Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 23. Jan. 2015 - 12 K 2036/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seines Reisepasses sowie gegen die räumliche Beschränkung seines Personalausweises.
3Mit Schreiben vom 19. April 2013 übermittelte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen der Beklagten ein am Vortag ausgestelltes Behördenzeugnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ausweislich dessen der Kläger, ein im Jahre 1989 geborener deutsch-marokkanischer Staatsangehöriger, die Absicht habe, in naher Zukunft nach Syrien auszureisen, um sich dort am bewaffneten Jihad zu beteiligen.
4Mit Bescheid vom 22. April 2014 zog die Beklagte den Reisepass des Klägers ein (Ziffer 1.), beschränkte den Geltungsbereich des Personalausweises des Klägers in räumlicher Hinsicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer 2.), forderte den Kläger zur Übergabe seines Reisepasses auf (Ziffer 3.), ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziffer 5.) und drohte dem Kläger für den Fall der Nichterfüllung der Pflicht aus Ziffer 3. der Verfügung ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,00 Euro an (Ziffer 6.). Zur Begründung führte die Beklagte aus: Die Voraussetzungen zur Passentziehung nach § 8 PassG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 PassG lägen vor. Das Bundesamt für Verfassungsschutz komme aufgrund von Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass der Kläger plane, nach Syrien auszureisen und sich dort am bewaffneten Jihad zu beteiligen. Damit erfülle der Kläger den Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, da den auswärtigen Beziehungen und dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ein erheblicher Schaden zugefügt werde, wenn der Kläger seinen Plan in die Tat umsetze, ohne dass behördlicherseits Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig, denn eine zeitliche bzw. räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Reisepasses könne eine Reise des Klägers in das beabsichtigte Zielgebiet nicht verhindern. Daneben überwiege das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an ihrer inneren und äußeren Sicherheit das Interesse des Klägers an einer uneingeschränkten Reisefreiheit in erheblichem Maße. Aus den gleichen Gründen lägen auch die Voraussetzungen aus § 6 Abs. 7 PAuswG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 PassG für die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor. Die räumliche Beschränkung diene dazu, Ausreisen zu verhindern, die lediglich einen Personalausweis erforderten. Im Übrigen habe man vor Erlass des Bescheides von einer Anhörung des Klägers abgesehen, da eine solche dem Kläger die Möglichkeit der unmittelbaren Ausreise eröffnet hätte.
5Im Anschluss an die persönliche Übergabe des Bescheides an den Kläger händigte dieser einem Bediensteten der Beklagten seinen Reisepass aus.
6Am 22. Mai 2013 hat der Kläger Klage erhoben und nachfolgend einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Den genannten Antrag hat die Kammer mit Beschluss vom 21. März 2014 – 12 L 209/14 – abgelehnt.
7Während des Klageverfahrens ist der Kläger am 12. November 2014 im Rahmen einer bundesweiten Aktion gegen mutmaßliche Unterstützer von syrischen Terrororganisationen festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
8Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er beabsichtige nicht, in ein Krisengebiet zu reisen, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen. Im Übrigen seien im vorliegenden Verfahren wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze verletzt worden, da die Angaben der Beklagten nicht belegt seien.
9Der Kläger beantragt sinngemäß,
10den Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend: Das Bürgerbüro der Stadt L habe ihr am 10. Oktober 2013 mitgeteilt, dass sich der Kläger dort als sein Bruder L ausgegeben und mit der Behauptung, seinen Reisepass und seinen Personalausweis verloren zu haben, vergeblich versucht habe, beide Dokumente neu zu beantragen. Der Verdacht der Vorspiegelung falscher Tatsachen habe sich im Nachhinein bestätigt, so dass keine Dokumente ausgestellt worden seien. Außerdem habe sich am 31. März 2014 ein junger Mann im Bürgerbüro der Beklagten als Bruder des Klägers ausgegeben, um dort einen neuen Personalausweis zu beantragen. Aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger und sein Bruder äußerlich stark ähnelten, habe der zuständige Mitarbeiter der Beklagten eine sofortige Bearbeitung des Antrages im Hinblick auf eine erforderliche gründliche Prüfung abgelehnt. Daraufhin habe der Antragsteller das Bürgerbüro der Beklagten verlassen und es sei auch in der Folgezeit zu keiner weiteren Kontaktaufnahme gekommen. Im Übrigen habe der Vater des Klägers Mitarbeitern der Beklagten mitgeteilt, dass sein Sohn beabsichtige, nach Syrien auszureisen, um dort kämpferische Handlungen zu unterstützen bzw. daran teilzunehmen.
14Des Weiteren habe das Polizeipräsidium I sie, die Beklagte, darüber informiert, dass der Kläger am 15. November 2013 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist und von Brüssel aus nach Istanbul sowie von dort nach Hatay – an der türkisch-syrischen Grenze gelegen - geflogen sei. Es werde vermutet, dass der Kläger von dort weiter nach Syrien gereist sei. Am 19. Dezember sei der Kläger dann nach Deutschland zurückgekehrt.
