, er habe nicht vor, nach Syrien auszureisen. Vielmehr begründen sie die bereits hinreichend konkrete Annahme, dass er beabsichtigt, sich dort irgendeiner Weise im Bürgerkrieg zu engagieren und sich auch paramilitärisch ausbilden zu lassen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 12.
10Ein solcher Sachverhalt gefährdet die deutschen Interessen im Ausland, da dadurch Leib und Leben Dritter und damit hochrangige Rechtsgüter gefährdet werden können. Die Gefahrenprognose unterliegt dabei einem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Es genügt, wenn der Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 5 ff.
12Nimmt ein deutscher Staatsangehöriger an Kampfhandlungen einer islamistischen Organisation teil und beabsichtigt er, im Ausland schwere Straftaten zu begehen, ist dies geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft zu gefährden. Daneben stellt es eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar, da davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsteller nach seiner Rückkehr nach Deutschland auch hier im Konflikt mit nicht nach seinen Regeln lebenden Personen verstärkt Gewalt anwenden wird.
13Von der Passentziehung ist nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen gemäß § 8 i. V. m. § 7 Abs. 2 PassG abzusehen. Die Entziehung stellt sich als verhältnismäßig dar, insbesondere bietet die Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeitsdauer kein milderes und gleich geeignetes Mittel, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Denn sie könnte eine – wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat – kurzfristig bevorstehende Ausreise des Antragstellers, gegebenenfalls über ein anderes Land der Europäischen Union, nicht wirksam verhindern.
14Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die beeinträchtigten Rechte des Antragstellers erkannt und die widerstreitenden Interessen ohne Rechtsfehler miteinander abgewogen.
15Die Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers beruht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 PassG. Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die zur Entziehung angegebenen Gründe ihr Ermessen auch insofern ordnungsgemäß ausgeübt.
16Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (Nr. 2 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 PassG. Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG, die – wie erörtert – vorliegen, konnte die Antragsgegnerin anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Auch hier liegen Ermessensfehler nicht vor.
17Soweit die Speicherung der pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand überhaupt einen eigenständigen Regelungscharakter aufweist, findet sie ihre rechtliche Grundlage jedenfalls in § 9 PassG und § 6 Abs. 8 PAuswG.
18Es liegt ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor. Wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat, ist zu befürchten, dass der Antragsteller innerhalb kurzer Zeit ausreisen wird. Könnte die Verfügung erst nach Rechtskraft des Klageverfahrens vollstreckt werden, könnte den befürchteten Gefahren nicht wirksam begegnet werden, da der Antragsteller innerhalb dieser Zeit ausreisen könnte.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn
- 1.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, oder - 2.
nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 des Aufenthaltsgesetzes ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliegt.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt O. aus Osnabrück ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
3Der Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 881/14 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. 4. 2014 wiederzustellen,
5ist in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
6Die formellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen vor, insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Sie hat durch ihre einzelfallbezogene Begründung erkennen lassen, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
7Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Sein privates Aussetzungsinteresse überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse und es besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die in der Ordnungsverfügung vom 15. 4. 2014 enthaltenen Verwaltungsakte als offensichtlich rechtmäßig.
