Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 31. Juli 2012 - 5 U 148/11

bei uns veröffentlicht am31.07.2012

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ulm - 2. Kammer für Handelssachen - vom 16.08.2011 - Az. 11 O 25/11 KfH -

a b g e ä n d e r t

und wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.000,00 EUR netto nebst Zinsen i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2010 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die Rückforderung vorschussweise gewährter Ausfuhrerstattungen durch die Rückforderungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 08.10.2004, Nrn. 04280-1210-024/02, 04280-1210-027/02, 04280-1210-028/02, 04280-1210-029/02, 04280-1210-030/02, 04280-1210-031/02, 04280-1210-032/02, 04280-1210-033/02, 04280-1210-034/02 und 04280-1210-035/02 in der Fassung der Berichtigungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 25.01.2009, Nrn. 04280-1210-024/02, 04280-1210-027/02, 04280-1210-028/02, 04280-1210-029/02, 04280-1210-030/02, 04280-1210-031/02, 04280-1210-032/02, 04280-1210-033/02, 04280-1210-034/02, in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 06.02.2008, Nr. RL 472/04-216, über einen Betrag i. H. v. insgesamt 43.870,02 EUR sowie durch die Versagung der mit Zahlungsanträgen Nr. 154/00 vom 07.02.2002 und Nr. 155/00 vom 07.02.2002 beantragten Ausfuhrerstattungen i. H. v. insgesamt 5.403,85 durch die Ablehnungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 06.10.2004, Nrn. 04279-1210-018/09 und 04279-1210-019/09, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2008, Nr. RL 470/04-2161 entstehen.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.

