Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 28. Sept. 2015 - 13 D 27/14

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2015:0928.13D27.14.00
28.09.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 90


Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 355/13
Verkündet am:
21. Mai 2014
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Anhörungsrügeverfahren (hier: § 44 FamFG) und das vorangegangene
Hauptsacheverfahren stellen ein einheitliches Gerichtsverfahren im Sinne von
§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG dar. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer
(§§ 198 ff GVG) ist auf das Anhörungsrügeverfahren unmittelbar
anzuwenden.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13 - OLG Dresden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anordnung des schriftlichen
Verfahrens mit einer Schriftsatzfrist bis zum 17. April 2014 durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Juli 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Anhörungsrügeverfahrens nach § 44 FamFG in Anspruch.
2
Der Kläger ist Vater zweier minderjähriger ehelicher Kinder. Nach rechtskräftiger Ehescheidung regelte das Familiengericht durch Beschluss vom 18. Oktober 2010 den Umgang des Klägers mit seinen Kindern und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Bestimmung des Schulbesuchs auf die Kindesmutter. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klä- gers wies das Oberlandesgericht nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 zurück. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Nach Zugang der schriftlichen Entscheidungsgründe Ende Oktober 2011 erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 7. November 2011 "Gehörsrüge nach § 44 FamFG", mit der er sein Beschwerdeziel weiterverfolgte. Zur Begründung führte er aus, das Beschwerdegericht habe seine Entscheidung "überbeschleunigt" und ihm keine Gelegenheit gegeben, sich angemessen mit dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen.
3
Der Vorsitzende des zuständigen Familiensenats verfügte am 14. November 2011 die Übersendung der Gehörsrüge an den Prozessbevollmächtigten der Kindesmutter zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Diese lag dem Senat am 5. Dezember 2011 vor. Nachdem der Kläger mit Schriftsätzen vom 5. und 23. Dezember 2011 eine zügige Entscheidung angemahnt und mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 die Sachbehandlung durch den Familiensenat als "skandalös" beanstandet hatte, wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 23. Juli 2012 zurück.
4
Mit seiner Entschädigungsklage hat der Kläger geltend gemacht, das Beschwerdegericht habe die Entscheidung über seine Gehörsrüge unangemessen verzögert. Der Beklagte schulde deshalb eine monatliche Entschädi- gung von 150 € (insgesamt 825 €).
5
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


7
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe wegen der behaupteten unangemessenen Dauer des Anhörungsrügeverfahrens schon deshalb kein Entschädigungsanspruch zu, weil der geltend gemachte Anspruch von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der § 198 ff GVG falle. Die Anhörungsrüge nach § 44 FamFG sei kein Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Das Hauptsacheverfahren sei durch den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 6. Oktober 2011 rechtskräftig abgeschlossen worden. Da die nachfolgende Anhörungsrüge lediglich die Möglichkeit einer justizinternen Selbstkorrektur und damit eine Durchbrechung der Rechtskraft ermöglicht habe, stelle sie auch entschädigungsrechtlich kein eigenständiges Gerichtsverfahren dar. Es komme hinzu, dass die formalen Anforderungen an die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs mit dem Ablauf des Anhörungsrügeverfahrens nicht in Einklang zu bringen seien. Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG müsse die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens erhoben werden. Diese Voraussetzung könne nicht erfüllt werden, da die Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht in Rechtskraft erwachse.

II.


9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts stellen das Anhörungsrügeverfahren nach § 44 FamFG und das vorangegangene Hauptsacheverfahren entschädigungsrechtlich ein einheitliches Gerichtsverfahren dar. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) ist auf das durch die Gehörsrüge eröffnete Rechtsbehelfsverfahren unmittelbar anzuwenden.
11
1. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn. Danach gilt der gesamte Zeitraum von der Einleitung eines Verfahrens in der ersten Instanz bis zur endgültigen rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren (BT-Drucks. 17/3802 S. 22), wobei das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff ausgeht. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 20 und vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, BeckRS 2014, 06851 Rn. 23).
12
a) Durch die Gehörsrüge nach § 44 FamFG, die darauf abzielt, eine neue Entscheidung in der Sache herbeizuführen und die Rechtskraft des angegriffenen Beschlusses zu beseitigen, wird kein selbständiges Verfahren eingeleitet.
Vielmehr ist das Rügeverfahren dem durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert. Es dient ausschließlich dem Zweck, das vorangegangene Verfahren auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu prüfen und führt bei begründeter Rüge zur Fortführung des ursprünglichen Verfahrens. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsmittel. Sie weist weder einen Suspensiv- noch einen Devolutiveffekt auf (Keidel/MeyerHolz , FamFG, 18. Aufl., § 44 Rn. 41, 58, 62; siehe auch Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 321a Rn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 321a Rn. 2, 15 ff). Das Anhörungsrügeverfahren ist nach alledem kein selbständiges Verfahren. Es wird dem Hauptsacheverfahren hinzugerechnet und ist somit Teil eines einheitlichen Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Kommt es (erstmals) im Anhörungsrügeverfahren zu einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten Verzögerung, entsteht kein isolierter Entschädigungsanspruch (anders Guckelberger, DÖV 2012, 289, 294; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 54). Vielmehr muss die Bearbeitungsdauer für die Gehörsrüge in die abschließende Betrachtung der Gesamtverfahrensdauer einbezogen werden. Denn Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, bewirken nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Erforderlich ist vielmehr eine abschließende Gesamtabwägung (siehe Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 40 ff; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 36 ff; vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 26 ff und vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 aaO Rn. 31 ff zu den maßgeblichen Abwägungskriterien).
13
b) Nach diesem Maßstab hätte das Oberlandesgericht die Anwendbarkeit der §§ 198 ff GVG auf die streitgegenständliche Gehörsrüge nicht ablehnen dürfen. Das familiengerichtliche Sorge- und Umgangsrechtsverfahren wurde durch unanfechtbaren Beschluss des Beschwerdegerichts (zunächst) rechtskräftig abgeschlossen (§ 70 Abs. 1, 2 FamFG). Die daraufhin vom Kläger erhobene Anhörungsrüge zielte darauf ab, das Ursprungsverfahren unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 FamFG fortzuführen und die Rechtskraft des Beschlusses vom 6. Oktober 2011 zu durchbrechen (vgl. Keidel/Meyer-Holz aaO § 44 Rn. 1, 53 ff, 62 f). Erst durch die Zurückweisung der Gehörsrüge mit Beschluss des Beschwerdegerichts vom 23. Juli 2012 wurde das Hauptsacheverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG endgültig rechtskräftig abgeschlossen (§ 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG). Das Oberlandesgericht hätte daher die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer prüfen müssen.
14
2. Für dieses Ergebnis spricht auch der Zweck der neuen Entschädigungsregelung. Durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer soll eine nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestehende Rechtsschutzlücke geschlossen und eine Regelung geschaffen werden, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13; BeckRS 2014, 08780 Rn. 25; siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S. 1, 15). Dementsprechend erfasst die Entschädigungsregelung sämtliche Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilverfahren, freiwillige Gerichtsbarkeit und Strafverfahren einschließlich Bußgeldverfahren) und auf Grund entsprechender Anwendung auch alle Verfahren der Fachgerichtsbarkeiten (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Mit diesem umfassenden Gesetzeszweck wäre es schlechthin unvereinbar, Anhörungsrügeverfahren von vornherein nicht als Gerichtsverfahren im Sinne § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG anzusehen (anders Vielmeier, NJW 2013, 346, 349, 350). Denn die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, kann allein schon dadurch verletzt werden, dass über eine singuläre Rechtsfrage, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs, in einem besonderen gesetzlichen Rechtsbehelfsverfahren verzögert entschieden wird und deshalb eine etwaige Rechtskraftdurchbrechung in der Schwebe bleibt.
15
3. Soweit § 198 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 GVG Mindestfristen enthalten, sind diese mit dem Ablauf eines Anhörungsrügeverfahrens ohne weiteres vereinbar.
16
a) Auch in diesem Fall gilt, dass die Verzögerungsrüge frühestens erhoben werden kann, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass über die Gehörsrüge nicht in angemessener Zeit entschieden wird. Maßgeblich ist, wann ein Betroffener erstmals Anhaltspunkte dafür hat, dass das Anhörungsrügeverfahren als solches keinen angemessen zügigen Fortgang nimmt (Ott aaO § 198 GVG Rn. 190). Es genügt grundsätzlich, dass die Verzögerungsrüge nach diesem Zeitpunkt im laufenden Anhörungsrügeverfahren erhoben wird (Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, BeckRS 2014, 08780 Rn. 31). Im vorangegangenen Verfahren bereits eingetretene Verzögerungen können allerdings durch eine erstmals im Rügeverfahren erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr geltend gemacht werden. Dies folgt schon daraus, dass Gegenstand des Anhörungsrügeverfahrens allein die behauptete Gehörsverletzung ist und für das Gericht keine Möglichkeit mehr besteht, das bereits beendete Hauptsacheverfahren noch zu beschleunigen (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 173 f, 191; Schenke , NVwZ 2012, 257, 261).

17
b) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der Verzögerungsrüge gerichtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden (BTDrucks. 17/3802 S. 22; Ott aaO § 198 GVG Rn. 245; Schenke aaO S. 263). Aus diesem Schutzzweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass eine Klage ausnahmsweise vor Fristablauf erhoben werden kann, wenn das betroffene Verfahren - was bei Anhörungsrügen regelmäßig der Fall sein wird - schon vor Fristablauf beendet wurde (s. auch Vielmeier aaO S. 348 mit Angaben zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von Anhörungsrügen). Ein Abwarten der Frist würde insofern keinen Sinn mehr machen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG teleologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der SechsMonats -Frist abgeschlossen wurde, bereits vom Moment des Verfahrensabschlusses an eine Entschädigungsklage zulässig ist (Ott aaO § 198 GVG Rn. 246; Schenke aaO).
18
c) § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normiert eine Klagefrist von sechs Monaten für die Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts hängt der Fristbeginn nicht davon ab, dass das Ausgangsverfahren rechtskräftig beziehungsweise mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung beendet wird. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut beginnt die Frist entweder mit der Rechtskraft der Entscheidung im Ausgangsverfahren oder "mit einer anderen Erledigung dieses Verfahrens". Dies bedeutet , dass im vorliegenden Fall die sechsmonatige Klagefrist mit der Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses vom 23. Juli 2012 in Gang gesetzt wurde.

III.


19
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht wird nunmehr erstmals zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1, 2 GVG vorliegen.
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter

Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 24.07.2013 - 19 SchH 16/12 EntV -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 228/13
Verkündet am:
17. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 198 Abs. 3 Satz 1; ÜGRG Art. 23 Satz 2

a) Die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge
betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit einer
Entschädigungsklage nach § 198 GVG.

b) Eine Verzögerungsrüge ist noch "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2
ÜGRG erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des
Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht eingegangen
ist (Anschluss an Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW
2014, 1967).
BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - OLG Rostock
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land im Wege der Feststellungs- und Leistungsklage auf Entschädigung für materielle und immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Zivilrechtsstreits in Anspruch.
2
Das Ausgangsverfahren betrifft einen Zivilprozess, der im Januar 2001 vor dem Landgericht S. eingeleitet wurde und Schadensersatzansprüche des Klägers wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung eines Vertrags zur Jungviehaufzucht zum Gegenstand hat. Hinsichtlich eines Betrags von 30.000 € erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erle- digt. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und mehrerer ergänzender Stellungnahmen erging am 21. April 2009 ein Teilurteil. Soweit das Landgericht darin auf Zahlung eines Betrags von rund 44.000 € an den Kläger erkannte, wurde das Urteil rechtskräftig. Im Übrigen wurde es durch Berufungsurteil des Oberlandesgerichts R. vom 1. Oktober 2009 aufgehoben. Im weiteren Verfahrensgang holte das Landgericht ein Obergutachten ein und verkündete schließlich am 23. März 2012 ein Schlussurteil, in dem es dem Kläger weitere 116.700 € zusprach. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es befindet sich derzeit im Berufungsrechtszug.
3
Mit Anwaltsschriftsatz vom 28. Dezember 2011, der am 30. Dezember 2011 beim Landgericht einging, erhob der Kläger eine Verzögerungsrüge unter Hinweis auf § 198 GVG. Bereits zuvor hatte er am 8. April 2004 und 16. Januar 2009 förmliche Untätigkeitsbeschwerden erhoben, die das Oberlandesgericht als unzulässig verwarf. Einen mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 gegenüber der Justizverwaltung geltend gemachten Anspruch auf immateriellen Scha- densersatz in Höhe von 10.000 € lehnte der Präsident des Landgerichts mit Bescheid vom 11. Mai 2011 ab. Die dagegen an das Justizministerium des beklagten Landes gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
4
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. April 2012, der am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht R. einging, reichte der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage ein, die dem Beklagten - nach verzögerter Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses durch den Kläger - erst am 9. August 2012 zugestellt wurde.
5
Der Kläger hat geltend gemacht, die streitgegenständliche Verfahrensdauer von inzwischen mehr als elf Jahren sei schon dem ersten Anschein nach nicht mehr angemessen. Der derzeit noch nicht bezifferbare materielle Schaden resultiere daraus, dass ihm während der Prozessdauer ein Betrag von nahezu 200.000 € vorenthalten worden sei. Wegen der erlittenen Existenzängste und des offenkundigen Desinteresses der Justiz an der Bearbeitung seiner Ansprüche sei eine Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von mindestens 50.000 € gerechtfertigt. Da er die Verfahrensdauer kontinuierlich beanstandet habe, komme es auf die am 30. Dezember 2011 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr an.
6
Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


8
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Entschädigungsklage sei unzulässig. Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf das seit Januar 2001 anhängige Ausgangsverfahren anwendbar. Die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG habe der Kläger zwar nicht einhalten müssen, weil das verzögerte erstinstanzliche Verfahren bei Erhebung der Entschädigungsklage am 23. April 2012 bereits abgeschlossen gewesen sei und die Verzögerungsrüge deshalb die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Funktion nicht mehr habe entfalten können. Der Kläger habe jedoch die Vorgabe des Art. 23 Satz 2 ÜGRG, wonach die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (am 3. Dezember 2011) zu erheben sei, nicht erfüllt. Die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei mehr als drei Wochen und sechs Tage nach diesem Zeitpunkt erhoben worden. Sie sei daher verspätet, da "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeute. Die in der Regel als Obergrenze anzunehmende Frist von zwei Wochen gelte auch im Streitfall. Die neue Entschädigungsregelung sei frühzeitig Gegenstand von Fachpublikationen gewesen. Der eindeutige Gesetzeswortlaut habe dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt sein müssen. Der Kläger sei daher zur Wahrung seiner Rechte gehalten gewesen, eine Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GV binnen zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben. Er könne sich auch nicht darauf berufen, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung mehrfach gerügt zu haben. Frühere Beanstandungen der Verfahrensdauer stünden einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht gleich.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
11
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts betrifft die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Entschädigungsklage.
12
Die am 30. Dezember 2011 beim Landgericht eingegangene Verzögerungsrüge ist "unverzüglich" nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) erhoben worden. Sie hat damit gemäß Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG Entschädigungsansprüche auch für den der Rüge vorausgehenden Zeitraum gewahrt.
13
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das im Januar 2001 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.
14
2. Anders als das Oberlandesgericht meint, hat das Fehlen einer Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG) oder die nicht unverzügliche Erhebung einer solchen Rüge (Art. 23 Satz 2 ÜGRG) nicht die Unzulässigkeit der Ent- schädigungsklage zur Folge. Vielmehr ist die Verzögerungsrüge als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs konzipiert und nicht als Zulässigkeitskriterium für dessen prozessuale Geltendmachung (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG normiert als zwingende Entschädigungsvoraussetzung , dass der Betroffene in dem Verfahren, für dessen Dauer er entschädigt werden möchte, eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Dabei handelt es sich um eine haftungsbegründende Obliegenheit (Senatsurteile vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/14, NJW 2014, 1967 Rn. 21; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 24 und BSG, NJW 2014, 253 Rn. 27). Wird die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben, hat dies zur Folge, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer bis zum Rügezeitpunkt materiell-rechtlich präkludiert sind (grundlegend Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO Rn. 27 ff). Die Zulässigkeit der Klage bleibt davon unberührt (vgl. BFHE aaO; BSG aaO).
15
3. Entgegen der Auffassung der Revision haben die förmlichen Untätigkeitsbeschwerden des Klägers vom 8. April 2004 und 16. Januar 2009 sowie sein Schadensersatzverlangen vom 22. Januar 2009 die Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht entbehrlich gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss in anhängigen, bereits verzögerten Verfahren die Verzögerungsrüge "unverzüglich nach Inkrafttreten" des Gesetzes erhoben werden. Allein dadurch wird der Entschädigungsanspruch rückwirkend in vollem Umfang gewahrt (Art. 23 Satz 3 ÜGRG; BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrügen erfüllen diese Voraussetzung nicht. Da sie keine präventive Warnfunktion im Sinne der §§ 198 ff GVG entfalten konnten, sind sie nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch zu begründen (BFHE aaO Rn. 25; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2010). Dementsprechend bestimmt Art. 23 Satz 4 ÜGRG, dass es einer Verzögerungsrüge dann nicht bedarf, wenn bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer - bei Inkrafttreten des Gesetzes - schon abgeschlossenen Instanz erfolgt ist (siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S. 31).
16
4. Dem Oberlandesgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass die Einhaltung der Wartefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG im Streitfall entbehrlich war. Allerdings hat das Gericht zugleich verkannt, dass die Entschädigungsklage nicht schon am 23. April 2012 (Fertigung der am 26. April beim Oberlandesgericht eingegangenen Klageschrift), sondern erst am 9. August 2012 (Zustellung der Klageschrift an den Beklagten) - mithin nicht vorzeitig - erhoben worden ist.
17
a) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der Verzögerungsrüge gerichtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13, BeckRS 2014, 12289 Rn. 17). Zugleich sollen die Entschädigungsgerichte vor verfrühten Entschädigungsklagen geschützt werden (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 245). Die Einhaltung der Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig. Es liegt kein heilbarer Mangel vor. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für die Einhaltung der Wartefrist allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Zudem könnte andernfalls die vorgenannte Schutzfunktion der Frist für die Entschädigungsgerichte unterlau- fen werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 152, 154; Ott aaO § 198 GVG Rn. 247, 250; anders Loytved, SGb 2014, 293, 295 f für den Fall, dass bei Klageerhebung bereits mehrere Monate seit der Verzögerungsrüge vergangen sind).
18
b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Entschädigungsklage ausnahmsweise vorzeitig erhoben werden, wenn das betroffene Verfahren schon vor Fristablauf beendet wurde. Ein Abwarten der Frist würde insofern im Hinblick auf den Zweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG keinen Sinn mehr machen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG teleologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist abgeschlossen wurde, bereits vom Moment des Verfahrensabschlusses an eine Entschädigungsklage zulässig ist (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 aaO Rn. 17). So liegt der Fall hier aber nicht.
19
Das Ausgangsverfahren ist noch nicht beendet, da das am 23. März 2012 verkündete Schlussurteil des Landgerichts mit der Berufung angefochten wurde. Vor dem Hintergrund des Zwecks des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG - das Ausgangsgericht soll genügend Zeit haben, das Verfahren zu fördern und in angemessener Zeit abzuschließen oder jedenfalls eine weitere Verzögerung zu vermeiden - besteht keine Veranlassung, auf das Fristerfordernis bereits dann zu verzichten, wenn lediglich die Instanz, auf deren Dauer das Entschädigungsverlangen gestützt wird und in der die Verzögerungsrüge erhoben wurde, vor Ablauf von sechs Monaten nach Rügeerhebung abgeschlossen wurde (so aber Marx aaO § 198 GVG Rn. 150 f). Das zunächst verzögerte Verfahren kann in einer höheren Instanz besonders zügig geführt werden, so dass die Wahrung der Sechs-Monats-Frist auch nach Abschluss einer Instanz sinnvoll ist. Sie gibt nämlich dem Rechtsmittelgericht Gelegenheit, eine in der Vorinstanz eingetretene Verzögerung zu kompensieren. Demgemäß muss das Entschädigungsgericht bei der abschließenden Würdigung nach § 198 Abs. 1 GVG das gesamte Verfahren in den Blick nehmen und prüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses ausgeglichen wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37; vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW 2014, 1967 Rn. 39). Es ist zudem nicht erkennbar, dass ein Zuwarten von wenigen Wochen oder Monaten bis zum Ablauf der Frist eine nennenswerte Einschränkung des Rechtsschutzes für den Entschädigungskläger darstellen würde (vgl. Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 166).
20
c) Der Kläger hat die sechsmonatige Wartefrist eingehalten. Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 222 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB (Marx aaO § 198 GVG Rn. 153; Ott aaO § 198 GVG Rn. 249). Für den Beginn der Frist war der Eingang der Verzögerungsrüge am 30. Dezember 2011 als Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB maßgebend. Die Frist endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 30. Juni 2012. Der Umstand, dass die Entschädigungsklage bereits am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht wurde, ist unschädlich. Vielmehr ist entscheidend , dass die Klage, nachdem der Kläger den Gerichtskostenvorschuss gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. KV Nr. 1212 erst am 7. August 2012 eingezahlt hatte, an das beklagte Land am 9. August 2012 zugestellt worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Wartefrist ist nach dem klaren Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht die Einreichung, sondern die Erhebung der Entschädigungsklage (Marx aaO Rdnr. 154). Letztere erfolgt nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, sobald die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG eingezahlt ist.
21
Eine Rückwirkung der Zustellung der Klageschrift nach § 167 ZPO kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht. Die Vorschrift soll den Zustellungsveranlasser vor den Nachteilen aus Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahren (vgl. nur Senatsurteil vom 6. März 2008 - III ZR 206/07, NJW 2008, 1674 Rn. 12 mwN), ihm aber nicht - umgekehrt - einen Nachteil zufügen. Aus diesem Grund besteht vorliegend auch keine Veranlassung zu prüfen, ob der Kläger alles Erforderliche unternommen hat, um eine zügige Zustellung zu gewährleisten.
22
5. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei nicht "unverzüglich" im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden, wird von der Revision zu Recht beanstandet. Diese Frage hat der Senat - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - mit Urteil vom 10. April 2014 (III ZR 335/13, NJW 2014, 1967) grundlegend dahin entschieden, dass eine Verzögerungsrüge noch "unverzüglich" erhoben ist, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht einging. Da die neue Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten ist, lag die Verzögerungsrüge noch innerhalb der dem Kläger eingeräumten Zeitspanne.
23
Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig , aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge "unverzüglich" erhoben werden.
24
Da das Oberlandesgericht zu dem bestrittenen Vorbringen des Klägers, das Ausgangsverfahren hätte bei angemessener Verfahrensförderung innerhalb eines Jahres vollständig abgeschlossen werden können, keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass das Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§ 198 ff GVG bereits erheblich verzögert war.
25
"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).
26
Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können , ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO 25 mwN). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Der Senat hat deshalb eine Drei-Monats-Frist für erforderlich gehalten, um den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes zu entsprechen und den Betroffenen in allen Fällen ausreichend Zeit für die Prüfung zu geben, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist (Senatsurteil aaO; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 31 ff; Loytved, SGb 2014, 293, 295).

III.


27
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht wird nunmehr erstmals zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1, 2 GVG vorliegen.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Rostock, Entscheidung vom 22.05.2013 - 1 SchH 2/12 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

2

Gegenstand des Ausgangsverfahrens, dessen Überlänge die Kläger rügen, war die Kürzung einer Wohnungsbauförderung. Den Klägern waren Fördermittel in Form eines zinsverbilligten Darlehens für den Erwerb von Wohneigentum zur Selbstnutzung bzw. Überlassung an Familienangehörige bewilligt worden. Die beklagte Bank widerrief später zum Teil die gegenüber den Klägern erlassenen Bewilligungsbescheide wegen Verstoßes gegen die Zweckbestimmung, nachdem sie erfahren hatte, dass die Kläger - nach ihren Angaben wegen nicht mehr hinnehmbaren Nachbarschaftsstreitigkeiten - ein Hausgrundstück erworben und die zuvor selbst genutzte Eigentumswohnung an eine Mieterin ohne Berechtigungsbescheinigung des Wohnungsamtes vermietet hatten. Hierdurch entstanden den Klägern Mehrkosten für höhere Zinsen in Höhe von 6 800 €.

3

Die Kläger erhoben gegen die Aufhebung der beiden Teilwiderrufsbescheide am 28. November 2007 Klage. Diese wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. September 2008 zurück.

4

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. September 2008 zugestellte Urteil beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 die Zulassung der Berufung. Die Antragsbegründung wurde am 17. November 2008 beim Oberverwaltungsgericht eingereicht. Die Kläger rügten die Übertragung auf den Einzelrichter als verfahrensfehlerhaft und machten ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung geltend. Mit gerichtlicher Verfügung vom selben Tag wurde die beklagte Bank zur Stellungnahme binnen einer Frist von sechs Wochen aufgefordert. Die Stellungnahme ging beim Oberverwaltungsgericht am 3. Dezember 2008 ein. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2009 teilten die Prozessbevollmächtigten der Kläger ihre neue Anschrift mit. Eine Abschrift dieses Schriftsatzes wurde der Gegenseite aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 5. Januar 2010 übersandt. Mit Beschluss vom 29. August 2011 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.

5

Am 24. Januar 2012 forderten die Kläger die Senatsverwaltung für Finanzen auf, ihnen wegen der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens bis zum 14. Februar 2012 jeweils einen Betrag von 1 200 € zu zahlen. Für die außergerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs wurde ihnen ein Betrag von 330,34 € in Rechnung gestellt.

6

Am 28. Februar 2012 haben die Kläger beim Oberverwaltungsgericht Klage erhoben und jeweils die Gewährung einer angemessenen Entschädigung für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, hilfsweise für den durch die überlange Verfahrensdauer des Rechtsstreits bei dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht erlittenen immateriellen Nachteil, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. seit dem 15. Februar 2012 sowie die Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 330,34 € begehrt. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen ausgeführt, das Berufungszulassungsverfahren habe mit etwa drei Jahren unangemessen lang gedauert. Es habe sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt ohne schwerwiegende rechtliche Probleme gehandelt. Das Oberverwaltungsgericht habe das Verfahren seit der Begründung des Zulassungsantrags nicht gefördert. Die andauernde Überlastung des zuständigen Senats des Oberverwaltungsgerichts, die dort vorhandenen Rückstände und die allgemein angespannte Personalsituation könnten die Verfahrensdauer nicht rechtfertigen. Die Beteiligten hätten das Berufungszulassungsverfahren in keiner Weise verzögert. Für sie, die Kläger, sei es von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen, ob ihnen der im Berufungszulassungsverfahren streitige Betrag von 6 800 € zur Verfügung stehe oder nicht. Sie lebten in angespannten finanziellen Verhältnissen. Der besagte Betrag stelle für sie eine erhebliche finanzielle Ent- bzw. Belastung dar. Aufgrund der über den Verfahrensausgang herrschenden Unsicherheit seien sie in ihrer finanziellen Planung stark eingeschränkt gewesen. Eine geordnete Lebensplanung sei ihnen erschwert worden. Die Belastungen hätten sich insbesondere für die Klägerin zu 1 auch psychisch ausgewirkt. Die Feststellung, dass das Berufungsverfahren unangemessen lang gedauert habe, sei nicht ausreichend. Die Entschädigungshöhe werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, wobei ein Betrag von 1 200 € je Kläger als angemessen erachtet werde. Da sich der Beklagte seit dem 15. Februar 2012 in Verzug befinde, sei der Entschädigungsbetrag ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch der Sache nach um einen Schadensersatzanspruch handele, stehe ihnen auch ein Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten zu.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Soweit mit ihr eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Berufungszulassungsverfahrens geltend gemacht werde, habe sie schon deshalb keinen Erfolg, weil die Kläger ihr Entschädigungsbegehren nicht auf einen Verfahrenszug beschränken könnten, wenn das Gerichtsverfahren - wie hier - über zwei Instanzen geführt worden sei. Der Entschädigungsanspruch sei vielmehr von der Angemessenheit der Gesamtverfahrensdauer abhängig zu machen. Soweit sich das Entschädigungsbegehren auf beide Verfahrenszüge beziehe, sei die Gesamtdauer des Verfahrens im Sinne des § 198 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - noch nicht unangemessen gewesen. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richte sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den dort genannten Kriterien. Angesichts dessen sei es nicht möglich, abstrakte Angaben zu einer "Höchstdauer" als Grenze der Angemessenheit zu machen. Bei Anwendung des Maßstabes des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sei zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig gewesen sei. Auch im Berufungszulassungsverfahren seien keine überdurchschnittlich schwierigen Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen worden. Der Zulassungsantrag sei zwar ausführlich begründet worden. Er habe aber in zulassungs- bzw. materiellrechtlicher Hinsicht keine erhöhten Anforderungen gestellt, wie die Rüge der fehlenden Anhörung vor der Übertragung auf den Einzelrichter beispielhaft belege. Das Verfahren habe aus den im Einzelnen dargelegten Gründen für die Kläger auch keine besondere Bedeutung aufgewiesen. Ebenso seien von der Gesamtdauer keine Zeiten im Hinblick auf das Verhalten der Kläger abzuziehen. Unter Berücksichtigung aller angeführten Umstände, vor allem im Hinblick auf die geringe Bedeutung der Sache und die zügige erstinstanzliche Entscheidung, sei die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten für zwei Instanzen noch nicht unangemessen. Da kein Anspruch auf Entschädigung bestehe, könnten die Kläger auch keine Zinsen verlangen, die ohnehin erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden könnten. Aus demselben Grund könnten auch keine vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten beansprucht werden. Abgesehen davon stellten diese auch keinen materiellen Schaden im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG dar, weil die vorprozessuale Geltendmachung allein auf dem Entschluss der Kläger beruhe und gesetzlich nicht vorgeschrieben sei.

