Oberlandesgericht Köln Urteil, 14. Dez. 2018 - 19 U 27/18

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2018:1214.19U27.18.00
14.12.2018

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23.01.2018 - 7 O 202/17 - aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Erklärung aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.05.2017 zum Bauvorhaben „Umgestaltung Sstraße“ rechtlich eine freie Kündigung des Bauvertrages vom 19.04./21.04.2017 darstellt.

Hinsichtlich der Klageanträge zu 1), 2) und 4) ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Höhe der Klageanträge zu 1), 2) und 4) sowie der Kosten des Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

Zivilprozessordnung - ZPO | § 156 Wiedereröffnung der Verhandlung


(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen. (2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn 1. das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295),

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund


(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296 Zurückweisung verspäteten Vorbringens


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebrac

Zivilprozessordnung - ZPO | § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung


Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 304 Zwischenurteil über den Grund


(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden. (2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt is

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 649 Kostenanschlag


(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar i

Zivilprozessordnung - ZPO | § 530 Verspätet vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel


Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 74 Wirkung der Streitverkündung


(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention. (2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rüc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 521 Zustellung der Berufungsschrift und -begründung


(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen. (2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 648 Kündigungsrecht des Bestellers


Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufh

Deponieverordnung - DepV 2009 | § 8 Annahmeverfahren


(1) Der Abfallerzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, hat dem Deponiebetreiber rechtzeitig vor der ersten Anlieferung die grundlegende Charakterisierung des Abfalls mit mindestens folgenden Angaben vorzulegen:1.Abfallherkunft (Abfallerzeuger o

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(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Der Abfallerzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, hat dem Deponiebetreiber rechtzeitig vor der ersten Anlieferung die grundlegende Charakterisierung des Abfalls mit mindestens folgenden Angaben vorzulegen:

1.
Abfallherkunft (Abfallerzeuger oder Einsammlungsgebiet),
2.
Abfallbeschreibung (betriebsinterne Abfallbezeichnung, Abfallschlüssel und Abfallbezeichnung nach der Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung),
2a.
Ergebnis der Prüfung der Verwertbarkeit und Verwertungsmöglichkeiten,
3.
Art der Vorbehandlung, soweit durchgeführt,
4.
Aussehen, Konsistenz, Geruch und Farbe,
5.
Masse des Abfalls als Gesamtmenge oder Menge pro Zeiteinheit,
6.
Probenahmeprotokoll nach Anhang 4 Nummer 2,
7.
Protokoll über die Probenvorbereitung nach Anhang 4 Nummer 3.1.1,
8.
zugehörige Analysenberichte über die Einhaltung der Zuordnungskriterien nach Anhang 3 Nummer 2 für die jeweilige Deponie, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 2,
9.
bei gefährlichen Abfällen zusätzlich Angaben über den Gesamtgehalt ablagerungsrelevanter Inhaltsstoffe im Feststoff, soweit dies für eine Beurteilung der Ablagerbarkeit erforderlich ist,
10.
bei gefährlichen Abfällen im Fall von Spiegeleinträgen zusätzlich die relevanten gefährlichen Eigenschaften,
11.
bei Abfällen nach Anhang V Teil 2 der Verordnung (EU) 2019/1021 in der jeweils geltenden Fassung, bei denen die Konzentrationsgrenzen der in Anhang IV derselben Verordnung aufgelisteten Stoffe überschritten sind und die auf einer Deponie der Klasse IV abgelagert werden sollen, ein von der zuständigen Behörde genehmigter Nachweis nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) 2019/1021,
12.
Vorschlag für die Schlüsselparameter und deren Untersuchungshäufigkeit.
Soweit nach § 50 oder § 51 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit Teil 2 der Nachweisverordnung Entsorgungsnachweise oder Sammelentsorgungsnachweise zu führen sind, können die nach Satz 1 Nummer 1 bis 5 vorzulegenden Angaben durch die verantwortliche Erklärung nach der Nachweisverordnung ersetzt werden. Soweit im Fall von Satz 2 Deklarationsanalysen vorzulegen sind, sind die Analysenberichte nach Satz 1 Nummer 8 nur für die darüber hinaus erforderlichen Zuordnungskriterien gesondert vorzulegen. Zum 16. Juli 2009 vorliegende grundlegende Charakterisierungen und festgelegte Schlüsselparameter gelten bis zum Ende einer eventuellen Befristung fort. Der Deponiebetreiber hat vor der ersten Annahme eines Abfalls, ausgenommen Abfälle nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2, die Schlüsselparameter für die Kontrolluntersuchungen festzulegen. Führen Änderungen im abfallerzeugenden Prozess zu relevanten Änderungen des Auslaugverhaltens oder der Zusammensetzung des Abfalls, hat der Erzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, dem Deponiebetreiber erneut die nach Satz 1 erforderlichen Angaben vorzulegen. Der Deponiebetreiber hat in diesem Fall die Schlüsselparameter für die Kontrolluntersuchungen erneut festzulegen. Die Beprobung sowie die Abfalluntersuchungen für die Angaben nach den Sätzen 1, 3 und 6 sind nach Maßgabe des Anhangs 4 durchzuführen.

(2) Abfalluntersuchungen für die grundlegende Charakterisierung nach Absatz 1 sind nicht erforderlich

1.
bei asbesthaltigen Abfällen,
2.
bei Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, bei Abfällen nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2 sowie
3.
bei Abfällen, über die alle notwendigen Informationen zum Auslaugverhalten und zur Zusammensetzung bekannt und gegenüber der für die Deponie zuständigen Behörde nachgewiesen sind.
Bei geringen Mengen kann auch bei anderen Abfällen, soweit Art und Herkunft bekannt sind, mit Zustimmung der für die Deponie zuständigen Behörde auf die Abfalluntersuchungen nach Satz 1 verzichtet werden. Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt bei asbesthaltigen Abfällen und bei Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, nur, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Abfälle andere schädliche Verunreinigungen enthalten.

(3) Der Abfallerzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, hat die Abfälle, die abgelagert werden sollen, stichprobenhaft je angefangene 1 000 Megagramm, mindestens aber jährlich, zu beproben und die Schlüsselparameter auf Einhaltung der Zuordnungskriterien des Anhangs 3 Nummer 2 für die jeweilige Deponie zu überprüfen. Bei Abfällen, die nicht regelmäßig anfallen, ist eine Untersuchung nach Satz 1 nicht erforderlich, wenn die gesamte zu deponierende Abfallmenge im Rahmen der grundlegenden Charakterisierung nach Anhang 4 beprobt und untersucht worden ist. Bei spezifischen Massenabfällen oder bei Abfällen, die eine Zustimmung der zuständigen Behörde nach § 6 Absatz 6 erfordern, kann die Häufigkeit der Beprobungen mit Zustimmung der für die Deponie zuständigen Behörde auf einmal alle drei Monate reduziert werden. Für die Probenahme gilt Anhang 4 Nummer 1 und 2. Die Probenvorbereitung ist nach Anhang 4 Nummer 3.1.1 durchzuführen. Die Überprüfung der Einhaltung der Zuordnungskriterien ist nach Anhang 3 Nummer 2, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung der Voraussetzungen von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung der Voraussetzungen von § 6 Absatz 2 durchzuführen und zu protokollieren. Bei Anlieferung des Abfalls sind dem Deponiebetreiber die Protokolle nach Satz 6 oder eine Erklärung der akkreditierten Untersuchungsstelle nach Anhang 4 Nummer 1 vorzulegen, dass sich Auslaugverhalten und Zusammensetzung des Abfalls gegenüber der grundlegenden Charakterisierung nicht geändert haben.

(4) Der Deponiebetreiber hat bei jeder Abfallanlieferung unverzüglich eine Annahmekontrolle durchzuführen, die mindestens umfasst:

1.
Prüfung, ob für den Abfall die grundlegende Charakterisierung vorliegt,
2.
Feststellung der Masse, Kontrolle des Abfallschlüssels und der Abfallbezeichnung gemäß Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung,
3.
Kontrolle der Unterlagen nach Absatz 3 Satz 6 auf Übereinstimmung mit den Angaben der grundlegenden Charakterisierung,
4.
Sichtkontrolle vor und nach dem Abladen,
5.
Kontrolle auf Aussehen, Konsistenz, Farbe und Geruch.
Soweit nach § 49 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit Teil 3 der Nachweisverordnung Register zu führen sind, können die nach Satz 1 Nummer 2 zu kontrollierenden Maßgaben durch die Angaben im Register nach der Nachweisverordnung ersetzt werden.

(5) Der Deponiebetreiber hat bei einem Abfall, der erstmalig nach Absatz 1 Satz 1 oder erneut nach Absatz 1 Satz 6 charakterisiert worden ist, bei einer Anlieferungsmenge von mehr als

1.
50 Megagramm bei gefährlichen Abfällen oder
2.
500 Megagramm bei nicht gefährlichen Abfällen und Inertabfällen
von den ersten 50 beziehungsweise 500 Megagramm eine Kontrolluntersuchung auf Einhaltung der Zuordnungskriterien durchzuführen. In begründeten Einzelfällen ist eine Kontrolluntersuchung auf die Schlüsselparameter ausreichend. Die zuständige Behörde kann im Einzelfall eine höhere Anzahl von Kontrolluntersuchungen festlegen. Der Deponiebetreiber hat eine Kontrolluntersuchung auf Einhaltung der Zuordnungskriterien durchzuführen, wenn sich bei der Annahmekontrolle nach Absatz 4 Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Anforderungen an die Beschaffenheit der Abfälle für die vorgesehene Ablagerung nicht erfüllt sind oder wenn Unstimmigkeiten zwischen Begleitpapieren und angeliefertem Abfall bestehen. Im Übrigen hat der Deponiebetreiber bei nicht gefährlichen Abfällen von mehr als 500 Megagramm stichprobenartig eine Kontrolluntersuchung der Schlüsselparameter je angefangene 5 000 Megagramm desselben jeweils grundlegend charakterisierten und des nachfolgend angelieferten Abfalls, mindestens aber eine Kontrolluntersuchung jährlich durchzuführen. Bei gefährlichen Abfällen von mehr als 50 Megagramm hat er stichprobenartig eine Kontrolluntersuchung der Schlüsselparameter je angefangene 2 500 Megagramm desselben jeweils grundlegend charakterisierten und des nachfolgend angelieferten Abfalls, mindestens aber eine Kontrolluntersuchung jährlich durchzuführen. Bei spezifischen Massenabfällen und Abfällen nach § 6 Absatz 6 kann die Anzahl der Kontrolluntersuchungen abweichend von den Sätzen 5 und 6 mit Zustimmung der zuständigen Behörde auf eine Untersuchung jährlich reduziert werden. Die Kontrolluntersuchungen sind nach Maßgabe des Anhangs 4 Nummer 3, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 2 durchzuführen und nach Anhang 4 Nummer 4 zu bewerten. Bei asbesthaltigen Abfällen und Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, kann auf eine Kontrolluntersuchung verzichtet werden. In diesem Fall ist vom Abfallerzeuger eine Erklärung abzugeben, dass der angelieferte Abfall dem grundlegend charakterisierten Abfall entspricht und eine Überschreitung der Zuordnungskriterien der jeweiligen Deponieklasse nicht zu erwarten ist.

(6) Wird eine Deponie am Standort eines Unternehmens direkt und ausschließlich mit Abfällen dieses Unternehmens beschickt, kann die zuständige Behörde auf Antrag des Deponiebetreibers Abweichungen von den Absätzen 4 und 5 zulassen.

(7) Wird nach Maßgabe des Absatzes 5 eine Kontrolluntersuchung durchgeführt, hat der Deponiebetreiber bei der Abfallanlieferung von dem angelieferten Abfall eine Rückstellprobe zu nehmen und mindestens einen Monat aufzubewahren.

(8) Abweichend von den Absätzen 1, 3 und 5 sind bei den in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Inertabfällen Untersuchungen für die grundlegende Charakterisierung sowie Kontrolluntersuchungen nicht erforderlich, wenn

1.
der Abfall von nur einer Anfallstelle stammt,
2.
keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Zuordnungskriterien des Anhangs 3 für die Deponieklasse 0 überschritten werden,
3.
keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Abfall durch Schadstoffe, für die in Anhang 3 keine Zuordnungskriterien festgelegt sind, so verunreinigt ist, dass das Wohl der Allgemeinheit bei einer Ablagerung beeinträchtigt wird, und
4.
der Abfall nicht mehr als 5 Volumenprozent an mineralischen oder inerten Fremdstoffen enthält.
Abfallschlüssel
gemäß
Anlage zur
Abfallverzeichnis-
Verordnung
BeschreibungEinschränkungen
10 11 03GlasfaserabfallNur ohne organische Bindemittel
15 01 07Verpackungen aus Glas
17 01 01BetonNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 02ZiegelNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 03Fliesen, Ziegel und KeramikNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 07Gemische aus Beton, Ziegeln, Fliesen und KeramikNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 02 02Glas
17 05 04Boden und SteineAusgenommen Oberboden und Torf sowie Boden und Steine aus Flächen mit schädlichen Bodenveränderungen im Sinne von § 2 Absatz 3 des Bundes-Bodenschutzgesetzes
19 12 05Glas
20 01 02GlasNur getrennt gesammeltes Glas
20 02 02Boden und SteineNur Abfälle aus Gärten und Parkanlagen; ausgenommen Oberboden und Torf

(8a) Überprüfungen nach Absatz 3 und Kontrollen nach Absatz 5, ausgenommen diejenigen nach Satz 4, sind für Abfälle nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2 nicht erforderlich. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 8 und Nummer 12 sowie von Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 ist für diese Abfälle die Einhaltung der Materialwerte der Anlage 1 der Ersatzbaustoffverordnung und gegebenenfalls die Klasse des mineralischen Ersatzbaustoffs jeweils durch die Dokumentation nach § 12 Absatz 1 Satz 1 der Ersatzbaustoffverordnung nachzuweisen. Für nicht aufbereitetes Bodenmaterial und nicht aufbereitetes Baggergut ist die Einhaltung der Materialwerte der Anlage 1 der Ersatzbaustoffverordnung und die Klasse des Bodenmaterials oder des Baggerguts durch die Dokumente nach § 17 der Ersatzbaustoffverordnung nachzuweisen.

(9) Der Deponiebetreiber hat für jede Abfallanlieferung eine Eingangsbestätigung unter Angabe der festgestellten Masse und des sechsstelligen Abfallschlüssels gemäß der Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung auszustellen. Wird die Übergabe der Abfälle mittels Begleitschein oder Übernahmeschein nach der Nachweisverordnung bestätigt, so ersetzen diese Nachweise die Eingangsbestätigung nach Satz 1. Bei Deponien der Klasse 0 und bei Monodeponien kann die zuständige Behörde auf Antrag des Betreibers davon abweichende Regelungen treffen.

(10) Der Deponiebetreiber hat die zuständige Behörde unverzüglich über angelieferte, zur Ablagerung auf der Deponie nicht zugelassene Abfälle zu informieren.

(11) Für die Annahme von Abfällen in Anlagen, in denen diese Abfälle durch Vermischung oder Behandlung zu den in § 6 Absatz 1 Satz 5 und Absatz 2 genannten Abfällen aufbereitet werden, bevor sie auf einer Deponie abgelagert werden, gelten die Absätze 1, 3, 4 und 5 entsprechend. Darüber hinaus hat der Zweiterzeuger den aufbereiteten Abfall oder Deponieersatzbaustoff gegenüber dem Deponiebetreiber grundlegend zu charakterisieren und diesem zusätzlich folgende Angaben vorzulegen:

1.
Abfallschlüssel und Abfallbezeichnung nach § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung der Abfälle, die in dem aufbereiteten Abfall enthalten sind,
2.
Erklärung, dass die Abfälle, die in dem aufbereiteten Abfall enthalten sind, die Zuordnungskriterien vor dem Vermischen oder der Behandlung eingehalten haben.
Die Erklärung nach Satz 2 Nummer 2 entfällt, wenn die Einhaltung der Zuordnungskriterien mit dem Verfahren nach § 6 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 nachgewiesen wird.

(1) Ist ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, so kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden.

(2) Das Urteil ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch, wenn der Anspruch für begründet erklärt ist, auf Antrag anordnen, dass über den Betrag zu verhandeln sei.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 104/03 Verkündet am:
19. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 264 Nr. 2 und 3; 529 Abs. 1 Nr. 1; 531 Abs. 2 Satz 1; 533

a) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung außer den von dem erstinstanzlichen
Gericht als wahr oder unwahr festgestellten Tatsachen solche Tatsachen zugrunde zu legen, die auch
das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, weil
sie offenkundig oder gerichtsbekannt, ausdrücklich zugestanden oder unstreitig waren, oder weil sie sich
aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben.

b) Konkrete Anhaltpunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen
Gerichts begründen, können sich auch aus neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ergeben
, wenn diese in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen sind (Ergänzung zu Senat, Urt. v. 12. März
2004, V ZR 257/03).

c) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d.h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes
Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten, die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts
aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem erstinstanzlichen Gericht jedoch erkennbar
übersehen oder für unerheblich gehalten wurden und aus einem von diesem mit zu verantwortenden
Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind (im Anschluß an BGH, Urt. v. 19. Februar
2004, III ZR 147/03).

d) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, daß nach § 139 ZPO gebotene Hinweise
des erstinstanzlichen Gerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlaß
gegeben hätten (im Anschluß an BGH, Urt. v. 19. Februar 2004, III ZR 147/03).

e) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO schließt die Berücksichtigung solcher tatsächlichen Umstände, die in
erster Instanz nicht vorgebracht wurden, obwohl sie und ihre Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits
der Partei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht bekannt
waren oder hätten bekannt sein müssen, in der Berufungsinstanz aus.

f) Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als
Klageänderung anzusehen; § 533 ZPO findet auf sie keine Anwendung.

g) Das Berufungsgericht darf seiner rechtlichen Beurteilung eines nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO geänderten
Klageantrags nicht nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag festgestellten
Tatsachen zugrunde legen, sondern auf den gesamten erstinstanzlichen Prozeßstoff zurückgreifen
; kommt es dabei aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts auf Tatsachen an, die
in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, bestehen
Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die das Berufungsgericht zu eigenen Feststellungen
berechtigt und verpflichtet.
BGH, Urt. v. 19. März 2004 - V ZR 104/03 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit Vertrag vom 14. Juni 1990 gestattete die Gemeinde G. G. dem Kläger die Nutzung eines in ihrem Besitz befindlichen Hotelgrundstücks, das im Jahr 1950 in Volkseigentum übergeführt und der Gemeinde im Jahr 1989 von dem damaligen Rechtsträger, dem Amt für nationale Sicherheit, überlassen worden war. Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1990 verkaufte die Gemeinde das Grundstück an den Kläger. Zu dessen Eintragung in das Grundbuch kam es in der Folgezeit nicht.
Bis zum Jahr 1994 ließen der Kläger und die von ihm gegründete „S. und K. GmbH“ Renovierungsarbeiten an dem Hotelgrundstück durchführen, die nach Art und Umfang zwischen den Parteien streitig sind.
Seit 1992 verlangte die Beklagte unter Hinweis auf ihren Eigentumserwerb nach Art. 21, 22 des Einigungsvertrags die Herausgabe des Grundstücks. Dem kam der Kläger im Februar 1995 im Hinblick auf ein von der Beklagten erwirktes Räumungsurteil nach.
Wegen der von dem Kläger mit 338.600 DM bezifferten renovierungsbedingten Aufwendungen erließ das Amtsgericht Potsdam am 11. März 1996 einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte. Diese legte hiergegen am 19. März 1996 Einspruch ein. Im Juni 1997 trat die „S. und K. GmbH“ sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab.
Erstinstanzlich hat der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorgetragen , der Kläger habe am 30. März 1997 sämtliche Forderungen aus der Klage an ihn abgetreten. Gleichwohl hat das Landgericht über die von dem Kläger behaupteten Renovierungsarbeiten, die hierdurch bedingte Wertsteigerung des Grundstücks und – wegen einer von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung – über die Höhe des monatlichen Nutzungsentgelts Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung von Sachverständigengutachten. Mit Schreiben vom 19. Juni 2001 hat die Sparkasse Mittleres Erzgebirge eine mit „Abtretungserklärung“ überschriebene schriftliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Prozeßbevollmächtigten vom 30. März 1997 mit der Bitte um rechtliche Prüfung zu den Gerichtsakten gereicht. Hiervon sind die Prozeßbeteiligten nicht unterrichtet worden. Ausweislich der Sitzungsnieder-
schrift vom 5. April 2002 hat das Landgericht „mit Rücksicht auf die Zitatstelle in Thomas/Putzo, § 265 Rdn. 13, die verlesen wurde, auf eine etwaige Notwendigkeit der Umstellung des Klageantrages mit Rücksicht auf die Abtretung der Ansprüche des Klägers an Rechtsanwalt H. hingewiesen. Daraufhin hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erklärt, das Gericht möge über diese Frage entscheiden. Das Landgericht hat sodann den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger wegen der erfolgten Abtretung nicht mehr aktivlegitimiert sei.
Mit seiner Berufung hat der Kläger beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit der Maßgabe, daß Zahlung an Rechtsanwalt H. zu leisten ist. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, die Abtretungserklärung vom 30. März 1997 beziehe sich nicht auf die streitgegenständliche Forderung, sondern auf die Summe, welche die Beklagte nach einer etwaigen Verurteilung an den Kläger zahlen werde. Hierüber habe bei Abschluß der Vereinbarung Einvernehmen zwischen den Beteiligten bestanden. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, der Kläger sei wegen der von dem Landgericht festgestellten Abtretung nicht mehr Inhaber eines eventuellen Verwendungsersatzanspruchs gegen die Beklagte. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der von dem Landgericht getroffenen Feststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten könnten, bestünden nicht. Die erstmals in der Berufungsinstanz aufgestellten Behauptungen des Klägers zu dem Inhalt der am 30. März 1997 geschlossenen Abtretungsvereinbarung seien nicht zu berücksichtigen. Der in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellte Antrag auf Zahlung an den Abtretungsempfänger sei unzulässig, weil das Landgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs getroffen habe.
Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

II.


Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Klage mit dem Hauptantrag unbegründet ist (1.). Soweit es die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint hat, kann ihm dagegen nicht gefolgt werden (2.).
1. Mit seinem Hauptantrag macht der Kläger einen eigenen Verwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte geltend. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit die Voraussetzungen der §§ 994, 996 BGB erfüllt sind; der
Anspruch scheitert nämlich bereits an der fehlenden Sachlegitimation des Klägers. Das Landgericht hat in seinem Urteil festgestellt, daß der Kläger den Klageanspruch nach Eintritt der Rechtshängigkeit an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetreten hat (a). An diese Feststellung war das Berufungsgericht nach der gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO anwendbaren Vorschrift des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der Fassung des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 gebunden, weil keine Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit bestanden (b). Auf der Grundlage dieser gemäß § 559 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz verbindlichen Feststellung ist es dem Kläger verwehrt, Leistung an sich selbst zu verlangen (c).

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die von dem Eingangsgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen.
aa) Die damit angeordnete Bindungswirkung der erstinstanzlichen Feststellungen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des ZPO-RG, BT-Drs. 14/4722, S. 100) erstreckt sich auch auf sogenannte Rechtstatsachen. Den tatsächlichen Umständen (§ 138 Abs. 1 ZPO) stehen nämlich Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen Rechtsbegriff geschieht, der jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs geläufig ist (Senat , BGHZ 135, 92, 95; Senat, Urt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, WM 1995, 1589, 1590; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rdn. 2). Hierher gehört der den Abschluß eines Abtretungsvertrags gemäß § 398 BGB umschreibende Begriff der Abtretung jedenfalls dann, wenn er, wie hier, von einem Rechtsanwalt verwendet wird (Senat, Urt. v. 2. Februar 1990, V ZR 245/88, BGHR ZPO § 288 Abs. 1 Rechtsbegriff 3).

bb) Festgestellt sind nicht nur solche Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, daß sie wahr oder nicht wahr sind. Eine derartige Beschränkung des tatsächlichen Prüfungsumfangs des Berufungsgerichts wäre nicht sachgerecht, weil das erstinstanzliche Urteil regelmäßig auch auf nicht beweisbedürftigen, insbesondere unstreitigen Tatsachen beruht. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung deshalb auch solche Tatsachen zugrunde zu legen, die auch das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung der Wahrheit zugrunde gelegt hat, sei es, weil sie offenkundig oder gerichtsbekannt (§ 291 ZPO), ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) oder – wie die von dem Kläger behauptete Abtretung - unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) waren, oder weil sie sich aus gesetzlichen Vermutungen oder Beweis- und Auslegungsregeln ergeben haben (MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 529 Rdn. 5). Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis des in § 559 Abs. 2 ZPO verwendeten Begriffs der von dem Revisionsgericht zugrunde zu legenden Feststellungen (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 8; Musielak/Ball, aaO, § 559 Rdn. 20; Zöller/Gummer, aaO, § 559 Rdn. 11; für § 561 Abs. 2 ZPO a.F.: Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 561 Rdn. 31), die wegen der in § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Bezugnahme in dem Berufungsurteil auch die von dem erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen umfassen.

b) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der von dem Landgericht festgestellten Abtretung des Klageanspruchs, die gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkt
erforderlich gemacht hätten, lagen entgegen der Auffassung der Revision nicht vor. aa) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BT-Drs. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Dies gilt insbesondere dann, wenn es Beweise fehlerhaft erhoben oder gewürdigt (Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, Umdruck S. 6) oder wenn es Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 5). Einen derartigen Verfahrensfehler stellt es nicht dar, daß das Landgericht den Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 unberücksichtigt gelassen und seine Entscheidung allein auf die mit Schriftsatz des Klägers vom 21. Januar 1998 behauptete Abtretung gestützt hat. Da die von der Sparkasse Mittleres Erzgebirge zu den Gerichtsakten gereichte Vertragsurkunde erstinstanzlich von keiner der Parteien in Bezug genommen worden war, handelte es sich nicht um Parteivortrag, den das Landgericht seiner Entscheidung hätte zugrunde legen dürfen. Hieraus folgt zugleich, daß die mit der Berufung erhobene Rüge, das erstinstanzliche Urteil beruhe auf der von den Parteien nicht vorgetragenen Abtretungserklärung, sachlich unzutreffend ist. Sie wird von der Revision auch nicht aufrecht erhalten.
bb) Zweifelhaft können die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts auch durch neue Angriffs- und Verteidigungsmittel werden, soweit sie in der Berufungsinstanz gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen sind, weil ihre Geltendmachung in erster Instanz we-
gen eines von dem Gericht zu vertretenden Umstands (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO) oder sonst ohne Verschulden der Partei (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) unterblieben ist (BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rdn. 19; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Schnauder, JuS 2002, 162; Crückeberg, MDR 2003, 10). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den von dem Kläger erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragenen Inhalt der schriftlichen Abtretungserklärung vom 30. März 1997 ebensowenig erfüllt wie im Hinblick auf die von ihm im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen aufgestellte Behauptung, eine Abtretung der Klageforderung hätten die Beteiligten nicht gewollt.
(1) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO gestattet neues, d. h. in erster Instanz noch nicht geltend gemachtes (Grunsky, NJW 2002, 800; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1903) Vorbringen zu tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten , die von dem Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet entscheidungserheblich sind, von dem Eingangsgericht jedoch erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 20; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 17) und aus einem von diesem mit zu verantwortenden Grund in erster Instanz nicht geltend gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 19. Februar 2004, III ZR 147/03, Umdruck S. 8). Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung über den ursprünglichen (Haupt-)Antrag ebenso wie das Landgericht auf die von dem Kläger in erster Instanz behauptete Abtretung der Klageforderung gestützt hat. Neues Vorbringen zu diesem bereits dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegenden Gesichtspunkt war dem Kläger daher verwehrt.
(2) § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO betrifft insbesondere den Fall, daß nach § 139 ZPO gebotene Hinweise des Eingangsgerichts unterblieben sind, die zu entsprechendem Vorbringen in erster Instanz Anlaß gegeben hätten (BT-Drs. 14/4722, S. 101; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 531 Rdn. 23; Musielak/Ball, aaO, § 531 Rdn. 18). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht die ihm obliegende Hinweispflicht jedoch nicht verletzt. Zwar konnte der Kläger aus dem Umstand, daß das Landgericht trotz der bereits vorgetragenen Abtretung Beweis zu den Voraussetzungen des geltend gemachten Verwendungsersatzanspruchs erhoben hat, schließen, daß es auf diesen Gesichtspunkt für die gerichtliche Entscheidung nicht ankommen werde. Er hatte daher zunächst keinen konkreten Anlaß, zu der Frage der Abtretung weiter vorzutragen oder sein Vorbringen in dem Sinn richtig zu stellen , daß tatsächlich keine Abtretung vereinbart worden sei. Dies änderte sich jedoch, nachdem das Landgericht auf die Bedeutung der Abtretung für die Fassung des Klageantrags hingewiesen hatte. Im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung verlesene Kommentarstelle mußte dem anwaltlich vertretenen Kläger bewußt gewesen sein, daß seine auf Zahlung an sich selbst gerichtete Klage wegen der von ihm vorgetragenen Abtretung des Klageanspruchs keinen Erfolg haben konnte, wenn das Landgericht mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Umstellung des Klageantrags auf Zahlung an den Abtretungsempfänger für erforderlich hielt. Selbst wenn der Kläger, wie von der Revision behauptet, davon ausgegangen sein sollte, das Landgericht habe in dieser Frage noch keine abschließende Position eingenommen, hätte er jedenfalls mit der Möglichkeit einer Klageabweisung rechnen müssen. Damit wäre es aus Sicht des Klägers nicht nur geboten gewesen , den Klageantrag – wie in der Berufungsinstanz geschehen – zumindest hilfsweise auf Zahlung an den Abtretungsempfänger umzustellen. Darüber
hinaus hätte auch Anlaß bestanden, im Rahmen des ursprünglichen Klageantrags zu der Frage der Abtretung ergänzend Stellung zu nehmen. Daß dies dem Kläger in erster Instanz, sei es auch nach Einräumung einer von ihm zu beantragenden Schriftsatzfrist (vgl. BGH, Urt. v. 25. Juni 2002, X ZR 83/00, NJW 2002, 3317, 3320), nicht möglich gewesen wäre, wird von der Revision nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Von sich aus mußte das Landgericht jedenfalls nicht auf einen weiteren Sachvortrag des Klägers hinwirken, da dessen Prozeßbevollmächtigter ausdrücklich um eine gerichtliche Entscheidung gebeten hatte und keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, sein Vortrag zu der erfolgten Abtretung könne ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein.
(3) Hat der Kläger damit diejenigen tatsächlichen Umstände, die nach seiner Auffassung der Annahme einer Abtretung der Klageforderung entgegenstehen , in erster Instanz nicht vorgebracht, obwohl ihm diese Umstände und deren Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, beruht die unterlassene Geltendmachung auf Nachlässigkeit; das schließt eine Berücksichtigung dieser Umstände in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO aus (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 101; Musielak /Ball, aaO, § 531 Rdn. 19; Hannich/Meyer-Seitz, ZPO-Reform 2002, § 531 Rdn. 18 f.; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1904). Das Berufungsgericht mußte deshalb der unter Beweis gestellten Behauptung des Klägers, er und sein erstinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter hätten keine Abtretung der Klageforderung vereinbaren wollen, ebensowenig nachgehen wie der Frage, ob die schriftliche Abtretungsvereinbarung vom 30. März 1997 nur die von dem Kläger aufgrund eines obsiegenden Urteils erlangten Geldmittel erfaßt.


c) Auf der Grundlage der von dem Landgericht fehlerfrei festgestellten Abtretung hat das Berufungsgericht einen in der Person des Klägers bestehenden Verwendungsersatzanspruch zu Recht verneint. Zwar hat die nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgte Abtretung des Klageanspruchs keinen Einfluß auf dessen prozessuale Geltendmachung (§ 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Rechtsvorgänger behält daher weiter seine Prozeßführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen weiterführen (Prozeßstandschaft ). Aufgrund der veränderten materiellen Rechtslage muß der Kläger jedoch grundsätzlich Leistung an seinen Rechtsnachfolger verlangen. Weigert er sich, wie hier, so muß die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen werden. Diese Grundsätze, die der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, VI ZR 221/80, WM 1982, 1313; Urt. v. 12. März 1986, VIII ZR 64/85, NJW 1986, 3206, 3207; Urt. v. 20. November 1996, XII ZR 70/95, NJW 1997, 735, 736) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (MünchKomm-ZPO/Lüke, 2. Aufl., § 265 Rdn. 83; Zöller/Greger, aaO, § 265 Rdn. 6a; Musielak/Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 265 Rdn. 17; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Aufl., § 265 Rdn. 13; a.A. die sogenannte Irrelevanztheorie: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 102 IV 2, S. 585; Jauernig, Zivilprozeßrecht, 28. Aufl., § 87 III 3, S. 354) entsprechen , stellt auch die Revision nicht in Frage.
Auch war der Kläger nicht etwa deshalb zur Einziehung der abgetretenen Forderung im eigenen Namen befugt, weil ihm der Abtretungsempfänger eine Einziehungsermächtigung erteilt hätte (vgl. BGHZ 26, 31, 37; BGH, Urt. v. 28. September 1982, aaO). Eine entsprechende Behauptung hat der Kläger in
erster Instanz nicht aufgestellt. Sie läßt sich auch seinem Vorbringen in der Berufungsinstanz, soweit es überhaupt zu berücksichtigen ist, nicht entnehmen. Wäre die Klageforderung, wie nunmehr von dem Kläger vorgetragen, nicht abgetreten worden, hätte keinerlei Anlaß zu der Erteilung einer Einziehungsermächtigung bestanden.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der erstmals in zweiter Instanz gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger einen Verwendungsersatzanspruch seines erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geltend macht, sei unzulässig, weil er entgegen § 533 Nr. 2 ZPO nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen waren. Eine mit der Berufung vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger stellt nämlich unabhängig davon, ob sie unbedingt erfolgt oder, wie hier, von dem Mißerfolg des auf Leistung an den Kläger selbst gerichteten Hauptantrags abhängig ist, keine § 533 ZPO unterfallende Klageänderung dar.

a) § 533 ZPO knüpft in seinem Einleitungssatz an den allgemeinen Begriff der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO an (Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3). Danach ist eine objektive Klageänderung gegeben, wenn sich der Streitgegenstand verändert, insbesondere, wenn bei gleich bleibendem oder geändertem Klagegrund ein anderer Klageantrag gestellt wird (Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 263 Rdn. 1 f.). Wie eine Klageänderung zu behandeln ist der Fall einer nachträglichen (Eventual -)Klagenhäufung, auf den § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH, Urt. v. 29. April 1981, VIII ZR 157/80, WM 1981, 423, 427; Urt. v. 10. Januar 1985, III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. 26. Mai 1986, II ZR 237/85,
NJW-RR 1987, 58; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 263 Rdn. 21; Zöller /Greger, aaO, § 263 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, aaO, § 263 Rdn. 4) und der deshalb auch von § 533 ZPO erfaßt wird (MünchKommZPO /Rimmelspacher, aaO, § 533 Rdn. 10; Musielak/Ball, aaO, § 533 Rdn. 6).

b) Handelt es sich allerdings um eine Antragsänderung, die, wie die Umstellung des Klageantrags auf Leistung an den Abtretungsempfänger, den Bestimmungen des § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO unterfällt (für eine Anwendung von § 264 Nr. 2 ZPO: BGH, Urt. v. 3. Juni 1987, IVb ZR 68/86, FamRZ 1987, 926, 928; Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; Musielak /Foerste, aaO, § 265 Rdn. 10; Zöller/Greger, aaO, § 264 Rdn. 3b; für eine Anwendung von § 264 Nr. 3 ZPO: Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 265 Rdn. 42; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 265 Rdn. 87; Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO, § 101 I 3), ist sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als eine Klageänderung anzusehen. Auf eine solche Modifizierung des Klageantrags finden daher diejenigen Vorschriften, die die Zulässigkeit einer Klageänderung regeln, keine Anwendung (MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4). Dies gilt nicht nur für § 263 ZPO (Stein/Jonas/Schumann, aaO, § 264 Rdn. 1; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 4), sondern auch für § 533 ZPO (a.A. Zöller/Gummer/Heßler, aaO, § 533 Rdn. 3, die jedenfalls § 533 Nr. 2 ZPO anwenden wollen), weil § 264 ZPO gemäß § 525 Satz 1 ZPO auch auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist.

c) Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Modifizierung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO auch in der Berufungsinstanz entspricht dem Zweck der Vorschrift, der die prozeßökonomische und endgültige Erledigung des Streitstoffs zwischen den Parteien fördern soll (MünchKomm-ZPO/Lüke,
aaO, § 264 Rdn. 1). Kann das Berufungsgericht auf der Grundlage des bereits in erster Instanz angefallenen Prozeßstoffs eine abschließende Entscheidung über den modifizierten Klageantrag treffen, widerspräche es den Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit, würde man die Parteien, gestützt auf § 533 ZPO, auf einen neuen Rechtsstreit verweisen, in dem das erstinstanzliche Verfahren wiederholt werden müßte und das Berufungsgericht erneut mit der Sache befaßt werden könnte. Nach früherem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO) war eine derart unökonomische Verfahrensgestaltung ausgeschlossen , weil § 264 ZPO in der Berufungsinstanz Anwendung fand (BGHZ 85, 140, 143; BGH, Urt. v. 21. Dezember 1989, VII ZR 84/89, NJW-RR 1990, 505; MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 5) und in den von der Vorschrift geregelten Fällen eine Antragsänderung unabhängig von dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen ermöglichte. Für das reformierte Berufungsverfahren etwas anderes anzunehmen, hätte im Vergleich zu dem früheren Recht eine verstärkte Belastung der Gerichte und eine verzögerte Erledigung der Streitsachen zur Folge. Damit würde das Ziel der Zivilprozeßreform, die Effizienz innerhalb der Ziviljustiz zu steigern (BT-Drs. 14/4722, S. 1), offensichtlich verfehlt.

d) § 533 ZPO steht einer Anwendung des § 264 ZPO auf das Berufungsverfahren nicht entgegen (§ 525 Satz 1 Halbs. 2 ZPO).
aa) Mit den in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Merkmalen der Einwilligung des Gegners oder der Sachdienlichkeit wollte der Gesetzgeber die bereits nach bisherigem Recht (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 263 ZPO) geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen einer zweitinstanzlichen Klageänderung übernehmen (BT-Drs. 14/4722, S. 102). Auf das Vorliegen dieser Vorausset-
zungen kam es jedoch auch bislang nicht an, wenn es sich um eine Antragsänderung gemäß § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO handelte (§ 523 ZPO a. F. in Verbindung mit § 264 ZPO). Daß der Gesetzgeber hieran etwas ändern wollte, läßt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Die Annahme, derartige Modifizierungen des Klageantrags sollten nach neuem Recht nur noch unter den in § 533 Nr. 1 ZPO geregelten Voraussetzungen zulässig sein, ist auch deshalb fernliegend, weil diese Antragsänderungen in aller Regel als sachdienlich anzusehen sind (vgl. MünchKomm-ZPO/Lüke, aaO, § 264 Rdn. 2), § 533 Nr. 1 ZPO insoweit also ohnehin keine zulässigkeitsbeschränkende Wirkung haben könnte.
bb) Sinn und Zweck des § 533 Nr. 2 ZPO gebieten es ebenfalls nicht, Antragsänderungen gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO in der Berufungsinstanz als Klageänderungen anzusehen.
(1) § 533 Nr. 2 ZPO bringt die geänderte Funktion des Berufungsverfahrens zum Ausdruck, die keine vollständige zweite Tatsacheninstanz mehr eröffnet , sondern in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient (BT-Drs. 14/4722, S. 64, 102). Für diesen Berufungszweck ist es unerheblich, ob das erstinstanzliche Gericht subjektiv fehlerhaft gehandelt und entschieden hat, was nicht der Fall ist, wenn seine Entscheidung gemessen an dem in erster Instanz gestellten Klageantrag - wie hier - zutreffend ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob das erstinstanzliche Urteil objektiv fehlerhaft ist, was nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zu beurteilen ist (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, aaO, § 513 Rdn. 7; Rimmelspacher , NJW 2002, 1897). Damit kann sich die Korrekturbedürftigkeit des mit der Berufung angefochtenen Urteils auch aus einer im Berufungsverfahren
erfolgten Modifizierung des Klageantrags ergeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, mit der Umstellung des Klageantrags einer Veränderung der materiellen Rechtslage Rechnung getragen wird, an deren sachgerechter Beurteilung das erstinstanzliche Gericht wegen des in erster Instanz gestellten Klageantrags gehindert war.
(2) Ausweislich der Gesetzesbegründung will § 533 Nr. 2 ZPO verhindern , daß im Wege der Klageänderung unzulässiger neuer Tatsachenstoff in das Berufungsverfahren eingeführt wird (BT-Drs. 14/4722, S. 102). In den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO ist das aber schon deswegen nicht zu befürchten , weil die Vorschrift insoweit voraussetzt, daß der - bereits in erster Instanz dargelegte - Klagegrund unverändert bleibt. Sollen zu dessen Ergänzung neue Tatsachen vorgetragen werden, ist dies nur in den durch § 531 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zulässig. Damit ist sichergestellt, daß der von dem Berufungsgericht zu beurteilende Prozeßstoff im wesentlichen mit demjenigen der ersten Instanz übereinstimmt.
(3) Schließlich soll durch die Regelung des § 533 Nr. 2 ZPO vermieden werden, daß das Berufungsgericht eine Klageänderung bei Vorliegen der in § 533 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen zwar zulassen müßte, an einer der materiellen Rechtslage entsprechenden Entscheidung über die geänderte Klage aber gehindert sein könnte, weil es gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung nur die von dem erstinstanzlichen Gericht zu der ursprünglichen Klage festgestellten Tatsachen zugrunde legen darf (BTDrs. 14/4722, S. 102). Diese Gefahr, die den Gesetzgeber zu einer über die frühere Rechtslage hinausgehenden Beschränkung der Zulässigkeit zweitinstanzlicher Klageänderungen bewogen hat, besteht bei einer Antragsänderung
gemäß § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht. Vielmehr kann das Berufungsgericht bei der Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf den gesamten in erster Instanz angefallenen Prozeßstoff zurückgreifen.
(a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. März 2004 (V ZR 257/03) ausgeführt hat, gelangt mit einem zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich der gesamte aus den Akten ersichtliche Prozeßstoff der ersten Instanz ohne weiteres in die Berufungsinstanz (Umdruck S. 14). Im Gegensatz zum Revisionsrecht (§ 559 Abs. 1 ZPO) enthalten die gesetzlichen Vorschriften über das Berufungsverfahren keine das berücksichtigungsfähige Parteivorbringen beschränkende Bestimmung. Eine Verengung des zweitinstanzlichen Prozeßstoffs auf das aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtliche Parteivorbringen ergibt sich auch nicht aus § 314 ZPO, weil dem Urteilstatbestand im Hinblick auf schriftsätzlich angekündigtes Parteivorbringen keine negative Beweiskraft zukommt (Umdruck S. 17 f. m.w.N.). Unabhängig hiervon kann der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils den der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Prozeßstoff auch deshalb nicht begrenzen, weil das Berufungsverfahren nicht nur, wie das Revisionsverfahren, der Rechtsfehlerkontrolle, sondern gemäß § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO auch der Kontrolle und Korrektur fehlerhafter Tatsachenfeststellungen dient (BT-Drucks. 14/4722, S. 64; Hannich /Meyer-Seitz, aaO, § 513 Rdn. 1, 7, 12 f.). Dies setzt voraus, daß das Berufungsgericht schriftsätzlich angekündigtes entscheidungserhebliches Parteivorbringen berücksichtigen darf, das von dem erstinstanzlichen Gericht für unerheblich erachtet oder übersehen worden ist und das deshalb im Urteilstatbestand keine Erwähnung gefunden hat (Barth, NJW 2002, 1702, 1703). Die in § 513 Abs. 1 Alt. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Funktion der Berufung würde eine den berücksichtigungsfähigen Prozeßstoff begrenzende Wirkung des
erstinstanzlichen Urteils also selbst dann ausschließen, wenn man im übrigen mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt BGH, Urt. v. 16. Mai 1990, IV ZR 64/89, NJW-RR 1990, 1269) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 13. April 1989, 1 B 21/89, juris) an der negativen Beweiskraft des Urteilstatbestands ohne Einschränkungen festhielte. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis ohne Bedeutung, so daß es weder einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen (§ 132 GVG) noch an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG) bedarf (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Februar 2000, XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185 zu § 132 GVG; GmS-OGB, BGHZ 88, 353, 357 zu § 2 RsprEinhG).
(b) Bei der Entscheidung über den modifizierten Klageantrag ist das Berufungsgericht nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 ZPO an die von dem erstinstanzlichen Gericht zu dem ursprünglichen Klageantrag getroffenen Feststellungen gebunden. Kommt es aus der allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts (Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 529 Rdn. 35; Ball, ZGS 2002, 146, 149) für die Beurteilung des modifizierten Klageantrags auf Tatsachen an, die in dem erstinstanzlichen Urteil trotz entsprechenden Parteivortrags nicht festgestellt worden sind, dann bestehen Zweifel an der Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen, die das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO zu eigenen Feststellungen berechtigen und verpflichten.

III.


Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und inwieweit die Voraussetzungen eines von dem Kläger an seinen erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten abgetretenen Verwendungsersatzanspruchs gemäß §§ 994, 996 BGB erfüllt sind und in welchem Umfang ein solcher Anspruch gegebenenfalls durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen ist. Durch die Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erhält das Berufungsgericht Gelegenheit, die erforderlichen Fest-
stellungen nachzuholen. Dabei kann es die Ergebnisse der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme verwerten, soweit nicht deren Wiederholung nach den von der Rechtsprechung zu §§ 398, 402 ZPO entwickelten Grundsätzen geboten ist (vgl. Senat, Urt. v. 12. März 2004, V ZR 257/03, Umdruck S. 10 m.w.N.).
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch
10
aa) Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urt. v. 10. März 2005, VII ZR 220/03, NJW-RR 2005, 928; Urt. v. 9. November 2006, VII ZR 151/05, NJW-RR 2007, 305, 306 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der jeweilige Anspruch nicht nur teilweise, sondern insgesamt unschlüssig ist (BGH, Urt. v. 29. Januar 2004, I ZR 162/01, NJW-RR 2004, 1034; Arnold, Das Grundurteil, S. 189). Das gilt auch dann, wenn der Partei noch Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag gegeben wird (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2005, II ZR 144/03, NJW-RR 2005, 1008, 1009), weil die beklagte Partei einen Anspruch auf Klageabweisung hat, wenn es der klagenden Partei nicht gelingt, ihre Klageansprüche mit ausreichendem tatsächlichem Vorbringen zu unterlegen.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

24
a) Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich nicht mit hinreichender Klarheit, dass die Klägerin rechtzeitig auf die Notwendigkeit hingewiesen worden ist, die Reihenfolge anzugeben, in der die Rechte aus den verschiedenen Kennzeichen geltend gemacht werden. Dort findet sich zwar die Angabe, dass die Verbotsfassung im Senatstermin erörtert worden ist. Das kann sich aber auch auf die aus Sicht des Berufungsgerichts zu weite Fassung des Unterlassungsantrags beziehen. Im Übrigen verfolgt das Gesetz mit dem Erfordernis, den Hinweis aktenkundig zu machen, nicht nur den Zweck, Streit darüber zu vermeiden, ob eine bestimmte Frage in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist; das Erfordernis der Dokumentation sorgt vielmehr auch dafür, dass der Hinweis in einer Form erteilt wird, die der Partei, an die er sich richtet, die Notwendigkeit einer prozessualen Reaktion - und sei es in der Form seines Antrags nach § 139 Abs. 5 ZPO - deutlich vor Augen führt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 23 = WRP 2011, 1606 - Schaumstoff Lübke). Deshalb sind gerichtliche Hinweise, die in der mündlichen Verhandlung erteilt werden, in der Regel in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2005 - VII ZR 34/04, BGHZ 164, 166, 172 f.), was vorliegend nicht geschehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 207/05
vom
20. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Vill
am 20. Dezember 2007

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Beschwerdegegenstand wird auf 377.155,32 € festgesetzt.