Die Streithelferin trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert der Berufung: bis zu 63.504,83 EUR.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz für die Nichterstattung von Ausfuhrerstattungen für Rindfleischlieferungen im Jahr 2001, die die Klägerin nach Russland exportiert hat.
Die Klägerin mit Sitz in R... betreibt einen Vieh- und Fleischhandel, die Beklagte einen Schlacht- und Zerlegebetrieb.
Im Jahr 2001 war die Klägerin eine Tochterfirma der L... KG (im Folgenden nur: L... KG). Damaliger Geschäftsführer der Klägerin war B..., Geschäftsführer der L... KG war M... L..., der jetzige Geschäftsführer der Klägerin. Die L... KG hatte einen Schlachtbetrieb mit Sitz in Weingarten. Ihr Ein- und Verkaufsbüro war in T...(Ortsname) und wurde von B... geleitet. Die Klägerin hatte im Jahr 2001 ihren Sitz ebenfalls in T...(Ortsname), die Verwaltung befand sich in W. ... (Ortsname). Eine eigene Einkaufsabteilung hatte die Klägerin nicht. Im Zeitraum vom 06. (vgl. Bl. 13 d. A./Anlage K 1) bzw. 09.07.2001 bis 14.09.2001 lieferte die Beklagte auf der Grundlage von sechs Bestellungen an die Klägerin insgesamt 60 t Rindfleisch für den Export nach Russland. Dieses Rindfleisch war zuvor von einem Labor auf BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) - mit negativem Ergebnis - untersucht worden. Diese Untersuchungen führte das Labor im Auftrag der zuständigen Behörde für die Fleischuntersuchungen im Bereich der Beklagten, der Stadt U. ... (Veterinäramt), durch. Vor den jeweiligen Rindfleischlieferungen übersandte die Käuferseite der Beklagten „Auftragsbestätigungen“, datierend vom 04.07.2001, 09.07.2001, 17.07.2001, 17.08.2001, 24.08.2001 und 05.09.2001 (Anlagen K 2 - K 7, K 8 [AGB der L... KG] nach Bl. 13 d. A.). Diese Bestätigungsschreiben erfolgten unter Verwendung des Briefkopfs der L... KG und endeten mit einer Grußformel der L... KG, vertreten durch B..., versehen mit einem Stempel der L... KG. Sie hatten jeweils folgenden Inhalt:
„ [...]
Kaufvertrag: Wir kaufen von Ihnen zu folgenden Bedingungen
[...]
Warenbeschreibung:
[...] Die Viertel müssen von der BLE (= Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung [Anm. d. Senats]) auf Fa. A... GmbH, [...], T...(Ortsname) (= Klägerin [Anm. d. Senats]) verplombt sein. GTB (= Genusstauglichkeitsbescheinigung [Anm. d. Senats]) und Zusatzerzeugnisse wie Ihnen übersandt. [...] Das Fleisch muss deutscher Herkunft sein. Es wurde mit Ihnen verbindlich vereinbart, dass von Ihnen keine Waren geliefert werden, welche aus England, Nordirland oder der Schweiz o. anderen Drittländern kommen. Erstattungskürzungen, Sanktionen und Bürgschaftsverfallkosten aufgrund nicht vereinbarungsgemäß gelieferter Waren gehen ausschließlich zu Ihren Lasten. Anti BSE Bescheinigung muss dem GTB beigefügt werden. [...]
Rechnungsadresse: Fa. A... GmbH, ..., T...(Ortsname) (= Klägerin [Anm. d. Senats]).
Anlieferung: [...]
[...]
Bitte beachten Sie unsere Anlagen bestehend aus 8 Seiten genauestens!!!!!!
Weitere Vertragsbedingungen entnehmen Sie bitte der Seite 2 unserer Auftragsbestätigung. (Hierbei handelt es sich um die von der Klägerin als Anlage K 8 [Bl. 13 d. A.] vorgelegten und mit „Kaufvertrag- EINKAUF S. 2“ überschriebenen AGB [Anm. des Senats].)
...“ (kursive Hervorhebungen durch den Senat).
Es ist streitig, ob die Klägerin oder die L... KG die sechs Aufträge der Beklagten erteilt hat.
10 
Die Beklagte stellte die erste Rechnung vom 06.07.2001 an die L... KG als Rechnungs- und Lieferungsempfänger aus. Die Rechnung wurde anschließend auf die Klägerin abgeändert, die weiteren Rechnungen erfolgten an die Klägerin als Rechnungs- und Lieferungsempfänger (vgl. Anlagenkonvolut nach Bl. 37 d. A.). Bezahlt wurden die Rechnungen von der Klägerin.
11 
Das von der Beklagten gelieferte Rindfleisch wurde von der Klägerin nach Russland (Russische Föderation) exportiert. Das zuständige Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: HZA) gewährte der Klägerin hierfür z. T. vorschussweise sog. Ausfuhrerstattungen (vgl. dazu die in Ziffer 1. lit. b des Tenors näher bezeichneten Rückforderungsbescheide des HZA). Bei der Ausfuhrerstattung handelt es sich um eine Exportsubvention im Rahmen des EU-Marktordnungsrechts.
12 
Als sich aus einer Mitteilung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 25.04.2001 ergab, dass möglicherweise BSE-Pflichttests im Schlachthof der Beklagten (ES-Nr. 101) im maßgebenden Zeitraum fehlerhaft waren, forderte das HZA die Klägerin mit Schreiben vom 30.06.2003 auf, die jeweiligen Schlachtzeitpunkte für das ausgeführte Fleisch mitzuteilen. Es bestanden Zweifel an der Validität der Testergebnisse. Da die vom HZA erbetenen Daten von der Klägerin nicht erbracht werden konnten, verweigerte das HZA mit Ablehnungsbescheiden vom 06.10.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 9) die Auszahlung der am 07.02.2002 von der Klägerin beantragten Ausfuhrerstattungen und forderte mit Rückforderungsbescheiden vom 08.10.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 10), die mit Bescheiden vom 25.01.2009 teilweise berichtigt wurden, die vorschussweise gewährten Ausfuhrerstattungen nebst Zuschlag, insgesamt 43.870,02 EUR (= ursprünglich vom HZA [zurück-]geforderte 50.450,54 EUR ./. 6.580,52 EUR infolge Berichtigung durch das HZA) zurück. Die Klägerin legte gegen diese Bescheide Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens bemühte sich die Klägerin zusammen mit dem Veterinäramt der Stadt U. ... - vergeblich - die genauen Schlachtzeitpunkte aufzuklären. Gegen die ablehnenden Einspruchsentscheidungen vom 16.01.2008 und 06.02.2008 erhob die Klägerin Anfechtungsklage zum Finanzgericht Hamburg (dortige Aktenzeichen: 4 K 13/09 und 4 K 14/09), welche derzeit ruhen, da ein gleichgelagertes Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig war (dortiges Aktenzeichen: VII R 24/10; vorangegangenes Aktenzeichen des Finanzgerichts Hamburg: 4 K 399/07). Das Verfahren beim BFH wurde zwischenzeitlich durch Urteil vom 26.01.2012 - Az. VII R 24/10 (NV) - (BeckRS 2012, 94998) entschieden. Der BFH erachtete den im dortigen Verfahren angefochtenen, die Ausfuhrerstattung versagenden Bescheid des HZA für rechtmäßig.
13 
Nach Erhalt der Ablehnungs- und Rückforderungsbescheide des HZA forderte die Klägerin mit Schreiben vom 03.11.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 15) die Beklagte auf, den ihr durch die Versagung bzw. Rückforderung der Ausfuhrerstattungen aufgrund fehlerhafter BSE-Tests entstandenen Schaden zu ersetzen.
14 
Mit Schreiben vom 08.11.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 17) wies die Beklagte die Schadensersatzforderung der Klägerin zurück. Sie begründete dies damit, dass nicht sie, sondern die Stadt U. ... für die fehlerhafte Durchführung der BSE-Tests verantwortlich sei. Gleichzeitig erklärte sie ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Erklärung eines Verzichts auf die Einrede der Verjährung.
15 
Mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 11) baten sowohl die Klägerin als auch die L... KG die Beklagte um einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung.
16 
Daraufhin berief sich die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 25.11.2004 (Bl. 13 d. A./Anlage K 19) auf Verjährung.
17 
Mit Anwaltsschreiben vom 14.12.2004 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin sodann doch den Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 30.06.2005, der in der Folge mehrfach verlängert wurde, letztmalig bis 31.12.2010. Der Verzicht erfolgte mit der Einschränkung, dass er nicht für bereits verjährte Ansprüche gilt.
18 
In der Folge erhielten die Beklagtenvertreter von den damaligen anwaltlichen Vertretern der Klägerin und der L... KG den Entwurf einer Klage gegen die Beklagte vom 14.03.2005 (Bl. 94 ff. d. A./Anlage B 5) zugeleitet, in der die L... KG als Klägerin und als Käuferin des Rindfleisches bezeichnet wird.
19 
Die Klägerin hat vorgetragen, dass nicht die L... KG, sondern sie Vertragspartnerin der Beklagten geworden sei. Die L... KG habe in ihrem Namen mit entsprechender Vollmacht für sie, die Klägerin, die Aufträge der Beklagten erteilt. Ihr damaliger Geschäftsführer, B..., habe im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung mit der Beklagten im Juni 2001 mit dieser Kontakt aufgenommen und angefragt, ob die Beklagte in Teilmengen näher bezeichnetes Rindfleisch zu bestimmten - wegen der BSE-Problematik im Jahr 2001 - unbedingt zu erfüllenden Bedingungen liefern könne. Dabei habe B... klargestellt, dass der Einkauf im Namen von ihr, der Klägerin, erfolge; die L... KG werde hierbei lediglich als Einkaufsagentur für sie, die Klägerin, tätig. Sie, die Klägerin, sei daher aktivlegitimiert. Das Aktivrubrum im Klageentwurf vom 14.03.2005 beruhe auf einem Versehen. Selbst wenn sie, die Klägerin, nicht Vertragspartner der Beklagten geworden sein sollte, könne sie den bei ihr eingetretenen Schaden im Wege der Drittschadensliquidation von der Beklagten ersetzt verlangen.
20 
Die Beklagte habe sich schadensersatzpflichtig gemacht, da sie ihre individualvertragliche Verpflichtung, BSE-Test-Bescheinigungen vorzulegen, die den Nachweis erbringen, dass die zugrunde liegenden Tests ordnungsgemäß durchgeführt worden sind, nicht erfüllt habe. Ohne solche Testbescheinigungen sei das gelieferte Rindfleisch nicht verkehrsfähig. Das habe wiederum zur Folge, dass keine Ausfuhrerstattungen gewährt bzw. bereits bewilligte Ausfuhrerstattungen wieder an das HZA zurückerstattet werden müssten. Das Fehlverhalten des eingeschalteten Labors müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.
21 
Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, da es nicht um eine Sachmangelhaftung, sondern um eine Haftung wegen positiver Vertragsverletzung gehe.
22 
Bislang sei ihr, der Klägerin, ein Schaden i. H. v. 13.504,83 EUR (rechnerisch richtig: 13.503,33 EUR [Anm. d. Senats]) entstanden, den sie mit dem Klageantrag Ziff. 1 verfolge. Dieser Schaden setze sich aus Gerichtskosten i. H. v. 440,00 EUR für die beiden finanzgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwaltskosten in einer Gesamthöhe von 7.205,23 EUR brutto und Kosten für die Zuordnung von Ohrmarknamen und Schlachtdaten i. H. v. 5.860,00 EUR zusammen. Die Rechtsanwaltskosten beträfen die Kosten der anwaltlichen Vertretung der Klägerin im Einspruchs- und anschließenden Finanzverfahren sowie gegenüber der Beklagten (wegen der Einzelheiten wird auf die Klage, S. 12/13 verwiesen). Es handle sich hierbei um Aufwendungen zur Schadensminderung. Die Kosten i. H. v. 5.860,00 EUR (Arbeitsaufwand ihrer Mitarbeiter und ihres Geschäftsführers M... L...) seien angefallen, um zumindest eine Reduzierung der Ablehnungs- und Rückforderungsbescheide zu erreichen.
23 
Ihren weiteren Schaden könne sie derzeit noch nicht beziffern, da über die Ablehnungs- und Rückforderungsbescheide noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Deshalb begehre sie mit dem Klagantrag Ziff. 2 die Feststellung der entsprechenden Ersatzpflicht der Beklagten.
24 
Die Beklagte hat eingewandt, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, da nicht die Klägerin, sondern die L... KG ihr Vertragspartner geworden sei. B... habe bei Vertragsschluss nicht darauf hingewiesen, dass der Einkauf namens der Klägerin erfolge; das sei damals kein Thema gewesen. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin insoweit unsubstantiiert, als nicht vorgetragen werde, wann und wem gegenüber B... entsprechende Erklärungen abgegeben habe. Entscheidend sei, dass aus den von der Klägerin vorgelegten Kaufverträgen („Auftragsbestätigungen“) nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig nur die L... KG als Käufer ersichtlich sei. Abgesehen davon würden die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht vorliegen. Eine Eigenschaftszusicherung sei nicht erfolgt. Auch treffe sie, die Beklagte, kein Verschulden an den nicht ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Tests. Das Verhalten des - nicht von ihr, sondern von der Stadt U. ... beauftragten - Labors müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Sollte - wie tatsächlich nicht - in den von der Klägerin verwendeten Kaufvertragsformularen eine Regelung über eine verschuldensunabhängige Verkäuferhaftung enthalten sein, sei diese wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.
25 
Im Übrigen seien etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin seit 15.03.2002 verjährt. Denn die Verjährungsfrist betrage 6 Monate ab Übergabe des Rindfleisches und die letzte Ablieferung sei - unstreitig - am 14.09.2001 erfolgt.
26 
Was den von der Klägerin behaupteten Schaden anbelange, könne die zum Vorsteuerabzug berechtigte Klägerin die geltend gemachte Mehrwertsteuer nicht ersetzt verlangen. Der von der Klägerin beanspruchte Arbeitsaufwand werde mit Nichtwissen bestritten; abgesehen davon sei der Klägerin insoweit kein Schaden entstanden, da sie diese Mitarbeiter ohnehin hätte bezahlen müssen.
27 
Auf die Streitverkündung der Beklagten ist die Stadt U. ... dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
28 
Das zunächst angerufene Landgericht Ravensburg hat sich durch Beschluss vom 11.04.2011 (Bl. 50 d. A.) für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf (Hilfs-)An-trag der Klägerin an das Landgericht - Kammer für Handelssachen - Ulm verwiesen.
29 
Das Landgericht Ulm hat im angefochtenen Urteil vom 16.09.2011 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei, im Übrigen seien etwaige Schadensersatzansprüche längstens verjährt. Die vorliegenden Kaufverträge seien mit dem Inhalt der Bestätigungen vom 04.07.2001 bis 05.09.2001 (Anlagen K 2 - K 7 nach Bl. 13 d. A.) zustande gekommen. Ihre Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergebe, dass die L... KG (und nicht die Klägerin) Käuferin des Rindfleisches geworden sei. Ob B... im Rahmen der Aufnahme der Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen habe, dass der Kauf im Namen der Klägerin erfolgen solle, könne dahingestellt bleiben, da dieser Zeuge jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Erklärungen mit gegenteiligem Inhalt abgegeben habe; der ausdrückliche Erklärungsinhalt der Auftragsbestätigung sei ein anderer. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Drittschadensliquidation könne die Klägerin keinen Schadensersatz beanspruchen, da diese voraussetze, dass die Klägerin Vertragspartner der Beklagten geworden sei. Zwar habe die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlangung der Ausfuhrerstattungen und somit auch gültige BSE-Test-Bescheinigungen zum Nachweis der erforderlichen Qualität des Rindfleisches zugesichert i. S. d. § 463 BGB a. F. und diese Zusicherung nicht erfüllt. Darauf beruhende Schadensersatzansprüche seien jedoch gemäß § 477 BGB a. F. (Verjährungsfrist von 6 Monaten ab Ablieferung) spätestens am 15.03.2002 verjährt, da die letzte Lieferung - unstreitig - am 14.09.2001 erfolgt sei. Eine Entscheidung über die Kosten der Streithelferin enthält das landgerichtliche Urteil nicht.
30 
Das Urteil des Landgerichts Ulm vom 16.09.2011 wurde der Klägerin am 22.09.2011 zugestellt. Sie hat dagegen am 17.10.2011 in vollem Umfang Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist am 21.12.2011 und damit innerhalb der bis zum 22.12.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangen.
31 
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, dass ihre Aktivlegitimation als unstreitig zu behandeln sei, da die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Landgericht Ulm unzulässig mit Nichtwissen bestritten habe, dass es keine Verträge mit der L... KG gegeben habe. Abgesehen davon hätte das Landgericht den bereits in I. Instanz zur Frage der Aktivlegitimation benannten Zeugen B... vernehmen müssen. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche würden nicht der 6-monatigen Gewährleistungsfrist unterliegen, da die Beklagte als selbstständige Nebenpflicht die Vorlage von Bescheinigungen über ordnungsgemäß durchgeführte BSE-Tests geschuldet habe. Die - negativen - BSE-Tests stellten keine materielle, sondern lediglich eine formelle Erstattungsvoraussetzung dar. Es könne deshalb nicht zugesichert werden, mit welchen Dokumenten oder Nachweisen die gesunde und handelsübliche Qualität zu belegen sei. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche würden daher der 30-jährigen Regelverjährung unterliegen und seien noch nicht verjährt. Im Übrigen vertieft und wiederholt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.
32 
Die Parteien haben im Verhandlungstermin vor dem Senat am 21.05.2012 „für den Fall der Stattgabe der Klage unstreitig“ gestellt, „dass der mit der Klage bezifferte Schaden (13.504,83 EUR) 9.000,00 EUR netto beträgt, sich darauf beschränkt und die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist“ (Protokoll v. 21.05.2012, S. 8).
33 
Die Klägerin beantragt,
34 
unter Abänderung des am 16.08.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts U. ... (Ortsname)
35 
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 13.504,83 nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2010 zu zahlen,
36 
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Klägerin durch die Rückforderung vorschussweise gewährter Ausfuhrerstattungen durch die Rückforderungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 08.10.2004, Nrn. 04280-1210-024/02, 04280-1210-027/02, 04280-1210-028/02, 04280-1210-029/02, 04280-1210-030/02, 04280-1210-031/02, 04280-1210-032/02, 04280-1210-033/02, 04280-1210-034/02 und 04280-1210-035/02 in der Fassung der Berichtigungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, Nrn. 04280-1210-024/02, 04280-1210-027/02, 04280-1210-028/02, 04280-1210-029/02, 04280-1210-030/02, 04280-1210-031/02, 04280-1210-032/02, 04280-1210-033/02, 04280-1210-034/02, in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 06.02.2008, Nr. RL 472/04-216, über einen Betrag i. H. v. insgesamt 43.870,02 EUR sowie durch die Versagung der mit Zahlungsanträgen Nr. 154/00 vom 07.02.2002 und Nr. 155/00 vom 07.02.2002 beantragten Ausfuhrerstattungen i. H. v. insgesamt 5.403,85 EUR durch die Ablehnungsbescheide des Hauptzollamts Hamburg-Jonas vom 06.10.2004, Nrn. 04279-1210-018/09 und 04279-1210-019/09, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2008, Nr. RL 470/04-2161 entstanden sind.
37 
Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
38 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
39 
Die Streithelferin der Beklagten beantragt ferner,
40 
das landgerichtliche Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung bezüglich der Streithelferin zu ergänzen.
41 
Die Beklagte und die Streithelferin verteidigen das Urteil I. Instanz als richtig, wobei sich die Streithelferin den Vortrag der von ihr unterstützten Beklagten zu eigen macht. Ergänzend trägt die Streithelferin vor, dass sie es für „gewagt“ halte, in die mündlich zwischen den Beteiligten abgeschlossenen und schriftlich bestätigten Vereinbarungen über die Lieferung von Fleisch inzidenter das Hinausschieben des Verjährungsbeginns für (versteckte) Mängel hineinzulesen. Selbst wenn von einer konkludenten Einigung der Kaufvertragsparteien über das Hinausschieben des Verjährungsbeginns bis zum Entdecken des Mangels oder gar bis zur Klärung der Erstattungsfähigkeit ausgegangen würde, könne ab dem Beginn des Jahres 2002 von einem solchen verdeckten Mangel nicht mehr gesprochen werden. Denn seit diesem Zeitpunkt habe die Problematik nicht valider BSE-Tests namentlich in Baden-Württemberg und in Bayern zu flächendeckenden und medienwirksamen Interventionen (Schnellbriefe, Erlasse, Beschlagnahme von Fleisch, Rücknahme von Tauglichkeitsbescheinigungen etc.) der Veterinärbehörden auf allen Ebenen geführt und damit die Annahme eines Mangels bzw. das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft auch des hier interessierenden Fleisches nahegelegt. Zumindest hätte sich die Klägerin nach Bekanntwerden des „BSE-Skandals“ Anfang 2002 danach erkundigen müssen, ob das ihr gelieferte Fleisch möglicherweise auch dem Verdacht einer nicht validen BSE-Betestung ausgesetzt sei. Dieser Obliegenheit sei die Klägerin jedoch nicht nachgekommen. Das müsse sich bei der Frage des Verjährungsbeginns zu ihrem Nachteil auswirken.
42 
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst jeweiligen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.05.2012 Bezug genommen.
II.
43 
Die Berufung der Klägerin hat weitgehend Erfolg.
A.
44 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für die Feststellungsklage (Klagantrag Ziff. 2). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist jedenfalls im Hinblick auf drohende Verjährung gegeben, nachdem die Beklagte ihren Verjährungsverzicht bis 31.12.2010 beschränkt hat. Die Beachtung des Vorrangs der Leistungsklage ist der Klägerin nicht zumutbar, da sie ihren geltend gemachten Schadensersatzanspruch noch nicht abschließend beziffern kann (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 7 a m. Nachw. aus d. Rechtspr.). Denn es steht noch nicht fest, ob die Ablehnungs- und Rückforderungsbescheide des HZA tatsächlich Bestand haben werden und die Klägerin die vorschussweise erhaltenen Ausfuhrerstattungen dem HZA zurückzahlen muss.
B.
45 
Die (Zahlungs- und Feststellungs-)Klage ist bis auf einen Teil der Zahlungsklage begründet.
1.
46 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 9.000,00 EUR netto aus § 463 BGB a. F.
a)
47 
Es ist gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB altes Schuldrecht und damit § 463 BGB a. F. anzuwenden, da die vorliegenden Kaufverträge im Jahr 2001 und damit vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind.
b)
48 
Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert. Die streitgegenständlichen Kaufverträge über Rindfleisch sind zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen. Dies steht aufgrund der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten zur Überzeugung des Senats fest.
aa)
49 
Unstreitig gingen den „Auftragsbestätigungen“ vom 04.07. bis 05.09.2001 (Anlagen K 2 bis K 7 nach Bl. 13 d. A.) jeweils mündliche Bestellungen von B..., dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin, gegenüber der Beklagten voraus. Demnach stellen die vorgenannten Schreiben kaufmännische Bestätigungsschreiben dar, die den Inhalt des nach Ansicht des Absenders bereits abgeschlossenen Vertrages wiedergeben (vgl. zum kaufm. Bestätigungsschreiben z. B. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 147 Rn. 8 ff., besonders Rn. 12).
50 
Als empfangsbedürftige Willenserklärungen sind diese kaufmännischen Bestätigungsschreiben so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Gauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (§§ 133, 157 BGB). Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (BGH, NJW 2006, 3777).
bb)
(1.)
51 
Dem Landgericht und der Beklagten ist zuzugeben, dass das äußere Erscheinungsbild und z. T. auch der Inhalt dieser Schreiben objektiv betrachtet auf die L... KG als Absender und damit Auftraggeber hindeuten. So wurde der Briefkopf der L... KG und in der Grußformel die L... KG (vertr. d.) B...), diese versehen mit einem Stempel der L... KG, verwendet. Nachvertraglich kommt indiziell hinzu, dass mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2004 (Anlage K 18 nach Bl. 13 d. A.) nicht nur die Klägerin, sondern auch die L... KG die Beklagte um einen befristeten Verzicht auf die Einrede der Verjährung gebeten hat, und die damaligen anwaltlichen Vertreter der Klägerin und der L... KG den Beklagtenvertretern einen Klagentwurf vom 14.03.2005 der L... KG (Bl. 94 ff. d. A./Anlage B 5) zugeleitet haben, in der die L... KG als Klägerin und Käuferin bezeichnet wird.
(2.)
52 
Gegen die L... KG und für die Klägerin als Absenderin der kaufmännischen Bestätigungsschreiben K 2 bis K 7 und als Auftraggeberin der streitgegenständlichen Rindfleischlieferungen spricht jedoch entscheidend, dass der Geschäftsführer der Beklagten, R..., bei seiner Anhörung vor dem Senat gL...haft und überzeugend erklärt hat, dass die Beklagte aus der damaligen Unternehmensgruppe L... ausschließlich mit der Klägerin Verträge über die Lieferung für den Export vorgesehenen Rindfleisches geschlossen habe (vgl. Protokoll v. 21.05.2012, S. 5 [Bl. 183 d. A.]). Bekräftigend kommt hinzu, dass zwischen den Parteien außer Streit steht, dass die streitgegenständlichen Rindfleischlieferungen sowohl in der Buchhaltung der Klägerin als auch in der Buchhaltung der Beklagten ausschließlich als Geschäfte zwischen den Parteien geführt worden sind und im Rahmen der Abwicklung dieser Geschäfte die L... KG nicht auftaucht (vgl. Protokoll v. 21.05.2012, S. 5 [Bl. 183 d. A.]). Für die Käuferstellung der Klägerin spricht ferner, dass das Rindfleisch nach den Bestätigungsschreiben K 2 bis K 7 auf den Namen der Klägerin zu verplomben und die Rechnungen an die Klägerin zu adressieren waren. Gerade dann, wenn mehrere Unternehmer als Vertragspartner in Betracht kommen, wird die maßgebende Partei im Geschäftsleben klarstellend oft durch den Hinweis, wer Rechnungsempfänger sein soll, bestimmt. Zudem hat der Geschäftsführer der Beklagten, R..., bei seiner Anhörung durch den Senat den Vortrag der Klägerin bestätigt, dass bei allen zwischen den Parteien getätigten Geschäften in den Exportpapieren für den Zoll ausschließlich die Klägerin aufgeführt ist und die Rechnungen auch stets von der Beklagten nur an die Klägerin gerichtet worden sind. All dies spricht dafür, dass es sich bei der namentlichen Nennung der L... KG in den kaufmännischen Bestätigungsschreiben K 2 bis K 7 um eine irrtümliche Falschbezeichnung handelt bzw. vor dem Hintergrund der Verbindung der beiden Unternehmen ein falsches Formular verwendet wurde, und zwischen den Parteien ein übereinstimmender Wille dahingehend bestand, dass B..., der damalige Geschäftsführer der Klägerin, für die Klägerin und nicht für die L... KG das Geschäft tätigt. Bei einem übereinstimmenden Willen der Parteien ist dieser rechtlich auch dann allein maßgebend, wenn er wie hier in den Bestätigungsschreiben K 2 bis K 7 keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (ständige Rechtsprechung des BGH, z. B. BGH NJW 1998, 746, 747; BGH, NJW 2002, 1038; s. auch Palandt-Ellenberger a.a.O., § 133 Rn. 8 m.w.N.). Das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor der irrtümlichen Falschbezeichnung (falsa demonstratio non nocet) der Auftraggeberin in den kaufmännischen Bestätigungsschreiben K 2 bis K 7 (vgl. BGH, NJW 2008, 1658, 1659 Tz. 12). Eine rein objektive Auslegung von Vertragserklärungen, wie sie das Landgericht vorgenommen hat, ist gegen den übereinstimmend erklärten Willen der Parteien, wie ihn der Senat festgestellt hat, unzulässig (BGH, NJW-RR 2009, 1714, 1715 Rn. 17 m.w.N.). Der Umstand, dass mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2004 (Anlage K 18 nach Bl. 13 d. A.) nicht nur die Klägerin, sondern auch die L... KG um einen befristeten Verzicht auf die Einrede der Verjährung gebeten hat, war anwaltlicher Sorgfalt und Vorsorge geschuldet, da aufgrund der äußeren Form (Briefkopf, Grußformel und Stempel der L... KG) aus anwaltlicher Sicht nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die L... KG als Vertragspartner der Beklagten und damit Anspruchsinhaber angesehen wird. In Anbetracht der vom Geschäftsführer der Beklagten, R..., bestätigten ständigen Geschäftspraxis über Fleischlieferungen für den Export zwischen den Parteien spricht vieles dafür, dass der anwaltliche Klageentwurf vom 14.03.2005 der L... KG (Bl. 94 ff. d. A./Anlage B 5), in der sich die L... KG als Käuferin bezeichnet, auf einem Informationsdefizit der damaligen anwaltlichen Vertreter der Klägerin und der L... KG beruhte. Bei der Anhörung des Geschäftsführers der Beklagten kam für den Senat klar zum Ausdruck, dass der Geschäftsführer der Beklagten nicht den geringsten Zweifel daran hat, dass die streitgegenständlichen Kaufverträge zwischen den Parteien zustande gekommen sind, vor allem da klar war, dass nur die Klägerin und nicht die L... KG Export betreibt. Lediglich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten und insbesondere der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin lehnten ab, dass von Seiten der Beklagten im Termin die Käufereigenschaft (und damit die Aktivlegitimation) der Klägerin unstreitig gestellt wird. Dies ist prozessual nachvollziehbar und gegebenenfalls anwaltliche Pflicht, ändert aber nichts daran, dass der Senat aufgrund der vom Geschäftsführer bestätigten ständigen Geschäftspraxis zwischen den Parteien davon überzeugt ist, dass die vorliegenden Kaufverträge mit dem Inhalt der Bestätigungsschreiben K 2 - K 7 zwischen den Parteien zustande gekommen sind. Daher ist eine Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen B..., des früheren Geschäftsführers der Klägerin, nicht erforderlich. Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Einschätzung der Streithelferin - auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 23.05.2012. Dort hat der Senat den Parteien und der Streithelferin Vorschläge zu einer gütlichen Erledigung des Rechtsstreits unterbreitet und im Rahmen der Begründung lediglich ausgeführt, dass er zu diesem Zeitpunkt „noch nicht abschließend beraten“ hat, „ob zu der Frage der Aktivlegitimation der Klägerin noch Zeugenbeweis zu erheben ist“.
c)
53 
Dem von der Klägerin gekauften Rindfleisch fehlt eine von der Beklagten zugesicherte Eigenschaft, nämlich die, dass es verkehrsfähig, d. h. von gesunder und handelsüblicher Qualität ist. Mit der Verkehrsfähigkeit des Fleisches geht dessen Ausfuhrerstattungsfähigkeit einher (näher dazu BFH, U. v. 26.01.2012 - Az. VII R 24/10 [NV] - BeckRS 2012, 94998 Rn. 6 ff. m.w.N.).
aa)
54 
Die Auslegung des Inhalts der vorliegenden Kaufverträge nach §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Beklagte als Verkäuferin des Rindfleischs der Klägerin als Käuferin zugesichert hat, dass dieses für den Export vorgesehene Rindfleisch verkehrsfähig ist.
(1.)
55 
Eine - ausdrückliche oder stillschweigende - Zusicherung setzt voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der Eigenschaft übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (BGH, NJW 1980, 2127, 2128; BGH, NJW 1985, 967; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl. [Frühjahr 1991], § 459 Rn. 178). Dabei kommt es nicht entscheidend auf den Willen des Verkäufers an, sondern darauf, wie der Käufer die Erklärung zu verstehen hat (Soergel/Huber, a.a.O.). Der leitende Gesichtspunkt in der Rechtsprechung und in der Literatur ist das besondere Schutzbedürfnis des Käufers im Einzelfall (Soergel/Huber, a.a.O., § 459 Rn. 179).
(2.)
56 
Aus dem Wortlaut der kaufmännischen Bestätigungsschreiben K 2 - K 7, der den Inhalt der zwischen den Parteien geschlossenen Kaufverträge wiedergibt, ergibt sich, dass die Beklagte die Verkehrsfähigkeit und damit auch die Ausfuhrerstattungsfähigkeit des gekauften Rindfleisches i. S. d. § 463 BGB a. F. zugesichert hat. Der Warenbeschreibung ist zu entnehmen, dass es der Käuferin entscheidend darauf ankommt, dass das gelieferte Rindfleisch verkehrsfähig ist. Verkehrsfähig ist es nach EU-Recht - u. a. - nur dann, wenn das Fleisch vorschriftsgemäß auf BSE getestet worden ist (BFH, a.a.O.). Dies war auch der Beklagten als einschlägigem Fachbetrieb bekannt. Dementsprechend musste nach den Kaufverträgen der Genusstauglichkeitsbescheinigung (GTB) auch eine „Anti-BSE-Bescheinigung“, d. h. der Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Tests beigefügt sein. Schon daraus ist zu entnehmen, dass die Beklagte der Käuferin die Verkehrsfähigkeit des Fleisches zugesichert hat. Damit hat die Beklagte - denknotwendig - auch zugesichert, dass das verkaufte Rindfleisch vorschriftsgemäß auf BSE getestet worden ist und hierüber der Klägerin als Käuferin ein Nachweis vorgelegt wird. Ein vorschriftsgemäß durchgeführter und nachgewiesener BSE-Test ist materielle Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (EuGH, Urteil v. 01.12.2005 - C 309/04 - Fleisch-Winter -, BeckRS 2005, 7926 Tz. 28 u. 29; BFH, Urteil v. 26.01.2012 - VII R 24/10 [NV], BeckRS 2012, 94998). Darüber hinaus hat die Beklagte ausdrücklich das Risiko übernommen, wenn die Ware nicht vereinbarungsgemäß und deshalb nicht erstattungsfähig sein sollte.
(3.)
57 
Die in den Bestätigungsschreiben K 2 - K 7 enthaltenen Zusicherungen unterliegen nicht der AGB-Kontrolle (§ 9 AGBG in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung, § 307 BGB n. F.), da es sich bei dem Inhalt dieser Bestätigungsschreiben um keine allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt. Die widerspruchslose Hinnahme der jeweiligen Bestätigungsschreiben hat die Wirkung, dass sein Inhalt als Vertragsinhalt gilt (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 147 Rn. 18). Das Schweigen hat damit eine vertragsbegründende oder -ändernde Wirkung. Es handelt sich um Individualabreden. Entweder wurde ein bereits mündlich geschlossener Vertrag bestätigt oder, falls das Bestätigungsschreiben vom tatsächlich mündlich Vereinbarten abweicht, wirkt es bei unterbliebenem Widerspruch konstitutiv und ändert den Vertrag (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 147 Rn. 18). Im Übrigen ist in den vorliegenden Kaufverträgen die mit der zugesicherten Verkehrsfähigkeit einhergehende Ausfuhrerstattung gewissermaßen unmittelbarer Preisbestandteil, so dass selbst dann, wenn insoweit eine formularvertragliche Regelung vorliegen würde, sie nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen würde (§ 8 AGBG in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung, § 307 Abs. 3 BGB n. F.; vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 199 Rn. 46).
(4.)
58 
Die von der Beklagten zugesicherte Verkehrsfähigkeit des verkauften Fleisches fehlt, da die Beklagte einen ordnungsgemäßen BSE-Test-Nachweis unstreitig nicht vorgelegt hat bzw. unstreitig ist, dass die Tests inhaltlich nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
bb)
59 
Nach § 463 BGB a. F. wird beim Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft - wie hier - der Erfüllungsschaden ersetzt, der auch den Mangelfolgeschaden umfasst (BGH, NJW 1973, 843 [m.w.N.]; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 463 Rn. 15; Soergel/Huber, a.a.O., § 463 Rn. 60).
60 
Folglich kann die Klägerin von der Beklagten verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn diese ordnungsgemäß erfüllt, also verkehrsfähiges Rindfleisch geliefert hätte. In diesem Fall hätte die Klägerin die Ausfuhrerstattungen behalten dürfen bzw. - soweit noch nicht erhalten - die beantragten Ausfuhrerstattungen vom HZA gewährt bekommen. Außerdem hätte sie keine rechtlichen Schritte gegen das HZA und die Beklagte einleiten müssen. Auch hätte sie keine Tätigkeit für die Zuordnung von Ohrenmarknummern und Schlachtdaten zur Ermittlung der vom HZA mit Schreiben vom 30.06.2003 angeforderten jeweiligen Schlachtzeitpunkte des ausgeführten Fleisches (vgl. Einspruchsentscheidungen des HZA vom 16.01.2008 [Anlage K 11] und 06.02.2008 [Anlage K 12]) entfalten müssen.
61 
Die Parteien haben sich für den - hier gegebenen - Fall einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach im Verhandlungstermin vom 21.05.2012 darauf geeinigt, dass der mit der Klage bezifferte Schaden (13.504,83 EUR) 9.000,00 EUR netto beträgt, sich darauf beschränkt und die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist (Protokoll v. 21.05.2012, S. 8 [Bl. 186 d. A.]). Somit schuldet die Beklagte der Klägerin aus § 463 BGB a. F. die Zahlung von 9.000,00 EUR netto.
cc)
62 
Die Schadensersatzansprüche der Klägerin aus §§ 463 BGB a. F. sind auch durchsetzbar. Sie sind entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Beklagten nicht verjährt.
(1.)
63 
Im Ausgangspunkt zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1, 3 EGBGB für die Frage der Verjährung § 477 BGB a. F. anzuwenden ist, da die Kaufverträge vor dem 01.01.2002 geschlossen worden sind und die Verjährungsfrist nach altem Recht (§ 477 BGB a. F.: 6 Monate nach Ablieferung) kürzer war als die Verjährungsfrist von 2 Jahren nach §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB n. F.
(2.)
(a.)
64 
Ferner ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass die - kurze - Verjährungsfrist des § 477 BGB n. F. auch für verborgene Mängel (unabhängig davon, ob der Käufer den Mangel überhaupt entdecken konnte) und für Mangelfolgeschäden gilt (Staudinger/Honsell, BGB, 1995, § 477 Rn. 44 m. Nachw. aus d. höchstrichterl. Rechtspr.). Die früher vom Bundesgerichtshof (BGH) vertretene - und auf § 852 BGB a. F. und § 198 Abs. 1 BGB a. F. gestützte - Gegenansicht, wonach die Frist erst mit der Entdeckung des Mangels beginnt, hat der BGH mit Blick auf den klaren Wortlaut des § 477 BGB a. F. und im Interesse der Rechtssicherheit wieder aufgegeben (BGH, NJW 1980, 1950; Staudinger/Honsell, a.a.O., § 477 Rn. 45 m.w.N.). Folglich beginnt die 6-monatige Verjährungsfrist des § 477 BGB ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder Erkennbarkeit des Mangels. Dies ist gerade ein Charakteristikum der kurzen Verjährung der §§ 477, 638 BGB a. F. (Staudinger/Honsell, a.a.O., § 477 Rn. 46).
(b.)
65 
Jedoch ergibt eine Auslegung der - vom Landgericht in der Sache zu Recht bejahten - Zusicherung der Verkehrsfähigkeit des Rindfleischs, dass die Verjährungsfrist nicht schon mit der Ablieferung beginnt, sondern auf den Zeitpunkt hinausgeschoben sein soll, zu dem der Käufer Kenntnis vom Fehlen dieser zugesicherten Eigenschaft erlangt. Hierfür spricht, dass die Parteien vereinbart haben, dass „Erstattungskürzungen [...] aufgrund nicht vereinbarungsgemäß gelieferter Waren [...] ausschließlich zu [...] Lasten“ der Beklagten gehen. Diese Regelung bedeutet, dass die Beklagte für die Ausfuhrerstattungsfähigkeit des gelieferten Rindfleischs einstehen will. Der Beklagten war stets klar, dass es sich bei den fraglichen Geschäften der Klägerin um Exportgeschäfte handelt, bei denen es entscheidend auf die Ausfuhrerstattung ankommt. Die Ausfuhrerstattung ist gewissermaßen unmittelbarer Preisbestandteil gewesen. Ohne diese Erstattung hat, wie auch die Geschäftsführer beider Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, das Gesamtgeschäft wirtschaftlich keinen Sinn. Die Ausfuhrerstattungsfähigkeit des gelieferten Rindfleischs stellt sich regelmäßig aber nicht innerhalb von 6 Monaten seit Ablieferung des Rindfleischs an den Käufer heraus, sondern aufgrund der von den Parteien in der mündlichen Verhandlung geschilderten Abläufe, insbesondere bei den Behörden, meist erst ein bis drei Jahre danach. Die Zusicherung der Verkehrsfähigkeit und damit auch der Ausfuhrerstattungsfähigkeit würde regelmäßig leerlaufen, wenn der Beginn der Verjährungsfrist nicht bis zur Entdeckung des Fehlens der zugesicherten Eigenschaft hinausgeschoben würde. Das kann von den Parteien nicht gewollt sein. Wird - wie hier - eine Eigenschaft der Kaufsache zugesichert, deren Vorliegen sich ihrer Art nach regelmäßig erst später als 6 Monate nach Übergabe herausstellt, enthält sie nach ihrem Sinn die stillschweigende Abrede, dass der Lauf der Verjährungsfrist erst mit der Entdeckung des Mangels beginnen soll (Soergel/Huber, a.a.O., § 477 Rn. 51 u. 57; RGRK/Metzger, BGB, § 477 Rn. 14). Dies hat das Landgericht verkannt.
66 
(c.) Vorliegend hat die Klägerin erstmalig durch die im Tenor Ziffer 1 lit. b) näher bezeichneten Ablehnungs- und Rückforderungsbescheide des HZA vom 06. bzw. 08.10.2004 Kenntnis darüber erlangt, dass das gelieferte Rindfleisch nicht verkehrs- und damit auch nicht ausfuhrerstattungsfähig ist. Somit begann die 6-monatige Verjährungsfrist des § 477 BGB a. F. frühestens am 07.10.2004 zu laufen.
67 
Gut zwei Monate danach, nämlich am 14.12.2004, und damit vor Eintritt der Verjährung der Schadensersatzansprüche, verzichtete die Beklagte befristet auf die Erhebung der Einrede der Verjährung, wobei sie die Verzichtsfrist durchgehend verlängert hat, zuletzt bis zum 31.12.2010. Gemäß § 202 BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung kann ein Schuldner auf die Einrede der Verjährung durch einseitige Erklärung und schon vor deren Eintritt verzichten (BGH, NJW 2009, 1598, 1600 Rn. 22). Durch den Verjährungsverzicht wurde der Ablauf der Verjährung zwar nicht beeinflusst, d. h. die Verjährungsvollendung wurde nicht hinausgeschoben. Folge des Verzichts war jedoch, dass das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten für den hier ausdrücklich bis zum 31.12.2010 vereinbarten Zeitraum ausgeschlossen war (BGH, a.a.O., KG, ZEV 2008, 481, 483; MünchKomm/Grothe, BGB, 5. Aufl., § 214 Rn. 5). Grundsätzlich kann das Leistungsverweigerungsrecht bei einem derart befristeten Verzicht nach Ablauf der Frist wieder geltend gemacht werden. Macht der Gläubiger innerhalb der Frist seinen Anspruch nicht geltend, kann sich der Schuldner direkt nach Ablauf der Verzichtsfrist wieder auf Verjährung berufen und damit die Leistung verweigern (BGH, a.a.O.; BGH, NJW-RR 1990, 1532 m.w.N.). Allerdings findet § 167 ZPO in diesem Zusammenhang entsprechende Anwendung, d. h. wenn ein Antrag auf Rechtsverfolgung (Klage) innerhalb der Verzichtsfrist eingereicht und die Klage „demnächst“, wenn auch nach Ablauf der Verzichtsfrist, zugestellt wird, kann sich der Schuldner nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen (BGH, NJW 2009, 1598, 1600; BGH, NJW-RR 1990, 1532 [m.w.N.]; MünchKomm/Grothe, a.a.O., § 214 Rn. 8 m.w.N.).
68 
So liegt der Fall hier. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche war die Verjährungsfrist zwar abgelaufen, als die am 30.12.2010 eingereichte Klage am 25.01.2011 zugestellt wurde. Die Klage wurde aber vor Ablauf der Verzichtsfrist eingereicht. Die Klägerin hat den mit der Verfügung des Landgerichts vom 04.01.2011 (Bl. 14 d. A.) angeforderten Gerichtskostenvorschuss ausweislich der Zahlungsanzeige Bl. I d. A. am 13.01.2008 bei der Landesoberkasse Baden-Württemberg eingezahlt. Den Gerichtskostenvorschuss (§ 12 Abs. 1 GKG) braucht die klagende Partei nicht von sich aus mit der Klage einzuzahlen, sie kann vielmehr die Anforderung durch das Gericht abwarten (BGH, NJW 1986, 1347; BGH, NJW 1993, 2811). Nach Anforderung muss sie unverzüglich, i. d. R. binnen zwei Wochen einzahlen (BGH, NJW 2009, 999; BGH, NJW 1986, 1347). Dies hat die Klägerin, wie dargelegt, getan. Dass es dann noch 12 Tage bis zur Zustellung an die Beklagte gedauert hat, geht nicht zu Lasten der Klägerin, da sie mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist deshalb „demnächst“ i. S. von § 167 ZPO erfolgt.
(d.)
69 
Entgegen der Ansicht der Streithelferin begann die 6-monatige Verjährungsfrist des § 477 BGB a. F. nicht schon Anfang 2002 zu laufen, als nach dem Vortrag der Streithelferin in den Medien über die Problematik nicht valider BSE-Tests und daraufhin ergriffener Maßnahmen der Europäischen Kommission und staatlicher Behörden berichtet worden sein soll, da es nicht auf die fahrlässige oder grob fahrlässige Unkenntnis von der fehlenden zugesicherten Eigenschaft ankommt, sondern - wie dargelegt - auf deren positive Kenntnis. Dies folgt aus der Vereinbarung zwischen den Parteien, dass „Erstattungskürzungen [...] aufgrund nicht vereinbarungsgemäß gelieferter Waren gehen ausschließlich zu […] Lasten“ der Beklagten gehen (vgl. Bestätigungen K 2 - K 7). Denn „Erstattungskürzungen“ in diesem Sinne liegen erst dann vor, wenn das HZA eine Ausfuhrerstattung ganz oder teilweise nicht gewährt oder eine bereits geleistete Ausfuhrerstattung zurückfordert. Dies setzt stets einen Bescheid (Verwaltungsakt) des HZA voraus, so dass es auf dessen Kenntnis ankommt. Im Übrigen kann auch unter Zugrundelegung der von der Streithelferin behaupteten Medienberichte und Maßnahmen Anfang 2002 keine Rede davon sein, dass die Klägerin vor Zugang der streitgegenständlichen Rückforderungs- und Ablehnungsbescheide die fehlende Verkehrsfähigkeit und die damit verbundene fehlende Ausfuhrerstattungsfähigkeit des gekauften Rindfleisches grob fahrlässig nicht kannte. Eine einfache Fahrlässigkeit kann ihr in diesem Zusammenhang von vornherein nicht schaden; dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 277 BGB (vgl. auch § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F.).
70 
Ob angesichts der nicht einfachen erstattungsrechtlichen Fragen gegebenenfalls von verjährungsschädlicher Kenntnis erst mit Abschluss der finanzgerichtlichen Verfahren ausgegangen werden kann und nicht schon mit den angeführten Bescheiden, kann bei dieser Sachlage dahinstehen.
71 
Die Zahlungsklage hat daher i. H. v. 9.000,00 EUR netto in der Sache Erfolg; die weitergehende Zahlungsklage ist als unbegründet abzuweisen.
2.
72 
Die (positive) Feststellungsklage der Klägerin ist in vollem Umfang begründet.
73 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gem. § 463 BGB a. F. einen Anspruch auf Ersatz der über die zugesprochenen 9.000,00 EUR netto hinausgehenden Schäden, die ihr durch die Rückforderung vorschussweise gewährter Ausfuhrerstattungen durch die im Tenor Ziffer 1 lit. b) näher bezeichneten Rückforderungsbescheide über einen Betrag i. H. v. insgesamt 43.870,02 EUR - gegebenenfalls nebst Zinsen - sowie durch die Versagung der mit im Tenor Ziff. 1 lit. b näher bezeichneten Ausfuhrerstattungen i. H. v. insgesamt 5.403,85 EUR entstehen. Dies ergibt sich aus den obigen Ausführungen, auf die entsprechend Bezug genommen wird. Zwar ist im Feststellungsantrag der Klägerin von „entstandenen“ Schäden die Rede, doch sind damit erkennbar Schäden gemeint, die ihr erst noch entstehen, da die streitgegenständlichen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide des HZA noch nicht bestandskräftig sind und die Klägerin die ihr vorschussweise gewährten Ausfuhrerstattungen dem HZA nach ihren Angaben im Verhandlungstermin vom 21.05.2012 noch nicht zurückgewährt hat. Dementsprechend hat der Senat tenoriert.
3.
74 
Offen bleiben kann, ob die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass Erstattungskürzungen aufgrund nicht vereinbarungsgemäß gelieferter Waren ausschließlich zu Lasten der Beklagten gehen sollen (vgl. Bestätigungen K 2 - K 7), dahin zu verstehen ist, dass die Erlangung der Ausfuhrerstattung durch die Klägerin von der Beklagten gewissermaßen mitgeschuldet ist und daher unter diesem Gesichtspunkt erst Erfüllung eingetreten ist, wenn auch die Frage der Ausfuhrerstattung geklärt ist (so dass sich von vornherein die Verjährungsfrage nicht stellen würde). Denn gegebenenfalls würden sich unter diesem Aspekt keine weitergehenden (Schadensersatz-)Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte ergeben.
III.
1.
75 
Eine Kostenentscheidung nach § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO ist nicht veranlasst, da der Beklagten durch die Anrufung des unzulässigen Landgerichts Ravensburg keine Mehrkosten entstanden sind. Die Kostenentscheidung beruht daher ausschließlich auf §§ 91, 92 Abs. 2 Alt. 1, 101 letzter Halbsatz ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin i. H. v. 4.504,83 EUR nebst geltend gemachten Zinsen hieraus ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst. Der Beklagten sind daher die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen aufzuerlegen. Dies hat zur Folge, dass die Streithelferin der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (§ 101 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO).
2.
76 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3.
77 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die Sache erschöpft sich in einem reinen Streit über Tatsachen, deren Würdigung und Auslegung.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 31. Juli 2012 - 5 U 148/11