8

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Entschädigungsbegehren weiter. Sie rügen eine Verletzung des § 198 Abs. 1 GVG.

9

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Kläger hat Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Kläger sind entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts prozessrechtlich nicht gehindert, die Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens auf das Berufungszulassungsverfahren zu beschränken (1.). Das angefochtene Urteil beruht aber auf einer fehlerhaften Anwendung des § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Juli 2013 (BGBl I S. 1938). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren (2.). Dem ausschließlich im Zusammenhang mit der Entschädigung des immateriellen Nachteils geltend gemachten Zinsanspruch ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit stattzugeben (3.).

11

1. Die Begrenzung der Entschädigungsklage im Hauptantrag auf den Ausgleich des den Klägern jeweils infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens entstandenen Nachteils ist prozessrechtlich zulässig. Sie entspricht der Dispositionsbefugnis der Kläger als Rechtsmittelführer (vgl. § 88 VwGO) und trägt dem Umstand Rechnung, dass sie sich insoweit allein durch die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens beschwert sehen. Allgemein kann ein Rechtsmittel auf einen von mehreren selbständigen Streitgegenständen einer Klage oder auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränkt werden, wenn dieser Teil vom Gesamtstreitstoff abteilbar ist und materiellrechtliche Gründe einer gesonderten Entscheidung darüber nicht entgegenstehen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 60 m.w.N.). Das ist hier der Fall.

12

Die Beschränkung des Anspruchs auf Ausgleich des Nachteils auf einen Verfahrenszug - hier das Berufungszulassungsverfahren - stellt einen abtrennbaren Teil des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines über mehrere Instanzen geführten Gerichtsverfahrens dar. Die Frage nach der prozessrechtlichen Zulässigkeit eines derart begrenzten Klageantrags ist zu trennen von der Frage nach seinem materiellrechtlichen Bezugsrahmen. Bezugsrahmen eines Entschädigungsanspruchs, der allein bezüglich der Dauer des Verfahrens in einer von mehreren Instanzen geltend gemacht wird, ist das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit. Ob sich die Verfahrensdauer in einer von mehreren Instanzen als angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG darstellt, ist materiellrechtlich unter Berücksichtigung der Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens von dessen Einleitung in der ersten Instanz bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss in der letzten Instanz zu ermitteln (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 16 f. und 61). Das materielle Recht steht aber der Zuerkennung einer Entschädigung für den (nur) durch die unangemessene Dauer des Verfahrens in einer Instanz erlittenen Nachteil nicht entgegen. Denn auch um dies feststellen zu können, ist grundsätzlich die materiellrechtliche Voraussetzung zu prüfen, ob - mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer - durch die zügige Behandlung der Sache in einer Instanz eine etwaige Überlänge in einer anderen (vorangegangenen oder nachfolgenden) Instanz ganz oder teilweise kompensiert werden kann.

13

Für die Zulässigkeit, den Entschädigungsantrag auf eine Instanz beschränken zu können, spricht ferner, dass die Klage auf Entschädigung schon während des noch laufenden Ausgangsverfahrens erhoben werden kann (vgl. § 198 Abs. 5, § 201 Abs. 3 GVG). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auch Konstellationen denkbar sind, in denen eine unangemessene und irreparable Verzögerung feststellbar ist und in denen daher über die Kompensation für schon eingetretene Nachteile entschieden werden kann, obwohl das Ausgangsverfahren noch nicht beendet ist. Dass es das Gesetz zulässt, verschiedene Verfahrensstufen unterschiedlich in den Blick zu nehmen, zeigt sich auch daran, dass die Verzögerungsrüge erneut erhoben werden muss, wenn die Sache bei einem anderen Gericht anhängig wird und es dort nochmals zu einer weiteren unangemessenen Verzögerung kommt (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 5 GVG) sowie daran, dass bei einem bis zum Bundesverwaltungsgericht geführten Verwaltungsrechtsstreit verschiedene Rechtsträger - nämlich zum einen das jeweilige Land und zum anderen der Bund (§ 201 Abs. 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO) - für die in ihrem Bereich zu verantwortenden Verfahrensverzögerungen in Anspruch genommen werden können (vgl. so auch für die Begrenzung des Feststellungsantrags auf die Verfahrensdauer einer Instanz Urteil vom 11. Juli 2013 a.a.O. Rn. 60 f.).

14

2. Die Kläger haben jeweils einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 2 400 €, weil das Berufungszulassungsverfahren eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren aufweist (a). Des Weiteren können sie - als Gesamtgläubiger - die Entschädigung des ihnen durch diese Verzögerung entstandenen materiellen Nachteils in Höhe von 330,34 € verlangen (b).

15

a) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Diese Regelungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen.

16

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Materiellrechtlicher Bezugsrahmen des von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist - wie dargelegt - das gesamte hier abgeschlossene gerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar von der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht am 28. November 2007 bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss durch den die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2011. Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens war auch mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (aa). Hierdurch haben die Kläger jeweils einen nicht auf andere Weise wiedergutzumachenden immateriellen Nachteil erlitten (bb), wofür ihnen jeweils eine Entschädigung in Höhe von 2 400 € zu zahlen ist (cc).

17

aa) Die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht war bei der gebotenen Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Gesamtverfahrensdauer im Umfang von zwei Jahren unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

18

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Die Aufzählung in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nicht abschließend. Dementsprechend ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 , Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 26, 37 und 42 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 18, 29 und 34; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 <3631 f.>).

19

Das Oberverwaltungsgericht hat sich in Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu Recht (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 28 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 20 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O. <3631 f.>) nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Es hat auch die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannten Kriterien der Einzelfallprüfung richtig erfasst ((1)). Dem Oberverwaltungsgericht ist allerdings ein Rechtsanwendungs- bzw. Subsumtionsfehler unterlaufen, weil die festgestellten Tatsachen nicht den im Rahmen der Gesamtabwägung vorgenommenen Schluss tragen (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <205> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 24), die Gesamtverfahrensdauer von drei Jahren und rund neun Monaten sei noch nicht unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Bei rechtlich zutreffender Abwägung ergibt sich vielmehr die Unangemessenheit der Verfahrensdauer und eine maßgebliche Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren ((2)).

20

(1) Die tatsächliche Würdigung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts ist im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens ((a)), seiner Bedeutung für die Kläger ((b)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((c)) nicht zu beanstanden.

21

(a) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung seiner insoweit getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Berufungszulassungsverfahren einen allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufgewiesen hat. Dies wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Entscheidung über den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) war im konkreten Fall eher einfach gelagert. Welche Anforderungen an diesen Zulassungsgrund zu stellen sind, hängt im Wesentlichen von der Beschaffenheit der in dem angefochtenen Urteil entschiedenen Fragen ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die sich in Bezug auf den Widerruf der Bewilligungsbescheide in formeller und materieller Hinsicht stellenden Rechtsfragen zu Recht als Standardprobleme eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesehen. Es hat ferner festgestellt, dass der Vortrag der Kläger übersichtlich und eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen ist. Dafür, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allenfalls durchschnittlich schwierigen Fall gehandelt hat, spricht zudem die Übertragung der Sache vom Verwaltungsgericht auf den Einzelrichter (§ 6 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Auch die von den Klägern im Berufungszulassungsverfahren erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Zusammenhang mit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter stellt sich als eine einfach zu beantwortende verfahrensrechtliche Frage dar.

22

(b) Des Weiteren ist die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, das Ausgangverfahren und damit der Sache nach auch das Berufungszulassungsverfahren hätten für die Kläger keine besondere Bedeutung aufgewiesen, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) im konkreten Fall nicht die vom Oberverwaltungsgericht angenommene relativierende Wirkung für die Bedeutung der Sache beizumessen. Denn die aufschiebende Wirkung endete gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Allerdings sind dem angefochtenen Urteil keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf eine erhebliche Bedeutung der Sache für die Kläger schließen lassen. Nach der tatrichterlichen Bewertung ihres Vorbringens haben die Kläger nicht dargelegt, dass die (moderat) erhöhten Zinsen von ihnen nicht hätten gezahlt werden können oder die Mieteinnahmen der geförderten Wohnung nicht ausgereicht hätten, um die erhöhten Zinsen zu decken. Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Kläger nach dem Kauf eines Hauses in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen gewesen sind oder sonst eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für sie vorgelegen hat.

23

Die Würdigung des klägerischen Tatsachenvortrags durch das Oberverwaltungsgericht ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt (vgl. Urteil vom 14. März 2013 - BVerwG 5 C 10.12 - NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 14). Dem Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, dass dem Oberverwaltungsgericht ein derartiger Fehler unterlaufen ist. Hierfür ist auch ansonsten kein Anhaltspunkt ersichtlich. Entsprechendes gilt, soweit das Oberverwaltungsgericht in Würdigung des Vortrags der Kläger auch eine besondere psychische Belastung der Kläger, insbesondere der Klägerin zu 1, durch das Verfahren auf Aufhebung der Teilwiderrufe der ihnen bewilligten Wohnungsbauförderung nicht zu bejahen vermochte. Schließlich liegt hier auch keine Fallgruppe vor, für welche die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte regelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffenen annimmt, wie etwa bei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Gesundheit, Rechtsstreitigkeiten um die finanzielle Versorgung (Renten- oder Arbeitssachen) oder Statussachen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 - Nr. 75529/01, Sürmeli/Deutschland - NJW 2006, 2389 Rn. 133 sowie den Überblick und die Nachweise bei Wittling-Vogel/Ulick, DRiZ 2008, 87 <88>).

24

(c) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht aus den von ihm festgestellten Tatsachen den Schluss gezogen, dass die Kläger durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens bewirkt haben. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die Kläger mit keiner Verfahrenshandlung säumig gewesen. Soweit sie die gesetzliche Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ausgeschöpft haben, ist das Oberverwaltungsgerichts zu Recht davon ausgegangen, dass ihnen dies nicht als Verursachung einer Verfahrensverzögerung zugerechnet werden kann. Denn ein Rechtsmittelführer darf die gesetzlichen Fristen grundsätzlich voll ausschöpfen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 1987 - BVerwG 3 B 28.87 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 154 S. 6), ohne dass ihm dies auch mit Blick auf § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zum Nachteil gereicht.

25

(2) Die in dem angefochtenen Urteil auch zur Verfahrensführung des Oberverwaltungsgerichts getroffenen Feststellungen schließen es aus, die Verfahrensdauer noch als angemessen anzusehen. Vielmehr ergibt eine Beurteilung am Maßstab des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, dass bei der Führung des Berufungszulassungsverfahrens Verzögerungen eingetreten sind, die auch bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums eine unangemessene Verfahrensdauer bewirkt haben (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 37 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 29 ff.). Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergibt sich, dass das Berufungszulassungsverfahren im Zeitraum vom 3. Mai 2009 bis zum 29. August 2011, d.h. zwei Jahre und rund vier Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert worden ist.

26

Aus den Feststellungen zur Chronologie des Berufungszulassungsverfahrens ist wertend zu folgern, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung mit Eingang der Stellungnahme der beklagten Bank am 3. Dezember 2008 entscheidungsreif war. Denn der Berufungszulassungsantrag ist damit in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufbereitet gewesen und den Beteiligten ist in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 36 und 51). Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ergibt sich des Weiteren, dass das Oberverwaltungsgericht in der Folgezeit bis zur Sachentscheidung keine weitere Handlung vorgenommen hat, um die Erledigung des Berufungszulassungsverfahrens zu fördern. Insbesondere die am 5. Januar 2010 verfügte Übersendung eines Schriftsatzes an die beklagte Bank, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger die neue Anschrift seiner Kanzlei mitteilte, stellte keine derartige Handlung dar.

27

Im vorliegenden Einzelfall erscheint es angemessen, dem Oberverwaltungsgericht für das konkrete Berufungszulassungsverfahren ab Entscheidungsreife einen Zeitraum von fünf Monaten für seine Entscheidung über den Zulassungsantrag zuzugestehen mit der Folge, dass die bis zum 3. Mai 2009 eingetretene Verfahrensverzögerung als sachlich gerechtfertigt anzusehen und nicht dem beklagten Land zuzurechnen ist.

28

Der zugestandene Zeitraum trägt dem Umstand Rechnung, dass - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. Er berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer Ex-ante-Sicht einschätzen durften. Hingegen ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 41 ff. und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 33 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12- NJW 2013, 3630 <3632>).

29

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe hätte das Oberverwaltungsgericht über das in Rede stehende Verfahren auf Zulassung der Berufung angesichts der eher einfach gelagerten Fragen, die zu beantworten waren, fünf Monate nach Eintritt der Entscheidungsreife entscheiden müssen, um den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer zu genügen.

30

Die sich danach errechnende sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens im Umfang von zwei Jahren und rund vier Monaten ist im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung mit Blick auf das zügige erstinstanzliche Verfahren um rund vier Monate zu reduzieren. Denn das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit etwa vier Monate früher erledigt, als es dies bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums hätte tun müssen, um das Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 GVG in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

31

Die am 28. November 2007 erhobene Klage war am 6. Mai 2008 entscheidungsreif. Zu diesem Zeitpunkt lagen Klagebegründung, Klageerwiderung, Replik der Kläger und Duplik der beklagten Bank vor. Dem Verwaltungsgericht ist im konkreten Fall für seine Entscheidung mit Rücksicht auf den gerichtlichen Spielraum bei der Verfahrensgestaltung ein Zeitraum von acht Monaten ab Entscheidungsreife zuzugestehen. Bei der Bemessung dieses Zeitraums ist in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem erstinstanzlichen Verfahren um ein Hauptsacheverfahren gehandelt hat. Zudem ist über die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden gewesen (vgl. § 101 Abs. 1 VwGO). Allerdings ist das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht - wie dargelegt - nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts allenfalls durchschnittlich schwierig gewesen. Ferner ist der Zeitspanne von über fünf Monaten bis zum Eintritt der Entscheidungsreife des erstinstanzlichen Verfahrens Rechnung zu tragen. Denn die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen = NJW 2014, 96 Rn. 39 und - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 31, jeweils mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 a.a.O.). Je größer der zeitliche Abstand von der Einleitung bis zur Entscheidungsreife des Verfahrens ist, desto stärker ist das Gericht gehalten, anschließend auf eine zügige Erledigung der Sache hinzuwirken. Nach alledem wäre die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht noch angemessen gewesen, wenn es die Ende November 2007 eingegangene Sache nach dreizehn Monaten abgeschlossen hätte. Das Verwaltungsgericht hat aber über die Klage mit Urteil vom 5. September 2008 entschieden und das erstinstanzliche Verfahren somit rund vier Monate vor Ablauf des hier anzunehmenden Gestaltungszeitraums zum Abschluss gebracht. Dieser Zeitraum ist auf die Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens mindernd anzurechnen.

32

bb) Die Kläger haben infolge der unangemessenen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens von zwei Jahren jeweils einen immateriellen Nachteil erlitten ((1)), der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann ((2)).

33

(1) Dass die Kläger Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten haben, ergibt sich aus § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier das Berufungszulassungsverfahren - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier weder bezüglich der Klägerin zu 1 noch des Klägers zu 2 widerlegt.

34

(2) Entschädigung für Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 57 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 48, jeweils m.w.N.).

35

Eine schlichte Feststellungsentscheidung ist hier mit Blick auf den Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad allenfalls durchschnittlich gelagerten Berufungszulassungsverfahrens nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für die Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß, vermag das Gewicht des durch die Verzögerung von zwei Jahren bedingten immateriellen Nachteils nicht entscheidend zu mindern.

36

cc) Den Klägern ist für den erlittenen immateriellen Nachteil jeweils ein Entschädigungsbetrag von 2 400 € zu zahlen. Eine Minderung dieses Betrages, weil zwei Personen auf Klägerseite auftreten, ist hier nicht gerechtfertigt.

37

Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies legt bereits der Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nahe. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge der unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erlitten hat. Es finden sich dort keine Hinweise dafür, dass mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite hinsichtlich eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, als eine (Personen-)Einheit zu behandeln sind. Gleiches gilt für die Legaldefinition des Verfahrensbeteiligten in § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG, nach der jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger der öffentlichen Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind, Verfahrensbeteiligter ist. Die den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Entstehungsgeschichte (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 1 und 15) und Zweckbestimmung des § 198 Abs. 1 GVG (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18) bestätigen diesen Befund. Der innerstaatliche Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren in Form des Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 GVG stellt sich danach als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 23.12 D - a.a.O. Rn. 38 und - BVerwG 5 C 27.12 D - a.a.O. Rn. 30, jeweils m.w.N.). Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist.

38

Die Bemessung des jeweiligen immateriellen Nachteils richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist. Es kann offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es aus Billigkeitserwägungen geboten sein kann, bei mehreren Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite einen niedrigeren Entschädigungsbetrag als den Regelbetrag für jedes Jahr festzusetzen (vgl. hierzu z.B. EGMR, Urteil vom 15. Februar 2008 - Nr. 38311/02, Kakamoukas u.a./Griechenland - NJW 2009, 655 <656 f.>). Denn bei einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden besteht kein Anlass für eine derartige Billigkeitsentscheidung. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts geben auch im Übrigen keine Veranlassung, vom Pauschalbetrag abzuweichen.

39

b) Den Klägern steht als Gesamtgläubigern für den durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 330,34 € zu.

40

Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen gebietet, (auch) für einen materiellen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Die notwendigen Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs stellen - entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts - eine Vermögenseinbuße und damit einen materiellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19). Diese Kosten sind auch durch die nicht gerechtfertigte Verzögerung des Berufungszulassungsverfahrens verursacht worden. Die Verzögerung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die den Klägern in Rechnung gestellten Anwaltskosten für die vorprozessuale Verfolgung des Entschädigungsanspruchs entfielen. Die Kosten sind adäquate Folge der unangemessenen Verfahrensdauer. Zwar besteht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - keine gesetzliche Pflicht, den Entschädigungsanspruch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger außergerichtlich geltend zu machen. Die Verfahrensbeteiligten sind aber nach allgemeinen Grundsätzen berechtigt, dies zu tun (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 22).

41

Die Entschädigung für materielle Nachteile ist kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -. Sie stellt vielmehr in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen dar. Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013 - BVerwG 5 C 27.12 D - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 54 m.w.N.). Die Vermögenseinbuße der Kläger beläuft sich hier auf die in Rechnung gestellten 330,34 €, für die sie gegenüber ihrem Rechtsanwalt gesamtschuldnerisch gehaftet haben.

42

3. Der ausschließlich hinsichtlich der Entschädigung des immateriellen Nachteils jeweils geltend gemachte Zinsanspruch der Kläger ist auf die Prozesszinsen zu beschränken.

43

a) Die Kläger können keine Verzugszinsen seit dem 15. Februar 2012, dem Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist, die sie der Senatsverwaltung für Finanzen gesetzt haben, beanspruchen.

44

Ein Anspruch auf Verzugszinsen in analoger Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, d.h. um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Denn insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen (vgl. Urteile vom 30. Juni 2011 - BVerwG 3 C 30.10 - Buchholz 428.2 § 8 VZOG Nr. 13 Rn. 20 und vom 12. Juni 2002 - BVerwG 9 C 6.01 - BVerwGE 116, 312 <323> = Buchholz 407.2 § 13 EKrG Nr. 3 S. 27, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG als gesetzlicher Anspruch nicht.

45

In allen anderen Fällen können Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage gefordert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet (vgl. z.B. Urteile vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 = Buchholz 237.4 § 76 HmbBG Nr. 3, jeweils Rn. 46 und vom 12. Juni 2002 a.a.O., jeweils m.w.N.). In Bezug auf den Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung über die Zahlung von Verzugszinsen.

46

b) Der für den immateriellen Nachteil zuerkannte Entschädigungsbetrag ist jeweils ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht - so wie hier die §§ 198 ff. GVG - keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist (vgl. Urteile vom 26. Juli 2012 a.a.O., jeweils Rn. 47 und vom 12. Juni 2002 a.a.O. <325> bzw. S. 28, jeweils m.w.N.).

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Im Ausgangsverfahren, dessen Überlänge der Kläger rügt, stand der Anspruch auf Förderung seiner ganztägigen Betreuung in einer Kindestageseinrichtung für August und September 2008 im Streit. Die Mutter des Klägers befand sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 12. Juli 2008 bis zum 6. September 2008 in Mutterschutz, anschließend in Elternzeit. Mit Rücksicht darauf hatte die Stadt Neubrandenburg die ursprünglich bewilligte Ganztagsförderung mit Wirkung zum 1. August 2008 aufgehoben und dem Kläger für die Monate August und September 2008 nur noch einen Anspruch auf Teilzeitförderung zuerkannt. Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 21. Dezember 2008 beim Verwaltungsgericht erhobenen Klage verfolgte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, den Anspruch auf Ganztagsförderung weiter. Die Differenz zwischen dem Elternbeitrag und der Verpflegungspauschale für die beanspruchte Ganztags- und die bewilligte Teilzeitbetreuung in den streitgegenständlichen Monaten belief sich nach seinen Angaben auf 195,32 €. Das Verwaltungsgericht trug die Eltern des Klägers als Kläger ein.

3

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 fragte der Berichterstatter bei den Beteiligten an, ob sie mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter sowie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien. Mit am 20. Januar 2009 und 4. Februar 2009 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsätzen erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise. Klagebegründung, Klageerwiderung, Replik, Duplik und Triplik lagen dem Verwaltungsgericht am 28. April 2009 vor. Von der ihr aufgrund der Verfügung des Berichterstatters vom 29. April 2009 gegebenen Gelegenheit zur Stellungnahme auf die Triplik des Klägers machte die Stadt Neubrandenburg keinen Gebrauch.

4

In dem Zeitraum vom 29. April 2009 bis zum 30. August 2011 verfügte der Berichterstatter im Abstand von drei bzw. vier Monaten wiederholt die Wiedervorlage der Sache.

5

Mit Schreiben vom 31. August 2011 wies der Berichterstatter die Eltern des Klägers darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch nicht ihnen, sondern dem Kläger selbst zustehen, der Rechtsstreit in der Hauptsache vor Klageerhebung erledigt gewesen und das Vorliegen der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen zu verneinen sein dürfte. Er forderte die Eltern des Klägers auf, binnen drei Wochen mitzuteilen, ob eine verfahrensbeendende Erklärung abgegeben werde. Die Stellungnahme der Eltern des Klägers ging am 19. September 2011 beim Verwaltungsgericht ein.

6

Mit Schreiben vom 29. September 2011 forderte der Berichterstatter den inzwischen anstelle seiner Eltern als Beteiligten erfassten Kläger auf mitzuteilen, ob an dem im Januar 2009 erklärten Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung festgehalten werde. Für die Beantwortung der Anfrage setzte er dem Kläger keine Frist. Aufgrund seiner Verfügung wurde ihm die Akte am 21. Oktober 2011 wiedervorgelegt. Das Antwortschreiben des Klägers ging nach zweimaliger Erinnerung am 9. November 2011 beim Verwaltungsgericht ein.

7

Mit Beschluss vom 10. November 2011 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Die mündliche Verhandlung fand am 8. Dezember 2011 statt. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers erhob darin eine Verzögerungsrüge. Sodann beendeten die Beteiligten den Rechtsstreit durch Vergleich.

8

Mit der am 4. Juni 2012 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Gewährung einer angemessenen Entschädigung und hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Er ist von einer sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung von mehr als zwei Jahren ausgegangen. Die Höhe der Entschädigung müsse sich am Regelbetrag orientieren.

9

Mit Urteil vom 4. Juni 2013 hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Dauer des Verfahrens sei noch als angemessen zu bewerten. Hauptgrund hierfür sei, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen sei. Dass der Kläger bzw. dessen Eltern nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf den Betrag von 195,32 € angewiesen gewesen seien, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Mehr als diese finanzielle Bedeutung habe das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht gehabt. Hinzu komme, dass sich die Verfahrensbeteiligten in der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, als das Gericht die Sache nicht gefördert habe, ebenfalls vollkommen passiv verhalten hätten. Demgegenüber wiege die zugunsten des Klägers unterstellte grundsätzliche Bedeutung des Verfahrens nicht besonders schwer, weil die Beteiligten ihr selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen hätten. Dass das Verfahren, wovon zugunsten des Klägers auszugehen sei, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen habe, rechtfertige keine andere Entscheidung.

10

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 198 GVG. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht zu seinen Lasten berücksichtigen dürfen, dass er nicht auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt habe, als das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht betrieben bzw. gefördert habe. Soweit das Oberverwaltungsgericht erkennen lasse, dass bei einem Streit um einen - wie hier - geringen Geldbetrag eher eine längere, bei einem Streit um einen höheren Geldbetrag eher eine kürzere Verfahrensdauer als angemessen anzusehen sei, finde sich hierfür weder im Bundesrecht noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Stütze. Angesichts der von der Stadt Neubrandenburg vertretenen Auffassung, während des Mutterschutzes sei eine tatsächliche Verhinderung der Mutter schwerlich anzunehmen, habe das Verfahren für ihn und seine Eltern auch eine erhebliche emotionale Bedeutung gehabt. Zudem sei es im Sinne eines Musterverfahrens für die Allgemeinheit von Bedeutung gewesen. Unter Berücksichtigung aller Umstände ergebe sich eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren und vier Monaten. Wegen der dargestellten Bedeutung des Verfahrens für ihn und die Allgemeinheit erscheine eine Wiedergutmachung anders als in Form einer Entschädigung nicht ausreichend. Die Höhe der Entschädigung dürfte sich an dem Regelbetrag des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zu orientieren haben und mit 2 800 € angemessen sein.

11

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend angenommen hat, der Kläger müsse sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu seinem Nachteil anrechnen lassen, dass er nicht auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt habe. Es erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die mit dem Hauptantrag verfolgte Entschädigungsklage ist zulässig (1.) und im tenorierten Umfang begründet (2.).

13

1. Die Entschädigungsklage ist zulässig, obwohl der Kläger die begehrte Entschädigung für die erlittenen immateriellen Nachteile in seinem Antrag nicht beziffert (a) und die Sechsmonatsfrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), nicht abgewartet hat (b).

14

a) Der auf Gewährung einer angemessenen Entschädigung lautende Klageantrag ist hinreichend bestimmt.

15

Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet. Ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 54). Wird im Verwaltungsprozess unmittelbar auf Leistung eines Geldbetrages geklagt, ist die Forderung grundsätzlich der Höhe nach im Klageantrag zu beziffern. Ein unbezifferter Klageantrag ist aber ausnahmsweise zulässig, wenn die Schwierigkeit, den Klageantrag hinreichend genau zu bestimmen, durch außerhalb der Klägersphäre liegende Umstände verursacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 1989 - 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93 S. 60). Das gilt für die Klage auf Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile nach den gemäß § 173 Satz 2 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG jedenfalls deshalb, weil sie eine Ermessensausübung des Gerichts nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG erfordert. Das Gericht hat danach stets von Amts wegen zu prüfen, ob der Pauschalbetrag gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG nach den Umständen des Einzelfalles unbillig und daher ein höherer oder niedrigerer Betrag festzusetzen ist. Um das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags in diesem Fall zu erfüllen, muss der Kläger die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Entschädigung (etwa einen Mindestbetrag) angeben (vgl. stRspr zu § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 287 ZPO, z.B. BGH, Urteile vom 24. September 1991 - VI ZR 60/91 - NJW 1992, 311 <312>; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95 - BGHZ 132, 341 <350> und vom 10. Oktober 2002 - III ZR 205/01 - NJW 2002, 3769). Das hat der Kläger getan.

16

Der Klagebegründung war hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Kläger von einer unangemessenen Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren ausgegangen ist und eine sich am Regelbetrag orientierende Entschädigung begehrt hat. Dieses Vorbringen hat er in der Revisionsbegründung dahingehend konkretisiert, dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von zwei Jahren und vier Monaten angenommen und eine Entschädigung von 2 800 € als angemessen angesehen werde. Damit hat der Kläger die geltend gemachte Forderung jedenfalls nach unten durch diesen Betrag begrenzt.