15Zudem habe das Polizeipräsidium I mitgeteilt, dass auch nach der Entlassung des Klägers aus der Untersuchungshaft weiter zu erwarten sei, dass dieser zeitnah versuchen werde, nach Syrien auszureisen, um dort am Jihad teilzunehmen. Damit einher gehend habe sich der Kläger im Januar 2014 sowie in den Monaten davor mit weiteren Personen aus seinem Umfeld zu einer Bande zusammengeschlossen und eine Vielzahl von Straftaten im vermögensrechtlichen Bereich begangen, mit deren Tatbeute u.a. Kämpfer in Syrien finanziert worden seien. In diesem Zusammenhang habe der Kläger einem Bekannten mitgeteilt, dass er einen Teil des erbeuteten Geldes an zwei Personen spenden wolle, die beabsichtigten, nach Syrien auszureisen. Weiterhin habe der Kläger am 13. April 2014 während mehrerer Telefonate einen Bekannten gefragt, wie sich ein gläubiger Muslim, der beabsichtige zu heiraten und zwecks Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien ausreisen wolle, zu verhalten habe. Diese Informationen brauche er für einen Bruder. Wenige Tage nach den Telefonaten habe der Kläger dann nach muslimischem Recht geheiratet. Schließlich habe der Kläger regen Kontakt zu seiner Schwester und deren Ehemann, die seit geraumer Zeit am bewaffneten Jihad teilnähmen. Schließlich sei der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland in ein Netzwerk radikaler Salafisten eingebunden, welches ihm im Falle einer Ausreise die erforderliche finanzielle und logistische Unterstützung biete.
16Die Kammer hat mit Aufklärungsverfügung vom 1. Juli 2014 bei dem Polizeipräsidium I um Mitteilung der über den Kläger vorliegenden Erkenntnisse gebeten. Wegen des Ergebnisses wird auf die den Beteiligten bekannt gegebene Stellungnahme des Polizeipräsidiums I verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Kammer kann ohne das Erscheinen des Klägers bzw. dessen Prozessbevollmächtigten entscheiden, da der Prozessbevollmächtigte am 5. Dezember 2014 ordnungsgemäß geladen wurde und jedenfalls im Ladungszeitpunkt noch keine Mandatsniederlegung mitgeteilt hatte.
20Die Klage hat keinen Erfolg.
21Sie ist insgesamt unbegründet.
22Der Bescheid der Beklagten vom 22. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Passgesetzes (PassG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) bzw. § 7 Abs. 1 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 3 Abs. 1 OBG NRW ist die Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde für den Erlass der streitigen Verfügung sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 Satz 1 PassG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 PAuswG. Diese bei Erlass der Ordnungsverfügung durch die seinerzeitige Wohnsitznahme des Klägers im Bezirk der Beklagten begründete örtliche Zuständigkeit ist auch nicht durch den späteren Wegzug des Klägers in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Ordnungsbehörde erloschen, sondern besteht für die streitige Verfügung fort.
24Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 23. Juni 2008 – 18 B 831/08 -.
25Ob von der Anhörung des Klägers nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW zu Recht abgesehen worden ist, kann dahinstehen, denn jedenfalls wäre ein solcher Verstoß wegen der Möglichkeit, im gerichtlichen Verfahren gehört zu werden, gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW unbeachtlich.
26Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
27Dies gilt zunächst für die Ziffern 1. und 2. Die in Ziffer 1 der streitigen Verfügung angeordnete Entziehung des Reisepasses findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 PassG. Danach kann ein Pass oder ein ausschließlich als Passersatz bestimmter amtlicher Ausweis dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 die Passversagung rechtfertigen würden. Die Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 2. verfügte räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises ergibt sich aus § 6 Abs. 7 PAuswG, wonach die zuständige Behörde im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG anordnen kann, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Der somit für beide Anordnungen tatbestandlich relevante § 7 Abs. 1 PassG bestimmt in der hier maßgeblichen Fallgruppe, dass ein Pass zu versagen ist, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (Nr. 1).
28Als eine Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden.
29Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. Juli 2007 – 6 C 39/06 –, juris.
30Eine solche Schädigung des internationalen Ansehens Deutschlands kommt dann in Betracht, wenn der Passinhaber sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligt,
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
32beispielsweise in Form der Teilnahme am bewaffneten Jihad in Syrien,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris; für den Fall einer geplanten Übergabe von Sprengstoff an eine Kontaktperson im Ausland OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 – 18 B 866/13 -; Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg), Beschluss vom 7. März 2011 – OVG 5 S 22/10 -, juris.
34Denn Terroranschläge des militanten Jihad, an denen deutsche Staatsangehörige mitgewirkt haben, tangieren massiv die Sicherheitsinteressen der davon betroffenen Länder und sind in ganz erheblichem Maße geeignet, diplomatische Spannungen zu erzeugen.
35Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Berlin, Urteil vom 06. März 2012 – 23 K59.10 –, juris.
36In tatsächlicher Hinsicht setzt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für die Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine positive Gefahrenprognose.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
38Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt also nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014 - 19 B 59/14 -, juris.
40Als Anknüpfungstatsachen wegen einer befürchteten Ausreise zur Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen kommen insbesondere die Einbindung des Passinhabers in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politischen Ziele in Betracht. Dies kann beispielsweise durch missglückte Ausreiseversuche dokumentiert werden.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2014, - 19 B 59/14 -, juris.
42Nach diesen Grundsätzen liegen derartige, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG erfüllende Anknüpfungstatsachen vor, die die Annahme einer positiven Gefahrenprognose stützen.