Gründe:


1
zulässige, Die insbesondere statthafte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger unter dem Gesichtspunkt einer Missachtung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem möglicherweise verspätet erteilten Hinweis des Berufungsgerichts, weil der Kläger infolge des eingehenden, von ihm richtig erfassten Beklagtenvortrags zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet war.
2
1. Ein gerichtlicher Hinweis ist entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH, Urt. v. 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, WM 2007, 984, 986 Tz. 19; v. 24. September 1987 - III ZR 188/86, NJW 1988, 696 f; v. 2. Oktober 1979 - VI ZR 245/78, NJW 1980, 223 f).
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage auf zwei ineinander greifende Erwägungen gestützt, nämlich das Fehlen einer ärztlichen Feststellung innerhalb der 15-Monatsfrist in Verbindung mit der objektiven Unmöglichkeit, eine solche ärztliche Feststellung fristgerecht herbeizuführen. Auf beide Aspekte war der Kläger durch den Beklagten unmissverständlich hingewiesen worden.
3
2. a) Bereits erstinstanzlich hat der Beklagte in Übereinstimmung mit der späteren rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts geltend gemacht, dass die Dauerfolgen weder innerhalb der Frist von 15 Monaten ärztlich festgestellt noch tatsächlich eingetreten seien. In seiner Berufungsbegründung hat er die Schlüssigkeit der Klage beanstandet und abermals vorgetragen, dass es nicht auf die Frage der fristgerechten Anmeldung ankomme, weil für einen Dauerschaden keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestanden hätten und eine entsprechende ärztliche Feststellung nicht habe herbeigeführt werden können. Eine auf den Unfall rückführbare Invalidität habe nicht vorgelegen oder sei zumindest (noch) nicht feststellbar gewesen. Dieses Vorbringen hat der Beklagte durch Schriftsatz vom 18. April 2005, also ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2005, mit dem Bemerken vertieft, der Kläger wolle trotz des ausführlichen Berufungsvortrags die Rüge der Unschlüssigkeit der Klage "einfach nicht zur Kenntnis nehmen".
4
b) Der Kläger hat - wie seine schriftsätzlichen Äußerungen belegen - dieses Vorbringen richtig verstanden. Auf die Berufungsbegründung hat er erwidert , es komme entscheidend auf die Versäumung der 15-Monatsfrist und die Tatsache an, dass innerhalb der Frist die bei dem Kläger bereits vorliegende Invalidität nicht festgestellt worden sei. Dieses Verständnis entspricht - aus der Warte des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers formuliert - exakt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach eine dauerhafte Funktions- beeinträchtigung innerhalb der 15-Monatsfrist ärztlich feststellbar sein muss. Angesichts dieser eindeutigen Sachlage war ein zusätzlicher gerichtlicher Hinweis nicht geboten.
5
3. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch deshalb ausscheidet, weil der Kläger auf den verspäteten Hinweis des Berufungsgerichts nicht reagiert und es versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung Vertagung oder einen Schriftsatznachlass zu beantragen oder zumindest innerhalb der Spruchfrist einen Schriftsatz nachzureichen.
Fischer Ganter Kayser
Gehrlein Vill
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.10.2004 - 1 O 648/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.11.2005 - I-4 U 218/04 -

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.


Tenor

1. Auf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. wird das Grund- und Teilurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der Airbase ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wurden.

2. Auf die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin wird festgestellt, dass der Bauvertrag der Parteien vom 25. Mai 2004 betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhalte-becken II, Projekt-Nummer 30974389" durch die Klägerin am 18. März 2005 wirksam gekündigt worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

4. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. jeweils 1/3 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten selbst sowie gesamtschuldnerisch 1/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Im Übrigen bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht überlassen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. dürfen die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aufgrund eines vorzeitig beendeten Bauvertrages, in dem die Geltung der VOB/B vereinbart wurde.

2

Die Klägerin macht insoweit Restwerklohn sowie Schadensersatz/Aufwendungsersatz geltend; die Beklagte begehrt widerklagend den Ersatz ihr entstandener Mehrkosten und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin wegen der erfolgten Kündigung.

3

Die Beklagte beabsichtigte die Anlegung eines Regenrückhaltebeckens im Bereich des …[X]bachs auf dem Flughafengelände ...[A], wobei sie die Nebenintervenientin zu 1. einschaltete. Es sollten dabei auf einer Fläche von ca. 50 m Breite und 500 m Länge etwa 80.000 m³ Erdboden ausgehoben werden. Dabei sollte es sich bei ca. 57.000 m³ um Aufschüttungen und bei 27.000 m³ um natürliches Material (Sande bzw. unbelastete Böden) handeln. Bei einem Teil des betroffenen Erdreichs handelte es sich um eine registrierte Altlast im Altlastenkataster des Landes Rheinland-Pfalz (Anlageband III, Bl. 938).

4

Am 30. Mai 2003 erhielt die Beklagte die wasserrechtliche Plangenehmigung gemäß § 31 WHG der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd (Anlageband III, Bl. 992 ff), in der darauf hingewiesen wurde, dass durch die geplanten Erdbauarbeiten im Bereich des Regenrückhaltebeckens verschiedene im Altlastenkataster registrierte Altablagerungen überplant bzw. tangiert würden und ihr ein Rückbaukonzept (Beschreibung des Bauablaufs, Entsorgung des Auffüllmaterials, Freimessung der geräumten Flächen sowie gegebenenfalls Angaben zur Wasserhaltung, Arbeits- und Umgebungsschutzmaßnahmen usw.) vorzulegen sei. Weiter wurde darin erklärt, dass die technischen Regelungen "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen" der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zu beachten seien und für den Nachweis der Umweltverträglichkeit das Material gemäß den Begriffsbestimmungen der LAGA (Bauschutt, Erdaushub etc.) zu separieren und analytisch zu überprüfen sei. Die Verwertungs- und Beseitigungswege der im Rahmen der Baumaßnahmen anfallenden Aushubmassen seien gegenüber der SGD Süd nachzuweisen.

5

Die Beklagte beauftragte die Nebenintervenientin zu 2. mit geotechnischen Voruntersuchungen. In ihrem geotechnischen Bericht vom 27. November 2003 (Anlageband III, Bl. 958 ff) unterteilte die Nebenintervenientin zu 2. die zu erwartenden Bodengruppen in sechs Bodenklassen nach DIN 18300 (Anlageband III, Bl. 963) und wies auf eine nur bedingte Wiederverwendbarkeit der Aushubmassen im Hinblick auf die Inhomogenität und den hohen humosen Anteil der Auffüllungen hin. Wegen des hohen Humusanteils könne ein Teil des Erdreichs allenfalls für Lärmschutzwälle verwendet werden (Anlageband III, Bl. 966), während die grauen quartären Sande für eine Wiederverwendung als Austauschboden bodenmechanisch geeignet seien. Die Auffüllung sei im Groben in die Einbauklasse bis Z 1.1 nach LAGA einzustufen; von 15 Mischproben seien 12 in die LAGA-Einbauklasse Z 0 (unbelastetes Material), eine Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 1.1 und eine weitere Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 2 einzustufen (Anlageband III, Bl. 968, 969).

6

Die durchzuführenden Erdarbeiten wurden sodann öffentlich ausgeschrieben mit einem Kurztext-Leistungsverzeichnis (Anlage K 3, Anlageband I, Bl. 21 - 40) und einem Langtext-Leistungsverzeichnis (Anlageband I, Bl. 41 ff). In den projektbezogenen Vorbemerkungen wurde unter C.01. und C.02. (Anlageband I, Bl. 29 - 36) auf die Einstufung des Bodenaushubs in die verschiedenen LAGA-Klassen hingewiesen und auf den Eigentumsübergang des Materials bestimmter LAGA-Klassen auf den Auftragnehmer; hinsichtlich einzelner Boden-materialien wurde - je nach LAGA-Klasse - eine Entsorgungsverpflichtung des Auftragnehmers oder eine Pflicht des Auftragnehmers zum Abfahren und Zwischenlagern des für den Wiedereinbau geeigneten Materials auf Mieten innerhalb des Flugplatzgeländes normiert.

7

Die einzelnen Erdaushubarbeiten wurden zu Einheitspreisen ausgeschrieben unter anderem mit Zulagenpositionen für Boden der Klasse über LAGA Z 1.1 bis LAGA Z 2 sowie der Bodenklasse LAGA Z 3 und höher (Anlageband I, Bl. 53 - 54).

8

Die Klägerin erhielt im Mai 2004 den Zuschlag für die Erdarbeiten zu einem Nettopreis von 1.085.244,60 € (Anlageband I, Bl. 94). Sie sollte zudem zusammen mit der Firma ...[B] Bau als ARGE Arbeiten an der Rampe 5 des Flughafengeländes vornehmen. Das Leistungsverzeichnis dieser Arbeiten sah unter anderem vor, dass dort lediglich Füllmaterial ohne humose Bestandteile zu verwenden war.

9

Nach Übernahme des Auftrags erörterte die Klägerin bzw. die ARGE mit dem von der Beklagten beauftragten Gutachterbüro ...[C], dass ein Einbau von Erdaushub der Klasse LAGA Z 1.2 aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens im Bereich der Rampe 5 beabsichtigt sei. Das Gutachterbüro teilte sodann der Beklagten durch Schreiben vom 21. Juni 2004 (Bl. 398 - 399 d. A.) die Unzulässigkeit dieses Einbaus ohne die erforderliche Genehmigung der zuständigen Behörde mit.

10

Mit Schreiben vom 1. September 2004 (Bl. 378 d. A.) wies die Nebenintervenientin zu 1. die Klägerin darauf hin, welches Erdaushubmaterial der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses auf Mieten aufzusetzen, einzubauen oder zu beseitigen sei und welches in das Eigentum der Klägerin oder der Beklagten übergehe. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass eine Vermischung von gewachsenem Boden der Bodenklasse 3 - 5, 6 und 7, Boden aus Auffüllungen und humosen Bodenarten nicht gestattet sei.

11

Anfang September 2004 hob die Klägerin insgesamt 2.287 m³ Baugrund aus dem Bereich der Auffüllungen (Leistungsverzeichnis Position 1.2.120) aus und baute diese im Bereich der Rampe 5 ein. Aus dem Aushub wurden nach Angaben der Klägerin ca. 935 m³ Bauschuttreste aussortiert. Von diesem Aushub der Klägerin entnahm die Nebenintervenientin zu 2. am 16. September 2004 eine Bodenprobe.

12

Bei einer Baubesprechung vom 15. September 2004 bat die Klägerin um Überlassung der Untersuchungsergebnisse der - zur Vorbereitung der Ausschreibung durch die Nebenintervenientin zu 2. vorgenommenen - schadstofftechnischen Beprobung des Baufeldes, weil sie den Aushub aus den Auffüllungsbereichen in einem anderen Bauvorhaben einbauen wolle und dort eine Beprobung der angelieferten Stoffe nach LAGA gefordert werde. Die Beklagte lehnte eine Weitergabe der Untersuchungsergebnisse ab (Bl. 686 d. A.).

13

Mit Schreiben vom 16. September 2004 (Anlage K 18, Anlageband II, Bl. 416) forderte die Klägerin von der Beklagten die umweltrechtliche Freigabe der abzufahrenden Erdmassen für den Einbau bei anderen Baumaßnahmen. Soweit dies nicht der Fall sei bzw. zusätzliche Nachweise für den Einbau bei anderen Maßnahmen notwendig seien, meldete sie "bereits jetzt" die daraus resultierenden Mehrkosten an; es gehe hier um Deklarationsanalysen-Kosten nach LAGA oder Deponierungskosten.

14

Am 21. September 2004 wurde der Einbau von Auffüllmaterial im Bereich der Rampe 5 gestoppt. Die ARGE wurde auf die Ungeeignetheit des angelieferten Materials hingewiesen und zur restlosen Entfernung von dem Baufeld und der Zwischendeponie aufgefordert; zugleich wurde eine fehlende deutliche Trennung der gelagerten Materialien auf dem Zwischenlager gerügt (Bl. 362 - 363 d. A.).

15

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 23. September 2004 (Bl. 200 d. A.) erneut ihre Absicht der Wiederverwendung der Erdmassen unter Hinweis auf § 1 KrW/AbfG und forderte im Hinblick auf die von der Beklagten stattdessen gewünschte Deponierung der Erdmassen die Erbringung der dafür notwendigen LAGA-Analysen von einer pro angefangene 1000 Tonnen Erdaushub. Da die umweltrechtliche Begleitung durch die Beklagte erbracht werde, müsse diese auch die Kosten der LAGA-Analysen tragen. Die Klägerin verwies auf ein beigefügtes Nachtragsangebot über 103.000 € zur Durchführung der LAGA-Analysen, alternativ forderte sie im Falle der Analysierung durch die Beklagte selbst die Übergabe der Analyseergebnisse. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin, dass sie wegen Regens an der Ausführung der Erdarbeiten behindert sei (Anlage K 20, Anlageband II, Bl. 423).

16

Der für die Beklagte handelnde LBB in ...[Z] entschied mit Schreiben vom 4. Oktober 2004 (Anlage K 24, Anlageband II, Bl. 428 - 430), dass die Klägerin die LAGA-Kosten zur Deponierung nicht übernehmen müsse, diese vielmehr von der Nebenintervenientin zu 2. gemäß deren Architekten-/Ingenieurvertrag übernommen würden. Das Leistungsverzeichnis gehe nicht auf die DIN 18299 0.4.2 "Besondere Leistungen" ein, wonach in der Leistungsbeschreibung Kosten von erheblicher Bedeutung für die Kalkulation angegeben werden müssten. Eine überschlägige Berechnung ergebe bei 110 Laboruntersuchungen zu je 490 € einen Gesamtbetrag von 53.900 €; entsprechend der DIN hätten deshalb die Eignungsnachweise (also auch die LAGA-Untersuchungen) gesondert in der Leistungsverzeichnisbeschreibung ausgewiesen werden müssen.

17

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 977- 978) lehnte die Nebenintervenientin zu 1. eine Beauftragung der Klägerin mit LAGA-Analysen gemäß deren Nachtragsangebot vom 23. September 2004 ab und forderte die Klägerin zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

18

Die Klägerin rügte demgegenüber mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 (Anlage K 25, Anlageband II, Bl. 431), dass sie ohne die - bauseits zu erbringenden - LAGA-Analysen die Erdarbeiten nicht wieder aufnehmen könne; sie sei seit dem 27. September 2004 in der Ausführung dieser Arbeiten behindert (§ 6 Nr. 1 und 2 VOB/B).

19

Nachdem die Klägerin am 12. Oktober 2004 ca. 900 t weißgraue Sande aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II abtransportiert und anderweitig eingebaut hatte, verwiesen sowohl die Nebenintervenientin zu 1. mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 (Bl. 387 d. A.) als auch die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 433 - 434) auf die Unzulässigkeit des Abtransports. Die Nebenintervenientin zu 1. forderte die Klägerin auf, das abtransportierte Aushubmaterial an die zugewiesene Stelle zu schaffen. Die Beklagte wies die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen im Hinblick auf die baubegleitenden Untersuchungen durch die Nebenintervenientin zu 2. zurück und forderte die Klägerin auf, die Arbeiten bis zum 25. Oktober 2004 aufzunehmen (Anlageband III, Bl. 981).

20

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 (Bl. 388 - 389 d. A.) teilte die Klägerin mit, dass ein Teil der weißgrauen Sande inzwischen anderweitig verbaut worden sei. Da sie nach dem Bauvertrag allenfalls zur Abfuhr von maximal 26.400 m³ Erdmassen auf Zwischenlager verpflichtet sei, falle eine Nachtragsvergütung für das Verbringen weiterer Massen auf ein Zwischenlager an.

21

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen erneut zurück und forderte sie zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

22

Am 25. Oktober 2004 erstellte die Klägerin ihre zweite Abschlagsrechnung über 259.511,84 € (Anlage K 38, Anlageband II, Bl. 468 - 489). Insoweit forderte die Klägerin Zahlung in Höhe von 183.805,63 €; die Beklagte zahlte jedoch lediglich 81.349,65 € brutto (Anlage K 39, Anlageband II, Bl. 490).

23

Am 27. Oktober 2004 teilte die Nebenintervenientin zu 2. als Ergebnis der am 16. September 2004 aus dem Erdaushub der Klägerin entnommenen Mischprobe mit, dass darin keine erhöhten Schadstoffgehalte festgestellt worden seien und die Schwarzdeckenprobe als Ausbauasphalt im Sinne der Einbauklasse Z 1.1 der LAGA eingestuft werde (Prüfbericht in Anlageband II, Bl. 552 ff).

24

Die Klägerin wies mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 (Anlage K 29, Anlageband II, Bl. 437) auf einen bei Kontaminationsverdacht üblichen Probeumfang von einer LAGA-Analyse je angefangener 1000 t (entspricht ca. 500 m³) Abfuhrmasse hin. Sie bestehe auf einer Vorlage von LAGA-Analysen vor der Abfuhr der Erdmassen, da das Abfahren mit begleitender LAGA-Analyse erhebliche Gefahren hinsichtlich Arbeitsschutz und Kosten verursache. Die Klägerin meldete weiterhin Behinderung der Erdarbeiten gemäß § 6 Nr. 1 VOB/B an und bat bis zum 2. November 2004 um Entscheidung, ob die Erdmassen trotz der genannten Bedenken auf Risiko der Beklagten abgefahren werden sollten.

25

Mit Schreiben vom 4. November 2004 (Anlage K 30, Anlageband II, Bl. 439 - 440) verwies die Klägerin auf die Notwendigkeit weiterer Analysen nach den Vorschriften der LAGA im Hinblick auf die bei einer Probe festgestellte Belastung nach der LAGA-Zuordnungsklasse Z 2 und darauf, dass eine gemeinsame Abfuhr von Massen unterschiedlicher Belastung und der damit verbundenen zwangsläufigen Vermischung dem Verdünnungsverbot gemäß den LAGA-Richtlinien widerspreche. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Durchführung bzw. Vorlage der gemäß LAGA-Mitteilung Nr. 20 geforderten Bodenanalysen vor Abfuhr der Massen bis spätestens 8. November 2004 auf.

26

Am 8. November 2004 rügte die Klägerin erneut Behinderung wegen der fehlenden LAGA-Analysen (Anlage K 33, Anlageband II, Bl. 452).

27

Ein Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Ablagerung von ca. 20.000 m³ des Bodenmaterials auf einer landwirtschaftlichen Fläche in ...[Y] wurde von der Unteren Landespflegebehörde abgelehnt (Anlageband III, Bl. 989).

28

Bei einer Baubesprechung vom 11. November 2004, deren Ablauf streitig ist, wies die Beklagte ausweislich ihres Aktenvermerks (Anlage K 105, Anlageband III, Bl. 935 - 940) auf die nach ihrer Auffassung unberechtigte Forderung der Klägerin nach aushubbegleitenden Analysen von mindestens einer für 1000 t hin und verwies auf die von der Nebenintervenientin zu 2. präventiv durchzuführenden aushubbegleitenden LAGA-Analysen ca. alle 2.000 m³.

29

Demgegenüber erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 34, Anlageband II, Bl. 458 - 459), dass wegen der für eine Einstufung der Aushubmasse in LAGA-Zuordnungswerte nicht ausreichenden Voruntersuchungen ein den Aushub von fünf Tagen, somit 10.000 m³ fassendes Zwischenlager eingerichtet und unterhalten werden müsse, in dem die Aushubmassen bis zur Vorlage der Untersuchungsergebnisse nach LAGA verblieben. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, bis zum 16. November 2004 Art und Lage des Zwischenlagers anzugeben und die weitere Vorgehensweise festzulegen. Des Weiteren meldete die Klägerin Behinderung nach § 6 Nr. 1 VOB/B an. Sie rügte zudem, dass sich bei der Baubesprechung am 11. November 2004 ergeben habe, dass die Beklagte entgegen § 4 Nr. 1 VOB/B nicht alle öffentlich-rechtlichen Bewilligungen herbeigeführt habe und insbesondere das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept sowie die Abstimmung mit den Behörden über die Freigabe bzw. Freimessung der Baugrube fehlten.

30

Mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 35, Anlageband II, Bl. 460 - 463) wies der LBB ...[Z] die Klägerin darauf hin, dass nach der Ausschreibung kein Raum für eine Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen sei und die speziellen LAGA-Untersuchungen allein Sache der Klägerin seien. Zugleich wurde auf das Ende der Vertragsbauzeit am 14. Januar 2005 und die bisher von der Klägerin erst abgefahrene Menge von 2.500 m³ hingewiesen sowie die Kündigung des Bauvertrages bzw. Schadensersatzforderungen angekündigt, sofern die Klägerin die Arbeiten nicht bis zum 24. November 2004 wieder aufnehme.

31

Die Klägerin stellte am 17. November 2004 ihre dritte Abschlagsrechnung über 328.143,77 € (Anlage K 95, Anlageband III, Bl. 876 - 898) und rügte mit Schreiben vom 22. November 2004 (Anlage K 36, Anlageband II, Bl. 464 - 465) das Ruhen der Erdarbeiten seit ca. acht Wochen, was durch die Beklagte zu vertreten sei, weil sie die notwendigen LAGA-Untersuchungen nicht erbracht bzw. nicht vorgelegt habe. Sie verwies hinsichtlich der bauseitigen Pflicht zur Erbringung der LAGA-Analysen auf das Schreiben des LBB vom 4. Oktober 2004 und forderte die Beklagte auf, bis zum 24. November 2004 die wasserrechtliche Genehmigung zur Baumaßnahme und den Bescheid der SGD Süd hinsichtlich der Vorgehensweise zur definitiven Einstufung der Aushubmassen in die LAGA-Zuordnungswerte vorzulegen.

32

Der LBB verwies mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 (Anlageband III, Bl. 986 - 991) für die Beklagte darauf, dass die wasserrechtliche Genehmigung seit dem 17. Juni 2003 vorliege und dass die Beklagte aus den im Schreiben vom 12. November 2004 genannten Gründen aus praktischen und vertragsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sei, zusätzliche LAGA-Analysen des Bodens gemäß OZ 1.2.120 aushubbegleitend zu liefern. Der geotechnische Bericht der Nebenintervenientin zu 2. vom 27. November 2003 enthalte alle erforderlichen Untersuchungen für eine entgeltliche Einlagerung des Bodenaushubs; so verlange die Firma ...[D] keine zusätzlichen LAGA- Analysen zum Einlagern von Boden der Einbauklasse bis Z 1.1. Es müssten sämtliche 57.000 m³ der Position 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses (auch soweit diese ausschließlich Z 0 Material betrifft) von der Airbase abgefahren werden, ein Wiedereinbau auf dem Flugplatzgelände sei nicht möglich. Die Klägerin solle ihre Arbeiten innerhalb von acht Tagen wieder aufnehmen.

33

Am 8. Dezember 2004 stellte die Klägerin ihre vierte Abschlagsrechnung in Höhe von 367.494,69 € (Anlage K 42, Anlageband II, Bl. 493 - 509).

34

Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (Anlage K 37, Anlageband II, Bl. 466 - 467) darauf, dass die im November 2003 durchgeführten Bodenanalysen eine teils erhebliche Belastung des Bodens (LAGA-Einbauklasse Z 2) ergeben hätten und deshalb wegen Verdachtsmomenten auf Bodenbelastungen ausreichende LAGA-Analysen vor Abfuhr durchzuführen seien. Dies sei Praxis und könne über ein Zwischenlager geregelt werden, wobei wegen des Verdünnungsverbots aber die Bodenbereiche unterschiedlicher Zuordnungswerte vor Abfuhr abgegrenzt werden müssten. Da diese Abgrenzung von der Beklagten verweigert werde, sei die Klägerin an der Ausführung ihrer Arbeiten gehindert. Die Beklagte habe auch das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept nicht vorgelegt; dieser öffentlich-rechtliche Bescheid sei auch für die Klägerin maßgeblich. Die Beklagte solle einen schriftlichen Bescheid der SGD Süd vorlegen, welche weiteren Bodenuntersuchungen vor Abfuhr durchzuführen seien.

35

Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 (Anlage K 43, Anlageband II, Bl. 510) setzte die Klägerin der Beklagten eine Zahlungsfrist für die vierte Abschlags-rechnung bis zum 17. Januar 2005. Am 10. Februar 2005 stellte die Klägerin ihre sechste Abschlagsrechnung über 472.237,29 € (Anlage K 45, Anlageband II, Bl. 512 - 528).

36

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Anlage K 46, Anlageband II, Bl. 529 - 530), dass die zweite Abschlagsrechnung vom 25. Oktober 2004 in Höhe von 157.055,86 € festgestellt sei; weitere Forderungen würden nicht anerkannt, da die Klägerin die Erdarbeiten eingestellt habe und sich zu Unrecht auf einen Zahlungsverzug der Beklagten berufe.

37

Mit Schreiben vom 18. März 2005 (Anlage K 11, Anlageband I, Bl. 211 - 212) kündigte die Klägerin - nach entsprechender Androhung mit Schreiben vom 14. März 2005 (Anlage K 10, Anlageband I, Bl. 209 - 210) - das Vertragsverhältnis "aus wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B, da sie seit mehr als drei Monaten in der Bauausführung behindert sei und gem. § 9 Nr. 1 VOB/B, weil ihre Abschlagsrechnungen Nr. 3 bis 6 nicht bezahlt worden seien.

38

Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 23. März 2005 (Anlage K 104, Anlageband III, Bl. 930 - 934), da die Klägerin die Bauarbeiten zu Unrecht eingestellt habe. Das Angebot baubegleitender LAGA-Analysen sei ausreichend gewesen. Die Kosten für LAGA-Analysen zur Ermöglichung einer Verwertung der Erdmassen müsse die Klägerin selbst tragen.

39

Mit Schreiben vom 12. Mai 2005 (Anlage K 53, Anlageband II, Bl. 549) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die in der Zeit zwischen dem 16. und dem 22. September 2004 ausgehobenen ca. 2.300 m³ auf ein Zwischenlager in der Nähe der Rampe 5 gefahren worden seien und laut den inzwischen vorliegenden Untersuchungsergebnissen der LAGA-Einbauklasse Z 0 zugeordnet wor-den seien.

40

Am 4. Juli 2005 legte die mit der geotechnischen Fachbauüberwachung beauftragte Firma ...[C] GmbH ihren Bericht vor (Bl. 320 - 353 d. A.). Darin führte das Ingenieurbüro aus, dass die von der Klägerin ausgehobenen ca. 2.300 m³ aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II für einen Einbau auf der ...[A] nicht geeignet seien, bzw. dass ein Einbau abgelehnt worden sei (Bl. 342 d. A.).

41

Im weiteren Verlauf der Arbeiten forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Betonbodenplatte (Abstellfläche) im Bereich der Rampe 5 und die darunter eingebaute Tropfkörperschlackenschicht zurückzubauen.

42

Die von der Klägerin auszuführenden Arbeiten sind nach Angaben der Beklagten letztlich durch die Firma ...[E] aufgrund Bauvertrag mit dieser vom 21. März 2006/27. Juni 2006 (Bl. 701 - 702 d. A.) zu Ende geführt worden.

43

Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft auf. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 (Bl. 509 d. A.), dass dies nicht möglich sei; die Klägerin habe den Vertrag zu Unrecht gekündigt und der Beklagten stünden noch Zurückbehaltungsrechte bzw. Schadensersatzansprüche zu. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 (Anlage K 122, Bl. 464 d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, den Sicherheitseinbehalt nach § 17 VOB/B auf ein Verwahrgeldkonto einzuzahlen und entsprechende Nachweise bis zum 30. Oktober 2006 zu führen.

44

Im vorliegenden Prozess begehrt die Klägerin aus dem streitigen Vorhaben noch Restwerklohn gemäß Schlussrechnung vom 3. Juni 2005 (Anlage K 12, Anlageband I, Bl. 213 ff.) in Höhe von 218.540,25 €, wegen der vorzeitigen Vertragskündigung Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B in Form von entgangenem Gewinn bzw. Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB für Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen in Höhe von insgesamt 435.549,77 € (Anlage K 17, Anlageband II, Bl. 414 - 415) sowie Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft über 32.550 € zuzüglich eines Zinsschadens von 15.136,76 €.

45

Die Klägerin hat vorgetragen,

46

die Beklagte habe sich - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage am 4. Oktober 2004 - vertragswidrig geweigert, ausreichende LAGA-Untersuchungen vor dem Erdaushub zur Verfügung zu stellen. Ohne ausreichende LAGA-Analysen von jeweils 500 m³ Aushubmasse habe für die Klägerin die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat wegen unerlaubten Transportierens von "Abfall" bestanden. Durch die unberechtigte Weigerung ausreichender Analysen auf Kosten der Beklagten seien die Erdarbeiten mehr als drei Monate in Stillstand geraten. Zudem habe die Beklagte schuldhaft versäumt, die wasserrechtliche Genehmigung sowie ein von der SGD (schriftlich) bestätigtes Rückbaukonzept, aus dem sich auch die Verfahrensweise mit den LAGA-Analysen ergebe, vorzulegen. Ohne solche Unterlagen sei es der Klägerin nicht zumutbar gewesen, die Erdbauarbeiten fortzuführen.

47

Die Klägerin hat beantragt,

48

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 654.090,02 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2005 sowie weitere 15.138,76 € zu zahlen,

49

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde …[H] vom 24. Juni 2004 Nr. 727870 in Höhe von 32.550 € herauszugeben sowie an die Klägerin Avalkosten in Höhe von 0,5 % seit dem 1. November 2006 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

50

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. und zu 2. haben beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

53

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

54

2. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 1 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind.

55

Die Klägerin hat beantragt,

56

die Widerklage abzuweisen.

57

Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen haben vorgetragen,

58

die angeblich fehlenden LAGA-Analysen und das fehlende Rückbaukonzept seien nur vorgeschobene Gründe, in Wirklichkeit habe sich die Klägerin verkalkuliert. Nach den Ausschreibungsunterlagen müsse die Klägerin die Kosten etwaiger LAGA-Analysen selbst tragen. Die Klägerin habe bis zur Einstellung der Arbeiten nur einen geringen Teil des Erdaushubs (nur ca. 2.300 m³) bewältigt gehabt und erst nach Versagung des Einbaus dieses Materials im Bereich der Rampe 5 habe die Klägerin eine Vielzahl unbegründeter Behinderungsanzeigen abgegeben. Die Beklagte habe der Klägerin ab dem 16. September 2004 vergeblich baubegleitende Bodenanalysen "aus der Baggerschaufel" angeboten und auch über ein geeignetes Rückbaukonzept verfügt. Der konkrete Verwertungsweg sei für die Klägerin in Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses ersichtlich gewesen.

59

Der Klägerin stehe aus dem Bauvertrag allenfalls noch ein Restguthaben von 15.291,16 € zu, dem allerdings ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen des nicht erfolgten Rückbaus der Baustraße entgegenstehe.

60

Der Beklagten seien durch die unberechtigte Kündigung der Klägerin Mehrkosten entstanden durch die Beauftragung der Firma ...[E]; insoweit ergebe sich ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe von derzeit 297.423,67 €.

61

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch ein Grund- und Teilurteil die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Restwerklohnanspruch nur der Höhe nach streitig sei und deshalb insoweit ein Grundurteil ergehen könne. Aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F], denen sich das Gericht anschließe, seien aus derzeitiger Sicht zumindest Schadensersatzansprüche der Klägerin von bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie Schadensersatzansprüche von bis zu 226.619,50 € auf Ersatz entgangenen Gewinns nachvollziehbar. Deshalb sei auch ein Grundurteil zulässig über den der Klägerin gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B zustehenden Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten (§ 9 Nr. 1 a VOB/B) und wegen der Kündigung aus "sonstigem wichtigem Grund" (§ 314 Abs. 1 BGB bzw. § 6 Nr. 6 VOB/B).

62

Die Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin die erforderlichen LAGA-Analysen in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen, und dadurch schuldhaft ihre Vertragspflichten verletzt. Die Klägerin habe sich nicht der Gefahr einer ordnungswidrigkeiten- oder sogar strafrechtlichen Verfolgung durch die Abfuhr, Behandlung bzw. Beseitigung nicht ausreichend auf chemische Belastungen getesteten Erdaushubs aussetzen müssen. Die Beklagte habe deshalb durch die nicht ausreichenden LAGA-Analysen und ebenso mangels eines (rechtmäßigen und mit der SGD Süd abgestimmten) Rückbaukonzeptes die Klägerin über drei Monate bei ihren Erdarbeiten "behindert".

63

Die Beklagte sei nach dem Baugrundrisiko (§ 644 BGB) und aufgrund der Nebenbestimmungen zur wasserrechtlichen Genehmigung verpflichtet gewesen, die ca. 80.000 m³ auszuhebendes Erdreich nach den Richtlinien der LAGA untersuchen zu lassen, da es sich um eine militärische Liegenschaft gehandelt habe, bei der mit Bodenkontaminationen im Aushub zu rechnen gewesen sei. Wegen der absehbaren Umweltbelastung sei die Beklagte gemäß Nr. 30.4 der wasserrechtlichen Genehmigung ausdrücklich verpflichtet gewesen, die Anforderungen der LAGA zu beachten. Die Beklagte als öffentliche Behörde, die genehmigungspflichtige Erdbauarbeiten ausgeschrieben habe, hätte die bietenden Unternehmen zwingend von hoheitlichen Umweltauflagen für die ausgeschriebenen Arbeiten informieren müssen, was die Beklagte indes versäumt habe.

64

Die Beklagte sei hinsichtlich der 57.000 m³ Auffüllungen nach dem gültigen Abfallrecht (KrW-/AbfG) Abfallerzeugerin gewesen, weshalb nach den allgemeinen abfallrechtlichen Grundsätzen sowie gemäß Nr. 26.1.2 der wasserrechtlichen Genehmigung ein Rückbaukonzept erforderlich gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb schon bei der Ausschreibung der Beseitigung der 57.000 m³ Auffüllungen (Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses) organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der Umwelt schützenden Neben-bestimmungen in der wasserrechtlichen Genehmigung (§ 31 Abs. 3 WHG) und zur Vornahme systematischer Schadstoffanalysen nach LAGA sowie zum Separieren und zur nach Schadstoffklassen getrennten Beseitigung des anfallenden Erdaushubs treffen müssen.

65

Die Beklagte habe ihre Koordinierungspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B verletzt, indem sie kein systematisches Rückbaukonzept vorgelegt habe, in dem vorab festgelegt gewesen wäre, wie der Aushub des belasteten Erdreichs erfolgen solle, insbesondere wie viele Proben nach den LAGA-Richtlinien zu entnehmen seien (nach einem Beprobungsraster) und eine eindeutige Festlegung enthalten gewesen wäre, wo gegebenenfalls Zwischenlager eingerichtet würden und welche Arbeitsschritte geboten seien. Die Beklagte hätte in einem ordnungsgemäßen Rückbaukonzept - das der bauausführenden Firma auch auszuhändigen gewesen wäre - im Voraus eindeutig regeln können und müssen, ob die Nebenintervenientin zu 2. oder die Klägerin als Erdbaufirma für die vorgeschriebenen LAGA-Analysen zuständig sei. Das Fehlen einer systematischen Planung zur Beseitigung der Auffüllungen als "Abfall" und ebenso eines Rückbaukonzepts - dieses werde nicht durch den geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ersetzt - der Beklagten ergebe sich schon aus dem Streit der verschiedenen LBB-Mitarbeiter darüber, ob die Beklagte oder die Klägerin die Kosten der LAGA-Untersuchungen zu tragen habe (vgl. Schreiben der LBB vom 4. Oktober 2004 und vom 12. November 2004). Pflichtwidrig sei insbesondere, dass sich die Beklagte aus Kostengründen geweigert habe, eine den Richtlinien der LAGA und damit dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechende ausreichende Anzahl von LAGA-Analysen anzuordnen.

66

Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine engmaschige Beprobung vor Ort wie von der Klägerin verlangt - nämlich auf jeweils 500 m³ eine LAGA-Probe - allgemein üblich sei und am ehesten den Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung entspreche. Die von der Beklagten angebotene Möglichkeit der "baubegleitenden" Probenentnahme aus der Baggerschaufel sei zum einen auch engmaschig (je eine LAGA-Probe pro 500 m³) vorzunehmen, zum anderen zwar auch praktikabel, aber mit für die bauausführende Firma vermeidbaren Mehrkosten verbunden, weil dann der Aushub zunächst in ein Zwischenlager gebracht und nach Auswertung der Proben dann erneut aufgeladen werden müsse. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen habe die Klägerin aus Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses keinen Anhaltspunkt für eine Zwischenlagerung der 57.000 m³ Auffüllungen entnehmen können; die Beklagte habe auch keine Bereitschaft zur Übernahme der durch eine Zwischenlagerung entstehenden Zusatzkosten erklärt.

67

Die Ausschreibungsunterlagen der Beklagten seien hinsichtlich der Frage der LAGA-Analysen bzw. hinsichtlich der Frage eines abfallrechtlichen Rückbaukonzepts infolge eines Organisationsverschuldens der Beklagten lückenhaft. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung, Erdaushub nur nach (ausreichenden) LAGA-Analysen als "Abfall" entsorgen zu lassen, im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung nicht zivilrechtlich auf die Klägerin übertragen, da sie die Abwälzung der LAGA-Analytik nicht ausdrücklich in den Ausschreibungstext aufgenommen habe, obwohl es sich bei den Analysekosten um etwa 5 % der Auftragssumme gehandelt habe. In keiner Position des Leistungsverzeichnisses seien die nur der Beklagten bekannten Umweltauflagen der SGD Süd in der wasserrechtlichen Genehmigung erwähnt und nirgendwo werde darauf hingewiesen, dass ein Bieter LAGA-Analysen zu erbringen bzw. deren Kosten in die Einheitspreise einzukalkulieren habe. Dies ergebe sich auch nicht aus der Formulierung, dass der Bieter die Kosten der Separierung bzw. Deponierung des Materials trage.

68

Da die Beklagte ihre vertragliche Mitwirkungspflicht zur kostenfreien Stellung aussagekräftiger LAGA-Analysen (jeweils eine Probe je 500 m³) verletzt habe, zudem auch kein verwaltungsrechtlich vorgeschriebenes, dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechendes Rückbaukonzept für den altlastenverdächtigen Bereich vorgelegt habe, sei die Klägerin zur Kündigung des Bauvertrages gemäß § 9 Nr. 1, 3 VOB/B berechtigt gewesen. Dies begründe für die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatzansprüche.

69

Der Rechtswirksamkeit der Kündigung der Klägerin stehe auch kein eigenes erhebliches Fehlverhalten der Klägerin entgegen (§ 242 BGB). Selbst bei einem unbefugten Einbau von ca. 2.300 m³ - unstreitig unbelastetem - Erdaushub aus dem Bereich der Auffüllung in dem Bereich der Rampe 5 liege nur ein minder schwerer Vertragsverstoß der Klägerin vor. Denn es habe für die Klägerin ein schwer zu durchschauender Widerspruch bestanden zwischen der Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses (die entgegen dem abfallrechtlichen Wiederverwertungsgebot eine Deponierung auch unbelasteten Erdreichs außerhalb der Airbase vorgeschrieben habe) und den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses, die einem Wiedereinbau unbelasteten Erdaushubs auf der Airbase grundsätzlich den Vorrang gegeben hätten.

70

Da die Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen sei, folge daraus die Unbegründetheit des mit der Widerklage geltend gemachten und auf die angeblich unberechtigte Kündigung der Klägerin gestützten Schadensersatzanspruchs und Feststellungsantrags der Beklagten.

71

Gegen dieses Urteil des Landgerichts wenden sich die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen, mit denen sie die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin entsprechend der Widerklage erstreben.

72

Die Beklagte macht geltend,

73

das Grundurteil sei unzulässig, da es nicht sämtliche Anspruchsgrundlagen erledige. Die Klägerin habe mit der streitgegenständlichen Schlussrechnung sowohl Restwerklohnansprüche für erbrachte Leistungen als auch Zusatzvergütungsansprüche nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B, Schadensersatzansprüche gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB geltend gemacht. Das Landgericht habe aber nur einen Vergütungsanspruch und einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zugesprochen und insbesondere den Einwand der Beklagten gegen den Vergütungsanspruch, die Position 1.2.120 sei von der Klägerin deutlich unterkalkuliert und der ansonsten gegebene Vergütungsanspruch bereits hierdurch vollständig aufgezehrt worden, nicht erörtert.

74

Das Landgericht habe zu Unrecht die Kündigung der Klägerin als wirksam angesehen und etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber der Genehmigungsbehörde auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen, habe nicht bestanden. Selbst wenn ein Rückbaukonzept gefehlt hätte, hätte sich dies nicht kausal auf die Vertragsleistung der Klägerin ausgewirkt, weil jedenfalls nach dem 11. November 2004 Einigkeit darüber bestanden hätte, dass weitere 30 baubegleitende LAGA-Analysen gefertigt würden und der Aushub während dessen zwischengelagert werde. Diese Verfahrensweise hätte sichergestellt, dass sich die Klägerin nicht der Gefahr einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat aussetze, jedoch sei die Klägerin auf das Angebot der Beklagten zur Zwischenlagerung nach dem 6. Dezember 2004 nicht mehr zurückgekommen.

75

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] hätte die Klägerin jedenfalls 6.500 m³ ohne weitere Beprobung ausheben und zwischenlagern können; die Klägerin habe jedoch nur ca. 2.300 m³ ausgehoben, die Arbeiten dann eingestellt und den Vertrag fristlos gekündigt.

76

Das Landgericht habe verkannt, dass die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin nur partiell die Entsorgung umfasst hätten, da nur der Boden der Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses von der Klägerin zu entsorgen gewesen sei, während der tatsächlich belastete Boden unterhalb der Auffüllungen lediglich habe ausgehoben und auf Mieten zwischengelagert werden sollen.

77

Der Sachverständige habe auch bestätigt, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart nach abfallrechtlichen Bestimmungen zulässig gewesen sei. Daher sei die Leistung für die Klägerin durchführbar gewesen, allenfalls hätte der Klägerin dann ein Zusatzvergütungsanspruch aufgrund einer notwendigen Zwischenlagerung zugestanden.

78

Die Parteien hätten zunächst auch entsprechend dem ausgeschriebenen Konzept gearbeitet, nämlich Aushub durch die Klägerin mit Bodenproben durch die Nebenintervenientin zu 2., ohne dass die Klägerin Bedenken angemeldet habe. Die Klägerin habe dann - unzulässigerweise - den Aushub nicht entsorgt, sondern an der Rampe 5 abgekippt. Nachdem dies untersagt worden sei, hätten der Klägerin offenbar nicht einkalkulierte Transport- und Entsorgungskosten gedroht sowie der Wegfall der für den Einbau des Materials an der Rampe 5 kalkulierten Vergütung; erst dann habe die Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert. Diese Forderung sei unberechtigt gewesen, denn die Aushubmaßnahmen hätten fortgesetzt und die Erdmassen bis zur endgültigen Vorlage der LAGA-Analysen zwischengelagert werden können. Die Beklagte habe der Klägerin auch eine ca. 30 km entfernte Zwischenlagerungsmöglichkeit bei der Firma ...[D] ohne Notwendigkeit zusätzlicher LAGA-Anlaysen genannt. Auch auf der Airbase habe sich unmittelbar bei dem Baufeld eine Lagerfläche befunden, die für eine Zwischenlagerung des Aushubs für sieben Tage ausgereicht hätte und von der Klägerin temporär hätte genutzt werden können.

79

Das Landgericht habe ohne Grundlage eine Organisationspflicht der Beklagten angenommen, nur "ausreichend" nach LAGA-Bestimmungen getesteten Erdaushub lagern, behandeln, transportieren bzw. beseitigen/verwerten zu lassen. Dem Urteil könne auch nicht entnommen werden, durch welche konkrete Handlung die Beklagte gegen eine Koordinierungspflicht verstoßen habe.

80

Die Nebenintervenientin zu 1. macht darüber hinaus geltend,

81

dass Vertragsbestandteil der Klägerin auch das Musterblatt EVM ERG Abf (Abfall) (Bl. 573 d. A.) gewesen sei, wonach die Klägerin als Auftragnehmerin Abfallerzeuger geworden sei und die für eine Verwertung der Abfälle erforderlichen Nachweise zu erbringen gehabt habe. Damit sei eindeutig und ausschließlich die Klägerin für die LAGA-Analysen zuständig gewesen. Dies ergebe sich auch aus der Leistungsbeschreibung in C.0.1.10 und C.0.1.18. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, eine eigene Leistungsposition im Leistungsverzeichnis für die Erstellung von LAGA-Analysen aufzunehmen. Das vertragliche Leistungssoll der Klägerin habe alle Leistungshandlungen, die für das Lösen, Laden, Abtransportieren und Entsorgen des Aushubs zusammenhängen, umfasst. Die Klägerin hätte schon während der Ausschreibung darauf hinweisen müssen, wenn sie die in dem geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ausgewiesenen LAGA-Analysen nicht für zureichend gehalten habe. Die Beklagte hätte im Übrigen einseitig nach § 1 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B die LAGA-Analysen anordnen können und die Klägerin hätte dem dann nachkommen müssen und allenfalls anschließend sich um eine eventuelle Mehrvergütung kümmern dürfen.

82

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen,

83

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

84

1. die Klage abzuweisen,

85

2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

86

3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 2 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind,

87

hilfsweise die Revision zuzulassen,

88

hilfsweise das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

89

Die Klägerin beantragt,

90

die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. zurückzuweisen.