17

b) Die Einhaltung der Wartefrist war nicht erforderlich.

18

Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Dies gilt gemäß Art. 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 - ÜblVfRSchG - (BGBl. I S. 2302) auch für Verfahren, die - wie hier - bei dem Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 (vgl. Art. 24 ÜblVfRSchG) bereits anhängig waren. Die Einhaltung dieser Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - NJW 2014, 2588 Rn. 17 m.w.N.). Das Fristerfordernis des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ist allerdings im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass es keine Anwendung findet, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde.

19

Die Befugnis der Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten unter anderem dann zu, wenn diese nach ihrer grammatikalischen Fassung Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der sogenannten teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2014 - 5 C 13.13 - Buchholz 436.36 § 8 BAföG Nr. 14 Rn. 25 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor.

20

Die Vorschrift des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf alle Verfahren, in denen eine Verzögerungsrüge erhoben wird, ohne Rücksicht darauf, wann das Verfahren im Anschluss daran abgeschlossen wird. Dieser zu weit gefasste Wortlaut erfasst auch Fälle, die er nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erfassen sollte. Nach der gesetzgeberischen Vorstellung, die insbesondere in der Gesetzesbegründung ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 22), soll die Wartefrist der präventiven Funktion der Verzögerungsrüge Rechnung tragen und dem Gericht die Möglichkeit einräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden. Wird ein Verfahren vor Ablauf der Sechsmonatsfrist beendet, würde ein Abwarten insofern keinen Sinn mehr machen. Deshalb ist es geboten, die Bestimmung im Wege teleologischer Reduktion dahin einzuschränken, dass ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, wenn das Verfahren innerhalb von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge beendet wird. In diesem Fall ist die Entschädigungsklage ausnahmsweise vom Moment des Verfahrensabschlusses an zulässig (vgl. BGH, Urteile vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13 - NJW 2014, 2443 Rn. 17 und vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - NJW 2014, 2588 Rn. 18 m.w.N.; Schenke, NVwZ 2012, 257 <261>). So verhält es sich hier. Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 8. Dezember 2011, in der auch die Verzögerungsrüge erhoben wurde, durch Vergleich beendet worden.

21

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils in Höhe von 1 800 €.

22

Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil ist nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG zu entschädigen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des vom Kläger in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat er einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in Höhe von 1 800 € zu entschädigen ist (d).

23

a) Gegenstand des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit vom Zeitpunkt der Erhebung der Klage am 21. Dezember 2008 bis zu dessen Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2011 geschlossenen Vergleich.

24

Nach der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbs. 1 GVG ist Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe. Der Begriff "Einleitung" erfasst alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt werden kann, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung geschieht oder ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 22). Mit rechtskräftigem Abschluss ist zum einen die formelle Rechtskraft einer Entscheidung gemeint (BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 19 und - 5 C 27.12 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 11). Zum anderen wird hiervon auch die anderweitige Erledigung des Verfahrens insbesondere durch Antrags- oder Klagerücknahme, Einstellung, Vergleich oder Erledigungserklärung erfasst (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, A. § 198 GVG Rn. 54). Für Letzteres spricht insbesondere der systematische Rückschluss aus § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG. Diese Vorschrift stellt für den Beginn der Ausschlussfrist die Beendigung des Verfahrens durch rechtskräftige Entscheidung und die Beendigung des Verfahrens durch eine andere Erledigung gleichberechtigt nebeneinander.

25

In Anwendung dieses Maßstabes erfasst der materielle Bezugsrahmen des von dem Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruchs die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

26

b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war bei der gebotenen Gesamtabwägung im Umfang von einem Jahr und sechs Monaten unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

27

Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 , Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 18 m.w.N.).

28

In Übereinstimmung mit dem darlegten rechtlichen Maßstab hat sich das Oberverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer zwar zu Recht nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 28 ff. und - 5 C 27.12 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 20 ff.; s.a. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12 - NJW 2013, 3630 <3631 f.>). Auch hat es zutreffend angenommen, das Verfahren habe keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen (aa) und nur eine geringe finanzielle Bedeutung für den Kläger gehabt (bb). Eine grundsätzliche Bedeutung kann dem Verfahren aufgrund der festgestellten Tatsachen daneben nicht zugesprochen werden (cc). Das angefochtene Urteil beruht aber insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht dem Kläger angelastet hat, seinerseits nicht auf eine Beschleunigung hingearbeitet zu haben, als das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht betrieben bzw. gefördert habe (dd). In die einzelfallbezogene Angemessenheitsprüfung ist hingegen einzustellen, dass der Kläger durch sein prozessuales Verhalten eine Verzögerung bewirkte (ee) und es durch die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts unter Berücksichtigung des ihm insoweit eingeräumten Gestaltungsspielraums zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verzögerung von einem Jahr und sieben Monaten kam (ff). Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände ergibt sich eine unangemessene Verfahrensdauer von einem Jahr und sechs Monaten (gg).

29

aa) Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, das Verfahren sei nicht tatsächlich oder rechtlich besonders schwierig gewesen, ist unter Berücksichtigung seiner hierzu getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Sie wird auch vom Kläger nicht angegriffen.

30

Aus den festgestellten Tatsachen ist wertend zu folgern, dass der Sachverhalt überschaubar, einfach gelagert und zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig war. Die entscheidungserhebliche Frage, ob dem Kläger gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kindertagesförderungsgesetz - KiföG M-V) vom 1. April 2004 (GVOBl. M-V S. 146) nach der Geburt seiner Schwester für die Zeit des gesetzlichen Mutterschutzes nur noch ein Anspruch auf Förderung einer Teilzeitbetreuung oder weiterhin ein Anspruch auf Förderung einer ganztätigen Betreuung in einer Kindertagesstätte zustand, war für sich genommen nicht besonders komplex. Entsprechendes galt für die damit verbundene Frage, wer Inhaber des Anspruchs ist. Auch die Frage, ob der Rechtsstreit bereits vor Klageerhebung erledigt gewesen ist, war als Standardproblem eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anzusehen. Dafür, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht allenfalls durchschnittlich schwierigen Fall gehandelt hat, spricht zudem, dass die Kammer des Verwaltungsgerichts den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen hat (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

31

bb) Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, das Verfahren habe für den Kläger nur eine finanzielle Bedeutung gehabt, die mit 195,32 € als äußerst gering zu bewerten sei.

32

Für die Bewertung der finanziellen Bedeutung als gering hat sich das Oberverwaltungsgericht nicht allein auf die Höhe des streitgegenständlichen Betrages gestützt. Vielmehr hat es seine Einschätzung vor allem auch damit begründet, der Kläger habe weder vorgetragen noch sei ersichtlich, dass er bzw. dessen Eltern nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf den streitgegenständlichen Betrag angewiesen gewesen seien. Die geringe finanzielle Bedeutung hat es somit in Übereinstimmung mit dem aufgezeigten bundesrechtlichen Maßstab an die Umstände des konkreten Falles geknüpft. Mit Rücksicht darauf geht der Einwand des Klägers ins Leere, das Oberverwaltungsgericht habe sich bei der Beurteilung der Bedeutung des Verfahrens von einem festen abstrakten Rechtssatz des Inhalts leiten lassen, bei einem Streit um einen geringen Geldbetrag sei eher eine längere, bei einem Streit um einen höheren Geldbetrag eher eine kürzere Verfahrensdauer als angemessen anzusehen, wofür sich weder im Bundesrecht noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Stütze finde.

33

Soweit der Kläger im entschädigungsrechtlichen Revisionsverfahren geltend macht, das Verfahren habe für ihn und seine Eltern angesichts der von der Stadt Neubrandenburg vertretenen Auffassung, während des Mutterschutzes sei eine tatsächliche Verhinderung der Mutter schwerlich anzunehmen, (auch) eine erhebliche emotionale Bedeutung gehabt, findet dies in den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, gegen die Verfahrensrügen nicht erhoben wurden, keine Stütze.

34

cc) Die vom Oberverwaltungsgericht lediglich unterstellte grundsätzliche Bedeutung ist zu verneinen. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fehlt eine hinreichende tatsächliche Grundlage für die Annahme, dass das Verfahren als Musterprozess grundsätzlich bedeutsam war.

35

Entgegen der Revisionsbegründung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt, dass die Stadt Neubrandenburg - wie vom Kläger behauptet - in einer größeren Zahl von Fällen eine zuvor bewilligte Ganztagsbetreuung für die Zeit des Mutterschutzes in eine Teilzeitbetreuung geändert hätte, sodass sich die Entscheidung auf eine größere Zahl von Verfahren oder die Verwaltungspraxis auswirken könnte. Eine Verfahrensrüge hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Als Indiz für die fehlende grundsätzliche Bedeutung ist vielmehr der Umstand zu werten, dass das Verwaltungsgericht diese Behauptung nicht zum Anlass genommen hat, um von der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter nach § 6 Abs. 1 VwGO abzusehen. Denn diese soll - im Unterschied zu der auf dem Einverständnis der Beteiligten gründenden Übertragung auf den sogenannten konsentierten Einzelrichter nach § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2008 - 5 C 30.07 - BVerwGE 132, 10 Rn. 10 m.w.N.) - bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache gerade nicht erfolgen.

36

dd) Das Oberverwaltungsgericht hat das in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannte Kriterium des "Verhaltens der Verfahrensbeteiligten" nicht richtig erfasst, soweit es angenommen hat, es gereiche dem Kläger zum Nachteil, nicht auf eine Beschleunigung hingewirkt oder zumindest nach dem Sachstand gefragt zu haben, als das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht betrieben bzw. gefördert habe.

37

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Verfahrensbeteiligten - abgesehen von der Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge - grundsätzlich nicht verpflichtet sind, aktiv (durch Aufforderungen) darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss bringt. Mangels einer derartigen Pflicht kann ihnen eine diesbezügliche Passivität bei der im Rahmen der Ermittlung der angemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens erforderlichen Prüfung, ob die Verfahrensbeteiligten durch ihr Verhalten eine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt haben, nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, ergibt sich unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 27.12 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 41). Von diesen Rechtssätzen weicht das angefochtene Urteil ab, soweit das Oberverwaltungsgericht seine Bewertung der Verfahrensdauer als noch angemessen entscheidungstragend darauf stützt, der Kläger habe sich in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert habe, ebenfalls vollkommen passiv verhalten.

38

ee) Im Hinblick auf das prozessuale Verhalten des Klägers ist allerdings ergänzend zu berücksichtigten, dass dieser durch sein Verhalten das Verfahren um etwa neunzehn Tage verzögert hat.

39

Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ist wertend zu folgern, dass dem Kläger in diesem Umfang die verspätete Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom 29. September 2011 zuzurechnen ist. Zwar ist ihm für die erbetene Mitteilung, ob der im Januar 2009 erklärte Verzicht auf mündliche Verhandlung weiterhin Bestand habe, keine ausdrückliche Frist gesetzt worden. Entsprechend der von dem Berichterstatter verfügten Wiedervorlage durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass der Kläger die Anfrage spätestens bis zum 21. Oktober 2011 beantwortet. Seine Antwort ist jedoch erst nach zweimaliger Erinnerung am 9. November 2011 und damit 19 Tage später als erwartet beim Verwaltungsgericht eingegangen.

40

ff) Aus den zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist zu schließen, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums das Verfahren vom Beginn des Monats Februar 2010 bis zum Ende des Monats August 2011, also für ein Jahr und sieben Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert hat.

41

Im Hinblick auf den Verfahrensgang hat das Oberverwaltungsgericht neben der Chronologie des Verfahrens festgestellt, dass das Verwaltungsgericht in der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, also für zwei Jahre und vier Monate, keine Handlungen vorgenommen hat, um die Erledigung des Verfahrens zu fördern. Der festgestellten Chronologie ist bei wertender Betrachtung zu entnehmen, dass der Rechtsstreit mit der am 28. April 2009 eingegangenen Triplik des Klägers entscheidungsreif war. Der Sachverhalt war zu diesem Zeitpunkt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufgearbeitet. Den Beteiligten war zu allen bis dahin vom Verwaltungsgericht für relevant gehaltenen Fragen in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Dafür, dass auch das Verwaltungsgericht die Sache Ende April 2009 für "ausgeschrieben" hielt, spricht, dass es die Triplik des Klägers dem Beklagten lediglich mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zuleitete.

42

Im vorliegenden Einzelfall erscheint es angemessen, dem Verwaltungsgericht für das konkrete erstinstanzliche Verfahren ab Entscheidungsreife einen (Gestaltungs-)Zeitraum von neun Monaten für seine Entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das Verfahren im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses fördert.

43

Der zugestandene Zeitraum trägt dem Umstand Rechnung, dass - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht obliegt und ihm hinsichtlich der Entscheidung, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert, ein Spielraum zusteht. Er berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer Ex-ante-Sicht einschätzen durften. Hingegen ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 28 m.w.N.).

44

Das Ende des gerichtlichen Gestaltungszeitraums wird durch den Zeitpunkt markiert, ab dem ein (weiteres) Zuwarten auf eine verfahrensfördernde Entscheidung bzw. Handlung des Gerichts im Hinblick auf die subjektive Rechtsposition des Betroffenen auf eine angemessene Verfahrensdauer nicht mehr vertretbar ist, weil sich die (weitere) Verzögerung bei Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles als sachlich nicht mehr gerechtfertigt und damit als unverhältnismäßig darstellt. Es ist nicht mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, bis zu dem in jedem Fall von einer "optimalen Verfahrensführung" des Gerichts auszugehen ist. Entschädigungsrechtlich relevant sind nur die nach Ablauf des Gestaltungszeitraums auf die Verfahrensführung des Gerichts zurückzuführenden Verzögerungen. Denn zur Begründung des Entschädigungsanspruchs reicht nicht jede Abweichung von der optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr setzt der Entschädigungsanspruch aus § 198 Abs. 1 GVG voraus, dass der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit beeinträchtigt worden ist, was eine gewisse Schwere der Belastung erfordert (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 39 und - 5 C 27.12 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 31 m.w.N.).

45

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe ist bei der Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Ausgangsverfahren allenfalls einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad aufwies, seine Bedeutung für den Kläger rein finanzieller Natur und diese als äußerst gering zu bewerten war sowie ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse an dem Rechtsstreit nicht festgestellt werden konnte. Angesichts dessen war die fehlende Bearbeitung bzw. Förderung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht für den Kläger ab Anfang Februar 2010 nicht mehr hinnehmbar. Das ergibt einen gerichtlichen Gestaltungszeitraum ab Entscheidungsreife von neun Monaten.

46

gg) Die Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war bei der gebotenen Gesamtabwägung im Umfang von einem Jahr und sechs Monaten unangemessen.

47

In die Gesamtabwägung sind alle festgestellten Umstände des Einzelfalles einzustellen und zu gewichten. Dabei ist insbesondere zu untersuchen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Verzögerung in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten innerhalb einer anderen Phase des Verfahrens ausgeglichen wurde (vgl. BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 17 und 44 m.w.N. und vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 30). Des Weiteren hat in die Prüfung einzufließen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Verletzung des Rechts auf angemessene Verfahrensdauer weder in den gerichtlichen noch in den Verantwortungsbereich des in Anspruch genommenen Rechtsträgers fällt, sondern den Verfahrensbeteiligten zuzurechnen ist.

48

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die auf die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts zurückzuführende sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von einem Jahr und sieben Monaten mit Blick auf das säumige Verhalten des Klägers bei der Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom 29. September 2011 um aufgerundet einen Monat zu reduzieren. Im Ergebnis ist somit auf eine unangemessene Verfahrensdauer von einem Jahr und sechs Monaten zu erkennen.

49

c) Der Kläger hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann.

50

Dass der Kläger Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

51

Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 34 m.w.N.).

52

Eine schlichte Feststellungsentscheidung ist hier mit Blick auf den Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad allenfalls durchschnittlich gelagerten Falles nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für den Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß, vermag das Gewicht des durch die Verzögerung von einem Jahr und sechs Monaten bedingten immateriellen Nachteils nicht entscheidend zu mindern.

53

Der Beklagte kann sich zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht nicht mit Erfolg darauf berufen, die Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer sei zur Wiedergutmachung ausreichend, weil die Höhe der gesetzlichen Entschädigung den Streitwert des Ausgangsverfahrens um ein Vielfaches übersteige. Damit werden die anspruchsbegründenden Voraussetzungen, zu denen auch die Feststellung gehört, dass nach den Einzelfallumständen eine Wiedergutmachung auf andere Weise nicht ausreichend ist, in unzulässiger Weise mit der Höhe des Entschädigungsanspruchs vermischt.

54

d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 800 €.

55

Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Für Zeiträume unter einem Jahr lässt diese Regelung eine zeitanteilige Berechnung zu (BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 Rn. 50 m.w.N.; vgl. auch BT-Drs. 17/3802 S. 20). Nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Eine derartige Billigkeitsentscheidung ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - hier nicht deshalb veranlasst, weil der Gesamtbetrag der Entschädigung um ein Vielfaches höher liegt als der Streitwert des Ausgangsverfahrens.

56

Damit werden Dinge miteinander verglichen, die nicht vergleichbar sind. Die Entschädigung betrifft den Ausgleich für die durch die Verfahrensverzögerung erlittenen immateriellen Nachteile wie beispielsweise psychische Belastungen, körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 19), während der Streitwert des Ausgangsverfahrens nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 GKG angibt, welche (wirtschaftliche) Bedeutung dieses Verfahren für den Kläger hatte.

57

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bei einer wesentlichen Abweichung von der angegebenen Größenordnung (hier: 35,71 v.H.) ist eine teilweise Abweisung der Klage und eine dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechende Kostenteilung erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 1966 - VI ZR 193/64 - BGHZ 45, 91 <93> und vom 18. Februar 1977 - I ZR 112/75 - GRUR 1977, 539 <542>). Hiernach waren die Kosten im Verhältnis des zuerkannten Betrages zu der vom Kläger angegebenen Größenordnung der geltend gemachten Entschädigung zwischen den Beteiligten zu verteilen.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tatbestand

1

A. Die Klägerin begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihr als unangemessen angesehenen Dauer eines vom 10. November 2006 (Klageeingang beim Finanzamt --FA--) bis zum 26. März 2013 (Zustellung des Urteils) vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der im Klageverfahren verstorbene Ehemann (E) der Klägerin war als Bürgermeister einer Stadt im Jahre 1987 wegen versuchter umweltgefährdender Abfallbeseitigung angeklagt worden. Er wurde Ende 1996 durch ein Urteil des zuständigen Landgerichts verwarnt und mit einer Geldbuße in Höhe von 3.000 DM belegt. Nach seiner Verurteilung legte er wegen der langen Verfahrensdauer zunächst Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und anschließend Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Im Jahr 2001 entschied der EGMR, neun Verhandlungsjahre seien im Vergleich zum Strafmaß nicht zu rechtfertigen und stellten folglich einen Verstoß gegen Art. 6 § 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar. E wurde deshalb neben einem Betrag von 10.000 DM für immaterielle Schäden ein Betrag von weiteren 15.000 DM für Auslagen und Gerichtskosten zugesprochen.

3

Für die Vertretung im Verfahren vor dem BVerfG entstanden Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 28.681 DM und im Verfahren vor dem EGMR solche in Höhe von 20.050,72 DM, wovon 12.518,72 DM im Jahr 2000 in Rechnung gestellt und bezahlt wurden.

4

Die Klägerin und der mit ihr zusammen zur Einkommensteuer veranlagte E machten unter Anrechnung des vom EGMR ausgeurteilten Betrages von 15.000 DM die Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 geltend. Das FA erkannte diese Aufwendungen weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des E an.

5

Nach erfolglosem Vorverfahren reichten die Klägerin und E die Klageschrift am 10. November 2006 beim FA ein, die an das FG weitergeleitet wurde. Bis zum 19. Februar 2008 wurden Schriftsätze der Beteiligten ausgetauscht.

6

Am 5. November 2008 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Mitteilung, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Der Berichterstatter verfügte unter Verwendung eines entsprechenden Formulars, dass aufgrund zahlreicher vorrangig zu bearbeitender anderer Streitsachen derzeit leider noch nicht absehbar sei, wann im Ausgangsverfahren eine Entscheidung anstehe. Eine erneute Sachstandsanfrage der Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2009 wurde entsprechend formularmäßig beantwortet.

7

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 verzichteten die Klägerin und E aufgrund eines Telefonats ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter des FG vom gleichen Tag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Am 12. Oktober 2010 ging die Verzichtserklärung des FA beim FG ein, die dem Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2010 übersandt wurde.

8

Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 wies das FG die Beteiligten auf die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen hin. Der sich hieran anschließende Schriftwechsel der Beteiligten endete mit Übersendung des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2011 an das FA am 8. November 2011.

9

Mit Schreiben vom 22. November 2011 erhoben die Klägerin und E "vorsorglich die Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG)". Gleichzeitig übersandten sie eine Kopie des Beschlusses des BVerfG vom 13. Februar 1997  2 BvR 135/97, den das FG bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 angefordert hatte. Am 6. Dezember 2011 ergänzten die Prozessbevollmächtigten ihre bisherigen Stellungnahmen.

10

Am 4. Juni 2012, beim FG eingegangen am 6. Juni 2012, wiederholten die Prozessbevollmächtigten ihre "bereits geltend gemachte Verzögerungsrüge" und erkundigten sich am 14. Dezember 2012 beim FG erneut nach dem Stand des Verfahrens.

11

Das FG teilte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 mit, mit einer Entscheidung sei voraussichtlich im 1. Quartal 2013 zu rechnen. Mit Urteil vom 19. März 2013, das den Prozessbevollmächtigten am 26. März 2013 zugestellt worden ist, wies das FG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2013 VI B 41/13, nicht veröffentlicht).

12

Am 3. Mai 2013 haben die Klägerin und E die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie weisen darauf hin, die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Finanzgerichtsverfahren betrage nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich 17,5 Monate. Im vorliegenden Verfahren hätten die Klägerin und E gerade unter dem Eindruck der zu Gunsten des E ergangenen Entscheidung des EGMR und des hohen Alters der Kläger eine zügige Entscheidung erwarten können.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihr, auch als Alleinerbin des verstorbenen E, wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Hessischen FG 12 K 3431/06 eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Das Verfahren habe zwar insgesamt fünf Jahre und vier Monate keine Förderung durch das Gericht erfahren. Allerdings sei die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) erhoben worden. Relevant sei allein die am 6. Juni 2012 beim FG eingegangene Verzögerungsrüge. Somit sei die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 ohne Belang. Ggf. könne eine Rückwirkung dieser Verzögerungsrüge bis zum Inkrafttreten angenommen werden. Deswegen komme allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € für die neun Monate ab Zugang der Verzögerungsrüge am 6. Juni 2012 und die Hälfte der sechs Monate bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG in Frage.

Entscheidungsgründe

16

B. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

17

Die Klage ist zulässig, da sie mehr als sechs Monate nach der (letzten) Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012, aber noch vor Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung (§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) erhoben worden ist. Das Urteil wurde mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 11. Oktober 2013 rechtskräftig.

II.

18

Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Soweit diese unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens den Zeitraum vor Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 betrifft, kann weder eine Entschädigung in Geld noch die Feststellung der Unangemessenheit ausgesprochen werden, da es an der nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nötigen unverzüglichen Rügeerhebung fehlt (dazu unter 1.). Für den Zeitraum ab der Rügeerhebung vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200 € zu (dazu unter 3.).

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin --auch als Alleinerbin des E-- weder ein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch eine Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu, da eine unverzüglich i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhobene Rüge nicht vorliegt. Diese Ansprüche sind deshalb präkludiert.

20

a) Gemäß der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist das genannte Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. Für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG bereits verzögert waren, gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge "unverzüglich" nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). Weder die Rüge vom 22. November 2011 (unter aa) noch die vom 4. Juni 2012 erhobene Rüge (unter bb) werden dieser Voraussetzung gerecht. Der Senat kann demzufolge eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG für den Zeitraum bis zum 6. Juni 2012 (unter cc) nicht aussprechen.

21

aa) Die am 22. November 2011 erhobene "vorsorgliche Verzögerungsrüge" kann nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt war das ÜberlVfRSchG --und damit die Vorschrift des § 198 Abs. 3 GVG-- noch nicht in Kraft getreten. Das genannte Gesetz ist am Tag nach seiner Verkündung --d.h. am 3. Dezember 2011-- in Kraft getreten. Eine bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge erfüllt diese Voraussetzung nicht (so auch Senatsurteil vom 7. November 2013 X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b).

22

bb) Die Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 wurde nicht mehr "unverzüglich nach Inkrafttreten" i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhoben.

23

Der Senat hat bereits entschieden, dass im Rahmen der gebotenen normspezifischen Auslegung des in Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG verwendeten Begriffs "unverzüglich" ein Zeitraum von drei Monaten als sachgerecht anzusehen ist (so schon Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d; insoweit folgend auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. April 2014 III ZR 335/13, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967; ebenso BGH-Urteil vom 17. Juli 2014 III ZR 228/13, NJW 2014, 2588). Dieser Zeitraum ist vorliegend überschritten.

24

b) Folge der nicht "unverzüglich nach Inkrafttreten erhobenen" Verzögerungsrüge ist nach Ansicht des Senats, dass zunächst die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG entfällt (vgl. Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b). Nach Ansicht des BGH in NJW 2014, 1967, unter II.1.d aa soll darüber hinaus ein solcher Anspruch nach § 198 GVG für den Zeitraum, der vom Inkrafttreten bis zur Erhebung einer solchen Verzögerungsrüge verstrichen ist, ausgeschlossen sein; dies ergebe sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der Senat dieser Rechtsansicht an und hält an seiner im Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547) geäußerten Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 ÜberlVfRSchG nicht weiter fest.

25

Folglich ist hier eine ggf. vorliegende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer für die Zeit vor der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 nicht möglich.

26

2. Bezogen auf den Zeitraum ab Erhebung der Verzögerungsrüge war die Dauer des Ausgangsverfahrens unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf sechs Monate.

27

a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG (vgl. hierzu und zum Begriff der Angemessenheit im Finanzgerichtsverfahren ausführlich Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.2.).

28

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Ausgangsverfahren für den Zeitraum nach Erhebung der Verzögerungsrüge um sechs Monate in unangemessener Weise verzögert worden.

29

aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.

30

Der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens war als eher überdurchschnittlich anzusehen. Einerseits waren Aufwendungen im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten bei einem Verfahren vor dem EGMR zu beurteilen, für die eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorlag. Zum anderen befand sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen, wenn auch den Zivilprozess betreffend, im Fluss.

31

Die Bedeutung des Ausgangsverfahrens war für die Klägerin und E erheblich. Zum einen waren beide Eheleute bei Klageerhebung im Ausgangsverfahren hoch betagt und zum anderen hatten sie bereits ein Verfahren vor dem EGMR wegen eines überlangen Strafverfahrens anstrengen müssen. Verständlicherweise war ihr Wunsch nach endgültiger Klärung der Streitigkeiten groß, zu denen aus ihrer Sicht auch der Finanzgerichtsprozess um die Anerkennung der Rechtsanwaltsgebühren als Annex zu dem vorangegangenen Strafverfahren und den Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR zu zählen ist.

32

bb) Die Würdigung, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 unangemessen ist, ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.

33

Im Juni 2012 hatte das Ausgangsverfahren bereits fünfeinhalb Jahre gedauert. Faktisch hat es bis zu diesem Zeitpunkt geruht und wurde --trotz der Verzögerungsrüge am 4. Juni 2012-- erst dadurch aufgenommen, dass das FG im Dezember 2012 eine Entscheidung im 1. Quartal 2013 in Aussicht stellte. Demgemäß ist im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2012 (insgesamt sechs Monate) eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens eingetreten.

34

3. Für die Verzögerung des Verfahrens von der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 bis zum November 2012 ist der Klägerin eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 1.200 € zuzusprechen.

35

a) Das Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.6.a).

36

b) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG wäre im Streitfall für die unangemessenen Verzögerungszeiträume ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreichend. Dafür spricht vor allem, dass das FG auf die zahlreichen Versuche der Klägerin und des E, es zu einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist zu bewegen, gar nicht reagiert und ihnen nicht einmal einen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, ab dem mit einer Verfahrensförderung zu rechnen sei. In diesem Fall ist offensichtlich, dass die Klägerin und E aus nachvollziehbaren Gründen an einer zügigen Entscheidung interessiert und infolgedessen von der Verfahrensverzögerung in stärkerem Maße betroffen waren.

37

c) Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus dem hohen Alter der Klägerin und des E noch daraus, dass dieses Ausgangsverfahren seinen Ursprung in einem erfolgreichen Verfahren vor dem EGMR hatte.

38

Auch wenn im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, kann dieser im konkreten Fall nach Monaten bemessen werden (ebenso bereits Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179).

39

d) Der Klägerin ist für den erlittenen immateriellen Nachteil für sich und E jeweils ein Entschädigungsbetrag von 600 € zu zahlen.