43Zunächst ist der Kläger seit geraumer Zeit Mitglied in einem Personenkreis gewaltbereiter Islamisten, die für die Teilnahme am Jihad in Syrien werben. Dies ergibt sich aus den folgenden Umständen: Der Kläger ist – was insoweit von ihm auch nicht substantiiert bestritten wird – in einem Video aufgetreten, dass vom 1. ‑4. Oktober 2013 auf dem salafistisch geprägten Kanal „INDYJOURNALISTS“ der Plattform YouTube abrufbar war. Nach der vom Polizeipräsidium Hagen im Rahmen seiner Stellungnahme vom 2. Juli 2014 übermittelten Auswertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, gegen deren sachliche Richtigkeit nichts vorgebracht ist und an der zu zweifeln kein Anlass besteht, setzt sich der Kläger in dem besagten Video vehement für die Teilnahme am bewaffneten Kampf in Syrien ein und ruft dazu auf. So fordert der Kläger in seinem Beitrag seine Zuschauer konkret auf, sich die Lage in Syrien und die „abgeschlachteten Geschwister“ zu vergegenwärtigen. Jeder, der noch nicht das Land verlassen habe, solle sich schämen, und jede Person, die noch nicht nach Syrien ausgereist sei, sei ein „dreckiger Heuchler“. Wenn man den richtigen Lehren folgen würde, dann wäre man bereits in Syrien. Wortwörtlich führt der Kläger aus:„ Ich sage euch und ich sage zu mir selber in aller erster Linie: Hört auf mit dieser Heuchelei, hört auf mit dieser Heuchelei, steht auf, packt eure Koffer und geht nach Syrien […], Wacht auf! Steht auf und rückt aus!“ Aus dem Gesamtkontext des Beitrages ergibt sich unzweifelhaft, dass der Kläger für eine Beteiligung am militanten Kampf jihadistischer Gruppierungen eintritt. Daneben pflegt der Kläger nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten Kontakt und Umgang mit mehreren Personen, die in Syrien am bewaffneten Jihad teilgenommen haben bzw. sich auch weiterhin an dortigen Kampfhandlungen beteiligen. Danach ist der Kläger zum einen mit Abu Fayed, einem Führer der Jabhat al-Nusra – bei dieser handelt es sich um eine dschihadistisch-salafistische Organisation, die im syrischen Bürgerkrieg gegen die Regierungstruppen kämpft – bekannt, zum anderen hat der Kläger Kontakt zu Majdi Jendoubi, der sich bei seinem Aufenthalt in Syrien zunächst ebenfalls der Jabhat al-Nusra anschloss, um sich danach dem Islamischen Staat (IS) zuzuwenden. Damit einhergehend sind nach den – von der Beklagten mitgeteilten und vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellten – Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden Personen aus dem nahen familiären Umfeld des Klägers der radikalen salafistischen Szene zuzuordnen, da die Schwester des Klägers und deren Ehemann, zu denen der Kläger in ständigem Kontakt steht, seit längerer Zeit am bewaffneten Jihad in Syrien teilnehmen. Die Einbindung und Verwurzelung des Klägers in Gruppierungen, die salafistisches Gedankengut vertreten, wird des Weiteren durch Äußerungen seines Vaters bestätigt. Denn dieser hat nach den Angaben der Beklagten persönlich mehrmals gegenüber Mitarbeitern der Beklagten verlautbaren lassen, dass sein Sohn, der Kläger, Kontakt zu salafistischen Gruppierungen in Köln bzw. Bonn habe und beabsichtige, nach Syrien auszureisen, um dort kämpferische Handlungen zu unterstützen. Schließlich ist der Kläger mittlerweile als Mitglied einer Bande, die Straftaten zur Erlangung von Vermögenswerten begangen haben soll, um mit der so erlangten Beute unter anderem Kämpfer in Syrien zu unterstützen, Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren und in Untersuchungshaft genommen worden.
44Neben dieser Einbindung des Klägers in ein salafistisches Netzwerk dokumentieren weitere Anknüpfungstatsachen die Absicht des Klägers, nach Syrien auszureisen, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen bzw. diesen zu unterstützen. So hat der Kläger es nicht bei dem Versuch belassen, in Richtung Syrien auszureisen, sondern ist nach den im vorliegenden Verfahren in der angeforderten Auskunft des Polizeipräsidiums Hagen vom 2. Juli 2014 mitgeteilten Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden am 15. November 2013, also nach Erlass der streitgegenständlichen Verfügung, von Brüssel aus über Istanbul nach Hatay, einem an der türkisch-syrischen Grenze gelegenen Ort, geflogen. Angesichts dessen drängt sich mit Blick auf die salafistische Grundausrichtung des Klägers geradezu auf, dass sich dieser von Hatay aus in Richtung Syrien begeben hat, um dort am bewaffneten Jihad teilzunehmen bzw. diesen zu unterstützen. Seinen zunächst für den 5. Dezember 2013 geplanten Rückflug buchte der Kläger um und kehrte erst am 19. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den nicht substantiiert bestrittenen Angaben der Beklagten im Eilverfahren vor seiner Ausreise unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versucht hat, im Bürgerbüro der Stadt L mit der Begründung, er habe seine alten Dokumente verloren, einen neuen Reisepass und einen neuen Personalausweis zu beantragen. Zu diesem Zweck gab sich der Kläger wahrheitswidrig als sein Bruder L aus. Die Täuschung verfing jedoch nicht, so dass keine neuen Ausweispapiere ausgestellt wurden. Dieser Vorfall verdeutlicht, dass der Kläger mit allen Mitteln versucht hat, sich für den nur ca. einen Monat später stattfindenden Flug in Richtung Syrien neue Reisedokumente zu verschaffen.
