Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil, 12. Mai 2020 - 11 U 98/18 (Kart)

erstmalig veröffentlicht: 26.11.2023, letzte Fassung: 26.11.2023
Zusammenfassung des Autors

Die Kartellbetroffenheit bezieht sich auf die "persönliche Betroffenheit", wobei es ausreicht, dass der Anspruchssteller als direkter Abnehmer Waren von den am wettbewerbswidrigen Verhalten Beteiligten bezogen hat. Ein rein informeller Austausch über Jahresvereinbarungen mit Einzelhändlern, der beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen, Sonderforderungen und vertriebliche Kenngrößen betrifft, liefert keinen Anscheinsbeweis für kartellbedingten Schaden. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des behaupteten Kartellschadens ist unnötig, wenn der Anspruchsteller den Schaden nicht schlüssig darlegt und das vorgelegte Parteigutachten auf fehlerhafter Tatsachengrundlage basiert, ohne dass der Anspruchssteller substantiell darauf eingeht.

Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

Urteil vom 12.05.2020

Az.: 11 U 98/18 (Kart)

 

1. Die Bindungswirkung des Bußgeldbescheides einer Kartellbehörde beschränkt sich auf die Feststellungen zum Kartellrechtsverstoß und umfasst nicht die Schadensentstehung und Schadenskausalität.

2. Die Kartellbetroffenheit ist als "persönliche Betroffenheit" zu verstehen, für die es genügt, dass der Anspruchssteller als unmittelbarer Abnehmer Waren von den am wettbewerbswidrigen Verhalten Beteiligten bezogen hat.

3. Bei einem kartellrechtswidrigen, reinen Informationsaustausch (über den Stand der Jahresvereinbarungen mit ausgewählten Einzelhändlern, beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen, Sonderforderungen und Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit) streitet kein Anscheinsbeweis für einen kartellbedingten Schaden.

4. Innerhalb der stattdessen vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller vorgebrachten oder bindend festgestellten indiziellen Umstände kommt einer diesbezüglichen tatsächlichen Vermutung im Sinne eines Erfahrungssatzes im Einzelfall kein maßgebliches Gewicht zu, wenn zahlreiche Indizien vorliegen, die einer preissteigernden Wirkung der Kartellabsprache entgegenstehen.

5. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des behaupteten Kartellschadens ist nicht veranlasst, wenn der Anspruchsteller den reklamierten Schaden nicht schlüssig vorträgt. Daran kann es fehlen, wenn sich das dazu vom Anspruchsteller vorgelegte Parteigutachten auf eine nachweislich unzutreffende Tatsachengrundlage stützt und die Anspruchsgegner methodische Fehler und Widersprüche bei der ökonomischen Analyse und Berechnung aufdecken, denen der darlegungs- und beweisbelastete Anspruchssteller nicht substantiell begegnet ist.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 10.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-03 O 239/16) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten und Nebenintervenientinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

GründeI.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma1 e.K. (nachfolgend: Firma1) Schadensersatz nebst Zinsen und Gutachterkosten von den Beklagten wegen überteuerten Bezugs von Drogeriemarkenartikeln im Zusammenhang mit einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch auf Lieferantenebene.

Wegen des Sachverhalts und des genauen Wortlauts der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Diese werden wie folgt zusammengefasst und ergänzt:

Bis zur Insolvenzeröffnung im XX.2012 betrieb Firma1 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogerieartikel. Wegen der Konzernstruktur und deren historischer Entwicklung wird auf die vom Kläger erstellte Unternehmenspräsentation (Anlage B 10, AO 4 d. A.) verwiesen.

Drogerieartikel gehören zur Kategorie der sog. "schnelldrehenden" Konsumgüter, die vom Verbraucher für den täglichen Bedarf gekauft werden, sich dementsprechend durch eine vergleichsweise hohe Abverkaufsgeschwindigkeit auszeichnen (engl. Fast Moving Consumer Goods - FMCG) und dem sog. "Non-Food I-Segment" zugeordnet werden. Sie werden sowohl als Markenartikel als auch als Handels- und Eigenmarken vertrieben.

Die Beklagten und Nebenintervenientinnen (nachfolgend: NI) sind die in Deutschland führenden Anbieter von Drogeriemarkenartikeln in den Bereichen Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel. In diesen Marktsegmenten handelt es sich überwiegend um hochkonzentrierte Märkte, in denen jeweils auf die drei führenden Markenhersteller Marktanteile von mehr als 50 % entfallen. Der Vertrieb ist insoweit zweistufig, als zunächst die Hersteller ihre Produkte an die Handelsstufe absetzen und die Händler sodann die bezogene Ware an die Endverbraucher veräußern. Auf der ersten Stufe der Beschaffung von Drogeriemarkenartikeln stehen sich die Hersteller als Anbieter und die jeweiligen Teilnehmer der Handelsstufe als Abnehmer gegenüber (Beschaffungsmarkt). Auf der zweiten Stufe des Vertriebs an die Endverbraucher stehen sich die Teilnehmer der Handelsstufe als Anbieter und die Endverbraucher als Abnehmer gegenüber (Absatzmarkt).

In den Jahren zwischen 2000 und 2012 vertrieben die Hersteller von Drogeriemarkenartikeln ihre Produkte zu 90 % über den Fachhandel, namentlich über Drogeriemärkte und -ketten sowie den Lebensmitteleinzelhandel, wobei die Drogeriemärkte und -ketten ca. 60% der Nachfrage nach Drogeriemarkenartikel auf sich konzentrierten. Firma1 gehörte neben den Drogeriemarktketten "Drogeriemarkt1", Drogeriemarkt2 und Drogeriemarkt3 zu den größten deutschen Drogeriefilialisten und war in dem o.g. Zeitraum lange Zeit mit Abstand Marktführer im Bereich des Handels mit Drogerieartikeln für Endverbraucher im deutschen Markt.

Es bestand daher ein hochkonzentrierter Beschaffungsmarkt, was mit einer sehr hohen Verhandlungsmacht der Einzelhändler gegenüber den Herstellern einherging. Diese waren in besonders hohem Maße darauf angewiesen, dass die von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Drogeriewaren bei dem jeweiligen Einzelhändler "gelistet", also im Sortiment geführt wurden. Über die "Listung" erreichte der betreffende Hersteller, dass sein Produkt überhaupt einer Vielzahl von Konsumenten zugänglich gemacht wurde. Eine Umgehung der zwischengeschalteten Handelsstufe war regelmäßig nicht möglich. In dieser Hinsicht fungierte der Handel aus Sicht des Herstellers als "Türsteher" gegenüber dem jeweiligen Endverbraucher. So unterlag der Beschaffungsmarkt einem starken Preisdruck, da der Einzelhandel aufgrund seiner Nachfragemacht den auf dem Absatzmarkt herrschenden Preisdruck durch mehrere Mechanismen, etwa Rabattforderungen oder Androhung von Auslistungen, Mengen- oder Werbeaktionenreduzierungen auf die Hersteller abwälzen konnte.

Die Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt erfolgte bilateral in sog. Jahresgesprächen/-verhandlungen zwischen dem Einzelhändler und dem jeweiligen Hersteller, die sich über mehrere Monate, oft beginnend im Herbst des Vorjahres auf unterschiedlichen Kommunikationswegen unter Beteiligung verschiedener verhandelnder Personen hinzogen und im Abschluss einer sog. Jahresvereinbarung mündeten, wobei sich der Abschluss für ein Kalenderjahr im Einzelfall auch erst im Folgejahr ergeben konnte und entsprechend auf die Preise des Vorjahres zurückwirkte. Die Vereinbarung umfasste alle Produkte, die ein Lieferant an den betreffenden Einzelhändler veräußerte.

Die Jahresgespräche bauten auf dem jeweiligen Vorjahresabschluss und den dort vereinbarten Konditionen auf. Die Hersteller übermittelten dem Einzelhandel üblicherweise einige Monate vor, spätestens zu Beginn der Jahresgespräche neue, von ihnen einseitig festgelegte Bruttopreise in sortimentsübergreifenden Listen. Hiervon ausgehend wurde über Rabatte, Skonti, Rückvergütungen, Werbeaktionen, Werbekostenzuschüsse und sonstige Vergütungen verhandelt.

Firma1 war zum einen Mitglied der Firma2 AG, über die die teilnehmenden Mitglieder Bezugsvergünstigungen (sog. Firma2-Konditionen) erzielen konnten. Darüber hinaus legten die Verhandlungspartner bei den Jahresgesprächen im Kern zwei Typen von Rabatten fest, nämlich vorgelagerte und nachgelagerte Rabatte. Vorgelagert sind solche Rabatte, die vom Hersteller bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Ware gewährt und auf den Rechnungen vermerkt sind, etwa ein Rabatt auf den Bezugspreis, der sich nach dem Umsatzvolumen der bezogenen Menge richtet. Nachgelagerte Rabatte, etwa Werbekostenzuschüsse als Vergütung oder Beteiligung für bestimmte Werbemaßnahmen, werden erst nach Bezug der Ware gewährt und tauchen auf den Rechnungen nicht auf. Die nachgelagerten Rabatte wurden in den Jahresgesprächen nicht abschließend für das gesamte Jahr festgelegt, sondern teilweise auch unterjährig für bestimmte Werbeaktionen abgesprochen. Die vor- und nachgelagerten Rabatte und Konditionen waren dementsprechend teils umsatz- teils leistungsbezogen motiviert und führten dazu, dass der tatsächlich an den Hersteller zu zahlende Nettopreis (nachfolgend: EK-Nettopreis) signifikant unter dem Listenpreis lag.

Jeder Hersteller praktizierte sein eigenes Konditionensystem, ohne dass dies den übrigen Herstellern bekannt war. Zwischen den Herstellern bestanden erhebliche Unterschiede, welche Konditionen in welcher Höhe und welcher Form (rechnungswirksam, nachträglich, prozentual oder absolut usw.) gewährt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Anhang Ziffer 5.3.2., S. 108 in dem vom Kläger vorgelegten Parteigutachten (Anlage K 14, AO 1 d. A.) der Firma SV1 GmbH (nachfolgend: SV1) sowie exemplarisch auf die Ausführungen in den Klageerwiderungen der Beklagten zu 1 (Bd. IV, Bl. 812 f. d. A.) und der Beklagten zu 7 (Bd. III, Bl. 567/568 d. A.) verwiesen. In den Jahresgesprächen ging es naturgemäß darum, dass die Hersteller eine Erweiterung ihres Sortiments beim Handel wünschten und versuchten, die Bruttopreise anzuheben bzw. sowenig wie möglich Konditionen zu gewähren, der Handel hingegen Preiserhöhungen ablehnte bzw. eine entsprechende Anhebung der Konditionen verlangte.

Die Beklagten und NI waren neben den Firmen Firma3 GmbH (vormals Firma3.1 GmbH, nachfolgend: Firma3) und Firma4 GmbH (nachfolgend: Firma4) Mitglieder des bereits Ende der 90iger Jahre gegründeten Arbeitskreises "Körperpflege, Waschmittel, Reinigungsmittel" (nachfolgend: KWR) des Markenverbandes e.V., einem seit über 100 Jahren bestehenden, branchenübergreifenden Spitzenverband zur Förderung eines leistungsgerechten und qualitätsorientierten Wettbewerbs zwischen Industrie und Handel. Die Mitglieder des Markenverbandes e.V. haben hierfür Wettbewerbsregeln aufgestellt, die vom Bundeskartellamt anerkannt sind. Diese Regeln sollen u.a. Mitgliedsunternehmen davon abhalten, sog. "Anzapfversuchen" des Handels, also dem Verlangen nach leistungsunabhängigen Preisnachlässen, nachzugeben. Die Durchsetzung dieser Regeln, mit der der KWR in seinem Bereich betraut war, erforderte die Identifizierung solcher unzulässigen Praktiken und eine entsprechende Anzeige beim Bundeskartellamt über den Markenverband e.V., was zwischen 2004 und 2006 mehrfach in Bezug auf den Einzelhandelspartner Firma5 geschehen ist.

Nach einem Bonusantrag des Unternehmens Firma6 GmbH (Rechtsvorgängerin der NI zu 3, nachfolgend: NI zu 3) leitete das Bundeskartellamt im Jahr 2007 gegen die NI zu 3, Firma7 GmbH (NI zu 1), Firma8 GmbH (NI zu 2), Firma9 GmbH (Rechtsvorgängerin der NI zu 8, nachfolgend: NI zu 8) und Firma3 Kartellordnungswidrigkeitenverfahren ein und im März 2008 gegen die übrigen KWR-Mitglieder bzw. im Juni 2010 gegen den Markenverband e.V..

Im Februar bzw. Oktober 2008 ergingen gegen die NI zu 1 und 2, die NI zu 8 und Firma3 Bußgeldbescheide, in die Firma1 zum Teil im Oktober 2008 - geschwärzt - Akteneinsicht erhielt. Hierfür wird auf die Anlage K 10 (AO 1 d. A.) vollumfänglich Bezug genommen. Der NI zu 3 wurde das Bußgeld im Wege der Bonusregelung vollständig erlassen. Gegenstand der Bußgeldbescheide waren neben dem hier streitgegenständlichen Informationsaustausch im Rahmen der KWR-Sitzungen zudem verschiedene bilaterale Preisabsprachen zwischen der NI zu 8, der NI zu 1 und 2 und der NI zu 3 über Handgeschirrspülmittel, Zahncreme und Duschgel.

Exemplarisch heißt es in dem gegen die NI zu 8 ergangenen Bußgeldbescheid vom 19.02.2008:

1. Dem Betroffenen wird zur Last gelegt, durch folgende Handlungen vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowohl in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 als auch in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2007, sowie gegen das Verbot des Art. 81 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) verstoßen zu haben:

a) Abgestimmte Preiserhöhung für Duschgel:

Mit dem Vertriebsleiter der Firma6 GmbH, und der Firma8 GmbH (Firma8), ..., bei Kontakten Mitte 2005 abgestimmte Anhebung der Listenpreise für Duschgel-Produkte der Marken "Produkt1" (Firma9), "Produkt2" (Firma6) und "Produkt3" (Firma8) zum 01. Januar 2006.

b) Austausch von Informationen über den Stand der Verhandlungen mit Einzelhändlern:

Teilnahme an dem regelmäßigen Austausch von Informationen über die Verhandlungen mit Einzelhändlern, insbesondere über die Veränderungen der mit den Einzelhändlern vereinbarten Rabatte, unter den Mitgliedern des Arbeitskreises "Körperpflege-, Wasch- und Reinigungsmittel" (KWR) des Markenverbandes e.V. zumindest im Zeitraum zwischen dem 31. März 2004 und dem 23. November 2006.

2. Gegen den Betroffenen werden nach § 81 Abs. 4 GWB, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) wegen der oben bezeichneten Ordnungswidrigkeiten folgende Geldbußen festgesetzt:

-

wegen der abgestimmten Preiserhöhung für Duschgel eine Geldbuße in Höhe von

xxx

-

wegen des Austausches von Informationen über den Stand der Verhandlungen mit Einzelhändlern eine Geldbuße in Höhe von

xxx

Im Übrigen ergingen gegen die anderen NI und den Markenverband e.V. Bußgeldbescheide, ebenso wie gegen sämtliche Beklagte, und zwar gegen:

Beteiligte

Datum

Verstoßzeitraum

Beklagte zu 1

22.03.2012

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 2

14.03.2013

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 3

14.03.2013

21.01.05 - 23.11.06

Beklagte zu 4

14.03.2013

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 5

14.03.2013

21.01.05 - 17.02.06

Beklagte zu 6

14.03.2013

31.03.04 - 06.04.06

Beklagte zu 7

08.12.2012

25.01.06 - 23.11.06

NI zu 1

19.02.2008

31.03.04 - 23.11.06

NI zu 2

19.02.2008

14.04.05 - 23.11.06

NI zu 3

--

--

NI zu 4

02.11.2011

31.03.04 - 23.11.06

NI zu 5

22.12.2008

31.03.04 - 21.09.06

NI zu 6

21.11.2008

31.03.04 - 21.09.06

NI zu 7

03.03.2009

17.02.06 - 23.11.06

NI zu 8

19.02.2008

31.03.04 - 23.11.06

Firma3

31.03.04 - 17.02.06

Exemplarisch heißt es in dem gegen den Markenverband e.V. und die für diesen handelnde Betroffene ... ergangenen Bußgeldbescheid vom 14.03.2013 (Anlage KR 1, AO 7 d. A.) auszugsweise wie folgt:

A. Tatvorwurf

1. Der Betroffenen wird zur Last gelegt, im Zeitraum vom 31.03.2004 bis zum 23.11.2006 durch ein und dieselbe Handlung in Stadt1, Stdt2 und weiteren Städten, vorsätzlich sich an einer von den Vertretern der

- Firma6 GmbH, Stadt3

- Firma10 AG, Stadt3,

- Firma11 GmbH & Co. KG, Stadt4

- Firma8 GmbH, Stadt5

- Firma7 GmbH, Stadt5

- Firma12 GmbH, Stadt6

- Firma13 GmbH, Stadt7

- Firma14 GmbH, Stadt8

- Firma15 GmbH, Stadt9

- Firma16 GmbH, Stadt8

- Firma9 GmbH, Stadt8

- Firma3.1 GmbH, seit 2005: Firma3 GmbH, Stadt3

- Firma17 GmbH, Stadt10

- Firma18 GmbH & Co. OHG, Stadt11

- Firma19 KG, Stadt12

- Firma20 GmbH & Co. KG, Stadt13

- Firma4 GmbH, Stadt14

begangenen vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Verbot von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen zuwidergehandelt zu haben, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, bzw. das Verbot von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken) vorsätzlich beteiligt zu haben...

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

...

Zwischen dem 31. März 2004 und 26. November 2006 fanden insgesamt 15 Sitzungen des KWR statt:

- am 31. März 20004 in Stadt1,

- am 14./15. Mai 2004 in Stadt2 (Italien),

- am 16. September 2004 in Stadt15,

- am 25. November 2004 in Stadt16

- am 21. Januar 2005 in Stadt17,

- am 14. April 2005 in Stadt18,

- am 10./11. Juni 2005 in Stadt19 (Italien),

- am 15. September 2005 in Stadt20,

- am 17. November 2005 in Stadt21,

- am 25. Januar 2006 in Stadt1,

- am 17. Februar 2006 in Stadt8-Ortsteil1,

- am 06. April 2006 in Stadt22,

- am 16./17. Juni 2006 in Stadt23 (Österreich),

- am 21. September 2006 in Stadt24,

- am 23. November 2006 in Stadt3.

In diesen Sitzungen hat sie (die Betroffene ...) den regelmäßigen Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern über:

a) beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen sowie die Durchsetzung von angekündigten Bruttopreiserhöhungen,

b) den aktuellen Stand der Verhandlungen mit ausgewählten, großen Einzelhändlern bei Jahresgesprächen, insbesondere über die Veränderungen der mit den Einzelhändlern vereinbarten Rabatte, unter Offenlegung beider Verhandlungsparteien, des eigenen Angebotsverhaltens sowie der Vertragsabschlüsse,

c) das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen von ausgewählten, großen Einzelhändlern sowie den Stand der Verhandlungen unter Offenlegung beider Verhandlungsparteien, des eigenen Angebotsverhaltens sowie der Vertragsabschlüsse,

d) wesentliche Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit durch die Teilnahme an einem Austausch über die Behandlung von Zahlungszielen.

unterstützt, indem ...[Anmerkung: es folgt die Darstellung der Beteiligungshandlung]...

-

Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 GWB in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung für den Tatzeitraum bis zum 12. Juli 2005 und nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 in der ab 13. Juli 2005 geltenden Fassung ... in Verbindung mit Art. 81 Abs. 1 EG für den Tatzeitraum ab dem 13. Juli 2005 bis zum 23. November 2006 ...

B. Feststellungen

II. Die betroffenen Märkte

...

43. Die KWR-Mitgliedsunternehmen verfügen in den Bereichen Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel in Deutschland über unterschiedlich breite Produktsortimente. ... In den einzelnen Produktbereichen stellten sich die Marktanteile der KWR-Mitgliedsunternehmen im Jahr 2006 wie folgt dar:

Zahnpflege ..., Duschgel ..., Rasiermittel..., Deodorants..., Bodylotion..., Lippenpflege..., Sonnenschutz..., Dekorative Kosmetik..., Männergesichtspflege..., Gesichtspflege..., Shampoo..., Haarspray..., Haarspülungen..., Haargel..., Haarfestiger..., Handgeschirrspülmittel..., Maschinengeschirrspülmittel..., WC-Reiniger..., Universal-/Bad-/Küchenreiniger..., Kraftreiniger..., Glasreiniger..., Weichspüler..., HDD/LDD/Laundry additives...

44. Eine gute Übersicht hierzu, woraus sich die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse ergeben, bietet die Tabelle "Marktstellung und Wettbewerbsbeziehungen", die dem Bußgeldbescheid als Anlage 2 beigefügt ist. (die Tabelle liegt im hiesigen Verfahren als Anlagen Firma16 17, (Bd. III, Bl. 643 d. A.) und KR 14 (AO 8 d. A.) vor, auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird).

III. Preisbildung auf der Handelsebene

45. ....[Anm.: Es folgt eine Darstellung der Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt durch sog. Jahresgespräche und Jahresvereinbarungen, die inhaltlich den obigen Darlegungen entspricht]

IV. Der Informationsaustausch innerhalb des KWR-Arbeitskreis

1. Aufgaben und Arbeitsweise des KWR-Arbeitskreises

50. [Anm.: Es folgen Feststellungen zu den oben bereits umrissenen Aufgaben und der Arbeitsweise des Arbeitskreises und zu der nachfolgend noch beschriebenen Beendigung seiner Tätigkeit. Ferner heißt es in diesem Abschnitt wie folgt:]...

63. Die Tabelle "KWR-Mitglieder - Anwesenheiten", die diesem Bescheid als Anlage 1 beigefügt ist, gibt eine Übersicht darüber, welcher Unternehmensvertreter im Einzelnen innerhalb des Tatzeitraums an den KWR-Sitzungen teilgenommen haben. ... Da bereits der Amtsantritt von (...) dazu führte, dass wettbewerblich sensible Informationen nicht mehr in der gleichen Weise wie zuvor auf den KWR-Sitzungen ausgetauscht wurden, endet der Tatzeitraum mit dem 23. November 2006 und nicht mit der Durchsuchung des Bundeskartellamts am 14. März 2007 [Anmerkung: die o.g Tabelle liegt im hiesigen Verfahren als Anlage KR 11 (AO 8 d. A.) vor, auf die insoweit Bezug genommen wird].

2. Der Informationsaustausch über beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen

[Anmerkung: in den nachfolgenden Randnummern 64 - 135 folgen Feststellungen des Bundeskartellamts zu den oben als Ziffern a)-d) hervorgehobenen Tathandlungen.

Wegen der Feststellungen des Bundeskartellamtes wird auf die einzelnen gegen die Beklagten, NI und den Markenverband e.V. ergangenen Bußgeldbescheide (Anlagen KR 1, KR 3 bis KR 9, 9a (AO 7 und 8 d. A.) vollumfänglich Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, infolge des von den Beklagten und NI schuldhaft und gemeinschaftlich begangenen Verstoßes sei Firma1 in adäquat kausaler Weise ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen Kartell- und Marktpreis der Waren, die Firma1 von den KWR-Mitgliedern in der Zeit von März 2004 bis Dezember 2007 in von ihm ermittelter Größenordnung bezogen habe, in mindestens der beantragten Höhe entstanden. Der Schaden sei durch das von ihm beauftragte Gutachten und Ergänzungsgutachten von SV1 (Anlagen K 14, AO 1 d. A. und KR 30, AO 8 d. A.) belegt, in dem je nach Produktgruppe und Hersteller Preisüberhöhungen der tatsächlich gezahlten EK-Nettopreise gegenüber den hypothetischen Wettbewerbspreisen zwischen 4,13% und 18,38 %, durchschnittlich von 10,3 % ermittelt worden seien. Hierbei ist der Kläger von einem von Firma1 mit den Beklagten, NI und Firma3 in 11 Warengruppen getätigten Einkaufsvolumen von ca. 2,6 Mrd. EUR ausgegangen, was ca. 75 % des in dieser Zeit von Firma1 getätigten Gesamtumsatzes ausgemacht habe.

Betreffend die Ursächlichkeit des Informationsaustauschs für das Marktverhalten der Kartellbeteiligten hat sich der Kläger auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes gestützt, wonach die Kartellanten den aufgrund der ausgetauschten Informationen erlangten Wissensvorsprung zum Nachteil ihrer Abnehmer genutzt und für sie vorteilhaftere Abschlüsse erzielt hätten. Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Abschlusszeitpunkte für die mit den Beklagten und NI sowie Firma3 geschlossenen Jahresvereinbarungen Firma1 hat er auf die Tabelle in der Replik vom 28.08.2017 S. 58 (Bd. VIII, Bl. 1789 d. A.) Bezug genommen. Der Austausch habe produktübergreifend stattgefunden, sodass das gesamte von den Beklagten und NI und Firma3 bezogene Sortiment kartellbefangen gewesen sei. Letztlich belegten auch die in dem o.g. Schadensgutachten festgestellten Preiserhöhungen zwangsläufig die Kartellbefangenheit der Warenlieferungen. Im Übrigen spreche ein Anscheinsbeweis für die Kartellbefangenheit, der letztlich auf dem im europäischen Recht anerkannten Erfahrungssatz fuße, dass Wettbewerbsbeschränkungen in Form von Informationsaustauschen Preiserhöhungen nach sich zögen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Kartellschadensersatz, mindestens in Höhe von 212.200.000,00 EUR nebst Zinsen und Gutachterkosten (580.483,19 EUR) zu zahlen und den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 137.589,50 EUR freizustellen.

Die Beklagten haben die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Der Kläger habe durch Weiterveräußerung der Waren etwaige Schäden vollends auf in- und ausländische Konzerngesellschaften, jedenfalls aber auf die Endkunden weitergewälzt. Der Kläger müsse die weiterveräußerten Waren individualisieren, um sich seiner Aktivlegitimation im Übrigen nicht zu begeben, was er nicht getan habe.

Die Beklagten haben ferner den Vortrag des Klägers zur Kartellbetroffenheit und zum Schaden als unzureichend zurückgewiesen. Vorliegend habe das Bundeskartellamt lediglich einen sporadischen, punktuellen und lückenhaften Informationsaustausch festgestellt, der nicht mit einer Kartellabsprache verbunden gewesen sei. Der Informationsaustausch sei nicht systematisch, nicht langjährig und nicht auf konkrete Produktpreise gerichtet gewesen, woraus sich erst eine gewisse Kartelldisziplin und belastbare Nutzung der Informationen hätte ergeben können. Die im KWR ausgetauschten Informationen seien so pauschal, unspezifisch und zeitlich wie auch inhaltlich punktuell gewesen, dass sie nicht geeignet gewesen seien, einen wie auch immer gearteten Vorteil bei den Verhandlungen und einen dementsprechenden Nachteil von Firma1 herbeizuführen. Die Informationen seien für die Durchsetzung höherer Nettopreise schlicht nicht verwertbar gewesen, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Verhandlungsmacht von Firma1.

Zu berücksichtigen sei vor allem, dass das Konditionengefüge, welches bei jedem Hersteller verschieden sei und aus dem sich erst die relevanten Nettoeinkaufspreise ergäbe, äußerst komplex und Ausdruck des jeweiligen bilateralen Kräfteverhältnisses zwischen Firma1 und dem jeweiligen Hersteller gewesen sei. Dieses Kräfteverhältnis habe sich durch den Informationsaustausch nicht verändert. Deswegen hätten die ohnehin nur pauschalen Angaben über geplante Bruttolistenpreiserhöhungen keinerlei Rückschlüsse auf die von Firma1 zu zahlenden Nettoeinkaufspreise zugelassen.

Der Kläger habe nicht vorgetragen, wie sich der Informationsaustausch konkret auf die Verhandlungen von Firma1 mit den Beklagten und NI ausgewirkt habe und insoweit ausschließlich auf die Feststellungen in den Bußgeldbescheiden verwiesen, wo darauf nicht eingegangen worden sei. Eine tatsächliche Vermutung für eine "Befangenheit" der Warenbezüge könne auch nicht indiziell herangezogen werden, da hier kein Kartell vorliege, keine Absprachen festgestellt worden seien und der Informationsaustausch nicht auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet gewesen sei. Auswirkungen auf das Preisgefüge seien auch deshalb ausgeschlossen, weil die eigentlichen Verhandlungen zu den Jahresgesprächen und etwaigen Listenpreiserhöhungen nicht allein von den Unternehmensvertretern im KWR geführt worden seien, vielmehr von Key-Account Managern und Vertriebsdirektoren, die nicht schlechterdings über die Informationen aus dem KWR verfügt hätten.

Der Kläger habe auch solche Warenbezüge in seine Schadensersatzforderung einbezogen, die gar nicht den vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkten unterfielen. Ebenso verhalte es sich bei solchen Warenbezügen, die Produkte betreffen, hinsichtlich deren es im KWR gar keine Wettbewerbsverhältnisse gegeben habe und die Produkte betreffen, die von bilateralen Preisabsprachen erfasst gewesen seien. Auch seien zeitlich betrachtet die Warenbezüge 2007 schon nicht erfasst, da die Jahresgespräche 2007 überhaupt nicht im KWR thematisiert worden seien. Ebenso seien alle Warenbezüge nicht kartellbefangen, betreffend deren die Preisfindung/Verhandlung in den Jahresgesprächen schon abgeschlossen war, als die entsprechende Information im KWR ausgetauscht worden ist. Soweit außerhalb der jeweils unterschiedlich festgestellten Beteiligungszeiträume der Beklagten und NI schon kein Kartellverstoß des jeweiligen Herstellers festgestellt worden sei, könnten entsprechende Warenbezüge auch nicht kartellbefangen sein. Der Kläger wolle eine gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Beklagter auch dann herbeiführen, wenn zwischen ihnen und/oder den NI überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis bestehe, was für zahlreiche der über 10.000 Einzelartikel in den 90 betroffenen Warenuntergruppen gelte.

Das Parteigutachten des Klägers habe keinen Aussagewert. Die Privatgutachterin unterstelle ein flächendeckendes Preiskartell und gehe von einer vollständigen Preistransparenz aus, was aber nicht zutreffe. Das Gutachten gehe von falschen Anknüpfungstatsachen aus, weil es u.a. nicht die von den Beklagten und NI praktizierte nachfrageorientierte Preissetzung anwende und deshalb relevante Inputfaktoren bei der auf den Wettbewerbszeitraum bezogenen Regressionsanalyse übersehen habe. Das Privatgutachten enthalte gravierende methodische Fehler, die zu nicht aufgelösten Widersprüchen geführt hätten. Die Beklagten haben dazu ein gemeinschaftlich in Auftrag gegebenes Privatgutachten der Fa. Firma21 (u.a. vorgelegt als Anlage Firma16 1, Bd. III d. A.) sowie von den Beklagten selbständig beauftragte Gutachten der Firma22 (Beklagte zu 1, Anlage BDF 2, AO 2 d. A.), Firma23 (Beklagte zu 2, AO 5 d. A.), Firma26 (Beklagte zu 4, 5 und 6, AO 4 d. A.), Firma24 (NI zu 8 - Anlage S 9-1, Bd. VI d. A.), Firma25 (NI zu 6., Anlage 6, Bd. VII d. A.) und von Lehrstuhl1 der Universität1 Stadt25 (Beklagte zu 3 - Anlage ER 3, AO 3, Bl. 1475 ff. d. A.) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat nach mündlicher Verhandlung am 17.05.2018 (Protokoll, Bd. XIV, Bl. 4359 ff. d. A.) mit dem angegriffenen Urteil vom 10.08.2019 (Bd. XIV, Bl. 4433 d. A.) die Klage abgewiesen. Zwar sei die Klage zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die gerügte örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus §§ 32 ZPO, 87 GWB iVm § 42 JuZuVO Hessen. Auch liege hinsichtlich der begehrten Gutachterkosten ein Rechtschutzbedürfnis vor, wenn auch regelmäßig deren Erstattung über das Kostenfestsetzungsverfahren weniger aufwendig sei. Ferner sei die Klage hinreichend im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt, da der Kläger hinlänglich deutlich gemacht habe, hauptsächlich aus eigenen Recht und nur hilfsweise aus abgetretenem Recht vorzugehen. Jedoch sei die Klage unbegründet, denn der Kläger habe nicht hinreichend dazu vorgetragen, in welchem Umfang die über die Beklagten bezogenen Waren von Firma1 an inländische Konzerngesellschaften intern weiterveräußert worden sind, weshalb sich die Aktivlegitimation und bereits verjährte Forderungen nicht bestimmen ließen.

Im Einzelnen hat das Landgericht ausgeführt:

Unstreitig habe Firma1 zu konzerninternen Verrechnungspreisen die bezogenen Waren in einem nicht näher bestimmten Umfang an die inländischen Tochtergesellschaften Tochtergesellschaft1.1, Tochtergesellschaft1.2 und Tochtergesellschaft1.3 GmbH & Co. KG weiterveräußert. Streitig sei, ob dies auch bei ausländischen Tochtergesellschaften der Fall gewesen sei, was der Kläger bestritten und hierfür behauptet habe, dies sei nur bei etwa 0,5 % des Gesamtvolumens geschehen. Vor diesem Hintergrund, so das Landgericht, sei eine Schadensverlagerung auf konzerninterne Gesellschaften in nicht näher bestimmten Umfang gegeben. Dabei handele es sich um eine Vorteilsanrechnung, für die zwar grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet seien. Jedoch treffe den Kläger eine dahingehende sekundäre Darlegungslast mitzuteilen, welcher Anteil des Warenbezugs/Gesamtumsatzes auf inländische Tochtergesellschaften entfiel. Ferner hätte der Kläger zu den konzerninternen Verrechnungspreisen substantiiert vortragen müssen. Nur so hätte festgestellt werden können, ob neben Ansprüchen aus abgetretenem Recht noch eigene originäre Schadensersatzansprüche der Insolvenzschuldnerin bestanden hätten. Denn auf Ansprüche aus abgetretenem Recht könne sich der Kläger nicht stützen. Zum einen sei er für die Abtretung beweisfällig geblieben. Die jeweils vorgelegten Bestätigungen der Abtretungsvereinbarungen seien ungenügend. Zum anderen seien die Abtretungen mit Blick auf § 1 S. 1 InsO als unentgeltliche Leistungen der ebenfalls insolventen Konzerntöchter unwirksam. Letztlich seien Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht verjährt. Die Verjährung habe im Jahr 2013 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Der Kläger habe durch den Fallbericht des Bundeskartellamtes vom 14.06.2013 Kenntnis von potentiellen Ansprüchen gehabt bzw. sei seit dieser Zeit grob fahrlässig in Unkenntnis hierüber. Betreffend etwaige Ansprüche aus abgetretenem Recht habe das eingeleitete Güteverfahren keine hemmende Wirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gezeitigt, da Ansprüche im Güteverfahren nur aus eigenem Recht geltend gemacht und erst im hiesigen Verfahren 2017 mit der Replik - nach Ablauf der vor der Einführung des § 33h n.F. iVm § 186 Abs. 3 GWB geltenden regelmäßigen Verjährung (§§ 195, 199 BGB) - auf abgetretenes Recht gestützt worden seien, was einen anderen Streitgegenstand betreffe.

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiterverfolgt.

Der Kläger rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe die Darlegungsanforderungen hinsichtlich der Schlüssigkeit überspannt, fehlerhaft eine sekundäre Darlegungslast angenommen und den Umfang des Schadens verkannt. Fehlerhaft sei zudem die Annahme, die Ansprüche seien verjährt. Letztlich handele es sich um ein Überraschungsurteil.

Im Einzelnen:

Der Kläger meint, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, der Kläger stütze seine Ansprüche hilfsweise auf abgetretenes Recht. Tatsächlich würden jedoch ausschließlich eigene Ansprüche der Insolvenzschuldnerin verfolgt. Unzutreffend habe das Landgericht angenommen, dass eine Aktivlegitimation nur anzunehmen sei, wenn der Kläger darlege, in welchem Umfang der reklamierte Kartellschaden "Firma1-intern" weitergereicht worden sei.

Das Landgericht habe zudem gegen Beweiswürdigungsregeln verstoßen, da es unzutreffend eine sekundäre Darlegungslast des Klägers für den Umfang der Weiterveräußerung angenommen habe. Substantiierter Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer Schadensweiterwälzung liege nicht vor. Die Darlegung von Konzerninterna sei Firma1 auch nicht zumutbar, abgesehen davon auch nicht möglich, weil derartige Informationen zu konzerninternen Verrechnungspreisen dem Kläger trotz Nachforschungen nicht (mehr) zur Verfügung stünden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sei es höchst unwahrscheinlich, dass überhaupt kartellbefangene Waren aus den streitgegenständlichen Erwerbsvorgängen an Inlandsgesellschaften veräußert worden seien, da diese erst nach Januar 2008 in Geschäftskontakt mit Firma1 getreten seien. So hätten die Tochtergesellschaft1.1 GmbH erst Ende 2008/Anfang 2009 und die Tochtergesellschaft1.2 erst im Jahr 2010 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen. Auch die "Tochtergesellschaft1.3" GmbH & Co. KG sei von der Insolvenzschuldnerin erst Anfang 2008 erworben worden.