8Die Entziehung des Reisepasses (Nr. 1 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 8 PassG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass der Antragsteller sich in Syrien paramilitärisch ausbilden lassen will. Er gibt selbst zu, streng gläubiger Moslem zu sein, und hat sein äußeres Erscheinungsbild in diesem Sinne verändert. Er war zumindest früher Mitglied der Gruppe „T. “, die nach Angaben der Geschädigten im Strafverfahren 540 Js 262/14 zumindest salafistische Tendenzen aufweist. Der Antragsteller ist ferner wegen Körperverletzungsdelikten auffällig geworden, die ihren Hintergrund darin hatten, dass die Geschädigten wegen Verstößen gegen die Regeln der Gruppe gemaßregelt werden sollten bzw. den Geschädigten gedroht wurde, sie dürften sich aufgrund ihrer verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen nicht mehr treffen. Im Rahmen der Strafverfahren erfuhr die Polizei durch Aussage eines Geschädigten, der Antragsteller wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Entscheidend kommt hinzu, dass die aufgrund dieser Tatsachen vom Antragsgegner geäußerte Annahme, der Antragsteller wolle nach Syrien ausreisen, sich durch sein weiteres Verhalten weiter bestätigt hat. Der Antragsteller wurde am 3. 6. 2014 gegen 23.25 Uhr auf der BAB 8 München – Salzburg und anschließend auf der Inntalautobahn BAB 93 Richtung Kufstein in Begleitung des Herrn L. U. angetroffen, von dem mehrere Geschädigte im Strafverfahren 540 Js 262/14 angaben, er sei Anfang 2014 gerade aus Syrien zurückgekehrt. Das Vorbringen des Antragstellers und des Herrn U. , sie wollten zu einem Baggersee, ist schon angesichts der Reisezeit und der mitgeführten Winteroutdoor-Bekleidung unglaubhaft; hinzu kommt, dass sie dazu keine näheren Angaben machen konnten, das am selben Tag gekaufte Navigationsgerät, das sich im Auto befand, aber das Ziel „Ancona/Italien“ angab, die beiden bereits eine Autobahnvignette für Österreich gekauft hatten und sich auf einer Autobahn befanden, die allein weiter nach Österreich führt. Ferner führten sie einen Notizzettel mit einer türkischen Adresse bei sich, die sich auf die Stadt Kirsehir bezieht. Diese liegt auf dem Weg von der von Ancona aus mit der Fähre zu erreichenden Stadt Cesme nach Syrien. Diese Umstände widerlegen deutlich den Vortrag des Antragstellers, er habe nicht vor, nach Syrien auszureisen. Vielmehr begründen sie die bereits hinreichend konkrete Annahme, dass er beabsichtigt, sich dort irgendeiner Weise im Bürgerkrieg zu engagieren und sich auch paramilitärisch ausbilden zu lassen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 12.
10Ein solcher Sachverhalt gefährdet die deutschen Interessen im Ausland, da dadurch Leib und Leben Dritter und damit hochrangige Rechtsgüter gefährdet werden können. Die Gefahrenprognose unterliegt dabei einem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Es genügt, wenn der Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 5 ff.
12Nimmt ein deutscher Staatsangehöriger an Kampfhandlungen einer islamistischen Organisation teil und beabsichtigt er, im Ausland schwere Straftaten zu begehen, ist dies geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft zu gefährden. Daneben stellt es eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar, da davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsteller nach seiner Rückkehr nach Deutschland auch hier im Konflikt mit nicht nach seinen Regeln lebenden Personen verstärkt Gewalt anwenden wird.
13Von der Passentziehung ist nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen gemäß § 8 i. V. m. § 7 Abs. 2 PassG abzusehen. Die Entziehung stellt sich als verhältnismäßig dar, insbesondere bietet die Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeitsdauer kein milderes und gleich geeignetes Mittel, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Denn sie könnte eine – wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat – kurzfristig bevorstehende Ausreise des Antragstellers, gegebenenfalls über ein anderes Land der Europäischen Union, nicht wirksam verhindern.
14Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die beeinträchtigten Rechte des Antragstellers erkannt und die widerstreitenden Interessen ohne Rechtsfehler miteinander abgewogen.
15Die Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers beruht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 PassG. Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die zur Entziehung angegebenen Gründe ihr Ermessen auch insofern ordnungsgemäß ausgeübt.
16Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (Nr. 2 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 PassG. Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG, die – wie erörtert – vorliegen, konnte die Antragsgegnerin anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Auch hier liegen Ermessensfehler nicht vor.
17Soweit die Speicherung der pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand überhaupt einen eigenständigen Regelungscharakter aufweist, findet sie ihre rechtliche Grundlage jedenfalls in § 9 PassG und § 6 Abs. 8 PAuswG.
18Es liegt ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor. Wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat, ist zu befürchten, dass der Antragsteller innerhalb kurzer Zeit ausreisen wird. Könnte die Verfügung erst nach Rechtskraft des Klageverfahrens vollstreckt werden, könnte den befürchteten Gefahren nicht wirksam begegnet werden, da der Antragsteller innerhalb dieser Zeit ausreisen könnte.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
(1) Die Ausländerbehörde kann gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen, insbesondere kann sie den Ausländer verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen.