40

aa) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist (weiterführend: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014  5 C 1/13 D, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3). Verfahrensbeteiligt waren bei Klageerhebung die Klägerin und ihr während des Klageverfahrens verstorbener Ehemann, als dessen Alleinerbin die Klägerin das Klageverfahren fortführt.

41

bb) Der Entschädigungsanspruch des E ist vererblich, entspricht die Entschädigung doch einem Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden (zur Vererblichkeit eines solchen Anspruchs vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz 22, m.w.N.).

42

Diese Vererblichkeit wird auch nicht durch die Regelung in § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ausgeschlossen (so auch Zöller/ Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG, Rz 11, unter Hinweis auf Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rz 267). Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage (...) der Anspruch nicht übertragbar (ist)". Diese Vorschrift, die § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nachgebildet worden ist, soll jedoch allein die Pfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und damit den Handel mit dem Anspruch verhindern (vgl. BTDrucks 17/3802, 36).

43

4. Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

45

Die Klägerin und E haben eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € beantragt.

46

Der Klägerin ist --auch als Alleinerbin des E-- eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € zuzusprechen, so dass sie zu 1.200/8.400, also zu 1/7 obsiegt hat.

47

6. Mit Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 155 Satz 2 FGO) hat der erkennende Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihm als unangemessen angesehenen Dauer eines vom 20. Februar 2004 (Klageeingang) bis zum 8. November 2012 (Kostenbeschluss nach Erledigung der Hauptsache) vor dem Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg anhängigen Klageverfahrens.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Während der Kläger seinen Lebensmittelpunkt durchgängig in Deutschland hatte, verzog seine Ehefrau (E) mit den drei gemeinsamen Kindern im Jahr 2000 nach Nordirland. Dort besuchten die Kinder seitdem die Schule. Der Kläger trug während des Verfahrens vor, er sei an jedem Wochenende nach Nordirland geflogen, um seine Familie zu besuchen. Die Ferien hätten E und die Kinder bei ihm in Deutschland verbracht. Einkommensteuerrechtlich wurden der Kläger und E in Deutschland zusammen veranlagt, weil E auf ihren Antrag gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde.

3

Bis einschließlich Januar 2001 hatte E das Kindergeld bezogen. Im Jahr 2001 beantragte der Kläger bei der Familienkasse (der Beklagten des Ausgangsverfahrens) Kindergeld für seine drei in Nordirland lebenden Kinder. Die Familienkasse lehnte dies mit Bescheid vom 9. August 2002 zunächst mit der Begründung ab, die Kinder hätten weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Während des anschließenden Einspruchsverfahrens erließ die Familienkasse am 27. September 2002 Teilabhilfebescheide. Darin setzte sie zugunsten des Klägers dem Grunde nach Kindergeld fest, kürzte dessen Höhe jedoch um die kindergeldähnlichen Leistungen (child benefit), die E nach Auffassung der Familienkasse im Vereinigten Königreich zustanden. Im fortgeführten Einspruchsverfahren behauptete der Kläger, E erhalte in Nordirland kein Kindergeld. Auf die Bitte der Familienkasse, dies nachzuweisen, legte er eine Bescheinigung der für die Zahlung des child benefit in Nordirland zuständigen Behörde (Child Benefit Office --CBO--) vor, aus der sich ergab, dass E bisher keinen Antrag auf diese Leistung gestellt habe. Die Familienkasse wies den Einspruch am 29. Januar 2004 mit der Begründung zurück, E habe nach dem Recht des Vereinigten Königreichs einen Anspruch auf child benefit. Es komme nicht darauf an, dass die entsprechenden Leistungen mangels Antragstellung nicht ausgezahlt würden.

4

Hiergegen erhob der Kläger am 20. Februar 2004 Klage. Diese stützte er auf seine --bereits während des Verwaltungs- und Einspruchsverfahrens vertretene-- Auffassung, der Anspruch auf ungekürztes deutsches Kindergeld folge bereits daraus, dass sowohl er als auch E und die drei Kinder in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig seien. Der --für das Verfahren zugleich als Berichterstatter zuständige-- damalige Vorsitzende des FG-Senats erteilte dem Kläger am 7. Juni 2004 einen rechtlichen Hinweis, wonach es für die Frage, ob ausländische Familienleistungen anzurechnen seien, nicht auf eine etwaige unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ankomme. Er bat den Kläger darum, sich mit der als schlüssig anzusehenden Auffassung der Familienkasse auseinanderzusetzen. Ferner bat er um Darstellung, weshalb E in Nordirland keinen Anspruch auf child benefit habe, sowie um Vorlage eines entsprechenden Ablehnungsbescheids der dortigen Behörde.

5

Der Kläger erklärte daraufhin, E habe in Nordirland einen entsprechenden Antrag gestellt; eine "formale Ablehnung" liege jedoch nicht vor. Er bat um eine angemessene Frist zur Beschaffung einer entsprechenden Bescheinigung aus Nordirland. Der Senatsvorsitzende erteilte dem Kläger am 2. Februar 2005 einen weiteren rechtlichen Hinweis und fragte am 24. März 2005 bei der Familienkasse an, ob auf der Grundlage von deren zwischenzeitlich präzisierter Rechtsauffassung eine Teilabhilfe möglich sei.

6

Damit endeten die gerichtlichen Aktivitäten zunächst. Der bisherige Senatsvorsitzende trat in den Ruhestand ein; bis Anfang 2008 wechselte der für das Verfahren zuständige Berichterstatter insgesamt vier Mal. Auch in diesem Zeitraum reichten der Kläger und die Familienkasse allerdings zahlreiche Schriftsätze beim FG ein; dieses beschränkte sich auf die Weiterleitung der Schriftsätze an den jeweils anderen Beteiligten. Am 3. April 2006 teilte die Familienkasse mit, sie habe die Verbindungsstelle in Nordirland um rechtliche Beurteilung gebeten und werde das FG unterrichten, sobald die Antwort vorliege. Am 12. Oktober 2006 übersandte die Familienkasse dem FG eine Zwischennachricht des CBO vom 19. September 2006. Danach habe dort kein Vorgang gefunden werden können. Das CBO habe gegenüber E angeregt, einen Antrag auf child benefit zu stellen und werde sich nach Eingang einer Antwort melden.

7

Das FG wurde wieder tätig, indem es am 13. November 2007, 10. Januar 2008 und 20. Februar 2008 drei Sachstandsanfragen an die Familienkasse richtete. Die Familienkasse erklärte, bisher liege keine Antwort des CBO vor. Nachdem weitere 14 Monate verstrichen waren, beraumte das FG am 17. April 2009 einen Erörterungstermin für den 15. Mai 2009 an. In diesem Termin überreichte die Berichterstatterin Ausdrucke der Internetseiten des CBO zu den Voraussetzungen des child benefit. Die Familienkasse erklärte, sie werde das volle Kindergeld zahlen, wenn feststehe, dass im Wohnsitzland der Kinder kein Anspruch auf child benefit bestehe. Der Kläger erklärte, E werde innerhalb eines Monats in Nordirland auf amtlichem Vordruck einen Antrag auf child benefit stellen und die Antragstellung gegenüber dem FG nachweisen. Die Berichterstatterin setzte ihm hierfür eine Frist gemäß § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Beteiligten erklärten sich damit einverstanden, dass das Verfahren ab dem Eingang des Nachweises über die Antragstellung bis zur Entscheidung über diesen Antrag ruhen solle.

8

Nachdem der Kläger die Antragstellung nachgewiesen hatte, beschloss die Berichterstatterin am 15. Juni 2009 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Antrag der E und sandte die Kindergeldakte am 26. Juni 2009 an die Familienkasse zurück. In der Folgezeit erkundigte sich das FG mehrfach beim Kläger nach dem Sachstand. Nachdem dieser keine Reaktion des CBO mitteilen konnte, regte das FG am 6. April 2010 an, dass die Familienkasse über ihre Verbindungsstelle anfrage, wie der Antrag der E beschieden worden sei. Die Familienkasse stellte am 10. Mai 2010 eine entsprechende Anfrage.

9

Das CBO antwortete am 31. August 2010, sie habe den Antrag der E am 30. März 2010 abgelehnt, weil kein Anspruch auf child benefit bestehe. Dieses Antwortschreiben ging am 15. September 2010 bei der Familienkasse ein, wurde dort aber unbearbeitet zur Kindergeldakte genommen. Gleiches geschah mit einer zweiten Ausfertigung des Antwortschreibens, die am 14. Oktober 2011 bei der Familienkasse einging.

10

Das FG, aus dessen Sicht die Antwort des CBO noch ausstand, richtete am 16. Februar 2011 das folgende Schreiben an die Familienkasse: "Wie soll verfahren werden? Erledigung innerhalb von 1 Monat". Am 11. Mai 2011 beschloss das FG die Aufnahme des Verfahrens und fasste einen Beweisbeschluss, wonach das Auswärtige Amt erklären solle, wie das CBO über den Antrag der E auf Gewährung von child benefit entschieden habe. Nachdem das Auswärtige Amt sich umgehend für unzuständig erklärt hatte, schrieb das FG am 25. Mai 2011 an die Beteiligten: "Ich bitte um Vorschläge, wie weiter verfahren werden soll."

11

Der Kläger erklärte, er begehre eine Entscheidung nach Aktenlage; die Familienkasse teilte mit, der Fall werde der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg berichtet, was allerdings letztlich ergebnislos blieb. Am 8. August 2011 rügte der Kläger die überlange Verfahrensdauer im Hinblick auf den seinerzeit von den gesetzgebenden Körperschaften beratenen Entwurf des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG). Am 10. August 2011 bat das FG den Kläger, eine Bescheinigung des CBO vorzulegen, wonach keine Familienleistungen bezogen würden. Der Kläger reichte eine solche Bescheinigung am 6. Dezember 2011 beim FG ein, das sie kommentarlos und ohne Fristsetzung der Familienkasse zur Stellungnahme übersandte. Am 16. Januar 2012 richtete das FG eine Sachstandsanfrage an die Familienkasse. Am 16. Februar 2012 ging beim FG ein Schriftsatz des Klägers vom 15. Februar 2012 ein, in dem es u.a. hieß: "Da sich das Verfahren mittlerweile seit Klageerhebung mit Klageschrift vom 16.02.2004 hinzieht, erscheint eine klare Richtungsvorgabe gegenüber dem Beklagten gerechtfertigt. Gelingt dies nicht, muss die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 02.09.2010 46344/06, Rumpf, NJW 2010, 3355 und die mittlerweile geschaffene Rechtsgrundlage Anwendung finden."

12

Die Familienkasse erklärte mit Schreiben vom 19. März 2012 "abschließend", rechtlich bestehe im Vereinigten Königreich allein aufgrund des dortigen Wohnsitzes der E und der drei Kinder ein Anspruch auf child benefit. Die fehlende Rückmeldung des CBO sei kein Indiz für das Fehlen eines solchen Anspruchs. "Etwaig" müsse das FG über das Bestehen eines Anspruchs in Nordirland entscheiden.

13

Mit einem am 23. März 2012 beim FG eingegangenen Schreiben vom 21. März 2012 erhob der Kläger "in Ergänzung zum Schreiben vom 15.02.2012" ausdrücklich Verzögerungsrüge und kündigte die Einleitung eines Entschädigungsklageverfahrens beim Bundesfinanzhof (BFH) an. Daraufhin forderte das FG bei der Familienkasse die Kindergeldakte wieder an, die am 26. April 2012 beim FG einging. In der Folgezeit bat das FG angesichts des Umstands, dass die bisherigen europarechtlichen Regelungen über die Zuständigkeit für die Gewährung von Familienleistungen in grenzüberschreitenden Fällen mit Wirkung zum 1. Mai 2010 geändert worden waren, die Beteiligten um Stellungnahme zum Kindergeldanspruch ab Mai 2010. Im Verlauf des sich hierzu entwickelnden Schriftwechsels regte das FG an, den Rechtsstreit, soweit er die Zeit ab Mai 2010 betreffe, zum Ruhen zu bringen, abzutrennen oder außerhalb des Klageverfahrens im Verwaltungsverfahren zu bearbeiten. Der Kläger erklärte daraufhin am 30. Juli 2012 die Rücknahme der Klage für die Zeiträume ab Mai 2010. Ferner holte das FG das Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ein.

14

Am 15. August 2012 bemerkte die Berichterstatterin, dass in der --ihr seit dem 26. April 2012 wieder vorliegenden-- Kindergeldakte das Antwortschreiben des CBO vom 31. August 2010 abgeheftet war. Sie bat die Familienkasse um vollständige Vorlage des Vorgangs sowie um Mitteilung, weshalb dieses Schreiben dem Gericht nicht unverzüglich übermittelt worden sei. Daraufhin erklärte die Familienkasse, dem Begehren des Klägers für Anspruchszeiträume bis zum Zugang der Einspruchsentscheidung (März 2001 bis Februar 2004) innerhalb des Klageverfahrens und für die späteren Anspruchszeiträume (März 2004 bis April 2010) außerhalb des Klageverfahrens abhelfen zu wollen. Nach Ergehen entsprechender Abhilfebescheide vom 16. Oktober 2012 erklärten die Familienkasse und der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit Kostenbeschluss vom 8. November 2012, der am 12. November 2012 mit einfachem Brief versandt wurde, legte das FG der Familienkasse die Kosten des Verfahrens auf.

15

Der Kläger hat am 21. November 2012 die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Ausgehend von einer als üblich anzusehenden Verfahrensdauer von drei Jahren begehrt er für einen Zeitraum von 68 Monaten eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 7.200 €. Ferner begehrt er Ersatz für Überziehungszinsen, die seinem privaten Girokonto während des Klageverfahrens belastet worden sind und die er in Höhe von 14.985,16 € auf die verzögerte Auszahlung des Kindergelds zurückführt.

16

Er ist der Auffassung, eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Verfahrensabschnitte erübrige sich, weil vorliegend sogar die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit acht Jahren angesetzte absolute Höchstdauer für ein instanzgerichtliches Verfahren überschritten sei. Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer sei der staatlichen Seite auch das Verhalten der beteiligten Behörden zuzurechnen. Dies gelte nicht nur für die deutsche Familienkasse, sondern auch für die ausländischen Behörden, da die gegenteilige Handhabung dem "Gedanken der Europäischen Einheit" widersprechen würde.

17

Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem FG Baden-Württemberg 13 K 50/04 (später 13 K 1691/11 und 6 K 1691/11) eine Entschädigung in Höhe von 22.185,16 € zu zahlen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Er hält die Klage bereits für unzulässig, weil die --zwingend erforderliche-- Verzögerungsrüge nicht i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG "unverzüglich" nach Inkrafttreten dieses Gesetzes (3. Dezember 2011) erhoben worden sei. Hierfür sei als Obergrenze in der Regel ein Zeitraum von zwei Wochen anzusehen. Die erst am 23. März 2012 beim FG eingegangene Verzögerungsrüge sei daher erheblich verspätet gewesen.

20

Jedenfalls sei die Klage unbegründet, weil die Verfahrensdauer nicht unangemessen gewesen sei. Der Fall sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich äußerst komplex gewesen. Das CBO und die nordirische Verbindungsstelle der Familienkasse hätten Anfragen nur sehr zögerlich beantwortet. Zudem müsse die richterliche Unabhängigkeit beachtet werden. Danach seien Umstände, die typischerweise Ausprägungen richterlichen Handelns und Entscheidens seien, keiner abweichenden Würdigung durch das Entschädigungsgericht zugänglich. Die beim FG seit 2008 zuständige Berichterstatterin sei sehr bemüht gewesen, zur Vermeidung des Eintritts der Festsetzungsverjährung in die Entscheidung auch die nach Erlass der Einspruchsentscheidung liegenden Anspruchszeiträume einzubeziehen, obwohl dies nach der BFH-Rechtsprechung nicht erforderlich gewesen wäre. Soweit damit eine Verfahrensverzögerung verbunden gewesen sei, wäre es unbillig, diesen Umstand im Entschädigungs-Rechtsstreit zum Vorteil des Klägers zu würdigen. Dem Kläger sei anzulasten, dass er zunächst unzutreffend behauptet habe, in Nordirland sei ein Antrag auf child benefit gestellt worden. Dieser Vortrag habe sich erst im Erörterungstermin --nach mehr als fünfjähriger Verfahrensdauer-- als unzutreffend herausgestellt, so dass der Antrag habe nachgeholt werden müssen. Das FG habe zudem nicht zu vertreten, dass die Familienkasse die Rückantwort des CBO vom 31. August 2010 nicht unverzüglich an das Gericht übermittelt habe. Zudem habe das FG häufig auf Bescheinigungen warten müssen, die der Kläger habe einreichen müssen.

Entscheidungsgründe

21

II. Der Senat entscheidet gemäß § 99 Abs. 1 FGO durch Zwischenurteil vorab über den Grund des Entschädigungsanspruchs. Insoweit ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, während die Entscheidung über die Höhe der geltend gemachten Entschädigung für materielle Nachteile (Überziehungszinsen) wegen der Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsermittlungen noch nicht ergehen kann und dem Endurteil vorbehalten bleibt.

22

Der Kläger hat die erforderliche Verzögerungsrüge noch "unverzüglich" nach dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG erhoben (dazu unter 1.). Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen; allerdings betrifft die Verzögerung einen Zeitraum von 43 Monaten statt der vom Kläger genannten 68 Monate (unter 2.).

23

1. Der Kläger hat im Ausgangsverfahren eine Verzögerungsrüge so rechtzeitig angebracht, dass auch Entschädigungsansprüche für die Zeit vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG gewahrt sind. Die Frage der Erhebung bzw. Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge betrifft entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Zulässigkeit, sondern allein die Begründetheit der Entschädigungsklage (unter a). Zwar kann der vom Kläger bereits vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG angebrachte Hinweis auf die Verfahrensdauer nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden (unter b). Jedoch ist das Schreiben des Klägers vom 15. Februar 2012 als Verzögerungsrüge auszulegen (unter c). Diese Rüge ist noch als "unverzüglich" nach Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG erhoben anzusehen (unter d).

24

a) Anders als der Beklagte meint, hätte das Fehlen einer Verzögerungsrüge oder die nicht unverzügliche Erhebung einer solchen Rüge nicht die Unzulässigkeit der Entschädigungsklage zur Folge. Vielmehr ist die Verzögerungsrüge lediglich materielle Voraussetzung eines Anspruchs auf Geldentschädigung (ebenso Beschluss des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 27. Juni 2013 B 10 ÜG 9/13 B, nicht veröffentlicht --n.v.--, unter II.2.b). Dies folgt bereits aus der Regelung des § 198 Abs. 4 Satz 3 GVG, wonach die Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer --die im Verfahren über eine Entschädigungsklage keinen gesonderten Antrag voraussetzt-- auch dann ausgesprochen werden kann, wenn die in § 198 Abs. 3 GVG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

25

b) Das Schreiben des Klägers vom 8. August 2011 kann nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden. Zwar hat der Kläger schon in diesem Schreiben eine überlange Verfahrensdauer ausdrücklich unter Hinweis auf den seinerzeit von den gesetzgebenden Körperschaften beratenen Entwurf des ÜberlVfRSchG gerügt. Zu diesem Zeitpunkt war das ÜberlVfRSchG --und damit die Vorschrift des § 198 Abs. 3 GVG-- aber noch nicht in Kraft getreten. Das genannte Gesetz ist am Tage nach seiner Verkündung --d.h. am 3. Dezember 2011-- in Kraft getreten. Zwar gilt es auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängig waren (Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG). Für diese Verfahren enthält Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG aber die zusätzliche Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge "unverzüglich nach Inkrafttreten" erhoben werden muss. Eine bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge erfüllt diese Voraussetzung nicht.

26

c) Allerdings ist nicht erst das Schreiben des Klägers vom 21. März 2012 --in dem er erstmals ausdrücklich den Begriff "Verzögerungsrüge" verwendet hat--, sondern bereits das Schreiben vom 15. Februar 2012, das am 16. Februar 2012 beim FG eingegangen ist, als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG anzusehen.

27

aa) Die genannte Vorschrift stellt keine besonderen Anforderungen an die Form oder den Mindestinhalt einer Verzögerungsrüge. In den Gesetzesmaterialien findet sich die --mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang stehende-- Auffassung, eine Verzögerungsrüge könne auch mündlich erhoben werden (BTDrucks 17/3802, 22); auch brauche sie nicht begründet werden, insbesondere genüge ein schlichter Hinweis auf die bisherige Verfahrensdauer (BTDrucks 17/7217, 27). Aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes folgt daher, dass auch eine nicht ausdrücklich als "Verzögerungsrüge" bezeichnete Äußerung eines Verfahrensbeteiligten im Wege der Auslegung als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden kann.

28

Bei der Verzögerungsrüge handelt es sich auch nicht um eine Prozesshandlung im engeren Sinne, weil sie auf das im Ausgangsverfahren bestehende Prozessrechtsverhältnis nicht unmittelbar rechtsgestaltend einwirkt. Die an Prozesshandlungen zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Klarheit, Eindeutigkeit und Bedingungsfeindlichkeit derartiger Äußerungen gelten für Verzögerungsrügen daher nicht.

29

bb) Die erforderliche Auslegung des Schreibens des Klägers vom 15. Februar 2012 führt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um eine Verzögerungsrüge gehandelt hat. Der Kläger hat darin erklärt, "ohne eine klare Richtungsvorgabe" des FG gegenüber der Familienkasse müsse die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2010  46344/06 --Rumpf/Deutschland-- (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 3355) "und die mittlerweile geschaffene Rechtsgrundlage" Anwendung finden. Mit dem vom Kläger genannten Urteil des EGMR ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet worden, innerhalb eines Jahres nach Endgültigkeit jener Entscheidung einen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren einzuführen. Die vom Kläger bezeichnete "mittlerweile geschaffene Rechtsgrundlage" ist das ÜberlVfRSchG.

30

Ein Hinweis eines Verfahrensbeteiligten in einem seinerzeit bereits seit über acht Jahren anhängigen Gerichtsverfahren auf die Rechtsprechung des EGMR zu überlangen Verfahren und die für derartige Fälle neu geschaffene nationale Rechtsgrundlage kann aber --was bisher weder vom FG noch vom Beklagten erwogen worden ist-- nicht anders verstanden werden, als dass der Verfahrensbeteiligte damit eine aus seiner Sicht überlange Verfahrensdauer rügen möchte. Dies gilt im Streitfall erst recht angesichts des Umstands, dass der Kläger bereits vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG die Verfahrensdauer unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den seinerzeitigen Entwurf des ÜberlVfRSchG gerügt hatte.

31

d) Die Verzögerungsrüge vom 16. Februar 2012 ist unverzüglich nach Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG erhoben worden und hat damit Entschädigungsansprüche auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG gewahrt.

32

aa) Gemäß Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. War ein solches anhängiges Verfahren beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits verzögert, gilt die in § 198 Abs. 3 GVG vorgesehene Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge mit der Maßgabe, dass diese "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss" (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum (Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG).

33

bb) Der Begriff "unverzüglich" bedeutet ein Handeln "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Diese Legaldefinition gilt nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus, mithin gleichermaßen im öffentlichen Recht. Der Senat vermag dem Beklagten allerdings nicht darin zu folgen, dass auch die von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 121 BGB in typisierender Betrachtungsweise vertretene Bejahung eines "schuldhaften Zögerns" bei Überschreitung einer Zwei-Wochen-Frist unbesehen auf alle anderen Rechtsbereiche zu übertragen ist, in denen der Gesetzgeber den Begriff "unverzüglich" verwendet.

34

Die angeführte Zwei-Wochen-Frist geht auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 1979  7 AZR 38/78 (BAGE 32, 237, unter IV.2.) zurück. Darin wurde die für außerordentliche fristlose Kündigungen geltende zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB auch zur Auslegung des Begriffs der "Unverzüglichkeit” in Fällen der Irrtumsanfechtung herangezogen.

35

Diese Übertragung der in § 626 BGB genannten Frist ist aber nicht in allen Fällen, in denen der Gesetzgeber den Begriff "unverzüglich” verwendet, sachgerecht. Vielmehr ist eine normspezifische Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals --bzw. der gesetzlichen Erläuterung "ohne schuldhaftes Zögern"-- in Abhängigkeit vom betroffenen Sachbereich, des in diesem Sachbereich typischerweise anzutreffenden Grades der Dringlichkeit, der Interessenlage der Parteien bzw. Beteiligten und dem jeweiligen Zweck des Unverzüglichkeitserfordernisses geboten und wird von der Rechtsprechung und Rechtspraxis auch entsprechend vorgenommen.

36

(1) So findet sich der Begriff "unverzüglich" auch im Zusammenhang mit der Rügepflicht beim Handelskauf (§ 377 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--). Hier liegt auf der Hand, dass die schematische Anwendung einer Zwei-Wochen-Frist nicht sachgerecht wäre, insbesondere wenn es sich um verderbliche Waren handelt. § 377 Abs. 1 HGB ist im Interesse der im Handelsverkehr unerlässlichen schnellen Abwicklung der Handelsgeschäfte streng auszulegen (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30. Januar 1985 VIII ZR 238/83, BGHZ 93, 338, unter 5.c bb). Dementsprechend hat der BGH in der vorstehend angeführten Entscheidung ein zweiwöchiges Zuwarten --das in den Fällen des § 121 BGB noch hinzunehmen wäre-- nicht mehr als ausreichend angesehen. Vielmehr wird für den Regelfall --in Abhängigkeit von den Eigenschaften der betroffenen Ware-- nur die Wahrung einer Frist, die zwischen einigen Stunden und einer Woche beträgt, noch als angemessen angesehen (vgl. Emmerich/Hoffmann in Heymann, HGB, 2. Aufl., § 377 Rz 53 ff., m.w.N.).

37

(2) Gemäß § 34b Abs. 4 Nr. 2 EStG müssen Schäden infolge höherer Gewalt "unverzüglich" nach Feststellung des Schadensfalls der zuständigen Finanzbehörde mitgeteilt werden, damit die für außerordentliche Holznutzungen geltenden ermäßigten Steuersätze in Anspruch genommen werden können. Die Finanzverwaltung sieht dieses Erfordernis noch als gewahrt an, wenn die entsprechende Schadensmeldung spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach Feststellung des Schadens eingereicht wird (Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 5. Februar 2007 S 2232-14-St-212, Einkommensteuer-Kartei Sachsen-Anhalt § 34b EStG Karte 1, unter 1.).

38

(3) Auch in seiner Rechtsprechung zur unverschuldeten verspäteten Geltendmachung von Betriebskosten-Nachforderungen durch den Vermieter (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB) wendet der BGH zur Bestimmung des Zeitraums, der dem Vermieter nach Wegfall des Hindernisses für die Nachholung der Geltendmachung zuzubilligen ist, nicht die aus der Rechtsprechung zu § 121 BGB abgeleitete Zwei-Wochen-Frist, sondern eine Drei-Monats-Frist an (vgl. Urteile vom 5. Juli 2006 VIII ZR 220/05, NJW 2006, 3350, unter II.2.b bb, und vom 12. Dezember 2012 VIII ZR 264/12, NJW 2013, 456).

39

cc) Die gebotene normspezifische Auslegung führt im Falle des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG zu dem Ergebnis, dass eine Zwei-Wochen-Frist nicht sachgerecht ist. Der Senat hält bei typisierender Betrachtung vielmehr eine Frist von drei Monaten für angemessen.

40

(1) Die zu § 121 BGB ergangene Entscheidung des BAG in BAGE 32, 237 ist auf die Situation, wie sie der Gesetzgeber mit dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG und der dazugehörigen Übergangsregelung geschaffen hat, bereits im Ausgangspunkt nicht übertragbar. § 121 BGB betrifft die Anfechtung eines Vertrags wegen eines Irrtums des Anfechtenden. Die Anfechtungsmöglichkeit besteht --in Abgrenzung zu den Fällen des § 123 BGB, für die der Gesetzgeber eine Jahresfrist vorsieht (§ 124 Abs. 1 BGB)-- gerade dann, wenn der andere Teil nichts zu dem Irrtum beigetragen hat. Daher kommt im Rahmen der erforderlichen Abwägung zwischen dem Interesse des Anfechtungsberechtigten an seiner Lösung von dem Vertrag und dem Interesse des Anfechtungsgegners am rechtlichen Bestand des Vertrags dem Schutz des Anfechtungsgegners ein hoher Stellenwert zu. Hinzu kommt, dass die Frist des § 121 BGB --ebenso wie die vom BAG herangezogene zweiwöchige Frist für die außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB-- erst beginnt, wenn der Anfechtungs- bzw. Kündigungsberechtigte positive Kenntnis von dem Anfechtungs- bzw. Kündigungsgrund hat; ein bloßes Kennenmüssen löst den Fristbeginn hingegen nicht aus.