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 477 Beweislastumkehr


(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 277 Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten


Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.

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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 31. Juli 2012 - 5 U 148/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 31. Juli 2012 - 5 U 148/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 26. Jan. 2012 - VII R 24/10

bei uns veröffentlicht am 26.01.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete am 2. Juli 2001 eine Sendung gefrorenen Rindfleischs zur Ausfuhr nach Russland an, für welche sie d

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 07. Apr. 2010 - 4 K 13/09

bei uns veröffentlicht am 07.04.2010

Tenor Die Verordnung über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr vom 17. April 2009 (GVOBl. M-V S. 323) wird für unwir

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Tenor

Die Verordnung über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr vom 17. April 2009 (GVOBl. M-V S. 323) wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerinnen begehren die Feststellung der Unwirksamkeit der Verordnung über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr (Bäderverkaufsverordnung - BädVerkVO M-V) vom 17. April 2009 (GVOBl. M-V S. 323).

2

Nachdem im Jahr 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses auf die Länder übertragen worden war, beschloss der Landtag Mecklenburg-Vorpommern das am 18. Juni 2007 verkündete Gesetz über die Ladenöffnungszeiten für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Ladenöffnungsgesetz - LöffG M-V, GVOBl. M-V S. 226). Zuvor waren die Ladenöffnungszeiten in dem Gesetz über den Ladenschluss (Ladenschlussgesetz - LadSchlG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02. Juni 2003 (BGBl. I S. 744), zuletzt geändert durch Art. 228 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geregelt. An Sonn- und Feiertagen untersagte das Ladenschlussgesetz des Bundes grundsätzlich die Ladenöffnung (§ 3 Nr. 1 LadSchlG). Abweichend hiervon ließ § 14 Abs. 1 LadSchlG die Ladenöffnung an bis zu vier Sonn- und Feiertagen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen durch Rechtsverordnung der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stellen zu. Die Ladenöffnung durfte fünf zusammenhängende Stunden nicht überschreiten, musste spätestens um 18 Uhr enden und sollte außerhalb des Hauptgottesdienstes liegen (§ 14 Abs. 2 LadSchlG). Die Sonn- und Feiertage im Monat Dezember waren für jede - auch ausnahmsweise - Freigabe gesperrt (§ 14 Abs. 3 LadSchlG). Darüber hinaus ermächtigte § 10 LadSchlG die Landesregierungen durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen in Kurorten und in einzeln aufzuführenden Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr an jährlich höchstens 40 Sonn- und Feiertagen Verkaufsstellen geöffnet haben dürfen. Die Dauer der Ladenöffnung war auf 8 Stunden begrenzt. Es durfte nur der Verkauf bestimmter, in § 10 Abs. 1 LadSchlG genannter Waren zugelassen werden. Überdies konnten die obersten Landesbehörden nach § 23 LadSchlG in Einzelfällen befristete Ausnahmen von den Vorschriften des Ladenschlussgesetzes bewilligen, wenn die Ausnahmen "im öffentlichen Interesse dringend nötig" waren.

3

Noch unter der Geltung des Ladenschlussgesetzes des Bundes hatte das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern mit Allgemeinverfügung vom 22. Januar 2007 eine "Bäder- und Fremdenverkehrsregelung 2007" (AmtsBl. M-V S. 107) erlassen. Danach durften während der Saison 2007 vom 01. Februar bis 30. November Verkaufsstellen in den in der Anlage aufgeführten Bäder- und Fremdenverkehrsorten sonn- und feiertags von 12.00 Uhr bis 18.30 Uhr für den Verkauf von Gegenständen des täglichen Ge- und Verbrauches sowie Souvenirartikeln, ortstypischen Waren, Devotionalien, des Schmuck- und Kunstgewerbes geöffnet sein. Hiervon waren der Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Reformationstag, Volkstrauertag und Totensonntag ausgenommen. Am 01. Mai war der Verkauf nur dann erlaubt, wenn der Ladeninhaber, unter Freistellung aller Mitarbeiter, den Verkauf persönlich durchführte.

4

Das geltende Ladenöffnungsgesetz M-V regelt in dessen § 3 Abs. 1 Satz 1 die allgemeinen Verkaufszeiten. Danach ist der gewerbliche Verkauf an Werktagen montags bis freitags ohne zeitliche Begrenzung und samstags von 0.00 bis 22.00 Uhr zulässig. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 LöffG M-V ist an vier Samstagen im Jahr aus besonderem Anlass der gewerbliche Verkauf bis 24.00 Uhr zulässig, der nach § 3 Abs. 1 Satz 3 LöffG M-V zwei Wochen im Voraus der zuständigen Behörde schriftlich anzuzeigen ist. Gemäß § 3 Abs. 2 Ziff. 1 LöffG M-V ist der gewerbliche Verkauf an Sonn- und Feiertagen ausgeschlossen. Abweichend von § 3 Abs. 2 LöffG

5

M-V können jährlich bis zu vier Sonntage, die keine gesetzlichen Feiertage sind und nicht auf den 2. bis 4. Advent fallen, vom zuständigen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus oder von den von ihm durch Rechtsverordnung bestimmten Stellen frei gegeben werden (§ 6 Abs. 1 LöffG M-V). Der gewerbliche Verkauf an diesen Sonntagen muss nach § 6 Abs. 1 Satz 4 LöffG M-V außerhalb der Hauptzeiten der Gottesdienste liegen. Darüber hinaus kann nach § 11 LöffG M-V die zuständige Behörde in Einzelfällen befristete Ausnahmen von den Vorschriften der §§ 3 bis 6 LöffG M-V bewilligen, wenn die Ausnahmen im öffentlichen Interesse dringend notwendig werden.

6

Neben diesen Sonn- und Feiertagsregelungen bestehen weitere Ausnahmetatbestände, die bereichsspezifisch vor allem nach Warengruppen und Anbietern sowie nach besonderen Orten differenzieren: Ausnahmen vom Ladenschluss an Sonn- und Feiertagen lässt das Gesetz unter anderem zu für Apotheken, Tankstellen und Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen, auf Flughäfen und Fährhäfen (§§ 4, 5 Abs. 2 und 3 LöffG M-V) und für den Verkauf von Bäcker- oder Konditorwaren, Milch und Milcherzeugnissen, Reiseandenken, Tabakwaren, Blumen sowie Zeitungen und Zeitschriften (§ 5 Abs. 1 LöffG M-V). § 7 LöffG M-V trifft arbeitszeitrechtliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer.

7

Schließlich ermächtigt § 10 LöffG M-V das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, im Einvernehmen mit dem Innenministerium durch Rechtsverordnung unter bestimmten Voraussetzungen den gewerblichen Verkauf abweichend von § 3 Abs. 2 LöffG M-V an Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, zuzulassen. Die Vorschrift lautet:

8

"§ 10 Bäder- und Fremdenverkehrsorte

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Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus kann im Einvernehmen mit dem Innenministerium durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen ausnahmsweise in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr abweichend von § 3 Abs. 2 an Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, der gewerbliche Verkauf zugelassen werden darf. Die Öffnungszeiten müssen außerhalb der Hauptzeit der Gottesdienste liegen. Der Monat Dezember darf, mit Ausnahme des ersten Advents, nicht freigegeben werden."

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Auf diese Ermächtigungsgrundlage hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern die streitgegenständliche Verordnung im Einvernehmen mit dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern gestützt. Sie wurde am 29. April 2009 im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht und trat am 30. April 2009 in Kraft.

11

Der örtliche Geltungsbereich der angegriffenen Bäderverkaufsverordnung ist in § 1 festgelegt. Dieser lautet:

12

"§ 1 Geltungsbereich

13

(1) Diese Verordnung gilt für die festgelegten Gebiete der Kur- und Erholungsorte nach dem Kurortgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. August 2000 (GVOBl. M-V S. 539), das durch Artikel 18 des Gesetzes vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 539) geändert worden ist, und der Weltkulturerbestädte Hansestadt Stralsund und Hansestadt Wismar sowie für die anerkannten Ausflugsorte und Ortsteile mit besonders starkem Fremdenverkehr.

(2). ..."