45Für ein Fortbestehen der vorstehend ausgeführten Motive des Klägers auch nach der zwischenzeitlichen Rückkehr aus Syrien sprechen weitere, aktuelle Anknüpfungstatsachen. So hat sich der Kläger nach den von der Beklagten mitgeteilten, unwidersprochen gebliebenen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in mehreren Telefonaten am 13. April 2014 bei einem Bekannten erkundigt, wie sich ein gläubiger Muslim zu verhalten habe, der beabsichtige zu heiraten und zudem plane, zwecks Teilnahme am bewaffneten Jihad nach Syrien auszureisen. Da der Kläger im Anschluss an die Telefonate nur wenige Tage später selbst nach muslimischem Recht heiratete, spricht Überwiegendes dafür, dass diese Information für den Kläger bestimmt war, auch wenn dieser im Rahmen der Telefonate anders lautende Angaben machte. Hinzu treten die bereits oben ausgeführten Umstände im Hinblick auf die anhaltende Einbindung des Klägers in ein Netzwerk gewaltbereiter Islamisten, die ebenso eindeutig dafür sprechen, dass der Kläger – wie insbesondere auch die Einlassung seines Vaters verdeutlicht - weiterhin die Teilnahme am Jihad in Syrien als erstrebens - und unterstützenswert ansieht.
46Es mag schließlich dahinstehen, ob bereits jede einzelne der vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen isoliert betrachtet den Verdacht begründet, dass der Kläger am Jihad in Syrien teilnehmen will. Jedenfalls begründet spätestens die Gesamtschau der ausgeführten Anknüpfungstatsachen weiterhin den Verdacht, dass der Kläger die Absicht nicht aufgegeben hat, sich am Jihad in Syrien zu beteiligen.
47Mithin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Var. PassG, auf den sowohl § 8 PassG als auch § 6 Abs. 7 PAuswG Bezug nehmen, vor.
48Die beiden Maßnahmen sind auch verhältnismäßig. Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellen sich als geeignete Maßnahmen dar, die Ausreise des Klägers in Richtung Syrien zum Zwecke der Teilnahme an bzw. Unterstützung von bewaffneten Kampfhandlungen zu verhindern, zumindest aber zu erschweren. Im Übrigen kann die Geeignetheit der Maßnahme nicht mit dem Argument verneint werden, der Kläger habe es geschafft, trotz der ergangenen Anordnungen die Bundesrepublik Deutschland in Richtung Syrien zu verlassen. Denn zum einen kann die Geeignetheit einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Möglichkeit der rechtswidrigen Umgehung derselben besteht. Zum anderen sind die getroffenen Maßnahmen ohne Zweifel dazu geeignet, die Ausreise zumindest zu behindern. Die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind ebenso erforderlich. Denn gleich geeignete, aber mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst für die Entziehung des Reisepasses, denn die Möglichkeit, dessen räumlichen Geltungsbereich bzw. dessen Geltungsdauer zu beschränken, ist nicht genauso geeignet, die Ausreise des Antragstellers zu verhindern, wie eine Passentziehung. Dies folgt bereits daraus, dass eine räumliche Beschränkung es dem Passinhaber weiterhin erlauben würde, in die von der Beschränkung nicht erfassten Staaten einzureisen und von dort weiter in das eigentliche Zielgebiet zu gelangen. Hinsichtlich der räumlichen Beschränkung des Personalausweises ist bereits keine gleich geeignete und dennoch mildere Maßnahme erkennbar.
49Gegen die Angemessenheit der getroffenen Anordnungen ist ebenfalls nichts zu erinnern. Zwar wird durch die Entziehung des Reisepasses und die räumliche Beschränkung des Geltungsbereiches des Personalausweises des Klägers in dessen durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtlich abgesicherte Ausreisefreiheit eingegriffen. Jedoch überwiegt vorliegend das oben ausgeführte öffentliche Sicherheitsinteresse. Dem Schutz der damit betroffenen Rechtsgüter - insbesondere dem Schutz von Leib und Leben unbeteiligter Dritter vor terroristischen Anschlägen als international anerkanntem Schutzgut - kommt angesichts der ihnen nach Lage der Dinge drohenden Beeinträchtigungen ein die Klägerinteressen deutlich überwiegendes Gewicht zu. Dies gilt zumal der Kläger keine Gründe vorgetragen hat, die den Schluss rechtfertigen könnten, er müsse die Bundesrepublik Deutschland in absehbarer Zeit aus berechtigtem Anlass verlassen.
50Schließlich führt auch die fehlende zeitliche Befristung der Maßnahmen nicht zu deren Unverhältnismäßigkeit. Zunächst ist deren Wirkung aus der Natur der Sache heraus durch den Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses bzw. des Personalausweises – ersterer ist bis zum 30. März 2016 gültig, letzterer bis zum 31. Juli 2018 – bereits in zeitlicher Hinsicht limitiert. Insofern wird das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PassG spätestens im Falle der Neubeantragung des jeweiligen Dokumentes zu prüfen sein. Zudem steht es dem Kläger frei, im Falle einer Änderung seiner hier relevanten Lebensumstände bei der Beklagten einen Antrag auf Aufhebung der streitigen Verfügung oder auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu stellen.