91

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. März 2012 Zwischenfeststellungsklage erhoben und beantragt nunmehr weiter,

92

festzustellen, dass die Kündigung vom 18. März 2005 der Klägerin, betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhaltebecken II, Projekt-Nummer 30974389", Bauvertrag vom 25. Mai 2004 aus Rechtsgründen begründet und berechtigt war,

93

hilfsweise festzustellen, dass die Kündigung des vorgenannten Bauvertrags aus Rechtsgründen gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B wirksam war.

94

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen hierzu,

95

die Anträge der Klägerin abzuweisen.

96

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Ergänzend macht sie geltend, die Beklagte habe trotz Aufforderung der Klägerin mit Fristsetzung zum 16. November 2004 kein entsprechendes Zwischenlager bereit gestellt und auch kein Zwischenlager bei der Firma ...[D] oder auf einem Baufeld der Airbase zugewiesen. Es sei auch keine konkrete Anordnung zur Zwischenlagerung erfolgt.

97

Die Beklagte sei wegen der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B verpflichtet gewesen, die wasserrechtliche Genehmigung zur Vertragsgrundlage zu erklären und deren Inhalt auch in tatsächlicher Hinsicht umzusetzen. Da eine gesonderte Beprobung des Bodens bei der Rampe 5 erfolgt sei, habe kein Anlass zur Forderung zusätzlicher LAGA-Analysen bestanden, solange der Erdaushub bei Rampe5 habe abgeladen werden können.

98

Es sei zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten angeordnet worden, dass die Klägerin vergütungspflichtig LAGA-Analysen als Zusatzleistung vorzunehmen habe.

99

Das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) sei ausschließlich Gegenstand des Vergabeverfahrens nach VOB/A, jedoch keine bindende vertragsrechtliche Regelung nach VOB/B. Es betreffe im Übrigen nur die Verwertung und die Beseitigung von als Abfall anzusehendem Material, greife somit erst ein, nachdem die richtige Art der Verwertung und Beseitigung durch vorab vorzunehmende LAGA-Analysen bestimmt worden sei.

100

Die von ihr nunmehr erhobene Zwischenfeststellungsklage sei zulässig, auch im Hinblick darauf, dass nicht ausgeschlossen sei, dass der Klägerin weitere Forderungen gegen die Beklagte zustünden, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens in der Hauptsache seien.

101

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. rügen die Unzulässigkeit der erhobenen Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug und im Hinblick auf die vollständige Erschöpfung des Sach- und Streitstandes durch das Urteil in der Hauptsache.

102

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 1195 - 1217 d. A.) sowie die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

103

Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. haben teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg, sind im Übrigen jedoch unbegründet.

104

1. Die Berufungen haben einen zumindest vorläufigen Erfolg, soweit sie sich gegen das Grundurteil des Landgerichts wenden. Dieses ist unzulässig und deshalb auf die Hilfsanträge der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

105

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe unstreitig noch ein Restwerklohnanspruch in Höhe von zumindest 15.291,15 € zu. Außerdem stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch (§ 6 Nr. 6 VOB/B) aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages dem Grunde nach zu, der nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] zumindest bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie bis zu 226.619,50 € wegen entgangenen Gewinns nachvollziehbar sei. Insoweit könne der Klage durch ein Grundurteil stattgegeben werden.

106

Das Landgericht hat sodann Ausführungen zur Berechtigung der Klägerin, den Werkvertrag wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B sowie aus "sonstigem wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B/§ 314 Abs. 1 BGB zu kündigen, gemacht und mehrere Pflichtverletzungen der Beklagten festgestellt.

107

Das Grundurteil des Landgerichts ist indes unzulässig und daher aufzuheben. Denn der Erlass eines Grundurteils ist nur zulässig, wenn alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind (BGH BauR 2007, 429 m. w. N.). Dies ist nach den bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall.

108

Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.). Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt. Denn hinsichtlich eines Gesamtanspruchs, der sich aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt, kann ein Grundurteil nur ergehen, wenn der geltend gemachte Gesamtanspruch auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht und das Gericht diesen festgestellt hat (BGH a. a. O.).

109

Ein einheitlicher Grund in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn sich die einzelnen in eine Gesamtforderung eingestellten Rechnungspositionen auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (BGH a. a. O. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

110

Entscheidend ist insoweit, ob die für die Rechtfertigung der geltend gemachten Einzelpositionen bereits dem Grunde nach zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen identisch sind und auf demselben Sachverhalt beruhen. Das kann bei Rechnungspositionen, die auf Nachtragsforderungen, gestützt etwa auf § 2 Nr. 5, Nr. 6 VOB/B, oder auf Behinderungsschaden im Sinne des § 6 Nr. 6 VOB/B gegründet sind, nicht bejaht werden (BGH a. a. O.).

111

Nach der Klagebegründung begehrt die Klägerin neben einem Restvergütungsanspruch, gestützt auch auf Nachträge, auch Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns sowie Ersatz der Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen (vgl. Bl. 114 d. A.). Mit ihrer Schlussrechnung macht die Klägerin Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen, Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB sowie Ansprüche auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B (vgl. Positionen 99.2.60 bis 99.2.90) und Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B geltend.

112

Bei einer derartigen Sachlage darf ein Grundurteil nur erlassen werden, wenn das Gericht für jeden dieser verschiedenen Ansprüche nach der für diesen festzustellenden Tatsachengrundlage in Anwendung der maßgeblichen Klauseln der VOB/B einen Anspruch dem Grunde nach bejaht und für wahrscheinlich erachtet, dass er in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.).

113

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung lediglich einen Restvergütungsanspruch als unstreitig dem Grunde nach geprüft und zuerkannt sowie einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B, hingegen zu den weiter geltend gemachten Ansprüchen und den Anspruchsvoraussetzungen der verschiedenen Schadensersatzforderungen der Klägerin keine Ausführungen gemacht. So bedarf es beispielsweise für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns auch bei festgestellter Behinderung der Arbeitsausführung durch von der Beklagten zu vertretende Umstände als weitere Anspruchsvoraussetzung gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit der Beklagten. Zu dieser zum Grund des Anspruchs zählenden Prüfung fehlen Feststellungen des Landgerichts ebenso wie zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B.

114

Das Grundurteil des Landgerichts ist daher aufzuheben.

115

2. Dies führt indes nicht zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Verhandlung und Entscheidung über die gesamte Klageforderung, da entsprechend dem Antrag der Klägerin durch Zwischenfeststellungsurteil die entscheidungserhebliche Vorfrage der Beendigung des Werkvertrages der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 festgestellt und damit zugleich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund des landgerichtlichen Teilurteils über die Abweisung der Widerklage beseitigt werden kann.

116

Die besonderen Prozessvoraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage sind vorliegend gegeben, die von der Klägerin erhobene Zwischenfeststellungsklage ist damit zulässig.

117

Gegenstand der vorliegenden Zwischenfeststellungsklage, der gemäß § 256 Abs. 2 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein kann, sind die aus der erfolgten Kündigung entstandenen Rechtsbeziehungen der Parteien. Die Klägerin hat insoweit beantragt festzustellen, dass ihre Kündigung vom 18. März 2005 begründet und berechtigt gewesen sei. Dieser Antrag ist dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin die wirksame Beendigung des mit der Beklagten geschlossenen Bauvertrages durch ihre Kündigung vom 18. März 2005 - und damit das Nichtbestehen bzw. die Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses - festgestellt haben will.

118

Dieses zu klärende Rechtsverhältnis ist auch für die Entscheidung der Hauptsache präjudiziell, da sowohl die Begründetheit der Klageforderung als auch - inzidenter - die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche davon abhängen. Wäre die Kündigung der Klägerin nicht berechtigt und damit unwirksam gewesen, stünden ihr die verschiedenen Schadensersatzansprüche nicht zu und die auf die Unbegründetheit der klägerischen Kündigung gestützten Schadensersatzansprüche, die von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemacht werden, wären grundsätzlich berechtigt.

119

Die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage ist darüber hinaus nur zulässig, wenn die zu klärenden Rechtsbeziehungen nicht bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt werden. Es genügt allerdings grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit, dass das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (BGH BauR 2011, 1324 mit weiteren Nachweisen). Hier verfolgt die Klägerin mehrere Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis. Die Entscheidung über die Berechtigung der wegen der fehlenden Mitwirkung der Beklagten und Behinderung der Klägerin durch die Beklagte geltend gemachten Schadensersatz- und Restvergütungsansprüche der Klägerin schließt nicht aus, dass der Klägerin noch andere (Schadensersatz-)Forderungen gegen die Beklagte aus dem Werkvertrag über die Erdarbeiten an dem Regenrückhaltebecken zustehen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens in der Hauptsache sind. Insoweit käme es dann auf die Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 an, worüber in der Hauptsache nicht rechtskräftig entschieden wird. Zudem begründet nach Auffassung des Senats auch der Umstand, dass mit der Zwischenfeststellung auch innerprozessual eine abschließende Vorfragenklärung für die umfangreiche, abgestufte - auch innerhalb der Tatsacheninstanz und zumal als Weichenstellung für erheblichen Beweiserhebungsaufwand - Abwicklung des Gesamtstreitwerts verbunden ist, die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage.

120

Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass diese erst in der Berufungsinstanz erhoben wurde (BGH NJW-RR 2012, 849). Auch musste die Zwischenfeststellungsklage nicht innerhalb der Berufungserwiderungsfrist mittels einer Anschlussberufung erhoben werden. Zwar muss als Zulässigkeitsvoraussetzung das Urteilsverfahren über die Hauptklage zwischen den gleichen Parteien in einer Tatsacheninstanz noch hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig sein, so dass nach einer Vorabentscheidung über den Grund eine Zwischenfeststellungsklage im Betragsverfahren grundsätzlich nicht mehr zulässig ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rdnr. 22 mit weiteren Nachweisen), es sei denn, dass es insoweit nur um eine für das Betragsverfahren erhebliche Vorfrage geht. Vorliegend ist die Hauptklage noch in einer Tatsacheninstanz hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig. Die Notwendigkeit einer Anschlussberufung zur Erhebung der Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug ergibt sich jedenfalls dann nicht, wenn die Zwischenfeststellungsklage - wie hier - offensichtlich hilfsweise für den Fall des Erfolgs oder des Teilerfolgs der Berufung, nämlich hier der Aufhebung des Grundurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits, erhoben wird. Denn dann handelt es sich bei dem Zwischenfeststellungsantrag um einen Hilfsantrag, für dessen Erhebung es der Einlegung einer Anschlussberufung nicht bedarf, da es sich um ein Minus gegenüber dem Hauptantrag handelt.

121

Die Zwischenfeststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat den Bauvertrag mit der Beklagten wirksam gekündigt, da die Beklagte zu Unrecht der Forderung der Klägerin nach einer LAGA-Analyse je 500 m³ Erdaushub nicht nachgekommen ist und die Klägerin deshalb gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B zur Kündigung des Vertrages berechtigt war.

122

Nach § 9 Nr. 1 a VOB/B (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 2002, welche für das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung findet) kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den Auftragnehmer außerstande setzt, die Leistung auszuführen. Zu Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte verpflichtet war, die von der Klägerin geforderten (zusätzlichen) LAGA-Analysen von einer Probe je 500 m³ Erdaushub auf Kosten der Beklagten durchzuführen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils und schließt sich diesen vollumfänglich an. Auch das Vorbringen der Berufungsbegründungen gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

123

Die Beklagte rügt ohne Erfolg, das Landgericht habe in verfehlter Weise etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zwischen der Genehmigung erteilenden Behörde und der Beklagten als Genehmigungsadressatin auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Ob die Beklagte ein "Organisationsverschulden" trifft wegen eines fehlenden Rückbaukonzepts und ob ein solches überhaupt kausale Auswirkungen auf die Vertragsleistung der Klägerin gehabt hätte, kann aber vorliegend dahinstehen.

124

Maßgeblich ist nämlich, dass die Klägerin zu Recht eine intensivere Beprobung des Bodenaushubs von der Beklagten auf deren Kosten verlangt hat, was von der Beklagten verweigert wurde, und die Beklagte auch kein Zwischenlager benannt hat, auf das alternativ der Erdaushub hätte zunächst verbracht werden können.

125

Die Berufung der Beklagten macht ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe nicht ausreichend begründet, warum die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen sei, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte als Bauherrin verpflichtet war, der Klägerin kein Verhalten bei der Arbeitsausführung abzuverlangen, das diese der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ausgesetzt hätte. Da jedoch der Transport unbeprobten oder nur unzureichend beprobten Erdaushubs genau diese Gefahr begründet hätte, war die Beklagte aufgrund des Bauvertrages mit der Klägerin verpflichtet, entweder den Erdaushub vor dem Transport ausreichend analysieren zu lassen oder der Klägerin ein ausreichendes Zwischenlager zuzuweisen.

126

Die Verpflichtung, Inhalte einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung zum Vertragsinhalt zu machen, ergibt sich zum einen aus § 4 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 4 VOB/B, wonach der Auftraggeber die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse - zum Beispiel nach dem Wasserrecht - herbeizuführen hat und der Auftragnehmer die Anordnungen des Auftraggebers auf Verlangen auszuführen hat, wenn nicht gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegen stehen. Daraus lässt sich ersehen, dass der Auftraggeber von dem Auftragnehmer nichts verlangen darf, was für diesen zu einem Verstoß gegen Gesetze oder behördliche Bestimmungen führen würde. Auf diese Weise sind auch die Inhalte einer dem Auftraggeber erteilten öffentlich-rechtlichen Genehmigung für die Vertragsparteien relevant und deshalb von dem Auftraggeber jedenfalls vor Vertragsschluss offen zu legen, damit der Auftragnehmer sich darauf einstellen kann. Ebenso lässt sich diese Verpflichtung des Auftraggebers als Nebenpflicht aus dem Werkvertrag herleiten.

127

Zu Recht verweist die Beklagte deshalb darauf, dass es im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich darauf ankommt, ob die Beklagte bei der Ausschreibung und/oder im Folgenden bei der konkreten Ausführung der Arbeiten gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen hat. Dies hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.

128

Hiergegen erinnert die Berufung der Beklagten ohne Erfolg, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart für die Klägerin durchführbar gewesen sei, ohne dass sie dabei gegen abfallrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte, da nach den Angaben des Sachverständigen Dr. ...[F] es vom Ablauf her auch möglich gewesen sei, die Proben baubegleitend beim Aushub zu entnehmen und das Erdreich eine Woche auf Zwischenmieten einzulagern. Zutreffend ist, dass der Sachverständige Dr. ...[F] diese Alternative als ebenso mögliche und ausreichende Art der Beprobung dargestellt hat (Bl. 1013 d. A.). Jedoch hat der Sachverständige hierzu weiter angegeben, dass diese Verfahrensweise aus den Ausschreibungsunterlagen nicht zu erkennen gewesen sei (Bl. 1015 - 1016 d. A.) und es sich dabei um eine Störung im Bauablauf handele, weil der Erdaushub zweifach bewegt werden müsse. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats eine Pflicht der Beklagten, die Bieter/Klägerin noch vor der Abgabe ihres Angebots auf diese Verfahrensweise hinzuweisen, damit das Angebot entsprechend preislich kalkuliert werden kann.

129

Die Beklagte vermag auch nicht darauf zu verweisen, dass die Klägerin auch bei Fehlen eines Hinweises auf eine notwendige Zwischenlagerung des Aushubs in der Ausschreibung diese Verfahrensweise hätte durchführen können und müssen und ihr möglicherweise dann nur ein Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung zugestanden hätte. Zutreffend ist, dass der Klägerin ein Mehrvergütungsanspruch zugestanden hätte, indes fehlte es an einer verbindlichen Anordnung dieser Verfahrensweise durch die Beklagte ebenso wie an der verbindlichen Zuweisung eines geeigneten Zwischenlagers. Allein der Umstand, dass auf dem Gebiet der ...[A] Lagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hätte es einer konkreten Anordnung der Beklagten bedurft, auf welchen konkreten Flächen die Klägerin den Erdaushub hätte zwischenlagern sollen. Die Lagerflächen auf der Airbase waren nämlich nicht für den hier vertragsgegenständlichen Aushub vorgesehen, sondern für die Lagerung von Sanden, weshalb es einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten zur Nutzung dieser Lagerflächen als Zwischenlager für den Erdaushub bedurft hätte. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll der Baustellenbesprechung vom 15. September 2004 (Bl. 1332 - 1333 d. A.) ergibt sich nur die allgemeine Information über die vorhandenen plangemäßen Lagerflächen auf dem Airbasegelände, nicht jedoch eine Anweisung an die Klägerin, entgegen der ursprünglichen Planung dort den Erdaushub statt der Sande zwischenzulagern.

130

Ebenso ist nicht maßgeblich, dass angeblich bei der Firma ...[D] Zwischenlagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, da dieses Gelände außerhalb der Baustelle lag und somit ein Transport dorthin über öffentliche Straßen erforderlich gewesen wäre, der wiederum eine vorherige ausreichende Beprobung des Aushubmaterials vorausgesetzt hätte.

131

Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten, dass die Parteien das von der Beklagten ausgeschriebene Konzept von Baubeginn an durchgeführt hätten, ohne dass von der Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert worden seien, und die Klägerin diese Forderung erst erhoben habe, nachdem sie den Boden nicht bei der Rampe 5 habe einbauen können. Daraus lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen, dass die Forderung der Klägerin nach ausreichenden LAGA-Analysen ein vorgeschobener Kündigungsgrund sei, um eine Fehlkalkulation zu verdecken, die sich dadurch ergeben habe, dass der Erdaushub nicht bei Rampe 5 habe eingebaut werden können.

132

Vielmehr kann ebenso Auslöser der Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen gewesen sein, dass die Klägerin - wie sie in ihrer Berufungserwiderung geltend macht - zunächst wegen der bei Rampe 5 durchgeführten Beprobung des dort einzubauenden Materials keine Veranlassung zu weiteren LAGA-Analysen gesehen habe, da ihr Erdaushub ja bei Rampe 5 entsprechend analysiert worden sei. Somit habe sich erst, nachdem dort der Einbau verweigert worden und somit die dortige Analysierung entfallen sei, die Notwendigkeit des Transports des Aushubs über öffentliche Straßen und damit das Erfordernis vorheriger Beprobung und Einordnung in LAGA-Klassen ergeben, weshalb die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen auch erst dann erhoben worden sei. Dieser Geschehensablauf erscheint ebenso plausibel wie der von der Beklagten dargestellte. Der Senat vermag auch unter Heranziehung der Gesamtumstände nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Klägerin nur wegen einer Fehlkalkulation die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen aufgestellt und dann wegen Behinderung durch die Beklagte sowie aus sonstigem wichtigem Grund gekündigt hätte.

133

Die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen stellt entgegen der Auffassung der Beklagten auch keinen Verstoß gegen das Kooperationsgebot dar. Zwar hätte es nicht zwingend der vorherigen Durchführung von LAGA-Analysen bedurft, wenn die Erdmassen zwischengelagert worden wären. Die Beklagte hat jedoch, wie ausgeführt, der Klägerin kein geeignetes Zwischenlager zugewiesen. Die Forderung nach LAGA-Analysen in ausreichender Zahl für den wegen des Fehlens einer geeigneten Zwischenlagerstätte notwendigen Transport des Erdaushubs stellt daher kein vertragswidriges Verhalten der Klägerin dar.

134

Die Beklagte verweist auch zu Unrecht darauf, dass die Klägerin lediglich den Aushub der Position 1.2.120 zu entsorgen hatte und sich im Übrigen mit der Entsorgung des unterhalb der Auffüllungen ausgehobenen und kontaminierten Materials nicht zu befassen gehabt habe. Das Leistungsverzeichnis sieht in Position 1.2.120 die Entsorgung von Aushub bis zur Klasse Z 1.1 vor, über die Position 1.2.125 die Entsorgung von Boden der LAGA-Klassen Z 1.1 bis Z 2, des Weiteren über die Positionen 1.2.150, 1.2.155 und 1.2.160 die Entsorgung von Boden, humosen Schichten und Tonen. Nach der Beschreibung in der Position 1.2.145 des Leistungsverzeichnisses handelte es sich bei dem Boden unterhalb der Auffüllungen um gewachsenen Boden, der nach der Definition der LAGA immer als Z 0 einzustufen ist. Eine ersichtliche Kontaminierung des Bodens unterhalb der Auffüllungen ist daher nicht nachvollziehbar.

135

Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, sie habe keine LAGA-Analysen auf die Klägerin abwälzen wollen, vielmehr seien ja von der Nebenintervenientin zu 2. die notwendigen LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden. Zwar hat die Beklagte die Nebenintervenientin zu 2. mit der Durchführung der LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten beauftragt, indes war die Anzahl der von der Nebenintervenientin zu 2. entnommenen Proben nicht ausreichend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die von der Klägerin - zu Recht - geforderten zusätzlichen Analysen hat die Beklagte jedoch unstreitig als nicht notwendig verweigert, weshalb für die Beklagte nach ihrem Berufungsvortrag "auch insoweit die Kostentragung diesbezüglich nicht in Rede stand". Da die Beklagte somit die erforderlichen Analysen nicht auf eigene Kosten durchführen lassen wollte, hat sie gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen, weshalb die Klägerin den Werkvertrag zu Recht vorzeitig gekündigt hat.

136

Die fristlose Kündigung der Klägerin ist auch nicht deshalb unberechtigt, wie die Beklagte meint, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] die Klägerin ohne Notwendigkeit einer weiteren Beprobung sogar 6.500 m³ Erdmaterial hätte ausheben können statt der nur tatsächlich ausgehobenen 2.300 m³. Denn der Sachverständige Dr. ...[F] hat hierzu auch erklärt (Bl. 1114 - 1115 d. A.), dass die vorvertraglich von der Nebenintervenientin zu 2. geschaffenen 19 Probenahmestellen zwar der Klägerin theoretisch ermöglicht hätten, an jeder dieser Stellen mit den Aushubarbeiten zu beginnen und so insgesamt 6.500 m³ auszuheben und zwischenzulagern, dies aber ungewöhnlich gewesen wäre. Zudem wäre die Klägerin zu einer derartigen Arbeitsweise, die offensichtlich zeitliche Verzögerungen mit sich bringt und aus der Ausschreibung nicht zu ersehen war, nur bei einer entsprechenden Anordnung der Beklagten - die nicht erfolgte - und nur gegen Erstattung der entstehenden Mehrkosten verpflichtet gewesen.

137

Die Beklagte verweist im Übrigen ohne Erfolg darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 - = NJW 2012, 518) das Risiko der fehlenden genauen LAGA-Zuordnung dem Auftragnehmer zuzuweisen sei und die Klägerin deshalb die Kosten für die Einholung weiterer Analysen als den mit der Ausschreibung vorgegebenen hätte einkalkulieren müssen, somit die weitere Leistungserbringung nicht hätte von der Übergabe weiterer LAGA-Analysen abhängig machen dürfen.

138

Der Bundesgerichtshof hatte in der herangezogenen Entscheidung einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem in den Ausschreibungsunterlagen keine Angaben zu der Einordnung des Bodens in die verschiedenen LAGA-Zuordnungswerte gemacht wurden und ein regelmäßig belasteter Boden vorausgesetzt wurde. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof sodann ausgeführt, dass sich die Auftragnehmerin an diesem Aussagewert des Vertrags festhalten lassen müsse, auch wenn sie insoweit ein Risiko eingegangen sei.

139

Im vorliegenden Rechtsstreit hingegen hatte die Beklagte Angaben zu den verschiedenen LAGA-Zuordnungswerten des auszuhebenden Materials in der Ausschreibung gemacht (vgl. Leistungsverzeichnis, Anlageband I, Bl. 30); die Klägerin hat sich darauf eingestellt und entsprechend kalkuliert.

140

Der Fall, dass während der Arbeitsausführung überraschend eine Kontaminierung des zur Weiterverwendung vorgesehenen Aushubs festgestellt worden wäre und deshalb eine Mehrvergütung zu zahlen sei, liegt im hiesigen Streitfall gerade nicht vor. Vielmehr handelt es sich vorliegend um die Frage, ob die Beklagte gehalten war, die gerade für die Einordnung des Aushubmaterials in die verschiedenen zu erwartenden LAGA-Klassen erforderlichen Analysen auf eigene Kosten durchzuführen oder auf die Kostentragung durch den Auftragnehmer hinzuweisen, alternativ in der Ausschreibung auf die Notwendigkeit einer Zwischenlagerung des Aushubs hinzuweisen. Zu dieser Problematik lässt sich der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nichts entnehmen.

141

Vielmehr weist der Bundesgerichtshof dort darauf hin, dass durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten werden, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung komme dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu; bei Ausschreibungen nach VOB/A sei für die Frage, wie dieser Wortlaut zu verstehen sei, der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter maßgeblich (BGH a. a. O.).

142

Die Auslegung habe zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten dürfe. Deshalb dürfe der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen wolle. Nach diesen Anforderungen sei die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen könnten. Dem Auftragnehmer dürfe kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen könne. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, zum Beispiel Boden- und Wasserverhältnisse, seien so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne.

143

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze des Bundesgerichtshofs ergibt sich vorliegend gerade, dass nach den Ausschreibungsunterlagen die Klägerin Boden verschiedener LAGA-Klassen zu erwarten hatte und sich dementsprechend auf die Entsorgung einstellen musste. Allerdings war den Ausschreibungsunterlagen, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegt hat, nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] nicht zu entnehmen, dass die nach den LAGA-Richtlinien erforderlichen Analysen nicht durch die Beklagte durchgeführt würden, sondern von dem Auftragnehmer selbst auf eigene Kosten einzuholen seien. Da es sich bei diesen Kosten jedoch um einen erheblichen, den Angebotspreis maßgeblich beeinflussenden Faktor handelt - wie bereits von dem Landgericht zutreffend dargelegt -, durfte die Klägerin die Ausschreibung nach den oben dargestellten Grundsätzen gerade so verstehen, dass diese Kosten jedenfalls nicht von dem Auftragnehmer zu tragen seien. Dem entspricht auch, dass die Beklagte unstreitig eine gewisse - allerdings nicht ausreichende - Anzahl LAGA-Analysen auf ihre Kosten durch die Nebenintervenientin zu 2. sowohl vor als auch während der Arbeitsausführung durchführen ließ. Damit bestand von dem Empfängerhorizont des Bieters aus keine Veranlassung, von einer Kostentragungspflicht des Auftragnehmers für die Durchführung der übrigen erforderlichen LAGA-Analysen auszugehen.

144

Auch die Nebenintervenientin zu 1. verweist mit ihrer Berufung erfolglos darauf, dass die Klägerin mit ihrem Angebot auch das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) als Vertragsbestandteil angekreuzt habe. Die Klägerin habe deshalb nach der dortigen Nr. 2.2 anstelle der Beklagten als Auftraggeberin die Pflichten zur Verwertung und Beseitigung der Abfälle unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen, insbesondere abfallrechtlichen Bestimmungen sowie des Standes der Technik übernommen und die von der Auftraggeberin zu erbringenden Nachweise zu führen gehabt. Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin zu 1. lässt sich daraus nicht die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung der LAGA-Analysen auf eigene Kosten herleiten. Der Sachverständige Dr. ...[F] hat gerade auf diesen erstinstanzlichen Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. hin ausgeführt (Bl. 773 - 774 d. A.), dass in dem Leistungsverzeichnis kein Hinweis auf eine Kostenübernahme der LAGA-Analysen durch den Bieter enthalten sei und es somit eine Rechtsfrage sei, ob dieses Formblatt dem Leistungsverzeichnis vorgehe. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass unklare Formulierungen zu Lasten der Beklagten gehen. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Somit kann aufgrund der widersprüchlichen Vorgaben in den gesamten Ausschreibungsunterlagen keine vertragliche Leistungsbeschreibung des Inhalts, dass der Auftragnehmer die LAGA-Analysen durchzuführen und zu bezahlen habe, angenommen werden. Eine solche Leistungsbeschreibung wollte die Beklagte nach ihrem ausdrücklichen Vortrag im Übrigen selbst nicht vornehmen, da sie nach ihrer Auffassung selbst zur Durchführung der notwendigen LAGA-Analysen verpflichtet war und lediglich Streit mit der Klägerin über die erforderliche Anzahl der Analysen entstand. Soweit somit der Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. dem Vortrag der Beklagten als der von ihr unterstützten Hauptpartei widerspricht, ist er zudem ohnehin unbeachtlich (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, a. a. O., § 67 Rdnr. 9 m. w. N.).

145

Da die Kündigung der Klägerin mithin zu Recht erfolgte, ist auf den Antrag der Klägerin die Beendigung des Bauvertrages durch diese Kündigung festzustellen.

146

3. Der Rechtsstreit ist deshalb nach der Aufhebung des Grundurteils nur im Übrigen zurückzuverweisen, da über den Grund der Klageansprüche nochmals zu befinden ist und der Streit über den Betrag der Ansprüche nicht zur Entscheidung reif ist, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO. Da insoweit eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen ist, sieht der Senat von einer eigenen Sachentscheidung, die über die Zwischenfeststellungsklage hinausgeht, ab.

147

4. Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gegen das die Widerklage der Beklagten abweisende Teilurteil sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

148

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt, dass wegen der berechtigten Kündigung des Bauvertrages durch die Klägerin der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen dieser Kündigung zusteht und die Beklagte deshalb auch nicht die Feststellung einer Ersatzpflicht der Klägerin für einen weitergehenden Kündigungsfolgeschaden verlangen kann. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich an.

149

Das Teilurteil, dessen Zulässigkeit die Aufhebung des Grundurteils aufgrund des Zwischenfeststellungsurteils des Senats nicht entgegen steht (vgl. BGH NJW-RR 2012, 849), ist deshalb aufrecht zu erhalten.

150

5. Über die Berufungskosten kann hinsichtlich des - feststehenden - Anteils der endgültig abgewiesenen Widerklage nach § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4, § 101 ZPO endgültig entschieden werden. Im Übrigen wird die Kostenentscheidung vom Ausgang des zurückverwiesenen Teilstreits abhängen. Sie ist deshalb insoweit dem Landgericht vorzubehalten, ebenso wie diejenige über die erstinstanzlichen Kosten.

151

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

152

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs. Grundsätzliche Bedeutung kommt keiner der in dem Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen zu, insbesondere nicht im Rahmen der erfolgten Zwischenfeststellung.

153

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 981.513,09 € festgesetzt (Klage 654.090,02 €, Widerklage 297.423,67 € + 30.000 € = 327.423,67 €).

(1) Der Abfallerzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, hat dem Deponiebetreiber rechtzeitig vor der ersten Anlieferung die grundlegende Charakterisierung des Abfalls mit mindestens folgenden Angaben vorzulegen:

1.
Abfallherkunft (Abfallerzeuger oder Einsammlungsgebiet),
2.
Abfallbeschreibung (betriebsinterne Abfallbezeichnung, Abfallschlüssel und Abfallbezeichnung nach der Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung),
2a.
Ergebnis der Prüfung der Verwertbarkeit und Verwertungsmöglichkeiten,
3.
Art der Vorbehandlung, soweit durchgeführt,
4.
Aussehen, Konsistenz, Geruch und Farbe,
5.
Masse des Abfalls als Gesamtmenge oder Menge pro Zeiteinheit,
6.
Probenahmeprotokoll nach Anhang 4 Nummer 2,
7.
Protokoll über die Probenvorbereitung nach Anhang 4 Nummer 3.1.1,
8.
zugehörige Analysenberichte über die Einhaltung der Zuordnungskriterien nach Anhang 3 Nummer 2 für die jeweilige Deponie, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 2,
9.
bei gefährlichen Abfällen zusätzlich Angaben über den Gesamtgehalt ablagerungsrelevanter Inhaltsstoffe im Feststoff, soweit dies für eine Beurteilung der Ablagerbarkeit erforderlich ist,
10.
bei gefährlichen Abfällen im Fall von Spiegeleinträgen zusätzlich die relevanten gefährlichen Eigenschaften,
11.
bei Abfällen nach Anhang V Teil 2 der Verordnung (EU) 2019/1021 in der jeweils geltenden Fassung, bei denen die Konzentrationsgrenzen der in Anhang IV derselben Verordnung aufgelisteten Stoffe überschritten sind und die auf einer Deponie der Klasse IV abgelagert werden sollen, ein von der zuständigen Behörde genehmigter Nachweis nach Artikel 7 Absatz 4 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung (EU) 2019/1021,
12.
Vorschlag für die Schlüsselparameter und deren Untersuchungshäufigkeit.
Soweit nach § 50 oder § 51 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit Teil 2 der Nachweisverordnung Entsorgungsnachweise oder Sammelentsorgungsnachweise zu führen sind, können die nach Satz 1 Nummer 1 bis 5 vorzulegenden Angaben durch die verantwortliche Erklärung nach der Nachweisverordnung ersetzt werden. Soweit im Fall von Satz 2 Deklarationsanalysen vorzulegen sind, sind die Analysenberichte nach Satz 1 Nummer 8 nur für die darüber hinaus erforderlichen Zuordnungskriterien gesondert vorzulegen. Zum 16. Juli 2009 vorliegende grundlegende Charakterisierungen und festgelegte Schlüsselparameter gelten bis zum Ende einer eventuellen Befristung fort. Der Deponiebetreiber hat vor der ersten Annahme eines Abfalls, ausgenommen Abfälle nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2, die Schlüsselparameter für die Kontrolluntersuchungen festzulegen. Führen Änderungen im abfallerzeugenden Prozess zu relevanten Änderungen des Auslaugverhaltens oder der Zusammensetzung des Abfalls, hat der Erzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, dem Deponiebetreiber erneut die nach Satz 1 erforderlichen Angaben vorzulegen. Der Deponiebetreiber hat in diesem Fall die Schlüsselparameter für die Kontrolluntersuchungen erneut festzulegen. Die Beprobung sowie die Abfalluntersuchungen für die Angaben nach den Sätzen 1, 3 und 6 sind nach Maßgabe des Anhangs 4 durchzuführen.

(2) Abfalluntersuchungen für die grundlegende Charakterisierung nach Absatz 1 sind nicht erforderlich

1.
bei asbesthaltigen Abfällen,
2.
bei Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, bei Abfällen nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2 sowie
3.
bei Abfällen, über die alle notwendigen Informationen zum Auslaugverhalten und zur Zusammensetzung bekannt und gegenüber der für die Deponie zuständigen Behörde nachgewiesen sind.
Bei geringen Mengen kann auch bei anderen Abfällen, soweit Art und Herkunft bekannt sind, mit Zustimmung der für die Deponie zuständigen Behörde auf die Abfalluntersuchungen nach Satz 1 verzichtet werden. Satz 1 Nummer 1 und 2 gilt bei asbesthaltigen Abfällen und bei Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, nur, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Abfälle andere schädliche Verunreinigungen enthalten.

(3) Der Abfallerzeuger, bei Sammelentsorgung der Einsammler, hat die Abfälle, die abgelagert werden sollen, stichprobenhaft je angefangene 1 000 Megagramm, mindestens aber jährlich, zu beproben und die Schlüsselparameter auf Einhaltung der Zuordnungskriterien des Anhangs 3 Nummer 2 für die jeweilige Deponie zu überprüfen. Bei Abfällen, die nicht regelmäßig anfallen, ist eine Untersuchung nach Satz 1 nicht erforderlich, wenn die gesamte zu deponierende Abfallmenge im Rahmen der grundlegenden Charakterisierung nach Anhang 4 beprobt und untersucht worden ist. Bei spezifischen Massenabfällen oder bei Abfällen, die eine Zustimmung der zuständigen Behörde nach § 6 Absatz 6 erfordern, kann die Häufigkeit der Beprobungen mit Zustimmung der für die Deponie zuständigen Behörde auf einmal alle drei Monate reduziert werden. Für die Probenahme gilt Anhang 4 Nummer 1 und 2. Die Probenvorbereitung ist nach Anhang 4 Nummer 3.1.1 durchzuführen. Die Überprüfung der Einhaltung der Zuordnungskriterien ist nach Anhang 3 Nummer 2, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung der Voraussetzungen von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung der Voraussetzungen von § 6 Absatz 2 durchzuführen und zu protokollieren. Bei Anlieferung des Abfalls sind dem Deponiebetreiber die Protokolle nach Satz 6 oder eine Erklärung der akkreditierten Untersuchungsstelle nach Anhang 4 Nummer 1 vorzulegen, dass sich Auslaugverhalten und Zusammensetzung des Abfalls gegenüber der grundlegenden Charakterisierung nicht geändert haben.

(4) Der Deponiebetreiber hat bei jeder Abfallanlieferung unverzüglich eine Annahmekontrolle durchzuführen, die mindestens umfasst:

1.
Prüfung, ob für den Abfall die grundlegende Charakterisierung vorliegt,
2.
Feststellung der Masse, Kontrolle des Abfallschlüssels und der Abfallbezeichnung gemäß Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung,
3.
Kontrolle der Unterlagen nach Absatz 3 Satz 6 auf Übereinstimmung mit den Angaben der grundlegenden Charakterisierung,
4.
Sichtkontrolle vor und nach dem Abladen,
5.
Kontrolle auf Aussehen, Konsistenz, Farbe und Geruch.
Soweit nach § 49 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Verbindung mit Teil 3 der Nachweisverordnung Register zu führen sind, können die nach Satz 1 Nummer 2 zu kontrollierenden Maßgaben durch die Angaben im Register nach der Nachweisverordnung ersetzt werden.

(5) Der Deponiebetreiber hat bei einem Abfall, der erstmalig nach Absatz 1 Satz 1 oder erneut nach Absatz 1 Satz 6 charakterisiert worden ist, bei einer Anlieferungsmenge von mehr als

1.
50 Megagramm bei gefährlichen Abfällen oder
2.
500 Megagramm bei nicht gefährlichen Abfällen und Inertabfällen
von den ersten 50 beziehungsweise 500 Megagramm eine Kontrolluntersuchung auf Einhaltung der Zuordnungskriterien durchzuführen. In begründeten Einzelfällen ist eine Kontrolluntersuchung auf die Schlüsselparameter ausreichend. Die zuständige Behörde kann im Einzelfall eine höhere Anzahl von Kontrolluntersuchungen festlegen. Der Deponiebetreiber hat eine Kontrolluntersuchung auf Einhaltung der Zuordnungskriterien durchzuführen, wenn sich bei der Annahmekontrolle nach Absatz 4 Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Anforderungen an die Beschaffenheit der Abfälle für die vorgesehene Ablagerung nicht erfüllt sind oder wenn Unstimmigkeiten zwischen Begleitpapieren und angeliefertem Abfall bestehen. Im Übrigen hat der Deponiebetreiber bei nicht gefährlichen Abfällen von mehr als 500 Megagramm stichprobenartig eine Kontrolluntersuchung der Schlüsselparameter je angefangene 5 000 Megagramm desselben jeweils grundlegend charakterisierten und des nachfolgend angelieferten Abfalls, mindestens aber eine Kontrolluntersuchung jährlich durchzuführen. Bei gefährlichen Abfällen von mehr als 50 Megagramm hat er stichprobenartig eine Kontrolluntersuchung der Schlüsselparameter je angefangene 2 500 Megagramm desselben jeweils grundlegend charakterisierten und des nachfolgend angelieferten Abfalls, mindestens aber eine Kontrolluntersuchung jährlich durchzuführen. Bei spezifischen Massenabfällen und Abfällen nach § 6 Absatz 6 kann die Anzahl der Kontrolluntersuchungen abweichend von den Sätzen 5 und 6 mit Zustimmung der zuständigen Behörde auf eine Untersuchung jährlich reduziert werden. Die Kontrolluntersuchungen sind nach Maßgabe des Anhangs 4 Nummer 3, bei vorgemischten sowie bei teilweise stabilisierten und verfestigten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 1 Satz 5, bei vollständig stabilisierten Abfällen unter Beachtung von § 6 Absatz 2 durchzuführen und nach Anhang 4 Nummer 4 zu bewerten. Bei asbesthaltigen Abfällen und Abfällen, die andere gefährliche Mineralfasern enthalten, kann auf eine Kontrolluntersuchung verzichtet werden. In diesem Fall ist vom Abfallerzeuger eine Erklärung abzugeben, dass der angelieferte Abfall dem grundlegend charakterisierten Abfall entspricht und eine Überschreitung der Zuordnungskriterien der jeweiligen Deponieklasse nicht zu erwarten ist.

(6) Wird eine Deponie am Standort eines Unternehmens direkt und ausschließlich mit Abfällen dieses Unternehmens beschickt, kann die zuständige Behörde auf Antrag des Deponiebetreibers Abweichungen von den Absätzen 4 und 5 zulassen.

(7) Wird nach Maßgabe des Absatzes 5 eine Kontrolluntersuchung durchgeführt, hat der Deponiebetreiber bei der Abfallanlieferung von dem angelieferten Abfall eine Rückstellprobe zu nehmen und mindestens einen Monat aufzubewahren.

(8) Abweichend von den Absätzen 1, 3 und 5 sind bei den in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Inertabfällen Untersuchungen für die grundlegende Charakterisierung sowie Kontrolluntersuchungen nicht erforderlich, wenn

1.
der Abfall von nur einer Anfallstelle stammt,
2.
keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Zuordnungskriterien des Anhangs 3 für die Deponieklasse 0 überschritten werden,
3.
keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Abfall durch Schadstoffe, für die in Anhang 3 keine Zuordnungskriterien festgelegt sind, so verunreinigt ist, dass das Wohl der Allgemeinheit bei einer Ablagerung beeinträchtigt wird, und
4.
der Abfall nicht mehr als 5 Volumenprozent an mineralischen oder inerten Fremdstoffen enthält.
Abfallschlüssel
gemäß
Anlage zur
Abfallverzeichnis-
Verordnung
BeschreibungEinschränkungen
10 11 03GlasfaserabfallNur ohne organische Bindemittel
15 01 07Verpackungen aus Glas
17 01 01BetonNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 02ZiegelNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 03Fliesen, Ziegel und KeramikNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 01 07Gemische aus Beton, Ziegeln, Fliesen und KeramikNur ausgewählte Abfälle aus Bau- und Abbruchmaßnahmen
17 02 02Glas
17 05 04Boden und SteineAusgenommen Oberboden und Torf sowie Boden und Steine aus Flächen mit schädlichen Bodenveränderungen im Sinne von § 2 Absatz 3 des Bundes-Bodenschutzgesetzes
19 12 05Glas
20 01 02GlasNur getrennt gesammeltes Glas
20 02 02Boden und SteineNur Abfälle aus Gärten und Parkanlagen; ausgenommen Oberboden und Torf

(8a) Überprüfungen nach Absatz 3 und Kontrollen nach Absatz 5, ausgenommen diejenigen nach Satz 4, sind für Abfälle nach § 6 Absatz 1a Nummer 1 und Nummer 2 nicht erforderlich. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 8 und Nummer 12 sowie von Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 ist für diese Abfälle die Einhaltung der Materialwerte der Anlage 1 der Ersatzbaustoffverordnung und gegebenenfalls die Klasse des mineralischen Ersatzbaustoffs jeweils durch die Dokumentation nach § 12 Absatz 1 Satz 1 der Ersatzbaustoffverordnung nachzuweisen. Für nicht aufbereitetes Bodenmaterial und nicht aufbereitetes Baggergut ist die Einhaltung der Materialwerte der Anlage 1 der Ersatzbaustoffverordnung und die Klasse des Bodenmaterials oder des Baggerguts durch die Dokumente nach § 17 der Ersatzbaustoffverordnung nachzuweisen.

(9) Der Deponiebetreiber hat für jede Abfallanlieferung eine Eingangsbestätigung unter Angabe der festgestellten Masse und des sechsstelligen Abfallschlüssels gemäß der Anlage zur Abfallverzeichnis-Verordnung auszustellen. Wird die Übergabe der Abfälle mittels Begleitschein oder Übernahmeschein nach der Nachweisverordnung bestätigt, so ersetzen diese Nachweise die Eingangsbestätigung nach Satz 1. Bei Deponien der Klasse 0 und bei Monodeponien kann die zuständige Behörde auf Antrag des Betreibers davon abweichende Regelungen treffen.

(10) Der Deponiebetreiber hat die zuständige Behörde unverzüglich über angelieferte, zur Ablagerung auf der Deponie nicht zugelassene Abfälle zu informieren.

(11) Für die Annahme von Abfällen in Anlagen, in denen diese Abfälle durch Vermischung oder Behandlung zu den in § 6 Absatz 1 Satz 5 und Absatz 2 genannten Abfällen aufbereitet werden, bevor sie auf einer Deponie abgelagert werden, gelten die Absätze 1, 3, 4 und 5 entsprechend. Darüber hinaus hat der Zweiterzeuger den aufbereiteten Abfall oder Deponieersatzbaustoff gegenüber dem Deponiebetreiber grundlegend zu charakterisieren und diesem zusätzlich folgende Angaben vorzulegen:

1.
Abfallschlüssel und Abfallbezeichnung nach § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung der Abfälle, die in dem aufbereiteten Abfall enthalten sind,
2.
Erklärung, dass die Abfälle, die in dem aufbereiteten Abfall enthalten sind, die Zuordnungskriterien vor dem Vermischen oder der Behandlung eingehalten haben.
Die Erklärung nach Satz 2 Nummer 2 entfällt, wenn die Einhaltung der Zuordnungskriterien mit dem Verfahren nach § 6 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 nachgewiesen wird.


Tenor

1. Auf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. wird das Grund- und Teilurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der Airbase ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wurden.

2. Auf die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin wird festgestellt, dass der Bauvertrag der Parteien vom 25. Mai 2004 betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhalte-becken II, Projekt-Nummer 30974389" durch die Klägerin am 18. März 2005 wirksam gekündigt worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

4. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. jeweils 1/3 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten selbst sowie gesamtschuldnerisch 1/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Im Übrigen bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht überlassen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. dürfen die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aufgrund eines vorzeitig beendeten Bauvertrages, in dem die Geltung der VOB/B vereinbart wurde.

2

Die Klägerin macht insoweit Restwerklohn sowie Schadensersatz/Aufwendungsersatz geltend; die Beklagte begehrt widerklagend den Ersatz ihr entstandener Mehrkosten und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin wegen der erfolgten Kündigung.

3

Die Beklagte beabsichtigte die Anlegung eines Regenrückhaltebeckens im Bereich des …[X]bachs auf dem Flughafengelände ...[A], wobei sie die Nebenintervenientin zu 1. einschaltete. Es sollten dabei auf einer Fläche von ca. 50 m Breite und 500 m Länge etwa 80.000 m³ Erdboden ausgehoben werden. Dabei sollte es sich bei ca. 57.000 m³ um Aufschüttungen und bei 27.000 m³ um natürliches Material (Sande bzw. unbelastete Böden) handeln. Bei einem Teil des betroffenen Erdreichs handelte es sich um eine registrierte Altlast im Altlastenkataster des Landes Rheinland-Pfalz (Anlageband III, Bl. 938).