14

In § 1 Abs. 2 BädVerkVO M-V sind Regelbeispiele aufgeführt, nach denen Gebiete der Kur- und Erholungsorte und Weltkulturerbestädte vollständig oder teilweise festgelegt sowie Ausflugsorte und Orteile mit besonders starkem Fremdenverkehr anerkannt werden können, wenn ihnen eine besondere touristische Bedeutung zukommt. In der Anlage der Bäderverkaufsverordnung, die nach

15

§ 1 Abs. 2 Satz 3 BädVerkVO Bestandteil der Verordnung ist, sind 149 Orte bzw. Ortsteile aufgeführt.

16

§ 2 BädVerkVO regelt den gewerblichen Verkauf an Sonntagen. Er lautet:

17

"§ 2 Gewerblicher Verkauf an Sonntagen

18

(1) In den in der Anlage zu § 1 genannten Orten und Ortsteilen ist der gewerbliche Verkauf an Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, in der Zeit von 11:30 Uhr bis 18:30 Uhr zulässig. Davon ausgenommen sind der gewerbliche Verkauf in Baumärkten, Möbelhäusern und Autohäusern sowie der Monat Dezember; der gewerbliche Verkauf am ersten Advent ist zulässig.

19

(2) Abweichend von Absatz 1 ist der Verkauf in den Innenstadtbereichen der kreisfreien Städte mit Ausnahme der Weltkulturerbestädte nur an elf Sonntagen im Jahr zulässig. Der Verkauf an diesen elf Sonntagen ist dem Oberbürgermeister oder der Oberbürgermeisterin der betreffenden kreisfreien Stadt im Voraus schriftlich anzuzeigen."

20

Die Antragstellerinnen haben am 17. Juni 2009 ihren Normenkontrollantrag gegen die Bäderverkaufsverordnung vom 17. April 2009 beim Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern gestellt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:

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Sie seien als Körperschaften des öffentlichen Rechts juristische Personen des öffentlichen Rechts und daher antragsberechtigt. Durch die Vorschriften der Bäderverkaufsverordnung würden sie in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit verletzt, soweit dieses durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntage ausgestaltet werde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil vom 01. Dezember 2009 (1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07) anerkannt, dass die Kirchen aus dem im Grundgesetz (und mithin auch in der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern) verankerten Schutz der Sonntage subjektive (Abwehr-) Rechte herleiten könnten, da die institutionelle Garantie des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV auch der Entfaltung der Religionsfreiheit diene. Darüber hinaus ergebe sich ihre - der Antragstellerinnen - (mögliche) Rechtsverletzung aus einem Verstoß gegen den zwischen den Beteiligten geschlossenen Staatskirchenvertrag vom 20. Januar 1994

22

(GVOBl. M-V S. 559).

23

Die angegriffene Bäderverkaufsverordnung verstoße gegen höherrangiges Recht. Weder entspreche sie den Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 10 LöffG M-V noch wahre sie den Kernbereich des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV/Art. 9 Abs. 1 Verf M-V.

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Angesichts der Anzahl und Auswahl der in der Anlage aufgeführten Orte und Ortsteile werde das verfassungsrechtlich zwingend vorgegebene gesetzgeberische Programm, die Sonntage dem Grunde nach zu schützen, nicht nur verfehlt, sondern ad absurdum geführt. Der Verkauf von Waren jeder Art sei an Werktagen montags bis freitags ohne zeitliche Begrenzung und samstags von 0.00 Uhr bis 22.00 Uhr zulässig. Der danach verbleibende Schutz der Sonn- und gesetzlichen Feiertage werde bereits im Ladenöffnungsgesetz selbst durch eine Reihe von Ausnahmeregelungen - etwa

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§§ 4, 5 und 6 LöffG M-V - minimiert. Auf dem Hintergrund dieser bereits erheblichen gesetzlichen Ausnahmebestimmungen missachte die angegriffene Verkaufsverordnung das gesetzgeberische Ziel, den Schutz der Sonn- und Feiertage wenigstens noch einigermaßen zu beachten. Berücksichtige man die Anzahl der von ihr erfassten Orte und Ortsteile, den beträchtlichen Einzugsbereich der größeren Orte sowie die Verteilung der betroffenen Orte bzw. Ortsteile über das Landesgebiet, sei festzustellen, dass mit der Verordnung weiterhin der Versuch unternommen werde, den verfassungsrechtlich vorgegebenen und im Ladenöffnungsgesetz wenigstens noch verbal aufrechterhaltenen Schutz der Sonntage in Mecklenburg-Vorpommern flächendeckend aufzuheben. Auffallend sei, dass die streitige Rechtsverordnung auch zeitlich und mit Blick auf das zulässige Warenangebot deutlich über die frühere sog. Bäderregelung hinausgehe. Nach der Allgemeinverfügung vom 22. Januar 2007 sei der gewerbliche Verkauf an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 12.00 Uhr bis 18.30 Uhr auf den Zeitraum vom 01. Februar bis 30. November beschränkt gewesen. Demgegenüber erstrecke sich die dem Normenkontrollantrag zugrunde liegende Rechtsverordnung mit Ausnahme des 2., 3. und 4. Advents auf das gesamte Jahr; sie erfasse sonntags den Zeitraum von 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr und beinhalte entgegen den Voraussetzungen des § 10 LöffG M-V keine nennenswerten Begrenzungen des Warenangebots. Von einer "ausnahmsweisen" Öffnung der Läden könne dann nicht mehr die Rede sein, wenn die Ladenöffnung an fast allen Sonntagen im Jahr einschließlich hoher christlicher Feiertage wie Ostern und Pfingsten zugelassen sei. Vom Charakter des Sonntags, wie er in der Verfassung ausgestaltet sei, bleibe unter diesen Umständen weder für die Besucher der betroffenen Orte noch für deren Wohnbevölkerung etwas übrig.

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Zudem erscheine die Auswahl der in der Anlage zur Bäderverkaufsverordnung aufgeführten "anerkannten Ausflugsorte und Ortsteile mit besonders starkem Fremdenverkehr" größtenteils unplausibel bzw. willkürlich. Zum einen verstoße die Formulierung in § 1 Abs. 2 BädVerkVO M-V ("... wenn ihnen eine besondere touristische Bedeutung zukommt") gegen § 10 LöffG M-V. Denn die Ermächtigungsgrundlage spreche nicht von "besonderer touristischer Bedeutung" sondern von "Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr". Damit stelle die Ermächtigungsgrundlage auf einen verifizierbaren tatsächlichen Befund, nämlich auf einen bereits vorhandenen besonders starken Fremdenverkehr ab. Das schließe die Berücksichtigung eines potentiellen künftigen Tourismus aus. Schließlich seien die in § 1 Abs. 2 BädVerkVO M-V aufgeführten Kriterien zu unbestimmt.

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Ferner enthalte die angegriffene Bäderverkaufsverordnung unter Verstoß gegen die Ermächtigungsgrundlage keine hinreichenden Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen ausnahmsweise ein gewerblicher Verkauf an Sonntagen zugelassen werde. Dies gelte zunächst für die von der Verordnung erfassten Kur- und Erholungsorte (§1 Abs. 2 BädVerkVO M-V). Allein die Anerkennung eines Ortes als Kur- und Erholungsort führe nicht zwingend zu der Folge, dass ein gewerblicher Sonntagsverkauf zugelassen werden müsse. Dies gelte auch für die Weltkulturerbestädte Wismar und Stralsund. Das Gebot einer Festsetzung hinreichender Voraussetzungen und Bedingungen für einen ausnahmsweise zugelassenen Sonntagsverkauf gelte schließlich auch für die durch die Verordnung anerkannten Ausflugsorte und Ortsteile. Nach Maßgabe des Ladenöffnungsgesetzes und der streitbefangenen Bäderverkaufsverordnung dürfe in Orten und Ortsteilen, die vom örtlichen Geltungsbereich der Verordnung erfasst seien, in Mecklenburg-Vorpommern im Ergebnis flächendeckend ein gewerblicher Verkauf an fast allen Sonntagen im Jahr stattfinden. Der verfassungsrechtlich vorgegebene Sonntagsschutz, der nur ausnahmsweise modifiziert werden dürfe, werde hier nicht mehr gewährleistet. Dies treffe auch für die kreisfreien Städte zu. Die für sie in § 2 Abs. 2 BädVerkVO M-V geltende Einschränkung des gewerblichen Verkaufs auf 11 Sonntage beziehe sich zum einen lediglich auf die Städte Greifswald, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin; die Städte Wismar und Stralsund seien als Weltkulturerbestädte von der Einschränkung nicht betroffen. Addiere man für die vier genannten Städte die bereits nach § 6 LöffG M-V möglichen vier Sonntage hinzu, betrage die Gesamtzahl der möglichen Sonntagsöffnungen 15 pro Jahr - Ostern und Pfingsten eingeschlossen. Im Übrigen könnten nach Maßgabe der Verordnung die Sonntagsöffnungen auf einige Monate konzentriert werden, so dass Geschäfte dann länger als ein Vierteljahr durchgehend sonntags öffnen dürften. Auch der in § 2 Abs. 1 BädVerkVO M-V für die Sonntagsöffnung normierte Zeitraum von 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr erfülle das Ausnahmekriterium nicht, denn es seien sieben Stunden und somit fast ein voller Arbeitstag für eine Ladenöffnung freigegeben.

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Von einer nur ausnahmsweisen Ermöglichung der Ladenöffnung könne auch nicht mit Blick auf das vom Verordnungsgeber zugelassene Warenangebot ausgegangen werden. Die Herausnahme von Baumärkten, Möbelhäusern und Autohäusern in § 2 Abs. 1 Satz 2 BädVerkVO M-V bedeute zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Jedoch würde Geschäften mit breitgefächertem, überwiegend keinesfalls "tourismusbezogenem" Warenangebot weiterhin die Sonntagsöffnung ermöglicht.

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Darüber hinaus verstoße die Bäderverkaufsverordnung gegen Art. 140 GG i.V.m. Art 139 WRV/Art. 9 Abs. 1 Verf M-V. Dem Gesetzgeber sei es verwehrt, in den Kernbereich der Sonn- und Feiertagsruhe einzugreifen und den Sonntag als Institution abzuschaffen, nämlich den aufgrund der traditionellen Einteilung der Woche hervorgehobenen Tag (den Sonntag) innerhalb der Woche "einzunivellieren". Dies geschehe zwar nicht formal, jedoch höhle die Bäderverkaufsverordnung die im Grundgesetz und in der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern enthaltene Garantie des gesetzlichen Schutzes der Sonntage inhaltlich aus. Die "seelische Erhebung" im Sinne des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV/Art. 9 Abs. 1 Verf M-V werde vom spezifischen Charakter der Sonntage als Nicht-Werktage mitbestimmt. Mit der in der Verordnung vorgenommenen globalen Ermöglichung gewerblichen Verkaufs an den Sonntagen von 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr werde weder eine "Arbeit für den Sonntag" noch eine verfassungsrechtlich noch zulässige "Arbeit trotz des Sonntags" legalisiert. Das Einkaufen sei eine typisch werktägliche Beschäftigung. Das für den Sonntag charakteristische Bild weitgehender äußerer Ruhe, welche der inneren Ruhe und damit auch der seelischen Erhebung günstig sei, werde gerade auch durch die geschlossenen Einzelhandelsgeschäfte geprägt. Richtig sei, dass das Grundgesetz und die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Sonntagsschutzes Spannungen mit "wirtschaftsbezogenen" Grundrechten (insbesondere mit Art. 12 GG und Art. 14 GG) in Kauf nähmen. Es sei jedoch ausgeschlossen, wirtschaftliche Belange vollständig über die kultur- bzw. religionsbezogene Schutzintention des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV bzw. Art. 9 Abs. 1 Verf M-V zu stellen.

30

Die Bäderverkaufsverordnung verstoße zudem auch deshalb gegen Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV/Art. 9 Abs. 1 Verf M-V, weil die Bestimmung der Zeiten für Gottesdienste und andere religiöse Aktivitäten ausdrücklich den Kirchen und Religionsgemeinschaften bzw. ihren Gemeinden und nicht dem staatlichen Gesetzgeber überlassen sei. Eine "Hauptzeit der Gottesdienste" - wie sie § 10 Satz 2 LöffG M-V freihalte - oder ähnliches sei der Verfassung gänzlich fremd. Tatsächlich fänden in Mecklenburg-Vorpommern sonntags Gottesdienste und sonstige kirchliche Veranstaltungen nicht nur am Vor-, sondern auch am Nachmittag statt. Im Übrigen beeinträchtige auch eine Geschäftsöffnung erst am Ende des Sonntagvormittags den Besuch der Vormittagsgottesdienste nachhaltig. Denn es liege auf der Hand, dass sowohl die Ladeninhaber als auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Verkauf vor Öffnung des Ladens vorzubereiten hätten, ihre hierdurch erforderte Anwesenheit im Laden hindere sie am Gottesdienstbesuch.

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Die Antragstellerinnen sind schließlich der Auffassung, dass bereits die Ermächtigungsgrundlage des § 10 LöffG M-V verfassungswidrig und daher unwirksam sei. Nach Art. 57 Abs. 1 S. 2 Verf M-V/Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG müssten Inhalt, Zweck und Ausmaß dessen, was der Verordnungsgeber regeln dürfe, bereits im ermächtigenden formellen Gesetz hinreichend bestimmt sein. Diesen Anforderungen genüge § 10 LöffG M-V nicht. Weder das Tatbestandsmerkmal "ausnahmsweise" noch das Tatbestandsmerkmal "anerkannte Ausflugsorte und Ortsteile mit besonders starkem Fremdenverkehr" seien hinreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse der Gesetzgeber den prinzipiellen Umfang von Ausnahmen selbst regeln. § 10 LöffG M-V enthalte keine Kriterien zur näheren Bestimmung des Begriffs "ausnahmsweise". Daher könne der Verordnungsgeber nicht erkennen, welchen Rahmen der Gesetzgeber für die Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals bestimmt habe. Entsprechendes gelte für die Frage, was unter "anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr" zu verstehen sei.

32

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 LöffG M-V sei nicht möglich, da der Wortlaut des Gesetzes und der erkennbare Wille des Gesetzgebers dem entgegenstünden.

33

Die Antragstellerinnen sehen sich im Übrigen in allen ihren Rechtsauffassungen durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 01. Dezember 2009 - 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 - bestätigt.

34

Die Antragstellerinnen beantragen,

35

die Verordnung über erweiterte Ladenöffnungszeiten in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr vom 17. April 2009 (GVOBl. M-V S. 323) für unwirksam zu erklären.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er tritt dem Vorbringen der Antragstellerinnen entgegen und trägt im Wesentlichen vor:

39

Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen werde eine flächendeckende Erstreckung der Fremdenverkehrsregelung auf das gesamte Land durch den eingeschränkten örtlichen Geltungsbereich der Bäderverkaufsverordnung vermieden. Dabei sei hervorzuheben, dass die Verordnung nur touristisch relevante Gebiete an der Ostseeküste und an der Mecklenburgischen Seenplatte sowie einzelne größere Orte von besonderer touristischer Bedeutung erfasse. Die Geltungsbereiche in den Weltkulturerbestädten seien bestimmt und örtlich umgrenzt. Kur- und Erholungsorte müssten nach § 1 Abs. 1 des Kurortgesetzes die in den §§ 2 ff dieses Gesetzes geforderten Voraussetzungen erfüllen, um als solche anerkannt zu werden. Insgesamt gebe es 55 Kur- und Erholungsorte, wobei sich die Anerkennung zum Teil nur auf einzelne Ortsteile beziehe. Eine Ausweitung des örtlichen Geltungsbereichs der Bäderverkaufsverordnung sei nicht zu befürchten. Es sei aufgrund der strengen Anforderungen des Kurortgesetzes nicht zu gewärtigen, dass deren Anzahl sprunghaft ansteigen werde, was auch für die Anzahl der Weltkulturerbestädte in Mecklenburg-Vorpommern und entsprechend für die Anerkennung von Ausflugsorten oder deren Ortsteilen nach § 1 Abs. 2 BädVerkVO i.V.m. § 10 LöffG M-V gelte. Zwar sei die Anerkennung der Ausflugsorte oder deren Ortsteile der Exekutive übertragen, jedoch enthalte § 10 LöffG M-V klare Vorgaben an den Verordnungsgeber.

40

Auch in zeitlicher Hinsicht sei die in der Bäderverkaufsverordnung ermöglichte sonntägliche Ladenöffnung nicht zu beanstanden. Der Zeitraum von 11:30 Uhr bis 18:30 Uhr liege ausdrücklich und eindeutig außerhalb der Hauptzeit der Gottesdienste und wahre zudem den öffentlich wahrnehmbaren Charakter des Sonntags hinreichend. Diese zeitliche Eingrenzung der sonntäglichen Ladenöffnung auf bis zu sieben Stunden trage dem Ausnahmecharakter der Sonntagsöffnung in der praktischen Anwendung und in der öffentlichen Wahrnehmung hinreichend Rechnung.

41

Dass es sich um eine Ausnahme i.S.d. § 10 LöffG M-V handele, mache des Weiteren die mit der Verordnung vorgenommene Einschränkung des Warenangebotes deutlich, nach der Baumärkte, Möbelhäuser und Autohäuser von der Sonntagsöffnung ausgenommen seien.

42

Soweit in größeren - insbesondere den kreisfreien - Städten wegen des dortigen umfangreicheren Warenangebots der Verkauf von Waren außerhalb des touristischen Bedarfs nicht auszuschließen sei, habe der Verordnungsgeber dem Ausnahmecharakter der Sonntagsöffnung dadurch entsprochen, dass er dort die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage auf 11 beschränkt habe. Auf dem Hintergrund der insgesamt im Jahr vorhandenen Sonntage sei diese Anzahl selbst unter Berücksichtigung weiterer, im Rahmen von § 6 LöffG M-V zugelassener verkaufsoffener Sonntage nicht zu beanstanden. Eine von den Antragstellerinnen befürchtete Konzentration aller verkaufsoffenen Sonntage auf wenige Monate sei schon deshalb nicht zu erwarten, weil dies dem jedenfalls in größeren Städten über das ganze Jahr anstehenden touristischen Bedarf nicht gerecht würde.

43

Schließlich sei die beschränkte Zulassung des Warenverkaufs an Sonn- und Feiertagen, wie sie die Bäderverkaufsverordnung ermögliche, entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen auch durch dringende öffentliche Sachgründe gerechtfertigt. Sie diene der nachhaltigen Förderung des Tourismus und damit eines der maßgeblichen Wirtschaftsfaktoren des Landes. Nicht nur Natur, Kultur und Gastronomie seien für den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern von Relevanz, sondern mehr und mehr auch der Handel; dies gelte insbesondere für Wochenendtouristen. Die Erwartungshaltung der Gäste sei darauf gerichtet, dass mit der Befriedigung touristischer Bedürfnisse außerhalb kultureller Einrichtungen und der Gastronomie der Handel und damit die Ladenöffnung auch am Wochenende einhergehe. Unter Berücksichtigung der ganz besonderen Bedeutung des Tourismus für das Land Mecklenburg-Vorpommern bestehe danach ein hinreichender Sachgrund für die Schaffung einer Ausnahmeregelung zur Ladenöffnung in den touristisch maßgeblichen Bereichen des Landes; auf diese sei die Ladenöffnung allerdings auch beschränkt.

44

Im Übrigen halte sich die Bäderverkaufsverordnung vollständig an die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 01. Dezember 2009 - 1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07 - aufgestellten Maßstäbe.

45

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Normenkontrollverfahrens und der Verfahren 4 K 14/09, 4 K 2 /08 und 4 K 3/08 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgängen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

46

Der Normenkontrollantrag hat in der Sache Erfolg.