(2) Einem Ausländer kann die Ausreise in entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 1 und 2 des Passgesetzes untersagt werden. Im Übrigen kann einem Ausländer die Ausreise aus dem Bundesgebiet nur untersagt werden, wenn er in einen anderen Staat einreisen will, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Dokumente und Erlaubnisse zu sein. Das Ausreiseverbot ist aufzuheben, sobald der Grund seines Erlasses entfällt.
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt O. aus Osnabrück ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wie sich aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
3Der Antrag des Antragstellers,
4die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 881/14 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 15. 4. 2014 wiederzustellen,
5ist in Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, aber unbegründet.
6Die formellen Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung liegen vor, insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach Maßgabe des § 80 Abs. 3 VwGO begründet. Sie hat durch ihre einzelfallbezogene Begründung erkennen lassen, dass sie sich des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist.
7Die Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Sein privates Aussetzungsinteresse überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse und es besteht ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweisen sich die in der Ordnungsverfügung vom 15. 4. 2014 enthaltenen Verwaltungsakte als offensichtlich rechtmäßig.
8Die Entziehung des Reisepasses (Nr. 1 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 8 PassG i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekanntwerden, die die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass der Antragsteller sich in Syrien paramilitärisch ausbilden lassen will. Er gibt selbst zu, streng gläubiger Moslem zu sein, und hat sein äußeres Erscheinungsbild in diesem Sinne verändert. Er war zumindest früher Mitglied der Gruppe „T. “, die nach Angaben der Geschädigten im Strafverfahren 540 Js 262/14 zumindest salafistische Tendenzen aufweist. Der Antragsteller ist ferner wegen Körperverletzungsdelikten auffällig geworden, die ihren Hintergrund darin hatten, dass die Geschädigten wegen Verstößen gegen die Regeln der Gruppe gemaßregelt werden sollten bzw. den Geschädigten gedroht wurde, sie dürften sich aufgrund ihrer verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen nicht mehr treffen. Im Rahmen der Strafverfahren erfuhr die Polizei durch Aussage eines Geschädigten, der Antragsteller wolle nicht mehr lange in Deutschland bleiben. Entscheidend kommt hinzu, dass die aufgrund dieser Tatsachen vom Antragsgegner geäußerte Annahme, der Antragsteller wolle nach Syrien ausreisen, sich durch sein weiteres Verhalten weiter bestätigt hat. Der Antragsteller wurde am 3. 6. 2014 gegen 23.25 Uhr auf der BAB 8 München – Salzburg und anschließend auf der Inntalautobahn BAB 93 Richtung Kufstein in Begleitung des Herrn L. U. angetroffen, von dem mehrere Geschädigte im Strafverfahren 540 Js 262/14 angaben, er sei Anfang 2014 gerade aus Syrien zurückgekehrt. Das Vorbringen des Antragstellers und des Herrn U. , sie wollten zu einem Baggersee, ist schon angesichts der Reisezeit und der mitgeführten Winteroutdoor-Bekleidung unglaubhaft; hinzu kommt, dass sie dazu keine näheren Angaben machen konnten, das am selben Tag gekaufte Navigationsgerät, das sich im Auto befand, aber das Ziel „Ancona/Italien“ angab, die beiden bereits eine Autobahnvignette für Österreich gekauft hatten und sich auf einer Autobahn befanden, die allein weiter nach Österreich führt. Ferner führten sie einen Notizzettel mit einer türkischen Adresse bei sich, die sich auf die Stadt Kirsehir bezieht. Diese liegt auf dem Weg von der von Ancona aus mit der Fähre zu erreichenden Stadt Cesme nach Syrien. Diese Umstände widerlegen deutlich den Vortrag des Antragstellers, er habe nicht vor, nach Syrien auszureisen. Vielmehr begründen sie die bereits hinreichend konkrete Annahme, dass er beabsichtigt, sich dort irgendeiner Weise im Bürgerkrieg zu engagieren und sich auch paramilitärisch ausbilden zu lassen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 12.