Selbst im Falle einer unterstellten Weitergabe des Kartellschadens an Tochterunternehmen von Firma1 verbleibe ein originärer Schaden bei der Insolvenzschuldnerin, was das Landgericht verkannt habe. Die Insolvenzschuldnerin sei nämlich stets Alleingesellschafterin ihrer Tochtergesellschaften gewesen und habe diese konzernrechtlich kontrolliert, so dass wirtschaftliche Identität vorliege. Mithin werde auch die Insolvenzgläubigerin in ihren Rechten verletzt, wenn sie Einbußen an ihrem Gesellschaftsvermögen erleide. Die im Falle der Weiterwälzung des Kartellschadens auf die Tochtergesellschaften dort eingetretenen Kartellschäden hätten zu einer Minderung des Beteiligungswertes der Insolvenzschuldnerin in gleicher Höhe geführt.

Weder seien eigene Ansprüche noch Ansprüche aus abgetretenem Recht - auch wenn diese der Kläger nicht verfolge - verjährt. Fehlerhaft sei bereits die Annahme, die Verjährungsfrist habe im Jahr 2013 zu laufen begonnen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beginne die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Kartellschadensersatzansprüche bei einem "Follow-on" Verfahren nicht vor Einsichtnahme des Kartellgeschädigten in die Bußgeldbescheide nebst einer 10monatigen Prüfungsfrist. Eine solche Einsichtnahme liege hier erst im Jahr 2016 vor. Die der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 gewährte Akteneinsicht genüge hierfür nicht. Auch seien die Kartellschadensersatzansprüche nicht absolut verjährt. Die Verjährung beginne erst mit Beendigung des Kartellverstoßes, also mit Beendigung des Kartells; dies gelte insbesondere, wenn es sich um eine dauernde und fortgesetzte Zuwiderhandlung handele. Fernerhin sei die Verjährung während des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens von dessen Einleitung am 19.03.2008 bis sechs Monate nach dessen Beendigung gehemmt. § 33 Abs. 5 GWB a.F. finde auch auf Altfälle Anwendung, mithin auch auf hier streitgegenständliches kartellrechtswidriges Verhalten vor 2005.

Das Landgericht habe schließlich gegen seine Hinweispflichten aus § 139 ZPO verstoßen, da es den Kläger weder auf die Schlüssigkeitsbedenken, noch auf die für bestehend erachtete sekundäre Darlegungslast und auch nicht darauf hingewiesen habe, dass es die Ansprüche aus abgetretenem Recht für verjährt halte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.08.2018, Az. 2-03 O 239/16, die Beklagten zu verurteilen,

1. als Gesamtschuldner an den Kläger eine Schadensersatzzahlung zu leisten, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 212.200.000,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich 4 Prozentpunkten seit dem 01.04.2004 und seit dem 01.07.2005 in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins nachfolgender Maßgabe:

aus einem Betrag in Höhe von € 6.261.479,00 seit dem 01.04.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.111.382,00 seit dem 01.05.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.112.489,00 seit dem 01.06.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.321.688,00 seit dem 01.07.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.208.406,00 seit dem 01.08.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.858.618,00 seit dem 01.09.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.269.146,00 seit dem 01.10.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.524.399,00 seit dem 01.11.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.589.917,00 seit dem 01.12.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.432.875,00 seit dem 01.01.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.321.868,00 seit dem 01.02.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.318.942,00 seit dem 01.03.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.480.866,00 seit dem 01.04.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.673.091,00 seit dem 01.05.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.293.231,00 seit dem 01.06.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.675.114,00 seit dem 01.07.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.117.553,00 seit dem 01.08.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.390.988,00 seit dem 01.09.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.423.977,00 seit dem 01.10.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.815.741,00 seit dem 01.11.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.964.359,00 seit dem 01.12.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.101.940,00 seit dem 01.01.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.816.177,00 seit dem 01.02.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.703.941,00 seit dem 01.03.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.291.960,00 seit dem 01.04.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.687.548,00 seit dem 01.05.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.371.568,00 seit dem 01.06.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.452.996,00 seit dem 01.07.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.704.372,00 seit dem 01.08.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.784.222,00 seit dem 01.09.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.056.072,00 seit dem 01.10.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.025.720,00 seit dem 01.11.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.582.435,00 seit dem 01.12.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.036.650,00 seit dem 01.01.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.509.143,00 seit dem 01.02.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.230.125,00 seit dem 01.03.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.598.051,00 seit dem 01.04.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.749.201,00 seit dem 01.05.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.741.110,00 seit dem 01.06.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.713.798,00 seit dem 01.07.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.246.748,00 seit dem 01.08.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.424.013,00 seit dem 01.09.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.160.156,00 seit dem 01.10.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 1.935.827,00 seit dem 01.11.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 1.804.697,00 seit dem 01.12.2007; und

aus einem Betrag in Höhe von € 1.346.593,00 seit dem 01.01.2008;

2. als Gesamtschuldner an den Kläger Gutachterkosten in Höhe von 580.483,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen;

3. Die Beklagten zu 1, 2, 4 bis 7 als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von den Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 137.589,50 EUR freizustellen;

hilfsweise, das Verfahren unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.08.2018, Az. 2-03 O 239/16, an das Landgericht Frankfurt zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 7 beantragt hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen, soweit sie die Beklagte zu 7 betrifft.

Die Beklagte zu 2 beantragt hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Die NI (außer die NI zu 4) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten und NI verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie fokussieren sich dabei wie folgt:

Sämtliche Beklagte und NI halten den Einwand der Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass ausschließlich aus eigenem Recht vorgegangen werde, für unzutreffend, jedenfalls sei eine Berücksichtigung auch eines Hilfsantrags für die Klageabweisung wegen eigener Ansprüche nicht entscheidungserheblich.

Die Beklagten und NI bekräftigen, dass die Klage hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers bereits wegen des Klägervortrags unschlüssig sei. Dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger vorgetragen habe, dass Firma1 den Zentraleinkauf für inländische und - in geringem Umfang - auch für ausländische Tochtergesellschaften gemacht habe und eine gruppeninterne Weiterveräußerung zu konzerninternen Verrechnungspreisen stattgefunden habe. Ferner habe der Kläger unter Vorlage von Abtretungsbestätigungen vorgetragen, dass er sich Ansprüche der inländischen Tochtergesellschaften habe abtreten lassen. Mit diesem Vortrag habe das Landgericht zu Recht nicht beurteilen können, für welche Ansprüche eine Aktivlegitimation zu bejahen und für welche sie zu verneinen gewesen wäre.

Jedenfalls sei der Vortrag des Klägers, dass die inländischen Töchter höchstwahrscheinlich gar keine kartellbefangenen Waren bezogen hätten, neu, stehe im Widerspruch zu dem bisherigen Vorbringen, werde bestritten und sei nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Ferner habe es im Kartellzeitraum auch noch weitere Tochtergesellschaften gegeben, zu deren Warenbezug ebenfalls nichts vorgetragen worden sei. Der Kläger könne auch keinen Schaden auf der Basis einer Minderung der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften geltend machen, denn dies sei eine unzulässige Durchbrechung des Trennungsprinzips. Ein in der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall liege offensichtlich nicht vor.

Sämtliche Beklagte und NI bekräftigen, dass der Kläger spätestens mit der Veröffentlichung des Fallberichtes des Bundeskartellamtes 2013 Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangt habe. Das zeige sich bereits daran, dass der Kläger Leistungsklage bereits im Juli 2016 erhoben habe, weit vor der Akteneinsicht Ende 2016/Anfang 2017.

Die Beklagten und NI wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausführungen zu der ihrer Ansicht nach eingeschränkten Bindungswirkung der Bußgeldbescheide, der Kartellbetroffenheit bzw. Kartellbefangenheit, zum Schaden und zur gesamtschuldnerischen Haftung. Insbesondere bekräftigen sie, dass im konkreten Fall weder Anscheinsbeweise noch tatsächliche Vermutungen für einen kausalen Schaden bei Firma1 streiten.

Wie sich der abstrakte Informationsaustausch unter den KWR-Mitgliedern auf den Preis bestimmter von Firma1 bezogener Produkte ausgewirkt habe, habe der Kläger nicht vorgetragen. Das Parteigutachten sei unbrauchbar, u.a. weil es von einem falschen Berechnungsansatz für die Bestimmung der Bruttopreise bei Markenartikeln ausgehe.

Die Beklagte zu 3 weist beispielsweise nochmals darauf hin, dass sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine Preiserhöhung gegenüber Firma1 habe durchsetzen können und auch sonst keinen Schaden Firma1 verursacht habe. Die unstreitig erfolgten Auslistungen etlicher ihrer Produkte im Jahr 2005 sprächen hierfür. Auch sonst habe die Beklagte zu 3 ob ihrer geringen Marktpräsenz keinen Einfluss auf die Preise, zu denen Firma1 eingekauft habe, nehmen können.

Auf die Berufungserwiderungen repliziert der Kläger zusammengefasst wie folgt:

Der Kläger habe substantiiert zu der Kartellbetroffenheit von Firma1 vorgetragen, denn anhand der Bußgeldbescheide sei aufgezeigt, dass Firma1 sowohl zentraler Gegenstand der Kartellabsprachen gewesen sei, als auch spezifische Beschaffungsvorgänge Firma1 sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich des Sachverhalts fallen, der Gegenstand des Bußgeldverfahrens war und der Inhalt der Gespräche der Kartellanten aufgrund der Art der dort ausgetauschten Informationen Bezüge zur Klagepartei aufweise.

Von dem Gesamtwarenbezug seien allenfalls 0,5 % an ausländische Tochtergesellschaften veräußert worden. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch in weiteren Einzelfällen zu zentralem Einkauf gekommen ist. Für die Auslandsgesellschaften lasse sich nicht mehr feststellen, welche Menge eines Produkts gattungsmäßig von Firma1 an diese weiterveräußert wurden. Er könne aber die mit Firma1 gemachten Gesamtumsätze konzernverbundener Gesellschaften in den Jahren 2004 bis 2007 benennen, so dass sich anhand dessen die denkbar höchstmögliche Weiterwälzung nach § 287 ZPO schätzen lasse.

Auch für die Fa. "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" könne er mittlerweile ausschließen, dass kartellbefangene Ware dorthin weiter geliefert worden sei, weil man erst Ende 2007/Anfang 2008 begonnen habe, eine Belieferung der "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" durch das Zentrallager Firma1 vorzubereiten und weil es vor dieser Zeit keine Handelsbeziehungen Firma1 zu der "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" gegeben habe. Vielmehr sei erst danach sukzessive der Wareneinkauf durch Firma1 zentral erfolgt.

Im Übrigen sei Firma1 als Unternehmensgruppe geschädigt worden, so dass die einzelnen Konzerngesellschaften Gesamtgläubiger nach § 428 BGB seien und er für Firma1 den dem Konzern entstandenen Schaden geltend machen könne, unabhängig einer konzerninternen Weiterveräußerung. Dies folge aus unionsrechtlicher Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 14.03.2019 - C 724/17 - Skanska).

Für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollumfänglich Bezug genommen. Sämtliche den hiesigen Urteilsgründen zu entnehmende Tatsachen- und Rechtsfragen sind in der ca. 4-stündigen mündlichen Verhandlung mit den Parteien ausführlich erörtert worden.

In einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz hat der Kläger unter Bezugnahme und unter Vorlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 (KZR 24/17 - Schienenkartell II) die Ansicht vertreten, dass an der Kartellbetroffenheit sämtlicher Warenbezüge kein Zweifel mehr bestehen könne und eine tatsächliche Vermutung für eine Preiserhöhung spreche, die von den Beklagten und NI nicht erschüttert worden sei.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen.

Allerdings folgt der Senat den Erwägungen des Landgerichts zur nicht schlüssig dargelegten Aktivlegitimation mit Blick auf etwaige Weiterveräußerungen der streitgegenständlichen Waren an in- und ausländische Tochtergesellschaften nicht.

Der Senat hält das neue Vorbringen des Klägers zu den drei streitgegenständlichen Inlandsgesellschaften gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für zulässig. Der Vortrag, dass sich der erstinstanzlich unstreitige Zentraleinkauf Firma1 auch auf diese Inlandsgesellschaften im hier maßgeblichen Zeitraum bezog, war angesichts erstinstanzlich bereits vorliegender Handelsregisterauskünfte, der Übersicht/Präsentation (Anlage B 10, AO 4 d. A.) und dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten zu 4 und 5 offensichtlich widersprüchlich, was aufzuklären gewesen wäre. Ungeachtet der Frage, ob der "Passing-On Einwand" aus Wertungsgesichtspunkten bei konzerninterner Weiterveräußerung überhaupt Platz greift, würde ein solcher nichts an der Entstehung eines Schadens ändern und wäre im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Es ließe sich hier nicht feststellen, dass der in Rede stehende Kartellschaden vollständig weitergegeben worden ist, was einen verbleibenden Schaden in irgendeiner Höhe nicht ausgeschlossen und damit einem Grundurteil nicht entgegengestanden hätte. Entgegen der Annahme der Beklagten und NI wären die Beschaffungsvorgänge, die von einer etwaigen Weiterwälzung erfasst worden wären, auch nicht zu individualisieren gewesen. Denn für die Vorteilsausgleichung gilt ebenfalls der Beweismaßstab des § 287 ZPO, so dass eine Weiterwälzung bei hinlänglicher Darlegung von Anknüpfungstatsachen im Rahmen der Bemessung der Höhe des Schadens hätte geschätzt werden können.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil dem Kläger keine Kartellschadensersatzansprüche gegen die Beklagten zustehen, da sich schon nicht feststellen lässt, dass der Informationsaustausch im KWR zu einem Schaden bei Firma1 geführt hat.

1. Rechtsrahmen

Die Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche wegen kartellrechtswidriger Zuwiderhandlungen folgt (jeweils iVm § 80 InsO) jeweils aus dem zum Zeitpunkt der Beschaffungsvorgänge/Wareneinkäufe maßgeblichen Recht (vgl. etwa BGH 12.06.2018 - KZR 56/16 - Grauzement II = NJW 2018, 2479, Rn. 33).

Mithin sind hier streitgegenständliche

Warenbezüge bis zum 30.06.2005 nach den § 823 Abs. 2 BGB iVm § 1 GWB (i.d.F. vom 01.01.1999 bis 30.06.2005 "GWB 1999")/ Art. 81 EG (nunmehr Art. 101 AEUV) bzw. § 33 S. 1 GWB iVm § 1 GWB 1999,

Warenbezüge vom 01.07.2005 bis zum 12.07.2005 gemäß § 33 Abs. 3 GWB iVm § 1 GWB/Art. 81 EG (i.d.F. vom 01.07.2005 bis 12.07.2005 "GWB 2005") und

Warenbezüge ab dem 13.07.2005 gemäß § 33 Abs. 3 GWB (i.d.F. vom 13.07.2005 bis 21.12.2007) iVm § 1 GWB/Art. 81 EG sowie Warenbezüge danach gemäß § 33 Abs. 3 GWB (i.d.F. vom 22.12.2007 bis 29.06.2013) iVm § 1 GWB/Art. 81 EG

zu beurteilen.

2. Verstoß gegen das Kartellverbot

Dass die Beklagten gegen vorgenannte kartellrechtliche Vorschriften verstoßen haben, steht für den hiesigen Schadensersatzprozess aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes, wie sie in den jeweils gegen die Beklagten nach vorheriger Verfahrensbeteiligung ergangenen Bußgeldbescheiden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gegenstand sind, gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindend fest.

Die Feststellungswirkung greift auch für Altfälle (hier hinsichtlich des vor 2005 stattgefundenen Informationsaustausches), soweit die bindenden Feststellungen nach dem Inkrafttreten der Norm getroffen wurden (vgl. BGH, Grauzement II, a.a.O., Rn. 30, 32; Senat, Urt. v. 17.11.2015 - 11 U 73/11), was vorliegend der Fall ist.

Für den Umfang der Bindungswirkung ist maßgeblich, inwieweit eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht festgestellt worden ist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - KZR 25/14 - Lottoblock II = NJW 2016, 3527, Rn. 12, 19). Bei Bußgeldentscheidungen erwächst daher auch die festgestellte Dauer des Verstoßes in Bindungswirkung (vgl. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 33 Rn. 46).

Zusammengefasst hat das Bundeskartellamt vorliegend das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten im Tenor bzw. in den tragenden Gründen der Bußgeldbescheide dahin beschrieben, dass die Beklagten im Zeitraum zwischen dem 31. März 2004 und 23. November 2006 - wobei dieser Zeitraum bei den Beklagten zu 3, 5, 6 und 7 kürzer ist - durch ein und dieselbe Handlung in Stadt1 und andernorts gemeinschaftlich handelnd jeweils mit den Vertretern der übrigen KWR-Mitglieder, auf insgesamt 15 Sitzungen des KWR sich regelmäßig über:

-

beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen und deren Durchsetzung,

-

den Verhandlungsstand der Jahresgespräche mit Einzelhändlern unter Offenlegung von Rabatten, Angeboten und Vertragsabschlüssen,

-

das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ausgewählter Einzelhändler unter Offenlegung von Rabatten, Angeboten und Vertragsabschlüssen sowie

-

wesentliche Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch die Behandlung von Zahlungszielen und die Teilnahme an Benchmark-Studien

ausgetauscht haben.

Den Feststellungen der einzelnen Bußgeldbescheide ist zu entnehmen, dass nicht durchweg stets alle Beklagte (und NI) auf den einzelnen Sitzungen vertreten waren und auch nicht immer alle vorstehenden Informationsgegenstände im Allgemeinen wie im Besonderen zu Firma1 besprochen wurden, vielmehr die Inhalte, die Beteiligten und Empfänger/Geber der einzelnen Informationen variierten.

So ist etwa in dem gegen die Beklagte zu 7 ergangenen Bußgeldbescheid nicht festgestellt, dass diese sich an einem Austausch über beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen und deren Durchsetzung beteiligt hat (ebenso verhält es sich bei den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und bei Firma3). Ferner ist in den jeweiligen Bescheiden betreffend die Beklagten zu 1, 7 und 5 (und betreffend die NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und Firma3) nicht festgestellt, dass sie sich über das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ausgewählter Einzelhändler ausgetauscht haben. Eine Beteiligung an einem Austausch über wesentliche Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch die Behandlung von Zahlungszielen (ausgenommen die Beklagten zu 5 und 7) und die Teilnahme an Benchmark-Studien wird außerdem nicht allen Beklagten und NI angelastet (nicht den Beklagten zu 4, 5 und 7 sowie nicht den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und nicht Firma3).

Der Austausch wird zu den jeweils beteiligten Unternehmen und den betroffenen Märkten einschließlich vorliegender Wettbewerbsverhältnisse sowie zu den einzelnen Gegenständen des Austauschs zunächst im Allgemeinen, sodann im Besonderen (u.a. zu Firma1) weiter dargelegt (vgl. exemplarisch Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 11 ff., 43 ff., 64 ff., 85 ff., 105 ff., 120 ff., 124 ff.). Hierbei ist in zeitlicher Hinsicht festgestellt, dass der Tatzeitraum jedenfalls mit dem 23. November 2006 endete, da wettbewerblich sensible Informationen seit dieser Zeit nicht mehr ausgetauscht wurden.

In rechtlicher Hinsicht sah das Bundeskartellamt in dem Verhalten der Beklagten eine Vereinbarung im Sinne Art. 81 EG bzw. § 1 GWB, jedenfalls aber eine abgestimmte Verhaltensweise, die sich auf das Marktverhalten insoweit auswirkte, als sie eine Beschränkung des Geheimwettbewerbs bezweckte und bewirkte (vgl. exemplarisch Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 363 ff., 366 ff., 372 ff., 379 ff.).

3. Kartellbetroffenheit

Ein Kartellschadensersatzanspruch setzt über das Vorliegen eines Kartellverstoßes hinaus gemäß § 33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005 (ebenso § 33 Abs. 1 S. 1, 3 i.d.F. vom 13.07.2005 bis 21.12.2007 und vom 22.12.2007 bis 29.06.2013; abweichend § 33 S. 1 GWB 1999: derjenige, der vom Schutzbereich der Norm umfasst war) voraus, dass der Anspruchssteller als anderer Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt, also betroffen ist.

Inhalt und dogmatische Zuordnung der Kartellbetroffenheit wurden bislang in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert (vgl. jüngst m.w.N. Weitbrecht, NZKart 2020, 106 (107); Klumpe/Thiede, NZKart 2020, 104). Dies liegt daran, dass haftungsbegründender und haftungsausfüllender Tatbestand bei Kartellverstößen schwer voneinander zu trennen sind, da mit dem Kartellverstoß allein weder ein individuelles Rechtsgut verletzt, noch einen Schaden hervorgerufen ist. Erst wenn aufgrund des verbotswidrigen Verhaltens ein bestimmtes Marktverhalten Dritten gegenüber an den Tag gelegt wird, kann ein Schaden eintreten (s. Pohlmann, NZKart 2020, 55). Das bedeutet für die Abgrenzung von Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung, dass einerseits schon der erste Schaden der Haftungsausfüllung zuzurechnen ist, andererseits nicht der Kartellverstoß allein zur Haftungsbegründung ausreicht. Nach der Rechtsprechung erstreckt sich deshalb der Bereich des nach § 286 ZPO zu beweisenden Haftungsgrundes außerhalb von Schadensersatzansprüchen wegen Personen- oder Sachschäden auch auf die Feststellung, dass der Anspruchssteller so von dem Verstoß betroffen worden ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten (BGH NJW 1993, 3073). Insoweit stellt die Kartellbetroffenheit die Verbindung zwischen dem allgemein wettbewerbswidrigen Verhalten und dem auf den Anspruchssteller bezogenen konkret beeinträchtigten Wettbewerbsverhältnis her, indem sie gemäß § 33 Abs. 3 GWB33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005) eine Beeinträchtigung des Anspruchsstellers verlangt.

Überwiegend wurde daher bislang eine Beeinträchtigung des Anspruchsstellers daran festgemacht, ob die Geschäfte des Marktbeteiligten, für die ein Schaden reklamiert wird, kartellbefangen waren, also ob der Wettbewerb unter den Kartellanten betreffend die veräußerten Waren durch die in Rede stehenden Kartellverstöße ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2018 - KZR 26/17 - Schienenkartell = NJW 2019, 661, Rn. 59). Untersucht wurde im Rahmen der Kartellbetroffenheit also eine Umsatzbetroffenheit, d.h. die Frage, ob der Anspruchssteller beim Erwerb kartellbefangener Waren so mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten in Berührung gekommen ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten (vgl. OLG Nürnberg, Bschl. v. 08.07.2019 - 3 U 1876/18 - HEMA Vertriebskreis = BeckRS 2019, 26965, Rn. 42), wobei in der Literatur größtenteils die konkrete Möglichkeit eines Schadenseintritts verlangt wurde (vgl. Fuchs in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 12d; Paul in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 89; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 55, 122, 136; s. auch Ohlhoff in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, 2017, § 26 Rn. 120 f.).

Die Rechtspraxis ging zumeist davon aus, dass ein Marktteilnehmer und (potentiell) Geschädigter kartellbetroffen war, wenn das Kartell ihm gegenüber derart praktiziert worden ist, dass die Kartellbeteiligten bei ihrem Marktverhalten die "Spielregeln" des Kartells (unmittelbar) angewandt haben oder wenn sich zu seinem Nachteil das Kartell im Sinne einer adäquat-kausalen Folge (mittelbar) ausgewirkt hat (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U (Kart) 18/17 = BeckRS 2019, 8644, Rn. 47).

Die Kartellbetroffenheit hatte der Bundesgerichtshof rekurrierend auf seine "Lottoblock II" - Entscheidung (BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 47) dem Beweismaß des § 286 ZPO unterstellt, mithin dem Haftungsgrund zugeordnet (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59; dementsprechend etwa OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 44).

Hieran hält der Bundesgerichtshof nun nicht mehr fest, sondern lässt es für die zum Haftungsgrund gehörende Betroffenheit im Sinne des § 33 Abs. 3 GWB33 Abs. 1 S. 1 GWB 2005) genügen, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchsstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen (BGH, Urt. v. 28.01.2020 - KZR 24/17 - Schienenkartell II = NZKart 2020, 136 ff., Rn. 25). Zur Ermittlung dieser haftungsbegründenden Kausalität muss nicht mehr festgestellt werden, ob sich das wettbewerbsbeschränkende Verhalten auf den streitgegenständlichen Auftrag tatsächlich ausgewirkt hat und dieser damit "kartellbefangen" war (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 26). Vielmehr ist die Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge im Rahmen der Schadensfeststellung Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 27).

Letztlich hat der Bundesgerichtshof nun klargestellt, dass die zum Haftungsgrund gehörende Betroffenheit als eine "persönliche Betroffenheit" zu verstehen ist, wie dies in der Entscheidung vom 12.07.2016 (BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 47) wahrscheinlich schon angelegt war (vgl. m.w.N. Lahme/ Ruster, NZKart 2019, 196 ff.; vgl. auch Hutschneider/ Stieglitz, NZKart 2019, 363 (367); LG Dortmund, Bschl. v. 06.11.2019 - 8 O 15/15).

Maßgebend für diese Klarstellung ist das unionsrechtlich geprägte, weite Verständnis des Kartellverbots, dessen effektiver Durchsetzung es dient, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, soweit zwischen dem Schaden und dem Kartellverstoß ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Jüngst hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass das Bestehen dieses Rechts nicht in irgendeiner Weise vom nationalen Recht der Mitgliedsstaaten abhängig gemacht werden kann, mithin jede nationale normative Begrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten dem weiten Schutzbereich des Art. 101 AEUV entgegensteht (EuGH, Urt. v. 12.12.2019 - C-435/18 - Aufzugskartell = NZKart 2020, 30, Rn. 30 ff.). Dagegen ist es in Ermangelung unionsrechtlicher Regelungen Sache der Mitgliedstaaten, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs im Einzelfall unter Berücksichtigung des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes zu regeln (vgl. m.w.N. EuGH, Urt. v. 05.06.2014 - C 557/12 - Umbrella Pricing = NZKart 2014, 263 ff., Rn. 24 f.).

Die Frage des "ursächlichen Zusammenhangs" zwischen dem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten und dem Schaden, jedenfalls soweit es darum geht, ob ein bestimmter Schaden in tatsächlicher Hinsicht auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen ist, ist ein Problem der Kausalität und gehört damit zur Durchsetzung des Anspruchs (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 29.07.2019 - C-435/18 - Aufzugskartell, Rn. 50 ff.). In der "Schienenkartell II" - Entscheidung hat der Bundesgerichtshof vor diesem Hintergrund klargestellt, dass die Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge gleichbedeutend mit diesem unionsrechtlich determinierten Begriff des ursächlichen Zusammenhangs ist, mithin die haftungsausfüllende Kausalität die Schadensfeststellung betrifft und nicht die Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität innerhalb der Anspruchsberechtigung (BGH, Schienenkartell II, a.a.O, Rn. 25 ff.; s. dazu die Entscheidungsbesprechungen von Petzold/ Steinle, NZKart 2020, 176 ff. und von Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2020, 180 ff.).

Somit genügt für eine Beeinträchtigung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005 die abstrakte Möglichkeit, dass der Anspruchssteller durch den Kartellverstoß einen Schaden erlitten hat. Beeinträchtigt ist jeder, für den vorstellbar ist, dass er einen auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Schaden erleiden könnte, wofür ein weites Verständnis anzulegen ist (so m.w.N. Lahme/ Ruster, NZKart 2019, 196 (198)).

Hinreichend ist, dass der Anspruchssteller als unmittelbarer Abnehmer Waren von den am wettbewerbswidrigen Verhalten Beteiligten bezogen hat, welche Gegenstand der Absprache bzw. des abgestimmten Verhaltens waren (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 25). Indem Firma1 als unmittelbarer Abnehmer aller KWR-Mitglieder während der Dauer der vom Bundeskartellamt festgestellten Verstöße auf den räumlich und sachlich relevanten Märkten kontrahiert hat, besteht die abstrakte Möglichkeit, dass Firma1 durch die Verstöße einen Schaden erlitten hat.

4. Entstehung eines Schadens

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers setzt voraus, dass Firma1 aus der Abwicklung des in Rede stehenden Warenbezugs mit den Beklagten und NI ein Schaden entstanden ist, die Geschäfte ohne den jeweiligen Wettbewerbsverstoß also jeweils zu günstigeren Konditionen abgeschlossen hätten werden können (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 52).

Die an den Nachweis eines kausalen Schadens zu stellenden Anforderungen richten sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht. Zwar ist nach dem Inhalt des Unionsrechts jeder Schaden, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV steht, nach dieser Vorschrift ersatzfähig. Auf einen spezifischen Zurechnungszusammenhang kommt es dabei nicht an. Der Begriff der haftungsausfüllenden Kausalität ist damit im Ausgangspunkt unionsrechtlich determiniert. Da es an einer näheren Ausgestaltung dieses Begriffs im Unionsrecht fehlt, obliegt es aber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Ausübung und Durchsetzung des unionsrechtlich begründeten Schadensersatzanspruchs unter Einschluss des Kausalitätsbegriffs zu regeln, wobei die Mitgliedstaaten nach den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz verpflichtet sind, die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln und des sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzanspruchs sicherzustellen. Zu diesen Modalitäten zählen jedenfalls die Vorschriften über die zivilprozessualen Anforderungen an die richterliche Tatsachenfeststellung (m.w.N. BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 30).

Die Entstehung eines Kartellschadens einschließlich der Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Kartellabsprache und dem Vorliegen eines individuellen Schadens ist - wie oben bereits ausgeführt - der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet, so dass der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO eröffnet ist. Hiernach entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Der Tatrichter ist insoweit freier gestellt, als er Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen und Schätzungen anstellen kann und es in seinem Ermessen steht, ob und wie er Beweis erhebt. An der Beweislastverteilung zu Lasten des Anspruchsstellers ändert dies hingegen nichts (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 287, Rn. 1). So darf die Schätzung nicht mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte "völlig in der Luft hängen". Für die richterliche Überzeugung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn.49).

Die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder allgemein das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, kann nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Der Tatrichter kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 34).

Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die entweder im Sachvortrag der Parteien (derjenigen Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft) oder in den bindenden Feststellungen der kartellbehördlichen Entscheidung eine hinreichende Stütze finden (vgl. BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 36, 38). Insoweit können die bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes auch indizielle Wirkung für die jeweiligen Beklagten und NI haben, die nicht Adressaten des jeweiligen Bescheids sind. Ebenso sind Erfahrungssätze und gutachterliche Stellungnahmen der Parteien zu berücksichtigen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 39, 46).

Der Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass Firma1 infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens der KWR-Mitglieder mit der für § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dies steht weder aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes bindend fest (dazu nachfolgend unter a)), noch streitet hierfür ein Anscheinsbeweis (nachfolgend unter b)). Auch unter Berücksichtigung von Erfahrungssätzen ergibt die umfassende Würdigung aller von den Parteien - einschließlich gutachterlicher Stellungnahmen - vorgebrachten bzw. den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu entnehmenden indiziellen Umstände keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen solchen kausalen Schaden (nachfolgend unter c)).

a) Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB 2005

Soweit die Berufung davon ausgeht, dass für den Tatrichter bereits aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindend feststehe, dass sich der Informationsaustausch im KWR tatsächlich nachteilig auf die Geschäfte Firma1 ausgewirkt hat, trifft dies nicht zu.

Die über den Kartellverstoß hinausgehenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches, vor allem die Schadenskausalität und die Schadensbezifferung, sind nicht von der Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 erfasst (vgl. BGH, Lottoblock II, a.a.O, Rn. 13, s.a. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 33, Rn. 44; zur 9. GWB Novelle (unveränderte Reichweite der Bindungswirkung) Kersting in: Die 9. GWB-Novelle 2017, Kap. 7, S. 147, Rn. 71). Denn diese Voraussetzungen betreffen nicht die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zum Kartellverstoß. Wenngleich für das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG/ Art. 101 AEUV im Zusammenhang mit der Feststellung einer bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Potential bzw. die Wahrscheinlichkeit wettbewerbswidriger Auswirkungen bestimmt wird, so ist damit nicht zugleich eine tatsächliche Auswirkung des wettbewerbswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb bei einer ganz konkreten Transaktion festgestellt. Die Feststellung des Kartellverstoßes durch das Bundeskartellamt umfasst nur die Beteiligung an dem Kartell, nicht dagegen dessen generelle preissteigernde Wirkung oder gar eine konkrete Beeinflussung des individuellen Erwerbsaktes (vgl. Fuchs in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 32 m.w.N.). Dies entspricht der Natur eines Verstoßes gegen das Kartellverbot als abstraktes Gefährdungsdelikt.

Zwar hat das Bundeskartellamt hinsichtlich der Auswirkungen des Informationsaustausches in einzelnen Bescheiden angemerkt, dass s.E. "die KWR-Mitgliedsunternehmen einen Wissensvorsprung erhielten, den sie zum Nachteil ihrer Abnehmer nutzten und damit für sie vorteilhaftere Abschlüsse erzielten" (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagten zu 4 und 5, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 123). Diese Einschätzung nimmt aber weder an der Bindungswirkung teil, noch weist sie für die hier zu beurteilende Frage eines individuellen kausalen Schadens bei Firma1 aufgrund einzelner Beschaffungsvorgänge einen konkreten Tatsachengehalt auf.

b) kein Anscheinsbeweis

Weder spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass Firma1 aus den Geschäften mit den Beklagten und NI, auf die der Kläger sein Begehren stützt, ein Schaden entstanden ist, noch dafür, dass diese Geschäfte kartellbefangen waren.

Betreffend Quoten- und Kundenschutzkartelle fehlt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs. Es ist nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Quoten- und Kundenschutzabsprachen tatsächlich und in jedem Einzelfall beachtet und erfolgreich umgesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet sind (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 57, 60; bestätigend BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 31).

Zwar betreffen die vorstehenden Entscheidungen ausdrücklich Quoten- und Kundenschutzkartelle. Wenn allerdings schon dort die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind, so gilt das erst Recht für wettbewerbswidriges Verhalten in Form eines reinen Informationsaustauschs, wie er im hiesigen Fall in Rede steht. Dass die Umsetzung und Durchführung des Informationsaustausches im KWR keine Typizität aufweist, liegt angesichts der jeweils unterschiedlichen Qualität der ausgetauschten Informationen für die Beklagten und NI, den unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen, den unterschiedlichen Gegenständen des Informationsaustauschs sowie ob der unterschiedlichen Beteiligung im KWR und den jeweils unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten Firma1 (etwa Auslistungen, Forderung der Anhebung der UVPs, Nichtpräsentation der Ware oder Streichung von Aktionen) auf der Hand. Auch für andere Kartelle, denen u.a. ein Informationsaustausch zu Grunde lag, ist in der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung des Anscheinsbeweises abgelehnt worden (vgl. OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 49; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - LkW-Kartell = NZKart 2019, 345 (346)).

c) Gesamtwürdigung

Die vorzunehmende Gesamtwürdigung der von den Parteien vorgebrachten und in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts herausgearbeiteten Indizien hat keine verlässliche Grundlage erbracht, dass Firma1 aufgrund des Informationsaustauschs überhaupt ein Schaden entstanden ist. Die Anwendung ökonomischer Erfahrungssätze liefert kein tragfähiges Indiz für die Entstehung eines Kartellschadens (nachfolgend unter aa)). Die eingehende Beleuchtung der im KWR ausgetauschten Informationen erlaubt keine verlässlichen Rückschlüsse auf einen dadurch hervorgerufenen Nachteil von Firma1 (nachfolgend unter bb)). Hinzu kommt, dass der Informationsaustausch für einen erheblichen Teil der vom Kläger als kartellbefangen reklamierten Beschaffungsvorgänge gar keine Auswirkungen haben konnte (nachfolgend unter cc)). Der Kläger hat auch durch das von ihm vorgelegte Privatgutachten keinen Kartellschaden belegen können (nachfolgend unter dd)). Eine Gesamtbetrachtung sämtlicher relevanter Indizien lässt keine Rückschlüsse auf einen durch den Informationsaustausch bei Firma1 entstandenen Schaden zu (nachfolgend unter ee)).

aa) Berücksichtigung von ökonomischen Erfahrungssätzen

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung streitet eine tatsächliche Vermutung - im Sinne eines Erfahrungssatzes - dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten. Soweit ein Kartell auf eine umfassende Wirkung gerichtet ist, kann darüber hinaus auch eine tatsächliche Vermutung dafür streiten, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprache fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55, 61; BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 40).

Der Bundesgerichtshof hat diese tatsächlichen Vermutungen für sog. Kernbeschränkungen des Wettbewerbs formuliert.

Der Senat hat Bedenken, ob diese Erfahrungssätze auf den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen, wie er hier stattgefunden hat, überhaupt Anwendung finden können (vgl. dazu Dworschak/Jopen, NZKart 2019, 126 ff.), was in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich bewertet wird (im Ausgangspunkt noch bejahend OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 54; i. E. wohl ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345; vgl. auch LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 - LkW-Kartell = BeckRS 2019, 16037, Rn. 90; s. auch LG Stuttgart, Urt. v. 09.01.2020 - 30 O 120/18 = BeckRS 2010, 396, Rn. 45; offenlassend zum Informationsaustausch im KWR LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.10.2019 - 19 O 9543/16 - KWR-Arbeitskreis/NORMA = NZKart 2019, 678).