47

I. Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Insbesondere sind die Antragstellerinnen - öffentlichrechtlich verfasste Religionsgemeinschaften - antragsfähig und antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach kann den Antrag auf Normenkontrolle jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

48

Die Antragstellerinnen machen u.a. geltend, durch die Vorschriften der Bäderverkaufsverordnung in ihrem Grundrecht auf Religionsfreiheit verletzt zu werden, soweit dieses durch den verfassungsrechtlichen Schutz der Sonntage ausgestaltet werde. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden gegen Vorschriften des Berliner Ladenöffnungsgesetzes mit der Frage der Beschwerdebefugnis der öffentlich-rechtlich verfassten Religionsgemeinschaften zu beschäftigen. Es hat hierzu in seinem Urteil vom 01. Dezember 2009 (-1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07-, EuGRZ 2009, 658=GewArch 2010, 29=DVBl. 2010, 108=JZ 2010, 137 m. Anm. Classen) ausgeführt:

49

"Ein Betroffensein in einem eigenen Grundrecht wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entwickelte Grundsätze zur Reichweite des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG angewandt werden könnten und auf deren Grundlage eine Verletzung dieses Grundrechts in Verbindung mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV ohne weiteres zu verneinen wäre (vgl. BVerfGE 110, 274 <287 ff.> zu Art. 12 Abs. 1 GG). Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist hingegen dann gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine bislang vom Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene, offene verfassungsrechtliche Frage aufwirft (vgl. BVerfGE 94,49 <84>; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl., § 92 Rn. 50), die die Annahme eines verfassungsbeschwerdefähigen Rechts jedenfalls nicht von vornherein ausschließt. Das ist hier hinsichtlich der Frage eines etwaigen Überwirkens der objektivrechtlichen Schutzgarantie des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im Sinne einer Konkretisierung und Stärkung des Grundrechtsschutzes der Fall.

50

Die Beschwerdeführer werfen die Frage auf, ob und inwieweit sich Religionsgemeinschaften im Wege einer Verfassungsbeschwerde auf die verfassungsrechtliche Sonn- und Feiertagsgarantie des Art. 139 WRV berufen können. Es handelt sich hierbei um einen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht geklärten Problemkreis, da bislang nur die Wirkung des Art. 139 WRV gegenüber Grundrechtsträgern beurteilt wurde, die sich in ihrer Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sahen und denen an Ausnahmen vom Sonn- und Feiertagsschutz gelegen war (vgl. BVerfGE 111, 10). Daneben wurde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich ausgesprochen, dass Art. 140 GG selbst keine Grundrechtsqualität beizumessen ist (vgl. BVerfGE 19, 129 <135>; siehe dazu auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. September 1995 - 1 BvR 1456/95 -, NJW 1995, S. 3378 f.). Offen geblieben ist bisher aber, ob und inwieweit gerade Art. 139 WRV im Zusammenwirken mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG oder anderen Grundrechten Religionsgemeinschaften oder anderen Betroffenen eine Durchsetzung des Sonn- und Feiertagsschutzes ermöglicht. Unbeantwortet ist weiter, ob und inwieweit der Schutzgehalt eines Grundrechts - hier des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG - durch den Sonntagsschutz des Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) konkretisiert und verstärkt werden kann und dabei die Gewährleistungen der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung in die Bestimmung des Schutzgehalts der Grundrechtsnorm einzubeziehen sind. Bejahendenfalls stellt sich die bislang ebenso ungeklärte Frage, ob es gerade wegen der Bedeutung des Sonntagsschutzes für die Ladenöffnung konkrete, auch grundrechtsverbürgte Grenzen für diese gibt und wo sie verlaufen

51

Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG steht auch den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu (vgl. nur BVerfGE 24, 236). Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gewährleistungen der Weimarer Kirchenartikel funktional auf die Inanspruchnahme und Verwirklichung des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt (vgl. BVerfGE 102, 370 <387>).

52

b) ... Geöffnete Läden und eine Inanspruchnahme des Sonn- oder Feiertages seitens der Beschwerdeführer zum Zwecke der seelischen Erhebung schließen sich zwar nicht gänzlich aus. So können auch während der Ladenöffnungszeiten Gottesdienste oder andere religiöse Veranstaltungen abgehalten oder diese gegebenenfalls auf Tageszeiten verlegt werden, zu denen die Geschäfte noch nicht oder nicht mehr geöffnet haben. Eine Selbstbetroffenheit der Beschwerdeführer kommt aber unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass sich durch die in Rede stehenden Ladenöffnungszeiten generell der Charakter der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe, aber auch der Besinnung verändert, weil diese Tage auch in ihrer Ganzheit als Tage der Ruhe und der seelischen Erhebung religiöse Bedeutung für die Beschwerdeführer haben (,. am siebten Tage sollst Du ruhen, ..."; vgl. in der Bibel Ex 23, 12; dazu weiter Dtn 5, 12-14 und in den Zehn Geboten Ex 20, 8-11). Das gilt jedenfalls auf der Grundlage der Annahme einer Konkretisierung des Schutzgehalts des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV, auf die sich die Beschwerdeführer berufen. ...".

53

Diese Grundsätze - verstärkt durch landesrechtliche Vorschriften - sind auf das vorliegende Normenkontrollverfahren übertragbar und führen entsprechend zur Bejahung der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Gemäß Art. 5 Abs. 3 Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern (Verf M-V) ist das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG Bestandteil der Landesverfassung und unmittelbar geltendes Recht. Art. 9 Abs. 1 Verf M-V macht Art. 139 WRV zum Bestandteil der Landesverfassung. Demnach erscheint eine Verletzung der Antragstellerinnen in einem durch die Gewährleistung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV konkretisierten Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch die angegriffene Erweiterung der Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feiertagen in Mecklenburg-Vorpommern als möglich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerinnen nicht unmittelbar Adressaten der streitgegenständlichen Bäderverkaufsverordnung sind. Denn sie haben dargelegt, dass die Anwendung der Vorschriften der Verordnung generell den Charakter der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe, aber auch der Besinnung verändern kann, weil diese Tage auch in ihrer Ganzheit als Tage der Ruhe und der seelischen Erhebung religiöse Bedeutung für sie - die Antragstellerinnen - haben.

54

Mit dem Vorliegen der Antragsbefugnis der Antragstellerinnen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG und Art. 139 WRV, Art. 5 Abs. 3 sowie Art. 9 Abs. 1 Verf M-V bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob zusätzlich auch der in Landesrecht transformierte Staatskirchenvertrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit den Antragstellerinnen diesen eine Antragsbefugnis vermittelt (vgl. bejahend: OVG M-V, Beschl. v. 22.12.1999 - 2 M 99/99 -, NVwZ 2000, 948 ff.=NordÖR 2000, 64 a.A. offenbar Kronisch in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 9 Rn. 16; vgl. zu den in Sachsen geschlossenen Verträgen SächsOVG, Urt. v. 08.05.2008 - 3 D 33/07 -, Beschl. v. 29.11.2007 - 3 DS 410/07, zit. nach juris).

55

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar bestehen gegen § 10 LöffG M-V keine verfassungsrechtlichen Bedenken (1.). Jedoch hat der Verordnungsgeber in einer Art und Weise von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht, die nicht den Schutzpflichten aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in seiner Konkretisierung durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV genügt (2.).

56

1. Die Regelungen des Ladenöffnungsgesetzes M-V, insbesondere dessen § 10, der Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Bäderverkaufsverordnung ist, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Schutzkonzept, das den Regelungen des Ladenöffnungsgesetzes M-V zugrunde liegt, wird der Schutzverpflichtung des Landesgesetzgebers aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in seiner Konkretisierung durch Art. 140 WRV (i.V.m. Art. 139 GG) hinreichend gerecht.

57

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich die Religionsfreiheit nicht auf die Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch im positiven Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O.; BVerfG, Beschl. v. 17.12.1975 - 1 BvR 63/68 -, BVerfGE 41, 29, 49). Diese Schutzpflicht trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften.

58

Bei ihrer Umsetzung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lässt sich allein keine staatliche Verpflichtung herleiten, die religiös-christlichen Feiertage und den Sonntag unter den Schutz einer näher auszugestaltenden generellen Arbeitsruhe zu stellen und das Verständnis bestimmter Religionsgemeinschaften von nach deren Lehre besonderen Tagen zugrunde zu legen. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erfährt jedoch eine Konkretisierung durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV: Diese Garantie wirkt ihrerseits als in der Verfassung getroffene Wertung auf die Auslegung und Bestimmung des Schutzgehalts von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein und ist deshalb auch bei der Konkretisierung der grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers zu beachten. Art. 139 WRV enthält einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der im Sinne der Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus dem Grundrechtsschutz aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit Gehalt gibt. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 01. Dezember 2009 ausgeführt:

59

"Die funktionale Ausrichtung der so genannten Weimarer Kirchenartikel auf die Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gilt auch für die Gewährleistung der Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung in Art. 139 WRV, obgleich in dieser Norm selbst der religiös-christliche Bezug nicht ausdrücklich erwähnt wird. Art. 139 WRV hat nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken neben seiner weltlich-sozialen auch eine religiös-christliche Bedeutung. Er sichert mit seinem Schutz eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Er erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu verschiedenen Grundrechten zu begreifen. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist darauf ausgerichtet, den Grundrechtschutz - auch im Sinne eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes - zu stärken und konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten."

60

Demzufolge enthält Art. 139 WRV einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.1992 - 1 BvR 168/89, 1509/89 u. 638/90, 639/90 -, BVerfGE 87, 363, 393; BVerfG, Urt. v. 04.11.2003 - 1 BvR 636/02 -, BVerfGE 111, 10, 53). Grundsätzlich hat die typische "werktägliche Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Der verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsschutz ist nur begrenzt einschränkbar. Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe sind zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich; in jedem Falle muss der ausgestaltende Gesetzgeber aber ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes wahren (vgl. BVerfG, Urt. v. 04.11.2003, a.a.O.).

61

Das bedeutet zum einen, dass der Schutz des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Teil beschränkt ist. Vielmehr soll an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Geschützt ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Tages, demzufolge es sich grundsätzlich um einen für alle verbindlichen Tag der Arbeitsruhe handelt. Zum anderen kann der Gesetzgeber bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Allerdings führt der Schutz der Verwirklichung von Freizeitwünschen der Bürger insoweit zu einem Konflikt, als diese auf die Bereitstellung von Leistungen angewiesen sind, die den Arbeitseinsatz der Anbieter solcher Leistungen erfordern.

62

Daran gemessen unterliegen die Regelungen des Ladenöffnungsgesetzes M-V, hier insbesondere

63

§ 10 LöffG M-V, keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln.

64

Nach dem Ladenöffnungsgesetz M-V genießen Sonntage und die allgemeinen Feiertage Schutz. Dies hat der Gesetzgeber in seiner Präambel des Gesetzes klar gestellt. Das Ladenöffnungsgesetz M-V sieht dementsprechend vor, dass der gewerbliche Verkauf an Sonn- und Feiertagen ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 2 Ziff. 1 LöffG M-V). Damit wird der Konflikt zwischen den grundrechtlichen Positionen der Ladeninhaber (Berufsfreiheit) und Einkaufswilligen (allgemeine Handlungsfreiheit) einerseits und den Beschäftigten, den Ruhesuchenden sowie den Antragstellerinnen (Art. 2, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) andererseits im Ausgangspunkt und in der systematischen Anlage zugunsten eines grundrechtlichen Schutzes der Antragstellerinnen und anderer arbeitsruhesuchender Grundrechtsträger entschieden. Das entspricht dem Schutzauftrag aus Art. 139 WRV an den Gesetzgeber. Auch in der Gesetzesbegründung zum Ladenöffnungsgesetz M-V wird die Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes zur Gewährleistung der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung allgemein hervorgehoben (LT-Drs. 5/81, S. 10 f.).

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Dieses Schutzkonzept des Landesgesetzgebers wird indessen durch diverse, im Urteilstatbestand genannte Ausnahmeregelungen, auch durch den hier als Ermächtigungsgrundlage für die streitbefangene Bäderverkaufsverordnung dienenden § 10 LöffG M-V, eingeschränkt. Verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt § 10 LöffG M-V jedoch nicht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus im Einvernehmen mit dem Innenministerium durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen ausnahmsweise in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie in anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr abweichend von § 3 Abs. 2 an Sonntagen, die keine gesetzlichen Feiertage sind, der gewerbliche Verkauf zugelassen werden darf. Gemäß § 10 Satz 2 LöffG M-V müssen die Öffnungszeiten außerhalb der Hauptzeit der Gottesdienste liegen. Der Monat Dezember darf, mit Ausnahme des ersten Advents, nicht frei gegeben werden (§ 10 Satz 3 LöffG M-V).

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Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen verstößt diese Ermächtigungsgrundlage nicht gegen den rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt. Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt einerseits und aus dem Rechtsstaatsprinzip sowie aus dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes andererseits die Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet, nicht nur im Bereich der unmittelbaren Grundrechtsausübung, sondern in allen grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfG, Beschl. v. 04.05.1997 - 2 BvR 509/96, 2 BvR 511/96 -, StV 1997, 405=NStZ-RR 1997, 342; BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987 - 2 BvR 624, 83 u.a. -, BVerfGE 77, 170, 230; BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89, 126). Das schließt Ermächtigungen zu ergänzenden Regelungen durch Rechtsverordnung nicht aus, sofern die wesentlichen Entscheidungen in dem formellen Gesetz einschließlich der Ermächtigungsnormen enthalten sind.

67

Zudem hat der Landesgesetzgeber bei der Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die Exekutive Art. 57 Abs. 1 Satz 2 Verf M-V zu beachten. Danach muss das zum Erlass einer Verordnung ermächtigende Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Demnach muss der Gesetzgeber im formellen Gesetz selbst die Entscheidung darüber treffen, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden sollen; er muss die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll. Es muss sich aus dem Gesetz ermitteln lassen, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll, so dass der Bürger schon aus dieser Rechtsnorm ersehen kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die Rechtsverordnung haben kann. Die Regelungen sind so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Für die Ermittlung des Anwendungs- und Wirkungsbereichs einer Ermächtigungsnorm gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (zu Art. 80 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschl. v. 04.05.1997, a.a.O.; Sauthoff in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 57 Rn. 8 f. m.w.N.).

68

Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt § 10 LöffG M-V. Mit dieser Vorschrift hat sich der Landesgesetzgeber nicht der Pflicht entzogen, den Kernbereich der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG, Art. 139 WRV selbst zu regeln. Er hat die wesentlichen Entscheidungen zum gewerblichen Verkauf an Werk-, Sonn- und Feiertagen selbst im Ladenöffnungsgesetz getroffen: Mit § 3 Abs. 2 Ziff. 1 LöffG M-V hat er die grundsätzliche Schutzpflichtanforderung aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG, Art. 139 WRV anerkannt und ihr durch das gewählte Regel-Ausnahme-Prinzip Rechnung getragen, indem er den gewerblichen Verkauf an Sonn- und Feiertagen zunächst grundsätzlich ausgeschlossen hat. Mit den §§ 4, 5 und 6 LöffG M-V hat er dann selbst zulässige Ausnahmen zu dem Verbot des gewerblichen Verkaufs an Sonn- und Feiertagen geschaffen. In § 10 LöffG M-V hat er es dem Verordnungsgeber überlassen, in den dort aufgeführten Grenzen sowie unter Beachtung seiner im Ladenöffnungsgesetz gewählten Schutzkonzeption und seines Programms von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen. Dabei gibt er dem Verordnungsgeber insgesamt einen Rahmen vor, in dem er Regelungen zum gewerblichen Verkauf treffen kann.

69

Im Einzelnen gilt folgendes:

70

Der nach § 10 LöffG M-V in einer Verordnung für eine Sonntagsöffnung mögliche örtliche Geltungsbereich ist hinreichend bestimmt: Soweit § 10 Satz 1 LöffG M-V u.a. die Zulassung eines gewerblichen Verkaufs in "anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr" erlaubt, hat der Landesgesetzgeber in Anlehnung an die frühere bundesrechtliche Regelung des § 10 Abs. 1 LSchlG, wonach durch Rechtsverordnung ein sonntäglicher Verkauf in Kurorten und in einzeln aufzuführenden Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr zugelassen werden konnte, unbestimmte Rechtsbegriffe verwandt. Deren Inhalt lässt sich durch Rechtsauslegung ermitteln und steht damit der hinreichenden Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung nicht entgegen (vgl. Stober , LSchlG, 4. Aufl. § 10 Rn. 13). Dies gilt auch insoweit, als § 10 LöffG M-V auf "anerkannte" Ausflugsorte abstellt. Ebenso wie mit der Beschränkung auf eine Berücksichtigungsfähigkeit von "besonders starkem" Fremdenverkehr soll damit ersichtlich auf Örtlichkeiten mit hervorgehobener touristischer Bedeutung in dem stark auf den Fremdenverkehr ausgerichteten Bundesland Mecklenburg-Vorpommern abgestellt werden.

71

Auch in zeitlicher Hinsicht macht der Landesgesetzgeber dem Verordnungsgeber in § 10 LöffG

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M-V ausdrückliche Vorgaben. Nach Satz 2 müssen die Öffnungszeiten (für einen gewerblichen Verkauf an einem Sonntag) außerhalb der Hauptzeit der Gottesdienste liegen. Damit verwendet der Gesetzgeber einen Begriff, der im Feiertagsgesetz Mecklenburg-Vorpommern legal definiert ist. Nach dessen § 5 Abs. 1 liegt die Hauptzeit der Gottesdienste an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 6.00 Uhr bis 11.30 Uhr. Im Übrigen ist in § 10 Satz 3 LöffG M-V ausdrücklich bestimmt, dass der Monat Dezember mit Ausnahme des 1. Advents nicht für den gewerblichen Verkauf an Sonntagen frei gegeben werden darf.

73

Mit seiner Beschränkung auf Kur- und Erholungsorte, Weltkulturerbestädte und Ausflugsorte und Ortsteile mit besonders starkem Fremdenverkehr und der ausnahmsweisen Zulassung eines gewerblichen Verkaufs an Sonntagen in Abweichung von § 3 Abs. 2 Ziff. 1 LöffG M-V verfolgt der Gesetzgeber mit § 10 LöffG M-V ersichtlich den Zweck, besonderen Einkaufsbedürfnissen in Kur- und Erholungsorten, Weltkulturerbestädten sowie anerkannten Ausflugsorten und Ortsteilen mit besonders starkem Fremdenverkehr Rechnung tragen zu können.

74

Neben den ausdrücklichen Vorgaben des Landesgesetzgebers in zeitlicher und örtlicher Hinsicht an den Verordnungsgeber enthält § 10 LöffG M-V eine allgemeingültige, den übrigen Vorschriften des Ladenöffnungsgesetzes entsprechende Aussage, die über allen konkreten Voraussetzungen für den gewerblichen Verkauf an Sonn- und Feiertagen steht: Nach § 10 Satz 1 LöffG M-V darf der gewerbliche Verkauf an Sonntagen, die keine Feiertage sind, nur "ausnahmsweise" in den genannten Orten zugelassen werden (Unterstreichung durch das Gericht). Damit macht der Landesgesetzgeber den Ausnahmecharakter des § 10 LöffG M-V in besonderer Weise deutlich. Mit diesem Hinweis unterstreicht der Gesetzgeber seinen im Ladenöffnungsgesetz aufgestellten Grundsatz des Verbots des gewerblichen Verkaufs an den Sonntagen. Zugleich legt er den Rahmen fest, in dem sich die möglichen Ausnahmen vom sonntäglichen Verkaufsverbot bewegen sollen. Verstärkt wird diese Bedeutung des Ausnahmecharakters durch die Festlegung, dass "Voraussetzungen und Bedingungen" normiert werden müssen. Dieser lässt sich zum einen unmittelbar - wie dargelegt - aus § 10 LöffG M-V entnehmen. Zum anderen lässt er sich durch Auslegung unter Beachtung der übrigen Vorschriften des Ladenöffnungsgesetzes (hier insbesondere der §§ 3, 4, 5 und 6 LöffG

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M-V) ermitteln. Nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber von weiteren, über die in § 10 LöffG M-V enthaltenen hinausgehenden konkreten Vorgaben für den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich an den Verordnungsgeber abgesehen hat. Er hat es diesem überlassen, unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in seiner Konkretisierung durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV sowie seiner eigenen Ausgestaltung der Ladenöffnungszeiten im Ladenöffnungsgesetz M-V Ausnahmen für den gewerblichen Verkauf an Sonntagen festzulegen. Die Übertragung der Festlegung der näheren Voraussetzungen und Bedingungen auf den Verordnungsgeber dient im Übrigen einer flexibleren Reaktion auf örtliche Gegebenheiten und besondere touristische Einkaufsbedürfnisse, als sie dem Gesetzgeber möglich wäre. Dies gilt sowohl hinsichtlich des örtlichen und zeitlichen Geltungsbereichs der Sonntagsöffnung als auch hinsichtlich des Warenangebotes während der Sonntagsöffnung. Allerdings obliegt es dann auch dem Verordnungsgeber, bei der Ausgestaltung der zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Kriterien die verfassungsrechtlichen und landesgesetzgeberischen Maßstäbe zu beachten.