41

Beide genannten Gesichtspunkte, die in den Fällen des § 121 BGB für eine eher strenge Auslegung des Tatbestandsmerkmals "unverzüglich" sprechen, sind in den Fällen des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nicht einschlägig. Hier liegt die wesentliche Ursache für die Erforderlichkeit der unverzüglichen Abgabe einer Erklärung nicht beim Erklärenden --im Fall des § 121 BGB dem Anfechtungsberechtigten, im Fall des ÜberlVfRSchG dem späteren Entschädigungskläger--, sondern beim Erklärungsempfänger. Denn vor allem das Gericht hat durch sein zögerliches Verhalten --unterstellt, die Verzögerungsrüge sei berechtigt-- die Ursache für die Erhebung der Verzögerungsrüge gesetzt. Zudem knüpft Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG den Beginn des zur Verfügung stehenden Zeitraums an ein rein objektives Kriterium --das Inkrafttreten des Gesetzes--; eine positive Kenntnis des Berechtigten von dem Ereignis, das den Fristenlauf auslöst, ist nicht erforderlich.

42

Beide Gesichtspunkte rechtfertigen und gebieten es, den Begriff der "Unverzüglichkeit" hier deutlich weniger streng auszulegen als bei § 121 BGB.

43

(2) Gleichwohl lässt sich der in der Entscheidung in BAGE 32, 237 enthaltene grundsätzliche methodische Ansatz des BAG, in verwandten Rechtsnormen genannte Fristen für eine normspezifische Konkretisierung des Begriffs "unverzüglich" heranzuziehen, auch vorliegend fruchtbar machen. So gilt für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz --abweichend von der einmonatigen Regelfrist-- eine Frist von einem Jahr (§ 93 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht --BVerfGG--). Beschwerden zum EGMR können innerhalb von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung erhoben werden (Art. 35 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten --EMRK--).

44

§ 93 Abs. 3 BVerfGG zeigt, dass der nationale Gesetzgeber in Fällen, in denen das Inkrafttreten eines Gesetzes einen Fristenlauf auslöst, die für die Erhebung von Rechtsbehelfen ansonsten allgemein übliche Monatsfrist nicht als ausreichend ansieht, sondern eine erheblich längere Frist gewährt. Die Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK steht wiederum in einem sehr engen Zusammenhang zu dem in Entschädigungsklagefällen betroffenen Sachbereich, da mit dem ÜberlVfRSchG gerade die Rechtsprechung des EGMR umgesetzt werden sollte und weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland durch den EGMR vermieden werden sollten.

45

In seinen Entscheidungen, die nach Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG ergangen sind, verweist der EGMR die Beschwerdeführer auch in solchen Verfahren, die bei ihm bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes anhängig waren, auf den nationalen Rechtsbehelf der Entschädigungsklage. Er führt aber zugleich aus, dass er diese Position in Zukunft überprüfen werde, was insbesondere von der Fähigkeit der innerstaatlichen Gerichte abhängig sei, im Hinblick auf das ÜberlVfRSchG eine konsistente und den Erfordernissen der EMRK entsprechende Rechtsprechung zu etablieren (so ausdrücklich Entscheidung des EGMR vom 29. Mai 2012  53126/07 --Taron/Deutschland--, Europäische Grundrechte-Zeitschrift 2012, 514, Rz 45). Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch die Erfordernisse eines effektiven Menschenrechtsschutzes zu berücksichtigen, mit dem eine kurze --den auch für bereits anhängige Fälle erforderlichen Rechtsschutz eher verhindernde als ermöglichende-- Zwei-Wochen-Frist nicht vereinbar wäre.

46

(3) Hiervon ausgehend hält der Senat eine Frist im Umfang der Hälfte der in Art. 35 Abs. 1 EMRK genannten Frist --d.h. drei Monate-- für erforderlich, um den Anforderungen der EMRK Rechnung zu tragen, aber auch für ausreichend, damit Prozessbevollmächtigte sämtliche von ihnen geführte Verfahren auf mögliche Verzögerungen analysieren können (a.A. ohne Begründung in einer nicht tragenden Erwägung für eine am 13. Februar 2012 erhobene Verzögerungsrüge Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. September 2012 L 38 SF 73/12 EK AS, n.v.; ebenso Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 4. Juli 2013  1 SchH 10/12 (EntV), NJW 2013, 3109, für eine am 23. Januar 2013 eingegangene Verzögerungsrüge).

47

Diese Frist hat der Kläger im Streitfall mit seinem am 16. Februar 2012 beim FG eingegangenen Schreiben gewahrt.

48

2. Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich entgegen der Auffassung des Klägers aber nicht auf 68 Monate, sondern auf 43 Monate.

49

a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (näher dazu Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12, BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.3.a).

50

Grundlage dieser Rechtsprechung ist zum einen die Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, wonach jede Person ein Recht darauf hat, dass über Streitigkeiten von einem Gericht "innerhalb angemessener Frist verhandelt wird". Zum anderen folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ein Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über streitige Rechtsverhältnisse "in angemessener Zeit" (BVerfG-Beschluss vom 27. Juli 2004  1 BvR 1196/04, NJW 2004, 3320, unter II.2.a, m.w.N.).

51

b) Bei der Konkretisierung dieses Anspruchs des Verfahrensbeteiligten und bei der Ableitung der in § 198 GVG vorgesehenen Rechtsfolgen für den einzelnen Fall ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der "Angemessenheit" für Wertungen offen ist. Dies ermöglicht es, dem Spannungsverhältnis zwischen einem möglichst zügigen Abschluss des Rechtsstreits und anderen, ebenfalls hochrangigen sowie verfassungs- und menschenrechtlich verankerten prozessualen Grundsätzen Rechnung zu tragen (allgemein zu diesem Spannungsverhältnis bereits Urteil des BSG vom 21. Februar 2013 B 10 ÜG 1/12 KL, Die Sozialgerichtsbarkeit --SGb-- 2013, 527, zur amtlichen Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, unter 2.a aa, m.w.N.). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck (so auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 11. Juli 2013  5 C 23.12 D, zur amtlichen Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen, unter 1.b bb (3)).

52

So könnte eine Überbeschleunigung von Verfahren in einen Konflikt mit dem --durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG abgesicherten-- Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes geraten, zu dessen Kernbereich die Schaffung gerichtlicher Strukturen gehört, die eine möglichst weitgehende inhaltliche Richtigkeit von Entscheidungen und ihre möglichst hohe Qualität gewährleisten. Ferner könnte der Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 97 Abs. 1 GG) berührt sein, sofern die Entschädigungsgerichte mittelbar in die Freiheit der Richter eingreifen würden, ihr Verfahren frei von äußeren Einflüssen zu gestalten. Auch der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) könnte betroffen sein, wenn zunehmender Beschleunigungsdruck dazu führen würde, dass Verfahren bereits wegen kurzzeitiger, in der Person eines Richters liegender Erledigungshindernisse (z.B. einer nicht langfristigen Erkrankung oder einer lediglich als vorübergehend anzusehenden höheren Belastung durch anderweitige Verfahren) diesem Richter entzogen und einem anderen Richter zugewiesen werden.

53

Der erkennende Senat ist daher, um diesen gegenläufigen, ebenfalls hochrangigen Rechtsgrundsätzen Rechnung zu tragen, der Auffassung, dass die zeitliche Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens nicht zu eng gezogen werden darf. Die Dauer eines Gerichtsverfahrens ist nicht schon dann "unangemessen", wenn die Betrachtung eine Abweichung vom Optimum ergibt. Vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen festzustellen sein (ebenso BSG-Urteil in SGb 2013, 527, unter 2.a aa). Hinzu kommt, dass die Betrachtung des jeweiligen Verfahrensablaufs durch das Entschädigungsgericht notwendigerweise rückblickend vorgenommen wird und daher regelmäßig auf bessere Erkenntnisse gegründet ist als sie das Ausgangsgericht haben konnte.

54

Aus den genannten Gründen ist dem Ausgangsgericht ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens einzuräumen (vgl. auch BVerwG-Urteil 5 C 23.12 D, unter 1.b bb (3)). So ist jedes Gericht --nicht nur ein Rechtsmittelgericht, das in besonderem Maße Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden hat-- berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils denknotwendig zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt. Ebenso ist es hinzunehmen, wenn die --durch Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG im Einzelfall als geboten erscheinende und zum Kernbereich der durch Art. 97 Abs. 1 GG geschützten richterlichen Unabhängigkeit gehörende-- besonders intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren notwendigerweise dazu führt, dass sich nicht allein die Dauer dieses Verfahrens verlängert, sondern während dieser Zeit auch eine Förderung aller anderen diesem Richter zugewiesenen Verfahren nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass es aus nachvollziehbaren Gründen der öffentlichen Personalwirtschaft gerichtsorganisatorisch mitunter unvermeidbar ist, Richtern oder Spruchkörpern einen relativ großen Bestand an Verfahren zuzuweisen. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Spruchkörper bzw. Richter zugewiesen sind, ist aber aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht verlangt.

55

Der damit vom Entschädigungsgericht den Ausgangsgerichten eingeräumte Gestaltungsspielraum dient dazu, dass Gerichte --ohne unangemessene Überbetonung allein des zeitlichen bzw. quantitativen Aspekts richterlicher Verfahrensgestaltung und Entscheidungsfindung-- in innerer und äußerer Freiheit und Unabhängigkeit inhaltlich möglichst zutreffende und qualitativ möglichst hochwertige Entscheidungen treffen können. Stets ist zu beachten, dass sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts verdichtet, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG-Beschluss in NJW 2004, 3320, unter II.2.a, m.w.N.).

56

c) Die nach dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG --sowie nach der im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommenden Konzeption des EGMR und BVerfG-- damit im Vordergrund stehende Einzelfallbetrachtung schließt es aus, im Rahmen der Auslegung der genannten Vorschrift konkrete Fristen zu bezeichnen, innerhalb der ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein sollte (dazu unter aa) oder bei deren Überschreitung eine "absolute überlange Verfahrensdauer" anzunehmen sein soll, die ohne weitere Einzelfallbetrachtung zur Zuerkennung einer Entschädigung führen soll (unter bb).

57

aa) In der Literatur wird mitunter vertreten, der Rechtsprechung des EGMR sei zu entnehmen, dass die angemessene Verfahrensdauer grob ein Jahr pro Instanz betrage (Böcker, Deutsches Steuerrecht 2011, 2173, 2175, m.N. in Fn. 25; ders., Der Betrieb 2013, 1930, 1931).

58

Daran ist zutreffend, dass sich in mehreren Entscheidungen des EGMR die Formulierung findet, "one year per instance may be a rough rule of thumb in Article 6 § 1 cases" (ein Jahr pro Instanz mag eine grobe Faustregel in Fällen des Art. 6 Abs. 1 EMRK sein). Tragend war diese Formulierung aber für keine der Entscheidungen des EGMR, in denen sie verwendet worden ist. Ganz überwiegend sind diese Entscheidungen von vornherein nicht zu Art. 6 Abs. 1 EMRK ergangen, der den Anspruch auf Entscheidung "innerhalb angemessener Frist" enthält, sondern zu Freiheitsentziehungen i.S. des Art. 5 EMRK, der in Abs. 4 einen Anspruch auf gerichtliche Entscheidung "innerhalb kurzer Frist" vorsieht (zu Strafverfahren in der Russischen Förderation vgl. Entscheidungen des EGMR vom 7. April 2005  54071/00 --Rokhlina--; vom 8. November 2005  6847/02 --Khudoyorov--; vom 24. Mai 2007  27193/02 --Ignatov--, Rz 111; vom 9. Oktober 2008  62936/00 --Moiseyev--, Rz 160, und vom 26. November 2009  13591/05 --Nazarov--, Rz 126; zur zwangsweisen Unterbringung eines als "Psychopathen" eingestuften Straftäters in einer britischen Klinik vgl. EGMR-Urteil vom 20. Februar 2003  50272/99 --Hutchison Reid--, Rz 79). Im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK findet sich diese Formel --ebenfalls nicht tragend-- in einer Entscheidung, die eine arbeitsrechtliche Streitigkeit wegen einer angeblichen Diskriminierung betraf (EGMR-Urteil vom 16. Januar 2003  50034/99 --Obasa--, Rz 35). Arbeitsrechtliche Streitigkeiten gehören aber grundsätzlich zu den Verfahrensarten, die besonders eilbedürftig sind (vgl. Peukert in Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Art. 6 Rz 262, m.w.N. auf die Rechtsprechung des EGMR). Insoweit enthalten auch die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) seit jeher besondere Beschleunigungsgebote, die sich in den für andere Gerichtszweige geltenden Verfahrensordnungen nicht finden (z.B. § 9 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 2, § 47 Abs. 2, § 61a ArbGG).

59

Eine Entscheidung des EGMR, die tragend auf die "grobe Faustregel" einer angemessenen Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz gestützt oder in der gar ein geringfügiges Überschreiten dieser zeitlichen Grenze als unangemessen angesehen worden wäre, ist weder in der Literatur nachgewiesen noch sonst ersichtlich.

60

Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 198 GVG wäre eine Auslegung dieser Vorschrift dahingehend, eine Jahresfrist als "Faustregel" anzunehmen, schon durch die Entstehungsgeschichte dieser Norm ausgeschlossen. Im Gesetzgebungsverfahren war ausdrücklich beantragt worden, in das Gesetz eine Regelung aufzunehmen, wonach bei einer Verfahrenslaufzeit von mehr als einem Jahr die Unangemessenheit der Verfahrensdauer vermutet werden sollte. Dieser Antrag ist indes von der großen Mehrheit der Abgeordneten des Rechtsausschusses abgelehnt worden (zum Ganzen ausführlich BTDrucks 17/7217, 25).

61

bb) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, ab einer --im Streitfall gegebenen-- Verfahrenslaufzeit von acht Jahren sei von einer "absoluten überlangen Verfahrensdauer" auszugehen, die eine Einzelfallprüfung entbehrlich mache, vermag der Senat dem ebenfalls nicht zu folgen. Zwar verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG-Beschluss in NJW 2004, 3320, unter II.2.a, m.w.N.). Eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls bleibt aber stets erforderlich. Selbst wenn es eine Grenze der "absoluten überlangen Verfahrensdauer" gäbe, wäre diese jedenfalls nicht bei acht Jahren zu ziehen (vgl. --unter Auswertung der Rechtsprechung des EGMR-- Peukert in Frowein/Peukert, a.a.O., Art. 6 Rz 249: erst eine Verfahrensdauer von zehn und mehr Jahren werde "grundsätzlich als nicht angemessen" bewertet).

62

d) Gleichwohl können angesichts der besonderen Bedingungen, die die im Vergleich zu anderen Gerichtsbarkeiten eher homogene Fallstruktur in der Finanzgerichtsbarkeit und die relativ einheitliche Bearbeitungsweise der einzelnen Gerichte und Spruchkörper mit sich bringen, für bestimmte typischerweise zu durchlaufende Abschnitte finanzgerichtlicher Verfahren --nicht jedoch für ihre Gesamtdauer-- zeitraumbezogene Konkretisierungen gefunden werden. Vorrang behält dennoch die stets vorzunehmende Einzelfallbetrachtung.

63

aa) Nach den Ausführungen unter c kann ein Regel- oder auch nur Anhaltswert für die Gesamtdauer eines Verfahrens nicht genannt werden. Dies folgt schon daraus, dass der Schwierigkeitsgrad des einzelnen Verfahrens sowohl rechtstatsächlich von entscheidender Bedeutung für die konkrete Verfahrensdauer ist als auch nach der Konzeption des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG zu den wesentlichen Merkmalen für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer gehört. Finanzgerichtliche Verfahren unterscheiden sich in ihrem Schwierigkeitsgrad und der dadurch hervorgerufenen Bearbeitungsintensität und -dauer so sehr voneinander, dass eine Generalisierung der Gesamtverfahrensdauer nicht möglich ist.

64

Auf der anderen Seite wird die höchstrichterliche finanzgerichtliche Rechtsprechung in Entschädigungssachen, schon zur Gewährleistung einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung und um der Rechtspraxis Anhaltspunkte für die Einschätzung der Erfolgsaussichten etwa zu erhebender Entschädigungsklagen zu geben, es nicht gänzlich vermeiden können, dort --unter Beachtung des Grundsatzes, dass die stets vorzunehmende Einzelfallbetrachtung Vorrang hat-- zeitraumbezogene Konkretisierungen vorzunehmen, wo derartige Konkretisierungen aufgrund vorgefundener Übereinstimmungen sowohl in der Struktur zahlreicher finanzgerichtlicher Verfahren als auch ihrer Bearbeitung durch die Gerichte vertretbar sind.

65

bb) Die Frage, ob zeitliche Konkretisierungen stets ausgeschlossen sind oder für bestimmte Fallgruppen eine Erleichterung der rechtlichen Beurteilung ermöglichen, wird in der bisherigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu § 198 GVG nicht einheitlich beurteilt. Dies beruht indes darauf, dass zwischen den einzelnen Gerichtsbarkeiten erhebliche Unterschiede sowohl in der Struktur und Streubreite der Verfahren als auch in den Verfahrensabläufen bestehen. So lehnt das BVerwG (Urteil 5 C 23.12 D, unter 1.b aa (2)) für instanzgerichtliche Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit jede Orientierung an Anhaltswerten ab und führt zur Begründung aus, die Struktur der zu entscheidenden Verfahren sei zu unterschiedlich. Demgegenüber sieht das BSG für Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde --deren Ablauf aufgrund der im Höchstfall drei Monate betragenden Begründungsfrist und des Umstands, dass in aller Regel Sachverhaltsermittlungen nicht vorgesehen sind, in besonderem Maße standardisiert ist, so dass die einzelnen Verfahren nur eine geringe Varianz zueinander aufweisen-- eine Regelfrist für die Gesamtbearbeitungsdauer von zwölf Monaten vor (BSG-Urteil in SGb 2013, 527, unter 2.a cc ccc).

66

cc) Dies vorausgeschickt, lässt sich für den ganz überwiegenden Teil der finanzgerichtlichen Klageverfahren zum einen feststellen, dass die jeweiligen Verfahrenssituationen und Streitgegenstände im Kern miteinander vergleichbar sind und eine erheblich geringere Varianz zueinander aufweisen als dies in der Verwaltungs- oder Zivilgerichtsbarkeit der Fall ist. In den meisten Fällen geht es darum, dass der Bürger sich gegen einen Geldanspruch wendet, den die Finanzverwaltung durch Steuerbescheid gegen ihn festgesetzt hat, oder --in Gestalt einer Steuervergütung-- seinerseits einen Geldanspruch von der Finanzverwaltung begehrt.

67

Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass der Ablauf der weitaus meisten finanzgerichtlichen Klageverfahren im Wesentlichen einer Einteilung in drei Phasen folgt: Die erste Phase besteht in der Einreichung und im Austausch vorbereitender Schriftsätze (§ 77 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch die Beteiligten. Das Gericht wird in dieser Phase zumeist nur insoweit tätig, als es eingehende Schriftsätze an den jeweils anderen Beteiligten weiterleitet; die Erteilung rechtlicher Hinweise durch das Gericht beschränkt sich --auch mangels Vorliegens der Akten der beklagten Behörde-- auf Ausnahmefälle. An das Ende dieses Schriftsatzaustausches schließt sich in der Regel eine Phase an, in der das Verfahren --gerichtsorganisatorisch durch die Gesamtanzahl der dem Spruchkörper oder Richter zugewiesenen Verfahren bedingt-- wegen der Arbeit an anderen Verfahren nicht bearbeitet werden kann. Der Beginn der dritten Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass das Gericht Maßnahmen trifft, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen (z.B. Handlungen der Sachaufklärung, Erteilung rechtlicher Hinweise, sonstige in § 79 FGO genannte Anordnungen, in einfach gelagerten Fällen auch die sofortige Ladung zur mündlichen Verhandlung). Diese dritte Phase ist in besonderem Maße vom Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter --insbesondere von deren Reaktionsgeschwindigkeit auf gerichtliche Anfragen und Ermittlungshandlungen-- und der Intensität der Bearbeitung durch den hierfür berufenen Richter abhängig. Die Frage, welche Dauer für diese Phase --und damit auch für die Gesamtlaufzeit eines Verfahrens-- "angemessen" ist, entzieht sich daher jedem Versuch einer Typisierung oder zeitlichen Konkretisierung. Gleiches mag für die erste Phase gelten, da auch die Dauer des Wechsels vorbereitender Schriftsätze zwischen den Beteiligten häufig vom Schwierigkeitsgrad des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten abhängig sein wird.

68

Demgegenüber eignet sich die dargestellte zweite Phase eher für die Suche nach zeitlichen Konkretisierungen. Insbesondere ist sie in erster Linie gerichtsorganisatorisch bedingt, weist aber keinen Zusammenhang zum Schwierigkeitsgrad des einzelnen Verfahrens auf, da ein --vermeintlich-- höherer Schwierigkeitsgrad eines Verfahrens nicht als sachlicher Grund anzusehen wäre, ein solches Verfahren länger als vermeintlich einfachere Verfahren unbearbeitet zu lassen. Zugleich ist diese zweite Phase typischer finanzgerichtlicher Verfahren im Hinblick auf den Schutzzweck der §§ 198 ff. GVG von besonderer Bedeutung, da gerade während eines Zeitraums, in dem weder die Beteiligten noch das Gericht Aktivitäten entfalten, für den Verfahrensbeteiligten mit zunehmender Dauer dieses Zeitraums die Frage Bedeutung gewinnt, wann denn mit einer Förderung und Entscheidung "seines" Verfahrens zu rechnen sei. Demgegenüber ist in der ersten Phase, in der die Beteiligten aktiv sind, und in der dritten Phase, in der das Gericht das Verfahren in Richtung auf eine Entscheidung vorantreibt, die Betroffenheit des Verfahrensbeteiligten durch eine --unter Umständen längere-- Dauer dieser Verfahrensabschnitte geringer, weil das Verfahren jeweils gefördert wird. Die Dauer dieser Verfahrensabschnitte wird daher im Wesentlichen nur durch den aus der Rechtsprechung des BVerfG folgenden Gesichtspunkt begrenzt, wonach sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts verdichtet, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (Beschluss in NJW 2004, 3320, unter II.2.a, m.w.N.).

69

dd) Vor diesem Hintergrund spricht bei einem finanzgerichtlichen Klageverfahren, das im Vergleich zu dem dargestellten Verfahrensablauf keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, eine Vermutung dafür, dass die Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen (vgl. hierzu bereits Senatsurteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.3.a b), und die damit begonnene ("dritte") Phase des Verfahrensablaufs nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt.

70

Der erkennende Senat hat diesen für die Dauer der ersten beiden Phasen genannten, in einem Verfahren ohne Besonderheiten die Vermutung der Angemessenheit begründenden "Karenzzeitraum" von gut zwei Jahren anhand einer Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte gewonnen. Ein solcher Zeitraum erscheint für den Regelfall als ausreichend, dem gerichtsorganisatorisch bedingten Faktum Rechnung zu tragen, dass zu einem richterlichen Dezernat zahlreiche Verfahren gehören, die aber nicht allesamt gleichzeitig mit dem erforderlichen Tiefgang bearbeitet werden können. Zugleich ermöglicht es dieser Zeitraum dem Richter an einem oberen Landesgericht (vgl. § 2 FGO), in Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit und das qualitativ hohe Niveau seiner Entscheidung sowie in Ausübung seiner richterlichen Unabhängigkeit gegebenenfalls von seinem Gestaltungsspielraum (siehe oben b) Gebrauch zu machen, indem er einzelne Verfahren zeitlich vorzieht oder besonders intensiv bearbeitet, und andere Verfahren dadurch notwendigerweise länger unbearbeitet lässt.

71

Auf der anderen Seite hält es der Senat dem Verfahrensbeteiligten noch für zumutbar, bis zu zwei Jahre auf den Beginn der zielgerichteten Bearbeitung durch das FG zu warten. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass der Gegenstand finanzgerichtlicher Klageverfahren --anders als etwa die typische Streitigkeit aus dem Bereich des Arbeits-, Familien- oder Statusrechts oder des Rechts existenzsichernder Sozialleistungen (vgl. die auf die Rechtsprechung des EGMR gestützte Zusammenstellung eilbedürftiger Verfahrensarten bei Peukert in Frowein/Peukert, a.a.O., Art. 6 Rz 262)-- typischerweise nicht durch besondere Eilbedürftigkeit gekennzeichnet ist. Es geht in aller Regel um staatliche Geldansprüche, die zudem regelmäßig auf einen Bruchteil des Einkommens, Umsatzes oder der sonstigen Wirtschaftsteilhabe des Verfahrensbeteiligten beschränkt sind. Zudem gewähren Finanzverwaltung und -gerichte unter Anwendung relativ großzügiger Maßstäbe Aussetzung der Vollziehung, so dass die meisten Verfahrensbeteiligten während der Verfahrensdauer von der Pflicht zur Leistung der streitigen Steuern entweder befreit sind oder sich befreien lassen könnten.

72

Eine Frist von etwa zwei Jahren wird auch von großen Teilen der Literatur vertreten (Peukert in Frowein/Peukert, a.a.O., Art. 6 Rz 249: 1,5 bis zwei Jahre; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 6 Rz 199: zwei Jahre; Remus, NJW 2012, 1403, 1404: zwei bis drei Jahre). Sie entspricht zudem der tatsächlichen durchschnittlichen Dauer zulässiger Klageverfahren, die von den Finanzgerichten in den Jahren 2007 bis 2010 durch Urteil entschieden worden sind (Geschäftsbericht der Finanzgerichte der Bundesrepublik Deutschland für die Jahre 2009 und 2010, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1578, 1581; vgl. aber zur eingeschränkten Aussagekraft statistischer Werte für die Konkretisierung des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG BVerwG-Urteil 5 C 23.12 D, unter 1.b aa (2)). Auch das BVerfG hat es --in Bezug auf sein eigenes Verfahren-- nicht als unangemessen angesehen, wenn bis zur Entscheidung über einen Schadensersatz-Geldanspruch ein Zeitraum von 27 Monaten verstrichen ist (BVerfG-Beschluss vom 3. April 2013  1 BvR 2256/10 - Vz 32/12, NJW 2013, 2341, unter II.1.c vor aa). Zwar beziehen sich alle vorstehend genannten Durchschnittswerte auf die gesamte Verfahrenslaufzeit, während der vom Senat genannte Zeitraum nur die beiden ersten Phasen eines typischen finanzgerichtlichen Verfahrens erfasst. Die damit verbundene Gewährung eines zusätzlichen Bearbeitungszeitraums rechtfertigt sich aber daraus, dass eine entschädigungspflichtige menschenrechts- und grundgesetzwidrige Verzögerung nur bei einer deutlichen Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen festzustellen ist (vgl. oben b). Hinzu kommt, dass gerade bei einfach gelagerten Verfahren die dritte Phase der Bearbeitung sich häufig auf die Ladung zur und Durchführung der mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins beschränken wird, also nicht zu einer wesentlichen weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer führt.

73

ee) Allerdings steht es jedem Verfahrensbeteiligten frei, das Gericht auf eine aus seiner Sicht gegebene besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens hinzuweisen. Dies zeigt auch die Regelung des § 198 Abs. 3 Satz 3 GVG, die Umstände erfasst, die für ein besonderes Beschleunigungsbedürfnis von Bedeutung sind (vgl. BTDrucks 17/3802, 21). Werden solche Gründe rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise vorgetragen, gilt die eingangs genannte Vermutung, die Verfahrensdauer sei angemessen, wenn die dritte Phase im Verfahrensablauf gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage beginnt, nicht. Vielmehr kommt es dann ausschließlich auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an.

74

e) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass das Ausgangsverfahren während eines Zeitraums von 43 Monaten in unangemessener Weise verzögert worden ist.

75

aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.

76

So war der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens als überdurchschnittlich hoch anzusehen. Zum einen waren Sachverhaltsermittlungen im Ausland durchzuführen, die sich als äußerst langwierig gestalteten. Zum anderen waren sowohl ausländische als auch komplexe europäische Rechtsvorschriften anzuwenden. Die Auslegung der letztgenannten Vorschriften hat gerade während der Zeit der Anhängigkeit des Ausgangsverfahrens einer sehr dynamischen Entwicklung unterlegen.

77

Auf der anderen Seite war auch die Bedeutung des Verfahrens für den Kläger als überdurchschnittlich hoch einzuschätzen. Das Kindergeld stellt --obwohl es rechtstechnisch im EStG geregelt ist und als "Steuervergütung" bezeichnet wird (§ 31 Satz 3 EStG)-- eine Leistung zur Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG) dar, die ihren Förderzweck grundsätzlich nur erfüllen kann, wenn es den Berechtigten in zeitlichem Zusammenhang zum Anfallen der kindbedingten Unterhaltsaufwendungen ausgezahlt wird. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren trotz eines entsprechenden Hinweises des Beklagten keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht hat, so dass nicht festgestellt werden kann, dass er auf die möglichst zügige Auszahlung des Kindergelds ebenso angewiesen war wie ein Empfänger solcher Sozialleistungen, die zur Existenzsicherung und ausschließlich in Fällen einer konkreten Bedürftigkeit gezahlt werden.