(1) Hardcore-Kartelle

Im Ausgangspunkt knüpft der Bundesgerichtshof an den ökonomischen Erfahrungssatz an, dass die Beteiligten eines Kartells deshalb unzulässige Absprachen treffen, weil sie sich - trotz des damit verbundenen erheblichen Aufwands und dem mit einer Aufdeckung des wettbewerbswidrigen Verhaltens verbundenen Risiko einer straf- und bußgeldrechtlichen Verfolgung - von der Umsetzung des Kartells einen wirtschaftlichen Vorteil versprechen, von dem sie meinen, ihn ohne die verbotene Verhaltenskoordinierung nicht in adäquatem Umfang erzielen zu können.

Die generelle Eignung eines Kartells, wirtschaftliche Vorteile entstehen zu lassen, folgt schon daraus, dass die beteiligten Unternehmen durch die Festlegung bestimmter Preise, Quoten, Gebiete oder Kunden der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb am Markt zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Wird den beteiligten Unternehmen von vornherein eine fest umrissene Quote o.a. zugedacht, können die Marktmechanismen keine Wirkung entfalten. Damit wird grundsätzlich der Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft gesetzt. Insoweit besteht ein wirtschaftlicher Erfahrungssatz, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös führt (vgl. etwa BGH, Grauzement II, a.a.O, Rn. 35; BGH, Urt. v. 28.06.2001 - KZR 75/10 - ORWI = NJW 2012, 928, Rn. 26; BGH Urt. v. 28.08.2005 - KRB 20/12 - Berliner Transportbeton I = NJW 2006, 163 ff. (164 f.); OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U 18/17 - Schienenkartell = NZKart 2019, 15).

Da eine solche Verhaltenskoordinierung grundsätzlich auf eine umfassende Wirkung gerichtet ist, begründet dies eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 61).

Diese Erwägungen betreffen aber Preis- und Quoten- bzw. Kundenschutzkartelle, d.h. sog. Hardcore-Kartelle. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass eine Verhaltenskoordinierung erfolgt, die unmittelbaren Bezug auf einen Wettbewerbsparameter wie Preis, Menge, Qualität hat; Gegenstand ist eine Festsetzung von Preisen, die Beschränkung der Produktion oder die Aufteilung von Märkten und Kunden, was unmittelbar zur Folge hat, dass die Abnehmer höhere Preise zahlen oder nicht die gewünschte Menge oder Qualität erhalten (Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 23). Da diese Festsetzungen ausschließlich Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken, sind dies nicht freistellungsfähige Kernbeschränkungen (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 12. Aufl. 2012, § 5 Rn. 4; Fuchs in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Spez-GVO, Art. 4, Rn. 1; Thomas in: Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 19, Rn. 97).

Für diese Fälle gelten die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der ersten Entscheidung zum Schienenkartell, dass "durch solche Absprachen die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Absprachen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55).

Hiervon unterscheidet sich ein reiner Informationsaustausch, wie er hier praktiziert wurde, erheblich. Wenngleich die Beteiligten auch hier eine Vereinbarung getroffen bzw. sich darüber abgestimmt haben, sich über wettbewerbsrelevante Daten auszutauschen, erfolgten keine Absprachen, also Festlegungen bzw. Verhaltenskoordinierungen, mit unmittelbarem Bezug zu einem Wettbewerbsparameter. Vielmehr besteht aufgrund des Inhalts und der Zielsetzung des Austauschs ein lediglich mittelbarer Bezug zu einem solchen, indem sich die Beteiligten über ihre Absichten zu geplanten Bruttopreiserhöhungen, dem Verhandlungsstand ihrer Jahresgespräche oder ihrer Reaktion auf Sonderforderungen informierten.

Im Einzelnen ergeben sich bei einem reinen Informationsaustausch die nachfolgenden Besonderheiten:

(2) Informationsaustausch

Ein wettbewerbswidriger Informationsaustausch betrifft zuvorderst die Beschränkung des Geheimwettbewerbs (vgl. Lober in: Schulte/Just, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 49; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2017 - V 4 Kart 6/15 (OWi) - Süßwarenkartell = BeckRS 2017, 141749, Rn. 380 ff., aufgehoben durch BGH, Bschl. v. 21.06.2019 - KRB 10/18 ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen). Wettbewerbswidrig ist der durch den Informationsaustausch erreichte Wissensvorsprung. Hierdurch sind die beteiligten Unternehmen jedoch - anders als bei o.g. Hardcore-Kartellen - noch nicht der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen die Konkurrenten durchzusetzen.

Sowohl in den Fällen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung als auch bei lediglich bewirkten Wettbewerbsbeschränkung durch einen Informationsaustausch fehlt es an einer unmittelbar preisbezogenen Festlegung auf ein bestimmtes kollusives Verhalten der wettbewerbswidrig handelnden Unternehmen gegenüber der Marktgegenseite. Es besteht zwar eine Festlegung bzw. Verhaltenskoordinierung hinsichtlich der Schaffung von Transparenz bezogen auf einen Wettbewerbsparameter, aber eben (noch) keine diesbezügliche Kollusion in Bezug auf das anschließende Marktverhalten (vgl. zu den nur indirekten Wirkungen eines Marktinformationssystems oder von Vereinbarungen eines Informationsaustauschs Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 68).

Ob sich die Beschränkung des Geheimwettbewerbs auf den Preiswettbewerb durchschlägt, mithin eine daraus folgende Verhaltenskoordinierung im Sinne einer Festlegung hinsichtlich eines Wettbewerbsparameters erfolgt, hängt vielmehr von einer Vielzahl von Umständen ab, so dass es nicht schlechterdings die Regel ist, dass bestehende Preissetzungsspielräume nicht wettbewerbskonform genutzt werden. Das hängt damit zusammen, dass ein bloßer Informationsaustausch im Vergleich zu einer bereits den Preiswettbewerb unmittelbar betreffenden Verhaltenskoordinierung ambivalent ist. Denn er kann unter Umständen verschiedene Arten von Effizienzgewinnen hervorbringen und so Abnehmern zu Gute kommen, unter anderen Umständen sich aber beschränkend auf das Wettbewerbsergebnis auswirken. So eröffnet die durch den Austausch künstlich erhöhte Transparenz auf dem Markt den Unternehmen erst verschiedene Koordinierungsmöglichkeiten. Das Wettbewerbsergebnis richtet sich nach den Eigenschaften des Marktes, auf dem er stattfindet und nach der Art der ausgetauschten Informationen, da sich durch den Austausch das Umfeld des relevanten Marktes derart ändern kann, dass er koordinierungsanfällig wird (vgl. Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 55 ff., 65 ff.).

Auch in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts werden zur Tatbestandsmäßigkeit der Verletzungshandlungen entsprechende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen. Dort heißt es auszugsweise:

"Die Wettbewerbsbeschränkung muss nicht unmittelbarer Gegenstand einer Vereinbarung sein. Auch übereinstimmende Willenserklärungen, deren Inhalt sich nur in indirekter Weise auf das Marktverhalten der Parteien auswirkt, können Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 EG bzw. § 1 GWB darstellen...." Der Austausch "...erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines abgestimmten Verhaltens, da hier eine unmittelbare Fühlungnahme zwischen Wettbewerbern vorlag, die geeignet war, entweder das Marktverhalten eines Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Konkurrenten über das eigene beabsichtigte oder in Erwägung gezogene Marktverhalten ins Bild zu setzen...." Der Austausch erlaubte "... den anderen Unternehmen, ihre jeweilige Preis- sowie Verhandlungsstrategie den Gegebenheiten anzupassen und damit Ungewissheiten über das Marktgeschehen zu verringern..." "Diese Verhaltensweisen innerhalb des KWR-Arbeitskreises bezweckten und bewirkten eine Beschränkung des Geheimwettbewerbs in Bezug auf folgende, nicht öffentlich bekannte Wettbewerbsparameter: Zeitpunkt und teilweise Umfang künftiger Bruttopreiserhöhungen, aktueller Stand der Jahresgespräche ..., Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ..., wesentliche Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit ...". (vgl. Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 395, 398, 408).

Im Ergebnis hat die Kartellbehörde daher (im Rahmen der Bußgeldbemessung wertend) festgestellt, dass der Austausch nicht zu den schwerwiegenden horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne der Ziff. 9 der Bußgeldleitlinien (u.a. Preis,- Quoten und Gebietskartelle, Kundenabsprachen) zählt, sondern es sich um ein minderschweres Marktinformationssystem handelt (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die NI zu 1, Anlage KR 9a, AO 8 d. A., Rn. 5.2), durch welches zumindest - nur - die Gefahr der Koordinierung des Marktverhaltens unter den Markenartikelherstellern entstanden ist (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die NI zu 6, Anlage KR 9a, AO 8 d. A., S. 9).

Wenn aber die o.g. Erfahrungssätze Verhaltensweisen betreffen, die eine unmittelbare Koordinierung hinsichtlich der Wettbewerbsparameter beinhalten, womit sie direkt die Marktmechanismen beeinflussen und darauf abzielen, den Preiswettbewerb außer Kraft zu setzen, so kann dies schlechterdings nicht ohne Weiteres auf lediglich mittelbar ein kollusives Marktergebnis in Bezug nehmende Verhaltensweisen übertragen werden.

Es kann letztlich offenbleiben, ob die oben dargestellten tatsächlichen Vermutungen im Sinne von Erfahrungssätzen überhaupt für einen reinen Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen gelten können oder nicht. Selbst wenn man die Anwendbarkeit bejaht, kann diesen für den hier in Rede stehenden Informationsaustausch kein maßgebliches Gewicht zukommen, weil zahlreiche Indizien vorliegen, die einer preissteigernden Wirkung entgegenstehen.

(3) Gewichtung im Einzelfall

Anders als bei Geltung eines Anscheinsbeweises kommt einer tatsächlichen Vermutung kein abstrakt quantifizierbarer Einfluss auf das Ergebnis der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu, da dies mit dem Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung unvereinbar wäre. Das Gewicht des Erfahrungssatzes hängt vielmehr entscheidend von der konkreten Gestaltung des Kartells und seiner Praxis sowie davon ab, welche weiteren Umstände feststellbar sind, die für oder gegen einen Preiseffekt der Kartellabsprache sprechen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., R. 41). Die Vermutung preissteigernder Wirkung eines Kartells kann beispielsweise an Gewicht gewinnen, je länger und nachhaltiger das Kartell praktiziert wurde (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55). Umgekehrt können Anzeichen für eine fehlende Kartelldisziplin dem entgegenstehen (BGH Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 38).

Neben der Anzahl der Marktteilnehmer, der Anzahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Reaktionsmöglichkeiten der Marktgegenseite können eine Vielzahl weiterer Faktoren für die Umsetzung des wettbewerbswidrigen Verhaltens von Bedeutung sein, etwa praktische Schwierigkeiten in der Anfangsphase wegen eines nicht uneingeschränkt funktionierenden Informationsaustausches, eine zeitlich oder räumlich unterschiedliche Intensität oder auch eine Änderung der Absprachen hinsichtlich Struktur und Teilnehmer (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 56, 62 ff.).

Bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell kommt der tatsächlichen Vermutung einer allgemein preissteigernden Wirkung regelmäßig eine starke Indizwirkung für ein von der Kartellabsprache beeinflusstes Preisniveau zu (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 56; BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 42). Von einer starken indiziellen Wirkung geht überwiegend auch die bisherige instanzgerichtliche Rechtsprechung in den Fällen des Lkw-Kartells aus (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345 (347); LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 = BeckRS 2019, 16037, Rn. 88).

Es liegt auf der Hand, dass dies hier nicht gelten kann. Denn der Informationsaustausch im KWR ist in seiner Gestaltung und Praxis weder mit dem im Schienenkartell langjährig praktizierten System wechselseitiger Mitteilungen der (Schutz)Angebots- und Zuschlagspreise, von dem mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nach wegen der bestehenden Preistransparenz ein allgemeiner Effekt auf die Angebotspreise ausging, noch mit dem beim Lkw-Kartell in Rede stehenden Informationsaustausch vergleichbar.

Beim "Kartell der Schienenfreunde" erfolgten über einen Zeitraum von über zehn Jahren Absprachen zwischen den Kartellanten per Telefon, E-Mail oder persönliche Treffen, wonach diese sich bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zuordneten und diese Zuordnung allseits respektiert wurde. Hierzu verzichteten andere Kartellanten auf die Abgabe von Angeboten, reichten diese verspätet oder zu bewusst überhöhten Preisen ein. Aufgrund dieser über Jahre erfolgten Praxis und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden "Spielführer" kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag dahingehend zu, dass er den anderen Unternehmen die Preise der Schutzangebote bzw. angestrebten Zuschlagspreise mitteilte. Das System basierte auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellanten untereinander. Es gab Kompensationsgeschäfte und die wechselseitige Sicherheit, als Gegenleistung für die Abgabe von Schutzangeboten bei einem anderen Projekt ebenfalls geschützt zu werden. Der Ablauf war so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte (BGH, Schienenkartell II, a.a.O, Rn. 21).

Für das Lkw-Kartell hat die EU-Kommission jedenfalls für die dortigen Muttergesellschaften der Kartellanten eine komplexe, vielgestaltige, über einen Zeitraum von 14 Jahren andauernde Zuwiderhandlung festgestellt, die neben einem systematischen, formalisierten und produktspezifischen Informationsaustausch zu Bruttopreislisten und Konfiguratoren auch Abstimmungen und Vereinbarungen über Preise und Preiserhöhungen sowie weitere Koordinierungen der Kartellanten beinhaltete (vgl. Beschluss der Kommission v. 19.07.2016, AT 39824 - Trucks; LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 = BeckRS 2019, 16037, Rn. 53; LG Stuttgart, Urt. v. 09.01.2020 - 30 O 120/18 = BeckRS 2010, 396, Rn. 45; vgl. auch LG Mannheim, Urt. v. 24.04.2019 - 14 O 117/18 = NZKart 2019, 389 (390), das die komplexe Zuwiderhandlung der Muttergesellschaften einschließlich Preisabsprachen von dem bloßen, von den deutschen Tochtergesellschaften begangenen Informationsaustausch anhand der Feststellungen der Kommission abgrenzt). Die dortigen Kartellanten haben Bruttopreislisten, später Konfiguratoren, die konkrete Bruttopreise für sämtliche Modelle und Optionen enthielten, ausgetauscht und des Weiteren Bruttopreiserhöhungen besprochen und in einigen Fällen auch vereinbart. Aufgrund des Austauschs konnten sie die Nettopreise ihrer Konkurrenten besser berechnen. Zielsetzung der Kollusion zwischen den Kartellanten war es, das Bruttopreisverhalten sowie die Einführung bestimmter Abgasnormen miteinander zu koordinieren (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345).

Der vorliegende Fall ist schon im Ansatz anders gelagert:

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes wurde der KWR als Arbeitskreis gebildet, um die Arbeit des Markenverbandes e.V. zur Förderung eines leistungsgerechten Wettbewerbs und seiner Sicherung gegen wettbewerbsfremde Praktiken in dieser Branche zu erleichtern. Dieser Arbeitskreis kam fünf bis sechs Mal im Jahr zusammen. Innerhalb eines Zeitraums von lediglich gut 2,5 Jahren zwischen 31.03.2004 und 23.11.2006 fand auf insgesamt 15 Treffen des KWR zwar ein regelmäßiger Austausch von nicht öffentlichen Informationen statt, zu dessen Gegenstand geplante Bruttopreiserhöhungen und die Durchsetzung angekündigter Bruttopreiserhöhungen, der Stand der Jahresgespräche einschließlich Sonderforderungen, Rabatte und entsprechendes Angebotsverhalten, die Teilnahme an Benchmark-Studien sowie die Behandlung von Zahlungszielen gehörten. Jedoch variierte nicht nur die jeweilige Teilnahme an den Treffen unter den Beklagten und NI, sondern auch der Gegenstand des Austauschs, mithin die Art der Information, die betroffenen Märkte und Wettbewerbsverhältnisse sowie Geber und Empfänger der Informationen.

Die Beklagten und NI nahmen jeweils nicht stets an allen Sitzungen und auch nicht durchweg vertreten durch dieselbe Person teil. Nicht auf jeder Sitzung wurden stets alle vorstehend benannten Informationsgegenstände ausgetauscht. Teils waren die Informationen kundenübergreifend, teils nur auf einzelne Einzelhändler beschränkt, so dass auch nicht zwingend auf jeder Sitzung Informationen zu Firma1 ausgetauscht wurden. Anders als etwa in den Fällen des Schienen- und des Lkw-Kartells betraf der Austausch nicht einen oder einige wenige Märkte, vielmehr war er produktübergreifend angelegt. Da es einen einheitlichen Markt für Drogerieartikel nicht gibt, vielmehr in den unterschiedlichen Produktbereichen einzelne Produktmärkte bestehen, hat das Bundeskartellamt für den KWR mehr als 20 verschiedene Produktmärkte sachlich abgegrenzt. Die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb dieser Produktmärkte differierten zwischen den Beklagten und NI. Hinzu kommt, dass die mitgeteilten Informationen keinen direkten Produktbezug hatten und hochaggregiert waren.

Ausgetauscht wurden:

- betreffend beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen, ob eine Preiserhöhung beabsichtigt ist, falls ja zu welchem Zeitpunkt, teilweise der in einem Durchschnittsprozentsatz angegebene Umfang und teilweise der betreffende Produktmarkt, wobei sich grundsätzlich alle anwesenden KWR-Mitglieder geäußert haben, die Preiserhöhungstermine den KWR-Mitgliedern und dem Einzelhandel vor dem Austausch größtenteils, nicht aber zwingend unbekannt waren und der Austauschs teils kundenübergreifend, teils kundenbezogen erfolgte,

- betreffend den Stand der Jahresvereinbarung mit ausgewählten großen Einzelhändlern das Stadium der Verhandlungen ("durch"/"nicht durch"), ob, und wenn ja, welche zusätzlichen Rabattforderungen des Einzelhandels bestanden und was von den KWR-Mitgliedern angeboten wurde, und zwar ausgedrückt jeweils in einem produktübergreifenden Prozentsatz, wobei Firma1 neben Firma5 zwar im Zentrum dieses Austauschs stand, allerdings nicht immer alle Anwesenden Informationen kundtaten und teils die eigenen Jahresvereinbarungen bereits abgeschlossen waren,

- betreffend Sonderforderungen, dass Firma1 anlässlich des 30jährigen Firmenjubiläums zusätzliche Rabatte forderte (ob, teils Prozentsatz), wobei diese Forderungen auch Erwähnung in dem offiziellen Protokoll fanden und hierzu festgehalten wurde, dass diesen bilateral gegenüber Firma1 begegnet wird sowie, dass Firma1 Forderungen wegen höherer Transportkosten aufstellte, wobei Konsens bestand, diesen Forderungen nicht nachzugeben,

- betreffend Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch Teilnahme an zwei Benchmark-Studien 2004 und 2006 der Gesamt-Netto-Umsatz, Vertriebsstrukturen und Vertriebskosten, sowie einmalig die jeweilige Behandlung von Zahlungszielen während des Jahres 2005.

Wenngleich das Bundeskartellamt in den gegen die Beklagten und NI ergangenen Bußgeldbescheiden konkurrenzrechtlich in der Annahme einer andauernden Zuwiderhandlung für die Verhaltensweisen beim Informationsaustausch von einer Bewertungseinheit und damit von einem einzigen Verstoß ausgegangen ist, so zeichnen die Feststellungen insgesamt das Bild eines unsystematischen, inhomogenen und punktuellen Austauschs vertriebsrelevanter Informationen. Hierauf wird nachfolgend unter bb) noch näher eingegangen.

Eine Koordinierung der KWR-Mitglieder über den Austausch hinaus hinsichtlich ihres weiteren Marktverhaltens betreffend einen Wettbewerbsparameter, mithin die vom Kläger behauptete "Verhandlungsfront" der KWR-Mitglieder, vermag der Senat den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht zu entnehmen. Es gab - abseits der bilateralen Absprachen zwischen einzelnen NI - keine Absprachen oder abgestimmten Verhaltensweisen zu (Brutto)Preisen, Konditionen oder sonstigen Wettbewerbsparametern.

Das weitere Marktverhalten der KWR-Mitglieder, nämlich ihre Verhandlungen mit Firma1 über die "Konditionengerüste", aus denen sich letztlich erst der für Firma1 maßgebliche EK-Nettopreis ergab, war dem Informationsaustausch entzogen. Es oblag den insoweit völlig freigestellten Beteiligten, sich auf Basis der auf dem Beschaffungsmarkt vorherrschenden Kräfteverhältnisse gegen Hersteller von Wettbewerbsprodukten durchzusetzen.

Der Informationsaustausch im KWR hat daher nichts mit dem im Schienenkartell betriebenen "System" bzw. einer beim Lkw-Kartell infolge des langjährigen Austauschs erreichten "Koordinierung" gemein und folgt auch keinem typischen Muster oder Gesamtbild, in welches sich einzelne Warenbezüge hätten sachlich, räumlich und zeitlich einfügen können. Angesichts der bereits aufgezeigten und nachstehend näher beleuchteten, konkreten Marktgegebenheiten und Gegenstände des Informationsaustauschs unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten Umsetzung und der Kartelldisziplin waren diese nicht mit maßgeblichem Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen.

Der erkennende Senat musste demnach im Einzelnen auf Grundlage des Parteivortrags zur Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR beleuchten, ob die konkreten Beschaffungsvorgänge in dem Sinne "kartellbefangen" waren, dass sich der Informationsaustausch auf die an Firma1 berechneten EK-Nettopreise nachteilig ausgewirkt hat (vgl. dazu BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 44).

bb) Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR

Die eingehende Beleuchtung der im KWR ausgetauschten Informationen erlaubt keine verlässlichen Rückschlüsse auf einen dadurch hervorgerufenen Nachteil von Firma1.

Der Kläger stützt seine Behauptung, sämtliche seiner Warenbezüge von den Beklagten und NI in dem streitgegenständlichen Zeitraum seien durch den Informationsaustausch zu seinem Nachteil beeinflusst worden, auf die Feststellungen des Bundeskartellamts zur Ausgestaltung des Informationsaustauschs und zum Inhalt der dort ausgetauschten Informationen. Er beschränkt sich deshalb auf den Vortrag, er habe in diesem Zeitraum Waren von den Beklagten und NI bezogen und behauptet, die ausgetauschten Informationen hätten preisrelevante Bedeutung gehabt.

Der Kläger stützt sich weiter auf die Tatsache, dass die Beklagten und NI durch ihren internen Austausch einen Wissensvorsprung erlangt haben, den sie in ihren Verhandlungen mit den Einkäufern von Firma1 nutzen konnten.

Insoweit kommt ihm dem Grunde nach der allgemeine Erfahrungssatz zu Gute, dass erlangtes Wissen in darauffolgende Entscheidungen einfließt und sich in nachfolgendem Verhalten niederschlägt (vgl. beispielhaft Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 256). Hierauf gründet der Europäische Gerichtshof den Erfahrungssatz, dass Unternehmen, wenn sie auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigen und für ihr Marktverhalten benutzen (EuGH, Urt. v. 19.03.2015 - C-286/13 P - Bananen (Dole) = NZKart 2015, 267, Rn. 127; EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 44).

Dieser Erfahrungssatz vermag die Behauptung des Klägers, dass sich der Informationsaustausch zum Nachteil von Firma1 ausgewirkt hat, aber nicht gewichtig zu stützen.

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofs ist die dargestellte Kausalitätsvermutung bislang ausschließlich für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kartellverstoßes aktiviert worden, in dem sie als "Bindeglied" zwischen der vorangegangenen Abstimmung der Unternehmen und ihrem Marktverhalten herangezogen worden ist (EuGH a.a.O; BGH, Urt. v. 12.04.2016 - KZR 31/14, NZKart 2016, 371, Tz. 51 - Gemeinschaftsprogramme; ferner Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 66, 103, 105; Bechthold/ Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26).

Entsprechendes kommt in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts zum Ausdruck, wenn dort festgestellt wird: "Eine Auswirkung auf das Marktverhalten lag damit bereits vor, wenn den KWR-Mitgliedern Informationen über beabsichtigte Listenpreiserhöhungen, Stand der Jahresgespräche, Sonderforderungen sowie Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit zur Verfügung standen und sie diese Informationen für ihre Verhandlungen und Planungen nutzen konnten. (Anm: Unterstreichung nur hier (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 337).

Da es sich - wie oben bereits aufgezeigt - bei dem Verstoß gegen das Kartellverbot um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen unabhängig davon erfüllt, ob sich ein Nachteil der Marktgegenseite durch das wettbewerbswidrige Marktverhalten feststellen lässt (vgl. EuGH, Urt. v. 06.10.2009 - C-501/06 P = PharmR 2010, 103; ebenso Lober in: Schulte/Just, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 45; ebenso Heyers, NZKart 2013, 99 (100)); vgl. auch Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 174). Denn Art. 81 EG wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrages schützen nicht nur die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (vgl. EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 31, 34 ff. u. 38).

Die Frage, ob das durch den Wissensvorsprung beeinträchtigte Marktverhalten eines Wettbewerbers nachteilige Auswirkungen auf die Marktgegenseite hat, hängt dagegen vor allem von den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten und den Eigenschaften der ausgetauschten Informationen ab. Hierfür sind sowohl die Merkmale des Marktes (Transparenz, Konzentration, Komplexität, Stabilität, Symmetrie) als auch des Informationsaustausches (Art, Öffentlichkeit und Alter der Daten, Marktabdeckung, Häufigkeit und Öffentlichkeit des Austauschs) relevant. So ist es auf hinreichend transparenten, konzentrierten, nicht komplexen, stabilen und symmetrischen Märkten eher wahrscheinlich, dass Unternehmen durch einen Informationsaustausch ein Kollusionsergebnis erzielen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit von wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen bei einem Informationsaustausch, der wenig zur Transparenz auf dem Markt beiträgt, deutlich geringer anzusetzen. Im Falle etwa des Austauschs aggregierter Daten, d.h. von Daten, die nur mit hinreichender Schwierigkeit Rückschlüsse auf individuelle unternehmensspezifische Daten zulassen, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen viel weniger wahrscheinlich (Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 75 ff.).

Daher ergibt sich zusammenfassend für den vorliegenden Fall, dass dieser unionsrechtlich geprägte Erfahrungssatz zwar indiziert, dass die KWR-Mitglieder die erlangten Informationen nutzten und infolge dessen ihre eigenen Verhandlungspositionen durch erhöhte Transparenz des Marktverhaltens der Wettbewerber verbesserten (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 255). Er gibt aber für sich gesehen keine Auskunft darüber, ob sich die ausgetauschten Informationen tatsächlich auf den Preiswettbewerb zum Nachteil Firma1 ausgewirkt haben.

Wegen der Ambivalenz der ausgetauschten Informationen ist es nicht zwangsläufig so, dass sich deren Kenntnis negativ auf den Preiswettbewerb auswirkt. So können die beteiligten Unternehmen etwa die Information über das Stadium der Verhandlungen eines Mitbewerbers zum Anlass nehmen, in den eigenen Verhandlungen dem Kunden günstigere Konditionen einzuräumen als sie bislang dazu bereit waren. Nachteilige Auswirkungen treten erst dann ein, wenn der Informationsaustausch eine Verhaltenskoordinierung zu Lasten des Kunden herbeigeführt hat. Anders gewendet: Um eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung im Sonderfall des reinen Informationsaustausches annehmen zu können, muss die Gesamtwürdigung aller Umstände ergeben, dass die ausgetauschten Informationen der Kartellanten mitursächlich für die Preisgestaltung auf dem Markt waren, dem der Erwerbsvorgang zuzurechnen ist (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 24.04.2019 - 14 O 117/18 Kart = NZKart 2019, 389 (391)).

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein kausaler Schaden entstanden ist, kommt es folglich darauf an, ob und wie die am Informationsaustausch Beteiligten das erlangte Wissen in den konkreten Auftragsverhandlungen mit Firma1 nutzen und ihr Marktverhalten so gestalten konnten, dass sie sich begünstigten.

Die allgemeine Betrachtung des Klägers, dass Firma1 im KWR ausdrücklich "Thema" war, genügt dafür nicht. Dies gilt schon deswegen, weil es strukturell - wie oben aufgezeigt - bedingt ist, dass ein Informationsaustausch durch die Erhöhung der Markttransparenz (erst) den Weg für koordiniertes Verhalten der Beteiligten, welches letztlich wettbewerbswidrige Auswirkungen zeitigt, bereitet oder solches erleichtert. Mithin bedarf es der Darlegung solcher indizieller Umstände, die für eine - gegebenenfalls konkludente - Verständigung der Beteiligten sprechen (vgl. Horizontallleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 65 ff.). Dies gilt umso mehr, als die Darstellung des Klägers, es habe einen systematischen, einheitlichen und regelmäßigen Austausch sensibler Informationen im Verstoßzeitraum gegeben, den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht zu entnehmen ist.

(1) Austausch über geplante Bruttopreiserhöhungen

Die Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR über geplante Bruttopreiserhöhungen lässt keine Rückschlüsse auf nachteilige Verhandlungsergebnisse für Firma1 zu.

(1.1) Feststellungen des Bundeskartellamtes und Parteivortrag

Im Einzelnen verhielt sich der Austausch über geplante Bruttolistenpreiserhöhungen bei Firma1 ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes im KWR zusammengefasst wie folgt:

In der Sitzung vom 14.05.2004 teilten Firma3 und die Beklagte zu 5 mit, dass sie bei Firma1 ihre Bruttolistenpreiserhöhungen durchgesetzt hätten. Darüber hinaus gab es im Jahr 2004 keinen Austausch zu Bruttolistenpreiserhöhungen.

In der Sitzung vom 21.01.2005 gaben Firma3 und die Beklagte zu 2 an, Firma1 wolle die Bruttolistenpreiserhöhungen nur zu einem Drittel akzeptieren, wobei die Beklagte zu 2 angab, eine Preiserhöhung von 5 % beabsichtigt zu haben. Die Beklagte zu 1 teilte mit, ihre Bruttolistenpreiserhöhung umgesetzt zu haben. In der Sitzung vom 14.04.2005 teilte die Beklagte zu 2 mit, dass die Preiserhöhung 2004 immer noch ein Thema bei Firma1 sei, dieser aber neue Preise zahle. Welche Angaben die NI zu 3 machte, kann dem Bescheid nicht entnommen werden. Sonst gab es 2005 keinen weiteren Austausch zu geplanten Preiserhöhungen.

In der Sitzung vom 25.01.2006 teilten Firma3, die Beklagten zu 1, 3, 5 und 7 sowie die NI zu 2, 4 und 6 mit, dass Firma1 Bruttolistenpreiserhöhungen ablehne und die Verhandlungen schwierig seien. Die Beklagte zu 6 gab an, die Preiserhöhung Firma1 erst jetzt angekündigt zu haben. Die NI zu 3 und 5 berichteten, mit der Bruttolistenpreiserhöhung "durch" zu sein. Ferner wurden ausweislich der Sitzungsmitschriften des Vertreters der NI zu 2 die Termine für eine Preiserhöhung 2007 durch acht Anwesende mitgeteilt. In der Sitzung vom 17.02.2006 vermeldeten dann auch die Beklagte zu 1 und die NI zu 4, mit der Bruttolistenpreiserhöhung durch zu sein, wohingegen Firma3, die Beklagten zu 5 und 7 und die NI zu 2 noch kein Verhandlungsergebnis erzielen konnten. Ein weiterer Austausch fand nicht statt.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass das Bundeskartellamt nur einzelnen Beklagten und NI einen diesbezüglichen Vorwurf angelastet hat. So ist etwa in dem gegen die Beklagte zu 7 ergangenen Bußgeldbescheid nicht festgestellt, dass diese sich an einem Austausch über beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen beteiligt hat (ebenso wenig bei den NI zu 1, 2, 5, 7, 8 und bei Firma3). Die Klage führt dazu nicht weiter aus.

Über diese Feststellungen des Bundeskartellamtes hinaus trägt der Kläger weder für alle Beklagten und NI vor, ob bzw. wann während des Verstoßzeitraums welches KWR-Mitglied gegenüber Firma1 bei welchen der von ihr bezogenen Produkte eine Bruttolistenpreiserhöhung durchgeführt hat (nur für einzelne KWR-Mitglieder 2006), noch wie sich die diesbezüglichen Verhandlungen gestalteten, insbesondere, aufgrund welcher Umstände der Kläger annimmt, dass eine Preiserhöhung erfolgte, die für Firma1 nachteilige Wirkungen hatte. Dies ist deshalb bedeutsam, weil die Beklagten und NI einwenden, dass Preiserhöhungen bei Firma1 überhaupt nur durchsetzbar waren, wenn die letzte Preiserhöhung lang genug zurücklag, die Weitergabe der Preiserhöhungen an den Endkunden gesichert war und im Gegenzug zusätzliche Vorteile bei den Konditionen eingeräumt wurden. Darüber hinaus trägt beispielsweise die NI zu 7 vor, seit 2006 gar keine Bruttolistenpreise mehr kommuniziert, sondern mit kundenindividuellen Bezugspreisen operiert und überdies 2006 und 2007 auch keine Preiserhöhung vorgenommen zu haben. Ebenso wendet die Beklagte zu 3 ein, dass sie in den hier streitgegenständlichen Jahresgesprächen mit Firma1 keine Erhöhung der Bruttolistenpreise habe durchsetzen können; Ausgangspunkt der Jahresgespräche sei bis 2007 die Bruttopreisliste für 2003 geblieben.

Der Senat vermag den Feststellungen des Bundeskartellamtes keine irgendwie geartete Koordinierung hinsichtlich des Preises, des Zeitpunkts einer Preiserhöhung oder der prozentualen Erhöhung zu entnehmen und eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich oder dargelegt. Die vom Kläger pauschal behauptete "Verhandlungsfront" der KWR-Mitglieder ist ohne greifbaren Ansatz. Der Kläger zeigt keine Umstände auf, aus denen sich ableiten ließe, dass sich die Beklagten und NI hinsichtlich der Bruttolistenpreissetzung für bestimmte Produkte zeitlich oder inhaltlich abgestimmt oder sonst konzertiert hätten. Eine solche, selbst stillschweigend erfolgte, Abstimmung hätte sich für Firma1 in irgendeiner Form zeitlich oder inhaltlich in den Verhandlungen bzw. Verhandlungsergebnissen bemerkbar machen müssen, so dass es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen wäre, entsprechendes konkret vorzutragen (vgl. zur Darlegungslast Buschfeld/Egner, WRP 2019, 857, Rn. 35). Dies ist aber nicht geschehen. Stattdessen wird aus den oben aufgezeigten konkreten Inhalten des diesbezüglichen Austauschs in zeitlicher Hinsicht deutlich, dass kein regelmäßiger auf die jeweiligen Preisverhandlungen mit Firma1 abgestimmter Austausch stattfand, der es erlaubt hätte, sich in irgendeiner Hinsicht zu koordinieren. Soweit es Preiserhöhungen betreffend 2007 gab, erfolgten diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten - was für sich betrachtet schon gegen eine gemeinsame "Verhandlungsfront" spricht.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch die pauschale Behauptung, die in der Sitzung vom 25.01.2006 von acht KWR-Mitgliedern angekündigten Preiserhöhungen für 2007 seien so tatsächlich auch umgesetzt worden. Denn diese Mitteilung betrifft insoweit einen abgeschlossenen Sachverhalt, als diese Beteiligten einen von ihnen bereits festgelegten Termin benannt haben, ohne dass hiermit eine inhaltliche oder zeitliche Koordinierung verbunden gewesen wäre. Dass darüber hinaus einzelne KWR-Mitglieder "auf diesen Zug aufgesprungen" sind, ist nicht dargelegt oder ersichtlich.

Auch für die Mehrwertsteuererhöhung zum Januar 2007 zeigt der Kläger eine derartige Kollusion der KWR-Mitglieder nicht auf. Den Feststellungen des Bundeskartellamtes lässt sich allein entnehmen, dass auf der Sitzung am 15.09.2005 allgemein über die Problematik der Mehrwertsteuererhöhung für Industrie und Handel gesprochen wurde und benannt wurde, dass der Handel ein Sonderopfer der Hersteller (keine Preiserhöhung) verlange. Wie damit letztlich umzugehen sei, blieb ausweislich des offiziellen Sitzungsprotokolls einem jeden Unternehmen vorbehalten. Dazu passt die Aussage des Betroffenen A (Beklagte zu 7): "Es wurde über bereits akzeptierte Preiserhöhungen berichtet. Diskutiert wurde lediglich wie man sich bei der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung verhalten werde...und letztlich nach dem 25.01.2006 in einer Folgesitzung ... im offiziellen Protokoll festgehalten wurde, dass jedes Unternehmen die Fragestellung eigenständig behandeln müsse." (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 214).

(1.2) Qualität und Dichte der Informationen

Insbesondere die Qualität und Dichte der Informationen sprechen dagegen, dass sich der Austausch zu beabsichtigen Bruttopreiserhöhungen nachteilig auf die vom Kläger in seiner Schadensberechnung zu Grunde gelegten EK-Nettopreise ausgewirkt hat.

Der Klage ist zwar zuzugeben, dass der Bruttolistenpreis bei den Preisverhandlungen in den Jahresgesprächen als Ausgangspunkt für den vermittels verschiedenster Konditionen zu bildenden EK-Nettopreis Firma1 fungierte und daher Informationen über Bruttopreiserhöhungen für die Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt grundsätzlich von Relevanz waren. Maßgebliche Bedeutung für die Netto-Preisbildung hatten aber unstreitig erst die von den Bruttolistenpreisen ausgehenden komplexen Konditionenverhandlungen (vgl. dazu u.a. Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 46).