10Ein solcher Sachverhalt gefährdet die deutschen Interessen im Ausland, da dadurch Leib und Leben Dritter und damit hochrangige Rechtsgüter gefährdet werden können. Die Gefahrenprognose unterliegt dabei einem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Es genügt, wenn der Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
11Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. 4. 2014 – 19 B 59/14 –, juris, Rdn. 5 ff.
12Nimmt ein deutscher Staatsangehöriger an Kampfhandlungen einer islamistischen Organisation teil und beabsichtigt er, im Ausland schwere Straftaten zu begehen, ist dies geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft zu gefährden. Daneben stellt es eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar, da davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsteller nach seiner Rückkehr nach Deutschland auch hier im Konflikt mit nicht nach seinen Regeln lebenden Personen verstärkt Gewalt anwenden wird.
13Von der Passentziehung ist nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen gemäß § 8 i. V. m. § 7 Abs. 2 PassG abzusehen. Die Entziehung stellt sich als verhältnismäßig dar, insbesondere bietet die Beschränkung des Geltungsbereichs oder der Gültigkeitsdauer kein milderes und gleich geeignetes Mittel, um den verfolgten Zweck zu erreichen. Denn sie könnte eine – wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat – kurzfristig bevorstehende Ausreise des Antragstellers, gegebenenfalls über ein anderes Land der Europäischen Union, nicht wirksam verhindern.
14Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die beeinträchtigten Rechte des Antragstellers erkannt und die widerstreitenden Interessen ohne Rechtsfehler miteinander abgewogen.
15Die Sicherstellung des Reisepasses des Antragstellers beruht auf § 13 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 PassG. Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die zur Entziehung angegebenen Gründe ihr Ermessen auch insofern ordnungsgemäß ausgeübt.
16Die Beschränkung des Geltungsbereichs des Personalausweises (Nr. 2 der Verfügung) rechtfertigt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG i. V. m. § 7 PassG. Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG, die – wie erörtert – vorliegen, konnte die Antragsgegnerin anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Auch hier liegen Ermessensfehler nicht vor.
17Soweit die Speicherung der pass- und personalausweisrechtlichen Maßnahmen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand überhaupt einen eigenständigen Regelungscharakter aufweist, findet sie ihre rechtliche Grundlage jedenfalls in § 9 PassG und § 6 Abs. 8 PAuswG.
18Es liegt ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse vor. Wie sich am 3. 6. 2014 gezeigt hat, ist zu befürchten, dass der Antragsteller innerhalb kurzer Zeit ausreisen wird. Könnte die Verfügung erst nach Rechtskraft des Klageverfahrens vollstreckt werden, könnte den befürchteten Gefahren nicht wirksam begegnet werden, da der Antragsteller innerhalb dieser Zeit ausreisen könnte.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er
- 1.
eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen, - 2.
Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder - 3.
Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.
(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.
(3) Absatz 1 gilt auch, wenn die Vorbereitung im Ausland begangen wird. Wird die Vorbereitung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union begangen, gilt dies nur, wenn sie durch einen Deutschen oder einen Ausländer mit Lebensgrundlage im Inland begangen wird oder die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland oder durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(4) In den Fällen des Absatzes 3 Satz 2 bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Wird die Vorbereitung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union begangen, bedarf die Verfolgung der Ermächtigung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, wenn die Vorbereitung weder durch einen Deutschen erfolgt noch die vorbereitete schwere staatsgefährdende Gewalttat im Inland noch durch oder gegen einen Deutschen begangen werden soll.
(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Täter freiwillig die weitere Vorbereitung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgibt und eine von ihm verursachte und erkannte Gefahr, dass andere diese Tat weiter vorbereiten oder sie ausführen, abwendet oder wesentlich mindert oder wenn er freiwillig die Vollendung dieser Tat verhindert. Wird ohne Zutun des Täters die bezeichnete Gefahr abgewendet oder wesentlich gemindert oder die Vollendung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhindert, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift; - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist; - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt; - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.