4

Am 30. Mai 2003 erhielt die Beklagte die wasserrechtliche Plangenehmigung gemäß § 31 WHG der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd (Anlageband III, Bl. 992 ff), in der darauf hingewiesen wurde, dass durch die geplanten Erdbauarbeiten im Bereich des Regenrückhaltebeckens verschiedene im Altlastenkataster registrierte Altablagerungen überplant bzw. tangiert würden und ihr ein Rückbaukonzept (Beschreibung des Bauablaufs, Entsorgung des Auffüllmaterials, Freimessung der geräumten Flächen sowie gegebenenfalls Angaben zur Wasserhaltung, Arbeits- und Umgebungsschutzmaßnahmen usw.) vorzulegen sei. Weiter wurde darin erklärt, dass die technischen Regelungen "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen" der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zu beachten seien und für den Nachweis der Umweltverträglichkeit das Material gemäß den Begriffsbestimmungen der LAGA (Bauschutt, Erdaushub etc.) zu separieren und analytisch zu überprüfen sei. Die Verwertungs- und Beseitigungswege der im Rahmen der Baumaßnahmen anfallenden Aushubmassen seien gegenüber der SGD Süd nachzuweisen.

5

Die Beklagte beauftragte die Nebenintervenientin zu 2. mit geotechnischen Voruntersuchungen. In ihrem geotechnischen Bericht vom 27. November 2003 (Anlageband III, Bl. 958 ff) unterteilte die Nebenintervenientin zu 2. die zu erwartenden Bodengruppen in sechs Bodenklassen nach DIN 18300 (Anlageband III, Bl. 963) und wies auf eine nur bedingte Wiederverwendbarkeit der Aushubmassen im Hinblick auf die Inhomogenität und den hohen humosen Anteil der Auffüllungen hin. Wegen des hohen Humusanteils könne ein Teil des Erdreichs allenfalls für Lärmschutzwälle verwendet werden (Anlageband III, Bl. 966), während die grauen quartären Sande für eine Wiederverwendung als Austauschboden bodenmechanisch geeignet seien. Die Auffüllung sei im Groben in die Einbauklasse bis Z 1.1 nach LAGA einzustufen; von 15 Mischproben seien 12 in die LAGA-Einbauklasse Z 0 (unbelastetes Material), eine Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 1.1 und eine weitere Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 2 einzustufen (Anlageband III, Bl. 968, 969).

6

Die durchzuführenden Erdarbeiten wurden sodann öffentlich ausgeschrieben mit einem Kurztext-Leistungsverzeichnis (Anlage K 3, Anlageband I, Bl. 21 - 40) und einem Langtext-Leistungsverzeichnis (Anlageband I, Bl. 41 ff). In den projektbezogenen Vorbemerkungen wurde unter C.01. und C.02. (Anlageband I, Bl. 29 - 36) auf die Einstufung des Bodenaushubs in die verschiedenen LAGA-Klassen hingewiesen und auf den Eigentumsübergang des Materials bestimmter LAGA-Klassen auf den Auftragnehmer; hinsichtlich einzelner Boden-materialien wurde - je nach LAGA-Klasse - eine Entsorgungsverpflichtung des Auftragnehmers oder eine Pflicht des Auftragnehmers zum Abfahren und Zwischenlagern des für den Wiedereinbau geeigneten Materials auf Mieten innerhalb des Flugplatzgeländes normiert.

7

Die einzelnen Erdaushubarbeiten wurden zu Einheitspreisen ausgeschrieben unter anderem mit Zulagenpositionen für Boden der Klasse über LAGA Z 1.1 bis LAGA Z 2 sowie der Bodenklasse LAGA Z 3 und höher (Anlageband I, Bl. 53 - 54).

8

Die Klägerin erhielt im Mai 2004 den Zuschlag für die Erdarbeiten zu einem Nettopreis von 1.085.244,60 € (Anlageband I, Bl. 94). Sie sollte zudem zusammen mit der Firma ...[B] Bau als ARGE Arbeiten an der Rampe 5 des Flughafengeländes vornehmen. Das Leistungsverzeichnis dieser Arbeiten sah unter anderem vor, dass dort lediglich Füllmaterial ohne humose Bestandteile zu verwenden war.

9

Nach Übernahme des Auftrags erörterte die Klägerin bzw. die ARGE mit dem von der Beklagten beauftragten Gutachterbüro ...[C], dass ein Einbau von Erdaushub der Klasse LAGA Z 1.2 aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens im Bereich der Rampe 5 beabsichtigt sei. Das Gutachterbüro teilte sodann der Beklagten durch Schreiben vom 21. Juni 2004 (Bl. 398 - 399 d. A.) die Unzulässigkeit dieses Einbaus ohne die erforderliche Genehmigung der zuständigen Behörde mit.

10

Mit Schreiben vom 1. September 2004 (Bl. 378 d. A.) wies die Nebenintervenientin zu 1. die Klägerin darauf hin, welches Erdaushubmaterial der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses auf Mieten aufzusetzen, einzubauen oder zu beseitigen sei und welches in das Eigentum der Klägerin oder der Beklagten übergehe. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass eine Vermischung von gewachsenem Boden der Bodenklasse 3 - 5, 6 und 7, Boden aus Auffüllungen und humosen Bodenarten nicht gestattet sei.

11

Anfang September 2004 hob die Klägerin insgesamt 2.287 m³ Baugrund aus dem Bereich der Auffüllungen (Leistungsverzeichnis Position 1.2.120) aus und baute diese im Bereich der Rampe 5 ein. Aus dem Aushub wurden nach Angaben der Klägerin ca. 935 m³ Bauschuttreste aussortiert. Von diesem Aushub der Klägerin entnahm die Nebenintervenientin zu 2. am 16. September 2004 eine Bodenprobe.

12

Bei einer Baubesprechung vom 15. September 2004 bat die Klägerin um Überlassung der Untersuchungsergebnisse der - zur Vorbereitung der Ausschreibung durch die Nebenintervenientin zu 2. vorgenommenen - schadstofftechnischen Beprobung des Baufeldes, weil sie den Aushub aus den Auffüllungsbereichen in einem anderen Bauvorhaben einbauen wolle und dort eine Beprobung der angelieferten Stoffe nach LAGA gefordert werde. Die Beklagte lehnte eine Weitergabe der Untersuchungsergebnisse ab (Bl. 686 d. A.).

13

Mit Schreiben vom 16. September 2004 (Anlage K 18, Anlageband II, Bl. 416) forderte die Klägerin von der Beklagten die umweltrechtliche Freigabe der abzufahrenden Erdmassen für den Einbau bei anderen Baumaßnahmen. Soweit dies nicht der Fall sei bzw. zusätzliche Nachweise für den Einbau bei anderen Maßnahmen notwendig seien, meldete sie "bereits jetzt" die daraus resultierenden Mehrkosten an; es gehe hier um Deklarationsanalysen-Kosten nach LAGA oder Deponierungskosten.

14

Am 21. September 2004 wurde der Einbau von Auffüllmaterial im Bereich der Rampe 5 gestoppt. Die ARGE wurde auf die Ungeeignetheit des angelieferten Materials hingewiesen und zur restlosen Entfernung von dem Baufeld und der Zwischendeponie aufgefordert; zugleich wurde eine fehlende deutliche Trennung der gelagerten Materialien auf dem Zwischenlager gerügt (Bl. 362 - 363 d. A.).

15

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 23. September 2004 (Bl. 200 d. A.) erneut ihre Absicht der Wiederverwendung der Erdmassen unter Hinweis auf § 1 KrW/AbfG und forderte im Hinblick auf die von der Beklagten stattdessen gewünschte Deponierung der Erdmassen die Erbringung der dafür notwendigen LAGA-Analysen von einer pro angefangene 1000 Tonnen Erdaushub. Da die umweltrechtliche Begleitung durch die Beklagte erbracht werde, müsse diese auch die Kosten der LAGA-Analysen tragen. Die Klägerin verwies auf ein beigefügtes Nachtragsangebot über 103.000 € zur Durchführung der LAGA-Analysen, alternativ forderte sie im Falle der Analysierung durch die Beklagte selbst die Übergabe der Analyseergebnisse. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin, dass sie wegen Regens an der Ausführung der Erdarbeiten behindert sei (Anlage K 20, Anlageband II, Bl. 423).

16

Der für die Beklagte handelnde LBB in ...[Z] entschied mit Schreiben vom 4. Oktober 2004 (Anlage K 24, Anlageband II, Bl. 428 - 430), dass die Klägerin die LAGA-Kosten zur Deponierung nicht übernehmen müsse, diese vielmehr von der Nebenintervenientin zu 2. gemäß deren Architekten-/Ingenieurvertrag übernommen würden. Das Leistungsverzeichnis gehe nicht auf die DIN 18299 0.4.2 "Besondere Leistungen" ein, wonach in der Leistungsbeschreibung Kosten von erheblicher Bedeutung für die Kalkulation angegeben werden müssten. Eine überschlägige Berechnung ergebe bei 110 Laboruntersuchungen zu je 490 € einen Gesamtbetrag von 53.900 €; entsprechend der DIN hätten deshalb die Eignungsnachweise (also auch die LAGA-Untersuchungen) gesondert in der Leistungsverzeichnisbeschreibung ausgewiesen werden müssen.

17

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 977- 978) lehnte die Nebenintervenientin zu 1. eine Beauftragung der Klägerin mit LAGA-Analysen gemäß deren Nachtragsangebot vom 23. September 2004 ab und forderte die Klägerin zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

18

Die Klägerin rügte demgegenüber mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 (Anlage K 25, Anlageband II, Bl. 431), dass sie ohne die - bauseits zu erbringenden - LAGA-Analysen die Erdarbeiten nicht wieder aufnehmen könne; sie sei seit dem 27. September 2004 in der Ausführung dieser Arbeiten behindert (§ 6 Nr. 1 und 2 VOB/B).

19

Nachdem die Klägerin am 12. Oktober 2004 ca. 900 t weißgraue Sande aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II abtransportiert und anderweitig eingebaut hatte, verwiesen sowohl die Nebenintervenientin zu 1. mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 (Bl. 387 d. A.) als auch die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 433 - 434) auf die Unzulässigkeit des Abtransports. Die Nebenintervenientin zu 1. forderte die Klägerin auf, das abtransportierte Aushubmaterial an die zugewiesene Stelle zu schaffen. Die Beklagte wies die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen im Hinblick auf die baubegleitenden Untersuchungen durch die Nebenintervenientin zu 2. zurück und forderte die Klägerin auf, die Arbeiten bis zum 25. Oktober 2004 aufzunehmen (Anlageband III, Bl. 981).

20

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 (Bl. 388 - 389 d. A.) teilte die Klägerin mit, dass ein Teil der weißgrauen Sande inzwischen anderweitig verbaut worden sei. Da sie nach dem Bauvertrag allenfalls zur Abfuhr von maximal 26.400 m³ Erdmassen auf Zwischenlager verpflichtet sei, falle eine Nachtragsvergütung für das Verbringen weiterer Massen auf ein Zwischenlager an.

21

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen erneut zurück und forderte sie zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

22

Am 25. Oktober 2004 erstellte die Klägerin ihre zweite Abschlagsrechnung über 259.511,84 € (Anlage K 38, Anlageband II, Bl. 468 - 489). Insoweit forderte die Klägerin Zahlung in Höhe von 183.805,63 €; die Beklagte zahlte jedoch lediglich 81.349,65 € brutto (Anlage K 39, Anlageband II, Bl. 490).

23

Am 27. Oktober 2004 teilte die Nebenintervenientin zu 2. als Ergebnis der am 16. September 2004 aus dem Erdaushub der Klägerin entnommenen Mischprobe mit, dass darin keine erhöhten Schadstoffgehalte festgestellt worden seien und die Schwarzdeckenprobe als Ausbauasphalt im Sinne der Einbauklasse Z 1.1 der LAGA eingestuft werde (Prüfbericht in Anlageband II, Bl. 552 ff).

24

Die Klägerin wies mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 (Anlage K 29, Anlageband II, Bl. 437) auf einen bei Kontaminationsverdacht üblichen Probeumfang von einer LAGA-Analyse je angefangener 1000 t (entspricht ca. 500 m³) Abfuhrmasse hin. Sie bestehe auf einer Vorlage von LAGA-Analysen vor der Abfuhr der Erdmassen, da das Abfahren mit begleitender LAGA-Analyse erhebliche Gefahren hinsichtlich Arbeitsschutz und Kosten verursache. Die Klägerin meldete weiterhin Behinderung der Erdarbeiten gemäß § 6 Nr. 1 VOB/B an und bat bis zum 2. November 2004 um Entscheidung, ob die Erdmassen trotz der genannten Bedenken auf Risiko der Beklagten abgefahren werden sollten.

25

Mit Schreiben vom 4. November 2004 (Anlage K 30, Anlageband II, Bl. 439 - 440) verwies die Klägerin auf die Notwendigkeit weiterer Analysen nach den Vorschriften der LAGA im Hinblick auf die bei einer Probe festgestellte Belastung nach der LAGA-Zuordnungsklasse Z 2 und darauf, dass eine gemeinsame Abfuhr von Massen unterschiedlicher Belastung und der damit verbundenen zwangsläufigen Vermischung dem Verdünnungsverbot gemäß den LAGA-Richtlinien widerspreche. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Durchführung bzw. Vorlage der gemäß LAGA-Mitteilung Nr. 20 geforderten Bodenanalysen vor Abfuhr der Massen bis spätestens 8. November 2004 auf.

26

Am 8. November 2004 rügte die Klägerin erneut Behinderung wegen der fehlenden LAGA-Analysen (Anlage K 33, Anlageband II, Bl. 452).

27

Ein Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Ablagerung von ca. 20.000 m³ des Bodenmaterials auf einer landwirtschaftlichen Fläche in ...[Y] wurde von der Unteren Landespflegebehörde abgelehnt (Anlageband III, Bl. 989).

28

Bei einer Baubesprechung vom 11. November 2004, deren Ablauf streitig ist, wies die Beklagte ausweislich ihres Aktenvermerks (Anlage K 105, Anlageband III, Bl. 935 - 940) auf die nach ihrer Auffassung unberechtigte Forderung der Klägerin nach aushubbegleitenden Analysen von mindestens einer für 1000 t hin und verwies auf die von der Nebenintervenientin zu 2. präventiv durchzuführenden aushubbegleitenden LAGA-Analysen ca. alle 2.000 m³.

29

Demgegenüber erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 34, Anlageband II, Bl. 458 - 459), dass wegen der für eine Einstufung der Aushubmasse in LAGA-Zuordnungswerte nicht ausreichenden Voruntersuchungen ein den Aushub von fünf Tagen, somit 10.000 m³ fassendes Zwischenlager eingerichtet und unterhalten werden müsse, in dem die Aushubmassen bis zur Vorlage der Untersuchungsergebnisse nach LAGA verblieben. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, bis zum 16. November 2004 Art und Lage des Zwischenlagers anzugeben und die weitere Vorgehensweise festzulegen. Des Weiteren meldete die Klägerin Behinderung nach § 6 Nr. 1 VOB/B an. Sie rügte zudem, dass sich bei der Baubesprechung am 11. November 2004 ergeben habe, dass die Beklagte entgegen § 4 Nr. 1 VOB/B nicht alle öffentlich-rechtlichen Bewilligungen herbeigeführt habe und insbesondere das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept sowie die Abstimmung mit den Behörden über die Freigabe bzw. Freimessung der Baugrube fehlten.

30

Mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 35, Anlageband II, Bl. 460 - 463) wies der LBB ...[Z] die Klägerin darauf hin, dass nach der Ausschreibung kein Raum für eine Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen sei und die speziellen LAGA-Untersuchungen allein Sache der Klägerin seien. Zugleich wurde auf das Ende der Vertragsbauzeit am 14. Januar 2005 und die bisher von der Klägerin erst abgefahrene Menge von 2.500 m³ hingewiesen sowie die Kündigung des Bauvertrages bzw. Schadensersatzforderungen angekündigt, sofern die Klägerin die Arbeiten nicht bis zum 24. November 2004 wieder aufnehme.

31

Die Klägerin stellte am 17. November 2004 ihre dritte Abschlagsrechnung über 328.143,77 € (Anlage K 95, Anlageband III, Bl. 876 - 898) und rügte mit Schreiben vom 22. November 2004 (Anlage K 36, Anlageband II, Bl. 464 - 465) das Ruhen der Erdarbeiten seit ca. acht Wochen, was durch die Beklagte zu vertreten sei, weil sie die notwendigen LAGA-Untersuchungen nicht erbracht bzw. nicht vorgelegt habe. Sie verwies hinsichtlich der bauseitigen Pflicht zur Erbringung der LAGA-Analysen auf das Schreiben des LBB vom 4. Oktober 2004 und forderte die Beklagte auf, bis zum 24. November 2004 die wasserrechtliche Genehmigung zur Baumaßnahme und den Bescheid der SGD Süd hinsichtlich der Vorgehensweise zur definitiven Einstufung der Aushubmassen in die LAGA-Zuordnungswerte vorzulegen.

32

Der LBB verwies mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 (Anlageband III, Bl. 986 - 991) für die Beklagte darauf, dass die wasserrechtliche Genehmigung seit dem 17. Juni 2003 vorliege und dass die Beklagte aus den im Schreiben vom 12. November 2004 genannten Gründen aus praktischen und vertragsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sei, zusätzliche LAGA-Analysen des Bodens gemäß OZ 1.2.120 aushubbegleitend zu liefern. Der geotechnische Bericht der Nebenintervenientin zu 2. vom 27. November 2003 enthalte alle erforderlichen Untersuchungen für eine entgeltliche Einlagerung des Bodenaushubs; so verlange die Firma ...[D] keine zusätzlichen LAGA- Analysen zum Einlagern von Boden der Einbauklasse bis Z 1.1. Es müssten sämtliche 57.000 m³ der Position 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses (auch soweit diese ausschließlich Z 0 Material betrifft) von der Airbase abgefahren werden, ein Wiedereinbau auf dem Flugplatzgelände sei nicht möglich. Die Klägerin solle ihre Arbeiten innerhalb von acht Tagen wieder aufnehmen.

33

Am 8. Dezember 2004 stellte die Klägerin ihre vierte Abschlagsrechnung in Höhe von 367.494,69 € (Anlage K 42, Anlageband II, Bl. 493 - 509).

34

Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (Anlage K 37, Anlageband II, Bl. 466 - 467) darauf, dass die im November 2003 durchgeführten Bodenanalysen eine teils erhebliche Belastung des Bodens (LAGA-Einbauklasse Z 2) ergeben hätten und deshalb wegen Verdachtsmomenten auf Bodenbelastungen ausreichende LAGA-Analysen vor Abfuhr durchzuführen seien. Dies sei Praxis und könne über ein Zwischenlager geregelt werden, wobei wegen des Verdünnungsverbots aber die Bodenbereiche unterschiedlicher Zuordnungswerte vor Abfuhr abgegrenzt werden müssten. Da diese Abgrenzung von der Beklagten verweigert werde, sei die Klägerin an der Ausführung ihrer Arbeiten gehindert. Die Beklagte habe auch das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept nicht vorgelegt; dieser öffentlich-rechtliche Bescheid sei auch für die Klägerin maßgeblich. Die Beklagte solle einen schriftlichen Bescheid der SGD Süd vorlegen, welche weiteren Bodenuntersuchungen vor Abfuhr durchzuführen seien.

35

Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 (Anlage K 43, Anlageband II, Bl. 510) setzte die Klägerin der Beklagten eine Zahlungsfrist für die vierte Abschlags-rechnung bis zum 17. Januar 2005. Am 10. Februar 2005 stellte die Klägerin ihre sechste Abschlagsrechnung über 472.237,29 € (Anlage K 45, Anlageband II, Bl. 512 - 528).

36

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Anlage K 46, Anlageband II, Bl. 529 - 530), dass die zweite Abschlagsrechnung vom 25. Oktober 2004 in Höhe von 157.055,86 € festgestellt sei; weitere Forderungen würden nicht anerkannt, da die Klägerin die Erdarbeiten eingestellt habe und sich zu Unrecht auf einen Zahlungsverzug der Beklagten berufe.

37

Mit Schreiben vom 18. März 2005 (Anlage K 11, Anlageband I, Bl. 211 - 212) kündigte die Klägerin - nach entsprechender Androhung mit Schreiben vom 14. März 2005 (Anlage K 10, Anlageband I, Bl. 209 - 210) - das Vertragsverhältnis "aus wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B, da sie seit mehr als drei Monaten in der Bauausführung behindert sei und gem. § 9 Nr. 1 VOB/B, weil ihre Abschlagsrechnungen Nr. 3 bis 6 nicht bezahlt worden seien.

38

Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 23. März 2005 (Anlage K 104, Anlageband III, Bl. 930 - 934), da die Klägerin die Bauarbeiten zu Unrecht eingestellt habe. Das Angebot baubegleitender LAGA-Analysen sei ausreichend gewesen. Die Kosten für LAGA-Analysen zur Ermöglichung einer Verwertung der Erdmassen müsse die Klägerin selbst tragen.

39

Mit Schreiben vom 12. Mai 2005 (Anlage K 53, Anlageband II, Bl. 549) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die in der Zeit zwischen dem 16. und dem 22. September 2004 ausgehobenen ca. 2.300 m³ auf ein Zwischenlager in der Nähe der Rampe 5 gefahren worden seien und laut den inzwischen vorliegenden Untersuchungsergebnissen der LAGA-Einbauklasse Z 0 zugeordnet wor-den seien.

40

Am 4. Juli 2005 legte die mit der geotechnischen Fachbauüberwachung beauftragte Firma ...[C] GmbH ihren Bericht vor (Bl. 320 - 353 d. A.). Darin führte das Ingenieurbüro aus, dass die von der Klägerin ausgehobenen ca. 2.300 m³ aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II für einen Einbau auf der ...[A] nicht geeignet seien, bzw. dass ein Einbau abgelehnt worden sei (Bl. 342 d. A.).

41

Im weiteren Verlauf der Arbeiten forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Betonbodenplatte (Abstellfläche) im Bereich der Rampe 5 und die darunter eingebaute Tropfkörperschlackenschicht zurückzubauen.

42

Die von der Klägerin auszuführenden Arbeiten sind nach Angaben der Beklagten letztlich durch die Firma ...[E] aufgrund Bauvertrag mit dieser vom 21. März 2006/27. Juni 2006 (Bl. 701 - 702 d. A.) zu Ende geführt worden.

43

Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft auf. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 (Bl. 509 d. A.), dass dies nicht möglich sei; die Klägerin habe den Vertrag zu Unrecht gekündigt und der Beklagten stünden noch Zurückbehaltungsrechte bzw. Schadensersatzansprüche zu. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 (Anlage K 122, Bl. 464 d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, den Sicherheitseinbehalt nach § 17 VOB/B auf ein Verwahrgeldkonto einzuzahlen und entsprechende Nachweise bis zum 30. Oktober 2006 zu führen.

44

Im vorliegenden Prozess begehrt die Klägerin aus dem streitigen Vorhaben noch Restwerklohn gemäß Schlussrechnung vom 3. Juni 2005 (Anlage K 12, Anlageband I, Bl. 213 ff.) in Höhe von 218.540,25 €, wegen der vorzeitigen Vertragskündigung Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B in Form von entgangenem Gewinn bzw. Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB für Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen in Höhe von insgesamt 435.549,77 € (Anlage K 17, Anlageband II, Bl. 414 - 415) sowie Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft über 32.550 € zuzüglich eines Zinsschadens von 15.136,76 €.

45

Die Klägerin hat vorgetragen,

46

die Beklagte habe sich - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage am 4. Oktober 2004 - vertragswidrig geweigert, ausreichende LAGA-Untersuchungen vor dem Erdaushub zur Verfügung zu stellen. Ohne ausreichende LAGA-Analysen von jeweils 500 m³ Aushubmasse habe für die Klägerin die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat wegen unerlaubten Transportierens von "Abfall" bestanden. Durch die unberechtigte Weigerung ausreichender Analysen auf Kosten der Beklagten seien die Erdarbeiten mehr als drei Monate in Stillstand geraten. Zudem habe die Beklagte schuldhaft versäumt, die wasserrechtliche Genehmigung sowie ein von der SGD (schriftlich) bestätigtes Rückbaukonzept, aus dem sich auch die Verfahrensweise mit den LAGA-Analysen ergebe, vorzulegen. Ohne solche Unterlagen sei es der Klägerin nicht zumutbar gewesen, die Erdbauarbeiten fortzuführen.

47

Die Klägerin hat beantragt,

48

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 654.090,02 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2005 sowie weitere 15.138,76 € zu zahlen,

49

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde …[H] vom 24. Juni 2004 Nr. 727870 in Höhe von 32.550 € herauszugeben sowie an die Klägerin Avalkosten in Höhe von 0,5 % seit dem 1. November 2006 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

50

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. und zu 2. haben beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

53

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

54

2. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 1 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind.

55

Die Klägerin hat beantragt,

56

die Widerklage abzuweisen.

57

Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen haben vorgetragen,

58

die angeblich fehlenden LAGA-Analysen und das fehlende Rückbaukonzept seien nur vorgeschobene Gründe, in Wirklichkeit habe sich die Klägerin verkalkuliert. Nach den Ausschreibungsunterlagen müsse die Klägerin die Kosten etwaiger LAGA-Analysen selbst tragen. Die Klägerin habe bis zur Einstellung der Arbeiten nur einen geringen Teil des Erdaushubs (nur ca. 2.300 m³) bewältigt gehabt und erst nach Versagung des Einbaus dieses Materials im Bereich der Rampe 5 habe die Klägerin eine Vielzahl unbegründeter Behinderungsanzeigen abgegeben. Die Beklagte habe der Klägerin ab dem 16. September 2004 vergeblich baubegleitende Bodenanalysen "aus der Baggerschaufel" angeboten und auch über ein geeignetes Rückbaukonzept verfügt. Der konkrete Verwertungsweg sei für die Klägerin in Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses ersichtlich gewesen.

59

Der Klägerin stehe aus dem Bauvertrag allenfalls noch ein Restguthaben von 15.291,16 € zu, dem allerdings ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen des nicht erfolgten Rückbaus der Baustraße entgegenstehe.

60

Der Beklagten seien durch die unberechtigte Kündigung der Klägerin Mehrkosten entstanden durch die Beauftragung der Firma ...[E]; insoweit ergebe sich ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe von derzeit 297.423,67 €.

61

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch ein Grund- und Teilurteil die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Restwerklohnanspruch nur der Höhe nach streitig sei und deshalb insoweit ein Grundurteil ergehen könne. Aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F], denen sich das Gericht anschließe, seien aus derzeitiger Sicht zumindest Schadensersatzansprüche der Klägerin von bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie Schadensersatzansprüche von bis zu 226.619,50 € auf Ersatz entgangenen Gewinns nachvollziehbar. Deshalb sei auch ein Grundurteil zulässig über den der Klägerin gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B zustehenden Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten (§ 9 Nr. 1 a VOB/B) und wegen der Kündigung aus "sonstigem wichtigem Grund" (§ 314 Abs. 1 BGB bzw. § 6 Nr. 6 VOB/B).

62

Die Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin die erforderlichen LAGA-Analysen in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen, und dadurch schuldhaft ihre Vertragspflichten verletzt. Die Klägerin habe sich nicht der Gefahr einer ordnungswidrigkeiten- oder sogar strafrechtlichen Verfolgung durch die Abfuhr, Behandlung bzw. Beseitigung nicht ausreichend auf chemische Belastungen getesteten Erdaushubs aussetzen müssen. Die Beklagte habe deshalb durch die nicht ausreichenden LAGA-Analysen und ebenso mangels eines (rechtmäßigen und mit der SGD Süd abgestimmten) Rückbaukonzeptes die Klägerin über drei Monate bei ihren Erdarbeiten "behindert".

63

Die Beklagte sei nach dem Baugrundrisiko (§ 644 BGB) und aufgrund der Nebenbestimmungen zur wasserrechtlichen Genehmigung verpflichtet gewesen, die ca. 80.000 m³ auszuhebendes Erdreich nach den Richtlinien der LAGA untersuchen zu lassen, da es sich um eine militärische Liegenschaft gehandelt habe, bei der mit Bodenkontaminationen im Aushub zu rechnen gewesen sei. Wegen der absehbaren Umweltbelastung sei die Beklagte gemäß Nr. 30.4 der wasserrechtlichen Genehmigung ausdrücklich verpflichtet gewesen, die Anforderungen der LAGA zu beachten. Die Beklagte als öffentliche Behörde, die genehmigungspflichtige Erdbauarbeiten ausgeschrieben habe, hätte die bietenden Unternehmen zwingend von hoheitlichen Umweltauflagen für die ausgeschriebenen Arbeiten informieren müssen, was die Beklagte indes versäumt habe.

64

Die Beklagte sei hinsichtlich der 57.000 m³ Auffüllungen nach dem gültigen Abfallrecht (KrW-/AbfG) Abfallerzeugerin gewesen, weshalb nach den allgemeinen abfallrechtlichen Grundsätzen sowie gemäß Nr. 26.1.2 der wasserrechtlichen Genehmigung ein Rückbaukonzept erforderlich gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb schon bei der Ausschreibung der Beseitigung der 57.000 m³ Auffüllungen (Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses) organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der Umwelt schützenden Neben-bestimmungen in der wasserrechtlichen Genehmigung (§ 31 Abs. 3 WHG) und zur Vornahme systematischer Schadstoffanalysen nach LAGA sowie zum Separieren und zur nach Schadstoffklassen getrennten Beseitigung des anfallenden Erdaushubs treffen müssen.

65

Die Beklagte habe ihre Koordinierungspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B verletzt, indem sie kein systematisches Rückbaukonzept vorgelegt habe, in dem vorab festgelegt gewesen wäre, wie der Aushub des belasteten Erdreichs erfolgen solle, insbesondere wie viele Proben nach den LAGA-Richtlinien zu entnehmen seien (nach einem Beprobungsraster) und eine eindeutige Festlegung enthalten gewesen wäre, wo gegebenenfalls Zwischenlager eingerichtet würden und welche Arbeitsschritte geboten seien. Die Beklagte hätte in einem ordnungsgemäßen Rückbaukonzept - das der bauausführenden Firma auch auszuhändigen gewesen wäre - im Voraus eindeutig regeln können und müssen, ob die Nebenintervenientin zu 2. oder die Klägerin als Erdbaufirma für die vorgeschriebenen LAGA-Analysen zuständig sei. Das Fehlen einer systematischen Planung zur Beseitigung der Auffüllungen als "Abfall" und ebenso eines Rückbaukonzepts - dieses werde nicht durch den geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ersetzt - der Beklagten ergebe sich schon aus dem Streit der verschiedenen LBB-Mitarbeiter darüber, ob die Beklagte oder die Klägerin die Kosten der LAGA-Untersuchungen zu tragen habe (vgl. Schreiben der LBB vom 4. Oktober 2004 und vom 12. November 2004). Pflichtwidrig sei insbesondere, dass sich die Beklagte aus Kostengründen geweigert habe, eine den Richtlinien der LAGA und damit dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechende ausreichende Anzahl von LAGA-Analysen anzuordnen.

66

Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine engmaschige Beprobung vor Ort wie von der Klägerin verlangt - nämlich auf jeweils 500 m³ eine LAGA-Probe - allgemein üblich sei und am ehesten den Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung entspreche. Die von der Beklagten angebotene Möglichkeit der "baubegleitenden" Probenentnahme aus der Baggerschaufel sei zum einen auch engmaschig (je eine LAGA-Probe pro 500 m³) vorzunehmen, zum anderen zwar auch praktikabel, aber mit für die bauausführende Firma vermeidbaren Mehrkosten verbunden, weil dann der Aushub zunächst in ein Zwischenlager gebracht und nach Auswertung der Proben dann erneut aufgeladen werden müsse. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen habe die Klägerin aus Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses keinen Anhaltspunkt für eine Zwischenlagerung der 57.000 m³ Auffüllungen entnehmen können; die Beklagte habe auch keine Bereitschaft zur Übernahme der durch eine Zwischenlagerung entstehenden Zusatzkosten erklärt.

67

Die Ausschreibungsunterlagen der Beklagten seien hinsichtlich der Frage der LAGA-Analysen bzw. hinsichtlich der Frage eines abfallrechtlichen Rückbaukonzepts infolge eines Organisationsverschuldens der Beklagten lückenhaft. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung, Erdaushub nur nach (ausreichenden) LAGA-Analysen als "Abfall" entsorgen zu lassen, im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung nicht zivilrechtlich auf die Klägerin übertragen, da sie die Abwälzung der LAGA-Analytik nicht ausdrücklich in den Ausschreibungstext aufgenommen habe, obwohl es sich bei den Analysekosten um etwa 5 % der Auftragssumme gehandelt habe. In keiner Position des Leistungsverzeichnisses seien die nur der Beklagten bekannten Umweltauflagen der SGD Süd in der wasserrechtlichen Genehmigung erwähnt und nirgendwo werde darauf hingewiesen, dass ein Bieter LAGA-Analysen zu erbringen bzw. deren Kosten in die Einheitspreise einzukalkulieren habe. Dies ergebe sich auch nicht aus der Formulierung, dass der Bieter die Kosten der Separierung bzw. Deponierung des Materials trage.

68

Da die Beklagte ihre vertragliche Mitwirkungspflicht zur kostenfreien Stellung aussagekräftiger LAGA-Analysen (jeweils eine Probe je 500 m³) verletzt habe, zudem auch kein verwaltungsrechtlich vorgeschriebenes, dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechendes Rückbaukonzept für den altlastenverdächtigen Bereich vorgelegt habe, sei die Klägerin zur Kündigung des Bauvertrages gemäß § 9 Nr. 1, 3 VOB/B berechtigt gewesen. Dies begründe für die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatzansprüche.

69

Der Rechtswirksamkeit der Kündigung der Klägerin stehe auch kein eigenes erhebliches Fehlverhalten der Klägerin entgegen (§ 242 BGB). Selbst bei einem unbefugten Einbau von ca. 2.300 m³ - unstreitig unbelastetem - Erdaushub aus dem Bereich der Auffüllung in dem Bereich der Rampe 5 liege nur ein minder schwerer Vertragsverstoß der Klägerin vor. Denn es habe für die Klägerin ein schwer zu durchschauender Widerspruch bestanden zwischen der Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses (die entgegen dem abfallrechtlichen Wiederverwertungsgebot eine Deponierung auch unbelasteten Erdreichs außerhalb der Airbase vorgeschrieben habe) und den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses, die einem Wiedereinbau unbelasteten Erdaushubs auf der Airbase grundsätzlich den Vorrang gegeben hätten.

70

Da die Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen sei, folge daraus die Unbegründetheit des mit der Widerklage geltend gemachten und auf die angeblich unberechtigte Kündigung der Klägerin gestützten Schadensersatzanspruchs und Feststellungsantrags der Beklagten.

71

Gegen dieses Urteil des Landgerichts wenden sich die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen, mit denen sie die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin entsprechend der Widerklage erstreben.

72

Die Beklagte macht geltend,

73

das Grundurteil sei unzulässig, da es nicht sämtliche Anspruchsgrundlagen erledige. Die Klägerin habe mit der streitgegenständlichen Schlussrechnung sowohl Restwerklohnansprüche für erbrachte Leistungen als auch Zusatzvergütungsansprüche nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B, Schadensersatzansprüche gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB geltend gemacht. Das Landgericht habe aber nur einen Vergütungsanspruch und einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zugesprochen und insbesondere den Einwand der Beklagten gegen den Vergütungsanspruch, die Position 1.2.120 sei von der Klägerin deutlich unterkalkuliert und der ansonsten gegebene Vergütungsanspruch bereits hierdurch vollständig aufgezehrt worden, nicht erörtert.

74

Das Landgericht habe zu Unrecht die Kündigung der Klägerin als wirksam angesehen und etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber der Genehmigungsbehörde auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen, habe nicht bestanden. Selbst wenn ein Rückbaukonzept gefehlt hätte, hätte sich dies nicht kausal auf die Vertragsleistung der Klägerin ausgewirkt, weil jedenfalls nach dem 11. November 2004 Einigkeit darüber bestanden hätte, dass weitere 30 baubegleitende LAGA-Analysen gefertigt würden und der Aushub während dessen zwischengelagert werde. Diese Verfahrensweise hätte sichergestellt, dass sich die Klägerin nicht der Gefahr einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat aussetze, jedoch sei die Klägerin auf das Angebot der Beklagten zur Zwischenlagerung nach dem 6. Dezember 2004 nicht mehr zurückgekommen.

75

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] hätte die Klägerin jedenfalls 6.500 m³ ohne weitere Beprobung ausheben und zwischenlagern können; die Klägerin habe jedoch nur ca. 2.300 m³ ausgehoben, die Arbeiten dann eingestellt und den Vertrag fristlos gekündigt.

76

Das Landgericht habe verkannt, dass die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin nur partiell die Entsorgung umfasst hätten, da nur der Boden der Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses von der Klägerin zu entsorgen gewesen sei, während der tatsächlich belastete Boden unterhalb der Auffüllungen lediglich habe ausgehoben und auf Mieten zwischengelagert werden sollen.

77

Der Sachverständige habe auch bestätigt, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart nach abfallrechtlichen Bestimmungen zulässig gewesen sei. Daher sei die Leistung für die Klägerin durchführbar gewesen, allenfalls hätte der Klägerin dann ein Zusatzvergütungsanspruch aufgrund einer notwendigen Zwischenlagerung zugestanden.

78

Die Parteien hätten zunächst auch entsprechend dem ausgeschriebenen Konzept gearbeitet, nämlich Aushub durch die Klägerin mit Bodenproben durch die Nebenintervenientin zu 2., ohne dass die Klägerin Bedenken angemeldet habe. Die Klägerin habe dann - unzulässigerweise - den Aushub nicht entsorgt, sondern an der Rampe 5 abgekippt. Nachdem dies untersagt worden sei, hätten der Klägerin offenbar nicht einkalkulierte Transport- und Entsorgungskosten gedroht sowie der Wegfall der für den Einbau des Materials an der Rampe 5 kalkulierten Vergütung; erst dann habe die Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert. Diese Forderung sei unberechtigt gewesen, denn die Aushubmaßnahmen hätten fortgesetzt und die Erdmassen bis zur endgültigen Vorlage der LAGA-Analysen zwischengelagert werden können. Die Beklagte habe der Klägerin auch eine ca. 30 km entfernte Zwischenlagerungsmöglichkeit bei der Firma ...[D] ohne Notwendigkeit zusätzlicher LAGA-Anlaysen genannt. Auch auf der Airbase habe sich unmittelbar bei dem Baufeld eine Lagerfläche befunden, die für eine Zwischenlagerung des Aushubs für sieben Tage ausgereicht hätte und von der Klägerin temporär hätte genutzt werden können.

79

Das Landgericht habe ohne Grundlage eine Organisationspflicht der Beklagten angenommen, nur "ausreichend" nach LAGA-Bestimmungen getesteten Erdaushub lagern, behandeln, transportieren bzw. beseitigen/verwerten zu lassen. Dem Urteil könne auch nicht entnommen werden, durch welche konkrete Handlung die Beklagte gegen eine Koordinierungspflicht verstoßen habe.

80

Die Nebenintervenientin zu 1. macht darüber hinaus geltend,

81

dass Vertragsbestandteil der Klägerin auch das Musterblatt EVM ERG Abf (Abfall) (Bl. 573 d. A.) gewesen sei, wonach die Klägerin als Auftragnehmerin Abfallerzeuger geworden sei und die für eine Verwertung der Abfälle erforderlichen Nachweise zu erbringen gehabt habe. Damit sei eindeutig und ausschließlich die Klägerin für die LAGA-Analysen zuständig gewesen. Dies ergebe sich auch aus der Leistungsbeschreibung in C.0.1.10 und C.0.1.18. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, eine eigene Leistungsposition im Leistungsverzeichnis für die Erstellung von LAGA-Analysen aufzunehmen. Das vertragliche Leistungssoll der Klägerin habe alle Leistungshandlungen, die für das Lösen, Laden, Abtransportieren und Entsorgen des Aushubs zusammenhängen, umfasst. Die Klägerin hätte schon während der Ausschreibung darauf hinweisen müssen, wenn sie die in dem geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ausgewiesenen LAGA-Analysen nicht für zureichend gehalten habe. Die Beklagte hätte im Übrigen einseitig nach § 1 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B die LAGA-Analysen anordnen können und die Klägerin hätte dem dann nachkommen müssen und allenfalls anschließend sich um eine eventuelle Mehrvergütung kümmern dürfen.

82

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen,

83

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

84

1. die Klage abzuweisen,

85

2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

86

3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 2 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind,

87

hilfsweise die Revision zuzulassen,

88

hilfsweise das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

89

Die Klägerin beantragt,

90

die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. zurückzuweisen.

91

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. März 2012 Zwischenfeststellungsklage erhoben und beantragt nunmehr weiter,

92

festzustellen, dass die Kündigung vom 18. März 2005 der Klägerin, betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhaltebecken II, Projekt-Nummer 30974389", Bauvertrag vom 25. Mai 2004 aus Rechtsgründen begründet und berechtigt war,

93

hilfsweise festzustellen, dass die Kündigung des vorgenannten Bauvertrags aus Rechtsgründen gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B wirksam war.

94

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen hierzu,

95

die Anträge der Klägerin abzuweisen.

96

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Ergänzend macht sie geltend, die Beklagte habe trotz Aufforderung der Klägerin mit Fristsetzung zum 16. November 2004 kein entsprechendes Zwischenlager bereit gestellt und auch kein Zwischenlager bei der Firma ...[D] oder auf einem Baufeld der Airbase zugewiesen. Es sei auch keine konkrete Anordnung zur Zwischenlagerung erfolgt.

97

Die Beklagte sei wegen der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B verpflichtet gewesen, die wasserrechtliche Genehmigung zur Vertragsgrundlage zu erklären und deren Inhalt auch in tatsächlicher Hinsicht umzusetzen. Da eine gesonderte Beprobung des Bodens bei der Rampe 5 erfolgt sei, habe kein Anlass zur Forderung zusätzlicher LAGA-Analysen bestanden, solange der Erdaushub bei Rampe5 habe abgeladen werden können.

98

Es sei zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten angeordnet worden, dass die Klägerin vergütungspflichtig LAGA-Analysen als Zusatzleistung vorzunehmen habe.

99

Das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) sei ausschließlich Gegenstand des Vergabeverfahrens nach VOB/A, jedoch keine bindende vertragsrechtliche Regelung nach VOB/B. Es betreffe im Übrigen nur die Verwertung und die Beseitigung von als Abfall anzusehendem Material, greife somit erst ein, nachdem die richtige Art der Verwertung und Beseitigung durch vorab vorzunehmende LAGA-Analysen bestimmt worden sei.

100

Die von ihr nunmehr erhobene Zwischenfeststellungsklage sei zulässig, auch im Hinblick darauf, dass nicht ausgeschlossen sei, dass der Klägerin weitere Forderungen gegen die Beklagte zustünden, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens in der Hauptsache seien.

101

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. rügen die Unzulässigkeit der erhobenen Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug und im Hinblick auf die vollständige Erschöpfung des Sach- und Streitstandes durch das Urteil in der Hauptsache.

102

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 1195 - 1217 d. A.) sowie die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

103

Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. haben teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg, sind im Übrigen jedoch unbegründet.

104

1. Die Berufungen haben einen zumindest vorläufigen Erfolg, soweit sie sich gegen das Grundurteil des Landgerichts wenden. Dieses ist unzulässig und deshalb auf die Hilfsanträge der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

105

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe unstreitig noch ein Restwerklohnanspruch in Höhe von zumindest 15.291,15 € zu. Außerdem stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch (§ 6 Nr. 6 VOB/B) aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages dem Grunde nach zu, der nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] zumindest bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie bis zu 226.619,50 € wegen entgangenen Gewinns nachvollziehbar sei. Insoweit könne der Klage durch ein Grundurteil stattgegeben werden.

106

Das Landgericht hat sodann Ausführungen zur Berechtigung der Klägerin, den Werkvertrag wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B sowie aus "sonstigem wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B/§ 314 Abs. 1 BGB zu kündigen, gemacht und mehrere Pflichtverletzungen der Beklagten festgestellt.

107

Das Grundurteil des Landgerichts ist indes unzulässig und daher aufzuheben. Denn der Erlass eines Grundurteils ist nur zulässig, wenn alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind (BGH BauR 2007, 429 m. w. N.). Dies ist nach den bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall.

108

Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.). Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt. Denn hinsichtlich eines Gesamtanspruchs, der sich aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt, kann ein Grundurteil nur ergehen, wenn der geltend gemachte Gesamtanspruch auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht und das Gericht diesen festgestellt hat (BGH a. a. O.).

109

Ein einheitlicher Grund in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn sich die einzelnen in eine Gesamtforderung eingestellten Rechnungspositionen auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (BGH a. a. O. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

110

Entscheidend ist insoweit, ob die für die Rechtfertigung der geltend gemachten Einzelpositionen bereits dem Grunde nach zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen identisch sind und auf demselben Sachverhalt beruhen. Das kann bei Rechnungspositionen, die auf Nachtragsforderungen, gestützt etwa auf § 2 Nr. 5, Nr. 6 VOB/B, oder auf Behinderungsschaden im Sinne des § 6 Nr. 6 VOB/B gegründet sind, nicht bejaht werden (BGH a. a. O.).

111

Nach der Klagebegründung begehrt die Klägerin neben einem Restvergütungsanspruch, gestützt auch auf Nachträge, auch Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns sowie Ersatz der Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen (vgl. Bl. 114 d. A.). Mit ihrer Schlussrechnung macht die Klägerin Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen, Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB sowie Ansprüche auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B (vgl. Positionen 99.2.60 bis 99.2.90) und Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B geltend.

112

Bei einer derartigen Sachlage darf ein Grundurteil nur erlassen werden, wenn das Gericht für jeden dieser verschiedenen Ansprüche nach der für diesen festzustellenden Tatsachengrundlage in Anwendung der maßgeblichen Klauseln der VOB/B einen Anspruch dem Grunde nach bejaht und für wahrscheinlich erachtet, dass er in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.).

113

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung lediglich einen Restvergütungsanspruch als unstreitig dem Grunde nach geprüft und zuerkannt sowie einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B, hingegen zu den weiter geltend gemachten Ansprüchen und den Anspruchsvoraussetzungen der verschiedenen Schadensersatzforderungen der Klägerin keine Ausführungen gemacht. So bedarf es beispielsweise für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns auch bei festgestellter Behinderung der Arbeitsausführung durch von der Beklagten zu vertretende Umstände als weitere Anspruchsvoraussetzung gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit der Beklagten. Zu dieser zum Grund des Anspruchs zählenden Prüfung fehlen Feststellungen des Landgerichts ebenso wie zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B.

114

Das Grundurteil des Landgerichts ist daher aufzuheben.

115

2. Dies führt indes nicht zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Verhandlung und Entscheidung über die gesamte Klageforderung, da entsprechend dem Antrag der Klägerin durch Zwischenfeststellungsurteil die entscheidungserhebliche Vorfrage der Beendigung des Werkvertrages der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 festgestellt und damit zugleich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund des landgerichtlichen Teilurteils über die Abweisung der Widerklage beseitigt werden kann.