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Mit dem Zweck der Vorschrift, den gewerblichen Verkauf zwecks Befriedigung von Bedürfnissen des Fremdenverkehrs nur ausnahmsweise in Abweichung vom grundsätzlichen sonntäglichen gewerblichen Verkaufsverbot des § 3 LöffG M-V zuzulassen, ist danach das mögliche Ausmaß der Rechtsverordnung hinreichend vorhersehbar durch die Ermächtigungsgrundlage festgelegt. Die grundsätzliche Entscheidung des Landesgesetzgebers in § 3 LöffG M-V, gewerbliche Verkäufe sonntags auszuschließen, und der an den Zweck der Befriedigung besonderer sonntäglicher Einkaufsbedürfnisse gebundene Ausnahmecharakter des § 10 LöffG M-V begrenzen das Ausmaß der dem Verordnungsgeber möglichen ausnahmsweisen Zulassung des gewerblichen Verkaufs.

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2. Hingegen verstößt die streitige Bäderverkaufsverordnung gegen höherrangiges Recht. Ihre Vorschriften genügen nicht den dargestellten besonderen Anforderungen zum Schutz der Sonn- und Feiertage, die sich aus dem Grundgesetz, der Landesverfassung M-V und dem Ladenöffnungsgesetz M-V ergeben (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 140 GG, Art. 5 Abs. 3, Art. 9 Verf M-V, jeweils in Verbindung mit Art. 139 WRV, sowie § 10 LöffG M-V).

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Maßgeblich ist der unter 1. dargestellte, vom Landesgesetzgeber im Ladenöffnungsgesetz selbst beachtete verfassungsrechtliche Schutzauftrag, das für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen aufgestellte Regel-Ausnahme-Verhältnis umzusetzen. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis sieht vor, dass die typische "werktägliche Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen ruht. Die "werktägliche Geschäftigkeit" zeichnet sich dadurch aus, dass der gewerbliche Verkauf von Waren aller Art - ausgenommen ist der Verkauf über elektronische Medien, für den das Ladenöffnungsgesetz M-V nicht anwendbar ist, § 1 Satz 3 LöffG M-V - an Werktagen montags bis freitags ohne zeitliche Begrenzung und samstags von 0.00 bis 22.00 Uhr zulässig ist. Diese werktägliche Geschäftigkeit ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ladenöffnung nach § 3 Abs. 2 Ziffer 1 LöffG M-V an Sonn- und Feiertagen ausgeschlossen. § 10 LöffG M-V ermächtigt jedoch den Verordnungsgeber, hiervon Ausnahmen zuzulassen. Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter sind grundsätzlich zulässig; sie müssen aber als solche für die Öffentlichkeit erkennbar sein und bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen (vgl. BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O.).

79

Dem wird die streitige Bäderverkaufsverordnung nicht gerecht. Die dort enthaltenen Einschränkungen der Sonntagsöffnung in örtlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht sind nicht - auch nicht in ihrem Zusammenwirken betrachtet - geeignet, dem geforderten Ausnahmecharakter in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Außer Betracht zu bleiben hat dabei der Umstand, dass bei empirischer Betrachtung offenbar längst nicht alle Gewerbetreibenden in allen Orten und Ortsteilen, denen die Sonntagsöffnung gestattet ist, regelmäßig im rechtlich zugelassenen Umfang von den Möglichkeiten der Ladenöffnung Gebrauch machen. Das Gericht muss seiner Bewertung vielmehr ausschließlich den vom Verordnungsgeber abgesteckten rechtlichen Rahmen zugrunde legen und den Zustand anhand der aufgezeigten verfassungsrechtlich geprägten Maßstäbe bewerten, wie er sich bei vollständiger Ausnutzung der eingeräumten Verkaufsmöglichkeiten darstellte.

80

Im Einzelnen hat der Verordnungsgeber lediglich folgende Einschränkungen des von ihm grundsätzlich in § 2 Abs. 1 Satz 1 BädVerkVO zugelassenen gewerblichen Verkaufs an Sonntagen vorgenommen:

81

Der gewerbliche Verkauf ist auf die in der Anlage zu § 1 BädVerkVO genannten Orte und Ortsteile in der Zeit von 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr beschränkt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BädVerkVO). Der gewerbliche Verkauf ist an Sonntagen, die zugleich gesetzliche Feiertage sind, sowie am 2., 3. und 4. Advent ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BädVerkVO). In den Innenstadtbereichen der kreisfreien Städte mit Ausnahme der Weltkulturerbestädte ist der gewerbliche Verkauf an nur elf Sonntagen zulässig (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BädVerkVO). Der gewerbliche Verkauf in Baumärkten, Möbelhäusern und Autohäusern ist schließlich gänzlich ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BädVerkVO).

82

Da die gesetzlichen Feiertage gemäß § 2 Abs. 1 FTG M-V teilweise kalendarisch festgelegt sind und daher die Anzahl der Sonntage, die zugleich Feiertage sind, von Jahr zu Jahr variieren kann, ist von mindestens 45 (von 52 möglichen) Sonntagen im Jahr auszugehen, an denen der gewerbliche Verkauf in 145 Orten und Ortsteilen des Landes zugelassen ist. Bei dieser Anzahl der Orte und Ortsteile ist berücksichtigt, dass der Verordnungsgeber für die kreisfreien Städte Greifswald, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin in § 2 Abs. 2 Satz 1 BädVerkVO eine gesonderte Regelung getroffen hat, nach der lediglich 11 verkaufsoffene Sonntage unter Berufung auf die Bäderverkaufsverordnung zugelassen sind. Werden aber mehr als 6/7 aller Sonntage für den gewerblichen Verkauf freigegeben, ist in der durch die Bäderverkaufsverordnung ermöglichten Sonntagsöffnung jedenfalls unter Berücksichtigung des örtlichen Geltungsbereichs sowie des vom Verordnungsgeber zugelassenen Warenangebots keine "Ausnahme" im Sinne des § 10 LöffG M-V mehr zu sehen.

83

Bei der Bewertung der vom Verordnungsgeber gewählten Voraussetzungen in sachlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht für den gewerblichen Verkauf an Sonntagen fällt auch die maximale Ausweitung der werktäglichen Öffnungszeiten montags bis freitags auf 24 Stunden und samstags von 0.00 bis 22.00 Uhr durch den Landesgesetzgeber ins Gewicht (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LöffG M-V). Mit der fast vollständigen Freigabe der Ladenöffnungszeiten an Werktagen kommt es notwendigerweise vermehrt zum Einsatz der Beschäftigten im Schicht- und Nachtbetrieb. Deshalb ist für sie trotz der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften für den individuellen Arbeitsschutz gerade der Sonntag als einzig verbleibender Tag der Arbeitsruhe im rhythmischen Gleichklang ein solcher der Rekreation und der Möglichkeit des familiären und sozialen Zusammenseins von herausragender Bedeutung (vgl. BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber gerade der Berufsausübungsfreiheit der Verkaufsstelleninhaber wie auch der allgemeinen Handlungsfreiheit potenzieller Kunden in weitem Umfang Rechnung getragen hat. Er hat die werktäglichen Öffnungszeiten fast vollständig freigegeben und zusätzlich noch warengruppenspezifische sowie orts- und anlassbezogene Ausnahmeregelungen selbst getroffen, die an Sonn- und Feiertagen dem Erwerbs- und Einkaufsinteresse sowie dem Versorgungs- und Bedarfsdeckungsinteresse der gesamten Bevölkerung in hohem Maße entsprechen.

84

Hinzu kommt hier, dass das vom Verordnungsgeber zugelassene Warenangebot dem an Werktagen allgemein feilgebotenem Warenangebot fast vollständig entspricht. Anders als noch in der Allgemeinverfügung vom 22. Januar 2007 ist der gewerbliche Verkauf an Sonntagen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BädVerkVO lediglich in Baumärkten, Möbelhäusern und Autohäusern ausgeschlossen. Der Senat zieht nicht in Zweifel, dass in Kur- und Erholungsorten sowie in Ausflugsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr ein anderes Versorgungs- und wohl auch ein anderes Freizeitinteresse besteht als in anderen Orten. Allerdings bedarf es einer näheren Abstimmung des Warenangebots im Rahmen des gewerblichen Verkaufs an Sonntagen gerade auf den touristischen Bedarf, da ein besonderes Versorgungs- und Freizeitinteresse - z.B. an dem Erwerb von Elektroartikeln an einem Sonntag - nicht zu erkennen und vom Antragsgegner auch nicht dargelegt ist.

85

Der Verordnungsgeber ist auch nicht dadurch seiner Pflicht, ein hinreichendes Niveau des Sonntagsschutzes zu wahren, nachgekommen, indem er den räumlichen Geltungsbereich der Bäderverkaufsverordnung auf 149 Orte und Ortsteile - unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2

86

Satz 1 BädVerkVO auf 145 Orte und Ortsteile - beschränkt hat. Nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners handelt es sich bei dem Wirschaftssektor "Tourismus" um den stärksten Wirtschaftsfaktor in Mecklenburg-Vorpommern. Das bedeutet, dass ein beachtlicher Teil der Beschäftigten in diesem Bereich ihrer Arbeit nachgehen. Das bedeutet weiter, dass von der in der Bäderverkaufsverordnung eröffneten Möglichkeit der Ladenöffnung an Sonntagen nicht nur solche Beschäftigte betroffen sind, die in den von der Verordnung erfassten Orten und Ortsteilen ihren Wohnsitz haben, sondern auch solche, die außerhalb dieser Orte wohnen, in den betroffenen Orten jedoch ihrer Arbeit nachgehen. Hinsichtlich dieser Beschäftigtenstruktur enden die Auswirkungen der Bäderverkaufsverordnung nicht an den jeweiligen Orts- bzw. Ortsteilgrenzen. Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auf den Schutz des Verkaufspersonals durch das Arbeitszeitrecht verweist, ändert dies nichts an der beeinträchtigenden Wirkung der Verkaufsstellenöffnung an Sonn- und Feiertagen. Von den arbeitnehmerschützenden Bestimmungen geht nur eine individuelle Schutzwirkung aus (vgl. § 7 LöffG M-V). Auf die öffentlich wahrnehmbare, den Tag maßgeblich sowohl durch die Beschäftigten als auch durch die Besucher prägende Geschäftigkeitswirkung der Ladenöffnung sind sie ohne Einfluss ( BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O.).

87

Insgesamt ist die Ausgestaltung des gewerblichen Verkaufs in der angegriffenen Bäderverkaufsverordnung keine Ausnahme i.S.d. § 10 LöffG M-V, so dass es auf die Frage nach dem Vorliegen eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Insofern ist aber bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Sachgrund umso gewichtiger sein muss, je stärker der Sonntagsschutz von etwaigen Regelungen zum gewerblichen Verkauf an Sonntagen betroffen ist. Ein bloßes wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen (BVerfG, Urt. v. 01.12.2009, a.a.O.). Ebensowenig wäre mit dem Gebot eines angemessenen Sonn- und Feiertagsschutzes im Rahmen des § 10 LöffG M-V wohl die Anerkennung eines "Einkaufstourismus" als ausschließlich rechtfertigender Sachgrund in dem Sinne zu vereinbaren, dass erst eine äußerst freizügige Sonntagsöffnung den Tourismus hervorruft, auf dessen Bedarf dann abgestellt würde.

88

Keiner weiteren Erörterung bedarf es nach Allem, inwieweit die angegriffene Verordnung auch unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit und Bestimmtheit Wirksamkeitsbedenken ausgesetzt ist. Das Verhältnis von § 2 Abs. 2 Satz 1 zu Abs. 1 Satz 2 BädVerkVO etwa mag noch im Wege der Auslegung dahingehend zu klären sein, dass die erstgenannte Vorschrift lediglich eine im Verhältnis zu § 2 Abs. 1 Satz 1 BädVerkVO verkürzte Ladenöffnungszeit gestattet und daher auch nur von Satz 1, nicht aber von Satz 2 des Absatzes 1 "abweicht". Größere Probleme bereitet aber auch dem Ortskundigen z. T. die Abgrenzung von "Innenstadtbereichen der kreisfreien Städte mit Ausnahme der Weltkulturerbestädte" im Sinne von § 2 Abs. 2 BädVerkVO i.V.m. Pos. 1 bis 4 "Anerkannte Ausflugsorte ..." der Anlage zu § 1 BädVerkVO, soweit die beschriebenen Innenstadtbereiche nicht über in den städtischen Hauptsatzungen genauer definierte Ortsteilbezeichnungen auslegbar sind. Der örtliche Geltungsbereich muss anhand der ohne weitere Vollzugsakte Geltung beanspruchenden Verordnungsbestimmungen eindeutig erkennbar sein.

89

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist die angegriffene Bäderverkaufsverordnung für unwirksam zu erklären. Der Senat hat geprüft, ob die Regelung in § 2 Abs. 2 BädVerkVO für die kreisfreien Städte Greifswald, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin für sich genommen Bestand haben könnte, weil dort der Verkauf - mit der Einschränkung auf den Innenstadtbereich - nur an 11 Sonntagen zugelassen ist. Die Auswertung der Entstehungsgeschichte der Verordnung ergibt jedoch, dass eine derart isolierte Regelung dem Willen des Verordnungsgebers nicht gerecht würde und zudem die Anknüpfung an den Ausnahmetatbestand des § 10 LöffG M-V in Frage gestellt wäre. Hinzu kommt, dass die Auslegung dieser Vorschrift zusätzlichen Bestimmtheitsbedenken begegnet, weil ihr nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob es sich bei den 11 Sonntagen um einheitlich für alle Gewerbetreibenden festzulegende Tage handelt oder ob jeder einzelne Gewerbetreibende nach Wahl an 11 Sonntagen soll öffnen können. Dies wiederum hätte Auswirkungen auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

90

Der Senat hat ferner erwogen, ob die angefochtene Verordnung insgesamt mit Blick auf ihre begrenzte Geltungsdauer (Außerkrafttreten am 31.12.2012) im Sinne einer Art "Experimentierklausel" als eine noch zulässige Ausnahme angesehen werden könnte, hierfür aber keine Anhaltspunkte gefunden.

91

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

92

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete am 2. Juli 2001 eine Sendung gefrorenen Rindfleischs zur Ausfuhr nach Russland an, für welche sie die Zahlung von Ausfuhrerstattung beantragte. Nach dem vorgelegten Veterinärzertifikat vom 28. Juni 2001 stammte das Fleisch (u.a.) aus einem Schlachtbetrieb mit der Zulassungsnummer ES X. Nachdem in der Folgezeit das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch ein Schreiben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 25. April 2002 darüber unterrichtet worden war, dass (u.a.) dieser Schlachtbetrieb im Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 von fehlerhaft durchgeführten BSE-Schnelltests in einem bestimmten zugelassenen Labor betroffen war, setzte das BMF die Zahlung von Ausfuhrerstattungen zunächst aus. Im Oktober 2003 bat der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin um Mitteilung der Zeitpunkte der Schlachtungen in dem betroffenen Schlachtbetrieb. Darauf teilte diese im März 2004 mit, ihr lägen hierüber keine Unterlagen vor. In der Folge lehnte das HZA die Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, die ausgeführten Erzeugnisse entsprächen nicht den Bedingungen des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/11). Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

2

Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) das HZA, die beantragte Erstattung zu gewähren. Der Ausführer habe die Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nachzuweisen, falls insoweit Zweifel bestünden. Entsprechende Zweifel habe das HZA geäußert, weil die Klägerin den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende BSE-Schnelltests in einem hierfür zugelassenen Labor nicht habe nachweisen können. Zwar sei davon auszugehen, dass mit dem Ergebnis des Schnelltests der Nachweis der gesunden und handelsüblichen Qualität des Fleischs nur erbracht werden könne, wenn der Test ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe aber durch Vorlage des Veterinärzertifikats den Beweis dafür erbracht, dass das Fleisch von Tieren aus BSE-freien Beständen stamme und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden seien. Die sich aus "dem Spannungsverhältnis zwischen den Zweifeln (...) an der ordnungsgemäßen Durchführung des BSE-Schnelltests einerseits und der von der Klägerin vorgelegten Beweisurkunde (Veterinärzertifikat)" andererseits ergebenden beweisrechtlichen Probleme gingen zu Lasten des HZA. Keine der an dem Ausfuhrverfahren beteiligten Personen, deren Verhalten dem Ausführer zugerechnet werden könne, habe Einfluss darauf, wo und wie der Test durchgeführt werde. Im Nachhinein könne der Ausführer die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse nicht mehr nachweisen. Er sei darauf angewiesen, dass die Proben ordnungsgemäß genommen und in dem zugelassenen Institut nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften untersucht würden. Gäbe es insoweit Unregelmäßigkeiten, werde dem Ausführer die Beweisführung durch ein Verhalten einer staatlichen Stelle, nämlich des Amtsveterinärs, das in der Sphäre des HZA anzusiedeln sei, unmöglich gemacht. Deshalb bestehe im Streitfall keine Verpflichtung der Klägerin, weitere Nachweise für die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse zu erbringen, zumal nichts für einen BSE-Befall spreche und in dem betreffenden Labor keine falschen Bescheinigungen zur Verschleierung der Herkunft des untersuchten Fleischs ausgestellt, sondern lediglich technische Fehler bei der Durchführung der Tests gemacht worden seien. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das aus dem Schlachtbetrieb ES X stammende Fleisch tatsächlich in dem Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 in dem betreffenden Labor getestet worden und die konkreten Tests fehlerhaft gewesen seien.

3

Mit seiner Revision macht das HZA geltend, es lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vor, das aus dem Zulieferbetrieb der Klägerin, dem Schlachthof ES X, stammende Rindfleisch sei in einem bestimmten zugelassenen Labor nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden, und zwar während eines Zeitraums, in dem die streitige Sendung der Klägerin ausgeführt worden sei. Hinsichtlich der nicht zu klärenden Frage, ob und inwieweit diese Ausfuhrsendung von den fehlerhaften Tests betroffen gewesen sei, trage die Klägerin die Feststellungslast. Sie habe jedoch aufgrund mangelhafter Dokumentation der Warenbewegungen nicht einmal darlegen können, in welchem Umfang sich Fleisch aus dem Schlachthof ES X in ihrer Ausfuhrsendung befunden habe.

4

Die Klägerin schließt sich der Auffassung des FG an und meint, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, das Fleisch ihrer Ausfuhrsendung sei nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden. Das HZA sei außerdem an das im Streitfall erteilte Veterinärzertifikat gebunden.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der angefochtene die Ausfuhrerstattung versagende Bescheid ist rechtmäßig (§ 101 Satz 1 FGO).

6

1. Nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der im Streitfall anzuwendenden VO Nr. 800/1999 wird Ausfuhrerstattung nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind. Dieser Anforderung entsprechen die Erzeugnisse nur, wenn sie im Gebiet der Union unter normalen Bedingungen und der im Erstattungsantrag aufgeführten Bezeichnung vermarktet werden können und, falls diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt sind, ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt ist. Es handelt sich hierbei um eine materielle Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union

--EuGH-- vom 1. Dezember 2005 C-309/04 --Fleisch-Winter--, Slg. 2005, I-10349). Das im Streitfall ausgeführte Rindfleisch erfüllte diese materielle Voraussetzung nicht.

7

2. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 24. August 2010 VII R 47/09 (BFHE 231, 437, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2010, 334) entschieden hat, waren Rinder im Alter von über 24 Monaten gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE vom 1. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1659) in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 25. Januar 2001 (BGBl I 2001, 164) im Rahmen der Fleischuntersuchung mit einem unionsrechtlich anerkannten Test (Schnelltest) in einem dafür zugelassenen Labor zu untersuchen. Die Anwendung dieser nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften ist im vorliegenden Fall nicht im Streit, so dass insoweit wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen in vorgenanntem Urteil verwiesen werden kann.