Wenn der Kläger pauschal behauptet, eine Listenpreiserhöhung um z.B. 5 % wirke sich direkt auf den zu bezahlenden EK-Nettopreis aus (vgl. etwa Ergänzungsgutachten, Anlage KR 30, AO 8 d. A., S. 32), so bleiben zahlreiche Gesichtspunkte gänzlich unberücksichtigt. Zum einen gingen die jährlichen Bruttopreiserhöhungen mit einer Änderung des Produktportfolios der Hersteller einher, zum anderen wurden die sortimentsübergreifenden wie auch die produktspezifischen Konditionen in den bilateralen und sich über viele Monate hinziehenden Jahresgesprächen ausgehandelt, deren Inhalt und deren individuelle Ergebnisse (Konditionengerüste) den anderen Mitgliedern des KWR-Arbeitskreises unbekannt blieben.

Weder ergibt sich aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes noch aus dem Klägervortrag, dass die KWR-Mitglieder vermittels der ausgetauschten Angaben über den beabsichtigten Zeitpunkt der Bruttopreiserhöhung oder vereinzelten prozentualen Angaben der Gesamtveränderung auf die Netto-Preise einzelner Produkte oder Warengruppen ihrer Wettbewerber hätten Rückschlüsse ziehen können.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich der Austausch angesichts der nicht auf die jeweiligen Bruttolistenpreiserhöhungen der KWR-Mitglieder abgestimmten Sitzungen im KWR teils auf bereits abgeschlossene Sachverhalte bezog. So konnte der Austausch in zeitlicher Hinsicht nur dann Auswirkungen auf die Festlegung der Bruttopreise eines KWR-Mitglieds haben, wenn die diesbezügliche Festlegung im Zeitpunkt des Austauschs noch nicht erfolgt war. Nur so wäre überhaupt denkbar, dass sich infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens ungünstige Geschäfte ergaben. Dazu hat beispielsweise die Beklagte zu 1 vorgetragen, sie habe in jedem Jahr bevor die Bruttolistenpreiserhöhung Thema im KWR gewesen ist, ihre Bruttolistenpreiserhöhung bereits festgelegt und durchgesetzt. Auf diesen zeitlichen Zusammenhang zwischen den behaupteten Bruttolistenpreiserhöhungen der einzelnen Beklagten und NI und einer erst infolge des Austauschs getroffenen Festlegung im KWR geht der Kläger nicht ein.

Der Bedeutungsgehalt der hier ausgetauschten Informationen ist auch im Hinblick auf die den Beteiligten bekannte Verhandlungsstrategie der verantwortlichen Einkäufer auf Handelsseite zu vernachlässigen. Die Beklagten haben substantiiert dargelegt, dass die Einkäufer der Handelsunternehmen und namentlich von Firma1 danach trachteten, den jährlichen Bruttopreiserhöhungen der Hersteller in dem streitbefangenen Zeitraum ihre Forderungen nach einer Verbesserung der Einkaufskonditionen entgegenzusetzen, wofür die unten näher behandelte kontinuierliche Verbesserung der nachgelagerten Rabatte und Konditionen zu Gunsten von Firma1 einen Beleg liefert. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat zum Inhalt und Verlauf der jeweiligen Jahresgespräche keine Ausführungen gemacht. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Kenntnis der KWR-Mitglieder über beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen zwar ein "Merkposten", aber letztlich keine maßgebliche Bezugsgröße für die eigenständig mit dem Handel zu führenden Jahresgespräche war.

Hinzu kommt, dass weder die konkrete Höhe der Listenpreise oder Vorjahrespreise noch Preise zu einem einzelnen Produkt oder einer Produktgruppe Gegenstand des Austauschs waren. Stattdessen wurden Absichten über die prozentuale Veränderung/Erhöhung der Bruttolistenpreise für das Gesamtportfolio ausgetauscht.

Überhaupt beinhalteten die oben aufgezeigten Informationen über geplante Bruttopreiserhöhungen keinen konkreten Produktbezug, der es den übrigen KWR-Mitgliedern erlaubt hätte, eine diesbezügliche Preisstrategie für bestimmte Produkte abzuleiten und dies für die eigene Preisstrategie zu nutzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die neue Preisliste nicht durchweg für alle Produkte die Preise erhöhte, weswegen selbst die oben aufgezeigte einmalige Prozentangabe zur Größenordnung der geplanten bzw. durchgesetzten Preiserhöhung bezogen auf das Gesamtportfolio wenig Aussagekraft für die unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnisse mit den übrigen KWR-Mitgliedern hatte.

Es überzeugt zudem der Einwand der Beklagten zu 1, dass es von einer Vielzahl von Faktoren abhing, ob ein Hersteller eine Bruttolistenpreiserhöhung gegenüber Firma1 im Einzelfall hat durchsetzen können, beispielsweise dem Zurückliegen der letzten Preiserhöhung, der Bedeutung des Lieferanten, der Tiefe und Breite des Sortiments und der Marktstärke der Produkte. Zu diesen Faktoren trägt der Kläger nichts vor, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre.

Hier, wie auch bei den nachfolgend behandelten Inhalten des KWR- Informationsaustauschs, spielen mehrere weitere Faktoren eine erhebliche Rolle, die eine etwaige Auswirkung des Informationsvorsprungs auf das Marktverhalten der Teilnehmer gegenüber Firma1 neutralisieren. Dies ist zum einen die Marktstärke von Firma1 auf dem Beschaffungsmarkt, zum anderen die nicht vorhandene Kartelldisziplin sowie die Zielsetzung des KWR:

(1.3.) Nachfragemacht von Firma1

Erhebliches Gewicht für die Preisverhandlungen in den Jahresgesprächen hatten die durch die Nachfragemacht bedingten Reaktions- und Ausweichmöglichkeiten Firma1. Zwar handelte es sich bei den KWR-Mitgliedern um die in Deutschland führenden Anbieter von Drogeriemarkenartikeln. Auch waren die jeweiligen Produktmärkte hochkonzentriert mit Marktanteilen der jeweils drei führenden Anbieter von mehr als 50 %. Unstreitig hatte Firma1 als damaliger Marktführer und der daraus folgenden "Türsteher-Funktion" für den Zugang zum Absatzmarkt jedoch eine starke Verhandlungsposition inne, die es ihm ermöglichte, über die Androhung von Auslistungen oder der Versagung von Aktionen eigene Forderungen wirksam zu untermauern und unzureichenden Preisnachlässen der Beklagten und NI zu begegnen.

Die jeweiligen Jahresgespräche mit den Beklagten und NI waren unterschiedlich je nach Marktstellung des Unternehmens und Umfang der Lieferbeziehung geprägt und ergaben ein individuelles Kräfteverhältnis. Die Beklagten und NI haben vorgetragen, dass es Verhandlungsmaxime Firma1 gewesen sei, Listenpreiserhöhungen zunächst zurückzuweisen, allenfalls diese durch nachgelagerte Rabatte in den Jahresvereinbarungen zu neutralisieren sowie insgesamt die Konditionen für sich stetig zu verbessern. Dem ist der Kläger - wie schon dargestellt - nicht substantiiert entgegengetreten, ebenso wie dem detaillierten Vortrag der Beklagten zu 3. Sie hat aufgezeigt, dass ihre Jahresgespräche 2005 von der Drohung von Auslistungen Firma1 geprägt gewesen sind und es letztlich zu umfänglichen Auslistungen verschiedener Produkte kam, womit ein Netto-Umsatzverlust von 7,1 Mio. EUR im Jahr 2005 verbunden war, was einem Umsatzrückgang mit Firma1 von 20 % entspricht. Die Befürchtung vor Auslistungen bestimmter Produkte bestand aber wegen der "Türsteherfunktion" von Firma1 für alle Teilnehmer des KWR und lässt eine Preisanpassung nach unten bzw. eine Konditionenverbesserung wahrscheinlicher erscheinen, als die Durchsetzung von Preiserhöhungen auf Basis der dort nur bruchstückhaft erhaltenen Informationen.

Soweit die Mitglieder des KWR mit ihren Erzeugnissen im Wettbewerb standen, so waren die einzelnen Produkte aus Sicht von Firma1 austauschbar, so dass die Intensität der gegenseitigen Abhängigkeit unterschiedlich ausgeprägt war. Für die NI zu 7 etwa war Firma1 im Jahr 2006 mit einem Umsatzanteil von ca. 20 % der wichtigste Kunde. Umgekehrt machten die mit der NI zu 7 getätigten Umsätze Firma1 nur ca. 1 % aus. Hinzukommt, dass Firma1 über den Handel mit Eigenmarken in der Lage war, seinen Bedarf in gewissen zeitlichen wie produktspezifischem Umfang anderweitig zu decken. Zudem baute Firma1 durch den Handel mit Eigenmarken über die Zeit Expertise zur Kosten- und Margenstruktur bei der Produktion von Drogerieartikeln auf, was ihm bei den Verhandlungen nützte. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise fraglich, inwieweit etwa die Mitteilung eines vergleichsweise unbedeutenden Wettbewerbers im KWR, ein bestimmtes Angebot (Angabe eines Gesamtprozentsatzes ohne Bezugsgröße) gemacht zu haben, auf das Verhandlungsergebnis mit einem eher bedeutsamen Wettbewerber Einfluss gehabt haben soll, was auch für den umgekehrten Fall gilt. Der Kläger erklärt nicht, anhand welcher Umstände er, betreffend welches konkreten Verhandlungsergebnisses es festmacht, dass das jeweilige Kräfteverhältnis durch den Informationsaustausch zum Nachteil Firma1 gestört war. Dies ist auch nicht durch die bloße Schilderung ersetzt, die Verhandlungen seien jedes Jahr langwierig und umfassend gewesen oder durch den pauschalen Hinweis, die Beklagte zu 1 habe 2005 ihre Konditionen an eine Umsatzstaffel koppeln können.

(1.4.) Kartelldisziplin

Auch die fehlende Kartelldisziplin spricht gegen eine preissteigernde Wirkung des Informationsaustauschs zum Nachteil von Firma1. Die Beklagten haben nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es innerhalb wie außerhalb des KWR weder Kontrollmöglichkeiten gab, die ausgetauschten Informationen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, noch das Sanktionierungsmechanismen zur Abstrafung abweichenden Verhaltens existierten. Das ergibt sich bereits denklogisch aus dem unstreitigen Umstand, dass die Konditionengefüge der Beklagten und NI unterschiedlich und den jeweiligen Mitbewerbern in ihren Einzelheiten nicht bekannt waren, sondern innerhalb des jeweiligen bilateralen Verhältnisses mit dem Handel geheim blieben. Ob ein Hersteller etwa Änderungen der Gesamtrabatthöhe tatsächlich vollzogen hat, ließ sich angesichts der unterschiedlichen Rabatte für verschiedene Produkte, unbekannter Rabattschwellen oder auch unterschiedlicher Umsatzabhängigkeit nicht überprüfen und auch nicht aus der Endkundenpreisentwicklung für ein bestimmtes Produkt ableiten.

(1.5.) Zielsetzung des KWR-Arbeitskreises

In diesem Zusammenhang spielt hier wie auch bei den nachfolgend erörterten Punkten eine Rolle, dass die Gründung und die Tätigkeit des Arbeitskreises nicht auf die Erzielung eines kollusiven Ergebnisses ausgerichtet waren. Unstreitig war der KWR mit der legitimen Zielsetzung konstituiert und entsprechend praktiziert worden, für diese Branche den leistungsgerechten Wettbewerb zwischen Industrie und Handel zu fördern, hierbei rechtswidrige Anzapfversuche des Handels zu identifizieren und diesen gegebenenfalls über den Markenverband entgegenzutreten.

Zwar ging der Austausch in weiten Bereichen über die Grenzen des Zulässigen hinaus, es ging den Beteiligten insoweit aber - wie das Bundeskartellamt feststellte - darum, ihre eigene Verhandlungsposition zu verbessern (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 313 f., 337, 416 f.). Ziel war es also, mit einem Informationsvorsprung gegenüber dem Einzelhandel in die Verhandlungen zu gehen. Dies liegt angesichts der hier unstreitigen großen Verhandlungsmacht der Marktgegenseite (vgl. soeben (1.3)) auch nahe. Mithin war die Zielsetzung nicht schlechterdings auf eine Koordinierung des Preisverhaltens zum Nachteil des Einzelhandels ausgerichtet und hat indiziell weniger Gewicht, als eine solche bei einer Preis-, Kunden- oder Quotenschutzabsprache, etwa jenen bilateralen Preisabsprachen zwischen einzelnen NI.

(2) Austausch über den Stand der Jahresgespräche

Die Gestaltung und Praxis des Austauschs über den Stand der Jahresgespräche spricht ebenso wenig für nachteilige Auswirkungen auf die EK-Nettopreise Firma1.

(2.1) Feststellungen des Bundeskartellamtes und Parteivortrag

Im Einzelnen sind ausgehend von den Feststellungen des Bundeskartellamtes folgende Informationen betreffend Firma1 für die jeweiligen Jahresvereinbarungen ausgetauscht worden:

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2004 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: Auf der Sitzung am 31.03.2004 teilten sieben KWR-Mitglieder die an sie von Firma1 herangetragenen Forderungen und sieben KWR-Mitglieder die von ihnen an Firma1 unterbreiteten Angebote jeweils in Form eines produktübergreifenden Gesamtprozentsatzes mit. Die Beklagte zu 1 teilte mit, schon "durch auf der Basis von vor drei Jahren" zu sein, während alle übrigen Anwesenden erkennen ließen, dass die Gespräche noch offen waren. In der Sitzung am 14.05.2004 teilten zudem die NI zu 1 und 3 sowie die Beklagten zu 1, 2 und 5 sowie Firma4 mit, dass sie "durch" seien und die Beklagte zu 6, dass sie "bei 2 von 3 durch" sei. In den Sitzungen vom 16.09.2004 und 25.11.2004 teilte lediglich die Beklagte zu 6 mit, dass die Jahresgespräche teils noch offen seien bzw. dass sie "durch" sei.

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2005 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: In der Sitzung am 21.01.2005 teilte die Beklagte zu 1 mit, bereits "durch" zu sein, wohingegen alle übrigen Anwesenden noch offene Gespräche zu erkennen gaben. Darüber hinaus teilten acht KWR-Mitglieder die Firma1 Forderungen jeweils in Form eines produktübergreifenden Gesamtprozentsatzes mit. In der Sitzung am 14.04.2005 teilten sodann die Beklagte zu 5 sowie die NI zu 1, 2 und 4 mit, dass sie "durch" bzw. "fast durch"/ "zu 99% durch" seien. Alle anderen Anwesenden hatten noch offene Gespräche, wobei auch die Beklagte zu 3 ausweislich der vorgelegten Jahresvereinbarung (Anlage KR 13, AO 3 d. A.) bereits abgeschlossen hatte. Die Beklagte zu 2 teilte mit, dass Firma1 Garantien fordere und Aktionen reduzieren wolle. In den übrigen Sitzungen 2005 wurden die Jahresvereinbarungen nicht besprochen.

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2006 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: In der Sitzung vom 25.01.2006 berichteten die Beklagten zu 3 und 7 sowie die NI zu 3, dass sie abgeschlossen hätten (teils mit der Angabe eines Prozentsatzes ohne Bezugsgröße), wohingegen die übrigen Anwesenden noch offene Gespräche vermelden konnten. Einige KWR-Mitglieder berichteten, dass "Knackpunkt" der Verhandlungen die Listenpreiserhöhung sei. In der Sitzung vom 17.02.2006 wurde lediglich von der Beklagten zu 2 mitgeteilt, dass Firma1 ein von den Herstellern finanziertes Regalupdate fordere. In den übrigen Sitzungen 2006 wurden die Jahresvereinbarungen nicht besprochen.

Zu den Jahresvereinbarungen 2007 hat überhaupt kein Austausch stattgefunden.

(2.2) Qualität und Dichte der ausgetauschten Informationen

Aufgrund der Qualität und Dichte der ausgetauschten Informationen zum Stand der Jahresvereinbarungen hält der Senat es nicht für wahrscheinlich, dass sich der Austausch für Firma1 nachteilig auf das jeweilige Verhandlungsergebnis ausgewirkt hat.

Zum einen betraf der Austausch nicht die den Bruttolistenpreisen nachgelagerten Konditionen als solche oder gar den EK-Nettopreis, sondern - ohne konkreten Produktbezug - nur das Stadium der Verhandlungen ("durch"/"nicht durch"), das "Ob" und ganz vereinzelt das "Wie" zusätzlicher Rabattforderungen des Einzelhandels nebst entsprechenden Angeboten, allerdings ausgedrückt lediglich in einem produktübergreifenden Prozentsatz ohne Nennung der Bezugsgröße.

Die Unterschiedlichkeit der den jeweiligen Jahresvereinbarungen aller KWR-Mitglieder zu Grunde liegenden Konditionengerüste, die eine Vielzahl verschiedener Konditionen (Rabatte, Zuschüsse, Aktionen) vorsahen - zumal das Gesamtsortiment eines jeden Herstellers jährlich wechselte - spricht dagegen, dass sich eine Information über das Stadium der Verhandlungen anderer KWR-Mitglieder oder über einen nicht produktbezogenen verlangten oder angebotenen Rabatt ohne Angabe der Bezugsgröße nachteilig auf ein konkretes Verhandlungsergebnis Firma1 mit den Beklagten oder NI ausgewirkt hat. Das Stadium der Verhandlungen sowie die Angabe von Gesamtforderungen bzw. Gesamtangeboten in Prozent ohne Bezugsgröße erlaubten den KWR-Mitgliedern keinen tragfähigen Rückschluss auf den EK-Nettopreis für ein einzelnes Produkt bzw. eine Warengruppe. Einen Vergleich der Inhalte des Informationsaustauschs mit den Inhalten der im Einzelnen geschlossenen Jahresvereinbarungen, der den von ihm behaupteten Zusammenhang des Austausches mit für ihn ungünstigeren Abschlüssen aufzeigen könnte, stellt der Kläger darüber hinaus nicht an.

Die bruchstückhaften Informationen vermitteln zwar Tendenzen zu etwaigen Verhandlungsstrategien in den Jahresgesprächen einzelner KWR-Mitglieder, erlauben aber keinen Rückschluss auf deren konkrete Preisbildung innerhalb der Konditionengefüge. Weder wird ein konkreter Bruttopreis oder Nettopreis für ein Produkt oder eine Warengruppe benannt, noch ein konkreter, produktbezogener Rabatt bzw. die absolute Höhe desselben o.ä. mitgeteilt, lediglich ein produktübergreifender Prozentsatz einer Forderung oder eines Angebots (relative Änderung einer Rabattforderung oder -gewährung). Der Informationsgehalt der so mitgeteilten Veränderung eines prozentualen Gesamtrabattsatzes muss auch deswegen als gering bewertet werden, da einerseits die eingeräumten Rabatte teilweise an erreichte Umsätze gekoppelt waren und bei Abschluss der Jahresvereinbarung eine verlässliche Prognose zu tatsächlichen Umsätzen noch nicht möglich war, sodass der mitgeteilte Gesamtrabattsatz wenig verlässlich war. Andererseits waren die Konditionengerüste der einzelnen Hersteller verschieden, so dass die Angabe des Gesamtrabattsatzes bzw. deren Veränderung keinen Rückschluss auf eine konkrete Kondition ermöglichte. Ebenso hat der Kläger - wie oben schon dargestellt - bereits in der Klageschrift eingeräumt, dass einzelne nachgelagerte Rabatte für bestimmte Produkte in den Jahresvereinbarungen noch gar nicht festgelegt wurden, so dass der Informationsaustausch auch insoweit keine verlässliche Grundlage für die eigenen Konditionenverhandlungen der Beklagten und NI lieferte.

Die Informationen über den Stand der Jahresgespräche konnten auch kein Signal in Richtung des künftigen Marktverhaltens setzen, aus dem sich irgendeine diesbezügliche Koordinierung der KWR-Mitglieder hätte ergeben können. Die KWR-Mitglieder befanden sich in unterschiedlichen Verhandlungsstadien und nicht immer haben sich alle Anwesenden geäußert.

Hinzu kommt, dass der pauschale Austausch der ausgetauschten Informationen im KWR nicht ein bzw. einige wenige Produkte eines Marktes betraf, sondern mehr als 10.000 Einzelprodukte auf mehr als 20 einzelnen Produktmärkten, wobei unter den KWR-Mitgliedern je nach Produkt bzw. Produktmarkt unterschiedliche, teils auch keine Wettbewerbsbeziehungen bestanden. Auf stark fragmentierten Märkten sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen unwahrscheinlicher als in engen Oligopolen, da sich wenige Unternehmen leichter auf Koordinierungsmöglichkeiten verständigen können und Kollusionsergebnisse stabiler und von größerem Nutzen sind (so Horizontallleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 79). Angesichts der Produktvielfalt und der damit zusammenhängenden Unterschiedlichkeit der Wettbewerbsverhältnisse sowie der komplexen, nicht einheitlichen Konditionengefüge der KWR-Mitglieder war kein Bereich definiert, in dem sich KWR-Mitglieder unmittelbar preisbezogen im Vorgriff auf ihre Verhandlungen hätten koordinieren können.

Die ausgetauschten Informationen betrafen nicht zukünftig geplante Preise, sondern bereits vorliegende Angebote, Forderungen und Vertragsabschlüsse, mithin Handlungen in der Vergangenheit. Ein in die Zukunft gerichteter, abstimmungsfähiger Aussagegehalt kann diesen Informationen allenfalls in geringfügigem Umfang beigemessen werden. Die ausgetauschten Informationen waren mithin nicht geeignet, eine fokale, das heißt allen Beteiligten offensichtliche Verhaltensweise aufzuzeigen. Wie der Kläger darauf kommt, dass die KWR-Mitglieder mit dem ausgetauschten Stand der Verhandlungen wussten, welches Angebot notwendig war, um ein bestimmtes Verhandlungsziel zu erreichen, bleibt offen. Ohne Substanz ist fernerhin die Annahme des Klägers, alle Hersteller hätten infolge der Information, dass noch kein Konkurrent abgeschlossen hat, "hart" verhandelt und versucht, ein für sie besseres Verhandlungsergebnis zu erzielen. Die ausgetauschten Informationen waren durchaus auch geeignet, bei den KWR-Mitgliedern eine Verhandlungsstrategie hervorzurufen, die zu einem für Firma1 günstigeren Ergebnis führte, etwa weil bekannt wurde, dass ein wichtiger Mitbewerber seine Jahresgespräche schon abgeschlossen hatte. Auch zeigen die vom Kläger dargelegten und unten näher behandelten Konditionenverläufe keine Koordinierungseffekte (vgl. Anlage K 14, AO 1 d. A., S. 123 ff.). Solche könnten sich an parallelem oder zumindest gleichgerichtetem Preisverhalten der Beteiligten abzeichnen, was aber nicht der Fall ist. Während des untersuchten Zeitraums stiegen und fielen die Rabatte und Konditionen der unterschiedlichen Hersteller unabhängig voneinander.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass die vorgenannten Informationen für die Teilnehmer am KWR-Arbeitskreis lediglich eine Momentaufnahme innerhalb der jeweils über mehrere Monate, auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen und -wegen geführten Jahresgesprächen darstellten. Eine Verlässlichkeit bestand nicht, zumal die Angaben während laufender Jahresgespräche auch nicht überprüfbar waren. So war beispielsweise die Information zum Stand der Jahresvereinbarung: "noch offen" oder "durch" vor diesem Hintergrund am nächsten Tag gegebenenfalls überholt bzw. angesichts von Nachverhandlungen, Änderungen und Nachträgen nicht abschließend oder definitiv.

Der Austausch erfolgte zwar regelmäßig, jedoch bezogen auf die Jahresvereinbarungen der einzelnen KWR-Mitgliedern nicht koordiniert, nämlich "...zwar in einem etwa zweimonatigen Turnus, nicht jedoch kontinuierlich während der sich oft über zahlreiche Verhandlungsrunden erstreckenden Jahresgespräche." (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen NI zu 8, Anlage K 10, Bd. 8 d. A.). Überdies bestand der wettbewerbswidrige Austausch insgesamt nicht einmal drei Jahre und für einzelne Mitglieder nur wenige Monate. Betreffend letztere hielt das Bundeskartellamt entsprechend fest, dass - ungeachtet der Tatbestandsverwirklichung des Kartellverbots - "...es innerhalb dieses kurzen Zeitraums kaum möglich gewesen ist, den tatsächlichen Informationsgehalt der erlangten Daten abschließend zu bewerten bzw. diese Daten in ihr operatives Geschäft zu integrieren." (vgl. Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, KR 3, AO 7 d. A., Rn. 321).

Die Einwände der Beklagten und NI stehen nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des Bundeskartellamtes. Auch das Bundeskartellamt hat nämlich festgestellt, dass die bereitgestellten Informationen nur einen geringen Detaillierungsgrad aufwiesen und dass sich der Austausch nur auf die Veränderung der Rabatte (Forderungen/Angebote in Prozent), nicht auf die Gesamtrabatthöhe und nicht auf den Nettopreis bezog. Festgestellt hat die Behörde auch, dass etwa die Informationen zum Stand der Jahresvereinbarungen der anderen KWR-Mitglieder mit Blick auf drohende Auslistungen von einer gewissen Bedeutung waren oder die Informationen zu Sonderforderungen und Rabatten die generellen Strategien und Tendenzen der anderen KWR-Mitglieder aufzeigen konnten. Zu tatsächlich erfolgten nachteiligen Auswirkungen betreffend eine konkrete Jahresvereinbarung eines KWR-Mitglieds, hat sich das Bundeskartellamt nicht geäußert.

Dies gilt gleichermaßen für den vom Kläger bemühten Akteneinsichtsbeschluss vom 09.06.2016, in dem es lediglich heißt, dass "...Auswirkungen des Informationsaustauschs ebenso möglich erscheinen, wenn die Antragsstellerinnen nicht selbst Gegenstand des Informationsaustauschs waren." (vgl. Anlage K 13, AO 1 d. A.). Das Bundeskartellamt hat sich auch dort lediglich damit beschäftigt, dass es im KWR zu einer bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne einer Beschränkung des Geheimwettbewerbs gekommen ist, die das Potential hat, Koordinierungen der Beteiligten zu erleichtern, nicht aber dazu, ob eine darüber hinaus gehende Kollusion der Beteiligten erfolgt ist. Den Bußgeldbescheiden wird mit diesen Erwägungen auch nicht die Grundlage entzogen, weil der vom Bundeskartellamt festgestellte Verstoß gegen das Kartellverbot unabhängig vom dem Vorliegen tatsächlicher Auswirkungen gegeben ist. Mithin läuft auch der für die Feststellungen des Bundeskartellamtes betreffend die bezweckten und bewirkten Beschränkungen des Geheimwettbewerbs vorgebrachte Zeugenbeweis ins Leere.

(2.3) bereits abgeschlossene Jahresvereinbarungen

Der Informationsaustausch kann sich denklogisch nicht ursächlich auf Jahresvereinbarungen der Beklagten und NI ausgewirkt haben, die bei Empfang der Informationen bereits abgeschlossen oder ausverhandelt waren. Dies berücksichtigt der Kläger nur zum Teil. So hat er zwar aus seiner Schadenskalkulation die Beschaffungsvorgänge aus der Jahresvereinbarung der Beklagten zu 1 für das Jahr 2004 herausgenommen, weil diese unstreitig bereits vor Beginn des Austauschs im KWR am 31.03.2004 abgeschlossen war. Entsprechendem Vortrag der Beklagten zu 1, dass auch die Jahresvereinbarung für das Jahr 2005 bereits abschließend verhandelt war, bevor der diesbezügliche Abschluss im KWR Thema war, ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten, wie auch nicht weiterem gleichgelagerten Vortrag der Beklagten und NI zu Abschlusszeitpunkten oder dem Verhandlungsgeschehen. Beispielsweise ergibt sich für die Beklagten zu 3 und 7 sowie für die NI zu 3 ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes, dass diese auf der ersten Sitzung betreffend die Jahresvereinbarung 2006 am 25.01.2006 bereits deren Abschluss vermeldeten, was der Kläger nicht berücksichtigt. Vor allem erläutert er nicht, wie sich die Information anderer Teilnehmer über den Stand ihrer Jahresgespräche hierauf ausgewirkt haben soll.

(2.4) Nachlaufzeitraum

Die Beklagten und NI haben ihren Informationsaustausch letztmals am 23.11.2006 praktiziert. Der Kläger hat nicht dargelegt, in welchem Umfang sich die bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Jahresvereinbarungen noch in das Folgejahr 2007 ausgewirkt haben. Ebenfalls ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Beklagten und NI in den Sitzungen bis zum 23.11.2006 Informationen erhalten haben, die sich nachteilig auf die in den Jahresvereinbarungen 2007 ausgehandelten EK-Nettopreise ausgewirkt haben könnten. Allein der zwischen den Parteien unstreitige Umstand, dass die jeweilige Jahresvereinbarung auf dem Vorjahresergebnis aufbaut, also als Ausgangspunkt der Verhandlungen diente, genügt hierfür nicht. Denn der etwaig im Vorjahr erlangte Wissensvorsprung bezog sich ausschließlich auf ein bestimmtes, in Bezug zu diesen Vorjahresverhandlungen stehendes Marktverhalten. Entgegen der Ansicht des Klägers ist vorliegend auch nicht über die tatsächliche Vermutung der Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens (s. BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 24) eine andauernde Beeinflussung des Marktgeschehens indiziert. Denn unstreitig ist das kartellrechtswidrige Verhalten mit der Sitzung vom 23.11.2006 beendet und auch nicht in abgewandelter Form fortgesetzt worden. Eine tatsächliche Vermutung, dass kartellwidriges Verhalten nachwirkt, gibt es dagegen nicht.

(3) Austausch über vertriebsrelevante Kennzahlen

Auch die Feststellungen des Bundeskartellamts zum Austausch vertriebsrelevanter Kennzahlen machen eine darauf zurückzuführende Schädigung von Firma1 nicht wahrscheinlich.

Im Verstoßzeitraum fanden zwei Benchmark-Studien statt. An jener im Jahr 2004 beteiligten sich alle KWR-Mitglieder außer der Beklagten zu 4 und an derjenigen im Jahr 2006 beteiligten sich alle KWR-Mitglieder außer die Beklagten zu 4, 5 und 6 und die NI zu 7. Gegenstand der Benchmark-Studien waren Angaben in identifizierender Form zu Netto-Gesamtumsätzen und Vertriebsstrukturen.

Darüber hinaus kamen die KWR-Mitglieder auf der Sitzung am 25.11.2004 überein, eine Umfrage über die jeweilige Behandlung von Zahlungszielen unter den KWR-Mitgliedern durchzuführen. Eine entsprechende Tabelle wurde auf der Sitzung am 21.01.2005 vorgestellt und im Anschluss sind die Daten von allen KWR-Mitgliedern, außer von der Beklagten zu 5, die keine Angaben machte, erhoben worden und die Tabelle im Laufe des Jahres 2005 den KWR-Mitgliedern zur Verfügung gestellt worden. Diesbezügliche Verstöße sind nicht für die Beklagten zu 5 und zu 7 festgestellt.

Inwieweit hierdurch eine Koordinierung der Beteiligten hinsichtlich ihres weiteren Marktverhaltens betreffend die EK-Nettopreise, auf die der Kläger seine Schadensberechnung stützt, stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich und zeigt die Klage nicht im Ansatz auf, abgesehen davon, dass hier ebenso unberücksichtigt bleibt, dass die Teilnahme am Benchmarking nicht den Beklagten zu 4, 5 und 7 und nicht den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 sowie auch nicht Firma3 angelastet wurde. Der Austausch über betriebliche Kennzahlen mag die Kosteneffizienz der teilnehmenden Unternehmen gesteigert haben (vgl. Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C11/1, Rn. 95). Wenn aber infolge des Benchmarkings die Vertriebskosten der Beteiligten reduziert werden konnten, überzeugt es ohne weitere Anhaltspunkte nicht, dass hiervon nicht auch die Marktgegenseite profitiert hat. Auch die Informationen der KWR-Mitglieder über die ihren Kunden gewährten Zahlungsziele hatten keinen unmittelbaren Einfluss auf die in den Jahresvereinbarungen ausgehandelten EK-Nettopreise. Vor allem hat der Kläger nicht dargelegt, ob und wie die Beklagten und NI infolge des Austauschs gegenüber Firma1 betreffend die Zahlungsziele aufgetreten sind. Ein aus den gemeinsamen Studien ableitbarer Schaden von Firma1 ist auch angesichts der oben dargestellten Umstände der Verhandlungen über die EK-Nettopreise daher nicht ersichtlich.

(4) Austausch über Umsatzentwicklung

Betreffend Firma1 tauschten die KWR-Mitglieder allein auf der Sitzung am 25.01.2006 Umsatzentwicklungen aus, indem elf Mitglieder mitteilten, dass im Jahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr das Geschäft: "gut", "leicht steigend", "gleichbleibend", "deutlich rückläufig", "ein-/zweistellig" rückläufig bzw. "um 6,5 % rückläufig" sei.

Angesichts der Tatsache, dass diese Informationen nur auf einer Sitzung bekannt gegeben wurden und höchst allgemein gehalten sind, mithin kein Produkt- und Preisbezug gegeben ist, der es ermöglicht hätte, Rückschlüsse auf den EK-Nettopreis zu ziehen, sprechen keine Anzeichen dafür, dass Firma1 im Nachgang zu diesem Austausch Geschäfte zu ungünstigeren Konditionen abgeschlossen hat.

(5) Austausch über Sonderforderungen

Auch die Gestaltung und Praxis des Austauschs über Sonderforderungen spricht gegen ursächlich auf den Austausch zurückzuführende nachteilige Auswirkungen auf die EK-Nettopreise Firma1.

Gegenstand des Austauschs im KWR betreffend Firma1 waren eine Sonderforderung anlässlich des 30jährigen Firmenjubiläums sowie Forderungen wegen erhöhter Transportkosten. Dass sich hieran die Beklagten zu 1, 5 und 7 sowie die NI zu 1, 2, 5, 6, 7 und 8 beteiligt haben, steht allerdings mangels insoweit festgestelltem Verstoß nicht bindend fest, wozu sich die Klage nicht weiter verhält.

Erstmals in der Sitzung vom 16.09.2004 erklärte die Beklagte zu 6, dass noch keine Gespräche mit Firma1 über dessen Sonderforderung zum 30jährigen Jubiläum geführt worden seien. Die KWR-Mitglieder stellten fest, dies bilateral mit Firma1 zu klären. Ebenso erklärten in der Sitzung vom 25.11.2004 acht von zehn Unternehmen mit Firma1 grundsätzlich über diese Sonderforderung gesprochen zu haben, wobei teils Firma1 Forderung in Prozent mitgeteilt wurde und dass man Angebote gemacht hatte. Gleichwohl hielt man daran fest, dies bilateral mit Firma1 weiter zu verhandeln. Dies wiederholten die auf der Sitzung vom 21.01.2005 anwesenden KWR-Mitglieder, wobei die meisten Anwesenden zu diesem Zeitpunkt sich bereits mit Firma1 einig geworden waren. So teilten etwa die Beklagten zu 1, 2 und 6, Firma3 und die NI zu 3, 5 und 6 mit, dass die diesbezüglichen Verhandlungen schon "durch" seien. Auf der Sitzung am 14.04.2005 teilte die Beklagte zu 3 mit, 50.000 EUR an Firma1 gezahlt zu haben.

Der Kläger trägt zu den diesbezüglichen Verhandlungen mit den Beklagten und NI nicht vor, etwa an wen diese Forderung, mit welcher Reaktion herangetragen wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Firma1 nach dem eigenen Vorbringen des Klägers seine Forderung gegenüber allen KWR-Mitgliedern hat durchsetzen können (vgl. Anlage KR 13, AO 8 d. A. d. A.), ist nicht im Ansatz dargelegt oder sonst ersichtlich, inwieweit infolge des Austauschs noch bessere Jubiläumsvergütungen für Firma1 verhindert worden sein sollten. Der Inhalt des diesbezüglichen Austauschs zeigt zudem, dass keine irgendwie geartete Koordinierung erfolgte, sondern dass der Umgang hiermit den jeweiligen bilateralen Verhandlungen mit Firma1 vorbehalten wurde.

Bei der Würdigung des diesbezüglichen Austauschs ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Benennung solcher Forderungen zur Erfüllung der legitimen Aufgaben innerhalb des KWR, nämlich unzulässige Anzapfversuche des Handels zu identifizieren und hierauf gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt zu reagieren, erforderlich war. Insoweit lässt sich ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 87 ff.) dem Austausch über Sonderforderungen des Handels zumindest auch der legitime Zweck entnehmen, sich gegen unzulässige Anzapfversuche des Handels zur Wehr zu setzen. Dies spricht dagegen, dass die Beklagten und NI den Austausch nutzten, um auch ihr zukünftiges Marktverhalten hinsichtlich dieser Sonderforderung abzustimmen.

Forderungen wegen erhöhter Transportkosten Firma1 waren in der Form Gegenstand des Informationsaustauschs im KWR, dass auf den Sitzungen am 21.09.2006 und 23.11.2006 ein Konsens zwischen den Anwesenden KWR-Mitgliedern bestand, diesen Forderungen nicht nachzugeben, was auch im offiziellen Protokoll zur Sitzung am 21.09.2006 festgehalten wurde. Auch hier differenziert die Klage nicht danach, welche Beklagten und NI auf eben diesen Sitzungen überhaupt vertreten waren. So nahm beispielsweise die Beklagte zu 2 nicht an der Sitzung vom 23.11.2006 teil.