116

Die besonderen Prozessvoraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage sind vorliegend gegeben, die von der Klägerin erhobene Zwischenfeststellungsklage ist damit zulässig.

117

Gegenstand der vorliegenden Zwischenfeststellungsklage, der gemäß § 256 Abs. 2 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein kann, sind die aus der erfolgten Kündigung entstandenen Rechtsbeziehungen der Parteien. Die Klägerin hat insoweit beantragt festzustellen, dass ihre Kündigung vom 18. März 2005 begründet und berechtigt gewesen sei. Dieser Antrag ist dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin die wirksame Beendigung des mit der Beklagten geschlossenen Bauvertrages durch ihre Kündigung vom 18. März 2005 - und damit das Nichtbestehen bzw. die Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses - festgestellt haben will.

118

Dieses zu klärende Rechtsverhältnis ist auch für die Entscheidung der Hauptsache präjudiziell, da sowohl die Begründetheit der Klageforderung als auch - inzidenter - die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche davon abhängen. Wäre die Kündigung der Klägerin nicht berechtigt und damit unwirksam gewesen, stünden ihr die verschiedenen Schadensersatzansprüche nicht zu und die auf die Unbegründetheit der klägerischen Kündigung gestützten Schadensersatzansprüche, die von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemacht werden, wären grundsätzlich berechtigt.

119

Die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage ist darüber hinaus nur zulässig, wenn die zu klärenden Rechtsbeziehungen nicht bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt werden. Es genügt allerdings grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit, dass das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (BGH BauR 2011, 1324 mit weiteren Nachweisen). Hier verfolgt die Klägerin mehrere Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis. Die Entscheidung über die Berechtigung der wegen der fehlenden Mitwirkung der Beklagten und Behinderung der Klägerin durch die Beklagte geltend gemachten Schadensersatz- und Restvergütungsansprüche der Klägerin schließt nicht aus, dass der Klägerin noch andere (Schadensersatz-)Forderungen gegen die Beklagte aus dem Werkvertrag über die Erdarbeiten an dem Regenrückhaltebecken zustehen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens in der Hauptsache sind. Insoweit käme es dann auf die Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 an, worüber in der Hauptsache nicht rechtskräftig entschieden wird. Zudem begründet nach Auffassung des Senats auch der Umstand, dass mit der Zwischenfeststellung auch innerprozessual eine abschließende Vorfragenklärung für die umfangreiche, abgestufte - auch innerhalb der Tatsacheninstanz und zumal als Weichenstellung für erheblichen Beweiserhebungsaufwand - Abwicklung des Gesamtstreitwerts verbunden ist, die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage.

120

Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass diese erst in der Berufungsinstanz erhoben wurde (BGH NJW-RR 2012, 849). Auch musste die Zwischenfeststellungsklage nicht innerhalb der Berufungserwiderungsfrist mittels einer Anschlussberufung erhoben werden. Zwar muss als Zulässigkeitsvoraussetzung das Urteilsverfahren über die Hauptklage zwischen den gleichen Parteien in einer Tatsacheninstanz noch hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig sein, so dass nach einer Vorabentscheidung über den Grund eine Zwischenfeststellungsklage im Betragsverfahren grundsätzlich nicht mehr zulässig ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rdnr. 22 mit weiteren Nachweisen), es sei denn, dass es insoweit nur um eine für das Betragsverfahren erhebliche Vorfrage geht. Vorliegend ist die Hauptklage noch in einer Tatsacheninstanz hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig. Die Notwendigkeit einer Anschlussberufung zur Erhebung der Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug ergibt sich jedenfalls dann nicht, wenn die Zwischenfeststellungsklage - wie hier - offensichtlich hilfsweise für den Fall des Erfolgs oder des Teilerfolgs der Berufung, nämlich hier der Aufhebung des Grundurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits, erhoben wird. Denn dann handelt es sich bei dem Zwischenfeststellungsantrag um einen Hilfsantrag, für dessen Erhebung es der Einlegung einer Anschlussberufung nicht bedarf, da es sich um ein Minus gegenüber dem Hauptantrag handelt.

121

Die Zwischenfeststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat den Bauvertrag mit der Beklagten wirksam gekündigt, da die Beklagte zu Unrecht der Forderung der Klägerin nach einer LAGA-Analyse je 500 m³ Erdaushub nicht nachgekommen ist und die Klägerin deshalb gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B zur Kündigung des Vertrages berechtigt war.

122

Nach § 9 Nr. 1 a VOB/B (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 2002, welche für das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung findet) kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den Auftragnehmer außerstande setzt, die Leistung auszuführen. Zu Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte verpflichtet war, die von der Klägerin geforderten (zusätzlichen) LAGA-Analysen von einer Probe je 500 m³ Erdaushub auf Kosten der Beklagten durchzuführen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils und schließt sich diesen vollumfänglich an. Auch das Vorbringen der Berufungsbegründungen gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

123

Die Beklagte rügt ohne Erfolg, das Landgericht habe in verfehlter Weise etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zwischen der Genehmigung erteilenden Behörde und der Beklagten als Genehmigungsadressatin auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Ob die Beklagte ein "Organisationsverschulden" trifft wegen eines fehlenden Rückbaukonzepts und ob ein solches überhaupt kausale Auswirkungen auf die Vertragsleistung der Klägerin gehabt hätte, kann aber vorliegend dahinstehen.

124

Maßgeblich ist nämlich, dass die Klägerin zu Recht eine intensivere Beprobung des Bodenaushubs von der Beklagten auf deren Kosten verlangt hat, was von der Beklagten verweigert wurde, und die Beklagte auch kein Zwischenlager benannt hat, auf das alternativ der Erdaushub hätte zunächst verbracht werden können.

125

Die Berufung der Beklagten macht ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe nicht ausreichend begründet, warum die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen sei, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte als Bauherrin verpflichtet war, der Klägerin kein Verhalten bei der Arbeitsausführung abzuverlangen, das diese der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ausgesetzt hätte. Da jedoch der Transport unbeprobten oder nur unzureichend beprobten Erdaushubs genau diese Gefahr begründet hätte, war die Beklagte aufgrund des Bauvertrages mit der Klägerin verpflichtet, entweder den Erdaushub vor dem Transport ausreichend analysieren zu lassen oder der Klägerin ein ausreichendes Zwischenlager zuzuweisen.

126

Die Verpflichtung, Inhalte einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung zum Vertragsinhalt zu machen, ergibt sich zum einen aus § 4 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 4 VOB/B, wonach der Auftraggeber die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse - zum Beispiel nach dem Wasserrecht - herbeizuführen hat und der Auftragnehmer die Anordnungen des Auftraggebers auf Verlangen auszuführen hat, wenn nicht gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegen stehen. Daraus lässt sich ersehen, dass der Auftraggeber von dem Auftragnehmer nichts verlangen darf, was für diesen zu einem Verstoß gegen Gesetze oder behördliche Bestimmungen führen würde. Auf diese Weise sind auch die Inhalte einer dem Auftraggeber erteilten öffentlich-rechtlichen Genehmigung für die Vertragsparteien relevant und deshalb von dem Auftraggeber jedenfalls vor Vertragsschluss offen zu legen, damit der Auftragnehmer sich darauf einstellen kann. Ebenso lässt sich diese Verpflichtung des Auftraggebers als Nebenpflicht aus dem Werkvertrag herleiten.

127

Zu Recht verweist die Beklagte deshalb darauf, dass es im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich darauf ankommt, ob die Beklagte bei der Ausschreibung und/oder im Folgenden bei der konkreten Ausführung der Arbeiten gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen hat. Dies hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.

128

Hiergegen erinnert die Berufung der Beklagten ohne Erfolg, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart für die Klägerin durchführbar gewesen sei, ohne dass sie dabei gegen abfallrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte, da nach den Angaben des Sachverständigen Dr. ...[F] es vom Ablauf her auch möglich gewesen sei, die Proben baubegleitend beim Aushub zu entnehmen und das Erdreich eine Woche auf Zwischenmieten einzulagern. Zutreffend ist, dass der Sachverständige Dr. ...[F] diese Alternative als ebenso mögliche und ausreichende Art der Beprobung dargestellt hat (Bl. 1013 d. A.). Jedoch hat der Sachverständige hierzu weiter angegeben, dass diese Verfahrensweise aus den Ausschreibungsunterlagen nicht zu erkennen gewesen sei (Bl. 1015 - 1016 d. A.) und es sich dabei um eine Störung im Bauablauf handele, weil der Erdaushub zweifach bewegt werden müsse. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats eine Pflicht der Beklagten, die Bieter/Klägerin noch vor der Abgabe ihres Angebots auf diese Verfahrensweise hinzuweisen, damit das Angebot entsprechend preislich kalkuliert werden kann.

129

Die Beklagte vermag auch nicht darauf zu verweisen, dass die Klägerin auch bei Fehlen eines Hinweises auf eine notwendige Zwischenlagerung des Aushubs in der Ausschreibung diese Verfahrensweise hätte durchführen können und müssen und ihr möglicherweise dann nur ein Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung zugestanden hätte. Zutreffend ist, dass der Klägerin ein Mehrvergütungsanspruch zugestanden hätte, indes fehlte es an einer verbindlichen Anordnung dieser Verfahrensweise durch die Beklagte ebenso wie an der verbindlichen Zuweisung eines geeigneten Zwischenlagers. Allein der Umstand, dass auf dem Gebiet der ...[A] Lagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hätte es einer konkreten Anordnung der Beklagten bedurft, auf welchen konkreten Flächen die Klägerin den Erdaushub hätte zwischenlagern sollen. Die Lagerflächen auf der Airbase waren nämlich nicht für den hier vertragsgegenständlichen Aushub vorgesehen, sondern für die Lagerung von Sanden, weshalb es einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten zur Nutzung dieser Lagerflächen als Zwischenlager für den Erdaushub bedurft hätte. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll der Baustellenbesprechung vom 15. September 2004 (Bl. 1332 - 1333 d. A.) ergibt sich nur die allgemeine Information über die vorhandenen plangemäßen Lagerflächen auf dem Airbasegelände, nicht jedoch eine Anweisung an die Klägerin, entgegen der ursprünglichen Planung dort den Erdaushub statt der Sande zwischenzulagern.

130

Ebenso ist nicht maßgeblich, dass angeblich bei der Firma ...[D] Zwischenlagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, da dieses Gelände außerhalb der Baustelle lag und somit ein Transport dorthin über öffentliche Straßen erforderlich gewesen wäre, der wiederum eine vorherige ausreichende Beprobung des Aushubmaterials vorausgesetzt hätte.

131

Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten, dass die Parteien das von der Beklagten ausgeschriebene Konzept von Baubeginn an durchgeführt hätten, ohne dass von der Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert worden seien, und die Klägerin diese Forderung erst erhoben habe, nachdem sie den Boden nicht bei der Rampe 5 habe einbauen können. Daraus lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen, dass die Forderung der Klägerin nach ausreichenden LAGA-Analysen ein vorgeschobener Kündigungsgrund sei, um eine Fehlkalkulation zu verdecken, die sich dadurch ergeben habe, dass der Erdaushub nicht bei Rampe 5 habe eingebaut werden können.

132

Vielmehr kann ebenso Auslöser der Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen gewesen sein, dass die Klägerin - wie sie in ihrer Berufungserwiderung geltend macht - zunächst wegen der bei Rampe 5 durchgeführten Beprobung des dort einzubauenden Materials keine Veranlassung zu weiteren LAGA-Analysen gesehen habe, da ihr Erdaushub ja bei Rampe 5 entsprechend analysiert worden sei. Somit habe sich erst, nachdem dort der Einbau verweigert worden und somit die dortige Analysierung entfallen sei, die Notwendigkeit des Transports des Aushubs über öffentliche Straßen und damit das Erfordernis vorheriger Beprobung und Einordnung in LAGA-Klassen ergeben, weshalb die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen auch erst dann erhoben worden sei. Dieser Geschehensablauf erscheint ebenso plausibel wie der von der Beklagten dargestellte. Der Senat vermag auch unter Heranziehung der Gesamtumstände nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Klägerin nur wegen einer Fehlkalkulation die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen aufgestellt und dann wegen Behinderung durch die Beklagte sowie aus sonstigem wichtigem Grund gekündigt hätte.

133

Die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen stellt entgegen der Auffassung der Beklagten auch keinen Verstoß gegen das Kooperationsgebot dar. Zwar hätte es nicht zwingend der vorherigen Durchführung von LAGA-Analysen bedurft, wenn die Erdmassen zwischengelagert worden wären. Die Beklagte hat jedoch, wie ausgeführt, der Klägerin kein geeignetes Zwischenlager zugewiesen. Die Forderung nach LAGA-Analysen in ausreichender Zahl für den wegen des Fehlens einer geeigneten Zwischenlagerstätte notwendigen Transport des Erdaushubs stellt daher kein vertragswidriges Verhalten der Klägerin dar.

134

Die Beklagte verweist auch zu Unrecht darauf, dass die Klägerin lediglich den Aushub der Position 1.2.120 zu entsorgen hatte und sich im Übrigen mit der Entsorgung des unterhalb der Auffüllungen ausgehobenen und kontaminierten Materials nicht zu befassen gehabt habe. Das Leistungsverzeichnis sieht in Position 1.2.120 die Entsorgung von Aushub bis zur Klasse Z 1.1 vor, über die Position 1.2.125 die Entsorgung von Boden der LAGA-Klassen Z 1.1 bis Z 2, des Weiteren über die Positionen 1.2.150, 1.2.155 und 1.2.160 die Entsorgung von Boden, humosen Schichten und Tonen. Nach der Beschreibung in der Position 1.2.145 des Leistungsverzeichnisses handelte es sich bei dem Boden unterhalb der Auffüllungen um gewachsenen Boden, der nach der Definition der LAGA immer als Z 0 einzustufen ist. Eine ersichtliche Kontaminierung des Bodens unterhalb der Auffüllungen ist daher nicht nachvollziehbar.

135

Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, sie habe keine LAGA-Analysen auf die Klägerin abwälzen wollen, vielmehr seien ja von der Nebenintervenientin zu 2. die notwendigen LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden. Zwar hat die Beklagte die Nebenintervenientin zu 2. mit der Durchführung der LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten beauftragt, indes war die Anzahl der von der Nebenintervenientin zu 2. entnommenen Proben nicht ausreichend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die von der Klägerin - zu Recht - geforderten zusätzlichen Analysen hat die Beklagte jedoch unstreitig als nicht notwendig verweigert, weshalb für die Beklagte nach ihrem Berufungsvortrag "auch insoweit die Kostentragung diesbezüglich nicht in Rede stand". Da die Beklagte somit die erforderlichen Analysen nicht auf eigene Kosten durchführen lassen wollte, hat sie gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen, weshalb die Klägerin den Werkvertrag zu Recht vorzeitig gekündigt hat.

136

Die fristlose Kündigung der Klägerin ist auch nicht deshalb unberechtigt, wie die Beklagte meint, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] die Klägerin ohne Notwendigkeit einer weiteren Beprobung sogar 6.500 m³ Erdmaterial hätte ausheben können statt der nur tatsächlich ausgehobenen 2.300 m³. Denn der Sachverständige Dr. ...[F] hat hierzu auch erklärt (Bl. 1114 - 1115 d. A.), dass die vorvertraglich von der Nebenintervenientin zu 2. geschaffenen 19 Probenahmestellen zwar der Klägerin theoretisch ermöglicht hätten, an jeder dieser Stellen mit den Aushubarbeiten zu beginnen und so insgesamt 6.500 m³ auszuheben und zwischenzulagern, dies aber ungewöhnlich gewesen wäre. Zudem wäre die Klägerin zu einer derartigen Arbeitsweise, die offensichtlich zeitliche Verzögerungen mit sich bringt und aus der Ausschreibung nicht zu ersehen war, nur bei einer entsprechenden Anordnung der Beklagten - die nicht erfolgte - und nur gegen Erstattung der entstehenden Mehrkosten verpflichtet gewesen.

137

Die Beklagte verweist im Übrigen ohne Erfolg darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 - = NJW 2012, 518) das Risiko der fehlenden genauen LAGA-Zuordnung dem Auftragnehmer zuzuweisen sei und die Klägerin deshalb die Kosten für die Einholung weiterer Analysen als den mit der Ausschreibung vorgegebenen hätte einkalkulieren müssen, somit die weitere Leistungserbringung nicht hätte von der Übergabe weiterer LAGA-Analysen abhängig machen dürfen.

138

Der Bundesgerichtshof hatte in der herangezogenen Entscheidung einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem in den Ausschreibungsunterlagen keine Angaben zu der Einordnung des Bodens in die verschiedenen LAGA-Zuordnungswerte gemacht wurden und ein regelmäßig belasteter Boden vorausgesetzt wurde. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof sodann ausgeführt, dass sich die Auftragnehmerin an diesem Aussagewert des Vertrags festhalten lassen müsse, auch wenn sie insoweit ein Risiko eingegangen sei.

139

Im vorliegenden Rechtsstreit hingegen hatte die Beklagte Angaben zu den verschiedenen LAGA-Zuordnungswerten des auszuhebenden Materials in der Ausschreibung gemacht (vgl. Leistungsverzeichnis, Anlageband I, Bl. 30); die Klägerin hat sich darauf eingestellt und entsprechend kalkuliert.

140

Der Fall, dass während der Arbeitsausführung überraschend eine Kontaminierung des zur Weiterverwendung vorgesehenen Aushubs festgestellt worden wäre und deshalb eine Mehrvergütung zu zahlen sei, liegt im hiesigen Streitfall gerade nicht vor. Vielmehr handelt es sich vorliegend um die Frage, ob die Beklagte gehalten war, die gerade für die Einordnung des Aushubmaterials in die verschiedenen zu erwartenden LAGA-Klassen erforderlichen Analysen auf eigene Kosten durchzuführen oder auf die Kostentragung durch den Auftragnehmer hinzuweisen, alternativ in der Ausschreibung auf die Notwendigkeit einer Zwischenlagerung des Aushubs hinzuweisen. Zu dieser Problematik lässt sich der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nichts entnehmen.

141

Vielmehr weist der Bundesgerichtshof dort darauf hin, dass durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten werden, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung komme dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu; bei Ausschreibungen nach VOB/A sei für die Frage, wie dieser Wortlaut zu verstehen sei, der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter maßgeblich (BGH a. a. O.).

142

Die Auslegung habe zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten dürfe. Deshalb dürfe der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen wolle. Nach diesen Anforderungen sei die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen könnten. Dem Auftragnehmer dürfe kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen könne. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, zum Beispiel Boden- und Wasserverhältnisse, seien so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne.

143

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze des Bundesgerichtshofs ergibt sich vorliegend gerade, dass nach den Ausschreibungsunterlagen die Klägerin Boden verschiedener LAGA-Klassen zu erwarten hatte und sich dementsprechend auf die Entsorgung einstellen musste. Allerdings war den Ausschreibungsunterlagen, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegt hat, nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] nicht zu entnehmen, dass die nach den LAGA-Richtlinien erforderlichen Analysen nicht durch die Beklagte durchgeführt würden, sondern von dem Auftragnehmer selbst auf eigene Kosten einzuholen seien. Da es sich bei diesen Kosten jedoch um einen erheblichen, den Angebotspreis maßgeblich beeinflussenden Faktor handelt - wie bereits von dem Landgericht zutreffend dargelegt -, durfte die Klägerin die Ausschreibung nach den oben dargestellten Grundsätzen gerade so verstehen, dass diese Kosten jedenfalls nicht von dem Auftragnehmer zu tragen seien. Dem entspricht auch, dass die Beklagte unstreitig eine gewisse - allerdings nicht ausreichende - Anzahl LAGA-Analysen auf ihre Kosten durch die Nebenintervenientin zu 2. sowohl vor als auch während der Arbeitsausführung durchführen ließ. Damit bestand von dem Empfängerhorizont des Bieters aus keine Veranlassung, von einer Kostentragungspflicht des Auftragnehmers für die Durchführung der übrigen erforderlichen LAGA-Analysen auszugehen.

144

Auch die Nebenintervenientin zu 1. verweist mit ihrer Berufung erfolglos darauf, dass die Klägerin mit ihrem Angebot auch das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) als Vertragsbestandteil angekreuzt habe. Die Klägerin habe deshalb nach der dortigen Nr. 2.2 anstelle der Beklagten als Auftraggeberin die Pflichten zur Verwertung und Beseitigung der Abfälle unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen, insbesondere abfallrechtlichen Bestimmungen sowie des Standes der Technik übernommen und die von der Auftraggeberin zu erbringenden Nachweise zu führen gehabt. Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin zu 1. lässt sich daraus nicht die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung der LAGA-Analysen auf eigene Kosten herleiten. Der Sachverständige Dr. ...[F] hat gerade auf diesen erstinstanzlichen Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. hin ausgeführt (Bl. 773 - 774 d. A.), dass in dem Leistungsverzeichnis kein Hinweis auf eine Kostenübernahme der LAGA-Analysen durch den Bieter enthalten sei und es somit eine Rechtsfrage sei, ob dieses Formblatt dem Leistungsverzeichnis vorgehe. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass unklare Formulierungen zu Lasten der Beklagten gehen. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Somit kann aufgrund der widersprüchlichen Vorgaben in den gesamten Ausschreibungsunterlagen keine vertragliche Leistungsbeschreibung des Inhalts, dass der Auftragnehmer die LAGA-Analysen durchzuführen und zu bezahlen habe, angenommen werden. Eine solche Leistungsbeschreibung wollte die Beklagte nach ihrem ausdrücklichen Vortrag im Übrigen selbst nicht vornehmen, da sie nach ihrer Auffassung selbst zur Durchführung der notwendigen LAGA-Analysen verpflichtet war und lediglich Streit mit der Klägerin über die erforderliche Anzahl der Analysen entstand. Soweit somit der Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. dem Vortrag der Beklagten als der von ihr unterstützten Hauptpartei widerspricht, ist er zudem ohnehin unbeachtlich (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, a. a. O., § 67 Rdnr. 9 m. w. N.).

145

Da die Kündigung der Klägerin mithin zu Recht erfolgte, ist auf den Antrag der Klägerin die Beendigung des Bauvertrages durch diese Kündigung festzustellen.

146

3. Der Rechtsstreit ist deshalb nach der Aufhebung des Grundurteils nur im Übrigen zurückzuverweisen, da über den Grund der Klageansprüche nochmals zu befinden ist und der Streit über den Betrag der Ansprüche nicht zur Entscheidung reif ist, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO. Da insoweit eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen ist, sieht der Senat von einer eigenen Sachentscheidung, die über die Zwischenfeststellungsklage hinausgeht, ab.

147

4. Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gegen das die Widerklage der Beklagten abweisende Teilurteil sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

148

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt, dass wegen der berechtigten Kündigung des Bauvertrages durch die Klägerin der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen dieser Kündigung zusteht und die Beklagte deshalb auch nicht die Feststellung einer Ersatzpflicht der Klägerin für einen weitergehenden Kündigungsfolgeschaden verlangen kann. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich an.

149

Das Teilurteil, dessen Zulässigkeit die Aufhebung des Grundurteils aufgrund des Zwischenfeststellungsurteils des Senats nicht entgegen steht (vgl. BGH NJW-RR 2012, 849), ist deshalb aufrecht zu erhalten.

150

5. Über die Berufungskosten kann hinsichtlich des - feststehenden - Anteils der endgültig abgewiesenen Widerklage nach § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4, § 101 ZPO endgültig entschieden werden. Im Übrigen wird die Kostenentscheidung vom Ausgang des zurückverwiesenen Teilstreits abhängen. Sie ist deshalb insoweit dem Landgericht vorzubehalten, ebenso wie diejenige über die erstinstanzlichen Kosten.

151

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

152

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs. Grundsätzliche Bedeutung kommt keiner der in dem Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen zu, insbesondere nicht im Rahmen der erfolgten Zwischenfeststellung.

153

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 981.513,09 € festgesetzt (Klage 654.090,02 €, Widerklage 297.423,67 € + 30.000 € = 327.423,67 €).

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 18/03 Verkündet am:
20. Juni 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Insolvenzverwalter des Vermögens einer GmbH ist befugt, einen wichtigen
Grund für eine von der GmbH vor Insolvenzeröffnung erklärte außerordentliche
Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) des Anstellungsvertrages ihres
Geschäftsführers nachzuschieben.

b) Eine schuldhafte Insolvenzverschleppung durch den Geschäftsführer einer
GmbH berechtigt diese zur Kündigung seines Anstellungsvertrages aus wichtigem
Grund (§ 626 Abs. 1 BGB). Die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1
BGB beginnt nicht vor Beendigung des pflichtwidrigen Dauerverhaltens.
BGH, Urteil vom 20. Juni 2005 - II ZR 18/03 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 11. Dezember 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger war ab 1991 Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Er hatte zuletzt ein Geschäftsführergehalt von monatlich 14.000,00 DM zu beanspruchen. Sein Anstellungsvertrag war mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres ordentlich kündbar. Am 10. November 2000 beschloß die Gesellschafterversammlung die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer sowie die Kündigung seines Anstellungsvertrages mit Wirkung ab 13. November 2000 und beauftragte die beiden anderen Gesellschafter-
Geschäftsführer, dem Kläger die Kündigung zu übermitteln, was mit Schreiben vom 10. November 2000 geschah. Ein Kündigungsgrund ist weder in diesem Schreiben noch in dem Beschlußprotokoll angegeben.
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst gegenüber der GmbH die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und die Weiterzahlung seines Geschäftsführergehalts begehrt. Mit Schriftsatz vom 1. März 2001 erklärte die vormalige Beklagte, sie anerkenne, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers erst zum 30. Juni 2001 enden werde, weil die Kündigung keine solche aus wichtigem Grunde darstelle und deshalb die vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten gewesen sei. Bereits durch Beschluß des Amtsgerichts vom 28. Februar 2001 war mit Wirkung zum 1. März 2001, 0.00 Uhr, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der vormaligen Beklagten (im folgenden: Schuldnerin) eröffnet und der jetzige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Er hat - nach Aufnahme des Rechtsstreits - geltend gemacht, die Kündigung sei als solche aus wichtigem Grund wirksam, weil der Kläger es trotz der ihm bekannten Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft über mehrere Monate hinweg pflichtwidrig unterlassen habe, Insolvenzantrag zu stellen. Die anderen Gesellschafter hätten von der Insolvenzreife der Schuldnerin nicht früher als zwei Wochen vor der Kündigung erfahren (§ 626 Abs. 2 BGB). Hilfsweise hat der Beklagte u.a. mit angeblichen Ersatzansprüchen wegen Schädigung der Gesellschaft in Höhe von 17.000,00 DM und von 25.000,00 DM die Aufrechnung erklärt.
Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und dem zuletzt nur noch für die Zeit von März bis Juni 2001 geltend gemachten Zahlungsbegehren des Klägers in Höhe von 56.000,00 DM unter Abzug der Aufrechnungsforderung des Klägers von 25.000,00 DM entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung der Berufung
des Klägers - festgestellt, daß das Anstellungsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Schuldnerin zum 30. Juni 2001 beendet worden und der Beklagte dem Kläger zur Zahlung von 15.850,04 € (= 31.000,00 DM) nebst Zinsen verpflichtet sei, nachdem der Beklagte zuvor Masseunzulänglichkeit angezeigt (§ 208 InsO) und der Kläger deshalb seinen Leistungs- auf einen Feststellungsantrag umgestellt hatte. Mit seiner - von dem Senat auf Nichtzulassungsbeschwerde zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, hilfsweise die zusätzliche Berücksichtigung der Aufrechnungsforderung von 17.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Die Wirksamkeit des Senatsbeschlusses vom 21. Juni 2004 über die Zulassung der Revision des Beklagten und damit deren Statthaftigkeit gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bleiben davon unberührt, daß das Verfahren aufgrund der von dem Kläger erst am 15. Juli 2004 mitgeteilten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mit Wirkung ab 12. Januar 2004 - nach Einreichung der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vom 10. März 2003 - gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen war (vgl. BGHZ 66, 59, 61 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 26. Aufl. § 249 Rdn. 9). Das Revisionsverfahren war fortzusetzen , nachdem der Treuhänder des Klägers (§ 313 InsO) die streitigen Ansprüche am 7. Januar 2005 freigegeben hat und beide Parteien den Rechtsstreit aufgenommen haben (vgl. BGHZ 36, 258, 261 f.).
II. Insoweit zutreffend und von der Revision unbeanstandet geht das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der beiden Feststellungsanträge des Klägers aus.
1. Der Kläger hätte zwar als Gesellschafter der Schuldnerin auch mit einer Anfechtungsklage entsprechend § 246 AktG (vgl. BGHZ 51, 210; st.Rspr.) gegen den Kündigungsbeschluß der Gesellschafterversammlung vorgehen können; es ist ihm aber - ebenso wie einem Fremdgeschäftsführer - nicht verwehrt , die behauptete Unwirksamkeit der - von dem Beschluß zu unterscheidenden - Kündigungserklärung mit einer Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend zu machen (vgl. auch Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl. § 35 Rdn. 122 a; mißverständlich Hachenburg/Stein, GmbHG 8. Aufl. § 38 Rdn. 99).
2. Ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1 entfällt auch nicht insoweit , als dieser sich in zeitlicher Hinsicht mit dem Antrag zu 2 deckt. Denn der Antrag zu 1 des Klägers auf Feststellung, daß sein Anstellungsverhältnis durch die Kündigung vom 10. November 2000 nicht beendet worden sei, sondern unverändert fortbestehe, betrifft zum Teil ein vorgreifliches Rechtsverhältnis für den Antrag zu 2 (Gehaltszahlung) i.S. von § 256 Abs. 2 ZPO, geht aber nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht über den Antrag zu 2 hinaus , weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aus dem Anstellungsvertrag im Falle seines Fortbestandes nicht nur Gehalts-, sondern auch Ansprüche auf Nebenleistungen resultieren würden.
Der nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit auf einen Feststellungsantrag umgestellte Antrag zu 2 ist ebenfalls zulässig, weil die geltend gemachten Gehaltsforderungen sog. "Altmasseverbindlichkeiten" i.S. von § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO betreffen, die unter das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO fallen
(vgl. Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 209 Rdn. 14; § 210 Rdn. 6; Landfermann in Heidelberger Komm. zur InsO 2. Aufl. § 210 Rdn. 5).
III. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe schon nicht hinreichend dargelegt, daß die von ihm als wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für die Kündigung des Anstellungsvertrages behauptete monatelange Insolvenzverschleppung durch den Kläger den Gesellschaftern der Schuldnerin erst innerhalb von zwei Wochen vor der Kündigungserklärung vom 10. November 2000 bekannt geworden sei (§ 626 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB). Die pauschale und in das Wissen zweier Mitgesellschafter gestellte Behauptung des Beklagten, die Frist sei gewahrt worden, genüge nicht, zumal die als Zeugen benannten Gesellschafter "scheinbar Mitgeschäftsführer der Schuldnerin" und daher auch ihrerseits zur Überwachung der Schuldnerin in der sich anbahnenden Krise verpflichtet gewesen seien. Ein weiteres "Schlüssigkeitsdefizit" auf Beklagtenseite liege darin, daß die Schuldnerin erstinstanzlich eingeräumt habe, ihre Kündigung stelle keine solche aus wichtigem Grund dar. Diese sei jedoch - so meint das Berufungsgericht - in eine ordentliche Kündigung zum Ende des folgenden Kalenderhalbjahres (§ 11 Abs. 2 des Anstellungsvertrages), mithin zum 30. Juni 2001, umzudeuten. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2001 sei der Anstellungsvertrag gemäß § 108 Abs. 1 InsO noch nicht beendet worden; ebensowenig habe der Beklagte diesen vor dem 30. Juni 2001 gemäß § 113 Abs. 1 InsO gekündigt. Die Hilfsaufrechnung des Beklagten gegenüber dem Zahlungsanspruch des Klägers greife nur in Höhe von 25.000,00 DM (12.782,30 €) durch.
IV. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages (§ 626 Abs. 1 BGB) nicht der sofortigen Angabe eines wichtigen Grundes (Senat, BGHZ 27, 220, 225; 157, 151, 157 f.). Dieser oder auch weitere wichtige Gründe können grundsätzlich auch noch im Rechtsstreit nachgeschoben werden, soweit sie bei Ausspruch der Kündigung objektiv vorlagen und dem kündigenden Gesellschaftsorgan nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt geworden waren (BGHZ 157, 151, 157 m.w.Nachw.). Handelt es sich aber - wie hier - bei dem für die fristlose Kündigung maßgebenden Grund um ein Dauerverhalten , so beginnt die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor dessen Beendigung (Sen.Urt. v. 5. Juni 1975 - II ZR 131/73, WM 1975, 793 f.; v. 26. Juni 1995 - II ZR 109/94, ZIP 1995, 1334, 1336; BAGE 24, 383, 396 ff.; Hachenburg/Stein, GmbHG 8. Aufl. § 38 Rdn. 70). Schon deshalb ist hier entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unerheblich, wann die beiden anderen Gesellschafter-Geschäftsführer - richtigerweise die Gesellschafterversammlung als Kollektivorgan (vgl. BGHZ 139, 89 ff.) unter Einschluß des ebenfalls an der Kündigung mitwirkenden Gesellschafters N. - erstmals Kenntnis von der (angeblichen) Konkursverschleppung erlangt haben.
Im übrigen hätte das Berufungsgericht auch von seinem Rechtsstandpunkt aus das unter Beweis gestellte Vorbringen des Beklagten, die Mitgesellschafter des Klägers hätten erst innerhalb von zwei Wochen vor der Kündigung von der Konkursverschleppung erfahren, nicht als "pauschal" abtun dürfen. Grundsätzlich genügt für einen Sachvortrag die Behauptung von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als entstanden anzusehen (vgl. BGHZ 127, 354, 358 f. m.w.Nachw.).
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht einem Nachschieben des vom Beklagten geltend gemachten Kündigungsgrundes auch nicht der Vortrag in der Klageerwiderung der Schuldnerin vom 1. März 2001 entgegen, wonach es sich nicht um eine Kündigung aus wichtigem Grunde gehandelt haben soll. Dieser Vortrag war und ist gemäß § 249 Abs. 2 ZPO prozessual unbeachtlich , weil um 0.00 Uhr dieses Tages bereits das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsstreit damit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden war. Zudem handelt es sich bei der Kündigungserklärung vom 10. November mit Wirkung ab 13. November 2000 um eine außerordentliche, nicht an der vereinbarten Frist orientierte Kündigung, der grundsätzlich ein wichtiger Grund nachgeschoben werden kann. Soweit in dem Schriftsatz vom 1. März 2001 der Fortbestand des Anstellungsverhältnisses des Klägers bis zum 30. Juni 2001 "anerkannt" wird, ist dies sowohl prozessual als auch materiell-rechtlich unbeachtlich, weil die Schuldnerin schon zuvor ihre Verfügungsbefugnis gemäß § 81 Abs. 1 InsO verloren hatte und dieser Verlust der Verfügungsbefugnis auch auf Rechtshandlungen ihres Prozeßbevollmächtigten durchgriff (vgl. Uhlenbruck aaO § 81 Rdn. 4 m.w.Nachw.).
V. Das angefochtene Urteil kann daher mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Es läßt sich auch nicht mit anderer Begründung durch abschließende Endentscheidung des Senats ganz oder zum Teil aufrechterhalten (vgl. § 561 ZPO).
1. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 1. März 2001 wurde der Anstellungsvertrag des Klägers nicht beendet, wie sich aus §§ 108 Abs. 1, 113 Abs. 1 InsO ergibt. Danach bestehen Dienstverhältnisse mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, können allerdings von dem Insolvenzverwalter nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 InsO gekündigt
werden. Diese Vorschriften gelten für alle Dienstverhältnisse einschließlich desjenigen eines Gesellschafter-Geschäftsführers in der Insolvenz der Gesellschaft (vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 11 Rdn. 127 m.w.Nachw.). Entsprechendes hat der Senat (BGHZ 75, 209) bereits zu § 22 KO entschieden. Daran hat sich durch die Insolvenzordnung nichts geändert. Es kommt daher im vorliegenden Fall auf die Wirksamkeit der Kündigung der Schuldnerin vom 10. November 2000 und den von dem Beklagten im Rechtsstreit geltend gemachten Kündigungsgrund an.
2. Dem Beklagten fehlte nicht etwa die Befugnis, den geltend gemachten Kündigungsgrund nachzuschieben. Handelt es sich - wie möglicherweise hier - um einen anderen als denjenigen Grund, der die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu der außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) eines Geschäftsführeranstellungsvertrages veranlaßt hat, so hat über das Nachschieben dieses Grundes das für eine Kündigung zuständige Organ zu entscheiden (BGHZ 157, 151, 159). Mit der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter ist die Kündigungsbefugnis der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) auf ihn übergegangen (vgl. § 113 InsO sowie - zu § 22 KO - Senat, BGHZ 75, 209). Das gilt auch für die "Nachschiebebefugnis", die der Beklagte seinerseits nicht innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von dem nachgeschobenen Grund (angebliche Konkursverschleppung des Klägers) ausüben mußte (BGHZ 157, 151, 157 f.). Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin der nachgeschobene Grund bei Ausspruch der Kündigung überhaupt bekannt war (vgl. Sen.Urt. v. 13. Juli 1998 - II ZR 131/97, DStR 1998, 398 = NJW-RR 1998, 1409).
3. Die von dem Beklagten behauptete Insolvenzverschleppung seitens des Klägers wäre ggf. als wichtiger Grund i.S. von § 626 Abs. 1 BGB auch nicht ungeeignet. Zwar genügt dafür die Verletzung von Organpflichten (hier § 64 Abs. 1 GmbHG) für sich allein nicht; maßgebend ist vielmehr, ob der Gesellschaft die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses wegen der Pflichtverletzung nicht mehr zugemutet werden konnte. Handelt es sich wie hier um eine Insolvenzverschleppung, so steht bei der erforderlichen Zumutbarkeits- und Interessenabwägung auf seiten der insolvenzreifen Gesellschaft ihr normatives Eigeninteresse im Vordergrund, ihre noch vorhandene Vermögensmasse im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten. Das zeigt z.B. § 64 Abs. 2 GmbHG, welcher der Gesellschaft einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer im Fall einer Masseverkürzung zugunsten einzelner Gläubiger zuweist. Aus dieser Sicht ist es der Gesellschaft im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB nicht zuzumuten, einen ihre Insolvenz schuldhaft verschleppenden Geschäftsführer weiterzubeschäftigen und ihm auch noch über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus - bis zum Wirksamwerden einer etwaigen Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 113 Abs. 1 InsO - Gehalt aus der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO; vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO 12. Aufl. § 11 Rdn. 127 m.w.Nachw.) zu zahlen. Schon wegen der Maßgeblichkeit des genannten Gesellschaftsinteresses kann der Kläger der Kündigung aus dem vom Beklagten geltend gemachten wichtigen Grund nicht entgegenhalten, daß die beiden an der Kündigung mitwirkenden anderen Gesellschafter-Geschäftsführer auch ihrerseits zu rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet gewesen wären. Davon abgesehen läge nach dem Vortrag des Beklagten eine Pflichtwidrigkeit des Klägers auch ihnen gegenüber vor, weil er sie über die offenbar zunächst nur ihm bekannte Insolvenzreife der Schuldnerin
nicht rechtzeitig informiert hat. Hinzu kommt, daß auch noch ein weiterer, nicht geschäftsführender Gesellschafter an dem Kündigungsbeschluß mitgewirkt hat.
4. Nach allem hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob der von dem Beklagten erhobene Vorwurf einer Insolvenzverschleppung seitens des Klägers zutrifft und daher die Kündigung der Schuldnerin gegenüber dem Kläger vom 10. November 2000 aus dem vom Beklagten nachgeschobenen wichtigen Grund berechtigt war. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war der mit dem Zeugnis der beiden anderen GesellschafterGeschäftsführer unter Beweis gestellte Vortrag des Beklagten, die Schuldnerin habe spätestens ab 1. Juli 2000 die Löhne für ihre 200 Mitarbeiter nicht mehr bezahlen und auch ihre sonstigen Verbindlichkeiten nicht voll decken können, hinreichend substantiiert. Da das Berufungsgericht zu der behaupteten Insolvenzverschleppung keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur Nachholung der noch erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
5. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß das Berufungsgericht dem Beklagten den von diesem hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Erstattungsanspruch wegen der von dem Kläger am 20. Oktober 2000 aus dem Gesellschaftsvermögen entnommenen 17.000,00 DM mit unzutreffender Begründung aberkannt hat. Für die streitige Berechtigung zu der Entnahme ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig (vgl. Senat, BGHZ 152, 280, 284 f.; Urt. v. 26. November 1990 - II ZR 223/89, WM 1991, 281 f.); er hat deshalb auch den von ihm behaupteten Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber der Schuldnerin nachzuweisen. Aus der von ihm vorgelegten Einzahlungsquittung über 17.000,00 DM ergibt sich nicht, daß es sich um eine Darlehensgewährung handelte. War die Schuldnerin zum Zeit-
punkt der Entnahme in einer Krise und darüber hinaus sogar insolvenzreif, wie der Beklagte behauptet, stünden der Rechtmäßigkeit der Entnahme auch der Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes sowie § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG entgegen.
Goette Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

24
aa) Das Berufungsgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die in dem Schreiben vom 29. März 2007 (Anlage K 11) aufgeführten Mängel nicht für die Kündigung vom 18. April 2007 herangezogen werden könnten. Hierbei hat es nicht berücksichtigt, dass das Nachschieben von Kündigungsgründen durch den Auftraggeber auch noch nach der Kündigung des Auftragnehmers beziehungsweise nach der Selbstvornahme des Auftraggebers erfolgen kann. Aus dem Erfordernis, dass eine Kündigung nicht begründet werden muss, ergibt sich zwangsläufig, dass Kündigungsgründe jederzeit nachgeschoben werden können, sofern sie im Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 1981 - VII ZR 310/79, BGHZ 82, 100, 109, juris Rn. 36; vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03, BGHZ 163, 274, 277, juris Rn. 15; in: Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 20. Aufl., § 8 Abs. 6 VOB/B Rn. 6).

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.


Tenor

1. Auf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. wird das Grund- und Teilurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der Airbase ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt wurden.

2. Auf die Zwischenfeststellungsklage der Klägerin wird festgestellt, dass der Bauvertrag der Parteien vom 25. Mai 2004 betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhalte-becken II, Projekt-Nummer 30974389" durch die Klägerin am 18. März 2005 wirksam gekündigt worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

4. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

5. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. jeweils 1/3 ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten selbst sowie gesamtschuldnerisch 1/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Im Übrigen bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht überlassen.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. dürfen die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aufgrund eines vorzeitig beendeten Bauvertrages, in dem die Geltung der VOB/B vereinbart wurde.

2

Die Klägerin macht insoweit Restwerklohn sowie Schadensersatz/Aufwendungsersatz geltend; die Beklagte begehrt widerklagend den Ersatz ihr entstandener Mehrkosten und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung der Klägerin wegen der erfolgten Kündigung.

3

Die Beklagte beabsichtigte die Anlegung eines Regenrückhaltebeckens im Bereich des …[X]bachs auf dem Flughafengelände ...[A], wobei sie die Nebenintervenientin zu 1. einschaltete. Es sollten dabei auf einer Fläche von ca. 50 m Breite und 500 m Länge etwa 80.000 m³ Erdboden ausgehoben werden. Dabei sollte es sich bei ca. 57.000 m³ um Aufschüttungen und bei 27.000 m³ um natürliches Material (Sande bzw. unbelastete Böden) handeln. Bei einem Teil des betroffenen Erdreichs handelte es sich um eine registrierte Altlast im Altlastenkataster des Landes Rheinland-Pfalz (Anlageband III, Bl. 938).

4

Am 30. Mai 2003 erhielt die Beklagte die wasserrechtliche Plangenehmigung gemäß § 31 WHG der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd (Anlageband III, Bl. 992 ff), in der darauf hingewiesen wurde, dass durch die geplanten Erdbauarbeiten im Bereich des Regenrückhaltebeckens verschiedene im Altlastenkataster registrierte Altablagerungen überplant bzw. tangiert würden und ihr ein Rückbaukonzept (Beschreibung des Bauablaufs, Entsorgung des Auffüllmaterials, Freimessung der geräumten Flächen sowie gegebenenfalls Angaben zur Wasserhaltung, Arbeits- und Umgebungsschutzmaßnahmen usw.) vorzulegen sei. Weiter wurde darin erklärt, dass die technischen Regelungen "Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen" der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) zu beachten seien und für den Nachweis der Umweltverträglichkeit das Material gemäß den Begriffsbestimmungen der LAGA (Bauschutt, Erdaushub etc.) zu separieren und analytisch zu überprüfen sei. Die Verwertungs- und Beseitigungswege der im Rahmen der Baumaßnahmen anfallenden Aushubmassen seien gegenüber der SGD Süd nachzuweisen.

5

Die Beklagte beauftragte die Nebenintervenientin zu 2. mit geotechnischen Voruntersuchungen. In ihrem geotechnischen Bericht vom 27. November 2003 (Anlageband III, Bl. 958 ff) unterteilte die Nebenintervenientin zu 2. die zu erwartenden Bodengruppen in sechs Bodenklassen nach DIN 18300 (Anlageband III, Bl. 963) und wies auf eine nur bedingte Wiederverwendbarkeit der Aushubmassen im Hinblick auf die Inhomogenität und den hohen humosen Anteil der Auffüllungen hin. Wegen des hohen Humusanteils könne ein Teil des Erdreichs allenfalls für Lärmschutzwälle verwendet werden (Anlageband III, Bl. 966), während die grauen quartären Sande für eine Wiederverwendung als Austauschboden bodenmechanisch geeignet seien. Die Auffüllung sei im Groben in die Einbauklasse bis Z 1.1 nach LAGA einzustufen; von 15 Mischproben seien 12 in die LAGA-Einbauklasse Z 0 (unbelastetes Material), eine Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 1.1 und eine weitere Probe in die LAGA-Einbauklasse Z 2 einzustufen (Anlageband III, Bl. 968, 969).

6

Die durchzuführenden Erdarbeiten wurden sodann öffentlich ausgeschrieben mit einem Kurztext-Leistungsverzeichnis (Anlage K 3, Anlageband I, Bl. 21 - 40) und einem Langtext-Leistungsverzeichnis (Anlageband I, Bl. 41 ff). In den projektbezogenen Vorbemerkungen wurde unter C.01. und C.02. (Anlageband I, Bl. 29 - 36) auf die Einstufung des Bodenaushubs in die verschiedenen LAGA-Klassen hingewiesen und auf den Eigentumsübergang des Materials bestimmter LAGA-Klassen auf den Auftragnehmer; hinsichtlich einzelner Boden-materialien wurde - je nach LAGA-Klasse - eine Entsorgungsverpflichtung des Auftragnehmers oder eine Pflicht des Auftragnehmers zum Abfahren und Zwischenlagern des für den Wiedereinbau geeigneten Materials auf Mieten innerhalb des Flugplatzgeländes normiert.