8

Die vorgeschriebenen Schnelltests sind "sonstige Untersuchungen" i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 4 der Fleischhygiene-Verordnung (FlHV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1366), deren Durchführung --mit negativem Ergebnis-- Voraussetzung für die Beurteilung des Fleischs als tauglich zum Genuss für Menschen ist (§ 10 des Fleischhygienegesetzes --FlHG-- i.V.m. § 6 Abs. 1 FlHV), ohne die es nicht in Verkehr gebracht werden darf. Ein nicht durchgeführter oder nicht den Vorschriften entsprechender Schnelltest steht daher der Verkehrsfähigkeit des Fleischs entgegen. In einem solchen Fall ist die materielle Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nicht erfüllt.

9

3. Anders als das FG offenbar meint, geht es im Streitfall nicht um von der Klägerin zu erbringende Nachweise, dass es sich nicht um Fleisch aus einem mit einem entsprechenden Ausfuhrverbot belegten Mitgliedstaat handelt, es aus BSE-freien Beständen stammt und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden sind, sondern um den Nachweis eines den maßgebenden Vorschriften entsprechenden Schnelltests, dem das ausgeführte Rindfleisch unterzogen wurde. Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.

10

4. a) Der Nachweis der Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse ist zu verlangen, falls die zuständige Behörde insoweit Zweifel äußert (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35). Zu der Frage, wann solche Zweifel berechtigt sind und die Nachweispflicht auslösen, hat sich der EuGH in jenem Verfahren, in dem es um Rindfleisch ging, das möglicherweise trotz des bestehenden Ausfuhrverbots aus dem Vereinigten Königreich verbracht worden war, nicht erklärt, sondern hat "gewisse Anhaltspunkte", das ausgeführte Rindfleisch "könnte" dem Ausfuhrverbot unterliegen, ausreichen lassen, um dem nationalen Gericht die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu überlassen (Rz 36 des Urteils).

11

Der erkennende Senat hat in einem Parallelverfahren aus jenem EuGH-Urteil die Auffassung hergeleitet, Anhaltspunkte, die das Verlangen eines Nachweises der gesunden und handelsüblichen Qualität rechtfertigten, könnten sich nicht nur aufgrund der Beschaffenheit und anderer objektiver Merkmale der Ausfuhrware, sondern auch aus sonstigen, diese Ware mittelbar betreffenden Erkenntnissen ergeben, und hat in Anbetracht der Verdachtsmomente gegen den Lieferanten des Ausführers die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es bestehe ein erheblicher Verdacht, dass die ausgeführten Erzeugnisse dem Ausfuhrverbot unterlegen hätten, als möglich und rechtlich nicht zu beanstanden angesehen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII R 21/03, BFH/NV 2008, 1219, Rz 20; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 VII B 187/09, BFH/NV 2011, 86, sowie das vorangegangene Urteil des FG Hamburg vom 25. Juni 2009  4 K 85/08, nicht veröffentlicht).

12

b) Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen des FG und den in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des BMVEL an das BMF vom 25. April 2002 nebst Anlagen, dass der Schlachthof ES X in dem Zeitraum, in welchen die streitige Ausfuhr der Klägerin fällt, mit einem Labor zusammengearbeitet hat, das während dieser Zeit durch fehlerhaft durchgeführte BSE-Schnelltests aufgefallen war und gegen das daraufhin auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das FlHG geführt wurden. Weder einer der Beteiligten noch das FG hat die Richtigkeit dieser Erkenntnisse und die Begründetheit der entsprechenden Vorwürfe gegen das betreffende Labor angezweifelt. Da Teile der streitigen Ausfuhrsendung der Klägerin von vorgenanntem Schlachthof bezogen worden waren, liegen somit die Ausfuhrerzeugnisse mittelbar betreffende Erkenntnisse vor, wonach diese nicht dem fleischhygienerechtlich vorgeschriebenen BSE-Schnelltest unterzogen worden sein könnten. Hierbei handelt es sich --anders als die Klägerin offenbar meint-- um eine konkret in Betracht zu ziehende Möglichkeit und nicht lediglich um einen vagen Verdacht oder eine ins Blaue hinein geäußerte Vermutung des HZA, weshalb es gerechtfertigt erscheint, den Nachweis zu verlangen, dass die streitige Ausfuhrsendung Fleisch enthielt, welches einen ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Schnelltest durchlaufen hatte. Die Schwelle für das Erfordernis eines solchen Nachweises hoch anzusetzen, verbietet sich insbesondere angesichts der vom EuGH hervorgehobenen gesteigerten Prüfungspflicht bei unionsrechtlichen Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor schweren Krankheiten und Epidemien (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 33).

13

Der Umstand, dass dieser Nachweis eines ordnungsgemäßen BSE-Schnelltests und damit der gesunden und handelsüblichen Qualität der ausgeführten Erzeugnisse nicht erbracht worden ist, wirkt sich zum Nachteil der Klägerin aus, da sie insoweit die Feststellungslast zu tragen hat (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35).

14

c) Soweit das FG im rechtlichen Ergebnis seines Urteils von einer Beweislastumkehr ausgegangen ist, ist dem nicht zu folgen.

15

Anders als das FG und die Klägerin meinen, kommt dabei dem im Erstattungsverfahren vorgelegten Veterinärzertifikat keine Bedeutung zu, da dieses keine Feststellungen zu der Frage enthält, ob die Ausfuhrerzeugnisse einem BSE-Schnelltest in der vorgeschriebenen Weise unterzogen worden sind, und es somit die bestehenden konkreten Anhaltspunkte, die Erzeugnisse könnten von nicht ordnungsgemäß durchgeführten Tests betroffen sein, nicht ausräumen kann (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1219, Rz 21). Es ist deshalb entgegen der vom FG vertretenen Ansicht nicht gerechtfertigt anzunehmen, über die Vorlage des Veterinärzertifikats hinaus habe die Klägerin keine weiteren Nachweise der gesunden und handelsüblichen Qualität der Erzeugnisse zu erbringen.

16

Es kommt auch nicht auf die Überlegungen des FG an, in welchem Maß ein BSE-Befall des ausgeführten Rindfleischs oder einer der im betreffenden Labor fehlerhaft untersuchten Proben wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Da --wie mit Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334 ausgeführt-- dem Ausführer nicht ein in beliebiger Weise zu erbringender Nachweis obliegt, dass das ausgeführte Rindfleisch aus BSE-freien Beständen stammt, sondern die gesunde und handelsübliche Qualität auszuführenden Rindfleischs einen unionsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Schnelltest (mit negativem Ergebnis) erfordert, stellt sich vielmehr die entscheidende Frage, inwieweit es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass die Ausfuhrerzeugnisse der Klägerin in dem betreffenden Labor fehlerhaft getestet wurden. Dass diese Möglichkeit aber in einer zu vernachlässigenden Weise unwahrscheinlich ist und somit nichts gegen die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse spricht, kann nicht angenommen werden. Sollte den Ausführungen des FG die gegenteilige Auffassung zu entnehmen sein, könnte ihr

--weil nicht fundiert-- nicht gefolgt werden. Eine vom FG angenommene gewisse Wahrscheinlichkeit für die Herkunft des Fleischs von BSE-freien Rindern, kann nach alledem einen fehlenden ordnungsgemäß durchgeführten Schnelltest nicht ersetzen.

17

Zweifellos befindet sich der Ausführer in einer schwierigen Beweislage, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein mit der fleischhygienerechtlichen Probenuntersuchung befasstes Labor, mit dem er keinen unmittelbaren Geschäftskontakt hat, nicht sorgfältig oder fehlerhaft gearbeitet hat. Dies rechtfertigt aber weder eine Beweislastumkehr, da die Beweislage des HZA nicht etwa besser und das Fehlverhalten des Labors auch nicht --wie das FG meint-- seiner Sphäre zuzuordnen ist, noch kommt es in Betracht, das Vorliegen einer fehlenden erstattungsrechtlichen Voraussetzung zu fingieren, weil der Ausführer ihr Fehlen nicht zu vertreten hat (vgl. Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334).

18

Soweit sich im Streitfall nicht einmal sicher feststellen lässt, in welchem Umfang sich aus dem Schlachthof ES X bezogenes Rindfleisch in der streitigen Ausfuhrsendung befand, kann im Übrigen nicht von einer seitens der Klägerin nicht verschuldeten Beweisnot gesprochen werden, denn es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin keine Unterlagen besitzt, aus denen sich der Schlachthof, welcher das von ihr ausgeführte Fleisch jeweils geliefert hat, ermitteln lässt.

Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete am 2. Juli 2001 eine Sendung gefrorenen Rindfleischs zur Ausfuhr nach Russland an, für welche sie die Zahlung von Ausfuhrerstattung beantragte. Nach dem vorgelegten Veterinärzertifikat vom 28. Juni 2001 stammte das Fleisch (u.a.) aus einem Schlachtbetrieb mit der Zulassungsnummer ES X. Nachdem in der Folgezeit das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch ein Schreiben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 25. April 2002 darüber unterrichtet worden war, dass (u.a.) dieser Schlachtbetrieb im Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 von fehlerhaft durchgeführten BSE-Schnelltests in einem bestimmten zugelassenen Labor betroffen war, setzte das BMF die Zahlung von Ausfuhrerstattungen zunächst aus. Im Oktober 2003 bat der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin um Mitteilung der Zeitpunkte der Schlachtungen in dem betroffenen Schlachtbetrieb. Darauf teilte diese im März 2004 mit, ihr lägen hierüber keine Unterlagen vor. In der Folge lehnte das HZA die Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, die ausgeführten Erzeugnisse entsprächen nicht den Bedingungen des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/11). Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

2

Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) das HZA, die beantragte Erstattung zu gewähren. Der Ausführer habe die Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nachzuweisen, falls insoweit Zweifel bestünden. Entsprechende Zweifel habe das HZA geäußert, weil die Klägerin den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende BSE-Schnelltests in einem hierfür zugelassenen Labor nicht habe nachweisen können. Zwar sei davon auszugehen, dass mit dem Ergebnis des Schnelltests der Nachweis der gesunden und handelsüblichen Qualität des Fleischs nur erbracht werden könne, wenn der Test ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe aber durch Vorlage des Veterinärzertifikats den Beweis dafür erbracht, dass das Fleisch von Tieren aus BSE-freien Beständen stamme und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden seien. Die sich aus "dem Spannungsverhältnis zwischen den Zweifeln (...) an der ordnungsgemäßen Durchführung des BSE-Schnelltests einerseits und der von der Klägerin vorgelegten Beweisurkunde (Veterinärzertifikat)" andererseits ergebenden beweisrechtlichen Probleme gingen zu Lasten des HZA. Keine der an dem Ausfuhrverfahren beteiligten Personen, deren Verhalten dem Ausführer zugerechnet werden könne, habe Einfluss darauf, wo und wie der Test durchgeführt werde. Im Nachhinein könne der Ausführer die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse nicht mehr nachweisen. Er sei darauf angewiesen, dass die Proben ordnungsgemäß genommen und in dem zugelassenen Institut nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften untersucht würden. Gäbe es insoweit Unregelmäßigkeiten, werde dem Ausführer die Beweisführung durch ein Verhalten einer staatlichen Stelle, nämlich des Amtsveterinärs, das in der Sphäre des HZA anzusiedeln sei, unmöglich gemacht. Deshalb bestehe im Streitfall keine Verpflichtung der Klägerin, weitere Nachweise für die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse zu erbringen, zumal nichts für einen BSE-Befall spreche und in dem betreffenden Labor keine falschen Bescheinigungen zur Verschleierung der Herkunft des untersuchten Fleischs ausgestellt, sondern lediglich technische Fehler bei der Durchführung der Tests gemacht worden seien. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das aus dem Schlachtbetrieb ES X stammende Fleisch tatsächlich in dem Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 in dem betreffenden Labor getestet worden und die konkreten Tests fehlerhaft gewesen seien.

3

Mit seiner Revision macht das HZA geltend, es lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vor, das aus dem Zulieferbetrieb der Klägerin, dem Schlachthof ES X, stammende Rindfleisch sei in einem bestimmten zugelassenen Labor nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden, und zwar während eines Zeitraums, in dem die streitige Sendung der Klägerin ausgeführt worden sei. Hinsichtlich der nicht zu klärenden Frage, ob und inwieweit diese Ausfuhrsendung von den fehlerhaften Tests betroffen gewesen sei, trage die Klägerin die Feststellungslast. Sie habe jedoch aufgrund mangelhafter Dokumentation der Warenbewegungen nicht einmal darlegen können, in welchem Umfang sich Fleisch aus dem Schlachthof ES X in ihrer Ausfuhrsendung befunden habe.

4

Die Klägerin schließt sich der Auffassung des FG an und meint, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, das Fleisch ihrer Ausfuhrsendung sei nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden. Das HZA sei außerdem an das im Streitfall erteilte Veterinärzertifikat gebunden.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der angefochtene die Ausfuhrerstattung versagende Bescheid ist rechtmäßig (§ 101 Satz 1 FGO).

6

1. Nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der im Streitfall anzuwendenden VO Nr. 800/1999 wird Ausfuhrerstattung nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind. Dieser Anforderung entsprechen die Erzeugnisse nur, wenn sie im Gebiet der Union unter normalen Bedingungen und der im Erstattungsantrag aufgeführten Bezeichnung vermarktet werden können und, falls diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt sind, ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt ist. Es handelt sich hierbei um eine materielle Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union

--EuGH-- vom 1. Dezember 2005 C-309/04 --Fleisch-Winter--, Slg. 2005, I-10349). Das im Streitfall ausgeführte Rindfleisch erfüllte diese materielle Voraussetzung nicht.

7

2. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 24. August 2010 VII R 47/09 (BFHE 231, 437, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2010, 334) entschieden hat, waren Rinder im Alter von über 24 Monaten gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE vom 1. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1659) in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 25. Januar 2001 (BGBl I 2001, 164) im Rahmen der Fleischuntersuchung mit einem unionsrechtlich anerkannten Test (Schnelltest) in einem dafür zugelassenen Labor zu untersuchen. Die Anwendung dieser nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften ist im vorliegenden Fall nicht im Streit, so dass insoweit wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen in vorgenanntem Urteil verwiesen werden kann.

8

Die vorgeschriebenen Schnelltests sind "sonstige Untersuchungen" i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 4 der Fleischhygiene-Verordnung (FlHV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1366), deren Durchführung --mit negativem Ergebnis-- Voraussetzung für die Beurteilung des Fleischs als tauglich zum Genuss für Menschen ist (§ 10 des Fleischhygienegesetzes --FlHG-- i.V.m. § 6 Abs. 1 FlHV), ohne die es nicht in Verkehr gebracht werden darf. Ein nicht durchgeführter oder nicht den Vorschriften entsprechender Schnelltest steht daher der Verkehrsfähigkeit des Fleischs entgegen. In einem solchen Fall ist die materielle Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nicht erfüllt.

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3. Anders als das FG offenbar meint, geht es im Streitfall nicht um von der Klägerin zu erbringende Nachweise, dass es sich nicht um Fleisch aus einem mit einem entsprechenden Ausfuhrverbot belegten Mitgliedstaat handelt, es aus BSE-freien Beständen stammt und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden sind, sondern um den Nachweis eines den maßgebenden Vorschriften entsprechenden Schnelltests, dem das ausgeführte Rindfleisch unterzogen wurde. Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.

10

4. a) Der Nachweis der Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse ist zu verlangen, falls die zuständige Behörde insoweit Zweifel äußert (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35). Zu der Frage, wann solche Zweifel berechtigt sind und die Nachweispflicht auslösen, hat sich der EuGH in jenem Verfahren, in dem es um Rindfleisch ging, das möglicherweise trotz des bestehenden Ausfuhrverbots aus dem Vereinigten Königreich verbracht worden war, nicht erklärt, sondern hat "gewisse Anhaltspunkte", das ausgeführte Rindfleisch "könnte" dem Ausfuhrverbot unterliegen, ausreichen lassen, um dem nationalen Gericht die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu überlassen (Rz 36 des Urteils).

11

Der erkennende Senat hat in einem Parallelverfahren aus jenem EuGH-Urteil die Auffassung hergeleitet, Anhaltspunkte, die das Verlangen eines Nachweises der gesunden und handelsüblichen Qualität rechtfertigten, könnten sich nicht nur aufgrund der Beschaffenheit und anderer objektiver Merkmale der Ausfuhrware, sondern auch aus sonstigen, diese Ware mittelbar betreffenden Erkenntnissen ergeben, und hat in Anbetracht der Verdachtsmomente gegen den Lieferanten des Ausführers die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es bestehe ein erheblicher Verdacht, dass die ausgeführten Erzeugnisse dem Ausfuhrverbot unterlegen hätten, als möglich und rechtlich nicht zu beanstanden angesehen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII R 21/03, BFH/NV 2008, 1219, Rz 20; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 VII B 187/09, BFH/NV 2011, 86, sowie das vorangegangene Urteil des FG Hamburg vom 25. Juni 2009  4 K 85/08, nicht veröffentlicht).

12

b) Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen des FG und den in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des BMVEL an das BMF vom 25. April 2002 nebst Anlagen, dass der Schlachthof ES X in dem Zeitraum, in welchen die streitige Ausfuhr der Klägerin fällt, mit einem Labor zusammengearbeitet hat, das während dieser Zeit durch fehlerhaft durchgeführte BSE-Schnelltests aufgefallen war und gegen das daraufhin auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das FlHG geführt wurden. Weder einer der Beteiligten noch das FG hat die Richtigkeit dieser Erkenntnisse und die Begründetheit der entsprechenden Vorwürfe gegen das betreffende Labor angezweifelt. Da Teile der streitigen Ausfuhrsendung der Klägerin von vorgenanntem Schlachthof bezogen worden waren, liegen somit die Ausfuhrerzeugnisse mittelbar betreffende Erkenntnisse vor, wonach diese nicht dem fleischhygienerechtlich vorgeschriebenen BSE-Schnelltest unterzogen worden sein könnten. Hierbei handelt es sich --anders als die Klägerin offenbar meint-- um eine konkret in Betracht zu ziehende Möglichkeit und nicht lediglich um einen vagen Verdacht oder eine ins Blaue hinein geäußerte Vermutung des HZA, weshalb es gerechtfertigt erscheint, den Nachweis zu verlangen, dass die streitige Ausfuhrsendung Fleisch enthielt, welches einen ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Schnelltest durchlaufen hatte. Die Schwelle für das Erfordernis eines solchen Nachweises hoch anzusetzen, verbietet sich insbesondere angesichts der vom EuGH hervorgehobenen gesteigerten Prüfungspflicht bei unionsrechtlichen Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor schweren Krankheiten und Epidemien (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 33).

13

Der Umstand, dass dieser Nachweis eines ordnungsgemäßen BSE-Schnelltests und damit der gesunden und handelsüblichen Qualität der ausgeführten Erzeugnisse nicht erbracht worden ist, wirkt sich zum Nachteil der Klägerin aus, da sie insoweit die Feststellungslast zu tragen hat (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35).

14

c) Soweit das FG im rechtlichen Ergebnis seines Urteils von einer Beweislastumkehr ausgegangen ist, ist dem nicht zu folgen.

15

Anders als das FG und die Klägerin meinen, kommt dabei dem im Erstattungsverfahren vorgelegten Veterinärzertifikat keine Bedeutung zu, da dieses keine Feststellungen zu der Frage enthält, ob die Ausfuhrerzeugnisse einem BSE-Schnelltest in der vorgeschriebenen Weise unterzogen worden sind, und es somit die bestehenden konkreten Anhaltspunkte, die Erzeugnisse könnten von nicht ordnungsgemäß durchgeführten Tests betroffen sein, nicht ausräumen kann (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1219, Rz 21). Es ist deshalb entgegen der vom FG vertretenen Ansicht nicht gerechtfertigt anzunehmen, über die Vorlage des Veterinärzertifikats hinaus habe die Klägerin keine weiteren Nachweise der gesunden und handelsüblichen Qualität der Erzeugnisse zu erbringen.