78

Das Verhalten Dritter hat in erheblichem Maße zu der letztlich erreichten Verfahrensdauer von mehr als acht Jahren beigetragen. So war lange Zeit unklar, ob E --die am Klageverfahren nicht beteiligt war und deren Verhalten dem Kläger nicht zuzurechnen ist-- überhaupt einen Kindergeldantrag in Nordirland gestellt hatte. Auch erteilte E nur sehr schleppend Auskünfte über die ihr gegenüber ergangenen Entscheidungen der CBO; ebenso haben die CBO selbst sowie die nordirische Verbindungsstelle der Familienkasse jeweils längere Zeit benötigt, um Auskünfte gegenüber der Familienkasse zu erteilen. Die Familienkasse als Verfahrensbeteiligte hat insoweit zu einer nennenswerten Verfahrensverzögerung beigetragen, als sie die --letztlich streitentscheidende-- Antwort der CBO nicht an das FG weitergeleitet, sondern unbearbeitet zu ihren Akten genommen hat.

79

bb) Die vom Senat erkannte Verzögerung um 43 Monate ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.

80

(1) Das seit dem 20. Februar 2004 beim FG anhängige Ausgangsverfahren ist bereits unmittelbar nach seinem Eingang sehr zielgerichtet durch den damaligen Vorsitzenden gefördert worden. Dieser hat am 7. Juni 2004 einen rechtlichen Hinweis an den Kläger gerichtet, der der rechtlichen und tatsächlichen Problematik des Falles umfassend gerecht geworden, vom Kläger aber nur unzureichend aufgegriffen worden ist. Weitere Hinweise des damaligen Senatsvorsitzenden folgten am 2. Februar 2005 und 24. März 2005. Danach hat das FG seine Tätigkeit indes für einen mehrjährigen Zeitraum eingestellt.

81

(2) Geht man nach den unter d dargelegten Grundsätzen davon aus, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu vermuten ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und berücksichtigt man zusätzlich, dass der damalige Senatsvorsitzende bereits während des Wechsels der vorbereitenden Schriftsätze zwischen den Beteiligten zielgerichtete rechtliche Hinweise erteilt hatte, was eine gewisse Verlängerung der Regelfrist rechtfertigt, hätte das FG das Verfahren im zweiten Halbjahr 2006 wieder aufgreifen und durch kontinuierliches Tätigwerden zur Entscheidungsreife führen müssen. Da zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits die Familienkasse eigenständig mit Ermittlungen in Nordirland begonnen hatte, war es unter den besonderen Umständen des Streitfalls für das FG sachgerecht, den Ausgang dieser Ermittlungen zunächst abzuwarten. Daher ist die Regelfrist hier um weitere sechs Monate zu verlängern. Spätestens ab dem Beginn des Jahres 2007 --das Verfahren war seinerzeit bereits fast drei Jahre anhängig-- genügte es aber nicht mehr, lediglich das eigenständige (und bisher nicht zu konkreten Ergebnissen führende) Handeln der Familienkasse zu beobachten. Vielmehr hätte das FG entweder selbst --notfalls, wie wesentlich später auch tatsächlich geschehen, über den Kläger-- darauf hinwirken müssen, dass E in Nordirland einen bearbeitungsfähigen Kindergeldantrag stellt, oder aber im Wege der ihm obliegenden Sachaufklärung den Inhalt des im Vereinigten Königreich geltenden Kindergeldrechts ermitteln müssen.

82

(3) Seit Januar 2007 war das Verfahren daher als verzögert anzusehen. Die Verzögerung wurde auch nicht durch die zwischen November 2007 und Februar 2008 an die Familienkasse gerichteten Sachstandsanfragen des FG unterbrochen. Denn in diesem Verfahrensstadium war --wie vorstehend unter (2) dargelegt-- das bloße Abwarten der Ergebnisse der eigenen Ermittlungen der Familienkasse nicht mehr ausreichend. Die Verzögerung des Verfahrens endete vielmehr --vorläufig-- erst mit der im April 2009 ergangenen Ladung zum Erörterungstermin. Von Januar 2007 bis März 2009 ist danach eine unangemessene Verfahrensverzögerung von 27 Monaten zu verzeichnen.

83

(4) Mit Zustimmung der Beteiligten hat das FG am 15. Juni 2009 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Zeit eines einvernehmlichen förmlichen Ruhens des Verfahrens kann grundsätzlich nicht als unangemessen im Hinblick auf die Gesamtverfahrensdauer angesehen werden, da jeder Beteiligte die Möglichkeit hat, den Eintritt des Ruhens durch Versagung seiner erforderlichen Zustimmung zu verhindern.

84

Allerdings endet die Wirkung eines Ruhensbeschlusses von selbst, sobald das in diesem Beschluss genannte Ereignis eintritt (BFH-Beschluss vom 9. August 2007 III B 187/06, BFH/NV 2007, 2310). Für den konkreten Zeitpunkt, zu dem die Wirkung eines Ruhensbeschlusses endet, ist dabei die Formulierung des jeweiligen Beschlusstenors maßgebend. So endet ein "bis zum Ergehen" einer bestimmten obergerichtlichen Entscheidung angeordnetes Ruhen bereits mit dem --objektiven-- Ergehen der Entscheidung im bezeichneten Musterverfahren; ob das Gericht oder die Beteiligten im bisher ruhenden Verfahren Kenntnis von der obergerichtlichen Entscheidung haben, ist ohne Belang (BFH-Beschluss vom 8. Januar 2013 V B 23/12, BFH/NV 2013, 748). Ebenso kommt es zur Beurteilung des vorliegenden Falles, in dem das FG das Ruhen "bis zur Entscheidung" über den Antrag der E angeordnet hatte, allein auf das objektive Ergehen dieser Entscheidung an, nicht aber auf die entsprechende Kenntniserlangung durch das FG. Damit ruhte das Ausgangsverfahren ab dem 30. März 2010, dem Datum der Entscheidung der CBO, nicht mehr.

85

(5) Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Ausgangsverfahren ab diesem Zeitpunkt wieder als unangemessen verzögert anzusehen wäre. Vielmehr ist im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit zu berücksichtigen, dass das FG vom objektiven Wegfall des Ruhensgrunds keine Kenntnis haben konnte. Zudem hat das FG die Familienkasse bereits am 6. April 2010 gebeten, über deren nordirische Verbindungsstelle Ermittlungen zum Schicksal des Kindergeldantrags zu führen. Dies war sachgerecht.

86

Nach Auffassung des Senats durfte das FG in diesem Verfahrensstadium allerdings nicht länger als sechs Monate auf eine Antwort warten. Zwar nehmen Ermittlungen, die im Wege der Einschaltung ausländischer Behörden geführt werden, erfahrungsgemäß deutlich längere Zeiträume in Anspruch als vergleichbare Ermittlungen im Inland. Auf der anderen Seite sind die Verbindungsstellen der Familienkassen gerade deshalb geschaffen worden, um im Interesse der Verfahrensbeschleunigung einen unmittelbaren Verkehr zwischen den beteiligten Fachbehörden zu ermöglichen (vgl. Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern), ohne den komplizierten und zeitraubenden Weg eines Rechtshilfeersuchens zu gehen. Zudem war das Verfahren beim Beginn dieser Ermittlungen bereits seit über sechs Jahren anhängig und schon erheblich verzögert. In einem solchen Fall verdichtet sich --wie bereits ausgeführt-- die Pflicht des Gerichts, auf eine ununterbrochene Förderung des Verfahrens hinzuwirken. Angesichts des Umstands, dass im gesamten Verlauf des bisherigen Verfahrens keine brauchbaren Unterlagen aus Nordirland beim FG eingegangen waren, durfte es sich nicht allein auf die Antwortbereitschaft der ausländischen Behörde verlassen. Spätestens im November 2010 hätte das FG daher auf anderem Wege tätig werden müssen. Tatsächlich ist es jedoch erst am 10. August 2011 --auf Drängen des Klägers-- tätig geworden, indem es diesen um die Vorlage einer Bescheinigung des CBO gebeten hat. Für den Zeitraum von November 2010 bis Juli 2011 ist somit eine weitere unangemessene Verzögerung von neun Monaten zu verzeichnen.

87

(6) Der Kläger reichte die angeforderte Bescheinigung am 6. Dezember 2011 beim FG ein. Danach hätte das FG angesichts der bereits erreichten Verfahrensdauer von knapp acht Jahren umgehend mit der abschließenden Bearbeitung des Verfahrens beginnen müssen. Allein die kommentarlose Übersendung der Bescheinigung an die Familienkasse kann nach nahezu achtjähriger Verfahrensdauer nicht als ausreichende Verfahrensförderung angesehen werden, zumal das FG selbst diese Bescheinigung angefordert hatte und sich daher gegenüber den Beteiligten zumindest dazu hätte äußern können, ob die Bescheinigung die Erwartungen, die das FG bei dessen Anforderung hegte, erfüllen konnte.

88

Tatsächlich hat das FG erst auf die wiederholten Verzögerungsrügen des Klägers am 26. März 2012 die Kindergeldakten bei der Familienkasse angefordert und die Akten im August 2012 durchgesehen; diese Aktendurchsicht führte dann am 15. August 2012 zu rechtlichen Hinweisen an die Beteiligten und --ohne weitere Verzögerung-- zu einer Beendigung des Ausgangsverfahrens durch behördliche Abhilfe und die Abgabe von Hauptsacheerledigungserklärungen. Im Zeitraum von Januar bis Juli 2012 ist daher eine weitere unangemessene Verzögerung von sieben Monaten eingetreten.

89

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass das FG sich in der Zeit ab dem 20. April 2012 bemüht hat, die Erledigung eines Verfahrens über "Kindergeld ab Mai 2010" zu erreichen. Ein solches Verfahren war zu keinem Zeitpunkt beim FG anhängig. Die --auch teilweise-- Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung entfaltet vielmehr nur bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung Bindungswirkung (BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2008 III B 163/07, BFH/NV 2009, 578, m.w.N. auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage), hier also bis Januar 2004. Wenn das FG sich um die Beendigung eines solchen, nur vermeintlich bei ihm anhängigen Verfahrens bemüht, kann dies nicht dazu führen, dass das tatsächlich anhängige, bereits erheblich verzögerte Verfahren während eines weiteren Zeitraums unbearbeitet bleiben darf. Soweit der Beklagte das Vorgehen des FG damit zu erklären versucht, die dortige Berichterstatterin habe den Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindern wollen, überzeugt dies nicht. Für Anspruchszeiträume ab Mai 2010 drohte im Jahr 2012 erkennbar noch keine Festsetzungsverjährung. Für Zeiträume ab Februar 2004 --für die aufgrund entsprechender Erklärungen der Familienkasse der Eintritt der Festsetzungsverjährung ebenfalls nicht drohte-- sind keine Maßnahmen des FG feststellbar, die zusätzlich zu den bereits für den Streitzeitraum (März 2001 bis Januar 2004) ergriffenen Maßnahmen getroffen worden wären und insoweit zu einer Verlängerung des Verfahrens hätten führen können.

90

(7) Danach ist das Verfahren von Januar 2007 bis März 2009 (27 Monate), November 2010 bis Juli 2011 (neun Monate) und Januar bis Juli 2012 (sieben Monate) unangemessen verzögert worden, insgesamt also während eines Zeitraums von 43 Monaten.

91

cc) Die vorstehend vorgenommene Beurteilung lässt entgegen der Auffassung des Beklagten keinen Raum mehr dafür, die unzutreffende Angabe des Klägers zu Beginn des Ausgangsverfahrens, in Nordirland sei bereits damals ein Kindergeldantrag gestellt worden, zur Rechtfertigung der langen Verfahrensdauer heranzuziehen. Vielmehr hat der Senat die Wartezeit auf die Antragstellung, Antragsbearbeitung und Entscheidungsbekanntgabe in Nordirland im Rahmen der vorstehend unter bb vorgenommenen Würdigung der Umstände des Einzelfalls bereits hinreichend bei der Bemessung der noch als angemessen anzusehenden Verfahrensdauer berücksichtigt.

92

Umgekehrt vermag der Senat auch der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, das Verhalten aller in das Ausgangsverfahren einbezogenen in- und ausländischen Behörden sei dem Beklagten zuzurechnen, so dass die Wartezeit auf behördliche Entscheidungen keinerlei Verfahrensverlängerung rechtfertige. Das "Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter" ist vielmehr gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG als eines von mehreren Merkmalen in die Bewertung und Gewichtung der Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Soweit das FG das Verhalten von --insbesondere ausländischen-- Behörden nicht beeinflussen kann, ist ihm dieses Verhalten nicht unmittelbar zuzurechnen. Es hat lediglich die --sich mit zunehmender Verfahrensdauer verdichtende-- Pflicht, das Verfahren zu fördern.

93

3. Die Entscheidung über die Höhe des Entschädigungsanspruchs bleibt dem Betragsverfahren bzw. Endurteil vorbehalten. Gleiches gilt für die Kostenentscheidung.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 228/13
Verkündet am:
17. Juli 2014
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 198 Abs. 3 Satz 1; ÜGRG Art. 23 Satz 2

a) Die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge
betrifft nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit einer
Entschädigungsklage nach § 198 GVG.

b) Eine Verzögerungsrüge ist noch "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2
ÜGRG erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des
Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht eingegangen
ist (Anschluss an Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW
2014, 1967).
BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - OLG Rostock
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Seiters und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 22. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land im Wege der Feststellungs- und Leistungsklage auf Entschädigung für materielle und immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Zivilrechtsstreits in Anspruch.
2
Das Ausgangsverfahren betrifft einen Zivilprozess, der im Januar 2001 vor dem Landgericht S. eingeleitet wurde und Schadensersatzansprüche des Klägers wegen unberechtigter außerordentlicher Kündigung eines Vertrags zur Jungviehaufzucht zum Gegenstand hat. Hinsichtlich eines Betrags von 30.000 € erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erle- digt. Nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und mehrerer ergänzender Stellungnahmen erging am 21. April 2009 ein Teilurteil. Soweit das Landgericht darin auf Zahlung eines Betrags von rund 44.000 € an den Kläger erkannte, wurde das Urteil rechtskräftig. Im Übrigen wurde es durch Berufungsurteil des Oberlandesgerichts R. vom 1. Oktober 2009 aufgehoben. Im weiteren Verfahrensgang holte das Landgericht ein Obergutachten ein und verkündete schließlich am 23. März 2012 ein Schlussurteil, in dem es dem Kläger weitere 116.700 € zusprach. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es befindet sich derzeit im Berufungsrechtszug.
3
Mit Anwaltsschriftsatz vom 28. Dezember 2011, der am 30. Dezember 2011 beim Landgericht einging, erhob der Kläger eine Verzögerungsrüge unter Hinweis auf § 198 GVG. Bereits zuvor hatte er am 8. April 2004 und 16. Januar 2009 förmliche Untätigkeitsbeschwerden erhoben, die das Oberlandesgericht als unzulässig verwarf. Einen mit Schriftsatz vom 22. Januar 2009 gegenüber der Justizverwaltung geltend gemachten Anspruch auf immateriellen Scha- densersatz in Höhe von 10.000 € lehnte der Präsident des Landgerichts mit Bescheid vom 11. Mai 2011 ab. Die dagegen an das Justizministerium des beklagten Landes gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
4
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. April 2012, der am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht R. einging, reichte der Kläger die vorliegende Entschädigungsklage ein, die dem Beklagten - nach verzögerter Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses durch den Kläger - erst am 9. August 2012 zugestellt wurde.
5
Der Kläger hat geltend gemacht, die streitgegenständliche Verfahrensdauer von inzwischen mehr als elf Jahren sei schon dem ersten Anschein nach nicht mehr angemessen. Der derzeit noch nicht bezifferbare materielle Schaden resultiere daraus, dass ihm während der Prozessdauer ein Betrag von nahezu 200.000 € vorenthalten worden sei. Wegen der erlittenen Existenzängste und des offenkundigen Desinteresses der Justiz an der Bearbeitung seiner Ansprüche sei eine Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von mindestens 50.000 € gerechtfertigt. Da er die Verfahrensdauer kontinuierlich beanstandet habe, komme es auf die am 30. Dezember 2011 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr an.
6
Das Oberlandesgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


8
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Die Entschädigungsklage sei unzulässig. Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf das seit Januar 2001 anhängige Ausgangsverfahren anwendbar. Die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG habe der Kläger zwar nicht einhalten müssen, weil das verzögerte erstinstanzliche Verfahren bei Erhebung der Entschädigungsklage am 23. April 2012 bereits abgeschlossen gewesen sei und die Verzögerungsrüge deshalb die ihr vom Gesetzgeber beigemessene Funktion nicht mehr habe entfalten können. Der Kläger habe jedoch die Vorgabe des Art. 23 Satz 2 ÜGRG, wonach die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes (am 3. Dezember 2011) zu erheben sei, nicht erfüllt. Die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei mehr als drei Wochen und sechs Tage nach diesem Zeitpunkt erhoben worden. Sie sei daher verspätet, da "unverzüglich" im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜGRG "ohne schuldhaftes Zögern" (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeute. Die in der Regel als Obergrenze anzunehmende Frist von zwei Wochen gelte auch im Streitfall. Die neue Entschädigungsregelung sei frühzeitig Gegenstand von Fachpublikationen gewesen. Der eindeutige Gesetzeswortlaut habe dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt sein müssen. Der Kläger sei daher zur Wahrung seiner Rechte gehalten gewesen, eine Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GV binnen zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zu erheben. Er könne sich auch nicht darauf berufen, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung mehrfach gerügt zu haben. Frühere Beanstandungen der Verfahrensdauer stünden einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht gleich.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand.
11
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts betrifft die Frage der Erhebung beziehungsweise Rechtzeitigkeit einer Verzögerungsrüge nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit der Entschädigungsklage.
12
Die am 30. Dezember 2011 beim Landgericht eingegangene Verzögerungsrüge ist "unverzüglich" nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) erhoben worden. Sie hat damit gemäß Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG Entschädigungsansprüche auch für den der Rüge vorausgehenden Zeitraum gewahrt.
13
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das im Januar 2001 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.
14
2. Anders als das Oberlandesgericht meint, hat das Fehlen einer Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG) oder die nicht unverzügliche Erhebung einer solchen Rüge (Art. 23 Satz 2 ÜGRG) nicht die Unzulässigkeit der Ent- schädigungsklage zur Folge. Vielmehr ist die Verzögerungsrüge als materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs konzipiert und nicht als Zulässigkeitskriterium für dessen prozessuale Geltendmachung (BT-Drucks. 17/3802 S. 20). § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG normiert als zwingende Entschädigungsvoraussetzung , dass der Betroffene in dem Verfahren, für dessen Dauer er entschädigt werden möchte, eine Verzögerungsrüge erhoben hat. Dabei handelt es sich um eine haftungsbegründende Obliegenheit (Senatsurteile vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/14, NJW 2014, 1967 Rn. 21; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 24 und BSG, NJW 2014, 253 Rn. 27). Wird die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben, hat dies zur Folge, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer bis zum Rügezeitpunkt materiell-rechtlich präkludiert sind (grundlegend Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO Rn. 27 ff). Die Zulässigkeit der Klage bleibt davon unberührt (vgl. BFHE aaO; BSG aaO).
15
3. Entgegen der Auffassung der Revision haben die förmlichen Untätigkeitsbeschwerden des Klägers vom 8. April 2004 und 16. Januar 2009 sowie sein Schadensersatzverlangen vom 22. Januar 2009 die Erhebung einer Verzögerungsrüge nicht entbehrlich gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss in anhängigen, bereits verzögerten Verfahren die Verzögerungsrüge "unverzüglich nach Inkrafttreten" des Gesetzes erhoben werden. Allein dadurch wird der Entschädigungsanspruch rückwirkend in vollem Umfang gewahrt (Art. 23 Satz 3 ÜGRG; BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrügen erfüllen diese Voraussetzung nicht. Da sie keine präventive Warnfunktion im Sinne der §§ 198 ff GVG entfalten konnten, sind sie nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch zu begründen (BFHE aaO Rn. 25; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2010). Dementsprechend bestimmt Art. 23 Satz 4 ÜGRG, dass es einer Verzögerungsrüge dann nicht bedarf, wenn bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer - bei Inkrafttreten des Gesetzes - schon abgeschlossenen Instanz erfolgt ist (siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S. 31).
16
4. Dem Oberlandesgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass die Einhaltung der Wartefrist gemäß § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG im Streitfall entbehrlich war. Allerdings hat das Gericht zugleich verkannt, dass die Entschädigungsklage nicht schon am 23. April 2012 (Fertigung der am 26. April beim Oberlandesgericht eingegangenen Klageschrift), sondern erst am 9. August 2012 (Zustellung der Klageschrift an den Beklagten) - mithin nicht vorzeitig - erhoben worden ist.
17
a) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der Verzögerungsrüge gerichtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13, BeckRS 2014, 12289 Rn. 17). Zugleich sollen die Entschädigungsgerichte vor verfrühten Entschädigungsklagen geschützt werden (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 245). Die Einhaltung der Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird nach Ablauf der Frist nicht zulässig. Es liegt kein heilbarer Mangel vor. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es für die Einhaltung der Wartefrist allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an. Zudem könnte andernfalls die vorgenannte Schutzfunktion der Frist für die Entschädigungsgerichte unterlau- fen werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 152, 154; Ott aaO § 198 GVG Rn. 247, 250; anders Loytved, SGb 2014, 293, 295 f für den Fall, dass bei Klageerhebung bereits mehrere Monate seit der Verzögerungsrüge vergangen sind).
18
b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Entschädigungsklage ausnahmsweise vorzeitig erhoben werden, wenn das betroffene Verfahren schon vor Fristablauf beendet wurde. Ein Abwarten der Frist würde insofern im Hinblick auf den Zweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG keinen Sinn mehr machen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG teleologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist abgeschlossen wurde, bereits vom Moment des Verfahrensabschlusses an eine Entschädigungsklage zulässig ist (Senatsurteil vom 21. Mai 2014 aaO Rn. 17). So liegt der Fall hier aber nicht.
19
Das Ausgangsverfahren ist noch nicht beendet, da das am 23. März 2012 verkündete Schlussurteil des Landgerichts mit der Berufung angefochten wurde. Vor dem Hintergrund des Zwecks des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG - das Ausgangsgericht soll genügend Zeit haben, das Verfahren zu fördern und in angemessener Zeit abzuschließen oder jedenfalls eine weitere Verzögerung zu vermeiden - besteht keine Veranlassung, auf das Fristerfordernis bereits dann zu verzichten, wenn lediglich die Instanz, auf deren Dauer das Entschädigungsverlangen gestützt wird und in der die Verzögerungsrüge erhoben wurde, vor Ablauf von sechs Monaten nach Rügeerhebung abgeschlossen wurde (so aber Marx aaO § 198 GVG Rn. 150 f). Das zunächst verzögerte Verfahren kann in einer höheren Instanz besonders zügig geführt werden, so dass die Wahrung der Sechs-Monats-Frist auch nach Abschluss einer Instanz sinnvoll ist. Sie gibt nämlich dem Rechtsmittelgericht Gelegenheit, eine in der Vorinstanz eingetretene Verzögerung zu kompensieren. Demgemäß muss das Entschädigungsgericht bei der abschließenden Würdigung nach § 198 Abs. 1 GVG das gesamte Verfahren in den Blick nehmen und prüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses ausgeglichen wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37; vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 28 und vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, NJW 2014, 1967 Rn. 39). Es ist zudem nicht erkennbar, dass ein Zuwarten von wenigen Wochen oder Monaten bis zum Ablauf der Frist eine nennenswerte Einschränkung des Rechtsschutzes für den Entschädigungskläger darstellen würde (vgl. Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 166).
20
c) Der Kläger hat die sechsmonatige Wartefrist eingehalten. Die Fristberechnung bestimmt sich nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m § 222 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB (Marx aaO § 198 GVG Rn. 153; Ott aaO § 198 GVG Rn. 249). Für den Beginn der Frist war der Eingang der Verzögerungsrüge am 30. Dezember 2011 als Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB maßgebend. Die Frist endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 30. Juni 2012. Der Umstand, dass die Entschädigungsklage bereits am 26. April 2012 beim Oberlandesgericht eingereicht wurde, ist unschädlich. Vielmehr ist entscheidend , dass die Klage, nachdem der Kläger den Gerichtskostenvorschuss gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. KV Nr. 1212 erst am 7. August 2012 eingezahlt hatte, an das beklagte Land am 9. August 2012 zugestellt worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Wartefrist ist nach dem klaren Wortlaut des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG nicht die Einreichung, sondern die Erhebung der Entschädigungsklage (Marx aaO Rdnr. 154). Letztere erfolgt nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten, sobald die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gemäß §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG eingezahlt ist.
21
Eine Rückwirkung der Zustellung der Klageschrift nach § 167 ZPO kommt im vorliegenden Zusammenhang nicht in Betracht. Die Vorschrift soll den Zustellungsveranlasser vor den Nachteilen aus Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahren (vgl. nur Senatsurteil vom 6. März 2008 - III ZR 206/07, NJW 2008, 1674 Rn. 12 mwN), ihm aber nicht - umgekehrt - einen Nachteil zufügen. Aus diesem Grund besteht vorliegend auch keine Veranlassung zu prüfen, ob der Kläger alles Erforderliche unternommen hat, um eine zügige Zustellung zu gewährleisten.
22
5. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die am 30. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge sei nicht "unverzüglich" im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden, wird von der Revision zu Recht beanstandet. Diese Frage hat der Senat - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - mit Urteil vom 10. April 2014 (III ZR 335/13, NJW 2014, 1967) grundlegend dahin entschieden, dass eine Verzögerungsrüge noch "unverzüglich" erhoben ist, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beim Ausgangsgericht einging. Da die neue Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 in Kraft getreten ist, lag die Verzögerungsrüge noch innerhalb der dem Kläger eingeräumten Zeitspanne.
23
Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig , aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge "unverzüglich" erhoben werden.
24
Da das Oberlandesgericht zu dem bestrittenen Vorbringen des Klägers, das Ausgangsverfahren hätte bei angemessener Verfahrensförderung innerhalb eines Jahres vollständig abgeschlossen werden können, keine Feststellungen getroffen hat, ist bei der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass das Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§ 198 ff GVG bereits erheblich verzögert war.
25
"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).
26
Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können , ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (Senatsurteil vom 10. April 2014 aaO 25 mwN). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Der Senat hat deshalb eine Drei-Monats-Frist für erforderlich gehalten, um den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes zu entsprechen und den Betroffenen in allen Fällen ausreichend Zeit für die Prüfung zu geben, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist (Senatsurteil aaO; siehe auch BFHE 243, 126 Rn. 31 ff; Loytved, SGb 2014, 293, 295).

III.


27
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht wird nunmehr erstmals zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1, 2 GVG vorliegen.
Schlick Herrmann Wöstmann
Seiters Reiter
Vorinstanz:
OLG Rostock, Entscheidung vom 22.05.2013 - 1 SchH 2/12 -

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

Tatbestand

1

A. Die Klägerin begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihr als unangemessen angesehenen Dauer eines vom 10. November 2006 (Klageeingang beim Finanzamt --FA--) bis zum 26. März 2013 (Zustellung des Urteils) vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der im Klageverfahren verstorbene Ehemann (E) der Klägerin war als Bürgermeister einer Stadt im Jahre 1987 wegen versuchter umweltgefährdender Abfallbeseitigung angeklagt worden. Er wurde Ende 1996 durch ein Urteil des zuständigen Landgerichts verwarnt und mit einer Geldbuße in Höhe von 3.000 DM belegt. Nach seiner Verurteilung legte er wegen der langen Verfahrensdauer zunächst Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und anschließend Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Im Jahr 2001 entschied der EGMR, neun Verhandlungsjahre seien im Vergleich zum Strafmaß nicht zu rechtfertigen und stellten folglich einen Verstoß gegen Art. 6 § 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar. E wurde deshalb neben einem Betrag von 10.000 DM für immaterielle Schäden ein Betrag von weiteren 15.000 DM für Auslagen und Gerichtskosten zugesprochen.

3

Für die Vertretung im Verfahren vor dem BVerfG entstanden Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 28.681 DM und im Verfahren vor dem EGMR solche in Höhe von 20.050,72 DM, wovon 12.518,72 DM im Jahr 2000 in Rechnung gestellt und bezahlt wurden.

4

Die Klägerin und der mit ihr zusammen zur Einkommensteuer veranlagte E machten unter Anrechnung des vom EGMR ausgeurteilten Betrages von 15.000 DM die Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 geltend. Das FA erkannte diese Aufwendungen weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des E an.

5

Nach erfolglosem Vorverfahren reichten die Klägerin und E die Klageschrift am 10. November 2006 beim FA ein, die an das FG weitergeleitet wurde. Bis zum 19. Februar 2008 wurden Schriftsätze der Beteiligten ausgetauscht.

6

Am 5. November 2008 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Mitteilung, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Der Berichterstatter verfügte unter Verwendung eines entsprechenden Formulars, dass aufgrund zahlreicher vorrangig zu bearbeitender anderer Streitsachen derzeit leider noch nicht absehbar sei, wann im Ausgangsverfahren eine Entscheidung anstehe. Eine erneute Sachstandsanfrage der Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2009 wurde entsprechend formularmäßig beantwortet.