7

Die einzelnen Erdaushubarbeiten wurden zu Einheitspreisen ausgeschrieben unter anderem mit Zulagenpositionen für Boden der Klasse über LAGA Z 1.1 bis LAGA Z 2 sowie der Bodenklasse LAGA Z 3 und höher (Anlageband I, Bl. 53 - 54).

8

Die Klägerin erhielt im Mai 2004 den Zuschlag für die Erdarbeiten zu einem Nettopreis von 1.085.244,60 € (Anlageband I, Bl. 94). Sie sollte zudem zusammen mit der Firma ...[B] Bau als ARGE Arbeiten an der Rampe 5 des Flughafengeländes vornehmen. Das Leistungsverzeichnis dieser Arbeiten sah unter anderem vor, dass dort lediglich Füllmaterial ohne humose Bestandteile zu verwenden war.

9

Nach Übernahme des Auftrags erörterte die Klägerin bzw. die ARGE mit dem von der Beklagten beauftragten Gutachterbüro ...[C], dass ein Einbau von Erdaushub der Klasse LAGA Z 1.2 aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens im Bereich der Rampe 5 beabsichtigt sei. Das Gutachterbüro teilte sodann der Beklagten durch Schreiben vom 21. Juni 2004 (Bl. 398 - 399 d. A.) die Unzulässigkeit dieses Einbaus ohne die erforderliche Genehmigung der zuständigen Behörde mit.

10

Mit Schreiben vom 1. September 2004 (Bl. 378 d. A.) wies die Nebenintervenientin zu 1. die Klägerin darauf hin, welches Erdaushubmaterial der jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses auf Mieten aufzusetzen, einzubauen oder zu beseitigen sei und welches in das Eigentum der Klägerin oder der Beklagten übergehe. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass eine Vermischung von gewachsenem Boden der Bodenklasse 3 - 5, 6 und 7, Boden aus Auffüllungen und humosen Bodenarten nicht gestattet sei.

11

Anfang September 2004 hob die Klägerin insgesamt 2.287 m³ Baugrund aus dem Bereich der Auffüllungen (Leistungsverzeichnis Position 1.2.120) aus und baute diese im Bereich der Rampe 5 ein. Aus dem Aushub wurden nach Angaben der Klägerin ca. 935 m³ Bauschuttreste aussortiert. Von diesem Aushub der Klägerin entnahm die Nebenintervenientin zu 2. am 16. September 2004 eine Bodenprobe.

12

Bei einer Baubesprechung vom 15. September 2004 bat die Klägerin um Überlassung der Untersuchungsergebnisse der - zur Vorbereitung der Ausschreibung durch die Nebenintervenientin zu 2. vorgenommenen - schadstofftechnischen Beprobung des Baufeldes, weil sie den Aushub aus den Auffüllungsbereichen in einem anderen Bauvorhaben einbauen wolle und dort eine Beprobung der angelieferten Stoffe nach LAGA gefordert werde. Die Beklagte lehnte eine Weitergabe der Untersuchungsergebnisse ab (Bl. 686 d. A.).

13

Mit Schreiben vom 16. September 2004 (Anlage K 18, Anlageband II, Bl. 416) forderte die Klägerin von der Beklagten die umweltrechtliche Freigabe der abzufahrenden Erdmassen für den Einbau bei anderen Baumaßnahmen. Soweit dies nicht der Fall sei bzw. zusätzliche Nachweise für den Einbau bei anderen Maßnahmen notwendig seien, meldete sie "bereits jetzt" die daraus resultierenden Mehrkosten an; es gehe hier um Deklarationsanalysen-Kosten nach LAGA oder Deponierungskosten.

14

Am 21. September 2004 wurde der Einbau von Auffüllmaterial im Bereich der Rampe 5 gestoppt. Die ARGE wurde auf die Ungeeignetheit des angelieferten Materials hingewiesen und zur restlosen Entfernung von dem Baufeld und der Zwischendeponie aufgefordert; zugleich wurde eine fehlende deutliche Trennung der gelagerten Materialien auf dem Zwischenlager gerügt (Bl. 362 - 363 d. A.).

15

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 23. September 2004 (Bl. 200 d. A.) erneut ihre Absicht der Wiederverwendung der Erdmassen unter Hinweis auf § 1 KrW/AbfG und forderte im Hinblick auf die von der Beklagten stattdessen gewünschte Deponierung der Erdmassen die Erbringung der dafür notwendigen LAGA-Analysen von einer pro angefangene 1000 Tonnen Erdaushub. Da die umweltrechtliche Begleitung durch die Beklagte erbracht werde, müsse diese auch die Kosten der LAGA-Analysen tragen. Die Klägerin verwies auf ein beigefügtes Nachtragsangebot über 103.000 € zur Durchführung der LAGA-Analysen, alternativ forderte sie im Falle der Analysierung durch die Beklagte selbst die Übergabe der Analyseergebnisse. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte die Klägerin, dass sie wegen Regens an der Ausführung der Erdarbeiten behindert sei (Anlage K 20, Anlageband II, Bl. 423).

16

Der für die Beklagte handelnde LBB in ...[Z] entschied mit Schreiben vom 4. Oktober 2004 (Anlage K 24, Anlageband II, Bl. 428 - 430), dass die Klägerin die LAGA-Kosten zur Deponierung nicht übernehmen müsse, diese vielmehr von der Nebenintervenientin zu 2. gemäß deren Architekten-/Ingenieurvertrag übernommen würden. Das Leistungsverzeichnis gehe nicht auf die DIN 18299 0.4.2 "Besondere Leistungen" ein, wonach in der Leistungsbeschreibung Kosten von erheblicher Bedeutung für die Kalkulation angegeben werden müssten. Eine überschlägige Berechnung ergebe bei 110 Laboruntersuchungen zu je 490 € einen Gesamtbetrag von 53.900 €; entsprechend der DIN hätten deshalb die Eignungsnachweise (also auch die LAGA-Untersuchungen) gesondert in der Leistungsverzeichnisbeschreibung ausgewiesen werden müssen.

17

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 977- 978) lehnte die Nebenintervenientin zu 1. eine Beauftragung der Klägerin mit LAGA-Analysen gemäß deren Nachtragsangebot vom 23. September 2004 ab und forderte die Klägerin zur unverzüglichen Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

18

Die Klägerin rügte demgegenüber mit Schreiben vom 11. Oktober 2004 (Anlage K 25, Anlageband II, Bl. 431), dass sie ohne die - bauseits zu erbringenden - LAGA-Analysen die Erdarbeiten nicht wieder aufnehmen könne; sie sei seit dem 27. September 2004 in der Ausführung dieser Arbeiten behindert (§ 6 Nr. 1 und 2 VOB/B).

19

Nachdem die Klägerin am 12. Oktober 2004 ca. 900 t weißgraue Sande aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II abtransportiert und anderweitig eingebaut hatte, verwiesen sowohl die Nebenintervenientin zu 1. mit Schreiben vom 19. Oktober 2004 (Bl. 387 d. A.) als auch die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 (Anlageband III, Bl. 433 - 434) auf die Unzulässigkeit des Abtransports. Die Nebenintervenientin zu 1. forderte die Klägerin auf, das abtransportierte Aushubmaterial an die zugewiesene Stelle zu schaffen. Die Beklagte wies die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen im Hinblick auf die baubegleitenden Untersuchungen durch die Nebenintervenientin zu 2. zurück und forderte die Klägerin auf, die Arbeiten bis zum 25. Oktober 2004 aufzunehmen (Anlageband III, Bl. 981).

20

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2004 (Bl. 388 - 389 d. A.) teilte die Klägerin mit, dass ein Teil der weißgrauen Sande inzwischen anderweitig verbaut worden sei. Da sie nach dem Bauvertrag allenfalls zur Abfuhr von maximal 26.400 m³ Erdmassen auf Zwischenlager verpflichtet sei, falle eine Nachtragsvergütung für das Verbringen weiterer Massen auf ein Zwischenlager an.

21

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 die Behinderungsanzeige der Klägerin wegen fehlender LAGA-Analysen erneut zurück und forderte sie zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf.

22

Am 25. Oktober 2004 erstellte die Klägerin ihre zweite Abschlagsrechnung über 259.511,84 € (Anlage K 38, Anlageband II, Bl. 468 - 489). Insoweit forderte die Klägerin Zahlung in Höhe von 183.805,63 €; die Beklagte zahlte jedoch lediglich 81.349,65 € brutto (Anlage K 39, Anlageband II, Bl. 490).

23

Am 27. Oktober 2004 teilte die Nebenintervenientin zu 2. als Ergebnis der am 16. September 2004 aus dem Erdaushub der Klägerin entnommenen Mischprobe mit, dass darin keine erhöhten Schadstoffgehalte festgestellt worden seien und die Schwarzdeckenprobe als Ausbauasphalt im Sinne der Einbauklasse Z 1.1 der LAGA eingestuft werde (Prüfbericht in Anlageband II, Bl. 552 ff).

24

Die Klägerin wies mit Schreiben vom 27. Oktober 2004 (Anlage K 29, Anlageband II, Bl. 437) auf einen bei Kontaminationsverdacht üblichen Probeumfang von einer LAGA-Analyse je angefangener 1000 t (entspricht ca. 500 m³) Abfuhrmasse hin. Sie bestehe auf einer Vorlage von LAGA-Analysen vor der Abfuhr der Erdmassen, da das Abfahren mit begleitender LAGA-Analyse erhebliche Gefahren hinsichtlich Arbeitsschutz und Kosten verursache. Die Klägerin meldete weiterhin Behinderung der Erdarbeiten gemäß § 6 Nr. 1 VOB/B an und bat bis zum 2. November 2004 um Entscheidung, ob die Erdmassen trotz der genannten Bedenken auf Risiko der Beklagten abgefahren werden sollten.

25

Mit Schreiben vom 4. November 2004 (Anlage K 30, Anlageband II, Bl. 439 - 440) verwies die Klägerin auf die Notwendigkeit weiterer Analysen nach den Vorschriften der LAGA im Hinblick auf die bei einer Probe festgestellte Belastung nach der LAGA-Zuordnungsklasse Z 2 und darauf, dass eine gemeinsame Abfuhr von Massen unterschiedlicher Belastung und der damit verbundenen zwangsläufigen Vermischung dem Verdünnungsverbot gemäß den LAGA-Richtlinien widerspreche. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Durchführung bzw. Vorlage der gemäß LAGA-Mitteilung Nr. 20 geforderten Bodenanalysen vor Abfuhr der Massen bis spätestens 8. November 2004 auf.

26

Am 8. November 2004 rügte die Klägerin erneut Behinderung wegen der fehlenden LAGA-Analysen (Anlage K 33, Anlageband II, Bl. 452).

27

Ein Antrag der Klägerin auf Genehmigung der Ablagerung von ca. 20.000 m³ des Bodenmaterials auf einer landwirtschaftlichen Fläche in ...[Y] wurde von der Unteren Landespflegebehörde abgelehnt (Anlageband III, Bl. 989).

28

Bei einer Baubesprechung vom 11. November 2004, deren Ablauf streitig ist, wies die Beklagte ausweislich ihres Aktenvermerks (Anlage K 105, Anlageband III, Bl. 935 - 940) auf die nach ihrer Auffassung unberechtigte Forderung der Klägerin nach aushubbegleitenden Analysen von mindestens einer für 1000 t hin und verwies auf die von der Nebenintervenientin zu 2. präventiv durchzuführenden aushubbegleitenden LAGA-Analysen ca. alle 2.000 m³.

29

Demgegenüber erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 34, Anlageband II, Bl. 458 - 459), dass wegen der für eine Einstufung der Aushubmasse in LAGA-Zuordnungswerte nicht ausreichenden Voruntersuchungen ein den Aushub von fünf Tagen, somit 10.000 m³ fassendes Zwischenlager eingerichtet und unterhalten werden müsse, in dem die Aushubmassen bis zur Vorlage der Untersuchungsergebnisse nach LAGA verblieben. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, bis zum 16. November 2004 Art und Lage des Zwischenlagers anzugeben und die weitere Vorgehensweise festzulegen. Des Weiteren meldete die Klägerin Behinderung nach § 6 Nr. 1 VOB/B an. Sie rügte zudem, dass sich bei der Baubesprechung am 11. November 2004 ergeben habe, dass die Beklagte entgegen § 4 Nr. 1 VOB/B nicht alle öffentlich-rechtlichen Bewilligungen herbeigeführt habe und insbesondere das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept sowie die Abstimmung mit den Behörden über die Freigabe bzw. Freimessung der Baugrube fehlten.

30

Mit Schreiben vom 12. November 2004 (Anlage K 35, Anlageband II, Bl. 460 - 463) wies der LBB ...[Z] die Klägerin darauf hin, dass nach der Ausschreibung kein Raum für eine Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen sei und die speziellen LAGA-Untersuchungen allein Sache der Klägerin seien. Zugleich wurde auf das Ende der Vertragsbauzeit am 14. Januar 2005 und die bisher von der Klägerin erst abgefahrene Menge von 2.500 m³ hingewiesen sowie die Kündigung des Bauvertrages bzw. Schadensersatzforderungen angekündigt, sofern die Klägerin die Arbeiten nicht bis zum 24. November 2004 wieder aufnehme.

31

Die Klägerin stellte am 17. November 2004 ihre dritte Abschlagsrechnung über 328.143,77 € (Anlage K 95, Anlageband III, Bl. 876 - 898) und rügte mit Schreiben vom 22. November 2004 (Anlage K 36, Anlageband II, Bl. 464 - 465) das Ruhen der Erdarbeiten seit ca. acht Wochen, was durch die Beklagte zu vertreten sei, weil sie die notwendigen LAGA-Untersuchungen nicht erbracht bzw. nicht vorgelegt habe. Sie verwies hinsichtlich der bauseitigen Pflicht zur Erbringung der LAGA-Analysen auf das Schreiben des LBB vom 4. Oktober 2004 und forderte die Beklagte auf, bis zum 24. November 2004 die wasserrechtliche Genehmigung zur Baumaßnahme und den Bescheid der SGD Süd hinsichtlich der Vorgehensweise zur definitiven Einstufung der Aushubmassen in die LAGA-Zuordnungswerte vorzulegen.

32

Der LBB verwies mit Schreiben vom 6. Dezember 2004 (Anlageband III, Bl. 986 - 991) für die Beklagte darauf, dass die wasserrechtliche Genehmigung seit dem 17. Juni 2003 vorliege und dass die Beklagte aus den im Schreiben vom 12. November 2004 genannten Gründen aus praktischen und vertragsrechtlichen Gründen nicht in der Lage sei, zusätzliche LAGA-Analysen des Bodens gemäß OZ 1.2.120 aushubbegleitend zu liefern. Der geotechnische Bericht der Nebenintervenientin zu 2. vom 27. November 2003 enthalte alle erforderlichen Untersuchungen für eine entgeltliche Einlagerung des Bodenaushubs; so verlange die Firma ...[D] keine zusätzlichen LAGA- Analysen zum Einlagern von Boden der Einbauklasse bis Z 1.1. Es müssten sämtliche 57.000 m³ der Position 1.2.10 des Leistungsverzeichnisses (auch soweit diese ausschließlich Z 0 Material betrifft) von der Airbase abgefahren werden, ein Wiedereinbau auf dem Flugplatzgelände sei nicht möglich. Die Klägerin solle ihre Arbeiten innerhalb von acht Tagen wieder aufnehmen.

33

Am 8. Dezember 2004 stellte die Klägerin ihre vierte Abschlagsrechnung in Höhe von 367.494,69 € (Anlage K 42, Anlageband II, Bl. 493 - 509).

34

Die Klägerin verwies mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 (Anlage K 37, Anlageband II, Bl. 466 - 467) darauf, dass die im November 2003 durchgeführten Bodenanalysen eine teils erhebliche Belastung des Bodens (LAGA-Einbauklasse Z 2) ergeben hätten und deshalb wegen Verdachtsmomenten auf Bodenbelastungen ausreichende LAGA-Analysen vor Abfuhr durchzuführen seien. Dies sei Praxis und könne über ein Zwischenlager geregelt werden, wobei wegen des Verdünnungsverbots aber die Bodenbereiche unterschiedlicher Zuordnungswerte vor Abfuhr abgegrenzt werden müssten. Da diese Abgrenzung von der Beklagten verweigert werde, sei die Klägerin an der Ausführung ihrer Arbeiten gehindert. Die Beklagte habe auch das nach der wasserrechtlichen Genehmigung erforderliche Rückbaukonzept nicht vorgelegt; dieser öffentlich-rechtliche Bescheid sei auch für die Klägerin maßgeblich. Die Beklagte solle einen schriftlichen Bescheid der SGD Süd vorlegen, welche weiteren Bodenuntersuchungen vor Abfuhr durchzuführen seien.

35

Mit Schreiben vom 12. Januar 2005 (Anlage K 43, Anlageband II, Bl. 510) setzte die Klägerin der Beklagten eine Zahlungsfrist für die vierte Abschlags-rechnung bis zum 17. Januar 2005. Am 10. Februar 2005 stellte die Klägerin ihre sechste Abschlagsrechnung über 472.237,29 € (Anlage K 45, Anlageband II, Bl. 512 - 528).

36

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15. Februar 2005 (Anlage K 46, Anlageband II, Bl. 529 - 530), dass die zweite Abschlagsrechnung vom 25. Oktober 2004 in Höhe von 157.055,86 € festgestellt sei; weitere Forderungen würden nicht anerkannt, da die Klägerin die Erdarbeiten eingestellt habe und sich zu Unrecht auf einen Zahlungsverzug der Beklagten berufe.

37

Mit Schreiben vom 18. März 2005 (Anlage K 11, Anlageband I, Bl. 211 - 212) kündigte die Klägerin - nach entsprechender Androhung mit Schreiben vom 14. März 2005 (Anlage K 10, Anlageband I, Bl. 209 - 210) - das Vertragsverhältnis "aus wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B, da sie seit mehr als drei Monaten in der Bauausführung behindert sei und gem. § 9 Nr. 1 VOB/B, weil ihre Abschlagsrechnungen Nr. 3 bis 6 nicht bezahlt worden seien.

38

Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 23. März 2005 (Anlage K 104, Anlageband III, Bl. 930 - 934), da die Klägerin die Bauarbeiten zu Unrecht eingestellt habe. Das Angebot baubegleitender LAGA-Analysen sei ausreichend gewesen. Die Kosten für LAGA-Analysen zur Ermöglichung einer Verwertung der Erdmassen müsse die Klägerin selbst tragen.

39

Mit Schreiben vom 12. Mai 2005 (Anlage K 53, Anlageband II, Bl. 549) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die in der Zeit zwischen dem 16. und dem 22. September 2004 ausgehobenen ca. 2.300 m³ auf ein Zwischenlager in der Nähe der Rampe 5 gefahren worden seien und laut den inzwischen vorliegenden Untersuchungsergebnissen der LAGA-Einbauklasse Z 0 zugeordnet wor-den seien.

40

Am 4. Juli 2005 legte die mit der geotechnischen Fachbauüberwachung beauftragte Firma ...[C] GmbH ihren Bericht vor (Bl. 320 - 353 d. A.). Darin führte das Ingenieurbüro aus, dass die von der Klägerin ausgehobenen ca. 2.300 m³ aus dem Bereich des Regenrückhaltebeckens II für einen Einbau auf der ...[A] nicht geeignet seien, bzw. dass ein Einbau abgelehnt worden sei (Bl. 342 d. A.).

41

Im weiteren Verlauf der Arbeiten forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Betonbodenplatte (Abstellfläche) im Bereich der Rampe 5 und die darunter eingebaute Tropfkörperschlackenschicht zurückzubauen.

42

Die von der Klägerin auszuführenden Arbeiten sind nach Angaben der Beklagten letztlich durch die Firma ...[E] aufgrund Bauvertrag mit dieser vom 21. März 2006/27. Juni 2006 (Bl. 701 - 702 d. A.) zu Ende geführt worden.

43

Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Rückgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft auf. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 (Bl. 509 d. A.), dass dies nicht möglich sei; die Klägerin habe den Vertrag zu Unrecht gekündigt und der Beklagten stünden noch Zurückbehaltungsrechte bzw. Schadensersatzansprüche zu. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2006 (Anlage K 122, Bl. 464 d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich auf, den Sicherheitseinbehalt nach § 17 VOB/B auf ein Verwahrgeldkonto einzuzahlen und entsprechende Nachweise bis zum 30. Oktober 2006 zu führen.

44

Im vorliegenden Prozess begehrt die Klägerin aus dem streitigen Vorhaben noch Restwerklohn gemäß Schlussrechnung vom 3. Juni 2005 (Anlage K 12, Anlageband I, Bl. 213 ff.) in Höhe von 218.540,25 €, wegen der vorzeitigen Vertragskündigung Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B in Form von entgangenem Gewinn bzw. Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB für Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen in Höhe von insgesamt 435.549,77 € (Anlage K 17, Anlageband II, Bl. 414 - 415) sowie Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft über 32.550 € zuzüglich eines Zinsschadens von 15.136,76 €.

45

Die Klägerin hat vorgetragen,

46

die Beklagte habe sich - entgegen ihrer ausdrücklichen Zusage am 4. Oktober 2004 - vertragswidrig geweigert, ausreichende LAGA-Untersuchungen vor dem Erdaushub zur Verfügung zu stellen. Ohne ausreichende LAGA-Analysen von jeweils 500 m³ Aushubmasse habe für die Klägerin die Gefahr einer Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat wegen unerlaubten Transportierens von "Abfall" bestanden. Durch die unberechtigte Weigerung ausreichender Analysen auf Kosten der Beklagten seien die Erdarbeiten mehr als drei Monate in Stillstand geraten. Zudem habe die Beklagte schuldhaft versäumt, die wasserrechtliche Genehmigung sowie ein von der SGD (schriftlich) bestätigtes Rückbaukonzept, aus dem sich auch die Verfahrensweise mit den LAGA-Analysen ergebe, vorzulegen. Ohne solche Unterlagen sei es der Klägerin nicht zumutbar gewesen, die Erdbauarbeiten fortzuführen.

47

Die Klägerin hat beantragt,

48

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 654.090,02 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2005 sowie weitere 15.138,76 € zu zahlen,

49

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde …[H] vom 24. Juni 2004 Nr. 727870 in Höhe von 32.550 € herauszugeben sowie an die Klägerin Avalkosten in Höhe von 0,5 % seit dem 1. November 2006 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

50

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. und zu 2. haben beantragt,

51

die Klage abzuweisen.

52

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

53

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

54

2. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 1 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind.

55

Die Klägerin hat beantragt,

56

die Widerklage abzuweisen.

57

Die Beklagte und die Nebenintervenientinnen haben vorgetragen,

58

die angeblich fehlenden LAGA-Analysen und das fehlende Rückbaukonzept seien nur vorgeschobene Gründe, in Wirklichkeit habe sich die Klägerin verkalkuliert. Nach den Ausschreibungsunterlagen müsse die Klägerin die Kosten etwaiger LAGA-Analysen selbst tragen. Die Klägerin habe bis zur Einstellung der Arbeiten nur einen geringen Teil des Erdaushubs (nur ca. 2.300 m³) bewältigt gehabt und erst nach Versagung des Einbaus dieses Materials im Bereich der Rampe 5 habe die Klägerin eine Vielzahl unbegründeter Behinderungsanzeigen abgegeben. Die Beklagte habe der Klägerin ab dem 16. September 2004 vergeblich baubegleitende Bodenanalysen "aus der Baggerschaufel" angeboten und auch über ein geeignetes Rückbaukonzept verfügt. Der konkrete Verwertungsweg sei für die Klägerin in Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses ersichtlich gewesen.

59

Der Klägerin stehe aus dem Bauvertrag allenfalls noch ein Restguthaben von 15.291,16 € zu, dem allerdings ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen des nicht erfolgten Rückbaus der Baustraße entgegenstehe.

60

Der Beklagten seien durch die unberechtigte Kündigung der Klägerin Mehrkosten entstanden durch die Beauftragung der Firma ...[E]; insoweit ergebe sich ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Höhe von derzeit 297.423,67 €.

61

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch ein Grund- und Teilurteil die Klage auf Zahlung von Restwerklohn aus den Erdbauarbeiten der Klägerin an der ...[A] sowie die Klage auf Zahlung von Schadensersatz wegen der vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages über die genannten Erdbauarbeiten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Restwerklohnanspruch nur der Höhe nach streitig sei und deshalb insoweit ein Grundurteil ergehen könne. Aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zu. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F], denen sich das Gericht anschließe, seien aus derzeitiger Sicht zumindest Schadensersatzansprüche der Klägerin von bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie Schadensersatzansprüche von bis zu 226.619,50 € auf Ersatz entgangenen Gewinns nachvollziehbar. Deshalb sei auch ein Grundurteil zulässig über den der Klägerin gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B zustehenden Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten (§ 9 Nr. 1 a VOB/B) und wegen der Kündigung aus "sonstigem wichtigem Grund" (§ 314 Abs. 1 BGB bzw. § 6 Nr. 6 VOB/B).

62

Die Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, der Klägerin die erforderlichen LAGA-Analysen in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen, und dadurch schuldhaft ihre Vertragspflichten verletzt. Die Klägerin habe sich nicht der Gefahr einer ordnungswidrigkeiten- oder sogar strafrechtlichen Verfolgung durch die Abfuhr, Behandlung bzw. Beseitigung nicht ausreichend auf chemische Belastungen getesteten Erdaushubs aussetzen müssen. Die Beklagte habe deshalb durch die nicht ausreichenden LAGA-Analysen und ebenso mangels eines (rechtmäßigen und mit der SGD Süd abgestimmten) Rückbaukonzeptes die Klägerin über drei Monate bei ihren Erdarbeiten "behindert".

63

Die Beklagte sei nach dem Baugrundrisiko (§ 644 BGB) und aufgrund der Nebenbestimmungen zur wasserrechtlichen Genehmigung verpflichtet gewesen, die ca. 80.000 m³ auszuhebendes Erdreich nach den Richtlinien der LAGA untersuchen zu lassen, da es sich um eine militärische Liegenschaft gehandelt habe, bei der mit Bodenkontaminationen im Aushub zu rechnen gewesen sei. Wegen der absehbaren Umweltbelastung sei die Beklagte gemäß Nr. 30.4 der wasserrechtlichen Genehmigung ausdrücklich verpflichtet gewesen, die Anforderungen der LAGA zu beachten. Die Beklagte als öffentliche Behörde, die genehmigungspflichtige Erdbauarbeiten ausgeschrieben habe, hätte die bietenden Unternehmen zwingend von hoheitlichen Umweltauflagen für die ausgeschriebenen Arbeiten informieren müssen, was die Beklagte indes versäumt habe.

64

Die Beklagte sei hinsichtlich der 57.000 m³ Auffüllungen nach dem gültigen Abfallrecht (KrW-/AbfG) Abfallerzeugerin gewesen, weshalb nach den allgemeinen abfallrechtlichen Grundsätzen sowie gemäß Nr. 26.1.2 der wasserrechtlichen Genehmigung ein Rückbaukonzept erforderlich gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb schon bei der Ausschreibung der Beseitigung der 57.000 m³ Auffüllungen (Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses) organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung der Umwelt schützenden Neben-bestimmungen in der wasserrechtlichen Genehmigung (§ 31 Abs. 3 WHG) und zur Vornahme systematischer Schadstoffanalysen nach LAGA sowie zum Separieren und zur nach Schadstoffklassen getrennten Beseitigung des anfallenden Erdaushubs treffen müssen.

65

Die Beklagte habe ihre Koordinierungspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B verletzt, indem sie kein systematisches Rückbaukonzept vorgelegt habe, in dem vorab festgelegt gewesen wäre, wie der Aushub des belasteten Erdreichs erfolgen solle, insbesondere wie viele Proben nach den LAGA-Richtlinien zu entnehmen seien (nach einem Beprobungsraster) und eine eindeutige Festlegung enthalten gewesen wäre, wo gegebenenfalls Zwischenlager eingerichtet würden und welche Arbeitsschritte geboten seien. Die Beklagte hätte in einem ordnungsgemäßen Rückbaukonzept - das der bauausführenden Firma auch auszuhändigen gewesen wäre - im Voraus eindeutig regeln können und müssen, ob die Nebenintervenientin zu 2. oder die Klägerin als Erdbaufirma für die vorgeschriebenen LAGA-Analysen zuständig sei. Das Fehlen einer systematischen Planung zur Beseitigung der Auffüllungen als "Abfall" und ebenso eines Rückbaukonzepts - dieses werde nicht durch den geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ersetzt - der Beklagten ergebe sich schon aus dem Streit der verschiedenen LBB-Mitarbeiter darüber, ob die Beklagte oder die Klägerin die Kosten der LAGA-Untersuchungen zu tragen habe (vgl. Schreiben der LBB vom 4. Oktober 2004 und vom 12. November 2004). Pflichtwidrig sei insbesondere, dass sich die Beklagte aus Kostengründen geweigert habe, eine den Richtlinien der LAGA und damit dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechende ausreichende Anzahl von LAGA-Analysen anzuordnen.

66

Der Sachverständige habe ausgeführt, dass eine engmaschige Beprobung vor Ort wie von der Klägerin verlangt - nämlich auf jeweils 500 m³ eine LAGA-Probe - allgemein üblich sei und am ehesten den Bestimmungen des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung entspreche. Die von der Beklagten angebotene Möglichkeit der "baubegleitenden" Probenentnahme aus der Baggerschaufel sei zum einen auch engmaschig (je eine LAGA-Probe pro 500 m³) vorzunehmen, zum anderen zwar auch praktikabel, aber mit für die bauausführende Firma vermeidbaren Mehrkosten verbunden, weil dann der Aushub zunächst in ein Zwischenlager gebracht und nach Auswertung der Proben dann erneut aufgeladen werden müsse. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen habe die Klägerin aus Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses keinen Anhaltspunkt für eine Zwischenlagerung der 57.000 m³ Auffüllungen entnehmen können; die Beklagte habe auch keine Bereitschaft zur Übernahme der durch eine Zwischenlagerung entstehenden Zusatzkosten erklärt.

67

Die Ausschreibungsunterlagen der Beklagten seien hinsichtlich der Frage der LAGA-Analysen bzw. hinsichtlich der Frage eines abfallrechtlichen Rückbaukonzepts infolge eines Organisationsverschuldens der Beklagten lückenhaft. Die Beklagte habe ihre Verpflichtung, Erdaushub nur nach (ausreichenden) LAGA-Analysen als "Abfall" entsorgen zu lassen, im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung nicht zivilrechtlich auf die Klägerin übertragen, da sie die Abwälzung der LAGA-Analytik nicht ausdrücklich in den Ausschreibungstext aufgenommen habe, obwohl es sich bei den Analysekosten um etwa 5 % der Auftragssumme gehandelt habe. In keiner Position des Leistungsverzeichnisses seien die nur der Beklagten bekannten Umweltauflagen der SGD Süd in der wasserrechtlichen Genehmigung erwähnt und nirgendwo werde darauf hingewiesen, dass ein Bieter LAGA-Analysen zu erbringen bzw. deren Kosten in die Einheitspreise einzukalkulieren habe. Dies ergebe sich auch nicht aus der Formulierung, dass der Bieter die Kosten der Separierung bzw. Deponierung des Materials trage.

68

Da die Beklagte ihre vertragliche Mitwirkungspflicht zur kostenfreien Stellung aussagekräftiger LAGA-Analysen (jeweils eine Probe je 500 m³) verletzt habe, zudem auch kein verwaltungsrechtlich vorgeschriebenes, dem Stand der Technik (§ 3 Abs. 12 KrW-/AbfG) entsprechendes Rückbaukonzept für den altlastenverdächtigen Bereich vorgelegt habe, sei die Klägerin zur Kündigung des Bauvertrages gemäß § 9 Nr. 1, 3 VOB/B berechtigt gewesen. Dies begründe für die Klägerin Schadensersatzansprüche aus § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatzansprüche.

69

Der Rechtswirksamkeit der Kündigung der Klägerin stehe auch kein eigenes erhebliches Fehlverhalten der Klägerin entgegen (§ 242 BGB). Selbst bei einem unbefugten Einbau von ca. 2.300 m³ - unstreitig unbelastetem - Erdaushub aus dem Bereich der Auffüllung in dem Bereich der Rampe 5 liege nur ein minder schwerer Vertragsverstoß der Klägerin vor. Denn es habe für die Klägerin ein schwer zu durchschauender Widerspruch bestanden zwischen der Nr. 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses (die entgegen dem abfallrechtlichen Wiederverwertungsgebot eine Deponierung auch unbelasteten Erdreichs außerhalb der Airbase vorgeschrieben habe) und den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses, die einem Wiedereinbau unbelasteten Erdaushubs auf der Airbase grundsätzlich den Vorrang gegeben hätten.

70

Da die Kündigung der Klägerin berechtigt gewesen sei, folge daraus die Unbegründetheit des mit der Widerklage geltend gemachten und auf die angeblich unberechtigte Kündigung der Klägerin gestützten Schadensersatzanspruchs und Feststellungsantrags der Beklagten.

71

Gegen dieses Urteil des Landgerichts wenden sich die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen, mit denen sie die Abweisung der Klage und die Verurteilung der Klägerin entsprechend der Widerklage erstreben.

72

Die Beklagte macht geltend,

73

das Grundurteil sei unzulässig, da es nicht sämtliche Anspruchsgrundlagen erledige. Die Klägerin habe mit der streitgegenständlichen Schlussrechnung sowohl Restwerklohnansprüche für erbrachte Leistungen als auch Zusatzvergütungsansprüche nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B, Schadensersatzansprüche gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B sowie Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB geltend gemacht. Das Landgericht habe aber nur einen Vergütungsanspruch und einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B dem Grunde nach zugesprochen und insbesondere den Einwand der Beklagten gegen den Vergütungsanspruch, die Position 1.2.120 sei von der Klägerin deutlich unterkalkuliert und der ansonsten gegebene Vergütungsanspruch bereits hierdurch vollständig aufgezehrt worden, nicht erörtert.

74

Das Landgericht habe zu Unrecht die Kündigung der Klägerin als wirksam angesehen und etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber der Genehmigungsbehörde auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen, habe nicht bestanden. Selbst wenn ein Rückbaukonzept gefehlt hätte, hätte sich dies nicht kausal auf die Vertragsleistung der Klägerin ausgewirkt, weil jedenfalls nach dem 11. November 2004 Einigkeit darüber bestanden hätte, dass weitere 30 baubegleitende LAGA-Analysen gefertigt würden und der Aushub während dessen zwischengelagert werde. Diese Verfahrensweise hätte sichergestellt, dass sich die Klägerin nicht der Gefahr einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat aussetze, jedoch sei die Klägerin auf das Angebot der Beklagten zur Zwischenlagerung nach dem 6. Dezember 2004 nicht mehr zurückgekommen.

75

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] hätte die Klägerin jedenfalls 6.500 m³ ohne weitere Beprobung ausheben und zwischenlagern können; die Klägerin habe jedoch nur ca. 2.300 m³ ausgehoben, die Arbeiten dann eingestellt und den Vertrag fristlos gekündigt.

76

Das Landgericht habe verkannt, dass die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin nur partiell die Entsorgung umfasst hätten, da nur der Boden der Position 1.2.120 des Leistungsverzeichnisses von der Klägerin zu entsorgen gewesen sei, während der tatsächlich belastete Boden unterhalb der Auffüllungen lediglich habe ausgehoben und auf Mieten zwischengelagert werden sollen.

77

Der Sachverständige habe auch bestätigt, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart nach abfallrechtlichen Bestimmungen zulässig gewesen sei. Daher sei die Leistung für die Klägerin durchführbar gewesen, allenfalls hätte der Klägerin dann ein Zusatzvergütungsanspruch aufgrund einer notwendigen Zwischenlagerung zugestanden.

78

Die Parteien hätten zunächst auch entsprechend dem ausgeschriebenen Konzept gearbeitet, nämlich Aushub durch die Klägerin mit Bodenproben durch die Nebenintervenientin zu 2., ohne dass die Klägerin Bedenken angemeldet habe. Die Klägerin habe dann - unzulässigerweise - den Aushub nicht entsorgt, sondern an der Rampe 5 abgekippt. Nachdem dies untersagt worden sei, hätten der Klägerin offenbar nicht einkalkulierte Transport- und Entsorgungskosten gedroht sowie der Wegfall der für den Einbau des Materials an der Rampe 5 kalkulierten Vergütung; erst dann habe die Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert. Diese Forderung sei unberechtigt gewesen, denn die Aushubmaßnahmen hätten fortgesetzt und die Erdmassen bis zur endgültigen Vorlage der LAGA-Analysen zwischengelagert werden können. Die Beklagte habe der Klägerin auch eine ca. 30 km entfernte Zwischenlagerungsmöglichkeit bei der Firma ...[D] ohne Notwendigkeit zusätzlicher LAGA-Anlaysen genannt. Auch auf der Airbase habe sich unmittelbar bei dem Baufeld eine Lagerfläche befunden, die für eine Zwischenlagerung des Aushubs für sieben Tage ausgereicht hätte und von der Klägerin temporär hätte genutzt werden können.

79

Das Landgericht habe ohne Grundlage eine Organisationspflicht der Beklagten angenommen, nur "ausreichend" nach LAGA-Bestimmungen getesteten Erdaushub lagern, behandeln, transportieren bzw. beseitigen/verwerten zu lassen. Dem Urteil könne auch nicht entnommen werden, durch welche konkrete Handlung die Beklagte gegen eine Koordinierungspflicht verstoßen habe.

80

Die Nebenintervenientin zu 1. macht darüber hinaus geltend,

81

dass Vertragsbestandteil der Klägerin auch das Musterblatt EVM ERG Abf (Abfall) (Bl. 573 d. A.) gewesen sei, wonach die Klägerin als Auftragnehmerin Abfallerzeuger geworden sei und die für eine Verwertung der Abfälle erforderlichen Nachweise zu erbringen gehabt habe. Damit sei eindeutig und ausschließlich die Klägerin für die LAGA-Analysen zuständig gewesen. Dies ergebe sich auch aus der Leistungsbeschreibung in C.0.1.10 und C.0.1.18. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, eine eigene Leistungsposition im Leistungsverzeichnis für die Erstellung von LAGA-Analysen aufzunehmen. Das vertragliche Leistungssoll der Klägerin habe alle Leistungshandlungen, die für das Lösen, Laden, Abtransportieren und Entsorgen des Aushubs zusammenhängen, umfasst. Die Klägerin hätte schon während der Ausschreibung darauf hinweisen müssen, wenn sie die in dem geotechnischen Bericht der Nebenintervenientin zu 2. ausgewiesenen LAGA-Analysen nicht für zureichend gehalten habe. Die Beklagte hätte im Übrigen einseitig nach § 1 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B die LAGA-Analysen anordnen können und die Klägerin hätte dem dann nachkommen müssen und allenfalls anschließend sich um eine eventuelle Mehrvergütung kümmern dürfen.

82

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen,

83

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

84

1. die Klage abzuweisen,

85

2. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 297.423,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

86

3. festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten alle über die in Ziffer 2 des Widerklageantrags hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Kündigung vom 18. März 2005 entstanden sind,

87

hilfsweise die Revision zuzulassen,

88

hilfsweise das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

89

Die Klägerin beantragt,

90

die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. zurückzuweisen.

91

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22. März 2012 Zwischenfeststellungsklage erhoben und beantragt nunmehr weiter,

92

festzustellen, dass die Kündigung vom 18. März 2005 der Klägerin, betreffend das Bauvorhaben "Sanierung der Oberflächenentwässerung; Regenrückhaltebecken II, Projekt-Nummer 30974389", Bauvertrag vom 25. Mai 2004 aus Rechtsgründen begründet und berechtigt war,

93

hilfsweise festzustellen, dass die Kündigung des vorgenannten Bauvertrags aus Rechtsgründen gemäß § 6 Nr. 7 VOB/B wirksam war.

94

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. beantragen hierzu,

95

die Anträge der Klägerin abzuweisen.

96

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Ergänzend macht sie geltend, die Beklagte habe trotz Aufforderung der Klägerin mit Fristsetzung zum 16. November 2004 kein entsprechendes Zwischenlager bereit gestellt und auch kein Zwischenlager bei der Firma ...[D] oder auf einem Baufeld der Airbase zugewiesen. Es sei auch keine konkrete Anordnung zur Zwischenlagerung erfolgt.

97

Die Beklagte sei wegen der Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B verpflichtet gewesen, die wasserrechtliche Genehmigung zur Vertragsgrundlage zu erklären und deren Inhalt auch in tatsächlicher Hinsicht umzusetzen. Da eine gesonderte Beprobung des Bodens bei der Rampe 5 erfolgt sei, habe kein Anlass zur Forderung zusätzlicher LAGA-Analysen bestanden, solange der Erdaushub bei Rampe5 habe abgeladen werden können.

98

Es sei zu keinem Zeitpunkt von der Beklagten angeordnet worden, dass die Klägerin vergütungspflichtig LAGA-Analysen als Zusatzleistung vorzunehmen habe.

99

Das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) sei ausschließlich Gegenstand des Vergabeverfahrens nach VOB/A, jedoch keine bindende vertragsrechtliche Regelung nach VOB/B. Es betreffe im Übrigen nur die Verwertung und die Beseitigung von als Abfall anzusehendem Material, greife somit erst ein, nachdem die richtige Art der Verwertung und Beseitigung durch vorab vorzunehmende LAGA-Analysen bestimmt worden sei.

100

Die von ihr nunmehr erhobene Zwischenfeststellungsklage sei zulässig, auch im Hinblick darauf, dass nicht ausgeschlossen sei, dass der Klägerin weitere Forderungen gegen die Beklagte zustünden, die nicht Gegenstand des Klageverfahrens in der Hauptsache seien.

101

Die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1. rügen die Unzulässigkeit der erhobenen Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug und im Hinblick auf die vollständige Erschöpfung des Sach- und Streitstandes durch das Urteil in der Hauptsache.

102

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 1195 - 1217 d. A.) sowie die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

103

Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. haben teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg, sind im Übrigen jedoch unbegründet.

104

1. Die Berufungen haben einen zumindest vorläufigen Erfolg, soweit sie sich gegen das Grundurteil des Landgerichts wenden. Dieses ist unzulässig und deshalb auf die Hilfsanträge der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

105

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, der Klägerin stehe unstreitig noch ein Restwerklohnanspruch in Höhe von zumindest 15.291,15 € zu. Außerdem stehe der Klägerin ein Schadensersatzanspruch (§ 6 Nr. 6 VOB/B) aufgrund der von der Beklagten verschuldeten vorzeitigen Kündigung des Werkvertrages dem Grunde nach zu, der nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] zumindest bis zu 49.969,54 € wegen Umsatzausfällen sowie bis zu 226.619,50 € wegen entgangenen Gewinns nachvollziehbar sei. Insoweit könne der Klage durch ein Grundurteil stattgegeben werden.

106

Das Landgericht hat sodann Ausführungen zur Berechtigung der Klägerin, den Werkvertrag wegen unterlassener Mitwirkung der Beklagten gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B sowie aus "sonstigem wichtigem Grund" gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B/§ 314 Abs. 1 BGB zu kündigen, gemacht und mehrere Pflichtverletzungen der Beklagten festgestellt.

107

Das Grundurteil des Landgerichts ist indes unzulässig und daher aufzuheben. Denn der Erlass eines Grundurteils ist nur zulässig, wenn alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind (BGH BauR 2007, 429 m. w. N.). Dies ist nach den bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht der Fall.

108

Ein Grundurteil darf nur ergehen, wenn ein Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist, alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und wenn nach dem Sach- und Streitstand der Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.). Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt. Denn hinsichtlich eines Gesamtanspruchs, der sich aus mehreren Einzelpositionen zusammensetzt, kann ein Grundurteil nur ergehen, wenn der geltend gemachte Gesamtanspruch auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruht und das Gericht diesen festgestellt hat (BGH a. a. O.).

109

Ein einheitlicher Grund in diesem Sinne kann gegeben sein, wenn sich die einzelnen in eine Gesamtforderung eingestellten Rechnungspositionen auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (BGH a. a. O. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

110

Entscheidend ist insoweit, ob die für die Rechtfertigung der geltend gemachten Einzelpositionen bereits dem Grunde nach zu erfüllenden Anspruchsvoraussetzungen identisch sind und auf demselben Sachverhalt beruhen. Das kann bei Rechnungspositionen, die auf Nachtragsforderungen, gestützt etwa auf § 2 Nr. 5, Nr. 6 VOB/B, oder auf Behinderungsschaden im Sinne des § 6 Nr. 6 VOB/B gegründet sind, nicht bejaht werden (BGH a. a. O.).

111

Nach der Klagebegründung begehrt die Klägerin neben einem Restvergütungsanspruch, gestützt auch auf Nachträge, auch Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns sowie Ersatz der Kosten aus Behinderungen, Baustillstand durch Behinderungen und nicht erwirtschaftete umzulegende Leistungen (vgl. Bl. 114 d. A.). Mit ihrer Schlussrechnung macht die Klägerin Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen, Aufwendungsersatz gemäß § 9 Nr. 3 VOB/B/§ 642 BGB sowie Ansprüche auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung gemäß § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B (vgl. Positionen 99.2.60 bis 99.2.90) und Schadensersatz gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B geltend.

112

Bei einer derartigen Sachlage darf ein Grundurteil nur erlassen werden, wenn das Gericht für jeden dieser verschiedenen Ansprüche nach der für diesen festzustellenden Tatsachengrundlage in Anwendung der maßgeblichen Klauseln der VOB/B einen Anspruch dem Grunde nach bejaht und für wahrscheinlich erachtet, dass er in irgendeiner Höhe besteht (BGH a. a. O.).

113

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung lediglich einen Restvergütungsanspruch als unstreitig dem Grunde nach geprüft und zuerkannt sowie einen Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B, hingegen zu den weiter geltend gemachten Ansprüchen und den Anspruchsvoraussetzungen der verschiedenen Schadensersatzforderungen der Klägerin keine Ausführungen gemacht. So bedarf es beispielsweise für den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns auch bei festgestellter Behinderung der Arbeitsausführung durch von der Beklagten zu vertretende Umstände als weitere Anspruchsvoraussetzung gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit der Beklagten. Zu dieser zum Grund des Anspruchs zählenden Prüfung fehlen Feststellungen des Landgerichts ebenso wie zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2 Nr. 5 und Nr. 6 VOB/B.

114

Das Grundurteil des Landgerichts ist daher aufzuheben.

115

2. Dies führt indes nicht zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Verhandlung und Entscheidung über die gesamte Klageforderung, da entsprechend dem Antrag der Klägerin durch Zwischenfeststellungsurteil die entscheidungserhebliche Vorfrage der Beendigung des Werkvertrages der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 festgestellt und damit zugleich die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen aufgrund des landgerichtlichen Teilurteils über die Abweisung der Widerklage beseitigt werden kann.