51Die Beklagte hat auch das ihr in § 8 PassG bzw. in § 6 Abs. 7 PAuswG eingeräumte Ermessen rechtlich einwandfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO), indem sie alle zu berücksichtigenden Umstände in umfassender Weise in ihre Ermessensentscheidung eingestellt hat.
52Die in Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheides niedergelegte Verpflichtung des Klägers, seinen Reisepass unverzüglich den Bediensteten der Beklagten zu übergeben, ist ebenfalls rechtmäßig. Diese folgt im Falle der – wie hier – für sofort vollziehbar erklärten Passentziehung unmittelbar aus § 8 PassG.
53Vgl. Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Aufl., Stand: 1/2010, § 8 PassG Rn. 5,
54Entsprechendes gilt für die in Ziffer 6. verfügte Zwangsgeldandrohung. Insofern kann dahinstehen, ob sich die Zwangsgeldandrohung mit der Herausgabe des Reisepasses durch den Kläger an die Bediensteten der Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) nicht schon auf andere Weise erledigt hat, da die Zwangsgeldandrohung die ihr einzig innewohnende Steuerungsfunktion, nämlich den Willen des Adressaten zu beugen, nachträglich verloren hat. Unbeschadet dessen ist die Zwangsgeldandrohung nach den §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig (gewesen), so dass die erhobene Anfechtungsklage jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben kann und auch die Umdeutung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage ersichtlich nicht in Betracht kommt.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
56Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 23. Jan. 2015 - 12 K 2036/13
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Arnsberg Urteil, 23. Jan. 2015 - 12 K 2036/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Für Ausweisangelegenheiten in Deutschland sind die von den Ländern bestimmten Behörden zuständig (Personalausweisbehörden).
(2) Für Personalausweisangelegenheiten im Ausland ist das Auswärtige Amt mit den von ihm bestimmten Auslandsvertretungen zuständig (Personalausweisbehörde).
(3) Für die Einziehung nach § 29 Abs. 1 und die Sicherstellung nach § 29 Abs. 2 sind die Personalausweisbehörden, die Auslandsvertretungen und die zur hoheitlichen Identitätsfeststellung berechtigten Behörden zuständig.
(3a) Für das elektronisch beantragte Neusetzen der Geheimnummer sowie für die elektronische Beantragung des nachträglichen Einschaltens der Funktion zum elektronischen Identitätsnachweis ist der Ausweishersteller zuständig.
(3b) Für die Übermittlung von Daten nach § 5 Absatz 5a aus dem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises auf ein elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium in einem mobilen Endgerät nach § 10a Absatz 1 sowie für die Auskunft nach § 10a Absatz 5 ist der Ausweishersteller zuständig.
(4) Für die Erteilung und Aufhebung von Berechtigungen nach § 21 ist die Vergabestelle für Berechtigungszertifikate nach § 4 Abs. 3 zuständig. Für das Führen einer Sperrliste nach § 10 Abs. 4 Satz 1 ist der Sperrlistenbetreiber nach § 4 Abs. 3 zuständig.
(5) Für Diensteanbieter in Deutschland sind die für die Einhaltung der Vorgaben des Datenschutzes zuständigen Stellen zuständig. Haben Diensteanbieter ihren Wohn-, Geschäfts- oder Dienstsitz nicht in Deutschland, so ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde im Sinne des § 21 Absatz 4 Satz 3.
(1) In Deutschland ist die Personalausweisbehörde zuständig, in deren Bezirk die antragstellende Person oder der Ausweisinhaber für seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen für seine Hauptwohnung, meldepflichtig ist. Hat die antragstellende Person keine Wohnung, so ist die Personalausweisbehörde zuständig, in deren Bezirk sie sich vorübergehend aufhält.
(2) Im Ausland sind die vom Auswärtigen Amt bestimmten Auslandsvertretungen zuständig, in deren Bezirk sich die antragstellende Person oder der Ausweisinhaber gewöhnlich aufhält. Der Ausweisinhaber hat den Nachweis über den gewöhnlichen Aufenthaltsort zu erbringen.
(3) Für Binnenschiffer, die keine Wohnung in Deutschland haben, ist die Personalausweisbehörde am Heimatort des Binnenschiffes, für Seeleute, die keine Wohnung in Deutschland haben, die Personalausweisbehörde am Sitz des Reeders zuständig.
(4) Der Antrag auf Ausstellung eines Ausweises muss auch von einer örtlich nicht zuständigen Personalausweisbehörde bearbeitet werden, wenn ein wichtiger Grund dargelegt wird. Ein Ausweis darf nur mit Ermächtigung der örtlich zuständigen Personalausweisbehörde ausgestellt werden.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Tenor
Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 2467/13 VG Aachen gegen Nr. 1 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 wird wiederhergestellt und gegen Nrn. 2 und 5 angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller den Reisepass Nr. XXXXXXXXX zurückzugeben und das Bundespolizeipräsidium unverzüglich zu ersuchen, die Ausschreibung des Antragstellers im Geschützten Grenzfahndungsbestand und seiner Identitätsdokumente im nationalen Sachfahndungsbestand und im Schengener Informationssystem zu löschen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässig und begründet. Die Prüfung des Senats ist auf diejenigen Gründe beschränkt, die der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Diese fristgerecht dargelegten Gründe rechtfertigen und gebieten es, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22. August 2013 stattzugeben. Mit dieser Ordnungsverfügung hat sie dem Antragsteller den Reisepass entzogen (Nr. 1), den Geltungsbereich seines Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Nr. 2), die sofortige Vollziehung dieser beiden Maßnahmen angeordnet (Nr. 3) und ihm unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro aufgegeben, seinen Reisepass sofort nach Erhalt der Ordnungsverfügung bei ihr abzugeben (Nrn. 4 und 5). Die Vollziehungsanordnung in Nr. 3 geht ins Leere, soweit sie sich auf die Ausweisbeschränkung nach § 6 Abs. 7 PAuswG in Nr. 2 der Ordnungsverfügung bezieht, denn diese Maßnahme ist nach § 30 PAuswG schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Insoweit ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
3Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist begründet, weil das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Nach gegenwärtiger Aktenlage sind die Anordnungen in den Nrn. 1 und 2 der Ordnungsverfügung offensichtlich rechtswidrig und wird die Ordnungsverfügung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren 4 K 2467/13 VG Aachen keinen Bestand haben.
4Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 verfügte Passentziehung kommt nur § 8 PassG in Betracht. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn „Tatsachen bekanntwerden“, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt tatbestandlich voraus, dass „bestimmte Tatsachen“ die Annahme begründen, dass der Passinhaber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter dieser Voraussetzung kann die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 7 PAuswG auch die Ausweisbeschränkung in Nr. 2 der Ordnungsverfügung gegenüber dem Antragsteller anordnen. Im vorliegenden Fall ist die 3. Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG einschlägig (Gefährdung sonstiger erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland). Solche Belange gefährdet der Passinhaber insbesondere, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose rechtfertigen, er werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die geeignet sind, die auswärtigen Beziehungen oder unter besonderen Umständen auch das internationale Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen.
5BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2007 ‑ 6 C 39.06 ‑, BVerwGE 129, 142, juris, Rdn. 28 (G-8-Gipfel Genua); VGH Bad-Württ., Urteil vom 7. Dezember 2004 ‑ 1 S 2218/03 ‑, VBlBW 2005, 231, juris, Rdn. 21.
6Der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG setzt lediglich voraus, dass konkrete Tatsachen vorliegen, die die Begründetheit der behördlichen Gefahreneinschätzung nachvollziehbar rechtfertigen. Die Anknüpfungstatsachen für die Gefahrenprognose müssen nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind. Hingegen erfordert § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG keine eindeutigen Beweise für diese Gefahreneinschätzung. Ausreichend ist eine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose. Eine bloße Möglichkeit, eine reine Vermutung oder ein durch konkrete Tatsachen nicht belegbarer Verdacht genügen nicht, um eine konkrete Gefährdungslage im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu begründen.
7Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 14/2726 vom 18. Februar 2000, S. 6; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 59.10 ‑, juris, Rdn. 18; VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Oktober 2011 ‑ 5 B 164/11 ‑, juris, Rdn. 22; VG Aachen, Urteil vom 26. August 2009 ‑ 8 K 637/09 ‑, juris, Rdn. 46; entsprechend zur Passentziehung wegen Steuerflucht nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG OVG Bremen, Beschluss vom 25. Januar 2013 ‑ 1 B 297/12 ‑, NordÖR 2013, 217, juris, Rdn. 5.
8Hierin liegt eine Herabstufung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in Bezug auf die vorausgesetzte Gefährdung. Der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG liegt nicht erst dann vor, wenn der Betreffende Belange der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich gefährdet, sondern schon dann, wenn der begründete Verdacht einer solchen Gefährdung besteht. Diese Herabstufung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, der lediglich verlangt, dass Tatsachen „die Annahme“ einer Gefährdung im Sinne der Nr. 1 begründen, ohne dass die Gefährdung selbst vorliegen muss. Insofern führt der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu einer ähnlichen Vorverlagerung des Gefährdungsschutzes wie auch der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG im Rahmen der Einbürgerung.
9Dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003 ‑ 6 VR 10.02 ‑, juris, Rdn. 13 (Vereinsverbot); zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG: BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2011 ‑ 5 B 55.10 ‑, juris, Rdn. 3; Urteil vom 2. Dezember 2009 ‑ 5 C 24.08 ‑, BVerwGE 135, 302, juris, Rdn. 15, 18 (IGMG); Urteil vom 22. Februar 2007 ‑ 5 C 20.05 ‑, BVerwGE 128, 140, juris, Rdn. 19 f. (PKK-Selbsterklärung).
10In diesem herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab unterscheidet sich der Passversagungstatbestand in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG ebenso wie der Ausschlusstatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG von Vereinsverboten sowie von Behauptungen in einem Verfassungsschutzbericht, für die keine Verringerung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingreift. Bei diesen Maßnahmen ist eine Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs insbesondere nicht wegen des sachtypischen Beweisnotstandes gerechtfertigt, in dem sich die handelnde Behörde befindet, weil der Verfassungsschutz seine Erkenntnisquellen und Arbeitsweisen schützen, Vertraulichkeitszusagen an Informanten einhalten muss und deshalb oftmals die Vorlage seiner Akten nach § 99 VwGO verweigert. Denn eine solche Beweisregel ist weder in § 99 VwGO noch an anderer Stelle der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen.
11BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 ‑ 6 C 13.07 ‑, BVerwGE 131, 171, juris, Rdn. 25, 29 (VS-Bericht BW 2001); Urteil vom 3. Dezember 2004 ‑ 6 C 10.02 ‑, NVwZ 2005, 1435, juris, Rdn. 16 (Vereinsverbot).
12Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erstreckt sich die Herabstufung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die von dieser Vorschrift vorausgesetzte Gefährdung, nicht aber auch auf die einzelnen „bestimmten Tatsachen“ im Sinne dieses Eingriffstatbestandes. Für diese Indiztatsachen verbleibt es vielmehr bei dem Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Als ausschließlich auf diese Indiztatsachen bezogen versteht der Senat die Aussage der Vorinstanz, ein geheimhaltungsbedingter Beweisnotstand führe nicht zu einer Herabstufung des Regelbeweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsgewissheit nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (Seite 9 unten des Beschlussabdrucks).
13Bei einer Passentziehung wegen befürchteter Ausreise zur Teilnahme am bewaffneten Jihad kommen als Anknüpfungstatsachen vor allem konkrete Äußerungen des Passinhabers und seine Einbindung in einen Personenkreis von gewaltbereiten Islamisten sowie deren bisherige Aktivitäten und politische Ziele in Betracht (z. B. Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften, bei denen Koransuren mit zentralen Leitsätzen des militanten Jihad besprochen werden; Teilnahme an einem Ausbildungscamp für Terroristen im Ausland; missglückte Ausreiseversuche; Auffinden eines USB-Speichersticks mit demokratiefeindlichen digitalisierten Büchern; eigene Äußerungen des Passinhabers über einen konkret geplanten Grenzübertritt nach Syrien mit Sprengstoffübergabe).
14OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. März 2011 ‑ 5 S 22.10, 5 M 34.10 ‑, NVwZ-RR 2011, 500, juris, Rdn. 4, 6; VG Hamburg, Beschluss vom 23. November 2012 ‑ 2 E 2951/12 ‑, juris, Rdn. 18 ff.; VG Berlin, Urteil vom 6. März 2012, a. a. O., Rdn. 18; Urteil vom 6. März 2012 ‑ 23 K 58.10 ‑, juris, Rdn. 20; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2013 ‑ 18 B 866/13 ‑ (Ausreiseverbot nach § 46 Abs. 2 AufenthG).
15Im Fall des Antragstellers hat die Antragsgegnerin derartige nach Zeit, Ort und Inhalt konkretisierte Anknüpfungstatsachen noch nicht einmal im Sinne einer bloßen Behauptung benannt. Sie stützt ihre Maßnahme vielmehr lediglich auf die allgemein formulierte Befürchtung, er plane „zeitnah“ nach Syrien auszureisen, um sich dort „mutmaßlich dem bewaffneten ‚Jihad‘ anzuschließen bzw. terroristische Gruppierungen zu unterstützen“. Diese Befürchtung wiederum stützt sie ausschließlich auf die Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013, ihm lägen „glaubhafte Informationen aus zuverlässigen Quellen“ vor, welche diese Befürchtung angeblich „belegen“. Hierin liegt keine auf Tatsachen gestützte positive Gefahrenprognose, sondern lediglich die Äußerung einer bloßen Vermutung, welche weder die Antragsgegnerin noch das BfV durch konkrete belegbare Tatsachen untermauert hat. Eine solche Vermutung genügt nicht, um eine konkrete Gefahrenprognose im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG zu stützen.
16Das Behördenzeugnis des BfV ist auch nicht schon selbst als eigenständige Anknüpfungstatsache zu werten, die eine Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG rechtfertigen kann. Allein der Umstand, dass eine Verfassungsschutzbehörde eine bestimmte Gefahrenprognose anstellt, ist noch kein Indiz dafür, dass diese Gefahr tatsächlich besteht. Vielmehr unterliegt auch diese behördliche Gefahreinschätzung in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Für die gerichtliche Überzeugungsbildung über das Vorliegen des Passversagungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG können nur diejenigen Tatsachen ausschlaggebend sein, die der behördlichen Gefahreinschätzung zugrunde liegen. Ein Behördenzeugnis einer Verfassungsschutzbehörde, mit der diese ihre eigene Gefahrenprognose sowie gegebenenfalls die ihr zugrunde liegenden Feststellungen seiner Mitarbeiter oder Informanten wiedergibt, ist lediglich Erkenntnisquelle, also Beweismittel, nicht aber selbst Indiztatsache für die nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderliche Gefahrenprognose.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2004, a. a. O., Rdn. 16; VG Aachen, a. a. O., Rdn. 51, 55; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 24.
18In diesem Sinn tragfähige Indiztatsachen benennt auch das BfV in seinem Behördenzeugnis vom 1. August 2013 nicht. Dessen Inhalt erschöpft sich in der oben bereits zitierten Verdachtsbehauptung, die in jeder Hinsicht pauschal ist und durch keinerlei bestimmte Tatsachen gestützt wird, die eine gerichtliche Überprüfung ermöglichen. Auf welche „Informationen“ von nicht genannten Quellen das BfV die genannte Verdachtsbehauptung stützt, ergibt sich weder aus dem Behördenzeugnis noch aus den Begleitinformationen, mit denen die Kriminalpolizei B. dieses der Antragsgegnerin übermittelt hat. Ebenso wenig lässt sich dem sonstigen Akteninhalt entnehmen, auf welche konkreten Indiztatsachen die Antragsgegnerin die von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG vorausgesetzte Gefährdung sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland durch den Antragsteller stützt. Das gilt insbesondere auch für ihre nicht näher konkretisierte Behauptung in der Begründung zur angefochtenen Ordnungsverfügung, der Antragsteller besitze eine „radikalisierte Persönlichkeit“ und „fortgesetzte Kontakte in die islamistisch-jihadistische Szene“, weshalb „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen [sei], dass Sie versuchen werden, sich einer Haft durch Flucht zu entziehen“.