7

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 verzichteten die Klägerin und E aufgrund eines Telefonats ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter des FG vom gleichen Tag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Am 12. Oktober 2010 ging die Verzichtserklärung des FA beim FG ein, die dem Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2010 übersandt wurde.

8

Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 wies das FG die Beteiligten auf die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen hin. Der sich hieran anschließende Schriftwechsel der Beteiligten endete mit Übersendung des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2011 an das FA am 8. November 2011.

9

Mit Schreiben vom 22. November 2011 erhoben die Klägerin und E "vorsorglich die Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG)". Gleichzeitig übersandten sie eine Kopie des Beschlusses des BVerfG vom 13. Februar 1997  2 BvR 135/97, den das FG bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 angefordert hatte. Am 6. Dezember 2011 ergänzten die Prozessbevollmächtigten ihre bisherigen Stellungnahmen.

10

Am 4. Juni 2012, beim FG eingegangen am 6. Juni 2012, wiederholten die Prozessbevollmächtigten ihre "bereits geltend gemachte Verzögerungsrüge" und erkundigten sich am 14. Dezember 2012 beim FG erneut nach dem Stand des Verfahrens.

11

Das FG teilte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 mit, mit einer Entscheidung sei voraussichtlich im 1. Quartal 2013 zu rechnen. Mit Urteil vom 19. März 2013, das den Prozessbevollmächtigten am 26. März 2013 zugestellt worden ist, wies das FG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2013 VI B 41/13, nicht veröffentlicht).

12

Am 3. Mai 2013 haben die Klägerin und E die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie weisen darauf hin, die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Finanzgerichtsverfahren betrage nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich 17,5 Monate. Im vorliegenden Verfahren hätten die Klägerin und E gerade unter dem Eindruck der zu Gunsten des E ergangenen Entscheidung des EGMR und des hohen Alters der Kläger eine zügige Entscheidung erwarten können.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihr, auch als Alleinerbin des verstorbenen E, wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Hessischen FG 12 K 3431/06 eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Das Verfahren habe zwar insgesamt fünf Jahre und vier Monate keine Förderung durch das Gericht erfahren. Allerdings sei die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) erhoben worden. Relevant sei allein die am 6. Juni 2012 beim FG eingegangene Verzögerungsrüge. Somit sei die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 ohne Belang. Ggf. könne eine Rückwirkung dieser Verzögerungsrüge bis zum Inkrafttreten angenommen werden. Deswegen komme allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € für die neun Monate ab Zugang der Verzögerungsrüge am 6. Juni 2012 und die Hälfte der sechs Monate bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG in Frage.

Entscheidungsgründe

16

B. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

17

Die Klage ist zulässig, da sie mehr als sechs Monate nach der (letzten) Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012, aber noch vor Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung (§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) erhoben worden ist. Das Urteil wurde mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 11. Oktober 2013 rechtskräftig.

II.

18

Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Soweit diese unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens den Zeitraum vor Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 betrifft, kann weder eine Entschädigung in Geld noch die Feststellung der Unangemessenheit ausgesprochen werden, da es an der nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nötigen unverzüglichen Rügeerhebung fehlt (dazu unter 1.). Für den Zeitraum ab der Rügeerhebung vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200 € zu (dazu unter 3.).

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin --auch als Alleinerbin des E-- weder ein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch eine Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu, da eine unverzüglich i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhobene Rüge nicht vorliegt. Diese Ansprüche sind deshalb präkludiert.

20

a) Gemäß der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist das genannte Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. Für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG bereits verzögert waren, gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge "unverzüglich" nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). Weder die Rüge vom 22. November 2011 (unter aa) noch die vom 4. Juni 2012 erhobene Rüge (unter bb) werden dieser Voraussetzung gerecht. Der Senat kann demzufolge eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG für den Zeitraum bis zum 6. Juni 2012 (unter cc) nicht aussprechen.

21

aa) Die am 22. November 2011 erhobene "vorsorgliche Verzögerungsrüge" kann nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt war das ÜberlVfRSchG --und damit die Vorschrift des § 198 Abs. 3 GVG-- noch nicht in Kraft getreten. Das genannte Gesetz ist am Tag nach seiner Verkündung --d.h. am 3. Dezember 2011-- in Kraft getreten. Eine bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge erfüllt diese Voraussetzung nicht (so auch Senatsurteil vom 7. November 2013 X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b).

22

bb) Die Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 wurde nicht mehr "unverzüglich nach Inkrafttreten" i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhoben.

23

Der Senat hat bereits entschieden, dass im Rahmen der gebotenen normspezifischen Auslegung des in Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG verwendeten Begriffs "unverzüglich" ein Zeitraum von drei Monaten als sachgerecht anzusehen ist (so schon Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d; insoweit folgend auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. April 2014 III ZR 335/13, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967; ebenso BGH-Urteil vom 17. Juli 2014 III ZR 228/13, NJW 2014, 2588). Dieser Zeitraum ist vorliegend überschritten.

24

b) Folge der nicht "unverzüglich nach Inkrafttreten erhobenen" Verzögerungsrüge ist nach Ansicht des Senats, dass zunächst die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG entfällt (vgl. Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b). Nach Ansicht des BGH in NJW 2014, 1967, unter II.1.d aa soll darüber hinaus ein solcher Anspruch nach § 198 GVG für den Zeitraum, der vom Inkrafttreten bis zur Erhebung einer solchen Verzögerungsrüge verstrichen ist, ausgeschlossen sein; dies ergebe sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der Senat dieser Rechtsansicht an und hält an seiner im Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547) geäußerten Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 ÜberlVfRSchG nicht weiter fest.

25

Folglich ist hier eine ggf. vorliegende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer für die Zeit vor der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 nicht möglich.

26

2. Bezogen auf den Zeitraum ab Erhebung der Verzögerungsrüge war die Dauer des Ausgangsverfahrens unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf sechs Monate.

27

a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG (vgl. hierzu und zum Begriff der Angemessenheit im Finanzgerichtsverfahren ausführlich Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.2.).

28

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Ausgangsverfahren für den Zeitraum nach Erhebung der Verzögerungsrüge um sechs Monate in unangemessener Weise verzögert worden.

29

aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.

30

Der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens war als eher überdurchschnittlich anzusehen. Einerseits waren Aufwendungen im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten bei einem Verfahren vor dem EGMR zu beurteilen, für die eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorlag. Zum anderen befand sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen, wenn auch den Zivilprozess betreffend, im Fluss.

31

Die Bedeutung des Ausgangsverfahrens war für die Klägerin und E erheblich. Zum einen waren beide Eheleute bei Klageerhebung im Ausgangsverfahren hoch betagt und zum anderen hatten sie bereits ein Verfahren vor dem EGMR wegen eines überlangen Strafverfahrens anstrengen müssen. Verständlicherweise war ihr Wunsch nach endgültiger Klärung der Streitigkeiten groß, zu denen aus ihrer Sicht auch der Finanzgerichtsprozess um die Anerkennung der Rechtsanwaltsgebühren als Annex zu dem vorangegangenen Strafverfahren und den Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR zu zählen ist.

32

bb) Die Würdigung, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 unangemessen ist, ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.

33

Im Juni 2012 hatte das Ausgangsverfahren bereits fünfeinhalb Jahre gedauert. Faktisch hat es bis zu diesem Zeitpunkt geruht und wurde --trotz der Verzögerungsrüge am 4. Juni 2012-- erst dadurch aufgenommen, dass das FG im Dezember 2012 eine Entscheidung im 1. Quartal 2013 in Aussicht stellte. Demgemäß ist im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2012 (insgesamt sechs Monate) eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens eingetreten.

34

3. Für die Verzögerung des Verfahrens von der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 bis zum November 2012 ist der Klägerin eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 1.200 € zuzusprechen.

35

a) Das Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.6.a).

36

b) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG wäre im Streitfall für die unangemessenen Verzögerungszeiträume ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreichend. Dafür spricht vor allem, dass das FG auf die zahlreichen Versuche der Klägerin und des E, es zu einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist zu bewegen, gar nicht reagiert und ihnen nicht einmal einen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, ab dem mit einer Verfahrensförderung zu rechnen sei. In diesem Fall ist offensichtlich, dass die Klägerin und E aus nachvollziehbaren Gründen an einer zügigen Entscheidung interessiert und infolgedessen von der Verfahrensverzögerung in stärkerem Maße betroffen waren.

37

c) Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus dem hohen Alter der Klägerin und des E noch daraus, dass dieses Ausgangsverfahren seinen Ursprung in einem erfolgreichen Verfahren vor dem EGMR hatte.

38

Auch wenn im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, kann dieser im konkreten Fall nach Monaten bemessen werden (ebenso bereits Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179).

39

d) Der Klägerin ist für den erlittenen immateriellen Nachteil für sich und E jeweils ein Entschädigungsbetrag von 600 € zu zahlen.

40

aa) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist (weiterführend: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014  5 C 1/13 D, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3). Verfahrensbeteiligt waren bei Klageerhebung die Klägerin und ihr während des Klageverfahrens verstorbener Ehemann, als dessen Alleinerbin die Klägerin das Klageverfahren fortführt.

41

bb) Der Entschädigungsanspruch des E ist vererblich, entspricht die Entschädigung doch einem Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden (zur Vererblichkeit eines solchen Anspruchs vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz 22, m.w.N.).

42

Diese Vererblichkeit wird auch nicht durch die Regelung in § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ausgeschlossen (so auch Zöller/ Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG, Rz 11, unter Hinweis auf Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rz 267). Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage (...) der Anspruch nicht übertragbar (ist)". Diese Vorschrift, die § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nachgebildet worden ist, soll jedoch allein die Pfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und damit den Handel mit dem Anspruch verhindern (vgl. BTDrucks 17/3802, 36).

43

4. Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

45

Die Klägerin und E haben eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € beantragt.

46

Der Klägerin ist --auch als Alleinerbin des E-- eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € zuzusprechen, so dass sie zu 1.200/8.400, also zu 1/7 obsiegt hat.

47

6. Mit Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 155 Satz 2 FGO) hat der erkennende Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Tatbestand

1

I. Die Kläger begehren Entschädigung nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von 7.100 €, mindestens aber 5.600 € für ein nach ihrer Ansicht überlanges Verfahren, das vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) geführt wurde.

2

Streitig in diesem Verfahren war, wie der Kaufpreis einer historischen Immobilie auf Grund und Boden bzw. Gebäude aufzuteilen und wie folglich die Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Gebäude zu berechnen war. Das Finanzamt A (FA) nahm zunächst die Aufteilung im Schätzungswege vor. In der Folgezeit legten sowohl die Kläger als auch das FA Wertgutachten vor. Die Ende 2003 eingegangene Klage wies das FG mit Urteil vom 28. Juni 2006  5 K 604/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1747) ab. Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 29. Mai 2008 IX R 36/06 (BFH/NV 2008, 1668) das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur Überprüfung der Angemessenheit der Werte an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang (5 K 3417/08) holte das FG ein Sachverständigengutachten ein, über dessen inhaltliche Bewertung die Beteiligten uneins waren.

3

Nach einer am 22. April 2012 erhobenen Verzögerungsrüge machte sich das FG zunächst über die aktuellen Vollmachtsverhältnisse kundig und holte dann mit Verfügung vom 26. April 2012 eine Stellungnahme des Sachverständigen ein. Der Sachverständige reichte diese am 12. Juni 2012 beim FG ein. Tags darauf übermittelte das FG das Gutachten an die Beteiligten zu etwaiger Stellungnahme, stimmte in einem Telefonat vom 26. Juli 2012 einen Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Kläger ab und lud --absprachegemäß-- mit Verfügung vom 1. August 2012 auf den 25. September 2012. Am 17. September 2012 sandte das FG die von dem Berichterstatter gefertigte Darstellung des wesentlichen Inhalts der Akten und am 24. September 2012 Übersichtskarten mit fortgeschriebenen Bodenrichtwerten, die die Bewertungsstelle des FA vorgelegt hatte.

4

In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2012 protokollierte das FG eine tatsächliche Verständigung (Mehr-AfA von 910 DM im Streitjahr 2001) sowie Erledigungserklärungen aller Beteiligten.

5

Mit Verfügung vom 4. Oktober 2012 teilte das FG mit, wie es über die Kosten zu entscheiden erwäge. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 9. Oktober 2012, er sei nicht einverstanden, das FA am 12. Oktober 2012, es sei einverstanden. Mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 traf das FG nach § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die angekündigte Kostenentscheidung, begründete diese auch unter Bezugnahme auf die Einwendungen der Kläger und übersandte diese am 25. Oktober 2012 den Beteiligten. Mit Schriftsatz vom 1. November 2012 widersprachen die Kläger der tatsächlichen Verständigung, beantragten ein Urteil und die Zulassung der Revision. Mit Verfügung vom 6. November 2012 bat das FG um Mitteilung, ob hierin ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu sehen sei, mit dem die Unwirksamkeit der Erledigungserklärungen geltend gemacht werde. Der Kläger bestätigte dies am 18. November 2012. Mit Verfügung vom 20. November 2012 lud das FG erneut zur mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2012 und stellte mit Urteil von diesem Tage fest, die Beteiligten hätten wirksame übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger Beschwerde eingelegt, die der BFH mittlerweile zurückgewiesen hat (IX B 20/13, nicht dokumentiert).

6

In ihrer am 31. Oktober 2012 erhobenen Entschädigungsklage vertreten die Kläger die Auffassung, sie hätten fristgerecht Verzögerungsrüge erhoben. Die Verfahrensdauer sei mit insgesamt 83 Monaten (31 Monate im ersten Rechtsgang, 52 Monate im zweiten Rechtsgang) nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unangemessen lang gewesen. Hiervon seien wenigstens 56 Monate, bei einer angenommenen angemessenen Verfahrensdauer von zwölf Monaten pro Instanz sogar 71 Monate als entschädigungsrelevante Verzögerung zu betrachten.

7

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger eine Entschädigung von 7.100 €, mindestens jedoch 5.600 € zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9

Er hält die Klage für unzulässig, da die Kläger die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich innerhalb von zwei Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren --ÜberlVfRSchG-- (BGBl I 2011, 2302) erhoben hätten. Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet, da die Verfahrensdauer vor allem angesichts der Schwierigkeit des Verfahrens nicht unangemessen gewesen sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Kläger haben entgegen Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich erhoben (1.). Damit sind alle etwaigen Ansprüche bis zum Rügezeitpunkt präkludiert (2.). Nach dem Rügezeitpunkt ist keine unangemessene Verzögerung eingetreten (3.).

11

1. Art. 1 ÜberlVfRSchG hat dem GVG den Siebzehnten Titel mit den §§ 198 bis 201 GVG angefügt. Nach der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist dieses Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. War ein solches anhängiges Verfahren beim Inkrafttreten des Gesetzes schon verzögert, gilt die in § 198 Abs. 3 GVG vorgesehene Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge mit der Maßgabe, dass diese "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss" (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum (Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG).

12

Wie der Senat in seinem Urteil vom 7. November 2013 X K 13/12 (BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d cc) bereits entschieden hat, ist aufgrund der gebotenen normspezifischen Auslegung der Vorschrift der Begriff "unverzüglich" als Frist von drei Monaten zu verstehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich dieser Auffassung mit Urteil vom 10. April 2014 III ZR 335/13 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967, unter II.1.c der Entscheidungsgründe) angeschlossen.

13

Diese Frist hat die erst im April 2012 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr gewahrt.

14

2. Mangels fristgerechter Verzögerungsrüge steht den Klägern bis zum Rügezeitpunkt weder ein Anspruch auf Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch ein Anspruch auf Feststellung nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu. Die Frage, ob das Verfahren vor dem FG bis zu jenem Zeitpunkt bereits unangemessen i.S. des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, bedarf daher keiner Beantwortung.

15

Zwar hatte der Senat mit Urteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, Leitsatz 3 sowie unter III.7.b) entschieden, dass die Feststellung unangemessener Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG auch dann möglich sei, wenn die Verzögerungsrüge fehlt oder --hier einschlägig-- in den Übergangsfällen des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nicht rechtzeitig erhoben wurde. Indes hat zwischenzeitlich der BGH in NJW 2014, 1967 (Leitsatz 2 sowie unter II.1.d sowie II.2. der Entscheidungsgründe) erkannt, dass bei nicht unverzüglicher Verzögerungsrüge Ansprüche sowohl auf Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG als auch auf Feststellung unangemessener Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 GVG bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des BGH an und hält an seiner vormaligen Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nicht mehr fest.

16

3. Nach dem Rügezeitpunkt hat das FG das Verfahren ohne Verzug dem Abschluss zugeführt, so dass ein Entschädigungsanspruch gleich welcher Art bereits dem Grunde nach nicht besteht. Das FG hat in diesem Stadium alle Verfahrenshandlungen nahezu an dem Tag getroffen, an dem sie veranlasst und möglich waren.

17

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

39

5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

Tatbestand

1

A. Die Klägerin begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der von ihr als unangemessen angesehenen Dauer eines vom 10. November 2006 (Klageeingang beim Finanzamt --FA--) bis zum 26. März 2013 (Zustellung des Urteils) vor dem Hessischen Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahrens.

2

Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der im Klageverfahren verstorbene Ehemann (E) der Klägerin war als Bürgermeister einer Stadt im Jahre 1987 wegen versuchter umweltgefährdender Abfallbeseitigung angeklagt worden. Er wurde Ende 1996 durch ein Urteil des zuständigen Landgerichts verwarnt und mit einer Geldbuße in Höhe von 3.000 DM belegt. Nach seiner Verurteilung legte er wegen der langen Verfahrensdauer zunächst Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und anschließend Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Im Jahr 2001 entschied der EGMR, neun Verhandlungsjahre seien im Vergleich zum Strafmaß nicht zu rechtfertigen und stellten folglich einen Verstoß gegen Art. 6 § 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten dar. E wurde deshalb neben einem Betrag von 10.000 DM für immaterielle Schäden ein Betrag von weiteren 15.000 DM für Auslagen und Gerichtskosten zugesprochen.

3

Für die Vertretung im Verfahren vor dem BVerfG entstanden Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in Höhe von 28.681 DM und im Verfahren vor dem EGMR solche in Höhe von 20.050,72 DM, wovon 12.518,72 DM im Jahr 2000 in Rechnung gestellt und bezahlt wurden.

4

Die Klägerin und der mit ihr zusammen zur Einkommensteuer veranlagte E machten unter Anrechnung des vom EGMR ausgeurteilten Betrages von 15.000 DM die Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1997 geltend. Das FA erkannte diese Aufwendungen weder als außergewöhnliche Belastungen noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des E an.

5

Nach erfolglosem Vorverfahren reichten die Klägerin und E die Klageschrift am 10. November 2006 beim FA ein, die an das FG weitergeleitet wurde. Bis zum 19. Februar 2008 wurden Schriftsätze der Beteiligten ausgetauscht.

6

Am 5. November 2008 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um Mitteilung, wann mit einem Fortgang des Verfahrens zu rechnen sei. Der Berichterstatter verfügte unter Verwendung eines entsprechenden Formulars, dass aufgrund zahlreicher vorrangig zu bearbeitender anderer Streitsachen derzeit leider noch nicht absehbar sei, wann im Ausgangsverfahren eine Entscheidung anstehe. Eine erneute Sachstandsanfrage der Prozessbevollmächtigten vom 8. Dezember 2009 wurde entsprechend formularmäßig beantwortet.

7

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 verzichteten die Klägerin und E aufgrund eines Telefonats ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter des FG vom gleichen Tag auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Am 12. Oktober 2010 ging die Verzichtserklärung des FA beim FG ein, die dem Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2010 übersandt wurde.

8

Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 wies das FG die Beteiligten auf die geänderte Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen hin. Der sich hieran anschließende Schriftwechsel der Beteiligten endete mit Übersendung des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten vom 31. Oktober 2011 an das FA am 8. November 2011.

9

Mit Schreiben vom 22. November 2011 erhoben die Klägerin und E "vorsorglich die Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG)". Gleichzeitig übersandten sie eine Kopie des Beschlusses des BVerfG vom 13. Februar 1997  2 BvR 135/97, den das FG bereits mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 angefordert hatte. Am 6. Dezember 2011 ergänzten die Prozessbevollmächtigten ihre bisherigen Stellungnahmen.

10

Am 4. Juni 2012, beim FG eingegangen am 6. Juni 2012, wiederholten die Prozessbevollmächtigten ihre "bereits geltend gemachte Verzögerungsrüge" und erkundigten sich am 14. Dezember 2012 beim FG erneut nach dem Stand des Verfahrens.

11

Das FG teilte den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 mit, mit einer Entscheidung sei voraussichtlich im 1. Quartal 2013 zu rechnen. Mit Urteil vom 19. März 2013, das den Prozessbevollmächtigten am 26. März 2013 zugestellt worden ist, wies das FG die Klage ab. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischenzeitlich zurückgewiesen worden (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2013 VI B 41/13, nicht veröffentlicht).

12

Am 3. Mai 2013 haben die Klägerin und E die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie weisen darauf hin, die durchschnittliche Dauer erstinstanzlicher Finanzgerichtsverfahren betrage nach einer Statistik des Statistischen Bundesamtes durchschnittlich 17,5 Monate. Im vorliegenden Verfahren hätten die Klägerin und E gerade unter dem Eindruck der zu Gunsten des E ergangenen Entscheidung des EGMR und des hohen Alters der Kläger eine zügige Entscheidung erwarten können.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, ihr, auch als Alleinerbin des verstorbenen E, wegen der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Hessischen FG 12 K 3431/06 eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Das Verfahren habe zwar insgesamt fünf Jahre und vier Monate keine Förderung durch das Gericht erfahren. Allerdings sei die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) erhoben worden. Relevant sei allein die am 6. Juni 2012 beim FG eingegangene Verzögerungsrüge. Somit sei die Zeit vor Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 ohne Belang. Ggf. könne eine Rückwirkung dieser Verzögerungsrüge bis zum Inkrafttreten angenommen werden. Deswegen komme allenfalls eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € für die neun Monate ab Zugang der Verzögerungsrüge am 6. Juni 2012 und die Hälfte der sechs Monate bis zum Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG in Frage.

Entscheidungsgründe

16

B. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

17

Die Klage ist zulässig, da sie mehr als sechs Monate nach der (letzten) Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012, aber noch vor Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung (§ 198 Abs. 5 Satz 2 GVG) erhoben worden ist. Das Urteil wurde mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 116 Abs. 5 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Beschluss vom 11. Oktober 2013 rechtskräftig.

II.

18

Die Dauer des Ausgangsverfahrens war unangemessen. Soweit diese unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens den Zeitraum vor Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 betrifft, kann weder eine Entschädigung in Geld noch die Feststellung der Unangemessenheit ausgesprochen werden, da es an der nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nötigen unverzüglichen Rügeerhebung fehlt (dazu unter 1.). Für den Zeitraum ab der Rügeerhebung vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin auch als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200 € zu (dazu unter 3.).

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 steht der Klägerin --auch als Alleinerbin des E-- weder ein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch eine Feststellung der überlangen Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu, da eine unverzüglich i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhobene Rüge nicht vorliegt. Diese Ansprüche sind deshalb präkludiert.

20

a) Gemäß der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist das genannte Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. Für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG bereits verzögert waren, gilt § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge "unverzüglich" nach Inkrafttreten erhoben werden muss (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). Weder die Rüge vom 22. November 2011 (unter aa) noch die vom 4. Juni 2012 erhobene Rüge (unter bb) werden dieser Voraussetzung gerecht. Der Senat kann demzufolge eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG für den Zeitraum bis zum 6. Juni 2012 (unter cc) nicht aussprechen.

21

aa) Die am 22. November 2011 erhobene "vorsorgliche Verzögerungsrüge" kann nicht als Verzögerungsrüge i.S. des § 198 Abs. 3 GVG angesehen werden. Zu diesem Zeitpunkt war das ÜberlVfRSchG --und damit die Vorschrift des § 198 Abs. 3 GVG-- noch nicht in Kraft getreten. Das genannte Gesetz ist am Tag nach seiner Verkündung --d.h. am 3. Dezember 2011-- in Kraft getreten. Eine bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes erhobene Verzögerungsrüge erfüllt diese Voraussetzung nicht (so auch Senatsurteil vom 7. November 2013 X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b).

22

bb) Die Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 wurde nicht mehr "unverzüglich nach Inkrafttreten" i.S. des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG erhoben.

23

Der Senat hat bereits entschieden, dass im Rahmen der gebotenen normspezifischen Auslegung des in Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG verwendeten Begriffs "unverzüglich" ein Zeitraum von drei Monaten als sachgerecht anzusehen ist (so schon Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d; insoweit folgend auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. April 2014 III ZR 335/13, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967; ebenso BGH-Urteil vom 17. Juli 2014 III ZR 228/13, NJW 2014, 2588). Dieser Zeitraum ist vorliegend überschritten.

24

b) Folge der nicht "unverzüglich nach Inkrafttreten erhobenen" Verzögerungsrüge ist nach Ansicht des Senats, dass zunächst die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor dem Inkrafttreten des ÜberlVfRSchG entfällt (vgl. Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.b). Nach Ansicht des BGH in NJW 2014, 1967, unter II.1.d aa soll darüber hinaus ein solcher Anspruch nach § 198 GVG für den Zeitraum, der vom Inkrafttreten bis zur Erhebung einer solchen Verzögerungsrüge verstrichen ist, ausgeschlossen sein; dies ergebe sich aus dem Umkehrschluss aus Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der Senat dieser Rechtsansicht an und hält an seiner im Senatsurteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547) geäußerten Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 ÜberlVfRSchG nicht weiter fest.

25

Folglich ist hier eine ggf. vorliegende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer für die Zeit vor der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 nicht möglich.

26

2. Bezogen auf den Zeitraum ab Erhebung der Verzögerungsrüge war die Dauer des Ausgangsverfahrens unangemessen. Die Verzögerung beläuft sich auf sechs Monate.

27

a) Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG (vgl. hierzu und zum Begriff der Angemessenheit im Finanzgerichtsverfahren ausführlich Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.2.).

28

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Ausgangsverfahren für den Zeitraum nach Erhebung der Verzögerungsrüge um sechs Monate in unangemessener Weise verzögert worden.

29

aa) Die Anwendung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG beispielhaft genannten Kriterien vermittelt im Streitfall kein einheitliches Bild.

30

Der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens war als eher überdurchschnittlich anzusehen. Einerseits waren Aufwendungen im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten bei einem Verfahren vor dem EGMR zu beurteilen, für die eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorlag. Zum anderen befand sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen, wenn auch den Zivilprozess betreffend, im Fluss.

31

Die Bedeutung des Ausgangsverfahrens war für die Klägerin und E erheblich. Zum einen waren beide Eheleute bei Klageerhebung im Ausgangsverfahren hoch betagt und zum anderen hatten sie bereits ein Verfahren vor dem EGMR wegen eines überlangen Strafverfahrens anstrengen müssen. Verständlicherweise war ihr Wunsch nach endgültiger Klärung der Streitigkeiten groß, zu denen aus ihrer Sicht auch der Finanzgerichtsprozess um die Anerkennung der Rechtsanwaltsgebühren als Annex zu dem vorangegangenen Strafverfahren und den Verfahren vor dem BVerfG und dem EGMR zu zählen ist.

32

bb) Die Würdigung, dass die Verfahrensdauer in Bezug auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 unangemessen ist, ergibt sich aus einer Betrachtung des konkreten Verfahrensablaufs.

33

Im Juni 2012 hatte das Ausgangsverfahren bereits fünfeinhalb Jahre gedauert. Faktisch hat es bis zu diesem Zeitpunkt geruht und wurde --trotz der Verzögerungsrüge am 4. Juni 2012-- erst dadurch aufgenommen, dass das FG im Dezember 2012 eine Entscheidung im 1. Quartal 2013 in Aussicht stellte. Demgemäß ist im Zeitraum von Juni 2012 bis November 2012 (insgesamt sechs Monate) eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens eingetreten.

34

3. Für die Verzögerung des Verfahrens von der Erhebung der Verzögerungsrüge vom 4. Juni 2012 bis zum November 2012 ist der Klägerin eine Entschädigung für Nichtvermögensnachteile in Höhe von 1.200 € zuzusprechen.

35

a) Das Entstehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, unter III.6.a).

36

b) Eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GVG wäre im Streitfall für die unangemessenen Verzögerungszeiträume ab Inkrafttreten des Gesetzes nicht ausreichend. Dafür spricht vor allem, dass das FG auf die zahlreichen Versuche der Klägerin und des E, es zu einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist zu bewegen, gar nicht reagiert und ihnen nicht einmal einen Zeitpunkt in Aussicht gestellt hat, ab dem mit einer Verfahrensförderung zu rechnen sei. In diesem Fall ist offensichtlich, dass die Klägerin und E aus nachvollziehbaren Gründen an einer zügigen Entscheidung interessiert und infolgedessen von der Verfahrensverzögerung in stärkerem Maße betroffen waren.