116

Die besonderen Prozessvoraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage sind vorliegend gegeben, die von der Klägerin erhobene Zwischenfeststellungsklage ist damit zulässig.

117

Gegenstand der vorliegenden Zwischenfeststellungsklage, der gemäß § 256 Abs. 2 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein kann, sind die aus der erfolgten Kündigung entstandenen Rechtsbeziehungen der Parteien. Die Klägerin hat insoweit beantragt festzustellen, dass ihre Kündigung vom 18. März 2005 begründet und berechtigt gewesen sei. Dieser Antrag ist dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin die wirksame Beendigung des mit der Beklagten geschlossenen Bauvertrages durch ihre Kündigung vom 18. März 2005 - und damit das Nichtbestehen bzw. die Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses - festgestellt haben will.

118

Dieses zu klärende Rechtsverhältnis ist auch für die Entscheidung der Hauptsache präjudiziell, da sowohl die Begründetheit der Klageforderung als auch - inzidenter - die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche davon abhängen. Wäre die Kündigung der Klägerin nicht berechtigt und damit unwirksam gewesen, stünden ihr die verschiedenen Schadensersatzansprüche nicht zu und die auf die Unbegründetheit der klägerischen Kündigung gestützten Schadensersatzansprüche, die von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemacht werden, wären grundsätzlich berechtigt.

119

Die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage ist darüber hinaus nur zulässig, wenn die zu klärenden Rechtsbeziehungen nicht bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt werden. Es genügt allerdings grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit, dass das inzidenter ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen Streitgegenstand hinaus Bedeutung hat oder gewinnen kann (BGH BauR 2011, 1324 mit weiteren Nachweisen). Hier verfolgt die Klägerin mehrere Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis. Die Entscheidung über die Berechtigung der wegen der fehlenden Mitwirkung der Beklagten und Behinderung der Klägerin durch die Beklagte geltend gemachten Schadensersatz- und Restvergütungsansprüche der Klägerin schließt nicht aus, dass der Klägerin noch andere (Schadensersatz-)Forderungen gegen die Beklagte aus dem Werkvertrag über die Erdarbeiten an dem Regenrückhaltebecken zustehen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens in der Hauptsache sind. Insoweit käme es dann auf die Wirksamkeit der Kündigung der Klägerin vom 18. März 2005 an, worüber in der Hauptsache nicht rechtskräftig entschieden wird. Zudem begründet nach Auffassung des Senats auch der Umstand, dass mit der Zwischenfeststellung auch innerprozessual eine abschließende Vorfragenklärung für die umfangreiche, abgestufte - auch innerhalb der Tatsacheninstanz und zumal als Weichenstellung für erheblichen Beweiserhebungsaufwand - Abwicklung des Gesamtstreitwerts verbunden ist, die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage.

120

Der Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage steht auch nicht entgegen, dass diese erst in der Berufungsinstanz erhoben wurde (BGH NJW-RR 2012, 849). Auch musste die Zwischenfeststellungsklage nicht innerhalb der Berufungserwiderungsfrist mittels einer Anschlussberufung erhoben werden. Zwar muss als Zulässigkeitsvoraussetzung das Urteilsverfahren über die Hauptklage zwischen den gleichen Parteien in einer Tatsacheninstanz noch hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig sein, so dass nach einer Vorabentscheidung über den Grund eine Zwischenfeststellungsklage im Betragsverfahren grundsätzlich nicht mehr zulässig ist (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rdnr. 22 mit weiteren Nachweisen), es sei denn, dass es insoweit nur um eine für das Betragsverfahren erhebliche Vorfrage geht. Vorliegend ist die Hauptklage noch in einer Tatsacheninstanz hinsichtlich des Anspruchsgrundes anhängig. Die Notwendigkeit einer Anschlussberufung zur Erhebung der Zwischenfeststellungsklage im Berufungsrechtszug ergibt sich jedenfalls dann nicht, wenn die Zwischenfeststellungsklage - wie hier - offensichtlich hilfsweise für den Fall des Erfolgs oder des Teilerfolgs der Berufung, nämlich hier der Aufhebung des Grundurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits, erhoben wird. Denn dann handelt es sich bei dem Zwischenfeststellungsantrag um einen Hilfsantrag, für dessen Erhebung es der Einlegung einer Anschlussberufung nicht bedarf, da es sich um ein Minus gegenüber dem Hauptantrag handelt.

121

Die Zwischenfeststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin hat den Bauvertrag mit der Beklagten wirksam gekündigt, da die Beklagte zu Unrecht der Forderung der Klägerin nach einer LAGA-Analyse je 500 m³ Erdaushub nicht nachgekommen ist und die Klägerin deshalb gemäß § 9 Nr. 1 a VOB/B zur Kündigung des Vertrages berechtigt war.

122

Nach § 9 Nr. 1 a VOB/B (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 2002, welche für das Vertragsverhältnis der Parteien Anwendung findet) kann der Auftragnehmer den Vertrag kündigen, wenn der Auftraggeber eine ihm obliegende Handlung unterlässt und dadurch den Auftragnehmer außerstande setzt, die Leistung auszuführen. Zu Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte verpflichtet war, die von der Klägerin geforderten (zusätzlichen) LAGA-Analysen von einer Probe je 500 m³ Erdaushub auf Kosten der Beklagten durchzuführen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils und schließt sich diesen vollumfänglich an. Auch das Vorbringen der Berufungsbegründungen gibt zu einer anderen Würdigung keine Veranlassung.

123

Die Beklagte rügt ohne Erfolg, das Landgericht habe in verfehlter Weise etwaig bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zwischen der Genehmigung erteilenden Behörde und der Beklagten als Genehmigungsadressatin auf das Vertragsverhältnis der Parteien übertragen. Ob die Beklagte ein "Organisationsverschulden" trifft wegen eines fehlenden Rückbaukonzepts und ob ein solches überhaupt kausale Auswirkungen auf die Vertragsleistung der Klägerin gehabt hätte, kann aber vorliegend dahinstehen.

124

Maßgeblich ist nämlich, dass die Klägerin zu Recht eine intensivere Beprobung des Bodenaushubs von der Beklagten auf deren Kosten verlangt hat, was von der Beklagten verweigert wurde, und die Beklagte auch kein Zwischenlager benannt hat, auf das alternativ der Erdaushub hätte zunächst verbracht werden können.

125

Die Berufung der Beklagten macht ohne Erfolg geltend, das Landgericht habe nicht ausreichend begründet, warum die Beklagte gegenüber der Klägerin verpflichtet gewesen sei, ausreichende LAGA-Analysen einzuplanen. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte als Bauherrin verpflichtet war, der Klägerin kein Verhalten bei der Arbeitsausführung abzuverlangen, das diese der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ausgesetzt hätte. Da jedoch der Transport unbeprobten oder nur unzureichend beprobten Erdaushubs genau diese Gefahr begründet hätte, war die Beklagte aufgrund des Bauvertrages mit der Klägerin verpflichtet, entweder den Erdaushub vor dem Transport ausreichend analysieren zu lassen oder der Klägerin ein ausreichendes Zwischenlager zuzuweisen.

126

Die Verpflichtung, Inhalte einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung zum Vertragsinhalt zu machen, ergibt sich zum einen aus § 4 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 4 VOB/B, wonach der Auftraggeber die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen und Erlaubnisse - zum Beispiel nach dem Wasserrecht - herbeizuführen hat und der Auftragnehmer die Anordnungen des Auftraggebers auf Verlangen auszuführen hat, wenn nicht gesetzliche oder behördliche Bestimmungen entgegen stehen. Daraus lässt sich ersehen, dass der Auftraggeber von dem Auftragnehmer nichts verlangen darf, was für diesen zu einem Verstoß gegen Gesetze oder behördliche Bestimmungen führen würde. Auf diese Weise sind auch die Inhalte einer dem Auftraggeber erteilten öffentlich-rechtlichen Genehmigung für die Vertragsparteien relevant und deshalb von dem Auftraggeber jedenfalls vor Vertragsschluss offen zu legen, damit der Auftragnehmer sich darauf einstellen kann. Ebenso lässt sich diese Verpflichtung des Auftraggebers als Nebenpflicht aus dem Werkvertrag herleiten.

127

Zu Recht verweist die Beklagte deshalb darauf, dass es im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich darauf ankommt, ob die Beklagte bei der Ausschreibung und/oder im Folgenden bei der konkreten Ausführung der Arbeiten gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen hat. Dies hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, angenommen.

128

Hiergegen erinnert die Berufung der Beklagten ohne Erfolg, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Ausführungsart für die Klägerin durchführbar gewesen sei, ohne dass sie dabei gegen abfallrechtliche Bestimmungen verstoßen hätte, da nach den Angaben des Sachverständigen Dr. ...[F] es vom Ablauf her auch möglich gewesen sei, die Proben baubegleitend beim Aushub zu entnehmen und das Erdreich eine Woche auf Zwischenmieten einzulagern. Zutreffend ist, dass der Sachverständige Dr. ...[F] diese Alternative als ebenso mögliche und ausreichende Art der Beprobung dargestellt hat (Bl. 1013 d. A.). Jedoch hat der Sachverständige hierzu weiter angegeben, dass diese Verfahrensweise aus den Ausschreibungsunterlagen nicht zu erkennen gewesen sei (Bl. 1015 - 1016 d. A.) und es sich dabei um eine Störung im Bauablauf handele, weil der Erdaushub zweifach bewegt werden müsse. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Senats eine Pflicht der Beklagten, die Bieter/Klägerin noch vor der Abgabe ihres Angebots auf diese Verfahrensweise hinzuweisen, damit das Angebot entsprechend preislich kalkuliert werden kann.

129

Die Beklagte vermag auch nicht darauf zu verweisen, dass die Klägerin auch bei Fehlen eines Hinweises auf eine notwendige Zwischenlagerung des Aushubs in der Ausschreibung diese Verfahrensweise hätte durchführen können und müssen und ihr möglicherweise dann nur ein Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Vergütung zugestanden hätte. Zutreffend ist, dass der Klägerin ein Mehrvergütungsanspruch zugestanden hätte, indes fehlte es an einer verbindlichen Anordnung dieser Verfahrensweise durch die Beklagte ebenso wie an der verbindlichen Zuweisung eines geeigneten Zwischenlagers. Allein der Umstand, dass auf dem Gebiet der ...[A] Lagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hätte es einer konkreten Anordnung der Beklagten bedurft, auf welchen konkreten Flächen die Klägerin den Erdaushub hätte zwischenlagern sollen. Die Lagerflächen auf der Airbase waren nämlich nicht für den hier vertragsgegenständlichen Aushub vorgesehen, sondern für die Lagerung von Sanden, weshalb es einer ausdrücklichen Anordnung der Beklagten zur Nutzung dieser Lagerflächen als Zwischenlager für den Erdaushub bedurft hätte. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Protokoll der Baustellenbesprechung vom 15. September 2004 (Bl. 1332 - 1333 d. A.) ergibt sich nur die allgemeine Information über die vorhandenen plangemäßen Lagerflächen auf dem Airbasegelände, nicht jedoch eine Anweisung an die Klägerin, entgegen der ursprünglichen Planung dort den Erdaushub statt der Sande zwischenzulagern.

130

Ebenso ist nicht maßgeblich, dass angeblich bei der Firma ...[D] Zwischenlagerflächen zur Verfügung gestanden haben sollen, da dieses Gelände außerhalb der Baustelle lag und somit ein Transport dorthin über öffentliche Straßen erforderlich gewesen wäre, der wiederum eine vorherige ausreichende Beprobung des Aushubmaterials vorausgesetzt hätte.

131

Unbehelflich ist auch der Hinweis der Beklagten, dass die Parteien das von der Beklagten ausgeschriebene Konzept von Baubeginn an durchgeführt hätten, ohne dass von der Klägerin zusätzliche LAGA-Analysen gefordert worden seien, und die Klägerin diese Forderung erst erhoben habe, nachdem sie den Boden nicht bei der Rampe 5 habe einbauen können. Daraus lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen, dass die Forderung der Klägerin nach ausreichenden LAGA-Analysen ein vorgeschobener Kündigungsgrund sei, um eine Fehlkalkulation zu verdecken, die sich dadurch ergeben habe, dass der Erdaushub nicht bei Rampe 5 habe eingebaut werden können.

132

Vielmehr kann ebenso Auslöser der Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen gewesen sein, dass die Klägerin - wie sie in ihrer Berufungserwiderung geltend macht - zunächst wegen der bei Rampe 5 durchgeführten Beprobung des dort einzubauenden Materials keine Veranlassung zu weiteren LAGA-Analysen gesehen habe, da ihr Erdaushub ja bei Rampe 5 entsprechend analysiert worden sei. Somit habe sich erst, nachdem dort der Einbau verweigert worden und somit die dortige Analysierung entfallen sei, die Notwendigkeit des Transports des Aushubs über öffentliche Straßen und damit das Erfordernis vorheriger Beprobung und Einordnung in LAGA-Klassen ergeben, weshalb die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen auch erst dann erhoben worden sei. Dieser Geschehensablauf erscheint ebenso plausibel wie der von der Beklagten dargestellte. Der Senat vermag auch unter Heranziehung der Gesamtumstände nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Klägerin nur wegen einer Fehlkalkulation die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen aufgestellt und dann wegen Behinderung durch die Beklagte sowie aus sonstigem wichtigem Grund gekündigt hätte.

133

Die Forderung nach zusätzlichen LAGA-Analysen stellt entgegen der Auffassung der Beklagten auch keinen Verstoß gegen das Kooperationsgebot dar. Zwar hätte es nicht zwingend der vorherigen Durchführung von LAGA-Analysen bedurft, wenn die Erdmassen zwischengelagert worden wären. Die Beklagte hat jedoch, wie ausgeführt, der Klägerin kein geeignetes Zwischenlager zugewiesen. Die Forderung nach LAGA-Analysen in ausreichender Zahl für den wegen des Fehlens einer geeigneten Zwischenlagerstätte notwendigen Transport des Erdaushubs stellt daher kein vertragswidriges Verhalten der Klägerin dar.

134

Die Beklagte verweist auch zu Unrecht darauf, dass die Klägerin lediglich den Aushub der Position 1.2.120 zu entsorgen hatte und sich im Übrigen mit der Entsorgung des unterhalb der Auffüllungen ausgehobenen und kontaminierten Materials nicht zu befassen gehabt habe. Das Leistungsverzeichnis sieht in Position 1.2.120 die Entsorgung von Aushub bis zur Klasse Z 1.1 vor, über die Position 1.2.125 die Entsorgung von Boden der LAGA-Klassen Z 1.1 bis Z 2, des Weiteren über die Positionen 1.2.150, 1.2.155 und 1.2.160 die Entsorgung von Boden, humosen Schichten und Tonen. Nach der Beschreibung in der Position 1.2.145 des Leistungsverzeichnisses handelte es sich bei dem Boden unterhalb der Auffüllungen um gewachsenen Boden, der nach der Definition der LAGA immer als Z 0 einzustufen ist. Eine ersichtliche Kontaminierung des Bodens unterhalb der Auffüllungen ist daher nicht nachvollziehbar.

135

Die Beklagte macht ohne Erfolg geltend, sie habe keine LAGA-Analysen auf die Klägerin abwälzen wollen, vielmehr seien ja von der Nebenintervenientin zu 2. die notwendigen LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten durchgeführt worden. Zwar hat die Beklagte die Nebenintervenientin zu 2. mit der Durchführung der LAGA-Analysen auf Kosten der Beklagten beauftragt, indes war die Anzahl der von der Nebenintervenientin zu 2. entnommenen Proben nicht ausreichend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die von der Klägerin - zu Recht - geforderten zusätzlichen Analysen hat die Beklagte jedoch unstreitig als nicht notwendig verweigert, weshalb für die Beklagte nach ihrem Berufungsvortrag "auch insoweit die Kostentragung diesbezüglich nicht in Rede stand". Da die Beklagte somit die erforderlichen Analysen nicht auf eigene Kosten durchführen lassen wollte, hat sie gegen ihre Mitwirkungspflicht verstoßen, weshalb die Klägerin den Werkvertrag zu Recht vorzeitig gekündigt hat.

136

Die fristlose Kündigung der Klägerin ist auch nicht deshalb unberechtigt, wie die Beklagte meint, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] die Klägerin ohne Notwendigkeit einer weiteren Beprobung sogar 6.500 m³ Erdmaterial hätte ausheben können statt der nur tatsächlich ausgehobenen 2.300 m³. Denn der Sachverständige Dr. ...[F] hat hierzu auch erklärt (Bl. 1114 - 1115 d. A.), dass die vorvertraglich von der Nebenintervenientin zu 2. geschaffenen 19 Probenahmestellen zwar der Klägerin theoretisch ermöglicht hätten, an jeder dieser Stellen mit den Aushubarbeiten zu beginnen und so insgesamt 6.500 m³ auszuheben und zwischenzulagern, dies aber ungewöhnlich gewesen wäre. Zudem wäre die Klägerin zu einer derartigen Arbeitsweise, die offensichtlich zeitliche Verzögerungen mit sich bringt und aus der Ausschreibung nicht zu ersehen war, nur bei einer entsprechenden Anordnung der Beklagten - die nicht erfolgte - und nur gegen Erstattung der entstehenden Mehrkosten verpflichtet gewesen.

137

Die Beklagte verweist im Übrigen ohne Erfolg darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 - = NJW 2012, 518) das Risiko der fehlenden genauen LAGA-Zuordnung dem Auftragnehmer zuzuweisen sei und die Klägerin deshalb die Kosten für die Einholung weiterer Analysen als den mit der Ausschreibung vorgegebenen hätte einkalkulieren müssen, somit die weitere Leistungserbringung nicht hätte von der Übergabe weiterer LAGA-Analysen abhängig machen dürfen.

138

Der Bundesgerichtshof hatte in der herangezogenen Entscheidung einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem in den Ausschreibungsunterlagen keine Angaben zu der Einordnung des Bodens in die verschiedenen LAGA-Zuordnungswerte gemacht wurden und ein regelmäßig belasteter Boden vorausgesetzt wurde. Für diesen Fall hat der Bundesgerichtshof sodann ausgeführt, dass sich die Auftragnehmerin an diesem Aussagewert des Vertrags festhalten lassen müsse, auch wenn sie insoweit ein Risiko eingegangen sei.

139

Im vorliegenden Rechtsstreit hingegen hatte die Beklagte Angaben zu den verschiedenen LAGA-Zuordnungswerten des auszuhebenden Materials in der Ausschreibung gemacht (vgl. Leistungsverzeichnis, Anlageband I, Bl. 30); die Klägerin hat sich darauf eingestellt und entsprechend kalkuliert.

140

Der Fall, dass während der Arbeitsausführung überraschend eine Kontaminierung des zur Weiterverwendung vorgesehenen Aushubs festgestellt worden wäre und deshalb eine Mehrvergütung zu zahlen sei, liegt im hiesigen Streitfall gerade nicht vor. Vielmehr handelt es sich vorliegend um die Frage, ob die Beklagte gehalten war, die gerade für die Einordnung des Aushubmaterials in die verschiedenen zu erwartenden LAGA-Klassen erforderlichen Analysen auf eigene Kosten durchzuführen oder auf die Kostentragung durch den Auftragnehmer hinzuweisen, alternativ in der Ausschreibung auf die Notwendigkeit einer Zwischenlagerung des Aushubs hinzuweisen. Zu dieser Problematik lässt sich der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nichts entnehmen.

141

Vielmehr weist der Bundesgerichtshof dort darauf hin, dass durch die vereinbarten Preise alle Leistungen abgegolten werden, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Nr. 1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung komme dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu; bei Ausschreibungen nach VOB/A sei für die Frage, wie dieser Wortlaut zu verstehen sei, der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter maßgeblich (BGH a. a. O.).

142

Die Auslegung habe zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten dürfe. Deshalb dürfe der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen wolle. Nach diesen Anforderungen sei die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung in gleichem Sinne verstehen müssten und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen könnten. Dem Auftragnehmer dürfe kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss habe und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen könne. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, zum Beispiel Boden- und Wasserverhältnisse, seien so zu beschreiben, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen könne.

143

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze des Bundesgerichtshofs ergibt sich vorliegend gerade, dass nach den Ausschreibungsunterlagen die Klägerin Boden verschiedener LAGA-Klassen zu erwarten hatte und sich dementsprechend auf die Entsorgung einstellen musste. Allerdings war den Ausschreibungsunterlagen, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegt hat, nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. ...[F] nicht zu entnehmen, dass die nach den LAGA-Richtlinien erforderlichen Analysen nicht durch die Beklagte durchgeführt würden, sondern von dem Auftragnehmer selbst auf eigene Kosten einzuholen seien. Da es sich bei diesen Kosten jedoch um einen erheblichen, den Angebotspreis maßgeblich beeinflussenden Faktor handelt - wie bereits von dem Landgericht zutreffend dargelegt -, durfte die Klägerin die Ausschreibung nach den oben dargestellten Grundsätzen gerade so verstehen, dass diese Kosten jedenfalls nicht von dem Auftragnehmer zu tragen seien. Dem entspricht auch, dass die Beklagte unstreitig eine gewisse - allerdings nicht ausreichende - Anzahl LAGA-Analysen auf ihre Kosten durch die Nebenintervenientin zu 2. sowohl vor als auch während der Arbeitsausführung durchführen ließ. Damit bestand von dem Empfängerhorizont des Bieters aus keine Veranlassung, von einer Kostentragungspflicht des Auftragnehmers für die Durchführung der übrigen erforderlichen LAGA-Analysen auszugehen.

144

Auch die Nebenintervenientin zu 1. verweist mit ihrer Berufung erfolglos darauf, dass die Klägerin mit ihrem Angebot auch das Formblatt EVM ERG Abf (Abfall) als Vertragsbestandteil angekreuzt habe. Die Klägerin habe deshalb nach der dortigen Nr. 2.2 anstelle der Beklagten als Auftraggeberin die Pflichten zur Verwertung und Beseitigung der Abfälle unter Beachtung der einschlägigen gesetzlichen, insbesondere abfallrechtlichen Bestimmungen sowie des Standes der Technik übernommen und die von der Auftraggeberin zu erbringenden Nachweise zu führen gehabt. Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin zu 1. lässt sich daraus nicht die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung der LAGA-Analysen auf eigene Kosten herleiten. Der Sachverständige Dr. ...[F] hat gerade auf diesen erstinstanzlichen Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. hin ausgeführt (Bl. 773 - 774 d. A.), dass in dem Leistungsverzeichnis kein Hinweis auf eine Kostenübernahme der LAGA-Analysen durch den Bieter enthalten sei und es somit eine Rechtsfrage sei, ob dieses Formblatt dem Leistungsverzeichnis vorgehe. Das Landgericht hat dazu ausgeführt, dass unklare Formulierungen zu Lasten der Beklagten gehen. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an. Somit kann aufgrund der widersprüchlichen Vorgaben in den gesamten Ausschreibungsunterlagen keine vertragliche Leistungsbeschreibung des Inhalts, dass der Auftragnehmer die LAGA-Analysen durchzuführen und zu bezahlen habe, angenommen werden. Eine solche Leistungsbeschreibung wollte die Beklagte nach ihrem ausdrücklichen Vortrag im Übrigen selbst nicht vornehmen, da sie nach ihrer Auffassung selbst zur Durchführung der notwendigen LAGA-Analysen verpflichtet war und lediglich Streit mit der Klägerin über die erforderliche Anzahl der Analysen entstand. Soweit somit der Vortrag der Nebenintervenientin zu 1. dem Vortrag der Beklagten als der von ihr unterstützten Hauptpartei widerspricht, ist er zudem ohnehin unbeachtlich (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, a. a. O., § 67 Rdnr. 9 m. w. N.).

145

Da die Kündigung der Klägerin mithin zu Recht erfolgte, ist auf den Antrag der Klägerin die Beendigung des Bauvertrages durch diese Kündigung festzustellen.

146

3. Der Rechtsstreit ist deshalb nach der Aufhebung des Grundurteils nur im Übrigen zurückzuverweisen, da über den Grund der Klageansprüche nochmals zu befinden ist und der Streit über den Betrag der Ansprüche nicht zur Entscheidung reif ist, § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO. Da insoweit eine umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen ist, sieht der Senat von einer eigenen Sachentscheidung, die über die Zwischenfeststellungsklage hinausgeht, ab.

147

4. Die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin zu 1. gegen das die Widerklage der Beklagten abweisende Teilurteil sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

148

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt, dass wegen der berechtigten Kündigung des Bauvertrages durch die Klägerin der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen dieser Kündigung zusteht und die Beklagte deshalb auch nicht die Feststellung einer Ersatzpflicht der Klägerin für einen weitergehenden Kündigungsfolgeschaden verlangen kann. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich an.

149

Das Teilurteil, dessen Zulässigkeit die Aufhebung des Grundurteils aufgrund des Zwischenfeststellungsurteils des Senats nicht entgegen steht (vgl. BGH NJW-RR 2012, 849), ist deshalb aufrecht zu erhalten.

150

5. Über die Berufungskosten kann hinsichtlich des - feststehenden - Anteils der endgültig abgewiesenen Widerklage nach § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4, § 101 ZPO endgültig entschieden werden. Im Übrigen wird die Kostenentscheidung vom Ausgang des zurückverwiesenen Teilstreits abhängen. Sie ist deshalb insoweit dem Landgericht vorzubehalten, ebenso wie diejenige über die erstinstanzlichen Kosten.

151

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

152

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Mit der vorliegenden Entscheidung erfolgt keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs. Grundsätzliche Bedeutung kommt keiner der in dem Rechtsstreit aufgeworfenen Rechtsfragen zu, insbesondere nicht im Rahmen der erfolgten Zwischenfeststellung.

153

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 981.513,09 € festgesetzt (Klage 654.090,02 €, Widerklage 297.423,67 € + 30.000 € = 327.423,67 €).

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen.

(2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Berufungserwiderung setzen. § 277 gilt entsprechend.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.

(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.

(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.

Werden Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen den §§ 520 und 521 Abs. 2 nicht rechtzeitig vorgebracht, so gilt § 296 Abs. 1 und 4 entsprechend.

(1) Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung sind der Gegenpartei zuzustellen.

(2) Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann der Gegenpartei eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung und dem Berufungskläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Berufungserwiderung setzen. § 277 gilt entsprechend.

5
b) Dem kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung der Beschwerde handelte es sich auch bei der nur vom Streithelfer eingelegten und geführten Berufung nicht um eine solche des Streithelfers selbst, sondern nach wie vor (nur) um ein Rechtsmittel der Hauptpartei. Lediglich aus den bei ihr vorliegenden Umständen bestimmt sich etwa, ob die zu erreichende Rechtsmittelsumme und die erforderliche Beschwer gegeben sind. Auch die Frage, ob ein Vorbringen des Streithelfers etwa verspätet ist, ist so zu beurteilen, als wenn es von der Partei selbst stammen würde (BGH, Urteil vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88, aaO).

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention.

(2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.

(3) In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, dass statt der Zeit des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 99/14 Verkündet am:
10. Juni 2015
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von (Eigen-)Bedarf - wie auch sonst
bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses
- dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet
(Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteile vom 8. April 2009 - VIII ZR
231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13. Juni 2012 - VIII ZR 356/11, juris
Rn. 10; Beschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634
Rn. 3).

b) Ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung
einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten
Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter
Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien
durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die
(Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann,
wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur
vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen
Zurechnungszusammenhang (Fortführung von BGH, Beschluss vom
7. September 2011 - VIII ZR 343/10, aaO).

c) An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den
Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind
strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss - auch unter Berücksichtigung
sämtlicher Begleitumstände - unmissverständlich sein (Anschluss an
und Fortführung von BGH, Urteile vom 21. November 2006 - VI ZR 76/06, NJW
2007, 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom
18. September 2012 - II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015
- IV ZR 504/14, juris Rn. 15).

d) Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche
bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen
schließen lassen (Fortführung von BGH, Urteile vom 11. Oktober 2000
- VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 - VIII ZR 100/05, WM
2007, 177 Rn. 22; Beschluss vom 19. September 2006 - X ZR 49/05, juris Rn. 27).
Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen,
dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung - wie etwa einer
namhaften Abstandszahlung - verpflichtet.
BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 - VIII ZR 99/14 - LG Koblenz
AG Koblenz
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juni 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter
Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26. Februar 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses.
2
Der Kläger hatte mit Vertrag vom 28. April 2008 vom Rechtsvorgänger des Beklagten eine Vier-Zimmer-Wohnung in K. gemietet; die monatliche Miete belief sich zuletzt auf 523,09 € brutto. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit der - vom Kläger bestrittenen - Begründung, die Wohnung werde für den neuen Hausmeister, Herrn D. , benötigt.
3
Nachdem die Räumungsklage in erster Instanz erfolglos geblieben war, schlossen die Parteien im Vorprozess in der zweiten Instanz am 14. Juni 2011 auf Vorschlag des Berufungsgerichts einen Räumungsvergleich, in dem sich der Kläger (als damaliger Beklagter) verpflichtete, die Wohnung bis spätestens 31. Dezember 2011 zu räumen sowie die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Vergleichs zu tragen. Ferner verzichtete der Kläger (abgesehen von der gewährten vorbezeichneten Räumungsfrist) auf sämtliche Räumungsschutzvorschriften. Im Falle eines vorzeitigen Auszugs, den der Kläger zwei Wochen zuvor anzukündigen hatte, sollte er nur bis zum Auszug und zur Übergabe der Wohnung Miete zahlen.
4
Nach dem Auszug des Klägers zog nicht der angekündigte neue Hausmeister , sondern eine Familie in die ehemals vom Kläger gemietete Wohnung des Beklagten ein. Im vorliegenden Prozess begehrt der Kläger Ersatz der Umzugskosten , der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Woh- nung (850 € monatlich) und dadurch entstehen, dass er den Weg zur Arbeit nicht mehr wie bisher zu Fuß zurücklegen könne, sowie Ersatz der ihm entstandenen Prozesskosten des Räumungsrechtsstreits.
5
Die auf Zahlung von 25.833,43 € nebst Zinsen undFreistellung von vor- gerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Zwar könne der Mieter von seinem Vermieter grundsätzlich nach § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz erlangen, wenn dieser schuldhaft eine Kündigung wegen eines in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarfs ausspreche. Weitere Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruchs sei es jedoch, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung (vorgetäuschter Eigenbedarf) und dem geltend gemachten Schaden bestehe. Hieran fehle es.
9
Zwar führe der Abschluss eines Räumungsvergleichs nicht zwangsläufig zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs. Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere darauf, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben nur den Streit über die Schlüssigkeit und Beweisbarkeit des Eigenbedarfs oder auch den Streit darüber hätten beseitigen wollen, ob die vom Vermieter behauptete Bedarfssituation bestehe oder ob sie nur vorgetäuscht gewesen sei. Nur im letzteren Fall könne in dem Vergleich ein Verzicht des Mieters auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs gesehen werden.
10
Aufgrund einer Würdigung nach den dargelegten Maßstäben habe der im Vorprozess abgeschlossene Vergleich der Parteien einen endgültigen Schlussstrich unter das Mietverhältnis ziehen sollen. Dafür spreche bereits die im Vergleich getroffene Vereinbarung, wonach sich der Kläger verpflichtet habe, die Wohnung bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen. Denn eine Räumungsfrist von fast sechs Monaten sei in der damaligen Prozesssituation, in der die Berufung keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe [gemeint dürfte sein: die Verteidigung des jetzigen Klägers gegen die damalige Berufung des jetzigen Beklagten ], ein Nachgeben des (jetzigen) Beklagten gewesen. Zudem sei dem Kläger zugestanden worden, die Wohnung vorzeitig zu räumen. Auch der Umstand, dass die Parteien im Vorprozess gegenseitig Vorwürfe - angebliche Schikanen des Beklagten und angebliche Vertragsverletzungen des Klägers - erhoben hätten , spreche dafür, dass die einvernehmliche Regelung in erster Linie auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses abgezielt habe. Überdies habe der Kläger die Bedarfslage des Beklagten und das Vorliegen des "Betriebsbedarfs" in seiner Berufungserwiderung im Räumungsrechtsstreit nicht mehr ausdrücklich bestritten; auch daraus sei zu schließen, dass die Parteien einen endgültigen Schlussstrich unter die mietvertraglichen Beziehungen hätten ziehen und auch den Streit über das Bestehen einer Bedarfslage beseitigen wollen.
11
Aus diesem Grund sei auch die vom Kläger erklärte Anfechtung des Vergleichs unbegründet. Zudem habe der Beklagte durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Hausmeisters D. vom 22. April 2013 nachgewiesen, dass er noch im Zeitpunkt des Auszuges des Klägers keine Kenntnis davon gehabt habe, dass Herr D. entgegen dessen bisheriger eindeutig erklärter Absicht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in die bis dahin vom Kläger bewohnte Dachgeschosswohnung einziehen werde.

II.

12
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 280 Abs. 1 BGB nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat den Räumungsvergleich rechtsfehlerhaft dahin ausgelegt, dass der Kläger damit auch auf eventuelle Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs verzichten sollte.
13
1. Allerdings kann die Auslegung einer Individualvereinbarung - wie hier des Räumungsvergleichs vom 14. Juni 2011 - durch den Tatrichter vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 37 mwN). Dies gilt auch für Prozesserklärungen, soweit es deren materiell-rechtlichen Inhalt betrifft (BGH, Beschluss vom 7. September 2011 - XII ZR 114/10, juris Rn. 15 mwN). Ein derartiger Rechtsfehler fällt dem Berufungsgericht hier indes zur Last.
14
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Vermieter im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf - wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 301 ff. [zur Wohn- und Gewerberaummiete]; vom 14. Januar 1988 - IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268 unter III 2 b [zum Pachtvertrag ]; vom 28. November 2001 - XII ZR 197/99, NZM 2002, 291 unter 2 b [zur Gewerberaummiete]; vom 22. April 2010 - I ZR 31/08, VersR 2010, 1668 Rn. 17 mwN [zum Frachtvertrag]; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08, BGHZ 179, 238 Rn. 16 [zum Grundstückskaufvertrag]), wie hier des Wohnraummietverhältnisses - dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. Senatsurteile vom 8. April 2009 - VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13. Juni 2012 - VIII ZR 356/11, juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10, WuM 2011, 634 Rn. 3).
15
Auch hat das Berufungsgericht - im Ansatzpunkt zutreffend - angenommen , dass die Frage, ob ein Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer (Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen ist, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. OLG Frankfurt am Main [Rechtsentscheid], NJW-RR 1995, 145, 146; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - VIII ZR 343/10, aaO; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 573 BGB Rn. 81).
16
b) Bei der konkreten Würdigung des Räumungsvergleichs hat das Berufungsgericht indes unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentliche Umstände außer Betracht gelassen und sich nicht an den eingangs genannten Maßstab gehalten.
17
aa) Streitgegenstand des Vorprozesses war das Räumungsbegehren des Beklagten im Anschluss an eine Kündigung, die darauf gestützt war, dass die Wohnung als Hausmeisterwohnung für einen Angestellten des Vermieters benötigt werde (sogenannter "Betriebsbedarf"; vgl. hierzu Senatsurteile vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 122/06, NZM 2007, 639 Rn. 12 f. mwN; vom 15. Dezember 2012 - VIII ZR 210/10, NJW 2011, 993 Rn. 13).
18
Der Wortlaut des Vergleichs bietet zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien über den Streitgegenstand und die ausdrücklich geregelten Punkte hinaus sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche aus dem Mietver- hältnis, also etwa auch einen Schadensersatzanspruch wegen vorgetäuschten Bedarfs, abschließend regeln wollten. Weder ist im Vergleich ein solcher Anspruch erwähnt noch findet sich dort eine allgemeine Abgeltungsklausel, wobei dahingestellt bleiben kann, ob von einer solchen Klausel der vorbezeichnete Schadensersatzanspruch erfasst würde (dies verneinend: LG Hamburg, WuM 1995, 168; Schmidt-Futterer/Blank, aaO; vgl. auch Staudinger/Rolfs, BGB, Neubearb. 2014, § 573 Rn. 228).
19
bb) Das Berufungsgericht hat dem Vergleich somit einen stillschweigenden Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs entnommen. Dabei hat es rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass an das Vorliegen des Willens einer Partei, auf Ansprüche zu verzichten, strenge Anforderungen zu stellen sind und der Verzichtswille - auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände - unmissverständlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 21. November 2006 - VI ZR 76/06, NJW 2007, 368 Rn.9; vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; vom 18. September 2012 - II ZR 178/10, WM 2012, 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015 - IV ZR 504/14, juris Rn. 15; jeweils mwN). Sofern - wie hier - ein stillschweigender Verzicht zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 - VIII ZR 100/05, WM 2007, 177 Rn. 22; BGH, Beschluss vom 19. September 2006 - X ZR 49/05, juris Rn. 27; jeweils mwN). Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung verpflichtet. So kann im Einzelfall in der Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen der Wille der Parteien entnommen werden, dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollen (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO; OLG Celle, OLGR 1995, 4 f.; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 573 Rn. 57; Gramlich, Mietrecht, 12. Aufl., § 573 BGB unter 8; aA wohl Staudinger/Rolfs, aaO mwN). Dies mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung einer sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme.
20
cc) Derartige Umstände, die den Schluss darauf zuließen, dass auch etwaige Ansprüche des (jetzigen) Klägers wegen vorgetäuschten Bedarfs mit dem Räumungsvergleich abgegolten sein sollten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Gegenteil enthält der auf dem Vorschlag des Berufungsgericht basierende Räumungsvergleich ein allenfalls formales Nachgeben des Beklagten (damaligen Klägers).
21
Dass die Zubilligung einer rund sechsmonatigen Räumungsfrist in dem Vergleich ein ins Gewicht fallendes Entgegenkommen des damaligen Klägers darstellte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil dieser anderenfalls auf eine streitige Entscheidung des Berufungsgerichts angewiesen gewesen wäre, die nicht notwendig sogleich am Verhandlungstag als Stuhlurteil hätte ergehen müssen, und weil mit einer Entscheidung ohne Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist nach den Umständen nicht zu rechnen war. Denn der Mieter, der aufgrund einer Eigenbedarfskündigung oder - wie hier - einer Kündigung wegen "Betriebsbedarfs" erstmals in der Berufungsinstanz zur Räumung verurteilt wird, kann regelmäßig - sogar von Amts wegen - mit der Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist rechnen und hat zudem die Möglichkeit, nach § 721 Abs. 3 ZPO eine Verlängerung der Räumungsfrist oder aus Härtegründen Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu beantragen. Nach dem Wortlaut des Vergleichs sind diese Schutzvorschriften indes - ebenso wie eine Räumungsfristbewilligung nach § 794a ZPO - gleichfalls ausgeschlossen worden. Dass der jetzige Kläger nach dem Vergleich nur bis zu seinem Auszug Miete zu zah- len hatte, stellt kein oder jedenfalls kein nennenswertes Entgegenkommen des Beklagten dar, denn gemäß § 546a BGB hat der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrags nur bis zur Rückgabe der Mietsache Miete zu zahlen und setzt ein weitergehender Schadensersatzspruch wegen unterbliebener Rückgabe voraus, dass sie vom Mieter zu vertreten ist und die Billigkeit eine Schadloshaltung des Vermieters erfordert (§ 571 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB).
22
Die übrigen Bestimmungen des Räumungsvergleichs waren für den jetzigen Kläger nur nachteilig, weil er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte und überdies durch den Vergleich zusätzliche Anwaltsgebühren entstanden, die er nach dem Vergleich ebenfalls zu tragen hatte.
23
dd) Schließlich hat das Berufungsgericht dem Umstand, dass es die Rechtsposition des jetzigen Klägers in der Berufungsinstanz im Vorprozess selbst als aussichtslos angesehen und dies den Parteien auch mitgeteilt hat, keine ausreichende Beachtung geschenkt. Denn in einer Prozesssituation, in der das Gericht den Mieter auf die Aussichtslosigkeit seiner Rechtsverteidigung hinweist, nachdem vernommene Zeugen den vom Vermieter behaupteten Bedarf bestätigt haben, liegt es eher fern, dass die Parteien mit einem sodann abgeschlossenen Räumungsvergleich nicht nur die zu erwartende Entscheidung des Gerichts über den streitgegenständlichen Räumungsanspruch vorwegnehmen , sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche der Mieters wegen vorgetäuschten Bedarfs abgelten wollen.
24
ee) Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, beide Parteien hätten sich im Laufe des Prozesses wechselseitig diverse Vertragsverletzungen vorgeworfen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass mit dem Vergleich auch Ansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten. Denn das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die behaupte- ten wechselseitigen Vorwürfe zutrafen; es ist auch nicht ersichtlich, dass beide Vertragsparteien das Mietverhältnis inzwischen als zerrüttet ansahen und es deshalb - unabhängig von der vom damaligen Kläger geltend gemachten Bedarfssituation - beenden wollten.
25
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Würdigung der vom Beklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Hausmeisters D. vom 22. April 2013 stellen keine die Entscheidung selbständig tragende Hilfsbegründung dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich bei einer eidesstattlichen Versicherung nicht um ein im Erkenntnisverfahren zulässiges Beweismittel handelt, so dass das Berufungsgericht , wenn es auf die Würdigung der Angaben des Hausmeisters entscheidend angekommen wäre, sich nicht mit einer Würdigung der eidesstattlichen Versicherung hätte begnügen dürfen, sondern den (von beiden Parteien benannten ) Zeugen hätte vernehmen müssen.

III.

26
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Möglichkeit der Verweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
27
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
28
1. Das Berufungsgericht wird zunächst im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären haben, ob der vom Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Bedarf nur vorgetäuscht war. Bejahendenfalls stünde dem Kläger dem Grunde nach der von ihm geltend gemachte, durch den Räumungsvergleich der Parteien vom 14. Juni 2011 nicht ausgeschlossene Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB wegen vorgetäuschten Bedarfs zu.
29
2. Sollte das Berufungsgericht hingegen nicht zu der Feststellung eines vom Beklagten nur vorgetäuschten Bedarfs gelangen, wird es zu bedenken haben , dass vieles dafür spricht, dass die Frage, ob der vom Beklagten als Grund für die Kündigung angegebene "Betriebsbedarf" den Anforderungen des Senats an eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB genügt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. Mai 2007 - VIII ZR 122/06, aaO), durch den Räumungsvergleich der Parteien dem Streit entzogen sein dürfte. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 06.11.2013 - 161 C 1145/13 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 26.02.2014 - 6 S 282/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 133/08 Verkündet am:
16. Januar 2009
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das nach
dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht
, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB und handelt
im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.

b) Im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB zu vertreten hat die Vertragspartei diese
Pflichtwidrigkeit aber nicht schon dann, wenn sie nicht erkennt, dass ihre Rechtsposition
in der Sache nicht berechtigt ist, sondern erst, wenn sie diese Rechtsposition
auch nicht als plausibel ansehen durfte.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 133/08 - OLG Köln
LG Köln
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2009 durch den Vorsitzender Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2008 wird auf Kosten der Beklagten und Widerklägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die beklagte Bauträgerin kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2005 von dem Kläger ein mit einem abzubrechenden Gebäude bebautes Grundstück für 351.000 €. Das Grundstück sollte parzelliert und nach Bebauung mit sechs Einfamilienhäusern weiterverkauft werden. Die Beklagte sollte nach Vertragsschluss eine Bauvoranfrage einreichen. Weiter heißt es in dem Vertrag: "Sobald die Baugenehmigung zur Errichtung der Häuser nebst der Genehmigung zur Teilung des Grundbesitzes insgesamt in die entsprechende Zahl Baugrundstücke erteilt sind, ist der Kaufvertrag wirksam und die Vertragsbeteiligten zur Erbringung der ihnen obliegenden Leistung verpflichtet."
2
Der Vollzug des Vertrags stockte, weil ein Nachbar gegen den der Beklagten erteilten Bauvorbescheid Widerspruch einlegte. Außerdem machte, was dem Kläger zunächst unbekannt blieb, die zuständige Behörde mit einem Schreiben vom 13. Februar 2006 die Erteilung der für die vorgesehene Teilung des Grundstücks erforderlichen Genehmigung von dem vorherigen Abbruch der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück abhängig. Mit Rücksicht auf den Nachbarwiderspruch vereinbarten die Parteien am 20. Februar 2006 in einem notariell beurkundeten Ergänzungsvertrag eine Stundung des Kaufpreises bis zur Erteilung der Baugenehmigung und weiter "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht seitens des Käufers", dass "der aus abzuschließenden Weiterverkäufen zu zahlende Kaufpreis in voller Höhe vorzeitig an den Verkäufer zu zahlen ist". Zu diesem Zeitpunkt war die Baugenehmigung noch nicht beantragt.
3
Nach einem Schriftwechsel der Parteien wegen der Zahlung des Kaufpreises ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 21. Juli 2006 und vom 3. August 2006 auffordern, den Kaufpreis bis zum 16. August 2006 zu zahlen. Dem leistete die Beklagte mit der Begründung nicht Folge, die Baugenehmigung sei wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens und der fehlenden Teilungsgenehmigung noch nicht erteilt worden. Die Erteilung der Teilungsgenehmigung setze den vorherigen Abriss der Gebäude voraus.
4
Mit Schreiben vom 23. August 2006 teilte die Bauaufsichtsbehörde dem Kläger auf dessen Anfrage hin mit, dass ein Bauantrag noch nicht gestellt worden sei. Die Beklagte ließ ihm mit einem Schreiben vom 5. September 2006 mitteilen, die Bauanträge seien selbstverständlich eingereicht. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 12. September 2006 unter Hinweis auf treuwidriges Verhalten der Beklagten den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag.
5
Gegen die auf Rückabwicklung des - inzwischen vollzogenen - Kaufvertrags und auf Löschung eines Grundpfandrechts zugunsten eines Gläubigers der Beklagten gerichtete, rechtskräftig abgewiesene Klage hat die Beklagte Widerklage erhoben und von dem Kläger Ersatz der Kosten für ihre Verteidigung gegen sein Zahlungsverlangen in Höhe von 3.301,20 € und gegen seinen Rücktritt in Höhe von 1.660,60 € verlangt. Das Landgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit welcher diese ihre Ansprüche weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unbegründet. Ein allein in Betracht kommender Anspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitere an einer Pflichtverletzung des Klägers. Zwar seien sowohl die Zahlungsaufforderung des Klägers als auch sein Rücktritt in der Sache nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Kaufpreis weder zum ersten noch zum zweiten Zeitpunkt fällig gewesen sei. Das begründe aber allein eine Pflichtverletzung nicht. Zwar habe der Bundesgerichtshof anerkannt, dass die unberechtigte Geltendmachung gewerblicher Schutzrechte Schadensersatzansprüche auslösen könne. Das lasse sich aber nicht verallgemeinern. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche löse in anderen Fällen ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Schadensersatzverpflichtung aus. Wäre es anders, würde die Geltendmachung von Ansprüchen mit einem hohen Haftungsrisiko belastet und damit unzumutbar erschwert. Dieser Wertung stehe auch das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichts- hofs vom 23. Januar 2008 (VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147) nicht entgegen. Darin habe der Bundesgerichtshof zwar entschieden, dass eine unberechtigte Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln eine Schadensersatzhaftung auslösen könne. Er habe aber offen gelassen, ob das auch in anderen Fallgestaltungen gelte. Hier sei der Kläger nicht gehalten gewesen, von seinem Zahlungsverlangen Abstand zu nehmen. Nach den ihm bekannten Umständen habe er annehmen dürfen, die Beklagte vereitele die Erteilung der Baugenehmigung. Im Ergebnis genauso liege es bei dem unberechtigten Rücktritt. Eine unberechtigte Kündigung werde zwar als Pflichtverletzung angesehen. Diese Rechtsprechung sei aber für Mietverhältnisse entwickelt worden, bei denen eine unberechtigte Kündigung häufig ein existentielles Problem darstelle. Sie lasse sich nicht verallgemeinern. In anderen Fällen löse auch der unberechtigte Rücktritt nur bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Schadensersatzhaftung aus. Daran fehle es hier.