Die Beklagten und NI wenden gegen eine mögliche Benachteiligung Firma1 in diesem Zusammenhang ein, dass eine solche Forderung mangels objektiv erkennbarer und angemessener Gegenleistung missbräuchlich sei, weswegen es sich - ähnlich wie bei Hochzeitsrabatten - vgl. BGH, Bschl. v. 23.01.2018 - KVR 3/17 - um ein unzulässiges Anzapfen handele. Dem ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten. Eine Nichtdurchsetzbarkeit unzulässiger Forderungen kann aber nicht zu einem kausal adäquaten Schaden führen. Zum einen wäre ein solcher Schaden nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst, zum anderen führte nicht die zunächst gebildete Verhandlungsfront der KWR-Mitglieder dazu, dass Firma1 die Forderung hat nicht durchsetzen können, vielmehr begründete erst der unzulässige Anzapfversuch Firma1 eine Auseinandersetzung mit diesem im KWR mit dem Ziel, das wettbewerbswidrige Verhalten Firma1 aufzudecken (vgl. Bußgeldbescheid gegen die B zu 6, Rn. 219 u. 240 f., AO 8 d. A.).

Überdies legt der Kläger hierzu nicht im Einzelnen dar, welche Forderungen er diesbezüglich wann, an welches KWR-Mitglied herangetragen hat und aufgrund welcher Umstände, sich eine nachteilige Wirkung auf sein Verhandlungsergebnis, insbesondere auf seine EK-Nettopreise, ergeben konnte. Allenfalls vage formuliert er, dass Firma1 "wahrscheinlich schlussendlich von seiner Forderung teilweise zurückweichen (musste)." (vgl. Replik vom 28.08.2017, S. 117, Bl. 1848, Bd. VIII d. A.).

cc) betroffene Märkte, Wettbewerbsverhältnisse

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist fernerhin zu berücksichtigen, dass der Informationsaustausch im KWR nicht ein bzw. einige wenige Produkte eines Marktes betraf, sondern mehr als 10.000 Einzelprodukte auf mehr als 20 einzelnen Produktmärkten, wobei unter den KWR-Mitgliedern je nach Produkt bzw. Produktgruppe unterschiedliche bzw. teils keine Wettbewerbsbeziehungen bestanden.

Tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf die hier in Rede stehenden Geschäfte zwischen Firma1 und den Beklagten/NI setzen voraus, dass der Wettbewerb unter den Beklagten und NI betreffend die an Firma1 veräußerten Waren durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Kartellverstöße ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde (vgl. BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59), mithin, dass die KWR-Mitglieder bei ihrem Marktverhalten die vereinbarten bzw. abgestimmten "Spielregeln" unmittelbar gegenüber Firma1 angewandt haben bzw. sich der Austausch im KWR zum Nachteil Firma1 (mittelbar) ausgewirkt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U (Kart) 18/17 = BeckRS 2019, 8644, Rn. 47).

Das ist dort schon von vornherein ausgeschlossen, wo innerhalb des KWR-Arbeitskreises zwischen den Mitgliedern überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis bestand, weil die Waren nur von einem der Mitglieder vertrieben worden sind (nachfolgend unter (1)). Entsprechendes gilt für diejenigen Produktgruppen, bei denen die Nebenintervenienten bilaterale Preisabsprachen getroffen hatten, weil sich insoweit nicht einmal ansatzweise erkennen lässt, dass der Informationsaustausch für einen Preisnachteil von Firma1 mitursächlich geworden sein könnte (nachfolgend unter (2)). Zuletzt hat der Kläger auch keine Marktabgrenzung für diejenigen Produktgruppen vorgenommen, bei denen das Bundeskartellamt eine solche Abgrenzung nicht durchgeführt hat, so dass der Senat eine Abgrenzung des sachlichen Markts und eine hieraus ableitbare Schadensfeststellung nicht treffen kann (nachfolgend unter (3)).

(1) Wettbewerbsverhältnis

Der Kläger hat im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungslast - auch unter Zuhilfenahme der insoweit bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes - Umstände vorzutragen, wonach der als kartellbefangen behauptete Warenbezug von einem Informationsaustausch unter Wettbewerbern erfasst war. Denn nur dann ist ein Zusammenhang zwischen einem Kartellrechtsverstoß und einem Nachteil bei Firma1 vorstellbar (vgl. ebenso bereits OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 69).

Das Bundeskartellamt hat Produktmärkte identifiziert, für die unter den KWR-Mitgliedern keine Wettbewerbsverhältnisse bestanden, weil nur ein Mitglied diese Produkte in seinem Sortiment geführt hat. Hinsichtlich dieser Waren kann unter den KWR-Mitgliedern durch das wettbewerbswidrige Verhalten daher schon gar kein Wettbewerb eingeschränkt oder ausgeschlossen worden sein.

Soweit der Kläger demgegenüber vorträgt, ein bestehendes Wettbewerbsverhältnis sei im Hinblick auf die jeweils betroffenen Produkte irrelevant, da ein Kartellverstoß tatbestandlich kein bestehendes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Beteiligten voraussetze, so geht diese Annahme fehl.

Zunächst setzt ein Kartellverstoß im hier vorliegenden Fall eines Informationsaustauschs ein Wettbewerbsverhältnis voraus. Bereits nach der hier zum Teil einschlägigen Gesetzeslage bis zum 30.06.2005 waren nur Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen "zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen" von § 1 GWB erfasst. Wenngleich die danach geltende Gesetzesfassung nach der Streichung dieses Tatbestandsmerkmals für die Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr zwischen horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen unterscheidet und entsprechend das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Beteiligten für die Feststellung einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise nicht mehr erforderlich ist (vgl. Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 198 ff.; a. A. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 49 f., der am Vorliegen eines zumindest potentiellen Wettbewerbsverhältnisses festhält), ist für dass Tatbestandsmerkmal der bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung im Falle eines Informationsaustausches durchaus von Bedeutung, dass der Austausch zwischen Wettbewerbern stattfindet.

So verhält sich der Europäische Gerichtshof zur Tatbestandsmäßigkeit eines Informationsaustausches ausdrücklich und ausschließlich zu einem Austausch zwischen Wettbewerbern (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2015 - C-286/13 P - Bananen (Dole) = NZKart 2015, 267, Rn. 119 ff.; EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 32 ff.). In Fällen eines bloßen Informationsaustauschs kann in keinem Fall auf das Wettbewerbsverhältnis verzichtet werden (so Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 50).

Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht. Für die bußgeldrechtliche Begründung eines Kartellverstoßes genügte es, überhaupt Wettbewerbsverhältnisse zwischen den KWR-Mitgliedern auszumachen. So können sich je nach Wettbewerbsverhältnis im KWR täterschaftlich begangene Verstöße ergeben, an denen sich die jeweiligen Nichtwettbewerber in Form der (psychischen) Beihilfe beteiligt haben. Eine Beteiligung an einem Wettbewerbsverstoß Dritter setzt auch nicht das Bestehen einer eigenen Wettbewerbsbeziehung voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2017 - V 4 Kart 6/15 (OWi) - Süßwarenkartell = BeckRS 2017, 141749, Rn. 100, 378, aufgehoben durch BGH Bschl. v. 21.06.2019 - KRB 10/18 ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen; s. auch EuGH, Urt. v. 26.09.2018 - C 99/17 P - Smartcard-Clips = NZKart 2018, 526 ff.).

Von der Tatbestandsmäßigkeit des Kartellverstoßes zu unterscheiden ist aber die hier zu beantwortende Frage, ob sich das kartellrechtswidrige Verhalten nachteilig auf bestimmte Geschäfte eines Marktbeteiligten ausgewirkt hat oder anders gewendet, ob ein Wettbewerb unter möglichen Vertragspartnern des Anspruchsstellers in Bezug auf die jeweils bezogenen Waren oder Dienstleistungen durch das kartellrechtswidrige Verhalten eingeschränkt oder ausgeschlossen war (vgl. BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59). Im Blick sind also stets nachteilige Auswirkungen auf ein Marktergebnis innerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Nachteilige Geschäfte, die außerhalb dieses Wettbewerbsverhältnisses liegen, können daher nicht kausal auf das wettbewerbswidrige Verhalten zurückzuführen sein. Dass für die einzelnen KWR-Mitglieder Informationen teils auch dann von gewisser Bedeutung waren, wenn sie nicht den von dem jeweiligen KWR-Mitglied bedienten Produktmarkt betrafen, ändert hieran nichts.

Mithin kann sich das wettbewerbswidrige Verhalten nicht auf Warenbezüge ausgewirkt haben, die Produkte betreffen, für welche überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis unter den KWR-Mitgliedern bestand. Dies gilt insbesondere für den Einkauf von Insektenschutzmitteln von der NI zu 7 und den Einkauf von Windeln von der Beklagten zu 4, den Einkauf von Tampons, Babyöl, Babyshampoo, Babycreme, Babybad von der NI zu 6, aber auch Warenbezüge von der Beklagten zu 3 in den Bereichen Schuh- und Autopflegeprodukte.

(2) bilaterale Preisabsprachen

Der Senat vermag außerdem nicht zu erkennen, dass der Informationsaustausch für solche Warenbezüge (mit-)schadensursächlich geworden sein könnte, für die einzelne NI im Kartellzeitraum bilaterale Preisabsprachen getroffen haben. Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ist separat bewusst worden und betrifft die nach dem 01.01.2006 bezogenen Produkte im Bereich Duschgel, Zahncreme und Handgeschirrspülmittel der NI zu 8, NI zu 1 und 2 und der NI zu 3. Die Beklagten waren daran nicht beteiligt, so dass diese Rechtsverstöße mit Recht nicht zum Gegenstand der Klage gemacht worden sind. Da der vom Kläger reklamierte Schaden in Form einer Erhöhung der EK-Nettopreise bereits auf diese bilateralen Absprachen zurückgeführt werden kann, weil die an diesen bilateralen Absprachen Beteiligten dort unmittelbar den Preiswettbewerb außer Kraft gesetzt hatten, lässt sich nicht erkennen, inwiefern der Informationsaustausch darüber hinaus zu einer Schadensentwicklung bei Firma1 hätte beitragen können. Dieser stellt vielmehr eine im tatbestandlichen Erfolg nicht enthaltene Reserveursache dar (zu Reserveursachen in diesem Zusammenhang Paul in: Fuchs/ Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 95, 98).

(3) Marktabgrenzung des Bundeskartellamtes

Ebenfalls scheidet eine Kartellbefangenheit solcher Warenbezüge aus, die nicht zu den vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkten (s. Anlage KR 14, AO 8 d. A.) gehören. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die jeweiligen Jahresvereinbarungen zwischen Firma1 und den KWR-Mitgliedern unstreitig sämtliche Produkte umfassten, die Firma1 von den jeweiligen Beteiligten bezog, sowie, dass sich der Austausch über die Listenpreise auf das Gesamtsortiment bezog. Das Bundeskartellamt hat jedoch eine Marktabgrenzung für die betroffenen Märkte und Produkte vorgenommen, die im Schadensersatzprozess maßgeblich ist (so Weitbrecht in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 15, Rn. 62). Das bedeutet zwar nicht, dass diese Marktabgrenzung abschließend ist. Es hat aber zur Folge, dass sich der Anspruchsteller für Beschaffungsvorgänge, die außerhalb der vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkte liegen, nicht auf die Bindungswirkung der Bußgeldbescheide stützen kann, sondern eigenständigen Vortrag zur Abgrenzung der Produktmärkte halten muss (vgl. ebenso bereits OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 71 f.). Die Feststellungen, dass der Austausch produktübergreifend erfolgte und die Jahresvereinbarungen sämtliche von dem jeweiligen KWR-Mitglied bezogene Produkte umfasste, erweitern den sachlich relevanten Markt entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

Mithin sind etwa Warenbezüge aus dem Bereich Babypflege, Damenhygiene, Windeln, Colorationen, flüssige Seifen, Insektenschutz, Selbstbräuner, Schuh- und Autopflegeprodukte nicht kartellbefangen.

dd) Berücksichtigung gutachterlicher Stellungnahmen

Der Kläger kann auch mit Hilfe des von ihm vorgelegten Gutachtens von SV1 nicht belegen, dass Firma1 durch den Informationsaustausch ein Schaden entstanden ist.

Der Kläger hatte SV1 beauftragt, den Schaden zu beziffern, den Firma1 seines Erachtens durch den streitbefangenen Informationsaustausch erlitten hat (PGA S. 8). Das Parteigutachten ist so aufgebaut, dass den Erläuterungen zu dem vom Bundeskartellamt festgestellten Kartell Ausführungen zu der Methodik der wettbewerbsökonomischen Begutachtung nachfolgen, dann der Drogerieartikelmarkt kurz beschrieben und am Ende eine ökonometrische Auswertung dahingehend erfolgt, wie hoch der kartellbedingte Preisaufschlag bei Firma1 war (PGA S. 9).

Der Kläger behauptet, aus den Berechnungen dieses wettbewerbsökonomischen Beratungsunternehmens habe sich ergeben, dass über alle Warengruppen und Lieferanten hinweg zwischen März 2004 und Dezember 2006 ein kartellbedingter Preisaufschlag in Höhe von durchschnittlich 10.3 % und von Januar 2007 bis Dezember 2007 ein solcher in Höhe von 4.2 % zu Lasten von Firma1 festzustellen sei. Dies werde durch das Privatgutachten vom Juni 2016 (Anlage K 14, AO 1 d. A., nachfolgend: PGA) und durch das auf die Erwiderungen der Beklagten erstellte Ergänzungsgutachten (Anlage KR 30, AO 8 d. A., nachfolgend: EGA) belegt.

Der Senat kann dem nicht folgen.

(1) Beweiswert eines Schadensgutachtens

Der als Folge eines überhöhten Kartellpreises (sog. "overcharge") beim Abnehmer entstandene Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Preis, den der Geschädigte an den Schädiger tatsächlich gezahlt hat und dem Preis, der sich unter Wettbewerbsbedingungen ergeben hätte (vgl. Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte, a.a.O., Rn. 33 zu § 33a GWB m. w. N.). Diese Differenz muss von dem Geschädigten dargelegt und - sofern dies geschehen ist - bewiesen werden.

Der hypothetische Wettbewerbspreis ist niemals mit absoluter Gewissheit zu ermitteln (vgl. Hüschelrath u.a., Schadensermittlung und Schadensersatz bei Hardcore-Kartellen, 1. Aufl. 2012, S. 52). Daher kann auch ein Sachverständiger die Frage, ob der vom Abnehmer geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne eine Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem hierauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache - den Kartellschaden - beantworten (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 37). Der Sachverständige kann sich mit ökonometrischen Methoden dem kontrafaktischen Szenario eines hypothetischen Wettbewerbspreises regelmäßig nur annähern. Die Plausibilität dieser Annäherung hängt dabei typischerweise zum einen von der Genauigkeit und Validität der tatsächlichen Beobachtungen auf dem kartellierten und dem Vergleichsmarkt und zum anderen davon ab, ob sich die Unterschiede zwischen den verglichenen Märkten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfassen lassen. Hieraus ergibt sich, dass ein Sachverständigengutachten weder die richterliche Gesamtwürdigung ersetzen, noch, dass die Vorlage eines ökonometrischen Privatgutachtens durch eine der Parteien diese Würdigung in die eine oder andere Richtung präjudizieren kann (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 48).

Der Senat musste sich daher die Frage stellen, ob die Berechnungen und Schlussfolgerungen des als qualifizierter Parteivortrag zu bewertenden Privatgutachtens von SV1 auf zutreffende Anknüpfungstatsachen gestützt wurden und ob sie inhaltlich widerspruchsfrei sind, weil nur dann aus den privatgutachterlichen Äußerungen ein Indiz für einen Kartellschaden von Firma1 abgeleitet werden könnte.

Diese Frage ist zum Nachteil des Klägers zu beantworten. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob SV1 überhaupt den Inhalt und die Reichweite des streitgegenständlichen Informationsaustauschs richtig erfasst hat oder vielmehr ihren Schlussfolgerungen Absprachen zugrunde gelegt hat, die tatsächlich gar nicht getroffen worden sind (nachfolgend unter (2)). Der Senat kann auch die von SV1 gezogenen Schlussfolgerungen mit der von ihr selbst ermittelten Rabatt- und Konditionenentwicklung nicht in Übereinstimmung bringen (nachfolgend unter (3)). Zuletzt hat auch die umfassende Auswertung des Sachvortrags der Parteien und der vorgelegten Privatgutachten durchgreifende Zweifel in Bezug auf die der ökonometrischen Analyse zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen hervorgebracht (nachfolgend unter (4)). In der Gesamtschau hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass mit Hilfe des Privatgutachtens ein Kartellschaden in irgendeiner Höhe dargelegt worden ist (nachfolgend unter (5)).

Dazu im Einzelnen:

(2) Theoretische Annahmen der Privatgutachterin

SV1 will in Kapitel 1.3. ("Ökonomische Logik des Drogeriemarktkartells") ihres Ausgangsgutachtens sowie in Kapitel 1.2 ("Ökonomische Theorie und Erfahrungsaustausch") ihres Ergänzungsgutachtens auf theoretischer Grundlage aus dem Wesen eines Informationsaustauschs und den hieraus folgenden Konsequenzen für die Preisbildung daran beteiligter Wettbewerber Schlussfolgerungen für den hiesigen Fall ableiten.

Soweit sie in dem ersten Gutachten zu den Auswirkungen des Informationsaustauschs Stellung nimmt, sind ihre Ausführungen bereits deswegen unerheblich, weil sie von einer unmittelbar wirkenden Preisabsprache ausgeht und damit nicht von einem wettbewerbswidrigen Verhalten, wie es dem hier streitgegenständlichen, oben beleuchteten Informationsaustausch entspricht. So ist es - anders als von SV1 angenommen - beispielsweise nicht richtig, dass sich die KWR-Mitglieder "über die an Firma1 zu gewährenden Rabatte abstimmten" (vgl. PGA S. 18 ff., 21). Ebenso falsch ist die von SV1 aufgestellte Behauptung, dass "die Bewertung der zukünftigen Marktentwicklung bezüglich Preisfestsetzung und Abnehmerreaktionen nicht mehr selbständig, sondern abgestimmt mit den Wettbewerbern in einer Art Flechtwerk aus horizontalen und vertikalen Absprachen [erfolgten]" (PGA S. 115 ff.). Ohne näher auf das bebußte Verhalten einzugehen und ohne sich mit der Heterogenität der Produktmärkte und der fehlenden Transparenz der Konditionengerüste auseinanderzusetzen, stellt die Privatgutachterin vielmehr pauschale Behauptungen auf, indem sie beispielweise davon spricht, dass hier eine "kollektive Senkung" der Firma1 gewährten Rabatte im Rahmen einer "stabilen Kollusion" stattgefunden hätte (S. 19 PGA).

In dem Ergänzungsgutachten greift SV1 den Einwand der Beklagten zu den strukturellen Unterschieden zwischen einem Informationsaustausch und einer Preisabsprache zwar auf, zeigt aber mit den von ihr bemühten ökonomischen Theorien nicht auf, dass die Ausgangslage bei dem hier zu untersuchenden Informationsaustausch jener bei Preis-, Kunden- und Quotenschutzabsprachen gleichen würde, so dass die von ihr herangezogenen Erfahrungssätze hinsichtlich der Folgen derartiger Verhaltenskoordinierung auf den hiesigen Fall nach wie vor nicht übertragbar sind. Entsprechendes gilt für die dortigen Ausführungen zur Spieltheorie, die ohne Betrachtungen der Besonderheiten dieses Falles pauschal von einem hier nicht zu belegenden "umfassenden Informationsaustausch" ausgehen.

(3) Entwicklung der Rabatte und Konditionen

In gleicher Weise unergiebig sind die Ausführungen in dem Privatgutachten zur Entwicklung der Rabatte und Konditionen. SV1 hat die streitgegenständlichen Rabatte und sonstigen Konditionen ermittelt, die die KWR-Mitglieder Firma1 im Zeitraum von 2003 - 2012 gewährt haben (Tabellen 68-70 PGA). Sie zieht daraus allerdings Schlussfolgerungen, die durch die ermittelten Tatsachen nicht belegt werden können. So führt SV1 in Kapitel 1.3. des Ausgangsgutachtens aus, die von Firma1 zur Verfügung gestellten Lieferantendaten belegten, dass die Beklagten und NI Firma1 im Zeitraum ab 2008 (Wettbewerbszeitraum) durchgängig höhere Rabatte als im Kartellzeitraum von 3/2004 - 12/2006 gewährt hätten (S. 19 PGA). In Ziffer 1.4. des Ausgangsgutachtens "Kausalität Kartell: Schaden von Firma1" wird diese nachweislich falsche Behauptung geringfügig eingeschränkt. Dort führt sie folgendes aus:

"...Erstens stimmten sich die Kartellanten in Bezug auf die an Firma1 zu gewährenden Rabatte ab. Dies führte dazu, dass die von Firma1 im Kartellzeitraum 03/2004 - 12/2006 erhaltenen Rabatte deutlich unter einem wettbewerblichen Niveau lagen. Dies zeigt sich unter anderem in den von Firma1 zur Verfügung gestellten Liefer- und Preisdaten: fast alle Lieferanten gewährten Firma1 bei einem vergleichbaren Einkaufsvolumen im Wettbewerbszeitraum ab 2008 höhere Rabatte als im Kartellzeitraum 03/2004 - 12/2006 (siehe Kapitel 5.3, S. 21 PGA)".

Die Behauptungen höherer Rabatte im Wettbewerbszeitraum entbehren einer tatsächlichen Grundlage. Es ist zum einen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht erwiesen, dass sich die Mitglieder des KWR im Hinblick auf die Firma1 gewährten Rabatte abgestimmt hätten. Dies ist oben bereits ausführlich dargelegt worden. Bei objektiver Betrachtung lässt sich zum anderen auch nicht erkennen, dass die Entwicklung der von den KWR-Mitgliedern gewährten Konditionen eine Signifikanz aufweisen würde, die die Schlussfolgerung von SV1 rechtfertigen könnte:

Tabelle 68 des Ausgangsgutachtens (PGA) belegt, dass die jährlichen Skonti- und Firma2-Konditionen sämtlicher KWR-Mitglieder im gesamten Betrachtungszeitraum von 2003 - 2012 nahezu gleichgeblieben sind (S. 107). Die in den Tabellen 69 und 70 enthaltene Übersicht nachträglicher Konditionen, Boni und WKZ gegenüber Firma1 enthält ebenfalls keine entsprechende Aussagekraft, sondern zeigt vielmehr, dass einige der Beklagten und NI ihre Konditionen gegenüber Firma1 im Zeitraum nach 2007 verschlechtert, andere ihre Konditionen je nach Produktgruppen verbessert oder verschlechtert haben und, dass sich für den verbliebenen Teil der Beklagten und NI bereits ab 2003 bis 2010 eine kontinuierliche, nahezu gleichbleibende Konditionenverbesserung ablesen lässt (S. 108-109). Ein Sondereinfluss des KWR-Austauschs ist darin nicht erkennbar. Die kontinuierliche Verbesserung der "Firma1-Konditionen" lässt sich dagegen ohne weiteres mit dem von den Beklagten geschilderten "Verhandlungsspiel" erklären, bei dem Firma1 als marktmächtiger Nachfrager die jährlichen Bruttopreiserhöhungen durch Konditionenverbesserungen weitgehend neutralisieren konnte. Die von SV1 ermittelten Rabatte und Konditionen vor, während und nach dem Kartellzeitraum sind daher zum Beleg eines Kartellschadens nicht geeignet.

(4) Beweiswert der ökonometrischen Analysen

Die ökonometrischen Analysen des Privatgutachtens gehen von zweifelhaften Anknüpfungstatsachen, namentlich einem unzutreffenden Preissetzungsmechanismus aus und können daher ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Informationsaustausch und einem wie auch immer gearteten Kartellschaden nicht belegen.

(4.1) Methodik und Vorgehensweise der Privatgutachterin

SV1 hat zur Ermittlung eines Kartellschadens die Methodik des zeitlichen Vergleichsmarkts in Form einer "Während-nachher"-Analyse angewandt. Sie hat demnach denselben sachlich und räumlich relevanten Markt zugrunde gelegt und die Markt- und Preisentwicklung im Zeitraum von 2008 - 2011 (definierter Nachkartellzeitraum - Wettbewerbsperiode) für die Bestimmung des kontrafaktischen Preises herangezogen. Dabei wurde angenommen, dass der im November 2006 beendete Informationsaustausch noch einen Nachlaufzeitraum bis zum 31.12.2007 hatte.

Dabei ist SV1 - vereinfacht dargestellt - wie folgt vorgegangen:

Mit Hilfe der vom Kläger zur Verfügung gestellten Datenbanken, die bereits eine Unterteilung in sog. Hauptwarengruppen enthielten, hat SV1 zunächst die zu berücksichtigenden Einkaufsvolumina aufgearbeitet. Dies ist dann in einem weiteren Schritt noch durch die Bildung von insgesamt 90 Warenuntergruppen mit einem Gesamtumsatz von 2004 - 2007 von rund 1.529 MRD € verfeinert worden. Für die ökonometrische Auswertung sind acht Drogerie-Warengruppen (Körper-, Haar-, Mund-, Intim-, Gesichts- und Babypflege, Men-Shop und Windeln) bestimmt worden, in denen jeweils einer der Beteiligten des KWR als Lieferant mit herausragender Bedeutung identifiziert wurde. So ist beispielsweise in der Warengruppe "Körperpflege", deren Anteil 21 % am Gesamtumsatz von Firma1 ausgemacht hat, die Beklagte zu 1 als die herausragende Lieferantin identifiziert worden (zu den Einzelheiten des Auswahlprozesses vgl. Kapitel 4.2.2. PGA). Parallel dazu wurden vorbereitend die letztlich von Firma1 gezahlten und im dortigen sog. "B-Warenwirtschaftssystem" hinterlegten EK-Nettopreise ermittelt.

Die Regressionsanalyse geht von der Arbeitshypothese aus, dass in einem wettbewerblichen Umfeld die Preise der Inputfaktoren für Drogerieartikel auch den Drogerieartikelpreis beeinflusst haben, den Firma1 an seine Lieferanten zahlen musste (Kapitel 4.2.3. PGA - S. 53 PGA). Als relevanten Inputfaktor hat SV1 die Produktionskosten in Gestalt der Bezugskosten der Rohstoffe für die nach den gesetzlichen Vorgaben zu deklarierenden Inhaltsstoffe der Drogerieartikel, die Kosten für Verpackungsmittel und teilweise die Produktionsenergie herangezogen und diese nachfolgend als "Erzeugerkosten" bezeichneten Faktoren bestimmten Oberkategorien bzw. Substanzen zugeordnet. Dies ermöglichte es ihr, die vom Statistischen Bundesamt bereitgestellten Daten für die entsprechenden Erzeugerpreisindizes bzw. Importpreisindizes in diesen Oberkategorien zu verwenden (S. 54 PGA).

Sodann hat SV1 für die Wettbewerbsperiode (2008 - 2011) durch eine Regressionsanalyse bei den acht in den Warengruppen jeweils "dominanten" Lieferanten einen statistischen Zusammenhang zwischen den vorgenannten Inputfaktoren auf den Preis und den an Firma1 in Rechnung gestellten Preis selbst hergestellt (S. 38 PGA). Aufgrund dieses Zusammenhangs wurde dann im nächsten Schritt ein hypothetischer bzw. kontrafaktischer Wettbewerbspreis für die Kartellperiode und in einer Panelanalyse für jede Preisreihe ein individueller hypothetischer Preis geschätzt.

SV1 geht davon aus, dass somit ein Preisaufschlag ermittelt werden konnte, der sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich von Firma1 an die Lieferanten gezahlten und den aus den Modellen berechneten hypothetischen Wettbewerbspreisen ergibt. Die von ihr so definierte "Overcharge" wurde von SV1 dann auf die anderen Lieferanten in der Warengruppe hochgerechnet. Dabei geht SV1 von der Annahme aus, dass bei den restlichen Lieferanten der kartellbedingte Preisaufschlag für Artikel aus derselben Warengruppe in gleicher Höhe angefallen ist (S. 39 PGA). In einem letzten Schritt wurden diese Ergebnisse auf diejenigen Drogerieartikel-Warengruppen übertragen, für die keine eigenständigen ökonometrischen Analysen durchgeführt worden waren.

Zusammengefasst und vereinfacht gesprochen hat SV1 somit versucht, für den Zeitraum zwischen 2008 und 2011 einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Nettopreise bestimmter Drogerieartikel einerseits und der Entwicklung bestimmter Rohstoffpreise bzw. Produktionskosten für Drogerieartikel andererseits herzustellen und diesen Zusammenhang auf den Zeitraum von 2004 - 2007 übertragen.

(4.2) Einwände der Beklagten und NI und Gegengutachten

Die Beklagten und NI haben das Privatgutachten von SV1 aus zahlreichen Gründen als untauglich zurückgewiesen und ihrerseits unter Vorlage von Privatgutachten der Institute Firma22, Firma23, Firma26, Firma24, Firma25 und Lehrstuhl1 der Universität1 Stadt5 dargelegt, dass ein durch den Informationsaustausch hervorgerufener Schaden von Firma1 ausgeschlossen werden kann. Sie haben SV1 methodische Fehler und eine fehlerhafte Tatsachenermittlung vorgeworfen.

So haben die Beklagten und NI u.a. übereinstimmend ausgeführt, dass das Privatgutachten von SV1 nicht auf zutreffenden Anknüpfungspunkten beruhe, weil die herangezogene Entwicklung der Erzeugerkosten keine Signifikanz für die eigene Preisbildung aufweise, während gleichzeitig andere für die Preisbildung tatsächlich bedeutsame Faktoren ausgeblendet worden seien.

Die Beklagten und NI haben sich dazu auf ein gemeinschaftlich in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Herrn C, Partner der Unternehmensberatung Firma21 berufen. In dem Privatgutachten wird die Preisbildung von Markenartikelherstellern in dem hier betroffenen Bereich sog. "Fast Moving Consumer Goods." (FMCG) beschrieben (u.a. vorgelegt als Anlage Firma16 1, Bl. 590 ff. d. A.).

Der Privatgutachter legt zunächst dar, dass es drei grundlegende Preisbildungsverfahren gibt, die sich entweder an den Kosten für die Herstellung der Produkte (sog. Aufschlagskalkulation oder "cost plus - Verfahren"), an den Preisen der Konkurrenten (wettbewerbsorientierte Preissetzung) oder an dem Nutzen orientieren, den die Käufer aus dem Kauf, der Benutzung oder dem Verbrauch der Produkte ziehen (sog. Nachfrage- oder nutzerorientierte Preissetzung).

Hersteller von Markenartikeln starten mit der Preissetzung bei den Konsumenten. Da diese den Preis tatsächlich bezahlen, muss ihr wahrgenommener Nutzen mindestens genauso hoch sein wie der zu bezahlende Preis. Als Indikator für den Nutzen wird die Zahlungsbereitschaft gemessen. Da die Marke des Produkts neben einer Herkunftsfunktion u.a. auch eine Schutz-, Garantie- und Werbefunktion hat, die zumeist über längere Zeiträume durch Qualitätssicherung, Produkt(-weiter)entwicklung und einem ebenso erheblichen Werbeaufwand aufgebaut und "gepflegt" wird, rechtfertigt und ermöglicht es die Marke den Herstellern, ein höheres Preisniveau zu erzielen. Bekannte Marken sind demnach deutlich wertvoller als der Wert der jährlichen Werbeausgaben.

Die Preissetzung von Markenartikelherstellern liegt im Verantwortungsbereich des Produktmanagements bzw. des Marketings, wo bereits im Zuge des Produktentwicklungsprozesses im Wege der Marktforschung die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und die Positionierung der Marke untersucht werden. Dabei stellen die Wettbewerbspreise - seien es diejenigen anderer Markenartikel oder diejenigen von Handelsmarken - ergänzende Informationen zur Preisbestimmung dar. Die Herstellungskosten üben bei Markenartikeln dagegen keinen direkten Einfluss auf die Preisbestimmung aus, sondern dienen als langfristige Preisuntergrenze.

Zusammengefasst kommt das Privatgutachten von Herrn C daher zu dem Ergebnis, dass die Preissetzung der Hersteller von Markenartikeln in dem hier untersuchten Sektor nachfrageorientiert ("von oben") im Sinne einer antizipierten Zahlungsbereitschaft des Konsumenten beginnt und in der sog. unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) oder einem daran orientierten Bruttopreis ausgedrückt wird. Wesentlicher Einflussfaktor für die Preisbestimmung eines Drogeriemarkenartikels ist demnach die Marktstärke des Produkts. Eine Preissetzung "von unten" (Kosten-plus Preissetzung) ist dagegen für Markenartikelunternehmen denkbar ungeeignet, weil die Herstellkosten eines Jahres die über den langen vorangegangenen Zeitraum der Markenführung entstandenen Aufwendungen nicht widerspiegeln. Auch die unterjährigen Marketingkosten des Herstellers können den Wert des Markenartikels und die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher daher nicht messbar machen.

Die Beklagten und NI haben detailliert dargelegt, dass die Preisbildung ihrer Drogeriemarkenartikel entsprechend der Ausführungen des Privatgutachters C nachfrageorientiert gestaltet war. Die Beklagten und NI haben auch dargelegt, dass ihre Erzeugerkosten für die nachfrageorientierte Preisbildung deshalb nachrangig waren, weil diese Kosten für den Endverbraucher unerheblich und dort auch unbekannt sind und nur einen sehr beschränkten Teil der Nettopreise ausmachen. Beispielhaft wird auf die Ausführungen in den Klageerwiderungen der Beklagten zu 1 (Ziffer 14.4, Bl. 860 ff. d. A.) und der Beklagten zu 7 (Ziffer 3., Bl. 570 ff. d. A.) Bezug genommen, wo u.a. diese Kalkulation offengelegt worden ist.

(4.3) Kritik an den Feststellungen der Privatgutachterin

Die Beklagten und NI haben zahlreiche nachvollziehbare Kritikpunkte an der Vorgehensweise und Tatsachengrundlage des Privatgutachtens von SV1 vorgebracht und mit sachverständiger Unterstützung ihrer Privatgutachter logische "Brüche" in den dortigen Schlussfolgerungen aufgezeigt, die durchgreifende Zweifel an der Plausibilität des Gutachtens erweckt haben.

Im Folgenden werden lediglich die besonders markanten Einwände aufgeführt:

(4.3.1.)

Sämtliche Beklagte und NI haben bemängelt, dass es SV1 versäumt hat, wichtige Inputfaktoren zu untersuchen, die für ihre nachfrageorientierte Preisfestsetzung eine wesentlich höhere Bedeutung gehabt hatten als die Rohstoffpreise. So sei es beispielsweise im Zuge der sog. "Finanzkrise" ausweislich des von dem renommierten Marktforschungsunternehmen D veröffentlichten Konsumklimaindex im Verlauf des Jahres 2008 zu einem bedeutenden Rückgang der Verbrauchernachfrage nach Konsumgütern gekommen (Schaubild Bl. 864 d. A.). Dies sei einhergegangen mit einem deutlich verstärkten Preiswettbewerb durch die kontinuierliche Ausweitung des Marktanteils von Handelsmarken. Dies wird durch die in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1 für den Bereich von Körperpflegeprodukten wiedergegebenen Auszüge aus den dort eingeholten Privatgutachten der Fa. Frima22 verdeutlicht, dem der Kläger insoweit nicht entgegengetreten ist (Ziffer 14.5.3., Bl. 865 d. A.). Die Beklagten zu 4 und 5 haben dies in ihrer Klageerwiderung unter Verweis auf eine einschlägige Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts untermauert, in der zwischen den Jahren 2000 und 2012 eine annähernde Verdopplung des Marktanteils von Handelsmarken festgestellt wird (Bl. 1089 d. A.).

Die Beklagten haben nachvollziehbar dargelegt, dass sie der durch die vorgenannten Faktoren ausgelöste Preisdruck mit steigender Tendenz im Zeitraum von 2004 - 2011 dazu gezwungen hat, die eigenen Angebotspreise herabzusetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Gesichtspunkte sind in dem Gutachten von SV1 nicht einmal angesprochen worden.

(4.3.2.)

Die Beklagten und NI haben eingewandt, dass sowohl die Zusammensetzung der Produktbündel intransparent und u.a. in Bezug auf die unterschiedlichen Nachfragebedingungen der umfassten Produkte inkonsistent ist, als auch, dass die Preisreihen künstlich erzeugt und nicht an der Marktentwicklung orientiert sind, so dass das hier angewandte rückwärtsgerichtete Prognosemodell mangels Identität der Produktbündel nicht aussagekräftig ist.

Insbesondere durch die detaillierten Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV.1., Bl. 1074 ff. d. A.) ist die gerügte Intransparenz und Inkonsistenz der Produktbündel für den Senat nachvollziehbar dargelegt worden.

(4.3.3.)