19Für eine solche bevorstehende oder beabsichtigte Inhaftierung des Antragstellers gibt es nach Aktenlage keinen Anhalt. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin die genannten personenbezogenen Aspekte dem Muster einer Passentziehungsverfügung entnommen hat, welches die Kriminalpolizei B. ihr mit dem Behördenzeugnis zur Verfügung gestellt hat. Für den Fall des Antragstellers wären sie dann ohne realen Hintergrund. Folgerichtig hat auch das Amtsgericht B. die beantragte Anordnung der Wohnungsdurchsuchung mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, der möglicherweise ernst zu nehmende Hintergrund entbinde die Ermittlungsbehörden nicht von ihrer rechtsstaatlichen Pflicht, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen zumindest ansatzweise im Sinne einer behördlichen Behauptung von Indiztatsachen zu konkretisieren (Beschluss vom 21. August 2013 ‑ 620 Gs 1184/13 ‑).
20Der Senat hat schon im Rahmen des vorliegenden Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob die Passbehörde hinreichend konkrete Tatsachen für den nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG erforderlichen Gefahrenverdacht zumindest im Sinne einer Behauptung benannt und gegebenenfalls glaubhaft gemacht hat. Er teilt nicht die Rechtsauffassung der Vorinstanz und anderer erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die eine Passentziehung in Eilverfahren schon allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer Offenlegung der maßgeblichen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse im Rahmen einer Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren bestätigt haben (S. 10 f. des Beschlussabdrucks).
21VG Aachen, Beschluss vom 14. April 2009 ‑ 8 L 164/09 ‑, NVwZ-RR 2009, 781, juris, Rdn. 28; VG Braunschweig, a. a. O., Rdn. 29 f.
22Vielmehr unterliegen auch behördliche Maßnahmen, welche auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgehen, in einem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO der gerichtlichen Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, soweit dies mit den beschränkten Mitteln des Eilverfahrens möglich ist.
23Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 2003, a. a. O., Rdn. 5 ff.
24Insbesondere ermöglicht auch das Eilverfahren dem Gericht die Prüfung, ob und mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die behaupteten Indiztatsachen, ihren Nachweis im Hauptsacheverfahren für den Fall eines Bestreitens unterstellt, den Schluss auf die für § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG maßgebliche Haupttatsache zulassen (Ausreise- und Gefährdungsabsicht gerade des Antragstellers). Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung von Indiztatsachen, hinsichtlich derer sich das Eilverfahren nicht maßgeblich vom Hauptsacheverfahren unterscheidet.
25Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall noch nicht einmal zu erwarten, das BfV werde die angefochtene Ordnungsverfügung im Hauptsacheverfahren wenigstens nachträglich mit den erforderlichen konkreten Indiztatsachen untermauern. Denn die Polizei hat mitgeteilt, dem Bundeskriminalamt lägen keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers erwarten ließen, trotz intensivster Bemühungen könne es keine weitergehenden Informationen im Sachzusammenhang mitteilen. Auch die Sicherheitskonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales hat angegeben, es lägen keine freigegebenen Informationen vor; eine Freigabe sei bei der jeweiligen Behörde im Einzelfall zu beantragen. Schließlich hat das Ministerium für Inneres und Kommunales unter dem 27. Januar 2014 die Auskunft des BfV wiedergegeben, ihm lägen aktuell keine belastbaren Informationen vor, die eine Ausreise des Antragstellers aus dem Bundesgebiet erwarten ließen, es halte an dem Behördenzeugnis „mit dem damaligen Stand“ fest; die dahinter stehenden Informationen könnten jedoch nicht weiter offen gelegt werden als sie bereits im Behördenzeugnis formuliert seien.
26Mit der Anordnung an die Antragsgegnerin, den Reisepass zurückzugeben und die Ausschreibung des Antragstellers zur Fahndung löschen zu lassen, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO Gebrauch, die bereits erfolgte Vollziehung der Entziehungsverfügung rückgängig zu machen.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).
(1) Personalausweise werden für eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren ausgestellt.
(2) Vor Ablauf der Gültigkeit eines Personalausweises kann ein neuer Personalausweis beantragt werden, wenn ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dargelegt wird.
(3) Bei Personen, die noch nicht 24 Jahre alt sind, beträgt die Gültigkeitsdauer des Personalausweises sechs Jahre.
(4) Die Gültigkeitsdauer eines vorläufigen Personalausweises ist unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks festzulegen; sie darf einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.
(4a) Die Gültigkeitsdauer des Ersatz-Personalausweises ist auf den Zeitraum zu beschränken, der für das Erreichen des Zweckes nach § 6a erforderlich ist; sie darf einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten.
(5) Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer ist nicht zulässig.
(6) Die Gültigkeitsdauer eines Ausweises darf in den Fällen des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den Zeitpunkt der Vollendung des 23. Lebensjahres des Inhabers so lange nicht überschreiten, bis die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt hat.
(7) Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 des Passgesetzes kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt.
(8) Anordnungen nach Absatz 7 dürfen im polizeilichen Grenzfahndungsbestand gespeichert werden.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.