II.

7
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
8
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihrer vorprozessualen Rechtsverteidigungskosten nur aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben kann. Die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche und nicht bestehender Rechte kann zwar unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zu einem Ersatzanspruch führen (dazu BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458). Liegt sie aber - wie hier - darin, dass der eine Partner eines (gegenseitigen) Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner und Gestaltungsrechte ableitet, die ihm nach dem Vertrag nicht zustehen, kommt allein ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten in Betracht.
9
2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht schon die für eine Haftung des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Pflichtverletzung. Diese liegt vor.
10
a) Zutreffend geht es allerdings davon aus, dass der Kläger von der Beklagten weder am 21. Juli 2006 noch am 3. August 2006 Zahlung des Kaufpreises verlangen konnte. Er war deshalb auch zu dem am 12. September 2006 erklärten Rücktritt von dem Kaufvertrag nicht berechtigt. Das lässt sich zwar nur hinsichtlich des Rücktritts schon aus der rechtskräftigen Abweisung der (auf Zustimmung zur Aufhebung des Kaufvertrags und Löschung eines von der Beklagten bestellten Grundpfandrechts gerichteten) Klage ableiten, folgt aber auch im Übrigen daraus, dass die Klage zu Recht abgewiesen worden ist. Der Kaufpreis war nicht fällig, weil die Baugenehmigung noch nicht erteilt und ihre Erteilung von der Beklagten nicht treuwidrig hintertrieben worden war. Das wird von den Parteien nicht angegriffen.
11
b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht aber in seiner weiteren Überlegung, es fehle dennoch schon an einer Pflichtverletzung, weil der Kläger Grund zu der Annahme gehabt habe, ihm stehe der Kaufpreis zu und er dürfe wegen des Ausbleibens der Zahlung zurücktreten. Beides ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nichts.
12
aa) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, das ist dem Berufungsgericht zuzugeben, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB (BGHZ 36, 18, 20 f.; 74, 9, 15 f.; 95, 10, 18 ff.; 118, 201, 206; 148, 175, 181 f.; 154, 269, 271 ff.; 164, 1, 6; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148) noch eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt. v. 20. März 1979, VI ZR 30/77, NJW 1980, 189, 190, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 4. November 1987, IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032, 2033; Senat, Urt. v. 12. November 2004, V ZR 322/03, NJW-RR 2005, 315, 316; BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; vgl. auch Zeiss, NJW 1967, 703, 706 f., a.A. Becker-Eberhard, Grundlagen der Kostenerstattung, 1985, S. 99 ff.; Haertlein, Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 352 ff.; Kaiser NJW 2008, 1709, 1710 f.). Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Ein dadurch nicht abgedeckter Schaden ist damit auch materiellrechtlich nicht ersatzfähig (Senat, BGHZ 20, 169, 172; BGHZ 74, 9, 15; 118, 201, 206). Diese Rechtsprechung wird wesentlich von der Überlegung bestimmt , dass andernfalls der freie Zugang zu staatlichen Rechtspflegeverfahren, an dem auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt würde.
13
bb) Richtig ist weiter, dass diese Überlegung teilweise auf die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung übertragen wird (KG, Urt. v. 18. August 2005, 8 U 251/04, juris, Rdn. 142, im Ergebnis bestätigt durch BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2006, IX ZR 167/05, juris; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rdn. 54), und zwar auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1995, VIII ZR 258/94, NJW 1996, 389, 390; Beschl. v.
7. Dezember 2006, aaO; vor allem aber im Vorlagebeschluss v. 12. August 2004, I ZR 98/02, NJW 2004, 3322, 3323). Für diese Gleichstellung, die nicht immer näher begründet wird, werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt : Zum einen könne die außergerichtliche Geltendmachung von in Wirklichkeit nicht bestehenden Ansprüchen und Rechten nicht anders behandelt werden als deren gerichtliche Geltendmachung. Zum anderen gebe es auch in bestehenden Schuldverhältnissen ein Recht, in subjektiv redlicher Weise - wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage - Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen (KG aaO).
14
cc) Das erste Argument hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 15. Juli 2005 (BGHZ 164, 1) zurückgewiesen. Anlass war der erwähnte Vorlagebeschluss des I. Zivilsenats vom 12. August 2004 (I ZR 98/02, aaO), mit welchem dieser die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in Frage gestellt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann eine unberechtigte außergerichtliche Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch desjenigen Gewerbetreibenden darstellen, dessen Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung eines Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden (BGHZ 2, 387, 393; 38, 200, 204 ff.; 62, 29, 31ff.; 164, 1, 5 f.; BGH, Urt. v. 23. Februar 1995, I ZR 15/93, NJW-RR 1995, 810, 811; Urt. v. 30. November 1995, IX ZR 115/94, NJW 1996, 397, 398, insoweit nicht in BGHZ 131, 233 abgedruckt ; Urt. v. 13. April 2000, I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717; RGZ 58, 24, 30 f.). Erfolgt der Eingriff unmittelbar durch Anrufung der Gerichte, entfällt - wie auch sonst - die Haftung (BGHZ 164, 1, 6). Diese Privilegierung findet ihrer Rechtfertigung zum einen in einer förmlichen Beteiligung des zu Unrecht in Anspruch Genommenen an dem gerichtlichen Verfahren und zum anderen in der verschuldensunabhängigen Haftung des Klägers nach §§ 717 Abs. 2, 945 ZPO für den Fall einer Vollstreckung aus einem später geänderten vorläufig vollstreckbaren Urteil (BGHZ 164, 1, 7 f.). An beidem fehlt es, wenn eine unberechtigte Verwarnung außergerichtlich erfolgt. Bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen liegt es nicht anders.
15
dd) Das teilweise angenommene, von dem Berufungsgericht so genannte "Recht auf Irrtum" bei der unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten erkennt der Bundesgerichtshof bei bestehenden Schuldverhältnissen nicht an. Er geht im Gegenteil davon aus, dass sie gerade hier im Grundsatz pflichtwidrig ist.
16
(1) Anerkannt ist das, was auch das Berufungsgericht nicht übersieht, für die unberechtigte Kündigung. Kündigt der Vermieter das Mietverhältnis, ohne dass ein Kündigungsgrund besteht, kann er zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein (BGHZ 89, 296, 301 ff.; BGH, Urt. v. 14. Januar 1988, IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268, 1269; Urt. v. 18. Mai 2005, VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395, 2396). Entsprechendes gilt, wenn der Vermieter, ohne zu kündigen, unberechtigt Räumung verlangt (BGH, Urt. v. 28. November 2001, XII ZR 197/99, NJW-RR 2002, 730, 731). Das ergibt sich in diesen Fallkonstellationen allerdings schon daraus, dass der Vermieter mit der Kündigung bzw. dem Räumungsverlangen das Besitzrecht des Mieters in Frage stellt und damit zugleich seine eigene vertragliche Leistungspflicht zur Überlassung der Mietsache verletzt. Ähnlich liegt es bei dem Käufer, der den Vertrag unberechtigt "annulliert" (RGZ 57, 105, 113), oder dem Verkäufer, der sich unberechtigt weigert, den Käufer weiter zu beliefern (RGZ 67, 313, 317). Auf einen solchen - bei der Geltendmachung von nicht bestehenden Ansprüchen fehlenden - Bezug zu der Nichterfüllung eigener Leistungspflichten kommt es aber nicht entscheidend an. Vielmehr kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt (BGH, Urt. v. 12. Dezember 2006, VI ZR 224/05, NJW 2007, 1458 f.; ebenso OLG Braunschweig, OLG-Report 2001, 196, 198; LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105, 1106; AG Münster NJW-RR 1994, 1261, 1262 [für cic]; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 280 Rdn. 27; Hösl, Kostenerstattung bei außerprozessualer Verteidigung gegen unberechtigte Rechtsverfolgung , 2004, S. 85 f.; Kaiser, NJW 2008, 1709, 1711). Dies hat der Bundesgerichtshof bei einem unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangen angenommen (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Für ein unberechtigtes Zahlungsverlangen gilt nichts anderes.
17
(2) Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt , das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, oder ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; a.A. Hösl, aaO, S. 34: Leistungstreuepflicht). Danach hat jede Vertragspartei auf die Rechte und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Zu diesen Rechten und Interessen gehört auch das Interesse des Schuldners, nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen zu werden als in dem Vertrag vereinbart. Wie der Gläubiger von dem Schuldner die uneingeschränkte Herbeiführung des Leistungserfolgs beanspruchen kann, darf der Schuldner von dem Gläubiger erwarten, dass auch er die Grenzen des Vereinbarten einhält (im Ergebnis ebenso Hösl aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2; zu dem Argument der Waffengleichheit auch derselbe in Exekutionsintervention und Haftung, 2008, S. 362 f., 383 ff.).
18
ee) Nach diesen Maßstäben waren sowohl die Aufforderung des Klägers an die Beklagte zur Zahlung des Kaufpreises als auch sein Rücktritt vom Ver- trag nicht nur sachlich unbegründet, sondern auch im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB pflichtwidrig.
19
3. Eine Haftung des Klägers aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil er nicht fahrlässig gehandelt und die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hat.
20
a) Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren (Haertlein, MDR 2009, 1, 2 f.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Mit dieser Plausibilitätskontrolle (ähnlich Kaiser, NJW 2008, 1709, 1712: Evidenzkontrolle) hat es sein Bewenden. Bleibt dabei ungewiss, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger die sich aus einer Pflichtverletzung ergebenden Rechte geltend machen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis als unberechtigt herausstellt (BGH, Urt. v. 23. Januar 2008, aaO; Haertlein, MDR 2009, 1, 2).
21
b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger weder sein unberechtigtes Zahlungsverlangen noch seinen unberechtigten Rücktritt zu vertreten , weil er weder im einen noch im anderen Fall fahrlässig gehandelt hat.
22
aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger Grund zu der Annahme, die Beklagte führe die Erteilung der Baugenehmigung als Voraussetzung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs treuwidrig nicht herbei. Er habe auch angesichts der ihm berichteten Bekundung von Erwerbsinteresse durch vier Käufer annehmen dürfen, der Nachbarwiderspruch habe in den seit der Änderung des Kaufvertrags verstrichenen Monaten erledigt werden können. Auf das Erfordernis seiner Zustimmung zum Abbruch der vorhandenen Bebauung sei er erst im Anschluss an seine Zahlungsaufforderungen hingewiesen worden, obwohl dies schon seit Monaten bekannt gewesen sei. Die Auskunft der Beklagten in ihrem Schreiben vom 5. September 2006, der Bauantrag sei "selbstverständlich" gestellt, habe den Verdacht des Klägers, die Erteilung der Baugenehmigung werde von der Beklagten hintertrieben, verstärken müssen. Durch eine Mitteilung der zuständigen Behörde vom 23. August 2006 sei er nämlich darüber unterrichtet worden, dass der Antrag bis dahin in Wirklichkeit nicht gestellt worden war. Das genügt der gebotenen Plausibilitätskontrolle.
23
bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht zwar nicht unter dem Gesichtspunkt der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt getroffen. Das ist aber unerheblich, weil es unter dem Gesichtspunkt besonderer Umstände, die aus seiner - von dem Senat nicht geteilten - Sicht für die Annahme einer Pflichtverletzung erforderlich sind, eine inhaltlich entsprechende Prüfung angestellt hat.
24
cc) Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar (dazu: BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003, VI ZR 425/02, NJW-RR 2004, 425, 426; Senat, Urt. v. 26. November 2004, V ZR 119/04, Mitt- BayNot 2005, 395; Urt. v. 5. Mai 2006, V ZR 236/05, NJW-RR 2006, 1242). Sie ist in diesem Rahmen entgegen der Annahme der Revision nicht zu beanstanden.
25
(1) Das Berufungsgericht habe, so meint die Revision, nicht gewürdigt, dass sich der Kläger in seiner Zahlungsaufforderung im Schreiben vom 21. Juli 2006 nicht darauf beschränkt habe, seine Ansicht darzustellen oder die Beklagte nur zur Zahlung aufzufordern. Vielmehr habe er der Beklagten eigene Obliegenheits - und Pflichtverletzungen vorgeworfen und mit der Rückabwicklung des Vertrags gedroht. Damit habe er sie bei ihren Vermarktungsbemühungen massiv behindert. Dabei übergeht die Revision, dass der Kläger die Beklagte in seinem Schreiben zunächst nur mit einem - durch das Schweigen der Beklagten zur Baugenehmigung zudem begründeten - Verdacht konfrontiert und ihr Gelegenheit gegeben hat, diesen Verdacht zu zerstreuen. Die Rückabwicklung des Vertrags war auch nur für den Fall angekündigt, dass sich die Beklagte weiterhin zum Stand des Baugenehmigungsverfahrens ausschweige. Damit genügte der Kläger der gebotenen Sorgfalt.
26
(2) Das Berufungsgericht habe, so rügt die Revision weiter, unberücksichtigt gelassen, dass die Auslegung der Fälligkeitsregelung im Kaufvertrag der Parteien nicht einfach zu durchschauen sei. Es habe sich auch nicht mit der Auslegung dieser Klausel befasst. Diese Überlegung stellt die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in Frage; es bestätigt sie vielmehr. Wenn nämlich die Rechtslage schwierig zu überblicken und die eigene Rechtsposition jedenfalls vertretbar ist, muss sich der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade nicht zurückhalten; es kann ihm nicht vorgehalten werden, seinen eigenen Standpunkt zu vertreten (Urt. v. 23. Januar 2008, VIII ZR 246/06, NJW 2008, 1147, 1148). Dass dies mit - hier zudem nicht übertriebenem - Nachdruck geschieht, ändert daran nichts. Schon deshalb kam es nicht darauf an, wie die Klausel auszulegen ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht, wenn auch aus prozessualen Gründen, in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beklagten davon ausgegangen, dass die Fälligkeit nicht eingetreten war.
27
(3) Schließlich habe das Berufungsgericht die Rücksichtslosigkeit und Beharrlichkeit außer Betracht gelassen, mit der der anwaltlich vertretene Kläger an seiner Rechtsauffassung festgehalten habe. Diese Bewertung stützt die Revision auf den Umstand, dass der Kläger der Bitte der Beklagten um Verlängerung der im Schreiben vom 21. Juli 2006 gesetzten Äußerungsfrist nicht entsprochen , sondern sie erneut, diesmal unter Fristsetzung, zur Zahlung aufgefordert hat. Ob dieser Umstand die Bewertung der Revision trägt, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Es kommt nämlich nicht darauf an, in welcher Form der Kläger sein Anliegen vertritt, sondern darauf, ob er seinen Rechtsstandpunkt in der Sache für vertretbar halten durfte. Das ist nach den nicht zu beanstanden Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.
28
4. Die von der Beklagten geltend gemachten Rechtsberatungskosten könnten schließlich auch nur ersatzfähig sein, wenn sie durch die Pflichtverletzung des Klägers adäquat kausal verursacht worden sind. Das kann wiederum nur angenommen werden, wenn damit zu rechnen war, dass die Beklagte Rechtsrat einholte, bevor sie sich mit dem von dem Kläger zur Begründung seines Vorgehens angeführten Verdacht befasste, sie hintertreibe die Erteilung der Baugenehmigung (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urt. v. 18. Januar 2008, V ZR 174/06, NJW 2008, 1658, 1660). Das ist zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung, da eine Haftung des Klägers schon dem Grunde nach ausscheidet.

III.

29
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.05.2007 - 4 O 548/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2008 - 12 U 73/07 -

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.09.2015 wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 13.08.2015 (Az. 52 O 14634/11) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Ingolstadt vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich von Personen- und Vermögensschäden in Höhe von insgesamt 77.458,27 €, sowie die Feststellung uneingeschränkter Ersatzpflicht für jegliche künftige Schäden verlangt.

I.

Zugrunde liegt ein unstreitiger Zusammenstoß am Sonntag, den 08.10.2006 gegen 08.45 Uhr, auf der Kreisstraße EI 34, auf welcher der Kläger mit seinem Pkw Audi Avant 1,8, amtliches Kennzeichen EI – …, von O. in südöstlicher Richtung gegen P. fuhr. Gleichzeitig fuhr Herr S. mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pferdetransporter DB 814, amtliches Kennzeichen DAH – …, auf der Ortsverbindungs Straße von O. in nördlicher Richtung in Richtung M. Aufgrund einer Vorfahrtsverletzung des Versicherungsnehmers der Beklagten steht deren grundsätzliche uneingeschränkte Haftung für jegliche Schäden des Klägers außer Streit. Gleiches gilt für etliche Erstverletzungen des Klägers und eine tatsächliche vorgerichtliche Zahlung der Beklagten von 13.000,- €.

a) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 13.08.2015 (Bl. 456/466 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Das Erstgericht hatte in einem vorangegangenen Verfahren (Az. 5 O 2263/06) zunächst die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach lediglich zu 65 Prozent für begründet gehalten. Hierauf hat der Senat mit Urteil vom 27.02.2009 (Az.10 U 4871/08) die alleinige Haftung der Beklagten festgestellt.

b) Der Kläger hatte beantragt (EU 5 = Bl. 460 d. A.),

– die Beklagte zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens jedoch 50.000,- €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,

– die Beklagte zu einer Zahlung von 27.458,27 € zu verurteilen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, und

– festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger sämtliche weitere materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 08.10.2006, 08.45 Uhr, auf der Kreisstraße EI 34 bei km 3.300 bei H. zu ersetzen.

Die Beklagte hatte beantragt (EU 5 = Bl. 460 d. A.),

die Klage abzuweisen

II.

Das Landgericht Ingolstadt hat nach Beweisaufnahme, insbesondere durch biomechanische und fachmedizinische Gutachten, die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 462/466 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen. Bestimmend für die Entscheidung war zum ersten, dass der bezahlte Betrag angesichts der unstreitigen und als unfallbedingt nachgewiesenen Gesundheitsschäden ein angemessenes Schmerzensgeld darstelle, weil der Kläger weitere schwere Beeinträchtigungen und einen Dauerschaden nicht habe nachweisen können. Zum anderen seien ein relevanter Haushaltsführungsschaden nicht eingetreten und ein Verdienstentgang nicht schlüssig dargelegt worden.

III.

Gegen dieses ihm am 18.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 17.09.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 16.09.2015 Berufung eingelegt (Bl. 495/496 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 18.11.2015, eingegangen am gleichen Tag, – nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 19.10.2015 (Bl. 502 d. A.) fristgerecht – begründet (Bl. 503/512 d. A.).

Der Kläger beantragt (BB 2 = Bl. 504 d. A.), unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen,

hilfsweise das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 11.08.2017, S. 2 = Bl. 541 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 500 d. A.; BE 1 = Bl. 518 d. A.).

IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung ohne Beweiserhebungen durchgeführt, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.08.2017 (Bl. 540/542 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 18.05.2017 (Bl. 531/534 d. A.) Bezug genommen. Ein Vergleichsvorschlag des Senats ist vom Kläger angenommen (Bl. 538/539 d. A.), von der Beklagten jedoch abgelehnt worden (Bl. 537, 543 d. A.).

B.

Die statthafte (§§ 511 I, II Nr. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und somit zulässige Berufung des Klägers erzielt in der Sache einen uneingeschränkten, allerdings vorläufigen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Klage – nach eingeschränkter Beweisaufnahme – vollständig abgewiesen (EU 2, 7 = Bl. 457, 462 d. A.), weil jegliche begründete Ansprüche des Klägers, nämlich allein auf Schmerzensgeld, durch eine unstreitige Zahlung der Beklagten von 13.000,- € erloschen seien. Für jegliche weitere Forderungen sei der Kläger beweisfällig geblieben:

1. Neben unstreitig unfallbedingten Verletzungen (Rippenserienfraktur rechts, Thoraxprellung rechts, Hüftprellung rechts, Knieprellung rechts und links und einer Schürfwunde am rechten kleinen Finger) habe der Kläger lediglich einen Riss am linken Innenmeniskushinterhornlappen nachweisen können (EU 3/4 = Bl. 458/459; BB 2 = Bl. 504 d. A.).

2. Dagegen seien ständige Schmerzzustände am linken Knie seit dem Unfall nicht erwiesen (EU 4, 7 = Bl. 459, 462 d. A.). Gleiches gelte für eine schwere Schädelprellung, weil der Kläger keine Unterlagen oder Arztberichte vorgelegt habe (EU 8 = Bl. 463 d. A.). Eine „signifikante“, „massive“ Traumatisierung der Halswirbelsäule (BB 3/4 = Bl. 505/596 d. A.), scheide aus, weil ein MRT des Klägers im Januar 2007 unauffällig gewesen sei, somit im zeitlicher Nähe zum Unfall keine Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule festzustellen gewesen seien, und der Kläger trotz Aufforderung kein neueres MRT vorgelegt habe (EU 8 = Bl. 463 d. A.).

3. Aus einer Halswirbelsäulenverletzung folgende Kopfschmerzen bzw. Kopfbeschwerdensymptomatik (BB 4 = Bl. 506 d. A.) und motorische Bewegungsstörungen (BB 6 = Bl. 508 d. A.) könnten nicht als unfallursächlich angesehen werden (EU 7/8 = Bl. 462/463 d. A.).

4. Eine posttraumatische Belastungsstörung werde aufgrund des Gutachtens von Dr. H. abgelehnt, weil lediglich eine Schlafstörung vorliege, die jedoch auf die Dauer des Rechtsstreits zurückzuführen sei und der Beklagten nicht zugerechnet werden könne (EU 8 = Bl. 463 d. A.). Auch der vom Kläger erlittene Herzinfarkt dürfe unter Zurechnungsgesichtspunkten nicht als unfallursächlich gewertet werden (EU 8 = Bl. 463 d. A.).

5. Eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit seit dem Unfalltag wurde aufgrund der erholten Gutachten mangels Dauerschäden abgelehnt, vielmehr sei ein solcher Zeitraum mit vier Wochen ab dem Unfallzeitpunkt anzunehmen. Daraus folge, dass der Kläger erhebliche Einschränkungen der Haushaltsführungsfähigkeit nicht erlitten habe (EU 9 = Bl. 464 d. A.). Aus den gleichen Gründen müsse der Feststellungsanspruch entfallen (EU 10 = Bl. 465 d. A.).

Ein Verdienstausfallschaden könne mangels substantiierten Sachvortrags und mangels Vorlage angeordneter Unterlagen, nicht zuerkannt werden (EU 10 = Bl. 465 d. A.).

II.

Dieses Ergebnis der Tatsachen- und Beweiswürdigung entbehrt angesichts unvollständiger Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.

Nach Auffassung des Senats hat das Landgericht „fehlerfreie und überzeugende“ und damit „richtige“ (BGH NJW 2016, 793) Tatsachenfeststellungen (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 – 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) nicht getroffen, deswegen ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden. Aufgrund konkreter Anhaltspunkte erweisen sich die Feststellungen als lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend (BGH NJW 2005, 1583, 1585; r + s 2003, 522), insoweit hat der Kläger jedenfalls wesentliche, die Entscheidung beeinflussende Anhaltspunkte aufgezeigt, die erneute, erweiterte oder ergänzende Feststellungen gebieten könnten. Ebenso ergeben sich Mängel aufgrund der ergänzend von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797).

a) Das Ersturteil weist zu den vom Kläger geltend gemachten dauerhaften Kniebeschwerden (oben B I 2) weder ein Beweisergebnis, noch eine Begründung auf:

aa) Die Entscheidungsgründe erschöpfen sich in dem Satz „die weiteren vorgetragenen Primärverletzungen konnten nicht nachgewiesen werden“, und sind deswegen aus sich heraus weder prüfbar, noch verständlich. Zwar besteht grundsätzlich und auch im Streitfall keine Verpflichtung des Tatrichters, in den Entscheidungsgründen auf jede Tatsache ausdrücklich und in allen Einzelheiten einzugehen (etwa BGH NJW 2003, 1943; NJW 2011, 1442; Senat, Beschluss vom 25.11.2005 – 10 U 2378/05). Ausreichend wäre eine Begründung, „die wenigstens in groben Zügen sichtbar macht, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschluss vom 25.11.2005 – 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 – 10 U 3590/06). Diesen Ansprüchen genügt das Ersturteil jedoch nicht, weil nicht zu erkennen ist, aufgrund welcher Umstände und Erwägungen das Landgericht zu seiner Überzeugung gefunden hat.

bb) Das Erstgericht lässt insoweit auch nicht erkennen, welches Beweismaß entscheidungserheblich sei. Grundsätzlich ist zwischen „Primärschäden“ (Primärverletzungen) und „Sekundär-“ oder „Folgeschäden“ (Sekundärverletzungen) zu unterscheiden (BGH NJW 1988, 2948), wobei erstere unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsschädigungen betreffen, und im Recht der unerlaubten Handlungen eine Rechtsgutsverletzung im Sinne der Haftungstatbestände (§§ 823 BGB, 11 StVG) begründen (BGH r+s 2013, 570 = NJW 2013, 3634). Letztere bilden erst durch den eingetretenen Gesundheitsschaden entstandene Schädigungen, im Verkehrsunfallrecht aufgrund der Erstverletzung. Für Erstverletzungen gilt das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO, während sich ein Geschädigter (erst dann) auf § 287 ZPO stützen kann, wenn der haftungsbegründende Tatbestand feststeht. Nur soweit der Streit darum geht, ob (auch) der (Folge-)Schaden, dessen Ersatz der Kläger verlangt, auf diesen konkreten Haftungsgrund ursächlich zurückgeht, kommt ihm die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zu Hilfe (BGH NJW 1972, 1126; VersR 2011, 1384).

Die Entscheidungsgründe des Ersturteils sprechen wegen des Begriffs für eine Wertung als Primärverletzung, während die Überlegungen zu Magnetresonanztomografien im Zusammenhang mit Hals- und Lendenwirbelsäulenverletzungen eine gegenteilige Annahme rechtfertigen. Bei dieser Sachlage ist nicht zu erkennen, ob das Landgericht einen Vollbeweis gefordert hatte und auch unter dem verringerten Beweismaß einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einen Nachweis als nicht geführt angesehen hätte.

cc) Soweit das Landgericht von einer entsprechenden unfallchirurgischen (oder fachorthopädischen) Begutachtung abgesehen hat (EU 8 = Bl. 463 d. A.), ist dies nicht vertretbar. Zwar kann in Einzelfällen der Sachverständigenbeweis ein ungeeignetes Beweismittel darstellen, wenn er die gewünschte Aufklärung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt liefern kann (BGH NStZ 2009, 48, dagegen umgekehrt: BGH NStZ 1995, 97). Ein solcher Fall liegt jedoch ersichtlich nicht vor, denn das Erstgericht hätte unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles darlegen und begründen müssen, dass dem Sachverständigen keine oder keine zureichenden Anknüpfungstatsachen zur Verfügung stehen, und solche auch unter keinen Umständen zu beschaffen sein werden (BGH, a.a.O.). Diese Ausführungen fehlen jedoch ebenso wie eine Erläuterung, weshalb der Erstrichter über eigene Sachkunde verfüge (vgl. hierzu BGH VersR 2011, 1432; OLG München, Urteil v. 05.02.2014 – 3 U 4256/13 [juris, Rz. 26– 28, 33]), die sich auch auf die Verfügbarkeit und Wertigkeit von Anknüpfungstatsachen hätte erstrecken müssen.

Für die zunächst maßgebliche Frage, ob Schäden oder Beschwerden am Knie vorliegen oder objektiv feststellbar sind, kann weder ein biomechanisches, noch ein neurologisches Gutachten, erst recht kein psychiatrisch-psychologisches Gutachten als geeignet angesehen werden. In das erstgenannte Fachgebiet fällt lediglich die Frage, ob der untersuchte Verletzungsmechanismus zur Herbeiführung derartiger Beschwerden geeignet ist, was der Gutachter wohl bejaht hat (Bl. 149 d. A.). Das zweitgenannte Gutachten behandelt ausschließlich Nervenschädigungen und enthält keine ausdrückliche Untersuchung des linken Knies (Bl. 273/276 d. A.); die beklagten Beschwerden können jedoch ohne weiteres auch durch orthopädisch zu beurteilende Schäden verursacht werden. Auf psychiatrisch-psychologischem Fachgebiet liegen dagegen Erwägungen, inwieweit nicht objektivierbare Beschwerden dennoch zurechenbar sein können, weil sie aus dem Unfallerlebnis, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen (BGH NJW 2012, 2094) oder einer psychische Reaktion als Folge einer körperlichen Verletzung aufgetreten sein sollen. Das Landgericht hat insoweit die Hinweise des BGH missachtet, dass Eignung und Sachkunde des Gutachters nicht nur auf die Beweisfragen zugeschnitten sein, sondern auch in den Entscheidungsgründen dargelegt werden müssen (zuletzt BGH VersR 2017, 1142). Von einer derartigen Begutachtung kann nicht allein deswegen abgesehen werden, weil der Kläger ein MRT aus dem Jahre 2009 nicht vorgelegt habe und ein MRT aus dem Jahre 2007 keine Auffälligkeiten zeige.

Weiterhin hat das Landgericht selbst die behaupteten Kontusionen beider Oberschenkel, der Lendenwirbelsäule und der Beckenkämme für klärungsbedürftig gehalten (Beweisbeschluss v. 09.02.2012, Bl. 60/62 d. A.), weshalb umso weniger nachvollziehbar ist, warum das Gutachten des Neurologen R. insoweit unvollständig geblieben ist und ein radiologische Zusatzgutachten nicht eingeholt wurde (BB 5 = Bl. 507 d. A.). Angesichts der Bekundungen des Gutachters Dr. B., dass sich Prellungen im LWS-, Becken- und Oberschenkelbereich „ideal“ mit dem Unfallgeschehen vereinbaren ließen (Gutachten v. 22.02.2013, S. 23, 27, 28, 33 = Bl. 137, 141, 142, 147 d. A.) lässt sich keine vertretbare Begründung für den erstinstanzlichen Verzicht auf geeignete Fach- und Sachkunde erkennen.

b) Die ursprünglich geltend gemachte schwere Schädelprellung, die zu Recht als nicht nachgewiesen abgelehnt wurde (EU 8 = Bl. 463 d. A.), will der Kläger nun offenbar durch eine „signifikante“, „massive Traumatisierung der Halswirbelsäule („bzw.“) ersetzt wissen (BB 3/4 = Bl. 505/596 d. A.). Das Landgericht nimmt jedoch lediglich in stark verallgemeinerter Form zu derartigen Unfallfolgen Stellung (EU 8 = Bl. 463 d. A., „entsprechende Verletzungen im HWS- und LWS-Bereich“) und übersieht, dass auch eine Nackenzerrung mit Cervicobrachialgie als geringerwertige Verletzung und eine Kontusion der Lendenwirbelsäule behauptet wurde.

aa) Auch insoweit ist die Begründung des Erstgerichts – unter Berücksichtigung der zu §§ 286 I, 313 III ZPO ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung – nicht ausreichend. Den Entscheidungsgründen lässt sich weder entnehmen, welche Verletzungen zuletzt als entscheidungserheblich behauptet wurden, noch warum diese nicht festzustellen seien. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als zum ersten selbst der Gutachter für Neurologie eine leichte HWS-Distorsion als darstellbar eingeschätzt hat, auch ohne strukturelle Auffälligkeiten in der Bildgebung (Gutachten v. 29.07.2017, S. 27 = Bl. 275 d. A.), zum zweiten auch der Gutachter für Biomechanik eine Traumatisierung der Halswirbelsäule für möglich hält (Gutachten v. 22.02.2013, S. 34/35 = Bl. 148/149 d. A.), und zum dritten das Landgericht selbst einen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat (Bl. 60/62 d. A.).

bb) Hinsichtlich des Beweismaßes kommen nach Auffassung des Senats allein Erstverletzungen und somit § 286 I 1 ZPO in Betracht, nachdem entscheidend (BGH r+s 2008, 214; Zoll, r+s-Beil. 2011, 133) der so gefasste Tatsachenvortrag und Beweisantritt des Klägers ist. Das Erstgericht hat jedoch die insoweit geltenden Regeln nicht ausreichend beachtet, nämlich nicht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung entschieden, ob tatsächliche Behauptungen für wahr oder nicht wahr zu erachten sind. Zwar erfordert die Überzeugung des Richters keine absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] = NJW 1970, 946, st. Rspr., insbesondere NJW 1992, 39 [40] und zuletzt VersR 2007, 1429 [1431 unter II 2]; Senat NZV 2003, 474 [475]; NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 – 10 U 1684/06 [juris]); es ist jedoch unter keinen Umständen ausreichend, einen Beweis nur deswegen als nicht geführt anzusehen, weil Unterlagen nicht vorgelegt und ein MRT unauffällig gewesen seien. Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung (Hinweis v. 18.05.2017, S. 3 = Bl. 533 d. A.), dass Verfahrensfehler nicht dadurch zu begründen sind, dass das Erstgericht Unterlagen des Klägers nicht angefordert habe, und der Kläger als verantwortlich für die Beibringung wichtiger ärztlicher Befunde angesehen wird. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Beweislosigkeit nicht auf das bloße Fehlen solcher Tatsachen gestützt werden kann.

cc) Hinsichtlich der auch insoweit unterbliebenen fachärztlichen Begutachtung auf unfallchirurgischem oder orthopädischen Gebiet ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen (B II a cc). Überdies hat der Gutachter R. immerhin eine leichte HWS-Distorsion (Grad I – II nach Erdmann) diagnostiziert (Gutachten v. 29.07.2014, S. 24 = Bl. 272 d. A.), und deswegen posttraumatische HWS-Beschwerden für einige Wochen, sowie Nackenschmerzen bis zu vier Wochen nach dem Unfall für plausibel gehalten (Gutachten v. 29.07.2014, S. 27 = Bl. 275 d. A.). Dagegen begründet auch dieses Gutachten kaum, warum die behaupteten Kopfschmerzen unfallunabhängig und Bewegungsstörungen psychosomatisch seien (Gutachten v. 29.07.2014, S. 28 = Bl. 276 d. A. „etliche andere Ursachen“). Zuletzt hat der Kläger insoweit ein Fachgutachten für erforderlich gehalten (Schriftsatz v. 30.07.2012, S. 2 = Bl. 104 d. A.), womit sich das Landgericht wiederum nicht auseinander gesetzt hat.

c) Auch zu den vom Kläger geltend gemachten Kopfschmerzen bzw. der Kopfbeschwerdensymptomatik und den motorischen Bewegungsstörungen (oben B I 3) enthält das Ersturteil lediglich einer Überprüfung entzogene Behauptungen, dass diese nicht als unfallursächlich angesehen werden könnten (EU 8/9 = Bl. 463/464 d. A.).

Insoweit ist auf die vorstehenden Ausführungen (B II a, b) zu verweisen, mit der Maßgabe, dass unstreitig Folgeverletzungen vorliegen, für welche das verringerte Beweismaß des § 287 I 1 ZPO gilt. Das Erstgericht hätte deswegen zusätzlich Erwägungen bieten müssen, dass und warum nicht wenigstens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass derartige Beschwerden auf den bei dem Unfall erlittenen Primärverletzungen beruhen können. Dies gilt umso mehr, als einerseits die Neurologin und Psychiaterin R. zeugenschaftlich schriftlich erklärt hat (Bl. 69 d. A.), dass Kopfschmerzen aufgrund des Unfalls möglich, aber nicht sicher, eher unwahrscheinlich seien. Andererseits hat der Zeuge Dr. St. ausgesagt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 21.06.2012, S. 5 = Bl. 88 d. A.), dass die vom Kläger behaupteten Kopfschmerzen typisch für Halswirbelsäulenverletzungen seien.

Zudem hätte das Erstgericht in die Überprüfung und Bewertung einstellen müssen, dass Dr. St. als Zeuge bekundet hatte, dass der Kläger über Schmerzen in der Hüfte, sowie eine Taubheit des Daumens und Zeigefingers berichtet hatte, was für ein C6-Syndrom nicht untypisch sei, während ein unauffälliges MRT Störungen der Wirbelsäule nicht ausschlösse. Es gebe Hinweise, dass die im Jahre 2009 festgestellte Halswirbelproblematik auf den Unfall zurückzuführen sei (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 21.06.2012, S. 6 = Bl. 89 d. A.). Auch die Aussage des Hausarztes L., dass der Kläger ihn nach dem Unfall wegen Verspannungen der Lenden- und Halswirbelsäule etwa 50 Mal aufgesucht habe, und dass das vorliegende Schulter-Arm-Syndrom eine typische Spätfolge eines HWS-Syndroms darstelle (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 21.06.2012, S. 8/9 = Bl. 91/92 d. A.) hätte in die Beurteilung einbezogen werden müssen.

d) Soweit das Landgericht, gestützt auf das psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Dr. H., eine posttraumatische Belastungsstörung des Klägers für nicht nachgewiesen erkannt hat (EU 8 = Bl. 463 d. A.), ist dies nicht zu beanstanden. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen (Terminshinweise v. 18.05.2017, S. 3 = Bl. 533 d. A.), dass angesichts der eindeutigen Gutachtensergebnisse auch weiterführende Begründungen im Ersturteil nicht geboten waren.

Dagegen übersieht das Erstgericht, dass die Gutachterin nicht nur eine Schlafstörung, sondern auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit intermittierenden depressiven Phasen für gegeben hält (Gutachten v. 16.04.2015, S. 122 = Bl. 421 d. A.). Dem Kläger ist insofern Recht zu geben (BB 7 = Bl. 509 d. A.), dass die zutreffende medizinische Diagnose nicht entscheidend ist, sondern das tatsächlich feststellbare Beschwerdebild. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beschwerden und Befindlichkeiten beider Diagnosen äußerst ähnlich sind (Gutachten v. 16.04.2015, S. 121 = Bl. 420 d. A.). Anders als das Landgericht meint, hält die Gutachterin das Unfallgeschehen durchaus für äquivalent kausal (Gutachten v. 16.04.2015, S. 125, 129 = Bl. 424, 428 d. A.), und sieht in den Regulierungsstreitigkeiten lediglich eine Aufrechterhaltung und Chronifizierung dieser Beschwerden, keineswegs die alleinige Ursache.

e) Soweit das Landgericht unfallbedingte Dauerschäden des Klägers, insbesondere eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit ausschließt, kann dies schon deswegen nicht überzeugen, weil jegliche Begründung fehlt (EU 9 = Bl. 464 d.A.). Zudem kann erst unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten (B II a-d) Beweiserhebung und –würdigung entschieden werden, ob und in welchem Umfang der Kläger unter unfallbedingten Dauerbeeinträchtigungen leidet. Ergänzend wird auf die Terminshinweise des Senats (v. 18.05.2017, Bl. 531/534 d. A.) Bezug genommen.

Deswegen ist die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht frei von Rechtsfehlern und kann keinen Bestand haben. Sie ist zwar denkgesetzlich möglich (BAG NJW 2015, 651; BGH NJW 2012, 3439; NJW-RR 2011, 270; WM 1967, 367 ff.), jedoch weder widerspruchsfrei (BGH Betrieb 1968, 2270), noch nachvollziehbar begründet (BGH NJOZ 2009, 1690). Insbesondere fehlt eine vollständige Ermittlung und stimmige Bewertung aller entscheidungserheblicher Umstände des Einzelfalls, sowie eine Beurteilung in einer Gesamtschau (Senat, Urt. v. 08.03.2013 – 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 – 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429).

III.

Ergänzend ist anzumerken, dass auch der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) in entscheidungserheblichen Einzelpunkten zu beanstanden ist. Insbesondere die Fragen des Feststellungsinteresses und der Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes wurden nicht zutreffend und nicht frei von Rechtsfehlern beantwortet.

a) Ein Feststellungsantrag ist nach ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung bereits dann zulässig, wenn die bloße Möglichkeit künftiger Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Schäden besteht. Er ist jedenfalls begründet, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt solcher Spätfolgen besteht. Ergänzend wird auf die ausführliche Darlegung samt Rechtsprechungsfundstellen im Terminshinweis des Senats (v. 18.05.2017, S. 1/2 = Bl. 531/532 d. A.) Bezug genommen. Das Landgericht übersieht, dass danach im Streitfall die Ansprüche des Klägers nicht nur nicht als nicht nachgewiesen abgelehnt werden durften (EU 10 = Bl. 465 d. A.), sondern schon allein aufgrund der unstreitigen Verletzungen zulässig und offensichtlich begründet sind.

b) Ein Haushaltsführungsschaden kann nicht ohne Begründung als nicht eingetreten beurteilt werden. Ebenso hätte die überraschende und in keinerlei höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung zu findende Erheblichkeitsschwelle von vier Wochen (EU 9 = Bl. 464 d. A.) eines Nachweises oder einer Fundstelle bedurft. Ergänzend wird wiederum auf den Terminshinweis des Senats (v. 18.05.2017, S. 3/4 = Bl. 533/534 d. A.) verwiesen.

c) Ansprüche, im Streitfall auf Verdienstausfallschaden, können nicht als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (EU 10 = Bl. 465 d. A.), ohne dass zuvor rechtliches Gehör gewährt worden wäre. Werden notwendige richterliche Hinweis gemäß § 139 I 2, II 1 ZPO (BGH ZfBR 2012, 24; NJW-RR 2011, 1556) nicht erteilt, stellt die getroffene Entscheidung eine unzulässige Überraschungsentscheidung (BGH NJW 2014, 2796; NJW-RR 2011, 1009; NJW-RR 2011, 487; NJW-RR 2010, 1363; BVerfG NJW 1991, 2823; NJW 1996, 3202) und eine Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör dar. Diese Hinweise müssen eindeutig, zielführend und unmissverständlich sein (BGH r + s 2013, 358), während dem Ersturteil nicht zu entnehmen ist, wann welche Unterlagen aus welchen Gründen für notwendig gehalten und angefordert wurden.

d) Die bisherige Schmerzensgeldbemessung (EU 9 = Bl. 464 d. A.) des Erstgerichts lässt besorgen, dass Grundlagen und Bemessungsgesichtspunkte des Schmerzensgeldes nicht vollständig und richtig erfasst und das Gewicht der Unfallfolgen für den Kläger greifbar fehlerhaft bewertet worden sind. Ergänzend wird auf den Terminshinweis des Senats (v. 18.05.2017, S. 3 = Bl. 533 d. A.) Bezug genommen. Jedenfalls bedarf auch die Frage zögerlichen und kleinlichen Regulierungsverhaltens der Beklagten einer eingehenden Prüfung und Erörterung.

e) Bezüglich des Herzinfarkts des Klägers (oben B I 4) ist der Senat nunmehr der Auffassung, dass das Ersturteil im Ergebnis zutreffend ist und ein Ersatz oder eine Entschädigung für solche „mittelbaren“ Schäden nicht verlangt werden können. Nach dem Klagevortrag wurde die Gesundheitsbeeinträchtigung unmittelbar durch die Rechtsstreitigkeiten, insbesondere Schriftsätze der Beklagten, verursacht, welche wiederum denkgesetzlich zwingend mittelbar auf dem Unfall und der Leistungsverweigerung beruhen.

Eine Zurechnung solcher Schäden kann nach dem Schutzzweck der §§ 7 I, 18 I StVG nicht erfolgen, denn diese Vorschriften dienen weder dem Zweck, noch haben sie die Aufgabe, Geschädigte vor Aufregung durch Gerichts- oder Ermittlungsverfahren, sowie der Schadensregulierung zu schützen (OLG Celle, Urt. v. 13.04.2011 – 14 U 137/09 [juris]: „Es wird demnach nicht vom Schutzzweck der Vorschriften der Straßenverkehrsordnung umfasst, dass die Aufregung des Geschädigten durch das dem Unfall nachfolgende Verhalten des Schädigers derart gesteigert wurde, dass dann beim Geschädigten eine Gehirnblutung mit Schlaganfall ausgelöst wurde“).

Eine Abweichung von diesem Grundsatz aufgrund besonderer Umstände ist im Streitfall bisher nicht ersichtlich. In Betracht käme lediglich ein Verhalten der Beklagten, dass das Maß dessen überschritte, was jeder nach einem Unfall ohne Anspruch auf Schadensersatz hinzunehmen hat, also im Wesentlichen unsachliche, tatsachenwidrige, grob fehlerhafte und deswegen nicht mehr nachvollziehbare Rechtsverteidigung und Sachvortrag.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass unvertretbares prozessuales Verhalten, wenn es über die verständliche Rechtsverteidigung hinausgeht (Senat, Urt. v. 30.06.1976 – 10 U 1571/76 [juris]) und von einem Geschädigten als herabwürdigend empfunden werden muss (Senat, Urt. v. 02.06.2006 – 10 U 1685/06 [juris]; Urt. v. 24.09.2010 – 10 U 2671/10 [juris]), bei der Schmerzensgeldbemessung als ein Bemessungsfaktor berücksichtigt werden kann. Auch dies erfordert jedoch eine einwandfreie Feststellung der zugehörigen Tatsachengrundlage, etwa ersichtlich unzutreffender Einwendungen (OLG Nürnberg VersR 1997, 1108; OLG Naumburg VersR 2004, 1423; OLG Köln OLGR 2003, 214).

IV.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen und einen Vergleichsversuch unternommen, sich aber – nach dem Scheitern des Vergleichs – aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

a) Eine mangelhafte Beweiserhebung und eine darauf beruhende und im Übrigen nicht sachgerechte Beweiswürdigung stellen einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 – 10 U 4733/14 [juris]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass grundlos eine umfassende und sachgerechte Klärung entscheidungserheblicher Fragen unterblieben und die Entscheidung ohne ausreichende Anknüpfungstatsachen mit bloßen Leerformeln begründet worden ist.

b) Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ergänzend einzelne Beweiserhebungen durchzuführen. Vielmehr müsste die gesamte Beweisaufnahme und das gesamte Verfahren statt der ersten Instanz wiederholt und erweitert werden (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]), was mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbar wäre (Senat VersR 2011, 549 ff.).

c) Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

V.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

VII.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26 –32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.