Die Beklagten und NI haben nachvollziehbar dargelegt, dass die Anknüpfung der Regressionsanalyse an die Entwicklung der Erzeugerpreise weder ökonomisch mit der Preisbildung gegenüber den Handelspartnern korrespondiert noch die Realität der Jahresgespräche mit Firma1 widerspiegelt. So hätten sich die im Privatgutachten zugrunde gelegten unterjährigen Rohstoffkostenveränderungen schon deshalb nicht auf die Verkaufspreise gegenüber Firma1 auswirken können, weil diese in den Jahresvereinbarungen für ein gesamtes Jahr festgelegt wurden.

Bis auf die Tatsache, dass die Verhandlungspartner gestiegene Erzeugerkosten in einigen Fällen zur Begründung einer Bruttopreiserhöhung nannten, wurden diese - unstreitig - in den Jahresgesprächen mit den von Firma1 entsandten Verhandlungsführern niemals erörtert oder von diesen hinterfragt.

(4.3.4.)

Die Beklagten und NI haben überzeugend herausgearbeitet, dass die Ermittlungen der SV1 zweifelhaft sind, weil "unpassende" Resultate in der Abrechnung unterdrückt worden sind. Hier wird beispielhaft auf die Berechnungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 2 (Ziffer V.1., Bl. 1210 d. A.) und der Beklagten zu 6 (Ziffer G 1., Bl. 1303 ff. d. A.) sowie auf die Ausführungen der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV.6., Bl. 1094 f. d. A., jeweils mit Bezug auf das Firma26-Gutachten) verwiesen. So führt der Vergleich zwischen dem im Verstoß- und Nachlaufzeitraum monatsgenau ermittelten Wettbewerbspreis mit dem tatsächlich gezahlten Preis nicht in allen Fällen zu einem vermeintlichen "Schaden", sondern in vielen Monaten war der ermittelte Wettbewerbspreis höher als der tatsächlich von Firma1 gezahlte Preis. Dies hat die Beklagte zu 2 in einer Gegenüberstellung für das Produkt "Marke1." anschaulich gemacht, die zu "negativen Schäden" von Firma1 im Jahr 2004 von - 8.455,39 € geführt hat, weil nur in einem Monat dieses Jahres, dem Mai 2004 der Wettbewerbspreis um 102 € unterhalb des tatsächlich genannten Preises gelegen haben soll. In die Schadensberechnung der Privatgutachterin SV1 ist allerdings nur dieser Mehrpreis vom Mai 2004 eingestellt worden, der "negative Schaden" blieb unberücksichtigt.

(4.3.5.)

Eine ebenso auffällige Ungereimtheit des SV1 - Gutachtens wird in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1 (Ziffer 14.1, Bl. 855 d. A.) aufgedeckt. So errechnet das Gutachten etwa für die Bezüge von der Beklagten zu 1 selbst im Jahr 2004 einen kartellbedingten Schaden, obwohl diese ihre Jahresvereinbarung einschließlich der Bruttopreiserhöhung vor dem Verbotszeitraum unstreitig bereits abgeschlossen hatte. Vergleichbares gilt für die Beklagte zu 7 in den Jahren 2004 und 2005. Auch dort hat SV1 einen Kartellschaden ermittelt, obwohl die Beklagte zu 7 erstmals 2006 am Informationsaustausch beteiligt war. Auch betreffend die Beklagten zu 3 und 5 sowie für die NI zu 7, die erst in den Folgejahren am Informationsaustausch teilgenommen hatten, wurden Kartellschäden im Jahr 2004 ermittelt. Mit Recht hat die Beklagte zu 1 demnach die Frage aufgeworfen, wie ein zeitlich nachgelagertes, angeblich schädigendes Ereignis kausal für bereits zuvor abgeschlossene Vereinbarungen geworden sein soll und damit die Aussagekraft des SV1 - Gutachtens schon dem Grunde nach in Frage gestellt.

(4.3.6.)

Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Gesamtbild der Konditionenentwicklung im Zeitraum zwischen 2003 und 2010. Die Beklagten haben darauf verwiesen, dass die gegenüber Firma1 ausgehandelten Nettopreise in diesem Zeitraum weitgehend konstant um durchschnittlich 1 - 2 % stiegen. Beispielhaft wird auf die von der Beklagten zu 1 präsentierten Preisreihen zu den von ihr vertriebenen Körper-, Haar- und Gesichtspflegeprodukten verwiesen (Bl. 844 ff. d. A.). Der von der SV1 errechnete "overcharge" von ca. 10 % in den Jahren 2004 - 2006 lässt sich im Wege einer Kontrollbetrachtung in dieses Gesamtbild nicht einfügen.

(4.3.7.)

Die Beklagten haben mit Hilfe der von ihnen eingesetzten o.g. Privatgutachter dargelegt, dass sich das von SV1 entwickelte Modell bei Berücksichtigung der wesentlichen Kritikpunkte als nicht robust erweist, weil dann nämlich ein Kartellschaden bei Firma1 nicht nachweisbar ist. Auf die Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV 7, Bl. 1095 d. A.) und die entsprechenden Erläuterungen in dem Gutachten der Fa. Firma26 wird verwiesen.

(4.4.) Replik des Klägers auf die Einwände der Beklagten und NI

Der Kläger ist den Einwänden der Beklagten und NI in der Replik vom 28.8.2017 (Bl. 1731 ff. d. A.) nicht substantiiert entgegengetreten und hat vor allem die von dort aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüche im Privatgutachten von SV1 nicht aufgeklärt.

Inhaltlich hat sich der Kläger einer eigenen Stellungnahme enthalten und stattdessen im Wesentlichen die theoretischen Ausführungen von SV1 aus dem oben schon angesprochenen Kapitel 1.2 des Ergänzungsgutachtens ("Ökonomische Theorie und Erfahrungsaustausch") (Anlage KR 30) zitiert, mit denen sich der Senat oben schon beschäftigt und die er als hier nicht ausschlaggebend bewertet hat. Soweit der Kläger in seiner Erwiderung zu den Parteigutachten der Beklagten individuelle Ausführungen macht, entbehrt dies der Substanz.

(4.4.1.)

Der Kläger stellt die Richtigkeit des von den Beklagten vorgelegten Privatgutachtens von Herrn C (Firma2) nicht in Frage (Replik, Ziffer C III, 7., Bl. 1948 d. A.). Er streitet dort auch nicht ab, dass die Beklagten und NI eine nachfrageorientierte Preissetzung praktizierten, die sich an den von Herrn C herausgearbeiteten Grundsätzen orientiert. Daher ist es unstreitig geworden, dass SV1 mit der Anwendung des "cost plus Ansatzes" von einem tatsächlich überhaupt nicht angewandten Preissetzungsverfahren ausgegangen ist, was durchgreifende Zweifel entstehen lässt, ob die von SV1 gewählte Anknüpfung ihrer Regressionsanalyse an die Entwicklung von Erzeugerkosten, auf die sie ihre Bewertung ausschließlich stützt, überhaupt berechtigt war. Darauf ist der Kläger aber nicht mit Substanz eingegangen:

Der Kläger will die demnach berechtigte Kritik der Beklagten lediglich als "Anregung" verstehen, der durch Einfügen weiterer "Variablen" entsprochen werden könne. Das ist allerdings für den Senat schon aus denklogischen Gründen nicht nachvollziehbar, ohne das hierfür noch sachverständige Hilfe eingeholt werden müsste:

Der Kläger setzt sich nicht mit dem Vorwurf auseinander, dass SV1 den tatsächlich praktizierten Preissetzungsmechanismus nicht beachtet hat bzw. geht mit keinem Wort darauf ein, warum SV1 an dem kostenbasierten Preisbildungsmodell weiter festhält, obwohl dies hier gar nicht angewandt wurde. Ebenso wenig äußert er sich zu der Kritik, dass SV1 die bei der nachfragebasierten Preissetzung relevanten oben dargestellten Faktoren des Marktumfeldes überhaupt nicht beachtet hat.

Auch die Ausführungen von SV1 in dem Ergänzungsgutachten (dort unter Ziffer 2.1.4., S. 69) nehmen die Einwände der Beklagten und NI nicht ernsthaft auf. Die pauschale Aussage: "Es kann nicht ernsthaft entgegen jeder ökonomischen Überlegung bestritten werden, dass Produktionskosten Preise bestimmen" (a.a.O., S. 70) entbehrt einer substantiellen Auseinandersetzung mit dem von den Beklagten und NI praktizierten nachfrageorientierten Preissetzungsmechanismus und den unbestrittenen Feststellungen in dem Gegengutachten von Herrn C.

Es ist mit Rücksicht auf den substantiierten Vortrag der Beklagten und NI schon denklogisch nicht nachvollziehbar, dass die im Ergänzungsgutachten berücksichtigten weiteren Variablen "Werbeausgaben für Drogerieartikel in Deutschland", "Industrieklimaindex für die chemische Industrie" und "Anzahl der Firma1-Filialen" jeweils zwischen 2004 und 2011 der eben dargestellten Kritik begegnen können. Wieso der branchenübergreifende Querschnitt von Werbeaufwendungen Anhaltspunkte für die zur Preisfestsetzung herangezogene Marktstärke der hier streitgegenständlichen Produkte liefern soll, wird nicht erläutert. Dies gilt umso mehr als der Gegengutachter C - unstreitig - klargestellt hat, dass die über viele Jahre aufgebaute Marktstärke eines Produkts nicht ohne weiteres mit dem über eine bestimmte Zeitperiode ermittelten Werbeaufwand erfasst werden kann. Hierauf gehen weder SV1 noch der Kläger überhaupt ein.

Auch auf die weiteren oben dargestellten Kritikpunkte, Ungereimtheiten und Widersprüche des Ausgangsgutachtens geht der Kläger und SV1 nicht ein:

(4.4.2.)

Der Kritik an der intransparenten Zusammensetzung der Produktbündel und an der inkonsistenten und künstlich erzeugten Erzeugung von Preisreihen begegnet der Kläger mit der schlichten Aussage, die Daten von Firma1 seien nicht artifiziell gewesen, was aber einen anderen, hier nicht relevanten Gesichtspunkt betrifft.

(4.4.3.)

Zu dem Einwand, dass die "trennscharf" monatsbezogene Entwicklung der Erzeugerpreise weder die Realität der Preisbildung zwischen Firma1 und den Beklagten in den Jahresverhandlungen widerspiegelt und dort auch nicht thematisiert worden ist, äußert sich der Kläger gar nicht.

(4.4.4.)

Die von den Beklagten und NI aufgedeckte Ungereimtheit, dass "negative Schäden" von Firma1 in den Schadensberechnungen von SV1 unterdrückt worden sind, wird weder in der Replik des Klägers noch in der SV1 -Replik (Anlage KR 30 AO 8 d. A., Ziffer 2, S. 55) überhaupt aufgegriffen.

(4.4.5.)

Gleiches gilt für den von den Beklagten herausgearbeiteten Widerspruch in dem Ausgangsgutachten, das einen Kartellschaden auch für Zeiträume festgestellt hatte, an denen die jeweils Betroffenen überhaupt nicht an dem Informationsaustausch beteiligt waren. Das Ergänzungsgutachten geht darüber schlicht mit dem Bemerken hinweg, man habe nun diese Zeiträume aus der Schadensberechnung herausgenommen, äußert sich aber mit keinem Wort zu dem nachvollziehbaren Vorwurf, dass damit bereits die Methodik und die Anknüpfungstatsachen des Ausgangsgutachtens durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt ist.

(4.4.6.)

Auch der Verweis der Beklagten und NI, dass sich das von SV1 gefundene Ergebnis einer ca. 10% "overcharge" mit Rücksicht auf die allgemeine Konditionenentwicklung nicht als plausibel erklären lässt, wird in den Repliken des Klägers und von SV1 nicht einmal aufgegriffen.

(4.4.7.)

Letztlich gilt das gleiche für die im Gegengutachten von Firma26 und den anderen Privatgutachtern der Beklagten und Nebenintervenienten substantiell vorgebrachten Einwände gegen die Robustheit des von SV1 verwendeten Berechnungsmodells. Die häufige Wiederholung des Satzes: "SV1 hat eine belastbare Schadenstheorie vorgelegt." in der Replik des Klägers kann einen substantiierten Parteivortrag nicht ersetzen.

(5) keine weitergehende Sachverhaltsaufklärung

Es sind aufgrund der vom Kläger letztlich nicht substantiell bestrittenen Einwände der Beklagten im Ergebnis durchgreifende Zweifel geblieben, ob die Privatgutachterin SV1 des Klägers einen zutreffenden Untersuchungsansatz gewählt und ob sie von korrekten Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Da der Kläger somit nicht substantiiert darlegen konnte, dass ihm überhaupt ein Kartellschaden entstanden ist und da auch die weiteren oben behandelten Umstände dies nicht nahelegen, sieht der Senat keinen Anlass, dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens für seinen Kartellschaden nachzugehen oder gar von Amts wegen aufzuklären, ob Firma1 einen Nachteil erlitten haben könnte, der auf den Informationsaustausch zurückgehen kann (vgl. dazu BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 36).

ee) Gesamtbetrachtung aller indiziellen Umstände

Hiernach vermag der Senat den Feststellungen des Bundeskartellamtes sowie dem Parteivortrag keine indiziellen Umstände zu entnehmen, die für sich betrachtet eine gesicherte Grundlage für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines bei Firma1 infolge des hier in Rede stehenden Informationsaustauschs eingetretenen kausalen Schadens liefern. Auch in der Gesamtschau aller zu berücksichtigenden Umstände ist der Senat nicht mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einem ursächlich mit dem Kartellverstoß zusammenhängenden Schaden überzeugt.

5. Gesamtschuld

Ohne dass dies für die Überzeugungsbildung des Senats eine Rolle gespielt hat, weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, warum die Beklagten als Gesamtschuldner für alle Beschaffungsvorgänge aller Beklagten und NI in dem Zeitraum vom März 2004 - Dezember 2007 unabhängig von einem Wettbewerbsverhältnis haften sollten.

Der Ansatz des Klägers, die vom Bundeskartellamt als einheitliche Zuwiderhandlung bewertete Tat zivilrechtlich zur Begründung einer Gesamtschuld heranzuziehen, geht fehl.

Er berücksichtigt nicht, dass die hier festgestellte Grundabrede ausschließlich beinhaltet, sich im Rahmen der regelmäßig stattfindenden KWR-Sitzungen über sensible Daten wie den Stand der jeweiligen Jahresvereinbarungen, geplante Bruttolistenpreiserhöhungen und Sonderforderungen auszutauschen. Hierauf ist das durch die einvernehmliche und unwidersprochene Teilnahme bzw. Praxis begründete Einverständnis gerichtet. Dieses kann zwar anknüpfend an das jeweilige Potential eines Kollusionsergebnisses eine bezweckte oder bewirkte Beschränkung des (Geheim)Wettbewerbs darstellen, was innerhalb des - im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren so betrachteten - einheitlichen Verstoßes mehrere Teilverstöße beinhaltet. Zivilschadensersatzrechtlich sind aber diese Teilverstöße in den Blick zu nehmen, da nur diese auf konkrete Vermögensnachteile fokussiert sind (vgl. BGH, Urt. v. 14.04.1954 - VI ZR 26/53 = NJW 1954, 1033). Das zivilrechtlich entscheidende Deliktsgeschehen ist nicht "dem Kartell" oder "dem Informationsaustausch" als solchen zu entnehmen, sondern anhand des Erfolgsunrechts, also des Eintritts eines Vermögensschadens, zu bestimmen (so Paul in: Fuchs/Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 242).

Dieses Erfolgsunrecht zeigt sich bei einem bloßen Informationsaustausch aber noch nicht anhand des Austauschs als solchen, sondern setzt ein durch den Austausch gestütztes bzw. unterstütztes kollusives Verhalten der Beteiligten voraus. Es ist daher bei der zivilrechtlichen Haftung nicht möglich, auf einen Verstoß abzustellen, der die konkrete Verständigung der Beteiligten auf Koordinierungsmodalitäten ihres Wettbewerbsverhaltens bezogen auf ein konkretes Geschäft überhaupt nicht beschreibt.

Die hier festgestellte Grundabrede hat weder individuelle Preisverhandlungen, Wettbewerbs- und Marktverhältnisse noch die diesbezüglichen Beteiligungen der verschiedenen KWR-Mitglieder an etwaigem kollusiven Wettbewerbsverhalten im Blick. Dies unterscheidet die hiesige Grundabrede etwa von derjenigen im Schienenkartell, wonach der dortige langjährig praktizierte Ablauf eines Systems wechselseitiger Mitteilungen der Schutzangebots- und Zuschlagspreise häufig keiner auf ein konkretes Projekt bezogenen ausdrücklichen Absprache mehr bedurfte (vgl. BGH Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 43). Es geht um die Kausalität des Schadens, die davon abhängt, wie weit die Verursachungsbeiträge zeitlich zurück oder in die Zukunft wirken und wie weit Verursachungsbeiträge eines nicht auf dem den Schaden betreffenden Markt tätigen Unternehmens für die Schäden auf den entfernteren Märkten reichen (vgl. Weitbrecht in: Fuchs/Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 15 Rn. 124).

In Konsequenz dessen wäre eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Beklagten nur soweit gegeben, wie die jeweiligen Wettbewerbsbeziehungen und die zeitlichen Beteiligungen reichen. Entsprechend hätte der Kläger seine Klageanträge differenzieren müssen, wovon er trotz entsprechender Einwände der Beklagten und NI bewusst abgesehen hat.

6. Nebenentscheidungen

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

7. Revision

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf einer einzelfallbezogenen Auswertung des Parteivorbringens auf der Grundlage der in den zitierten Entscheidungen enthaltenen höchstrichterlichen Vorgaben.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

Insolvenzordnung - InsO | § 80 Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts


(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. (2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsve

Zivilprozessordnung - ZPO | § 32 Besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung


Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 33 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 1 Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen


Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Insolvenzordnung - InsO | § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens


Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Un

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 428 Gesamtgläubiger


Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 81 Bußgeldtatbestände


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Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 9 Handeln für einen anderen


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1.
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2.
einer vollziehbaren Anordnung nach
a)
§ 19a Absatz 2, § 30 Absatz 3, § 31b Absatz 3 Nummer 1 und 3, § 32 Absatz 1, § 32a Absatz 1, § 32b Absatz 1 Satz 1 oder § 41 Absatz 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit § 40 Absatz 3a Satz 2, auch in Verbindung mit § 41 Absatz 2 Satz 3 oder § 42 Absatz 2 Satz 2, oder § 60 oder
b)
§ 39 Absatz 5 oder
c)
§ 47d Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 47f Nummer 1 oder
d)
§ 47d Absatz 1 Satz 5 erster Halbsatz in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 47f Nummer 2 zuwiderhandelt,
3.
entgegen § 39 Absatz 1 einen Zusammenschluss nicht richtig oder nicht vollständig anmeldet,
4.
entgegen § 39 Absatz 6 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet,
5.
einer vollziehbaren Auflage nach § 40 Absatz 3 Satz 1 oder § 42 Absatz 2 Satz 1 zuwiderhandelt,
5a.
einer Rechtsverordnung nach § 47f Nummer 3 Buchstabe a, b oder c oder einer vollziehbaren Anordnung aufgrund einer solchen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist,
5b.
entgegen § 47k Absatz 2 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 47k Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2, eine dort genannte Änderung oder Mengenangabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt,
6.
entgegen § 59 Absatz 2 oder Absatz 4, auch in Verbindung mit § 47d Absatz 1 Satz 1, § 47k Absatz 7 oder § 82b Absatz 1, ein Auskunftsverlangen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig beantwortet oder Unterlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig herausgibt,
7.
entgegen § 59 Absatz 1 Satz 6, auch in Verbindung mit § 82b Absatz 1, nicht zu einer Befragung erscheint,
8.
entgegen § 59a Absatz 2, auch in Verbindung mit § 47d Absatz 1 Satz 1 und § 47k Absatz 7, geschäftliche Unterlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zur Einsichtnahme und Prüfung vorlegt oder die Prüfung von geschäftlichen Unterlagen sowie das Betreten von Geschäftsräumen und -grundstücken nicht duldet,
9.
entgegen § 59b Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 82b Absatz 1, eine Durchsuchung von Geschäftsräumen oder geschäftlich genutzten Grundstücken oder Sachen nicht duldet,
10.
ein Siegel bricht, das von den Bediensteten der Kartellbehörde oder von einer von diesen Bediensteten ermächtigten oder benannten Person gemäß § 59b Absatz 3 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit § 82b Absatz 1, angebracht worden ist, oder
11.
ein Verlangen nach § 59b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit § 82b Absatz 1, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig beantwortet.

(3) Ordnungswidrig handelt, wer

1.
entgegen § 21 Absatz 1 zu einer Liefersperre oder Bezugssperre auffordert,
2.
entgegen § 21 Absatz 2 einen Nachteil androht oder zufügt oder einen Vorteil verspricht oder gewährt oder
3.
entgegen § 24 Absatz 4 Satz 3 oder § 39 Absatz 3 Satz 5 eine Angabe macht oder benutzt.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebes vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrages für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Für Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(1) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Hierbei ist auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu berücksichtigen. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn durch das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet wird. Weicht die Entscheidung vom Votum der Stellungnahme ab, die die Monopolkommission nach Absatz 5 Satz 1 erstellt hat, ist dies in der Verfügung gesondert zu begründen.

(2) Die Erlaubnis kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. § 40 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 3a gilt entsprechend.

(3) Der Antrag ist innerhalb einer Frist von einem Monat seit Zustellung der Untersagung oder einer Auflösungsanordnung nach § 41 Absatz 3 Satz 1 ohne vorherige Untersagung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie schriftlich zu stellen. Wird die Untersagung angefochten, beginnt die Frist in dem Zeitpunkt, in dem die Untersagung unanfechtbar wird. Wird die Auflösungsanordnung nach § 41 Absatz 3 Satz 1 angefochten, beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, zu dem die Auflösungsanordnung unanfechtbar wird.

(4) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie soll über den Antrag innerhalb von vier Monaten entscheiden. Wird die Entscheidung nicht innerhalb dieser Frist getroffen, teilt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Gründe hierfür dem Deutschen Bundestag unverzüglich schriftlich mit. Wird die Verfügung den antragstellenden Unternehmen nicht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des vollständigen Antrags zugestellt, gilt der Antrag auf die Ministererlaubnis als abgelehnt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kann die Frist nach Satz 3 auf Antrag der antragstellenden Unternehmen um bis zu zwei Monate verlängern. In diesem Fall ist Satz 3 nicht anzuwenden und die Verfügung ist den antragstellenden Unternehmen innerhalb der Frist nach Satz 4 zuzustellen.

(5) Vor der Entscheidung nach Absatz 4 Satz 1 ist eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen und den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Fall eines Antrags auf Erlaubnis eines untersagten Zusammenschlusses im Bereich der bundesweiten Verbreitung von Fernsehprogrammen durch private Veranstalter ist zusätzlich eine Stellungnahme der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich einzuholen. Die Monopolkommission soll ihre Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach Aufforderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie abgeben.

(6) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlässt Leitlinien über die Durchführung des Verfahrens.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat

1.
das Vorliegen der erforderlichen technischen Voraussetzungen für eine Übermittlung der abgegebenen Mengen nach § 47k Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 in Verbindung mit der Rechtsverordnung nach § 47k Absatz 8 festzustellen und
2.
die Feststellung nach Nummer 1 im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) § 47k Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 ist nach Ablauf des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Bekanntmachung nach Absatz 1 Nummer 2 erfolgt, anzuwenden; dieser Tag ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unverzüglich im Bundesanzeiger bekannt zu machen.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. November 2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Revision der Klägerin und der Revision der Beklagten im Kostenpunkt und im Umfang der nachfolgenden Änderung des erstinstanzlichen Urteils aufgehoben.

Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 30. Oktober 2015 im Kostenpunkt aufgehoben und in Nummer 2 bis 3 des Tenors wie folgt geändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Beton Kemmler GmbH & Co. KG sowie der Beton Kemmler GmbH sämtliche Schäden nebst Zinsen ab Schadensentstehung in Höhe von jährlich 4 Prozent zu ersetzen, die aufgrund von im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2002 in Bezug auf den Absatz von Grauzement getroffenen Quotenabsprachen der Beklagten mit anderen Herstellern von Zement, gemäß den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 2009 - VI-2a Kart 2-6/08 OWi, bestätigt durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, im Zusammenhang mit Bezügen von Grauzement durch die Beton Kemmler GmbH & Co. KG bei der Beklagten sowie bei Gesellschaften der Unternehmensgruppen Schwenk und Dyckerhoff sowie bei Rohrbach Zement/Portlandzementwerk im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2002 entstanden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Ausgenommen hiervon sind die Kosten des Zwischenstreits über den Beitritt der Streithelferin zu 3 auf Seiten der Klägerin, diese trägt die Streithelferin zu 3. Die Klägerin trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferinnen zu 1 und 2 sowie 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 3 in der Revisionsinstanz. Im Übrigen tragen die Streithelferinnen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Beteiligung an einem Kartell auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

2

Die Klägerin handelt mit Baustoffen und befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bauelementen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin bezog in den Jahren 1993 bis 2002 bei der Beklagten, bei den Streithelferinnen zu 1 und 2 und bei der Rohrbach Zement GmbH & Co. KG (früher Portlandzementwerk Dotternhausen, im Folgenden: Rohrbach) Zement für insgesamt rund 10,67 Millionen Euro.

3

Im April 2003 erließ das Bundeskartellamt gegen die Beklagte, die Streithelferinnen zu 1 und 2 sowie weitere Zementhersteller Bußgeldbescheide wegen kartellrechtswidriger Gebiets- und Quotenabsprachen. Nachdem die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 und 2 Einspruch eingelegt hatten, setzte das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 26. Juni 2009 (VI-2a Kart 2-6/08 OWi) wegen Kartellordnungswidrigkeiten, unter anderem wegen der Beteiligung an einem Kartell über Zementlieferquoten in den südlichen Bundesländern, Bußgelder fest. Die Bußgeldverfahren sind durch Entscheidung des Bundesgerichtshofs rechtskräftig abgeschlossen (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 - Grauzementkartell I).

4

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Schäden nebst Zinsen zu ersetzen, die der Rechtsvorgängerin der Klägerin aus den Beschaffungsvorgängen im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2002 aufgrund der Kartellabsprachen entstanden sind und künftig noch entstehen.

5

Die Klage war vor dem Landgericht bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs erfolgreich. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Mehrerlös herauszugeben, den die Beklagte aufgrund von Quotenabsprachen aus ihren Lieferungen von Grauzement an die Rechtsvorgängerin der Klägerin erlangt hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen beide Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

7

A. Das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, NZKart 2016, 595 = WuW 2017, 43) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.

8

Die Klage sei zulässig. Zu Recht habe das Landgericht das Feststellungsinteresse bejaht. Die Erhebung einer Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage sei aus prozessökonomischen Gründen geboten, wenn der Kläger den Schaden erst nach Durchführung einer sachverständigen Begutachtung beziffern könne. Dies sei bei Schadensersatzklagen wegen eines Kartellverstoßes regelmäßig der Fall. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO stehe dem nicht entgegen. Der Klageantrag sei auch ausreichend bestimmt.

9

Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ergebe sich für Erwerbsvorgänge in den Jahren 1993 bis 1998 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1990, für die Jahre 1999 bis 2002 aus §§ 1, 33 Abs. 1 GWB. Die Beteiligung der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 und 2 am Kartell sei nicht streitig. Da das Bußgeldverfahren bei Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle noch nicht rechtskräftig abgeschlossen gewesen sei, finde zudem § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB Anwendung. Die Lieferverträge seien von dem Kartell betroffen. Das Landgericht habe zu Recht angenommen, dass bei einem Quotenkartell der erste Anschein dafür spreche, dass es sich preissteigernd auswirke. Auch ergebe sich aus den bindenden Feststellungen im Bußgeldverfahren, dass die Beklagte und die Streithelferinnen zu 1 und 2 kartellbedingt Mehrerlöse erzielt hätten. Die Klageforderung sei nur auf Erwerbsvorgänge gestützt, durch die die Klägerin Grauzement direkt von der Beklagten, den Streithelferinnen zu 1 und 2 oder Rohrbach bezogen habe. Es bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell, das Anfang 2002 geendet habe, noch bis zum Ende des Jahres 2002 das Preisniveau beeinflusst habe. Eine Beteiligung von Rohrbach an dem Kartell sei zwar nicht festgestellt, doch spreche angesichts des Umstands, dass das Kartell eine Marktabdeckung von 71,3 % erreicht habe, der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass das Kartell auch bei Kartellaußenseitern zu Preiserhöhungen geführt habe. Damit sei der Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich.

10

Soweit die Klägerin Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden begehre, sei die Klage unbegründet, weil die Schadensentwicklung abgeschlossen sei.

11

Soweit es um entstandene Schäden gehe, greife die Einrede der Verjährung. Die Verjährung richte sich nach §§ 195, 199 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Die Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2004 zu laufen begonnen. Die Klägerin habe zwar bereits 2003 aus der Presse von dem Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts Kenntnis erlangt. Allerdings seien die Erkenntnisse des Amtes und die verfügbaren Beweismittel darin nur in stark zusammengefasster Form bezeichnet worden, so dass die Klägerin daraus keinen hinreichend zuverlässigen Aufschluss habe erlangen können. Grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin sei jedoch ab dem Jahre 2004 anzunehmen. Aufgrund der Berichterstattung habe es sich für die Klägerin aufdrängen müssen, dass eine Beteiligung der Beklagten an dem den süddeutschen Raum betreffenden Kartell ernsthaft in Betracht komme. Sie hätte daher Einsicht in die Bußgeldbescheide nehmen und sich einen Überblick über die ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel verschaffen müssen. Es sei davon auszugehen, dass der Klägerin erst 2004 Akteneinsicht gewährt worden wäre; selbst wenn sie schon 2003 Einsicht hätte nehmen können, wäre ihr aber angesichts des Umfangs der Unterlagen ein Prüfungszeitraum von mindestens zehn Monaten zuzubilligen gewesen.

12

Die Ermittlungen im Bußgeldverfahren hätten nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. § 33 Abs. 5 GWB 2005 finde auf Altfälle keine Anwendung. Der Klägerin stehe danach lediglich ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 Satz 1 BGB zu. Da nicht aufgezeigt sei, dass der Beklagten ein kartellbedingter Mehrerlös aus den Zementeinkäufen bei anderen Unternehmen zugeflossen sei, sei die Feststellungsklage nur bezüglich der die Beklagte betreffenden Erwerbsvorgänge begründet. Der Zinsanspruch sei nach § 217 BGB mit dem Hauptanspruch verjährt. Die Klägerin könne, da sie nur Feststellungsklage erhoben habe, auch keine Prozesszinsen beanspruchen.

13

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat überwiegend Erfolg. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

14

I. Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Feststellungsklage sei zulässig.

15

1. Ein berechtigtes Interesse an der Erhebung einer positiven Feststellungsklage besteht grundsätzlich nicht, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119; Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901- Feststellungsinteresse III). Dies schließt im Streitfall jedoch das Feststellungsinteresse nicht aus.

16

a) Geht es um die gerichtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen, ist anerkannt, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, solange die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der Schaden daher noch nicht endgültig beziffert werden kann (BGH, Urteil vom 15. Januar 2008 - VI ZR 53/07, NJW-RR 2008, 1520). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein solcher Fall hier jedoch nicht vor. Die schadensbegründenden Handlungen lagen zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung bereits 14 Jahre zurück, so dass nicht damit zu rechnen ist, dass sich aus ihnen künftig weitere Schäden ergeben.

17

b) Ein Feststellungsinteresse ist der Klägerin jedoch im Hinblick auf die Feststellung des Berufungsgerichts zuzubilligen, dass zur Bezifferung des Schadens ein ökonomisches Gutachten erforderlich ist.

18

aa) Der damit verbundene Aufwand an Zeit und Kosten ist allerdings - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - für sich genommen kein zureichender Grund, dem Kläger die Befugnis zur Erhebung einer Feststellungsklage zuzubilligen. Denn die Bezifferung des Schadens bliebe dem Kläger angesichts der Erforderlichkeit, der Feststellungsklage eine Leistungsklage mit beziffertem Klageantrag folgen zu lassen, ohnehin nicht erspart. Die Feststellungsklage ist daher, sofern nicht ausnahmsweise die Notwendigkeit besteht, den Schadensersatzanspruch gegen eine drohende Verjährung zu sichern, in der Regel nicht bereits deshalb zulässig, weil die Bezifferung des Schadens die Einholung sachverständigen Rats erforderte (BGH, Urteil vom 21. September 1987 - II ZR 20/87, NJW-RR 1988, 445), zumal dies dazu führte, dass der Beklagte ohne sachliche Rechtfertigung mit den Kosten zweier Rechtsstreitigkeiten belastet zu werden drohte.

19

bb) Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

20

(1) Die Klägerin stützt die von ihr geltend gemachten Ansprüche auf den Vorwurf unzulässiger Kartellabsprachen in den Jahren 1993 bis 2002. Die gesetzlichen Regelungen über die Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche wurden in der Zeit danach durch das Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Jahr 2005 geändert. Diese Änderungen betrafen neben der Bindung des Gerichts im Schadensersatzprozess an die im Bußgeldverfahren getroffenen Feststellungen der Kartellbehörden und der Gerichte zu dem Kartellverstoß (§ 33 Abs. 4 GWB 2005) insbesondere auch die Verjährungsregelungen. Nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 wird die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Art. 81 oder 82 EG (jetzt Art. 101, 102 AEUV) oder eine Verfügung der Kartellbehörde ein Verfahren einleitet. Die Hemmung endet sechs Monate nach bestands- oder rechtskräftigem Abschluss des kartellbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens (§ 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB). Da der durch Kartellabsprachen Geschädigte regelmäßig erst nach der Einleitung eines solchen Verfahrens von den entsprechenden Vorgängen und den an ihnen beteiligten Personen Kenntnis erlangt, steht ihm seitdem für die Entscheidung darüber, ob er Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend machen will, regelmäßig ein Zeitraum von drei Jahren und sechs Monaten zur Verfügung.

21

(2) Für die Klägerin stellte sich die Situation anders dar.

22

Nachdem es an einer ausdrücklichen Übergangsregelung fehlt, ergaben sich alsbald Meinungsverschiedenheiten darüber, ob § 33 Abs. 5 GWB 2005 auch auf sogenannte Altfälle, also auf Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verjährt waren, anzuwenden sei (verneinend etwa Bumiller in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, 2. Auflage [2008], § 59 Rn. 4; bejahend Fuchs/Klaue in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Auflage [2007], § 131 Rn. 22). Da eine höchstrichterliche Klärung der Frage nicht erfolgt war, war für die Klägerin nur schwer zu beurteilen, ob die Verjährungsfrist während der Dauer des Bußgeldverfahrens gehemmt war oder nicht.

23

Zugleich war die Beurteilung der Frage erschwert, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hatte. Gerichtliche Entscheidungen zu der Frage, wann die durch eine Kartellabsprache geschädigten Personen ausreichende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten, lagen zu der Zeit, zu der die Klägerin eine Entscheidung darüber treffen musste, ob sie ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen versucht, noch nicht vor.

24

War danach die Rechtslage hinsichtlich einer möglichen Verjährung aus der Sicht der Klägerin kaum zuverlässig einzuschätzen, musste sie ernsthaft in Betracht ziehen, dass die Berufung der Beklagten auf die Einrede der Verjährung Erfolg haben könnte. Aus Sicht der Klägerin war bereits ungewiss, ob die Gerichte eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 zu ihren Gunsten annehmen würden. Selbst für diesen Fall musste sie damit rechnen, dass die Gerichte zu der Auffassung gelangen würden, ein Teil der Verjährungsfrist sei bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle verstrichen, so dass ihr nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens nur noch ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum zur Verfügung stehen würde, um die Verjährung durch Erhebung einer Klage zu hemmen.

25

cc) Unter diesen besonderen Umständen war die Klägerin befugt, ihre Schadensersatzansprüche durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage gegen die drohende Verjährung zu sichern, ohne das Ergebnis eines zeit- und kostenaufwändigen Gutachtens abzuwarten.

26

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Klageantrag sei hinreichend bestimmt.

27

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Bestimmtheit eines auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klageantrags voraus, dass die zum Ersatz verpflichtenden Ereignisse bestimmt bezeichnet werden, damit über den Umfang der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs keine Ungewissheit herrschen kann (BGH, Urteil vom 10. Januar 1983 - VIII ZR 231/81, NJW 1983, 2247, 2250). Zur Auslegung des Klageantrags kann dabei auf das Klagevorbringen Bezug genommen werden. Danach ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, unter Berücksichtigung der Klagebegründung und der dort in Bezug genommenen Anlagen seien die Beschaffungsvorgänge, auf die die Schadensersatzforderung gestützt wird, hinreichend individualisiert.

28

Die Revision der Beklagten nimmt dies auch hin; ihre Bedenken richten sich gegen die Bestimmtheit des Tenors des angefochtenen Urteils, greifen jedoch aus denselben Gründen auch insoweit nicht durch.

29

II. Die Feststellungsklage ist auch überwiegend begründet.

30

1. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war die Beklagte im Zeitraum von 1992 bis zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt Anfang 2002 an Quotenabsprachen hinsichtlich des Vertriebs von Grauzement im süddeutschen Raum beteiligt. Da das deswegen gegen die Beklagte und andere Unternehmen eingeleitete kartellbehördliche Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle noch andauerte, findet zudem, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB 2005 Anwendung (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 2763, 2765; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4477, 4478; OLG Karlsruhe NZKart 2014, 366, 367; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. November 2015 - 11 U 73/11 [Kart], Juris-Rn. 38). Danach ist das Gericht im nachfolgenden Schadensersatzprozess an die Feststellung eines schuldhaften Verstoßes gebunden, wie sie in bestandskräftigen Entscheidungen der Kartellbehörde und rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen getroffen wurde (zum Umfang der Bindungswirkung BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 - Lottoblock II). Solche Feststellungen wurden hier durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Bußgeldverfahren getroffen, die durch den Bundesgerichtshof bestätigt wurde.