16

Es kommt auch nicht auf die Überlegungen des FG an, in welchem Maß ein BSE-Befall des ausgeführten Rindfleischs oder einer der im betreffenden Labor fehlerhaft untersuchten Proben wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Da --wie mit Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334 ausgeführt-- dem Ausführer nicht ein in beliebiger Weise zu erbringender Nachweis obliegt, dass das ausgeführte Rindfleisch aus BSE-freien Beständen stammt, sondern die gesunde und handelsübliche Qualität auszuführenden Rindfleischs einen unionsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Schnelltest (mit negativem Ergebnis) erfordert, stellt sich vielmehr die entscheidende Frage, inwieweit es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass die Ausfuhrerzeugnisse der Klägerin in dem betreffenden Labor fehlerhaft getestet wurden. Dass diese Möglichkeit aber in einer zu vernachlässigenden Weise unwahrscheinlich ist und somit nichts gegen die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse spricht, kann nicht angenommen werden. Sollte den Ausführungen des FG die gegenteilige Auffassung zu entnehmen sein, könnte ihr

--weil nicht fundiert-- nicht gefolgt werden. Eine vom FG angenommene gewisse Wahrscheinlichkeit für die Herkunft des Fleischs von BSE-freien Rindern, kann nach alledem einen fehlenden ordnungsgemäß durchgeführten Schnelltest nicht ersetzen.

17

Zweifellos befindet sich der Ausführer in einer schwierigen Beweislage, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein mit der fleischhygienerechtlichen Probenuntersuchung befasstes Labor, mit dem er keinen unmittelbaren Geschäftskontakt hat, nicht sorgfältig oder fehlerhaft gearbeitet hat. Dies rechtfertigt aber weder eine Beweislastumkehr, da die Beweislage des HZA nicht etwa besser und das Fehlverhalten des Labors auch nicht --wie das FG meint-- seiner Sphäre zuzuordnen ist, noch kommt es in Betracht, das Vorliegen einer fehlenden erstattungsrechtlichen Voraussetzung zu fingieren, weil der Ausführer ihr Fehlen nicht zu vertreten hat (vgl. Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334).

18

Soweit sich im Streitfall nicht einmal sicher feststellen lässt, in welchem Umfang sich aus dem Schlachthof ES X bezogenes Rindfleisch in der streitigen Ausfuhrsendung befand, kann im Übrigen nicht von einer seitens der Klägerin nicht verschuldeten Beweisnot gesprochen werden, denn es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin keine Unterlagen besitzt, aus denen sich der Schlachthof, welcher das von ihr ausgeführte Fleisch jeweils geliefert hat, ermitteln lässt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete am 2. Juli 2001 eine Sendung gefrorenen Rindfleischs zur Ausfuhr nach Russland an, für welche sie die Zahlung von Ausfuhrerstattung beantragte. Nach dem vorgelegten Veterinärzertifikat vom 28. Juni 2001 stammte das Fleisch (u.a.) aus einem Schlachtbetrieb mit der Zulassungsnummer ES X. Nachdem in der Folgezeit das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch ein Schreiben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 25. April 2002 darüber unterrichtet worden war, dass (u.a.) dieser Schlachtbetrieb im Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 von fehlerhaft durchgeführten BSE-Schnelltests in einem bestimmten zugelassenen Labor betroffen war, setzte das BMF die Zahlung von Ausfuhrerstattungen zunächst aus. Im Oktober 2003 bat der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin um Mitteilung der Zeitpunkte der Schlachtungen in dem betroffenen Schlachtbetrieb. Darauf teilte diese im März 2004 mit, ihr lägen hierüber keine Unterlagen vor. In der Folge lehnte das HZA die Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, die ausgeführten Erzeugnisse entsprächen nicht den Bedingungen des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/11). Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

2

Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht (FG) das HZA, die beantragte Erstattung zu gewähren. Der Ausführer habe die Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nachzuweisen, falls insoweit Zweifel bestünden. Entsprechende Zweifel habe das HZA geäußert, weil die Klägerin den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechende BSE-Schnelltests in einem hierfür zugelassenen Labor nicht habe nachweisen können. Zwar sei davon auszugehen, dass mit dem Ergebnis des Schnelltests der Nachweis der gesunden und handelsüblichen Qualität des Fleischs nur erbracht werden könne, wenn der Test ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Klägerin habe aber durch Vorlage des Veterinärzertifikats den Beweis dafür erbracht, dass das Fleisch von Tieren aus BSE-freien Beständen stamme und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden seien. Die sich aus "dem Spannungsverhältnis zwischen den Zweifeln (...) an der ordnungsgemäßen Durchführung des BSE-Schnelltests einerseits und der von der Klägerin vorgelegten Beweisurkunde (Veterinärzertifikat)" andererseits ergebenden beweisrechtlichen Probleme gingen zu Lasten des HZA. Keine der an dem Ausfuhrverfahren beteiligten Personen, deren Verhalten dem Ausführer zugerechnet werden könne, habe Einfluss darauf, wo und wie der Test durchgeführt werde. Im Nachhinein könne der Ausführer die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse nicht mehr nachweisen. Er sei darauf angewiesen, dass die Proben ordnungsgemäß genommen und in dem zugelassenen Institut nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften untersucht würden. Gäbe es insoweit Unregelmäßigkeiten, werde dem Ausführer die Beweisführung durch ein Verhalten einer staatlichen Stelle, nämlich des Amtsveterinärs, das in der Sphäre des HZA anzusiedeln sei, unmöglich gemacht. Deshalb bestehe im Streitfall keine Verpflichtung der Klägerin, weitere Nachweise für die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse zu erbringen, zumal nichts für einen BSE-Befall spreche und in dem betreffenden Labor keine falschen Bescheinigungen zur Verschleierung der Herkunft des untersuchten Fleischs ausgestellt, sondern lediglich technische Fehler bei der Durchführung der Tests gemacht worden seien. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das aus dem Schlachtbetrieb ES X stammende Fleisch tatsächlich in dem Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 in dem betreffenden Labor getestet worden und die konkreten Tests fehlerhaft gewesen seien.

3

Mit seiner Revision macht das HZA geltend, es lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vor, das aus dem Zulieferbetrieb der Klägerin, dem Schlachthof ES X, stammende Rindfleisch sei in einem bestimmten zugelassenen Labor nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden, und zwar während eines Zeitraums, in dem die streitige Sendung der Klägerin ausgeführt worden sei. Hinsichtlich der nicht zu klärenden Frage, ob und inwieweit diese Ausfuhrsendung von den fehlerhaften Tests betroffen gewesen sei, trage die Klägerin die Feststellungslast. Sie habe jedoch aufgrund mangelhafter Dokumentation der Warenbewegungen nicht einmal darlegen können, in welchem Umfang sich Fleisch aus dem Schlachthof ES X in ihrer Ausfuhrsendung befunden habe.

4

Die Klägerin schließt sich der Auffassung des FG an und meint, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, das Fleisch ihrer Ausfuhrsendung sei nicht ordnungsgemäß auf BSE getestet worden. Das HZA sei außerdem an das im Streitfall erteilte Veterinärzertifikat gebunden.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Revision des HZA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der angefochtene die Ausfuhrerstattung versagende Bescheid ist rechtmäßig (§ 101 Satz 1 FGO).

6

1. Nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der im Streitfall anzuwendenden VO Nr. 800/1999 wird Ausfuhrerstattung nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind. Dieser Anforderung entsprechen die Erzeugnisse nur, wenn sie im Gebiet der Union unter normalen Bedingungen und der im Erstattungsantrag aufgeführten Bezeichnung vermarktet werden können und, falls diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt sind, ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt ist. Es handelt sich hierbei um eine materielle Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union

--EuGH-- vom 1. Dezember 2005 C-309/04 --Fleisch-Winter--, Slg. 2005, I-10349). Das im Streitfall ausgeführte Rindfleisch erfüllte diese materielle Voraussetzung nicht.

7

2. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 24. August 2010 VII R 47/09 (BFHE 231, 437, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2010, 334) entschieden hat, waren Rinder im Alter von über 24 Monaten gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE vom 1. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1659) in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 25. Januar 2001 (BGBl I 2001, 164) im Rahmen der Fleischuntersuchung mit einem unionsrechtlich anerkannten Test (Schnelltest) in einem dafür zugelassenen Labor zu untersuchen. Die Anwendung dieser nationalen und unionsrechtlichen Vorschriften ist im vorliegenden Fall nicht im Streit, so dass insoweit wegen der Einzelheiten auf die Ausführungen in vorgenanntem Urteil verwiesen werden kann.

8

Die vorgeschriebenen Schnelltests sind "sonstige Untersuchungen" i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 4 der Fleischhygiene-Verordnung (FlHV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2001 (BGBl I 2001, 1366), deren Durchführung --mit negativem Ergebnis-- Voraussetzung für die Beurteilung des Fleischs als tauglich zum Genuss für Menschen ist (§ 10 des Fleischhygienegesetzes --FlHG-- i.V.m. § 6 Abs. 1 FlHV), ohne die es nicht in Verkehr gebracht werden darf. Ein nicht durchgeführter oder nicht den Vorschriften entsprechender Schnelltest steht daher der Verkehrsfähigkeit des Fleischs entgegen. In einem solchen Fall ist die materielle Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nicht erfüllt.

9

3. Anders als das FG offenbar meint, geht es im Streitfall nicht um von der Klägerin zu erbringende Nachweise, dass es sich nicht um Fleisch aus einem mit einem entsprechenden Ausfuhrverbot belegten Mitgliedstaat handelt, es aus BSE-freien Beständen stammt und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden sind, sondern um den Nachweis eines den maßgebenden Vorschriften entsprechenden Schnelltests, dem das ausgeführte Rindfleisch unterzogen wurde. Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.

10

4. a) Der Nachweis der Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse ist zu verlangen, falls die zuständige Behörde insoweit Zweifel äußert (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35). Zu der Frage, wann solche Zweifel berechtigt sind und die Nachweispflicht auslösen, hat sich der EuGH in jenem Verfahren, in dem es um Rindfleisch ging, das möglicherweise trotz des bestehenden Ausfuhrverbots aus dem Vereinigten Königreich verbracht worden war, nicht erklärt, sondern hat "gewisse Anhaltspunkte", das ausgeführte Rindfleisch "könnte" dem Ausfuhrverbot unterliegen, ausreichen lassen, um dem nationalen Gericht die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu überlassen (Rz 36 des Urteils).

11

Der erkennende Senat hat in einem Parallelverfahren aus jenem EuGH-Urteil die Auffassung hergeleitet, Anhaltspunkte, die das Verlangen eines Nachweises der gesunden und handelsüblichen Qualität rechtfertigten, könnten sich nicht nur aufgrund der Beschaffenheit und anderer objektiver Merkmale der Ausfuhrware, sondern auch aus sonstigen, diese Ware mittelbar betreffenden Erkenntnissen ergeben, und hat in Anbetracht der Verdachtsmomente gegen den Lieferanten des Ausführers die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es bestehe ein erheblicher Verdacht, dass die ausgeführten Erzeugnisse dem Ausfuhrverbot unterlegen hätten, als möglich und rechtlich nicht zu beanstanden angesehen (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 VII R 21/03, BFH/NV 2008, 1219, Rz 20; vgl. auch Senatsbeschluss vom 30. Juli 2010 VII B 187/09, BFH/NV 2011, 86, sowie das vorangegangene Urteil des FG Hamburg vom 25. Juni 2009  4 K 85/08, nicht veröffentlicht).

12

b) Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen des FG und den in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des BMVEL an das BMF vom 25. April 2002 nebst Anlagen, dass der Schlachthof ES X in dem Zeitraum, in welchen die streitige Ausfuhr der Klägerin fällt, mit einem Labor zusammengearbeitet hat, das während dieser Zeit durch fehlerhaft durchgeführte BSE-Schnelltests aufgefallen war und gegen das daraufhin auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das FlHG geführt wurden. Weder einer der Beteiligten noch das FG hat die Richtigkeit dieser Erkenntnisse und die Begründetheit der entsprechenden Vorwürfe gegen das betreffende Labor angezweifelt. Da Teile der streitigen Ausfuhrsendung der Klägerin von vorgenanntem Schlachthof bezogen worden waren, liegen somit die Ausfuhrerzeugnisse mittelbar betreffende Erkenntnisse vor, wonach diese nicht dem fleischhygienerechtlich vorgeschriebenen BSE-Schnelltest unterzogen worden sein könnten. Hierbei handelt es sich --anders als die Klägerin offenbar meint-- um eine konkret in Betracht zu ziehende Möglichkeit und nicht lediglich um einen vagen Verdacht oder eine ins Blaue hinein geäußerte Vermutung des HZA, weshalb es gerechtfertigt erscheint, den Nachweis zu verlangen, dass die streitige Ausfuhrsendung Fleisch enthielt, welches einen ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Schnelltest durchlaufen hatte. Die Schwelle für das Erfordernis eines solchen Nachweises hoch anzusetzen, verbietet sich insbesondere angesichts der vom EuGH hervorgehobenen gesteigerten Prüfungspflicht bei unionsrechtlichen Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor schweren Krankheiten und Epidemien (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 33).

13

Der Umstand, dass dieser Nachweis eines ordnungsgemäßen BSE-Schnelltests und damit der gesunden und handelsüblichen Qualität der ausgeführten Erzeugnisse nicht erbracht worden ist, wirkt sich zum Nachteil der Klägerin aus, da sie insoweit die Feststellungslast zu tragen hat (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35).

14

c) Soweit das FG im rechtlichen Ergebnis seines Urteils von einer Beweislastumkehr ausgegangen ist, ist dem nicht zu folgen.

15

Anders als das FG und die Klägerin meinen, kommt dabei dem im Erstattungsverfahren vorgelegten Veterinärzertifikat keine Bedeutung zu, da dieses keine Feststellungen zu der Frage enthält, ob die Ausfuhrerzeugnisse einem BSE-Schnelltest in der vorgeschriebenen Weise unterzogen worden sind, und es somit die bestehenden konkreten Anhaltspunkte, die Erzeugnisse könnten von nicht ordnungsgemäß durchgeführten Tests betroffen sein, nicht ausräumen kann (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 1219, Rz 21). Es ist deshalb entgegen der vom FG vertretenen Ansicht nicht gerechtfertigt anzunehmen, über die Vorlage des Veterinärzertifikats hinaus habe die Klägerin keine weiteren Nachweise der gesunden und handelsüblichen Qualität der Erzeugnisse zu erbringen.

16

Es kommt auch nicht auf die Überlegungen des FG an, in welchem Maß ein BSE-Befall des ausgeführten Rindfleischs oder einer der im betreffenden Labor fehlerhaft untersuchten Proben wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist. Da --wie mit Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334 ausgeführt-- dem Ausführer nicht ein in beliebiger Weise zu erbringender Nachweis obliegt, dass das ausgeführte Rindfleisch aus BSE-freien Beständen stammt, sondern die gesunde und handelsübliche Qualität auszuführenden Rindfleischs einen unionsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Schnelltest (mit negativem Ergebnis) erfordert, stellt sich vielmehr die entscheidende Frage, inwieweit es wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, dass die Ausfuhrerzeugnisse der Klägerin in dem betreffenden Labor fehlerhaft getestet wurden. Dass diese Möglichkeit aber in einer zu vernachlässigenden Weise unwahrscheinlich ist und somit nichts gegen die gesunde und handelsübliche Qualität der Erzeugnisse spricht, kann nicht angenommen werden. Sollte den Ausführungen des FG die gegenteilige Auffassung zu entnehmen sein, könnte ihr

--weil nicht fundiert-- nicht gefolgt werden. Eine vom FG angenommene gewisse Wahrscheinlichkeit für die Herkunft des Fleischs von BSE-freien Rindern, kann nach alledem einen fehlenden ordnungsgemäß durchgeführten Schnelltest nicht ersetzen.

17

Zweifellos befindet sich der Ausführer in einer schwierigen Beweislage, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ein mit der fleischhygienerechtlichen Probenuntersuchung befasstes Labor, mit dem er keinen unmittelbaren Geschäftskontakt hat, nicht sorgfältig oder fehlerhaft gearbeitet hat. Dies rechtfertigt aber weder eine Beweislastumkehr, da die Beweislage des HZA nicht etwa besser und das Fehlverhalten des Labors auch nicht --wie das FG meint-- seiner Sphäre zuzuordnen ist, noch kommt es in Betracht, das Vorliegen einer fehlenden erstattungsrechtlichen Voraussetzung zu fingieren, weil der Ausführer ihr Fehlen nicht zu vertreten hat (vgl. Senatsurteil in BFHE 231, 437, ZfZ 2010, 334).

18

Soweit sich im Streitfall nicht einmal sicher feststellen lässt, in welchem Umfang sich aus dem Schlachthof ES X bezogenes Rindfleisch in der streitigen Ausfuhrsendung befand, kann im Übrigen nicht von einer seitens der Klägerin nicht verschuldeten Beweisnot gesprochen werden, denn es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin keine Unterlagen besitzt, aus denen sich der Schlachthof, welcher das von ihr ausgeführte Fleisch jeweils geliefert hat, ermitteln lässt.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

(1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren

1.
in 30 Jahren, wenn der Mangel
a)
in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder
b)
in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist,
besteht,
2.
in fünf Jahren
a)
bei einem Bauwerk und
b)
bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und
3.
im Übrigen in zwei Jahren.

(2) Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache.

(3) Abweichend von Absatz 1 Nr. 2 und 3 und Absatz 2 verjähren die Ansprüche in der regelmäßigen Verjährungsfrist, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 tritt die Verjährung jedoch nicht vor Ablauf der dort bestimmten Frist ein.

(4) Für das in § 437 bezeichnete Rücktrittsrecht gilt § 218. Der Käufer kann trotz einer Unwirksamkeit des Rücktritts nach § 218 Abs. 1 die Zahlung des Kaufpreises insoweit verweigern, als er auf Grund des Rücktritts dazu berechtigt sein würde. Macht er von diesem Recht Gebrauch, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten.

(5) Auf das in § 437 bezeichnete Minderungsrecht finden § 218 und Absatz 4 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

Hat der Ersatzpflichtige durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet. Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

(1) Statt zurückzutreten, kann der Besteller die Vergütung durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer mindern. Der Ausschlussgrund des § 323 Abs. 5 Satz 2 findet keine Anwendung.

(2) Sind auf der Seite des Bestellers oder auf der Seite des Unternehmers mehrere beteiligt, so kann die Minderung nur von allen oder gegen alle erklärt werden.

(3) Bei der Minderung ist die Vergütung in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Die Minderung ist, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln.

(4) Hat der Besteller mehr als die geminderte Vergütung gezahlt, so ist der Mehrbetrag vom Unternehmer zu erstatten. § 346 Abs. 1 und § 347 Abs. 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

(1) Die Verjährung kann bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden.

(2) Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten soll die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden. Wird der Klageantrag erweitert, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden; dies gilt auch in der Rechtsmittelinstanz. Die Anmeldung zum Musterverfahren (§ 10 Absatz 2 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes) soll erst nach Zahlung der Gebühr nach Nummer 1902 des Kostenverzeichnisses zugestellt werden.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
für die Widerklage,
2.
für europäische Verfahren für geringfügige Forderungen,
3.
für Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers, soweit nach § 39 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte ausschließlich zuständig sind, und
4.
für die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 der Zivilprozessordnung.

(3) Der Mahnbescheid soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr erlassen werden. Wird der Mahnbescheid maschinell erstellt, gilt Satz 1 erst für den Erlass des Vollstreckungsbescheids. Im Mahnverfahren soll auf Antrag des Antragstellers nach Erhebung des Widerspruchs die Sache an das für das streitige Verfahren als zuständig bezeichnete Gericht erst abgegeben werden, wenn die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen gezahlt ist; dies gilt entsprechend für das Verfahren nach Erlass eines Vollstreckungsbescheids unter Vorbehalt der Ausführung der Rechte des Beklagten. Satz 3 gilt auch für die nach dem Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen zu zahlende Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen.

(4) Absatz 3 Satz 1 gilt im Europäischen Mahnverfahren entsprechend. Wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen ohne Anwendung der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 fortgeführt, soll vor Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen keine gerichtliche Handlung vorgenommen werden.

(5) Über den Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung soll erst nach Zahlung der dafür vorgesehenen Gebühr entschieden werden.

(6) Über Anträge auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733 der Zivilprozessordnung) und über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 829 Absatz 1, §§ 835, 839, 846 bis 848, 857, 858, 886 bis 888 oder § 890 der Zivilprozessordnung soll erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren und der Auslagen für die Zustellung entschieden werden. Dies gilt nicht bei elektronischen Anträgen auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung gemäß § 829a der Zivilprozessordnung.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.

(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

Wer nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Wer in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.