37

c) Umstände dafür, dass der in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannte Regelbetrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vorliegend unbillig (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG) sein könnte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus dem hohen Alter der Klägerin und des E noch daraus, dass dieses Ausgangsverfahren seinen Ursprung in einem erfolgreichen Verfahren vor dem EGMR hatte.

38

Auch wenn im Gesetz ein Jahresbetrag genannt ist, kann dieser im konkreten Fall nach Monaten bemessen werden (ebenso bereits Senatsurteil in BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179).

39

d) Der Klägerin ist für den erlittenen immateriellen Nachteil für sich und E jeweils ein Entschädigungsbetrag von 600 € zu zahlen.

40

aa) Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils ist ein personenbezogener Anspruch. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Er ist als ein Jedermann-Recht konzipiert und steht dementsprechend jeder Person zu, die an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist (weiterführend: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2014  5 C 1/13 D, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3). Verfahrensbeteiligt waren bei Klageerhebung die Klägerin und ihr während des Klageverfahrens verstorbener Ehemann, als dessen Alleinerbin die Klägerin das Klageverfahren fortführt.

41

bb) Der Entschädigungsanspruch des E ist vererblich, entspricht die Entschädigung doch einem Schadensersatzanspruch für immaterielle Schäden (zur Vererblichkeit eines solchen Anspruchs vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 253 BGB Rz 22, m.w.N.).

42

Diese Vererblichkeit wird auch nicht durch die Regelung in § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ausgeschlossen (so auch Zöller/ Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 198 GVG, Rz 11, unter Hinweis auf Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rz 267). Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage (...) der Anspruch nicht übertragbar (ist)". Diese Vorschrift, die § 13 Abs. 2 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen nachgebildet worden ist, soll jedoch allein die Pfändbarkeit nach § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und damit den Handel mit dem Anspruch verhindern (vgl. BTDrucks 17/3802, 36).

43

4. Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

45

Die Klägerin und E haben eine Entschädigung in Höhe von 8.400 € beantragt.

46

Der Klägerin ist --auch als Alleinerbin des E-- eine Entschädigung in Höhe von 1.200 € zuzusprechen, so dass sie zu 1.200/8.400, also zu 1/7 obsiegt hat.

47

6. Mit Einverständnis der Beteiligten (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 155 Satz 2 FGO) hat der erkennende Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Tatbestand

1

I. Die Kläger begehren Entschädigung nach § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) von 7.100 €, mindestens aber 5.600 € für ein nach ihrer Ansicht überlanges Verfahren, das vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) geführt wurde.

2

Streitig in diesem Verfahren war, wie der Kaufpreis einer historischen Immobilie auf Grund und Boden bzw. Gebäude aufzuteilen und wie folglich die Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Gebäude zu berechnen war. Das Finanzamt A (FA) nahm zunächst die Aufteilung im Schätzungswege vor. In der Folgezeit legten sowohl die Kläger als auch das FA Wertgutachten vor. Die Ende 2003 eingegangene Klage wies das FG mit Urteil vom 28. Juni 2006  5 K 604/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1747) ab. Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 29. Mai 2008 IX R 36/06 (BFH/NV 2008, 1668) das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur Überprüfung der Angemessenheit der Werte an das FG zurück. Im zweiten Rechtsgang (5 K 3417/08) holte das FG ein Sachverständigengutachten ein, über dessen inhaltliche Bewertung die Beteiligten uneins waren.

3

Nach einer am 22. April 2012 erhobenen Verzögerungsrüge machte sich das FG zunächst über die aktuellen Vollmachtsverhältnisse kundig und holte dann mit Verfügung vom 26. April 2012 eine Stellungnahme des Sachverständigen ein. Der Sachverständige reichte diese am 12. Juni 2012 beim FG ein. Tags darauf übermittelte das FG das Gutachten an die Beteiligten zu etwaiger Stellungnahme, stimmte in einem Telefonat vom 26. Juli 2012 einen Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Kläger ab und lud --absprachegemäß-- mit Verfügung vom 1. August 2012 auf den 25. September 2012. Am 17. September 2012 sandte das FG die von dem Berichterstatter gefertigte Darstellung des wesentlichen Inhalts der Akten und am 24. September 2012 Übersichtskarten mit fortgeschriebenen Bodenrichtwerten, die die Bewertungsstelle des FA vorgelegt hatte.

4

In der mündlichen Verhandlung am 25. September 2012 protokollierte das FG eine tatsächliche Verständigung (Mehr-AfA von 910 DM im Streitjahr 2001) sowie Erledigungserklärungen aller Beteiligten.

5

Mit Verfügung vom 4. Oktober 2012 teilte das FG mit, wie es über die Kosten zu entscheiden erwäge. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 9. Oktober 2012, er sei nicht einverstanden, das FA am 12. Oktober 2012, es sei einverstanden. Mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 traf das FG nach § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die angekündigte Kostenentscheidung, begründete diese auch unter Bezugnahme auf die Einwendungen der Kläger und übersandte diese am 25. Oktober 2012 den Beteiligten. Mit Schriftsatz vom 1. November 2012 widersprachen die Kläger der tatsächlichen Verständigung, beantragten ein Urteil und die Zulassung der Revision. Mit Verfügung vom 6. November 2012 bat das FG um Mitteilung, ob hierin ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu sehen sei, mit dem die Unwirksamkeit der Erledigungserklärungen geltend gemacht werde. Der Kläger bestätigte dies am 18. November 2012. Mit Verfügung vom 20. November 2012 lud das FG erneut zur mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2012 und stellte mit Urteil von diesem Tage fest, die Beteiligten hätten wirksame übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision haben die Kläger Beschwerde eingelegt, die der BFH mittlerweile zurückgewiesen hat (IX B 20/13, nicht dokumentiert).

6

In ihrer am 31. Oktober 2012 erhobenen Entschädigungsklage vertreten die Kläger die Auffassung, sie hätten fristgerecht Verzögerungsrüge erhoben. Die Verfahrensdauer sei mit insgesamt 83 Monaten (31 Monate im ersten Rechtsgang, 52 Monate im zweiten Rechtsgang) nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unangemessen lang gewesen. Hiervon seien wenigstens 56 Monate, bei einer angenommenen angemessenen Verfahrensdauer von zwölf Monaten pro Instanz sogar 71 Monate als entschädigungsrelevante Verzögerung zu betrachten.

7

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger eine Entschädigung von 7.100 €, mindestens jedoch 5.600 € zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

9

Er hält die Klage für unzulässig, da die Kläger die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich innerhalb von zwei Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren --ÜberlVfRSchG-- (BGBl I 2011, 2302) erhoben hätten. Jedenfalls aber sei die Klage unbegründet, da die Verfahrensdauer vor allem angesichts der Schwierigkeit des Verfahrens nicht unangemessen gewesen sei.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Kläger haben entgegen Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich erhoben (1.). Damit sind alle etwaigen Ansprüche bis zum Rügezeitpunkt präkludiert (2.). Nach dem Rügezeitpunkt ist keine unangemessene Verzögerung eingetreten (3.).

11

1. Art. 1 ÜberlVfRSchG hat dem GVG den Siebzehnten Titel mit den §§ 198 bis 201 GVG angefügt. Nach der Übergangsregelung des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist dieses Gesetz auch auf Verfahren anwendbar, die bei seinem Inkrafttreten (3. Dezember 2011) bereits anhängig waren. War ein solches anhängiges Verfahren beim Inkrafttreten des Gesetzes schon verzögert, gilt die in § 198 Abs. 3 GVG vorgesehene Obliegenheit zur Erhebung einer Verzögerungsrüge mit der Maßgabe, dass diese "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss" (Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG). In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum (Art. 23 Satz 3 ÜberlVfRSchG).

12

Wie der Senat in seinem Urteil vom 7. November 2013 X K 13/12 (BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, unter II.1.d cc) bereits entschieden hat, ist aufgrund der gebotenen normspezifischen Auslegung der Vorschrift der Begriff "unverzüglich" als Frist von drei Monaten zu verstehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich dieser Auffassung mit Urteil vom 10. April 2014 III ZR 335/13 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2014, 1967, unter II.1.c der Entscheidungsgründe) angeschlossen.

13

Diese Frist hat die erst im April 2012 erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr gewahrt.

14

2. Mangels fristgerechter Verzögerungsrüge steht den Klägern bis zum Rügezeitpunkt weder ein Anspruch auf Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG noch ein Anspruch auf Feststellung nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG zu. Die Frage, ob das Verfahren vor dem FG bis zu jenem Zeitpunkt bereits unangemessen i.S. des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, bedarf daher keiner Beantwortung.

15

Zwar hatte der Senat mit Urteil vom 17. April 2013 X K 3/12 (BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, Leitsatz 3 sowie unter III.7.b) entschieden, dass die Feststellung unangemessener Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG auch dann möglich sei, wenn die Verzögerungsrüge fehlt oder --hier einschlägig-- in den Übergangsfällen des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nicht rechtzeitig erhoben wurde. Indes hat zwischenzeitlich der BGH in NJW 2014, 1967 (Leitsatz 2 sowie unter II.1.d sowie II.2. der Entscheidungsgründe) erkannt, dass bei nicht unverzüglicher Verzögerungsrüge Ansprüche sowohl auf Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG als auch auf Feststellung unangemessener Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 GVG bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Mit Rücksicht auf diese Entscheidung und zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des BGH an und hält an seiner vormaligen Rechtsansicht im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nicht mehr fest.

16

3. Nach dem Rügezeitpunkt hat das FG das Verfahren ohne Verzug dem Abschluss zugeführt, so dass ein Entschädigungsanspruch gleich welcher Art bereits dem Grunde nach nicht besteht. Das FG hat in diesem Stadium alle Verfahrenshandlungen nahezu an dem Tag getroffen, an dem sie veranlasst und möglich waren.

17

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juli 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Arzthaftungsprozesses geltend.

2

In dem noch nicht abgeschlossenen Ausgangsverfahren nimmt der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2006 beim Landgericht eingereichten Klage einen Arzt auf Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 15.000 € sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden im Zusammenhang mit einer am 29. April 2004 durchgeführten Knieoperation in Anspruch.

3

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschloss das Landgericht am 20. November 2007 die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Der beauftragte Sachverständige Dr. B.   erstellte sein Gutachten unter dem 16. Dezember 2008 und ergänzte es mit Stellungnahme vom 18. Juni 2010 im Hinblick auf Fragen und Einwände des beklagten Arztes. Widersprüche zwischen dem gerichtlichen Gutachten und einem außergerichtlich erstellten Gutachten führten dazu, dass das Landgericht mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2010 ein Obergutachten in Auftrag gab, dessen Fertigstellung der neue Sachverständige Prof. Dr. G.    bis Ende März 2011 in Aussicht stellte.

4

Auf Sachstandsanfrage des Landgerichts vom 23. Mai 2011 beanstandete der Sachverständige das Fehlen der dem Erstgutachter überlassenen Röntgenbilder, obwohl sich diese - wie sich später herausstellte - in der bereits am 26. Januar 2011 übersandten Gerichtsakte befanden. Für die folgenden sechs Monate sind keine prozessleitenden Anordnungen des Gerichts dokumentiert. Die Nachforschungen der Geschäftsstelle nach dem Verbleib der Röntgenbilder blieben erfolglos. Zudem ging das umfangreiche Post enthaltende Aktenretent verloren. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte das Landgericht dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit, dass eine Nachfrage bei den Parteien und bei Dr. B.   ergeben habe, dass Röntgenbilder dort nicht vorhanden seien, und bat ihn zugleich um erneute Prüfung, ob die Röntgenbilder seinerzeit mit der Gerichtsakte übersandt worden seien. Der Sachverständige reagierte nicht. Sachstandsanfragen des Klägers an das Landgericht vom 28. Februar, 25. Mai und 12. Juli 2012 blieben unbeantwortet. Mit Anwaltsschriftsatz vom 7. August 2012 erhob der Kläger "Verzögerungsrüge gemäß § 198 GVG". Nachdem das Landgericht den Sachverständigen daraufhin unter dem 22. Oktober 2012 um Rückgabe der Akten gebeten und diese Mitte November 2012 erhalten hatte, teilte es dem Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 mit, dass die vermissten Röntgenbilder in den Akten aufgefunden worden seien. Gleichzeitig übersandte es die Akten an den Sachverständigen Prof. Dr. G.    mit der Bitte um bevorzugte Bearbeitung.

5

Noch bevor der Sachverständige sein Gutachten unter dem 27. Mai 2013 erstellt hatte, reichte der Kläger am 14. März 2013 die vorliegende Entschädigungsklage beim Oberlandesgericht ein.

6

Der Kläger hat geltend gemacht, das Verfahren sei bislang um sechs Jahre verzögert, weil der Rechtsstreit bereits seit dem Erstgutachten des Sachverständigen Dr. B.   entscheidungsreif gewesen sei. Die ihm zustehende Entschädigung für immaterielle Nachteile betrage auf der Basis des gesetzlichen Regelsatzes 7.200 €.

7

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile von 900 € verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Verfahrensdauer über den bei der zugesprochenen Entschädigung bereits berücksichtigen Zeitraum hinaus bisher um weitere vier Monate unangemessen war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

8

Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Entschädigungsklage in vollem Umfang.

I.

10

Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (im Folgenden: ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) sei die Entschädigungsregelung der §§ 198 ff GVG auf den noch beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar. Die Entschädigungsklage sei als Teilklage zulässig und teilweise begründet. Das Ausgangsverfahren weise bislang eine unangemessene und irreparable Dauer von insgesamt 13 Monaten auf.

12

In dem Zeitraum von Ende Mai 2011 bis Anfang Dezember 2011 liege eine Verzögerung von vier Monaten vor. Für die (erfolglosen) Nachforschungen bei den Parteien und dem Sachverständigen Dr. B.   nach dem Verbleib der vermeintlich fehlenden Röntgenbilder habe das Landgericht rund sechs Monate benötigt, während der hierfür noch als vertretbar anzusehende Zeitrahmen mit zwei Monaten anzusetzen sei.

13

Der nächste sachgerechte Verfahrensschritt sei mit der gerichtlichen Anfrage bei Prof. Dr. G.     vom 7. Dezember 2011 erfolgt. Das Landgericht habe jedoch nicht für eine umgehende Erledigung der Bitte um nochmalige Durchsicht der Akten gesorgt. Vielmehr habe der Kammervorsitzende erst mehr als zehn Monate später und zweieinhalb Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge die Akten am 22. Oktober 2012 von Prof. Dr. G.     zurückgefordert. Bei sachgerechtem Vorgehen hätte das Landgericht den Verbleib der Röntgenbilder bis Ende Januar 2012 klären können. Das Verfahren sei daher in diesem Abschnitt um weitere neun Monate verzögert worden.

14

Für die Folgezeit sei keine weitere Verzögerung festzustellen. Das Landgericht habe sich um eine bevorzugte Erledigung des Gutachtenauftrags bemüht. Dementsprechend habe der Sachverständige das Gutachten bereits im Mai 2013 fertig gestellt.

15

Die bisher eingetretene Verzögerung von insgesamt 13 Monaten könne bis zum Abschluss des landgerichtlichen Verfahrens nicht mehr kompensiert werden. Die voraussichtliche Gesamtdauer der ersten Instanz von fast sieben Jahren stelle sich bereits jetzt als unangemessen lang dar.

16

Hinsichtlich der Verzögerung von vier Monaten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Entschädigungsregelung am 3. Dezember 2011 erfolgt sei, sei ein Entschädigungsanspruch des Klägers jedoch ausgeschlossen, weil die Verzögerungsrüge nicht unverzüglich im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜGRG erhoben worden sei. Insoweit sei jedoch nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG die unangemessene Verzögerung des Verfahrens festzustellen.

17

Für die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgte Verzögerung von neun Monaten sei die regelmäßige Entschädigung von 100 € je Monat gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzubilligen. Art. 23 Satz 3 ÜGRG stehe dem nicht entgegen. Denn diese Vorschrift sei dahin auszulegen, dass das Unterlassen einer unverzüglichen Erhebung der Verzögerungsrüge einen Entschädigungsanspruch nur wegen des Zeitraums ausschließe, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liege. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wahre die unverzüglich nachgeholte Verzögerungsrüge den Anspruch aus § 198 GVG so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Dann aber dürften dem Betroffenen auch umgekehrt aus der Unterlassung der unverzüglichen Rügeerhebung keine weitergehenden Nachteile entstehen, als sie ihm entstanden wären, wenn das Institut der Verzögerungsrüge des § 198 Abs. 3 GVG bereits früher - als sich das Ausgangsverfahren vor Inkrafttreten des Gesetzes verzögert oder zu verzögern gedroht habe - bestanden hätte. Im Hinblick auf den in § 198 Abs. 3 Satz 2 genannten Zeitpunkt ("Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird") sei jedoch die Verspätung der Rüge grundsätzlich unschädlich, da die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht "bestraft" werden solle (BT-Drucks. 17/3802 S. 21).

II.

18

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

19

1. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge am 7. August 2012 steht dem Kläger kein Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 GVG zu, weil es an einer unverzüglichen Rüge nach Art. 23 Satz 2 ÜGRG fehlt und in diesem Fall vor dem Rügezeitpunkt liegende Entschädigungsansprüche nach Art. 23 Satz 3 ÜGRG präkludiert sind.

20

a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf den Streitfall Anwendung findet. Danach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. Dezember 2011 (gemäß Art. 24 ÜGRG) bereits anhängig waren. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Das am 20. Dezember 2006 eingeleitete Ausgangsverfahren war zum maßgeblichen Stichtag weder rechtskräftig abgeschlossen noch anderweitig erledigt.

21

b) Die Entschädigungsklage konnte auch schon während des noch andauernden Ausgangsverfahrens erhoben werden. Aus § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass lediglich die hier unproblematische Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge gewahrt sein muss. Der Abschluss des Ausgangsverfahrens ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Dadurch hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass der Anspruch auf ein zügiges Verfahren schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verletzt werden kann und insoweit auch ein Entschädigungsanspruch in Betracht kommt (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Verfahrensrechtlich handelt es sich bei der Klage während des noch andauernden Ausgangsverfahrens regelmäßig um eine Teilklage, weil Entschädigung nur für einen bestimmten Abschnitt des Gesamtverfahrens verlangt wird (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 52, 252). Diese setzt voraus, dass unabhängig vom weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens bereits eine Entscheidung über den Entschädigungsanspruch getroffen werden kann. Dementsprechend müssen die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vollständig erfüllt sein. Eine unangemessene und unumkehrbare Verzögerung des Ausgangsverfahrens sowie endgültig eingetretene Nachteile müssen feststehen. Daneben ist der Betroffene gehalten (haftungsbegründende Obliegenheit), eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG wirksam zu erheben (Senatsurteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 27 ff). Für den frühestmöglichen Rügetermin verlangt das Gesetz einen (konkreten) Anlass zu der Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden kann.

22

c) Wird die Entschädigungsregelung - wie hier - nach Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 ÜGRG auf Altfälle angewandt, die am 3. Dezember 2011 bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren, wird das Recht der Verzögerungsrüge durch Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG an die Besonderheiten dieser Verfahrenskonstellation angepasst (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Bei Verfahren, die beim Inkrafttreten der Regelung schon verzögert sind, muss die Verzögerungsrüge unverzüglich erhoben werden. Geschieht dies, so wahrt die Rüge den Anspruch aus § 198 GVG rückwirkend in vollem Umfang, das heißt so, als ob bereits zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG festgelegten Zeitpunkt gerügt worden wäre (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4, 6).

23

Die Verzögerungsrüge des Klägers vom 7. August 2012 ist nicht unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden, obwohl das Verfahren zu diesem Zeitpunkt, was das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits um vier Monate verzögert war. Es wäre erforderlich gewesen, die Rüge binnen eines Zeitraums von längstens drei Monaten zu erheben.

24

"Unverzüglich" bedeutet nach der Gesetzesbegründung "ohne schuldhaftes Zögern" (BT-Drucks. 17/3802 S. 31). Damit wird die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug genommen, die nach allgemeiner Auffassung auch über die Fälle des § 121 BGB hinaus gilt (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 121 Rn. 3).

25

Soweit Art. 23 Satz 2 ÜGRG die unverzügliche Erhebung der Verzögerungsrüge nach Inkrafttreten der Entschädigungsregelung verlangt, ist kein sofortiges Handeln geboten. Vielmehr muss dem Betroffenen eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt werden, um entscheiden zu können, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss. Die von der Rechtsprechung zu § 121 BGB herausgebildete Obergrenze von zwei Wochen (dazu Palandt/Ellenberger aaO) beziehungsweise die zweiwöchige gesetzliche Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen insoweit einen zu engen Maßstab dar (vgl. BSG, NJW 2014, 253 Rn. 29; BFH, BeckRS 2013, 96642 Rn. 33, 35, 39, 42; OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210; NJW 2013, 3109, 3110; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833). Bei der Bemessung der gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes in den Blick zu nehmen, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (BT-Drucks. 17/3802 S. 15). Es kommt hinzu, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGRG). Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Begriff der "Unverzüglichkeit" in Art. 23 Satz 2 ÜGRG weit zu verstehen. Eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der erkennende Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (aaO Rn. 46) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist.

26

Diese großzügig bemessene Frist hat der Kläger mit seiner am 7. August 2012 eingegangenen Verzögerungsrüge deutlich verfehlt.

27

d) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts führt die gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG verspätete Verzögerungsrüge dazu, dass Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer nicht nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes, sondern bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt präkludiert sind. Der Kläger kann deshalb für die vom Oberlandesgericht bis zum 7. August 2012 angenommene Verzögerung von elf Monaten (vier Monate bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 und weitere sieben Monate bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge) keine Entschädigung verlangen.

28

Für dieses Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut und die Systematik des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG als auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie der Zweck der Regelung.

29

aa) Gemäß Art. 23 Satz 2 ÜGRG muss die Verzögerungsrüge unter den dort genannten Voraussetzungen "unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben" werden. Daran anknüpfend bestimmt Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass in diesem Fall die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den "vorausgehenden Zeitraum" wahrt. Damit ist ersichtlich der Zeitraum gemeint, der bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge verstrichen ist. Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich der Satzbestandteil des "vorausgehenden Zeitraums" nach Wortlaut und Stellung unmittelbar auf die "Erhebung der Verzögerungsrüge" bezieht. Im Umkehrschluss folgt aus Art. 23 Satz 3 ÜGRG, dass bei verspäteter Rüge Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG erst vom Rügezeitpunkt an entstehen können und für die Zeit davor Präklusion eintritt. Dieses Verständnis der Regelung entspricht auch der wohl einhelligen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (vgl. nur OLG Bremen, NJW 2013, 2209, 2210 und NJW 2013, 3109, 3110 mit eindeutigen Ausführungen in den Entscheidungsgründen und lediglich missverständlich gefassten Leitsätzen; OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 07833; LSG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2013, 72538 und BeckRS 2013, 72539; Heine, MDR 2013, 1147; Ott aaO § 198 GVG Rn. 196 und Art. 23 ÜGRG Rn. 6).

30

bb) Soweit das Oberlandesgericht darauf abstellen will, dass im Falle des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG eine Verspätung der Rüge grundsätzlich nicht relevant sei (dazu Ott aaO § 198 GVG Rn. 194 unter Hinweis auf BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 35 u. 41) und im Anwendungsbereich des Art. 23 Satz 3 ÜGRG nichts anderes gelten könne, wird außer Acht gelassen, dass beide Vorschriften unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben und sich nach Sinn und Zweck grundlegend unterscheiden.

31

§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG regelt den Zeitpunkt, zu dem die Verzögerungsrüge frühestens wirksam erhoben werden kann. Maßgeblich ist danach der Anlass zur Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird (Ott aaO § 198 GVG Rn. 186, 188). Die Verzögerungsrüge muss lediglich im laufenden Ausgangsverfahren erhoben werden, ohne dass ein Endtermin bestimmt und damit eine Frist für die Rüge festgelegt wird. Da nach dem Willen des Gesetzgebers die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll (BT-Drucks. 17/3802 S. 21, 41), ist es nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG grundsätzlich unerheblich, wann die Rüge nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird. Dadurch soll das gesetzgeberische Ziel, keinen Anreiz für verfrühte Rügen zu schaffen, verwirklicht werden (Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, § 198 GVG Rn. 135; Ott aaO § 198 GVG Rn.194).

32

Davon abweichend ist Anknüpfungspunkt für die Übergangsregelung des Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG der spätestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben werden muss (Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 4). Der für § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG maßgebliche Gesichtspunkt, dass die Geduld eines Verfahrensbeteiligten nicht bestraft werden soll, spielt hier keine Rolle. Vielmehr muss der Betroffene innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist entscheiden, ob er die Verzögerungsrüge zur Rechtswahrung wegen bereits eingetretener Verzögerungen erhebt. Dies rechtfertigt es, dass bei nicht rechtzeitiger Rüge Ansprüche erst vom Rügezeitpunkt an begründet werden (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 196).

33

cc) Dieses Verständnis der Übergangsvorschrift wird durch die Entstehungsgeschichte der Entschädigungsregelung zusätzlich gestützt. In dem Referentenentwurf vom 15. März 2010 (abgedruckt bei Steinbeiß-Winkelmann/Ott aaO Anhang 5 S. 410 ff) wurde noch davon ausgegangen, dass ein Entschädigungsanspruch nur in Betracht komme, "soweit" die Verzögerungsrüge rechtzeitig zu dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG genannten Zeitpunkt erhoben werde, und dass die Entschädigung für den davor liegenden Zeitraum ausgeschlossen sei. Eine verspätete Rüge sollte dementsprechend zu einem Anspruchsverlust führen (Ott aaO § 198 GVG Rn. 194; Steinbeiß-Winkelmann aaO Einführung Rn. 224, 316).

34

Die mit Art. 23 Satz 2 und 3 ÜGRG übereinstimmende Übergangsregelung in Art. 16 Satz 3 und 4 ÜGRG-RefE knüpfte daran an und sah bei einer verspäteten Rüge eine Kürzung des Entschädigungsanspruchs für den vor der Rüge liegenden Zeitraum vor (siehe auch Ott aaO § 198 GVG Rn. 196). Diese Bestimmung ist - anders als § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG - im weiteren Gesetzgebungsverfahren inhaltlich nicht mehr verändert worden.

35

2. Für den Zeitraum bis zur Erhebung der Verzögerungsrüge vom 7. August 2012 scheidet auch eine Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Feststellungsausspruch zur Verfahrensverzögerung trotz fehlenden Entschädigungsanspruchs nach dem Ermessen des Gerichts möglich, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind. Da die Präklusionswirkung des Art. 23 Satz 3 ÜGRG jedoch nicht nur den Anspruch auf Geldentschädigung, sondern ohne Einschränkung alle Formen der Wiedergutmachung nach § 198 GVG erfasst, soweit sie sich auf Verzögerungen vor Rügeerhebung beziehen, findet § 198 Abs. 4 GVG im Streitfall keine Anwendung. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.

36

3. Es kann dahin stehen, ob der Zeitraum von rund zwei Monaten zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Rückforderung der Akten von dem Sachverständigen Prof. Dr. G.    am 22. Oktober 2012 - wie das Oberlandesgericht meint - sachlich nicht mehr gerechtfertigt war. Denn eine solche Verfahrenslücke wäre entschädigungsrechtlich ohne Relevanz.

37

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (Senatsurteil vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.

38

4. Dem Oberlandesgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass eine erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu sieben Jahren schon für sich genommen als unangemessen einzustufen sei. Diese Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass selbst bei einem mehrjährigen Verfahrenszeitraum dessen Angemessenheit nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Es ist unabdingbar, die einzelfallbezogenen Gründe zu untersuchen, auf denen die Dauer des Verfahrens beruht, und diese im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung umfassend zu würdigen und zu gewichten (Senatsurteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 40 f). Angesichts einer rechtlich relevanten Verzögerung von allenfalls zwei Monaten war deshalb die prognostizierte erstinstanzliche Gesamtverfahrensdauer von knapp sieben Jahren nicht geeignet, Entschädigungsansprüche zu begründen.

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5. Den Ausführungen des Oberlandesgerichts, die eingetretenen Verzögerungen seien irreparabel, weil sie nicht mehr bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens kompensiert werden könnten, liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, die Kompensationsmöglichkeit einer etwaigen Verzögerung sei nur für die jeweilige Instanz zu untersuchen. Indes ist bei der abschließenden Gesamtwürdigung das gesamte Verfahren in den Blick zu nehmen und zu fragen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Prozesses kompensiert wurden (Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 41; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 37 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28). Dies kann auch dadurch geschehen, dass das zunächst verzögerte Verfahren in einer höheren Instanz besonders zügig geführt wird (Heine, MDR 2013, 1081, 1085; Ott aaO § 198 GVG Rn. 101).

III.

40

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

41

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Klage insgesamt abweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Schlick                     Wöstmann                    Tombrink

              Remmert                        Reiter

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.