31

Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB 2005 hat in erster Linie verfahrensrechtliche Bedeutung und findet demgemäß nach allgemeinen Grundsätzen und mangels anderweitiger Anordnung des Gesetzgebers auf alle Schadensersatzprozesse Anwendung, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen waren. In diesen Verfahren ist das Gericht an Entscheidungen der Kartellbehörde und Gerichtsentscheidungen in Verfahren gebunden, die - wie im Streitfall - ihrerseits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm noch nicht abgeschlossen waren und mithin noch nicht zu einer bestandskräftigen oder rechtskräftigen Entscheidung geführt hatten.

32

Dem steht nicht entgegen, dass mit der 7. GWB-Novelle die private Rechtsdurchsetzung gestärkt und mit der Stärkung der Rechtsposition der Kartellgeschädigten zugleich eine abschreckende Wirkung auf künftige Kartelltäter erzielt werden sollte. Zwar war die Einführung von § 33 Abs. 4 GWB 2005 naturgemäß nicht geeignet, auf ein den Regelungen des Kartellrechts entsprechendes Verhalten von Unternehmen im Zeitraum vor ihrem Inkrafttreten Einfluss zu nehmen. Sinn und Zweck der Norm sind aber nicht auf eine solche Verhaltenssteuerung beschränkt. Die Einführung einer Feststellungswirkung kartellbehördlicher und gerichtlicher Entscheidungen für den Zivilprozess durch § 33 Abs. 4 GWB 2005 dient nicht nur der Prävention, sondern in erster Linie dazu, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern (BT-Drucks. 15/3640 S. 35), indem die in Kartellverwaltungs- und Bußgeldverfahren erarbeiteten Ergebnisse für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche nutzbar gemacht werden (Bornkamm/Tolkmitt in Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Auflage, § 33b GWB Rn. 3). Damit soll verhindert werden, dass der durch kartellrechtswidriges Verhalten erlangte Vorteil bei dem Kartellanten verbleibt. Die präventive Wirkung ist nur die Folge des angestrebten effektiveren Ausgleichs entstandener Kartellschäden; sie geht demgemäß nicht nur von der Norm selbst, sondern nicht zuletzt von dem durch die Norm begünstigten tatsächlich effektiveren Ausgleich entstandener Kartellschäden aus, unabhängig davon, ob die auf diese Weise sanktionierten unerlaubten Handlungen vor oder nach Inkrafttreten des § 33 Abs. 4 GWB 2005 begangen worden sind. Soweit die Bindungswirkung reicht, wird zudem eine mehrfache Befassung verschiedener Gerichte mit den Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche vermieden. Dies wirkt der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen entgegen und schont gerichtliche Ressourcen.

33

2. Die im süddeutschen Raum ansässige Klägerin hat in der Zeit von 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2002 von der Beklagten, den Streithelferinnen zu 1 und 2 und Rohrbach in erheblichem Umfang Grauzement erworben. Für Schadensersatzansprüche ist das jeweils zum Zeitpunkt der Belieferung geltende materielle Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI). Danach kommen als Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche aus Belieferungen ab dem 1. Januar 1999 §§ 33 und 1 GWB in der Fassung vom 26. August 1998 und für die Zeit davor § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB in Betracht.

34

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Feststellung der Ersatzpflicht im gerichtlichen Verfahren voraus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht. Insoweit genügt die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines Schadens (BGH, Urteil vom 6. März 2001 - KZR 32/98, GRUR 2001, 849, 850 mwN - Remailing-Angebot). Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Eintritt eines Schadens aus den in Rede stehenden Belieferungen hinreichend wahrscheinlich ist. Die Revision der Beklagten zeigt insoweit keine Rechtsfehler auf, solche sind auch nicht ersichtlich.

35

a) Wie der Bundesgerichtshof bereits früher ausgesprochen hat, entspricht es einem wirtschaftlichen Erfahrungssatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns der am Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt (BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 f. - Grauzementkartell I). Damit ist es zugleich wahrscheinlich, dass bei den Abnehmern der Kartellanten hierdurch ein Schaden verursacht wird.

36

b) Nach dieser Maßgabe ist auch hinsichtlich der Erwerbsvorgänge, die im Zeitraum nach der Beendigung des Kartells zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt Anfang 2002 bis zum Ende dieses Jahres stattfanden, der Eintritt eines Schadens hinreichend wahrscheinlich. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, die Nachwirkungen eines Kartells entfielen in der Regel erst nach einem Jahr, kann offen bleiben. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wird bereits durch die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Feststellung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Bußgeldverfahren getragen, wonach die Preise für Grauzement erst im Zeitraum von August 2002 bis Februar 2003 auf Marktpreise zurückgegangen sind.

37

c) Der Eintritt eines Schadens ist ferner in Bezug auf Belieferungen der Klägerin durch die ebenfalls am Kartell beteiligten Streithelferinnen zu 1 und 2 wahrscheinlich. Ob der Bezug von Grauzement durch die Klägerin unmittelbar bei den Streithelferinnen erfolgte oder ob ein Zwischenhändler eingeschaltet war, kann offen bleiben. Denn auch in letzterem Fall besteht jedenfalls die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass kartellbedingt überhöhte Preise der Streithelferinnen zu einem Schaden auch bei einem Abnehmer zweiter Stufe führten (BGHZ 190, 145 Rn. 26 - ORWI). Aus den bereits genannten Gründen gilt dies auch für Belieferungen bis zum Ende des Jahres 2002.

38

d) Schließlich ist die Feststellungsklage auch hinsichtlich der Bezüge von Grauzement durch die Klägerin bei Rohrbach begründet. Dem steht nicht entgegen, dass eine Beteiligung von Rohrbach am Kartell nicht festgestellt ist.

39

Wird das Preisniveau auf einem bestimmten Markt in erheblichem Umfang durch ein Kartell beeinflusst, kann dies dazu führen, dass auch Kartellaußenseiter ihre Preise dem erhöhten Niveau anpassen. Eine solche Wirkung wird als Preisschirmeffekt (umbrella pricing) bezeichnet und stellt ebenfalls einen kartellbedingten Schaden dar. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf das nationale Recht der Mitgliedstaaten eine zivilrechtliche Haftung der Kartellanten für solche Schäden demgemäß nicht kategorisch ausschließen (EuGH WuW/E EU-R 3030 - Kone).

40

Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass das Kartell auf eine Marktabdeckung von 71,3 % ausgerichtet war. Unter Hinweis auf die transparenten Marktverhältnisse hat es weiter angenommen, dass Rohrbach auch schon 1993 über die von den Kartellanten verlangten Preise informiert war. Unter diesen Umständen ist seine Annahme, auch die Preise von Rohrbach seien durch das Kartell beeinflusst gewesen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zugleich besteht danach die nicht entfernt liegende Möglichkeit eines entsprechenden Schadens der Klägerin.

41

4. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage als unbegründet angesehen, soweit mit ihr auch die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz noch entstehender Schäden begehrt wird. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann die Entstehung weiterer Schäden sicher ausgeschlossen werden, nachdem die anspruchsbegründenden Vorgänge weit zurückliegen.

42

5. Die Revision der Klägerin bleibt ferner erfolglos, soweit sie auf die Feststellung einer Verzinsung möglicher Schadensersatzansprüche von mehr als 4 % gerichtet ist.

43

a) Soweit der Klägerin Schadensersatzansprüche zustehen, sind diese ab dem Zeitpunkt der Schadensentstehung mit jährlich 4 % zu verzinsen.

44

Dabei kann offenbleiben, ob § 849 BGB unmittelbar Anwendung findet. Nach dieser Norm kann in den Fällen, in denen wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, eine Verzinsung des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangt werden, der der Bestimmung des Werts zugrunde gelegt wird.

45

§ 849 BGB kann ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Beschluss vom 28. September 1993 - III ZR 91/92, NVwZ 1994, 409, 410). Die Norm greift jedoch nach der Rechtsprechung nicht nur bei Sachentziehung oder -beschädigung ein, sondern auch in Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde (BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084; vgl. auch BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 56 f. - VBL-Gegenwert II).

46

§ 849 BGB ist daher in den Fällen der Haftung wegen kartellrechtswidriger Quotenabsprachen zumindest entsprechend anwendbar. Denn die Situation desjenigen, der einen Schaden dadurch erleidet, dass er aufgrund kartellrechtswidriger Absprachen überhöhte Preise zu zahlen hatte, weist Ähnlichkeiten mit der Sachlage bei Entziehung von Geld auf. Mit der entsprechenden Anwendung von § 849 BGB wird zugleich einem unionsrechtlichen Postulat genügt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Zuerkennung von Zinsen nach nationalem Recht als unerlässlicher Bestandteil einer Entschädigung wegen eines Kartellrechtsverstoßes anzusehen (EuGH Slg. 2006, I-6619 Rn. 97 - Manfredi). Aus dem Verweis auf die Entscheidung "Marshall" (EuGH, Slg. 1993, I-4367 Rn. 31) folgt weiter, dass die Verzinsung bereits ab dem Zeitpunkt geboten ist, in welchem der Schaden eingetreten ist. Diese Grundsätze gelten auch für Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

47

Die Höhe der geschuldeten Zinsen ergibt sich aus § 246 BGB.

48

b) Hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung ist die Revision der Klägerin dagegen unbegründet.

49

aa) Ohne Erfolg macht sie geltend, ein höherer Zinsanspruch ergebe sich aus § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB 2005. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet die Neufassung des § 33 Abs. 3 GWB durch die 7. GWB-Novelle keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 54 f. - VBL-Gegenwert II). Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten von § 33 Abs. 3 Satz 3 und 4 GWB 2005 entstanden sind, sind danach auch für die Zeit ab Juli 2005 nicht nach dieser Norm zu verzinsen.

50

bb) Auch § 288 BGB findet im Streitfall keine Anwendung.

51

In Fällen kartelldeliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche ist die Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf Konstellationen beschränkt, in denen sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung auf eine Entgeltforderung des Missbrauchsopfers bezieht (BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rn. 71 - VBL-Gegenwert I).

52

§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB greift nicht ein, da kein Verzug begründet wurde. Eine Absicht des Gesetzgebers, den Deliktsschuldner bei der Zinshöhe dem Verzugsschuldner gleichzustellen, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 57 - VBL-Gegenwert II).

53

cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich der Klägerin eine höhere Verzinsung ab Eintritt der Rechtshängigkeit versagt. § 291 BGB greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1984 - IVb ZR 51/83, BGHZ 93, 183, 186).

54

6. Mit Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Schadensersatzansprüche seien verjährt.

55

a) Im Ansatz zutreffend legt das Berufungsgericht zugrunde, dass sich die Verjährung der möglichen Ansprüche insgesamt nach §§ 195, 199 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung bestimmt.

56

Soweit deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche in Rede stehen, die bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen entstanden sind, wurde die dreijährige Verjährungsfrist für solche Ansprüche nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Regelungen erst zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte (§§ 852 Abs. 1, 198 BGB a.F.). Danach scheidet, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Beginn der Verjährung vor dem 1. Januar 2002 aus. Waren danach Ansprüche der Klägerin bei Inkrafttreten der Schuldrechtsreform noch nicht verjährt, finden nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auf sie die Verjährungsbestimmungen in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

57

b) Nach Auffassung des Berufungsgerichts waren diese Voraussetzungen bei der Klägerin nicht bereits im Jahr 2003 erfüllt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin im Jahr 2003 keine Möglichkeit hatte, Einsicht in die Akten des Bußgeldverfahrens gegen die Beklagte zu erlangen, und dass dies auch für eine auf den im April 2003 ergangenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts beschränkte Akteneinsicht gilt. Selbst wenn sie noch in diesem Jahr Einsicht erlangt hätte, wäre ihr nach seiner Auffassung angesichts des Umfangs der Akten ein Prüfungszeitraum von mindestens zehn Monaten zuzubilligen gewesen.

58

Die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe im Jahr 2003 Akteneinsicht nicht erlangen können, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 24; Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 35). Solche Rechtsfehler zeigt die Revision der Beklagten nicht auf, vielmehr beschränkt sie sich darauf, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.

59

Ohne Erfolg macht die Revision der Beklagten geltend, die Klägerin treffe eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Informationen, die sie 2002 oder 2003 durch eine vom Berufungsgericht unterstellte Anfrage der Streithelferin zu 3 erlangt habe. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Streithelferin zu 3 der Klägerin bereits vor Ablauf des Jahres 2003 Informationen vermittelte, aus denen die Klägerin hinreichende Kenntnis über die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schädigers hätte erlangen können. Die Revision der Beklagten zeigt anderslautenden Vortrag nicht auf.

60

Danach wurde die Verjährungsfrist, unabhängig davon, welche Prüfungsfrist der Klägerin nach erlangter Akteneinsicht zuzubilligen gewesen wäre, nicht schon mit Ablauf des Jahres 2003 in Gang gesetzt.

61

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde die Verjährung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 33 Abs. 5 GWB 2005 durch das zu diesem Zeitpunkt bereits laufende Verfahren wegen Kartellverstoßes gehemmt.

62

aa) Der Streitfall betrifft Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden. Nachdem die Verjährungsfrist, wie ausgeführt, nicht vor Ablauf des Jahres 2004 in Lauf gesetzt wurde, war sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 33 Abs. 5 GWB 2005 noch nicht abgelaufen. Das vom Bundeskartellamt wegen dieser Verstöße eingeleitete Ermittlungsverfahren war bereits durch einen Bußgeldbescheid vom April 2003 beendet, doch hatte dieser, weil er angefochten wurde, noch keine Bestandskraft erlangt.

63

bb) Die Frage, ob § 33 Abs. 5 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB auf eine solche Fallgestaltung mit der Maßgabe Anwendung findet, dass der Lauf der Verjährung mit Inkrafttreten dieser Norm bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der rechtskräftigen Entscheidung oder einer anderweitigen Beendigung des Bußgeldverfahrens gehemmt ist, ist in der Literatur umstritten (vgl. die Nachweise für beide Auffassungen bei Rinne/Kolb, NZKart 2017, 217, 220 Fn. 35 ff.).

64

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierzu liegt bislang nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Senats scheidet § 33 Abs. 3 GWB 2005 mangels entsprechender Übergangsvorschriften als Grundlage für Schadensersatzansprüche aus, die auf frühere Verstöße gegen das unionsrechtliche Kartellverbot gestützt werden (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 55 - VBL-Gegenwert II). Mit der Frage der Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle hat sich der Bundesgerichtshof dagegen bislang nicht befasst.

65

Die Rechtsprechung hat sich überwiegend für eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle ausgesprochen (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4477, 4491; WuW/E DE-R 4601, 4616 ff.; OLG Jena WuW 2017, 203, 207; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24. November 2017 - 11 U 56/16 (Kart.) Umdruck S. 21; LG Berlin, WuW/E DE-R 4917; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30. März 2016 - 2-06 O 464/14, Juris-Rn. 172; LG München I, Urteil vom 27. Juli 2016 - 37 O 24526/14, Juris-Rn. 113; LG Dortmund, Urteil vom 21. Dezember 2016 - 8 O 90/14 (Kart), Juris-Rn. 163; für eine analoge Anwendung LG Hannover, Urteile vom 31. Mai 2016 - 18 O 259/14, Juris-Rn. 56 f., und vom 5. Juli 2016 - 18 O 405/14, Juris-Rn. 89 f.).

66

cc) Diese Auffassung trifft zu.

67

(1) Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthält insoweit keine Übergangsregelung. Die Frage, ob eine Norm, die zu einer Änderung der Verjährungsvorschriften führt, in Fällen anzuwenden ist, in denen die Verjährungsfrist noch läuft, richtet sich daher nach den Grundsätzen des intertemporalen Privatrecht. Hierbei entspricht es einem allgemeinen Rechtsgedanken, dass bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung das neue Gesetz auf die zuvor bereits entstandenen, bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung findet, dass sich jedoch der Beginn sowie die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung für die Zeit vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes nach den bisherigen Regelungen bestimmen (so BGH, Urteil vom 17. Oktober 1960 - VII ZR 216/59, NJW 1961, 25; Urteil vom 23. November 1973 - IV ZR 35/73, NJW 1974, 236, 237 mwN., jeweils zur Verkürzung der Verjährungsfrist; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - I ZR 9/03, NJW-RR 2006, 618 Rn. 16 ff. zur Verlängerung der Verjährungsfrist). Dieser Grundsatz, der in der Rechtsprechung des Reichsgerichts schon vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches entwickelt wurde (RGZ 24, 266, 271) hat nicht nur in Art. 169 EGBGB, sondern auch in Art. 231 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB und in Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 EGBGB seinen Niederschlag gefunden.

68

(2) Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn mit der Änderung der Verjährungsvorschriften eine grundlegende sachliche Änderung der betroffenen Ansprüche einhergeht (BGH NJW 1974, 236, 237; BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 307/95, BGHZ 138, 24, 37 f.) oder wenn der Gesetzgeber eine abweichende Regelung hinsichtlich der intertemporalen Anwendung getroffen hat. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

69

(a) Mit der 7. GWB-Novelle ist die Regelung des § 33 GWB mit dem Ziel neu gefasst worden, die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche auf Schadensersatz bei Verstößen gegen kartellrechtliche Bestimmungen zu erleichtern. Die Änderungen zielten darauf, den Kreis der Anspruchsberechtigten durch Aufgabe des Schutzgesetzerfordernisses zu erweitern, die Passing-on-defence zu erschweren und die Schadensschätzung zu erleichtern, die Rechtsdurchsetzung durch eine Bindungswirkung der Entscheidung im Bußgeldverfahren zu erleichtern und dem Geschädigten höhere Zinsen zuzusprechen. Eine grundlegende Änderung der Regelungen über den Schadensersatz bei Verstößen gegen Bestimmungen des Kartellrechts war damit jedoch nicht verbunden.

70

(b) Der Gesetzgeber hat auch keine abweichende Regelung getroffen. Eine solche kann, anders als das Berufungsgericht meint, nicht darin gesehen werden, dass § 33 Abs. 5 GWB 2005 von Schadensersatzansprüchen "nach Absatz 3" spricht.

71

Diese Formulierung muss nicht dahin verstanden werden, dass § 33 Abs. 5 Satz 1 GWB nur auf solche Ansprüche Anwendung finden soll, die auf Kartellrechtsverstöße gestützt werden, die erst nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erfolgten und ihre Grundlage deshalb in § 33 Abs. 3 GWB 2005 haben. Sie kann vielmehr wegen des in Absatz 3 Satz 1 enthaltenen Verweises auf Absatz 1 zwanglos dahin verstanden werden, dass die Norm alle Schadensersatzansprüche erfassen soll, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 7. GWB-Novelle noch nicht verjährt sind und auf einem Verstoß gegen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen Art. 81 oder 82 EG oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde beruhen (zutreffend OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 4601, 4616).

72

(c) Der Begründung zum Regierungsentwurf der 7. GWB-Novelle lassen sich keine Anhaltspunkte für die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht entnehmen. Vielmehr sprechen die Absicht des Gesetzgebers, die Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche zu sichern (BT-Drucks. 15/3640 S. 55), und der enge sachliche Zusammenhang mit der demselben Zweck dienenden Vorschrift des § 33 Abs. 4 GWB für eine Anwendung von § 33 Abs. 5 GWB auf Altfälle.

73

(d) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber der 9. GWB-Novelle für die abermals geänderte Regelung in § 33h GWB 2017 ausdrücklich deren Anwendung auf bereits entstandene Ansprüche, die zum Zeitpunkt der Verkündung im Bundesgesetzblatt noch nicht verjährt waren, bestimmt hat (§ 186 Abs. 3 Satz 2 GWB). Aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (BT-Drucks. 18/11446, S. 33) ergibt sich, dass diese Fassung der Übergangsvorschrift nur als Klarstellung angesehen und ein Gleichklang mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Anwendbarkeit von § 33 Abs. 5 GWB 2005 auf Altfälle angestrebt wurde.

74

d) Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 GWB 2005 i.V. mit § 204 Abs. 2 BGB endete die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Bußgeldverfahrens. Da das Bußgeldverfahren gegen die Beklagte erst am 26. Februar 2013 rechtskräftig abgeschlossen wurde (BGHSt 58, 158 - Grauzementkartell I), endete die Hemmung der Verjährung am 26. August 2013.

75

e) Nachdem die Verjährungsfrist, wie ausgeführt, nicht vor Ablauf des Jahres 2004 in Gang gesetzt wurde, war bis zum Inkrafttreten von § 33 Abs. 5 GWB 2005 allenfalls ein Zeitraum von sechs Monaten verstrichen.

76

Anders als die Beklagte meint, ist diese Norm nicht erst zum 13. Juli 2005, sondern bereits am 1. Juli 2005 in Kraft getreten, so dass die Hemmung der Verjährung durch das zu diesem Zeitpunkt bereits eingeleitete Bußgeldverfahren mit diesem Tag eintrat. Artikel 4 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung vom 7. Juli 2005, verkündet im Bundesgesetzblatt am 12. Juli 2005 (BGBl. I 1954), ordnete die rückwirkende Geltung des Gesetzes zum 1. Juli 2005 an. Soweit der Bundesgerichtshof für die Neufassung von § 81 GWB durch die 7. GWB-Novelle eine Rückwirkung verneint hat, beruhte dies auf einer durch das Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) gebotenen verfassungskonformen Auslegung, zu der im Streitfall kein Anlass besteht.

77

f) Die am 26. Februar 2015 erhobene und am 19. März 2015 zugestellte Klage hat mithin die Verjährung der Ansprüche rechtzeitig gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V. mit §§ 167, 253 Abs. 1 ZPO).

78

III. Danach hat die Revision der Klägerin überwiegend Erfolg. Dagegen bleibt die Revision der Beklagten erfolglos.

79

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Limperg     

      

Meier-Beck     

      

Raum   

      

Sunder     

      

Deichfuß     

      

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. April 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, die bis 22. Mai 2012 als J.  GmbH und danach bis 14. Mai 2014 als F.  GmbH firmierte, ist eine bundesweit tätige gewerbliche Spielvermittlerin. Gegenstand ihrer Vermittlung waren insbesondere die von den Lottogesellschaften der Bundesländer veranstalteten Lotterien. Die Beklagte ist die Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

2

Ab April 2005 versuchte die Klägerin, eine terrestrische Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften, etwa Supermärkten oder Tankstellen, eingerichtet werden. Einnahmen wollte die Klägerin aus Handlingentgelten der Spielteilnehmer sowie Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin sah die Wahrung des sogenannten "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vor: Die Klägerin beabsichtigte, Spielaufträge immer nur an die Lottogesellschaft zu vermitteln, in deren Bundesland der Spielteilnehmer jeweils wohnte.

3

Unter Beteiligung des damaligen Geschäftsführers der Beklagten fasste der Rechtsausschuss des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) am 25./26. April 2005 folgenden Beschluss:

"Der Rechtsausschuss fordert die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf, Umsätze, die auf diese - nach seiner Auffassung rechtswidrige - Art und Weise durch terrestrischen Vertrieb Gewerblicher erzielt worden sind, nicht anzunehmen ..."

Dieser Beschluss war Gegenstand eines vom Bundeskartellamt eingeleiteten Missbrauchsverfahrens. Mit sofort vollziehbarer Abstellungsverfügung vom 23. August 2006 traf das Bundeskartellamt, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, folgende Feststellungen und Anordnungen (WuW/E DE-V 1251):

A. Die am 25./26. April 2005 beschlossene Aufforderung des Rechtsausschusses des Deutschen Lotto- und Totoblocks an alle Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen, hat gegen Art. 81 EG und § 1 GWB sowie gegen § 21 Abs. 1 GWB und Art. 82 EG verstoßen.

1. Den Betroffenen zu 1 bis zu 18 (DLTB und Lottogesellschaften) wird daher nach § 32 GWB untersagt, die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks aufzufordern, durch terrestrische Vermittlung gewerblicher Spielvermittler erzielte Spielumsätze generell nicht anzunehmen.

2. Den Betroffenen zu 2 bis zu 18 wird nach § 32 GWB untersagt, den unter 1 bezeichneten Beschluss... weiter umzusetzen und sich bei ihrer Geschäftstätigkeit daran zu halten.

....

E. Jede fahrlässige oder vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die vollziehbaren Anordnungen zu A.1 bis A.4 ... stellt eine mit Bußgeld bedrohte Ordnungswidrigkeit dar (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a GWB), die nach § 81 Abs. 4 GWB mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Euro, bei Unternehmen darüber hinaus bis zu 10% des jeweils im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes geahndet werden kann.

4

Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Juni 2007, WuW/E DE-R 2003) und dem Bundesgerichtshof (Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 - Lottoblock) in der Sache ohne Erfolg.

5

Die Klägerin nahm im Jahr 2005 mit verschiedenen Kooperationspartnern die terrestrische Vermittlung von Lotterien auf. Allerdings waren die Lottogesellschaften nicht bereit, hierfür Provisionen zu zahlen. Nachdem im Laufe der Zeit die ursprünglich beabsichtigte Kooperation mit allen Lottogesellschaften unter Wahrung des Regionalitätsprinzips ausgeschlossen erschien, änderte die Klägerin ihr Konzept für den terrestrischen Vertrieb. Spieleinsätze sollten bei den stationären Partnern der Klägerin weiterhin bundesweit akquiriert, jedoch nur noch an einzelne Lottogesellschaften vermittelt werden. Bis Ende 2008 hatte die Klägerin die Möglichkeit, solche bundesweit akquirierten Spieleinsätze über eine Schnittstelle bei Lotto B.     einzuspielen. Allerdings gewährte Lotto B.     die Schnittstelle nicht freiwillig, sondern allein in Befolgung mehrerer von der Klägerin erstrittener gerichtlicher Anordnungen. Danach stellte die Klägerin die terrestrische Vermittlung ein; die insoweit nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 ab 1. Januar 2009 erforderliche Erlaubnis hatte sie lediglich für Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erhalten.

6

Die Klägerin fordert unter dem Aspekt entgangenen Gewinns für die Jahre 2006 bis 2008 Schadensersatz in vom Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmender Höhe, mindestens jedoch 8,25 Millionen €, zuzüglich Zinsen, weil die Lottogesellschaften sich aufgrund kartellrechtswidrigen, abgestimmten Verhaltens geweigert hätten, mit ihr bei der terrestrischen Spielvermittlung unter Zahlung von Vermittlungsprovisionen zu kooperieren. Zur Schadenshöhe hat sie sich insbesondere auf einen Geschäftsplan, Marktanalysen und ein Privatgutachten gestützt.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 11.538.020,51 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage lediglich wegen eines Teils der geltend gemachten Zinsen abgewiesen (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4394). Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für schadensersatzpflichtig erachtet und dazu ausgeführt:

9

Aufgrund der Senatsentscheidung "Lottoblock" (BGH, WuW/E DE-R 2408) stehe gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung fest, dass die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften von der Beschlussfassung im DLTB am 25./26. April 2005 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 ihr Verhalten abgestimmt und sich hierdurch kartellrechtswidrig verhalten hätten. Auch in der Folgezeit (31. Mai 2007 bis Ende 2008) streite eine Vermutung für eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften, die von der Beklagten nicht widerlegt worden sei. Der Kartellrechtsverstoß der Beklagten sei schuldhaft erfolgt und zumindest mitursächlich für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin, woraus dieser ein Schaden in Höhe des zuerkannten Betrags entstanden sei.

10

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin zwar aufgrund Beteiligung an einer kartellrechtswidrigen Abstimmung mit den anderen Lottogesellschaften dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erlauben indes keine abschließende Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch die verbotene Verhaltensabstimmung in den Jahren 2006 bis 2008 tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11

I. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, aufgrund des im Kartellverwaltungsverfahren "Lottoblock" ergangenen Senatsbeschlusses (WuW/E DE-R 2408) stehe mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass sich die Beklagte im Zeitraum vom 25./26. April 2005 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren aufgrund einer mit den anderen Lottogesellschaften der Länder abgestimmten Verhaltensweise unter Verstoß gegen Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) und § 1 GWB geweigert habe, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze gewerblicher Spielvermittler anzunehmen.

12

1. Bei Schadensersatzklagen wegen Verstößen gegen das deutsche oder Unionskartellrecht ist das Gericht gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB an die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtskräftigen Gerichtsentscheidungen gebunden, die infolge der Anfechtung von Entscheidungen des Bundeskartellamts ergangen sind. Die Bindungswirkung erfasst nicht nur den Tenor, sondern auch die tragenden Gründe der Entscheidung und erstreckt sich auf die Feststellung des Kartellrechtsverstoßes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. etwa Dreher, ZWeR 2008, 325, 328 f.; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, 2010, S. 426 f.; Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadensersatzklagen, 2010, S. 174, 179; Bornkamm in Langen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Aufl., § 33 Rn. 169; Bechtold/Bosch, GWB, 8. Aufl., § 33 Rn. 42; aA Meyer, GRUR 2006, 27, 29 f.).

13

Zwar verwendet die Begründung des Regierungsentwurfs zur 7. GWB-Novelle zur Bezeichnung der mit § 33 Abs. 4 GWB gewollten Wirkung den Begriff "Tatbestandswirkung" (Begründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Damit ist jedoch keine Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn gemeint, die allein an den Tenor einer Entscheidung anknüpft. Ein solches enges Verständnis des § 33 Abs. 4 GWB wäre unvereinbar mit dem Zweck der Bestimmung, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Kartellrechtsverstößen zu erleichtern (vgl. BT-Drucks. 15/3640, S. 35). Auch aus dem Zusammenhang der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Einführung von § 33 Abs. 4 GWB keine enge Tatbestandswirkung im verwaltungsrechtlichen Sinn beabsichtigt hat. Danach bezieht sich die Tatbestandswirkung auf die Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes, während alle weiteren Fragen, insbesondere zur Schadenskausalität und zur Schadensbezifferung, der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegen (BT-Drucks. 15/3640, S. 54). Feststellungen zur Kausalität und zur Schadenshöhe sind indes nie im Tenor einer kartellbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung enthalten, sondern stets nur in den Entscheidungsgründen. Die Differenzierung zwischen der Feststellung des Verstoßes und allen weiteren Fragen in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 33 Abs. 4 GWB kann sich daher nur auf die Entscheidungsgründe beziehen (Dreher, ZWeR 2008, 325, 329).

14

Zudem wäre der Regelungsinhalt bei einem engen Verständnis der Tatbestandswirkung des § 33 Abs. 4 GWB rein deklaratorisch, weil die Bindung an den Entscheidungstenor einer bestandskräftigen behördlichen oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ohnehin besteht, ohne dass es einer besonderen gesetzlichen Regelung bedarf. Die Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 GWB erfasst daher alle im vorangegangenen Verfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den Lebenssachverhalt bilden, bezüglich dessen ein Kartellrechtsverstoß festgestellt wurde, und die seine rechtliche Einordnung als Verstoß tragen (vgl. Nothdurft, Festschrift für Tolksdorf, 2014, S. 533, 541).

15

Soweit eine die kartellbehördliche Verfügung bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof überprüft worden ist, ist allerdings zu beachten, dass der Bundesgerichtshof keine eigenen Feststellungen trifft (§ 76 Abs. 4 GWB). Vielmehr hat er seiner Entscheidung die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts zugrunde zu legen. Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 S. 2 GWB besteht in diesem Fall für diejenigen tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts, die nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die Zurückweisung der Beschwerde tragen. Soweit das Beschwerdegericht weitere Feststellungen getroffen haben sollte, sind sie für die rechtskräftige Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren ohne Bedeutung und werden nicht von der Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 S. 2 GWB erfasst.

16

2. Das Berufungsgericht hat danach zutreffend angenommen, nach seiner Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren und dem die Rechtsbeschwerde, soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse, zurückweisenden Senatsbeschluss "Lottoblock" stehe für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 GWB fest, dass es die Beklagte und die anderen Landeslottogesellschaften unter Verstoß gegen Art. 81 EG und § 1 GWB in Umsetzung des Beschlusses des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 abgelehnt haben, terrestrisch vermittelte Spieleinsätze der gewerblichen Spielvermittler anzunehmen. Richtig ist ebenso die Annahme, diese Beurteilung beruhe auf der im Kartellverwaltungsverfahren nicht ausgeräumten Vermutung, der Beschluss des Rechtsausschusses sei von den Lottogesellschaften bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens berücksichtigt worden (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock, mit Hinweis auf EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni).

17

3. Das Berufungsgericht hat jedoch fehlerhaft angenommen, aufgrund dieser Vermutung sei die andauernde Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens aller Lottogesellschaften bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht im Kartellverwaltungsverfahren am 30. Mai 2007 gemäß § 33 Abs. 4 GWB mit Bindungswirkung für den Schadensersatzprozess festgestellt.

18

a) Für den Umfang der Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB kommt es auf die im Vorverfahren oder -prozess getroffenen tatsächlichen Feststellungen an. Handelt es sich um eine Bußgeldentscheidung, so wird sie regelmäßig Feststellungen zur Dauer des Verstoßes enthalten, weil es sich dabei um ein wesentliches Zumessungskriterium im Rahmen von § 17 OWiG handelt (zu einem derartigen Fall vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 U 51/12 (Kart), juris Rn. 46, insoweit nicht in NZKart 2014, 366). Bei Entscheidungen im Kartellverwaltungsverfahren ist dagegen der Zeitraum des Verstoßes nicht notwendig zu bestimmen. Für die Rechtmäßigkeit einer Abstellungsverfügung gemäß § 32 GWB kommt es darauf an, ob eine Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen oder gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV begangen worden ist oder jedenfalls droht. Die Abstellungsverfügung setzt mithin lediglich eine Begehungsgefahr voraus, die sich regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, aus einer in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung ergibt (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 52 - Lottoblock; Bornkamm in Langen/Bunte aaO, § 32 GWB Rn. 15). Mit der Feststellung einer Wiederholungsgefahr wird jedoch nicht die andauernde weitere Begehung der Zuwiderhandlung festgestellt. Die Feststellung der Gefahr eines (weiteren) Verstoßes ist nicht mit der Feststellung eines tatsächlich eingetretenen Verstoßes gleichzusetzen.

19

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es für den Umfang der Bindungswirkung unerheblich, welcher Tatsachenvortrag bis zur letzten Tatsachenverhandlung im Kartellverwaltungsverfahren gehalten werden konnte. Maßgeblich ist vielmehr allein, in welchem Umfang eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen der abschließenden Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren festgestellt worden ist. Selbst wenn festgestellt worden wäre, dass die Zuwiderhandlung eingestellt worden sei, hätte dies die Wiederholungsgefahr nach allgemeinen Grundsätzen nicht beseitigt und wäre daher für die Entscheidung unerheblich gewesen.

20

b) Danach steht für den vorliegenden Schadensersatzprozess mit Bindungswirkung gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein Verstoß der Lottogesellschaften gegen Art. 81 EG und § 1 GWB für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2006 nicht fest.

21

Im Beschluss "Lottoblock" hat der Senat die Annahme eines Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften im Anschluss an die Entschließung des Rechtsausschusses des DLTB vom 25./26. April 2005 durch das Beschwerdegericht gebilligt, weil die für die Befolgung dieses Beschlusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens streitende Vermutung nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht widerlegt worden war. Er hat dabei auf Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Verhalten verschiedener Lottogesellschaften bis Ende 2005 Bezug genommen, aus dem sich ergibt, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des Rechtsausschusses vielmehr befolgt haben (BGH, WuW/E DE-R 2406 Rn. 41-44 - Lottoblock). Diese Erwägung gehört zu den tragenden Gründen der Senatsentscheidung "Lottoblock", weil bei einer Widerlegung der für ein abgestimmtes Verhalten der Lottogesellschaften sprechenden Vermutung die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts insoweit hätte aufgehoben werden müssen. Da es sich bei einem kartellrechtswidrigen abgestimmten Verhalten um eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung handelt, haften alle daran teilnehmenden Unternehmen und damit auch die Beklagte nach §§ 830, 840 BGB als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 80 - ORWI, zur Verabredung und Durchführung eines Kartells). Dazu, ob und gegebenenfalls wie lange der Kartellrechtsverstoß der Lottogesellschaften ab dem 1. Januar 2006 noch andauerte, verhält sich die Senatsentscheidung "Lottoblock" dagegen nicht, und Ausführungen hierzu würden die Entscheidung und diejenige des Beschwerdegerichts auch nicht tragen.

22

Soweit sich der Senat in Randnummer 46 des Beschlusses mit der Frage befasst hat, ob einzelne Lottogesellschaften ihre Verträge über terrestrische Spielvermittlung aus anderen - kartellrechtlich unbedenklichen - Gründen im Juni 2006 wirksam gekündigt haben, steht dies nicht im Zusammenhang mit Feststellungen über die Fortsetzung des abgestimmten Verhaltens bis zu diesem Zeitpunkt. Vielmehr geht es dort allein um die Frage, ob der ursprünglichen Beteiligung auch der dort genannten Lottogesellschaften an dem abgestimmten Verhalten entgegenstehen könnte, dass sie später - unter Umständen berechtigt - die Zusammenarbeit mit den gewerblichen Spielvermittlern gekündigt haben.

23

II. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Lottogesellschaften und damit auch die Beklagte den Beschluss des Rechtsausschusses bei der Bestimmung ihres Marktverhaltens auch über den 31. Dezember 2005 hinaus berücksichtigt haben. Hierfür streitet eine tatsächliche Vermutung (vgl. EuGH, Slg. 1999, I-4125 = WuW/E EU-R 320 Rn. 121, 126 - Anic Partecipazioni; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 43 - Lottoblock). Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass diese Vermutung weder durch das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) noch durch den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsauschusses des DLTB vom Juli 2006, die Zustellung der Abstellungsverfügung des Bundeskartellamts oder andere tatsächliche Umstände ausgeräumt worden ist.

24

1. Unternehmen, die ihr Verhalten koordiniert haben, weil sie sich wirtschaftliche Vorteile durch die Beseitigung oder Verringerung des zwischen ihnen bestehenden Wettbewerbs versprechen, haben danach regelmäßig weder Anlass, die Verhaltenskoordinierung zu bekräftigen, noch von ihr abzuweichen. Dies gilt jedenfalls, solange die für die Abstimmung wesentlichen ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen fortdauern und kein Beteiligter erkennbar aus ihr ausbricht. Das rechtfertigt die Vermutung, dass sich die Beteiligten bei ihrem weiteren Marktauftritt so verhalten, wie sie es untereinander abgestimmt haben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat das Eingreifen der Vermutung einer andauernden Zuwiderhandlung demgemäß lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass eine Abstimmung vorliegt und dass die Unternehmen weiterhin auf dem Markt tätig sind (vgl. EuGH, Slg. 2009, I-4529 Rn. 58 - T-Mobile Netherlands BV). Die nationalen Gerichte haben diese Vermutung als integralen Bestandteil des Unionsrechts anzuwenden (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 33 - Eturas). Aufgrund dieser Vermutung konnte und musste das Berufungsgericht eine Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften über den 31. Dezember 2005 hinaus annehmen.

25

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die Vermutung nicht schon durch den Hinweis der Beklagten auf das "ODDSET-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (BVerfGE 115, 276) als ausgeräumt angesehen.

26

a) Zwar scheidet eine Berücksichtigung dieses Urteils entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, wie ausgeführt, nicht schon aus zeitlichen Gründen wegen der Bindungswirkung der Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 GWB aus.

27

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten stand jedoch mit der "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts nicht fest, dass die Lottogesellschaften sich auf keine Vertriebskooperation mit der Klägerin einlassen durften. Ein Verbot gewerblicher Glücksspielvermittlung wird in der Entscheidung nicht ausgesprochen. Um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, haben die Bundesländer den Glücksspielstaatsvertrag abgeschlossen, der am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Der Glücksspielstaatsvertrag schloss eine länderübergreifende gewerbliche Spielvermittlung nicht aus, sondern stellte sie nur unter Erlaubnisvorbehalt (vgl. § 19 i.V.m. §§ 4 bis 7 GlüStV; BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 54, 66 - Lottoblock). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung gebilligt und eine gewerbliche Spielvermittlung damit weiterhin für grundsätzlich zulässig gehalten (BVerfG [Kammer], NVwZ 2008, 1338 Rn. 32, 45, 52).

28

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht den Staat während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens verpflichtet, Wetten nicht expansiv zu vermarkten (BVerfGE 115, 276, 319). Der Senat hat dazu ausgeführt, es liege nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote durch weitere staatliche Lottogesellschaften anzusehen (BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock). Diese Erwägung kann aber nicht ohne weiteres auf eine neue Form des schon bestehenden stationären Vertriebs für die hier in Rede stehenden Lotterien "6 aus 49", "Spiel 77" und "Super 6" übertragen werden, denen unter den Aspekten des Spieler- und Jugendschutzes ein geringeres Gefährdungspotential beigemessen wird als etwa Sportwetten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung des "Regionalitätsprinzips" der Lottogesellschaften vorsah, wonach die terrestrische Vermittlung jeweils an die Lottogesellschaft erfolgen sollte, in deren Gebiet der Spieler seinen Wohnsitz hatte. Eine Ausdehnung des räumlichen Tätigkeitsgebiets der einzelnen Lottogesellschaften wäre also mit der Vermittlungstätigkeit der Klägerin nicht verbunden gewesen.

29

Unter diesen Umständen räumt die "ODDSET-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts die Vermutung der Fortsetzung des Kartellrechtsverstoßes nicht aus. Für eine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten hätte die Beklagte vielmehr zumindest autonom - in Auseinandersetzung mit den Gründen der verfassungsgerichtlichen Entscheidung - die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der Klägerin und den möglichen Inhalt entsprechender Vereinbarungen prüfen müssen. Entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie geltend macht, die vom Berufungsgericht erwogenen verfassungsgemäßen Vereinbarungen mit Spielvermittlern hätten nicht kurzfristig abgeschlossen und umgesetzt werden können, belegt dies nicht, dass die weitere Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr auf einem abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften, sondern auf einer autonomen Entscheidung der Beklagten beruhte.

30

3. Die Vermutung einer Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung ist auch nicht im Hinblick auf den "Aufhebungsbeschluss" des Rechtsausschusses des DLTB vom Juli 2006 und die jeweils gleichlautenden Erklärungen der Lottogesellschaften widerlegt, eine solche oder ähnliche Beschlussfassung künftig nicht zu beabsichtigen. Der Senat hat im Beschluss "Lottoblock" (WuW/E DE-R 2408 Rn. 53) die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts gebilligt, dem "Aufhebungsbeschluss" und den Erklärungen der Lottogesellschaften könne keine ernsthafte und endgültige Aufgabe der beanstandeten Verhaltensweise entnommen werden. Die Aufhebung der Beschlussfassung erfolgte danach nur vorsorglich und ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Ebenso wenig wie die Erklärung der Lottogesellschaften, den festgestellten Kartellverstoß nicht mehr wiederholen zu wollen, vor diesem Hintergrund eine hinreichende Gewähr für die Annahme bot, die in Rede stehende Verhaltensweise sei endgültig und ernsthaft aufgegeben worden, war sie geeignet, die Vermutung einer weiteren Ausrichtung des Marktverhaltens an der getroffenen Verhaltensabstimmung entfallen zu lassen, für die es gerade nicht auf eine Wiederholung der Beschlussfassung ankam.

31

4. Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, sie habe eine Zusammenarbeit mit der Klägerin zum Schutz ihrer eigenen Vertriebsorganisation ablehnen dürfen, wäre eine entsprechende, autonom getroffene Entscheidung kartellrechtlich nicht zu beanstanden. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Klägerin tatsächlich auf einer solchen autonomen Entscheidung beruhte.

32

5. Schließlich ist auch die Zustellung der Abstellungsverfügung am 23. August 2006, mit der den Kartellteilnehmern die Fortsetzung der Zuwiderhandlung bußgeldbewehrt und sofort vollziehbar untersagt wurde, für sich allein nicht geeignet, die Vermutung entfallen zu lassen, die Lottogesellschaften hätten ihr Verhalten gegenüber der Klägerin auch in der Folgezeit an der getroffenen Abstimmung ausgerichtet.

33

a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vermutung für eine andauernde Zuwiderhandlung gegen das Kartellrecht der Union bislang ausschließlich für Zeiträume vor dem Erlass einer Bußgeld- oder Untersagungsentscheidung der Kommission oder der Kartellbehörde eines Mitgliedstaats anerkannt.

34

Das Urteil "Anic Partecipazioni" des Gerichtshofs von 1999 (Slg. 1999, I-4125) betrifft eine von Mitte 1977 bis November 1983 andauernde Zuwiderhandlung, die im Oktober 1983 zu Nachprüfungen und am 23. April 1986 zu einer Bußgeldentscheidung der Kommission geführt hatte (ABl. 1986, L 230/1 - Polypropylen). In der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) wurde im Anschluss an ein Abstimmungsgespräch von Wettbewerbern am 13. Juni 2001 ein unter ihnen abgestimmtes Verhalten angenommen, das am 1. November 2001 endete, wobei bis zum 1. Juli 2002 Umsätze aufgrund des Kartellrechtsverstoßes erzielt worden sind. Die niederländische Wettbewerbsbehörde (Nederlandse Mededingingsautoriteit) erließ unter dem 30. Dezember 2002 den ersten Bußgeldbescheid in dieser Sache (vgl. Beschluss der Nederlandse Mededingingsautoriteit vom 26. Oktober 2011, 2658/883 - Mobiele operators, abrufbar unter www.acm.nl/nl/publicatis/publicatie/4591/besluit-op-bezwaar-kpn-t-mobile-en-vodafone-boete-kartelafspraken-m-mitspraak-CBb/). Damit stand auch bei der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "T-Mobile Netherlands BV" (Slg. 2009, I-4529) keine Anwendung der Vermutung einer Fortsetzung der Zuwiderhandlung in Rede, die über die Zustellung einer kartellbehördlichen Verfügung hinausging.

35

b) Ein Kartellrechtsverstoß kann enden, wenn im Geschehen eine Zäsur eintritt (Bornkamm in Langen/Bunte aaO § 32 GWB Rn. 16). Eine die Vermutung andauernden kartellrechtswidrigen Verhaltens beendende Zäsurwirkung kann unter Umständen auch einer Abstellungsverfügung zukommen, die im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren ergangen ist. Es liegt nicht fern zu erwarten, dass sich ein grundsätzlich rechtstreuer Adressat an eine sofort vollziehbare behördliche Untersagungsverfügung hält.

36

c) Jedenfalls bei einem punktuellen Kartellrechtsverstoß wie einer einmaligen Verhaltensabstimmung, deren Auswirkungen potentiell zeitlich unbeschränkt sind, kann die Zustellung der Verfügung für sich allein indes die Vermutung einer andauernden Bestimmung oder Beeinflussung des Marktgeschehens durch die Verhaltenskoordination regelmäßig nicht entfallen lassen. Andernfalls würde vernachlässigt, dass die Beteiligten in einem solchen Fall, ohne erneut aktiv kartellrechtswidrig handeln zu müssen, sich schlicht weiter an die einmal getroffene Abstimmung halten können. Es liegt deshalb nahe, dass die Teilnehmer einer solchen, durch eine punktuelle Handlung ins Werk gesetzten Abstimmung auch nach Zustellung der Untersagungsverfügung unverändert an ihrem abgestimmten Verhalten festhalten. Für die Widerlegung der Vermutung einer Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens ist es in einem solchen Fall auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung weiterhin erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert, so dass den anderen Teilnehmern bewusst wird, dass es sich nicht mehr daran hält (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-123 Rn. 81 bis 84 = WuW/E EU-R 899 - Aalborg Portland u.a.; EuG, NZKart 2015, 396 Rn. 194 - Westfälische Drahtindustrie, mwN). Dafür kommt bei Boykottsachverhalten der hier in Rede stehenden Art in erster Linie eine erkennbare erneute, autonome Entscheidung über die aufgrund der Abstimmung abgelehnte Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen in Betracht.

37

Dieses Verständnis der unionsrechtlichen Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten trägt dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung, wonach Verfahrensregeln der Mitgliedstaaten die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte, zu denen das Recht der durch einen Verstoß gegen Unionskartellrecht Geschädigten auf Schadensersatz gehört, nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (vgl. EuGH, WuW 2016, 126 Rn. 32 f., 35 - Eturas). In diesem Zusammenhang stellt sich keine Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordert. Im Hinblick auf den Effektivitätsgrundsatz unterliegt keinem vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.), dass das Unionsrecht ein nationales Gericht jedenfalls nicht daran hindert, die Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen Abstimmung und Marktverhalten unter den im Streitfall bestehenden Umständen auch noch nach Zustellung einer kartellbehördlichen Abstellungsverfügung anzuwenden.

38

d) Das Berufungsgericht hat nichts dafür festgestellt, dass die Lottogesellschaften die Zustellung der Verfügung zum Anlass genommen hätten, ihre Haltung gegenüber dem von der Klägerin an sie herangetragenen Geschäftsmodell zu ändern oder auch nur in eine autonome Prüfung dieses Modells einzutreten. Dagegen erhebt die Revision keine durchgreifenden Rügen. Soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten übergangen, sie habe in ihrem an das Bundeskartellamt adressierten Schreiben vom 23. Juli 2007 erläutert, aus welchen unternehmerischen Gründen sie sich einstweilen auf den terrestrischen Vertrieb durch ihre Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen beschränken wolle, und habe diese Stellungnahme zugleich an ihre Verfahrensbevollmächtigten weitergeleitet, die im Kartellverwaltungsverfahren sämtliche Lottogesellschaften vertreten hätten, weswegen diesen die Kenntnis der gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen sei, kann sie damit nicht durchdringen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem keine Abkehr von dem abgestimmten Verhalten durch eine erkennbare autonome Entscheidung über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Klägerin entnommen hat. Die Stellungnahme stellte keine unternehmerische Entscheidung dar, sondern diente der Rechtsverteidigung gegenüber der Kartellbehörde. Sie enthielt schon deshalb auch kein Signal an die anderen Lottogesellschaften, sich von der Verhaltensabstimmung abkehren zu wollen. Wäre sie, wie die Revision meint, durch die Übersendung an die gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten den anderen Lottogesellschaften zugänglich gemacht worden, musste sie diese eher in der Erwartung bestärken, die Beklagte werde auch künftig von der abgestimmten Verhaltensweise nicht abweichen. Unter diesen Umständen lässt es keinen Rechtsfehler erkennen, wenn das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Klägerin auch nach Zustellung der Abstellungsverfügung auf der kartellrechtswidrigen Abstimmung des Verhaltens der Lottogesellschaften beruhte.

39

III. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die Umsetzung des kartellrechtswidrigen Beschlusses des DLTB-Rechtsausschusses durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften einschließlich der Beklagten sei schuldhaft erfolgt. So wurde in einer Vorlage für die Sitzung des DLTB-Rechtsausschusses vom 25./26. April 2015 ausdrücklich ausgeführt, die Lottogesellschaften müssten "ungeachtet eventueller kartellrechtlicher Bedenken" "als Block geschlossen" eine terrestrische Spielvermittlung verhindern. Damit haben die Lottogesellschaften jedenfalls fahrlässig gegen Kartellrecht verstoßen. Entgegen der Ansicht der Revision steht einem Verschulden der Beklagten auch nicht entgegen, dass ihr nach § 5 Abs. 3 Satz 2 LoStV verboten war, Glücksspiele außerhalb Nordrhein-Westfalens zu vertreiben oder vertreiben zu lassen. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sah jedenfalls das ursprüngliche Geschäftskonzept der Klägerin die Wahrung dieses "Regionalitätsprinzips" vor, so dass es auf dessen kartellrechtliche Beurteilung nicht mehr ankommt.

40

IV. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften sei für das Scheitern des Geschäftsmodells der Klägerin kausal geworden und ihr sei hierdurch ein Schaden in Höhe von 11.538.020,51 € entstanden, hält rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand.

41

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass schon für die Frage, ob der Klägerin durch den Kartellrechtsverstoß der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist, das Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO gilt. Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht daher eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2004 - IX ZR 255/00, NJW 2004, 1521, 1522).

42

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Die Vorschrift ist aber nur anwendbar, soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht. Für Umstände, die zur haftungsbegründenden Kausalität gehören, ist § 286 ZPO maßgeblich (BGH, Urteil vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12, NJW 2014, 688 Rn. 13; Urteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, NJW 2008, 1381 Rn. 9). Bei deliktischen oder vertraglichen Schadensersatzansprüchen, die die Verletzung eines Rechtsguts voraussetzen, gehört die primäre Rechtsgutverletzung zur haftungsbegründenden Kausalität (BGH, NJW 2008, 1381 Rn. 9; BGH, Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 161/14, NJW 2015, 2111 Rn. 10; Urteil vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, NJW 1987, 705, 706). Entsteht ein Schadensersatzanspruch dagegen unabhängig von der Verletzung eines Rechtsguts, ist bereits der erste Schaden der haftungsausfüllenden Kausalität zuzuordnen (BGH, Urteil vom 15. Juni 1993 - XI ZR 111/92, NJW 1993, 3073, 3075 f.; zur Abgrenzung zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität vgl. BeckOK.ZPO/Bacher, 20. Aufl., Stand 1. März 2016, § 287 Rn. 3 bis 5; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 15).

43

b) Begehrt ein Kläger wegen eines Verstoßes gegen Kartellrecht Schadensersatz, macht er einen Schaden geltend, ohne dass die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts erforderlich ist. Für die Frage, ob infolge des Kartellrechtsverstoßes ein Schaden entstanden ist, gilt deshalb die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Januar 2014 - VI-U (Kart) 7/13, juris Rn. 76 bis 82, insoweit nicht vollständig in WuW/E DE-R 4477, 4480).

44

Entgegen der Ansicht der Revision hat der Wortlaut von § 33 Abs. 3 Satz 3 GWB in diesem Zusammenhang keine Aussagekraft. Danach kann bei der Entscheidung über den Umfang des Schadens nach § 287 ZPO insbesondere der anteilige Gewinn berücksichtigt werden, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangt hat. Eine Beschränkung des Beweismaßes von § 287 ZPO allein auf die Frage des Umfangs des Schadens kann dieser Regelung nicht entnommen werden.

45

c) Diese Beurteilung steht auch im Einklang mit der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (nachfolgend: Schadensersatzrichtlinie, ABl. 2014, L 349 S. 1), die bis zum 27. Dezember 2016 in das deutsche Recht umzusetzen ist. Nach Art. 4 und Erwägungsgrund 11 der Schadensersatzrichtlinie müssen die nationalen Bestimmungen zur Kausalität zwischen Kartellrechtsverstoß und Schaden dem Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz entsprechen. Sie dürfen daher die Geltendmachung des Rechts auf Schadensersatz weder übermäßig erschweren noch praktisch unmöglich machen. Würde bei der Frage, ob durch einen Kartellrechtsverstoß ein Schaden entstanden ist, statt § 287 Abs. 1 ZPO die Vorschrift des § 286 ZPO angewendet, so bestünde die Gefahr, dass die effektive Durchsetzung des Kartellrechts der Union verhindert würde, weil im Hinblick auf die Vielzahl auf dem Markt wirksamer Einflüsse häufig nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen wird, dass ein durch einen Kartellrechtsverstoß betroffener Marktteilnehmer auch tatsächlich einen Schaden erlitten hat.

46

d) Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass § 252 Satz 2 BGB dem Verletzten für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung gewährt (BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13).

47

e) Allerdings ist nach § 286 ZPO festzustellen, ob der Anspruchsteller durch den Kartellrechtsverstoß betroffen ist. Insoweit steht im Streitfall jedoch aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Kartellverwaltungsverfahren fest, dass diejenigen gewerblichen Spielvermittler, die den Gesellschaften des DLTB die terrestrische Vermittlung von Spielumsätzen angeboten haben, von dem unzulässigen abgestimmten Verhalten der Lottogesellschaften betroffen waren.

48

2. Das Berufungsgericht hat jedoch bei der Prüfung der Frage, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt. Es hat zudem die Vorschrift des § 252 Satz 2 BGB nicht zutreffend angewandt.

49

a) Im Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter allerdings besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2013 - VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 14 mwN). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil indes nicht stand. Das Berufungsgericht hat es versäumt, unter umfassender Würdigung aller erheblichen Umstände des Falles abzuschätzen, ob ohne die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung eine Zusammenarbeit der Klägerin mit den Lottogesellschaften zustande gekommen wäre und ob die Klägerin dabei den als entgangen geltend gemachten Gewinn erzielt hätte.

50

b) Der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der Klägerin stand allerdings nicht entgegen, dass die Lottogesellschaften keine rechtliche Verpflichtung hatten, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Vielmehr kommt es in erster Linie darauf an, ob eine Zusammenarbeit mit der Klägerin kaufmännisch vernünftigem Verhalten entsprochen hätte. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine für die Lottogesellschaften erzielbare Kostenersparnis in Höhe von insgesamt vier Prozent durch Einsparungen bei der Bereitstellung von Marketingmaterial und technischer Unterstützung für die Annahmestellen sowie Wegfall der Bezirksleiterprovision als erheblich angesehen hat. Das Berufungsgericht konnte auch die Gewinnung neuer Spielteilnehmer für die Lottogesellschaften unter den Kunden von Kooperationspartnern der Klägerin, die bislang nicht oder nur selten Lotto gespielt hatten, für wahrscheinlich halten. Rechtlich nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass das Berufungsgericht einen Kunden-Wechsel-Effekt zugunsten der Klägerin für plausibel erachtet hat, weil es einem nicht unbedeutenden Teil der Kunden bequemer hätte erscheinen können, bei ohnehin erforderlichen Besuchen von Einkaufszentren und Tankstellen Lotto zu spielen anstatt dafür weiterhin gesondert eine klassische Annahmestelle etwa in einem Tabakladen aufzusuchen. Nicht erfahrungswidrig ist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, die Erhebung einer Handlinggebühr in Höhe von zehn Prozent des Spieleinsatzes sei kein Hindernis für den Geschäftserfolg der Klägerin gewesen, weil es sich um nominal geringe Beträge handele, die der durchschnittliche Kunde unter Bequemlichkeitsgesichtspunkten in Kauf zu nehmen bereit sei.

51

c) Für die Begründung haftungsausfüllender Kausalität kommt es allerdings darauf an, ob aufgrund der Marktgegebenheiten hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften tatsächlich mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, reicht dafür nicht allein die Plausibilität der aus dem Geschäftskonzept der Klägerin abgeleiteten Umsatz- und Gewinnerwartungen, aus denen sich für die Lottogesellschaften ökonomische Anreize zu einer Zusammenarbeit mit der Klägerin ergaben. Bei einer autonomen Entscheidung über eine Kooperation mit der Klägerin hatte die Beklagte vielmehr insbesondere auch die Auswirkungen auf ihr bestehendes Vertriebssystem sowie die Unsicherheiten zu berücksichtigen, die hinsichtlich des künftigen regulatorischen Konzepts für das Glücksspielrecht bestanden.

52

aa) Die vom Berufungsgericht zu Recht für plausibel gehaltenen Kunden-Wechsel-Effekte bedeuteten aus der Sicht der Lottogesellschaften, dass die erwarteten Umsätze der Klägerin zu einem erheblichen Teil zulasten ihrer bisherigen Vertriebspartner gehen würden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Beklagte und die anderen Lottogesellschaften im Vorfeld der Kartellabsprache zum Ausdruck gebracht, die Aktivitäten der Klägerin als Angriff auf ihr eigenes Vertriebssystem anzusehen.

53

bb) Spätestens im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Gambelli" (EuGH, Slg. 2003, I-13031 Rn. 66 ff.) war die Vereinbarkeit des staatlichen Monopols für Lotterien und Sportwetten in Deutschland mit der unionsrechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (jetzt Art. 49 und Art. 56 AEUV) im Hinblick auf die Werbepraxis der staatlichen Lottogesellschaften zweifelhaft geworden (vgl. etwa LG Baden-Baden, SpuRt 2005, 80; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 284 Rn. 7). In einem Beschluss vom 27. April 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Glücksspielmonopole und des strafrechtlichen Verbots der unerlaubten Veranstaltung von Glücksspielen (§ 284 StGB) mit Unionsrecht geäußert (BVerfG, NVwZ 2005, 1303). In dem auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005 am 28. März 2006 verkündeten "ODDSET-Urteil" (BVerfGE 115, 276) erklärte das Bundesverfassungsgericht es für mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, dass nach dem bayerischen Staatslotteriegesetz Sportwetten nur vom Freistaat Bayern veranstaltet und nur derartige Wetten gewerblich vermittelt werden durften, ohne das Monopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten; es verpflichtete den bayerischen Gesetzgeber, die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unter Beachtung der sich aus den Gründen ergebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Schon während der Übergangszeit bis zur verfassungsgemäßen Neuregelung des Glücksspielwesens durften dem staatlichen Monopol unterliegende Wetten nicht expansiv vermarktet werden (BVerfGE 115, 276, 319). Es lag nicht fern, als unzulässige Erweiterung staatlicher Wettveranstaltung im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur neue Glücksspiele, sondern auch die Bereitstellung neuer oder zusätzlicher Vertriebsmöglichkeiten für bereits verfügbare Spielangebote anzusehen (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2408 Rn. 100 - Lottoblock).

54

Angesichts des auf dem Glücksspielstaatsvertrag 2004 beruhenden bundesweit einheitlichen Rechtsrahmens lag unter diesen Umständen auf der Hand, dass sämtliche Bundesländer über den Bereich der Sportwetten hinaus zu einer umfassenden Neuregelung des Glücksspielrechts gezwungen waren. Wollten sie das Monopol nicht aufgeben, bestand dabei die Notwendigkeit, das staatliche Glücksspielangebot - wie vom Bundesverfassungsgericht für geboten erachtet - konsequent am Ziel der Bekämpfung der Suchtgefahren auszurichten. Wie diese konsequente Ausrichtung aussehen würde und ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen sie auf die grundsätzliche Möglichkeit und zulässigen Formen der Zusammenarbeit der Lottogesellschaften mit gewerblichen Spielevermittlern wie der Klägerin haben würde, war dabei eine offene Frage. Durch die von der Klägerin gewünschte Zusammenarbeit liefen die Lottogesellschaften mithin Gefahr, ihre bisherige Vertriebsstruktur deutlich zu schwächen, obwohl nicht auszuschließen war, dass die Kooperation mit der Klägerin schon in naher Zukunft rechtlich nicht mehr oder nur noch in erheblich modifizierter Form zulässig sein würde.

55

cc) Unter diesen Umständen erscheint es ohne weitere Feststellungen nicht unwahrscheinlich, dass die Beklagte und die übrigen Lottogesellschaften trotz der bestehenden ökonomischen Anreize auch bei autonomer unternehmerischer Entscheidung nicht oder jedenfalls nur zögernd und in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten.

56

d) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte, falls sich die Lottogesellschaften zur Kooperation bereit gezeigt hätten, in vollem Umfang den von ihr prognostizierten Gewinn erzielt, beruht auch in weiterer Hinsicht auf einer unvollständigen Würdigung der insoweit relevanten Umstände.

57

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Umsätze der staatlichen Lotterien in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2008 um etwa 1 Milliarde Euro, also um etwa 20%, zurückgegangen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 Satz 2 BGB) war deshalb ein entsprechender Rückgang der Provisionseinnahmen zu erwarten. Das Berufungsgericht hatte nach § 287 Abs. 1 ZPO frei zu würdigen, ob und inwieweit dieser Umstand wahrscheinlich Auswirkungen auf die Schadensersatzforderung der Klägerin hatte. Es durfte nicht stattdessen der Beklagten die Beweislast für derartige Auswirkungen auferlegen. Etwa bestehenden Unsicherheiten hätte es durch einen Abschlag von der Schadensersatzforderung Rechnung tragen müssen.

58

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aus dem parallel zum Umsatzrückgang der staatlichen Lottogesellschaften zwischen 2005 und 2008 festgestellten Anstieg der gewerblichen Bruttospielerträge um ca. 50% nicht geschlossen werden, der Umsatzrückgang hätte die Klägerin nicht berührt. Denn der Anstieg der gewerblichen Erträge bezieht sich auf alle Glücksspielsegmente, insbesondere den zu jener Zeit stark wachsenden Sektor der Online-Wetten. Ob und in welchem Umfang Vertriebspartner der Lottogesellschaften in dem schrumpfenden Markt dennoch steigende Einnahmen hätten erzielen können, ergibt sich daraus nicht.

59

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist für die Schadensberechnung auch der Einwand der Beklagten erheblich, dass nach den zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Ausführungsgesetzen zum Glücksspielstaatsvertrag in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt gewerblichen Spielvermittlern keine Provisionen mehr gezahlt werden durften (vgl. § 13 Abs. 3 Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007, GVBl Berlin 2007, 33/604; § 6 Abs. 3 Glücksspielgesetz des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2007, GVBl Brandenburg 2007, 17/218; § 9 Abs. 2 Gesetz zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrags vom 14. Dezember 2007, GVOBl. Mecklenburg-Vorpommern 2007, S. 386; § 13 Abs. 3 Gesetz zum Glücksspielstaatsvertrag, GVBl Sachsen 2007, 15/542; § 13 Abs. 9 Glücksspielgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, GVBl LSA 2007, 412). Indem das Berufungsgericht die Auswirkungen der Provisionsverbote in fünf Bundesländern auf die Gewinnerwartungen der Klägerin nicht berücksichtigt hat, hat es einen wesentlichen Bemessungsfaktor für die Bestimmung des dieser entstandenen Schadens außer Betracht gelassen.

60

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, diese Provisionsverbote stellten einen Verstoß gegen Art. 10 EG in Verbindung mit Art. 81 EG dar, weil sie bezweckten und bewirkten, einen Wettbewerb der Lottogesellschaften untereinander zu verhindern. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das Provisionsverbot unter Suchtpräventionsgesichtspunkten für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (BVerfG (Kammer), NVwZ 2008, 1338 Rn. 60). Es handelte sich dabei um eine Maßnahme, mit der die Länder versuchten, der Anforderung des "ODDSET-Urteils" des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, die Spieltätigkeit nicht auszudehnen. Verfolgten die Bundesländer mit der Einführung der Provisionsverbote ein derartiges, vom Unionsrecht anerkanntes, legitimes öffentliches Interesse, so fehlt es insoweit an einem unternehmerischen Handeln. Die damit notwendig verbundene wettbewerbsbeschränkende Wirkung verstößt nicht gegen Unionskartellrecht.

61

Unter diesen Umständen kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Lottogesellschaften an die Klägerin in denjenigen Bundesländern, die gesetzliche Provisionsverbote eingeführt hatten, auch noch im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Provisionen gezahlt hätten. Die Lottogesellschaften mussten das jeweils für sie geltende Recht beachten.

62

(2) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin im Fall eines Provisionsverbots in bestimmten Bundesländern die dort terrestrisch akquirierten Spielaufträge an Lottogesellschaften in anderen Bundesländern vermittelt hätte, in denen kein Provisionsverbot galt. Eine derartige Umgehung der landesrechtlichen Provisionsverbote wäre rechtswidrig gewesen. Die Provisionsverbote knüpfen an den Tatbestand einer gewerblichen Spielvermittlung, also der Akquisition eines Spielauftrags, in dem jeweiligen Bundesland an. Sie bezwecken im Interesse der Suchtprävention eine Beschränkung der gewerblichen Vermittlungstätigkeit. Die Provisionsverbote waren deshalb unabhängig davon anwendbar, ob die Spielvermittlung an eine Lottogesellschaft innerhalb oder außerhalb des jeweiligen Bundeslands erfolgte und ob der auswärtigen Lottogesellschaft eine Tätigkeit in dem Bundesland, in dem das Provisionsverbot galt, erlaubt war. Um eine extraterritoriale Anwendung von Landesrecht handelt es sich dabei nicht, weil Anknüpfungspunkt des Landesgesetzes die gewerbliche Spielvermittlung in dem jeweiligen Bundesland ist.

63

V. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

64

Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil der wahrscheinliche Kausalverlauf insgesamt neu bewertet werden muss und weitere Feststellungen des Berufungsgerichts, die Auswirkungen auf die Frage haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht ausgeschlossen sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

65

VI. Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren gibt der Senat folgende Hinweise:

66

1. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die bei der Darstellung der hypothetischen Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells bestehen, dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673). Für den Fall, dass sich der Umfang der Bereitschaft der Beklagten und der übrigen Lottogesellschaften zur Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht hinreichend wahrscheinlich feststellen lassen sollte, wird das Berufungsgericht die Schätzung eines Mindestschadens in Betracht zu ziehen haben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1998 - XII ZR 206/95, WM 1998, 1787).

67

Dem steht nicht die von der Revision angeführte Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs entgegen, nach der in Diskriminierungsfällen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz einem Antrag auf Ersatz des Erfüllungsinteresses nur stattzugeben ist, wenn feststeht, dass die für die Schadensberechnung unterstellte Zusammenarbeit bei regelgerechtem Vorgehen des anderen Teils zustande gekommen wäre (BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 61, 64). Die Klägerin macht keinen derartigen Diskriminierungsschaden geltend. Vielmehr geht es um die Verweigerung eines Vertragsschlusses aufgrund kartellrechtswidrig abgestimmten Verhaltens. Dabei ist der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO und § 252 BGB bereits aufgrund der konkret nachteiligen Betroffenheit der Klägerin eröffnet. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht fehlerfrei § 252 BGB zur Bestimmung des der Klägerin entgangenen Gewinns herangezogen. Entscheidend ist danach, ob aufgrund der Marktgegebenheiten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war, dass die Beklagte oder andere Lottogesellschaften mit der Klägerin Vermittlungsverträge abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten, wenn die kartellrechtswidrige Verhaltensabstimmung nicht stattgefunden hätte.

68

2. Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls zu klären haben, ob der Klägerin von Lotto B.     jedenfalls zeitweise Provisionen für terrestrisch vermittelte Spielumsätze, die von der Beklagten aufgrund verschiedener gerichtlicher Anordnungen über die Schnittstelle bei Lotto B.     eingespielt wurden, gezahlt worden und ob solche Zahlungen als Umsatzerlöse der Klägerin berücksichtigt worden sind. Der Notwendigkeit einer Berücksichtigung stünde nicht entgegen, dass die Verfügbarkeit der Schnittstelle bei Lotto B.     für die Klägerin nicht dauerhaft gesichert war. Im Umfang der trotz des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Lottogesellschaften tatsächlich erzielten Einnahmen kann der Klägerin kein Schaden entstanden sein.

69

3. Hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die reibungslose Umsetzung des Geschäftskonzepts der Klägerin besteht in dem wiedereröffneten Verfahren für die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag. An das Bestreiten dieser Voraussetzungen durch die Beklagte sind allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte insoweit über nähere Kenntnisse verfügen sollte. Das Berufungsgericht durfte deshalb die Behauptungen der Beklagten nicht als unsubstantiiert unberücksichtigt lassen, der "Rollout" der Terminals habe sich im Jahr 2006 verzögert, weil "bis Mitte 2006 noch an technischen Feinheiten gearbeitet" worden sei und "die technischen Spezifikationen bei dem angekündigten großflächigen Rollout sicher (hätten) funktionieren" müssen. Gegebenenfalls ist auch insoweit eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung und ein entsprechender Abschlag von der Schadensersatzforderung geboten.

Limperg                           Meier-Beck                           Kirchhoff

                   Bacher                                Deichfuß

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und der Streithelferinnen zu 1 und 4 wird das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. März 2017 insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz kartellbedingten Schadens in Anspruch.

2

Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Weichen und Schienen. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin der S.       GmbH.

3

Die Klägerin, ein regionales Verkehrsunternehmen, erwarb im Zeitraum 2004 bis März 2011 in 16 Fällen von der Beklagten oder deren Rechtsvorgängerin Gleisoberbaumaterialien. In 13 Fällen lagen den Verträgen Vertragsbedingungen zugrunde, die u.a. folgende Klausel enthielten:

"Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt, hat er 15 v.H. der Abrechnungssumme [ab 2006: der Auftragssumme] an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird. Dies gilt auch, wenn der Vertrag gekündigt wird oder bereits erfüllt ist. Sonstige vertragliche oder gesetzliche Ansprüche des Auftraggebers, insbesondere aus § 8 Nr. 2, bleiben unberührt."

4

Mit Bescheid vom 18. Juli 2013 verhängte das Bundeskartellamt gegen die Beklagte wegen Beteiligung an dem Kartell der "Schienenfreunde" ein Bußgeld. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen Bußgeldbescheids verstieß die Beklagte jedenfalls zwischen Mai 2001 und Mai 2011 gemeinschaftlich handelnd u.a. mit den Streithelferinnen gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.

5

Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Soweit es um die 13 Beschaffungsvorgänge geht, bei denen der Vertrag die erwähnte Klausel umfasste, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 898.022,15 Euro zuzüglich Zinsen zu bezahlen (Klageantrag zu 1). Sie hat ferner beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bezüglich dieser Aufträge weitergehende Schäden sowie die Schäden aus den weiteren drei Aufträgen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, zu erstatten (Klageantrag zu 2a). Für den Fall der Abweisung von Klageantrag zu 1 hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu erstatten, die ihr aufgrund von Kartellabsprachen aus den Aufträgen entstanden sind oder künftig noch entstehen werden (Klageantrag zu 2b).

6

Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrags dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagte zur Erstattung weitergehender Schäden verpflichtet ist. Die Zinsen hat es nur in beschränktem Umfang zugesprochen.

7

Die Berufungen beider Parteien hatten jeweils nur hinsichtlich eines Teils der geforderten Zinsen Erfolg. Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, dass die Beklagte zum Ersatz weitergehender Schäden nebst Zinsen ab Entstehung des Schadens in Höhe von vier Prozent für Aufträge vor dem 1. Juli 2005 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für Aufträge seit dem 1. Juli 2005 verpflichtet ist.

8

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerin mit Unterstützung der Streithelferinnen zu 1 und 4 sowie die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

9

A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

10

Das Grundurteil sei zulässig. Soweit mit der Klage die Verurteilung zur Zahlung eines bestimmen Betrags begehrt werde, sei der Anspruch nach Grund und Höhe streitig. Der Erlass des Grundurteils setze nicht voraus, dass jeweils die Einbeziehung der Klausel festgestellt und deren Wirksamkeit bejaht werde.

11

Auch der Feststellungsausspruch des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Das angefochtene Urteil sei durch die Benennung der einzelnen Beschaffungsvorgänge hinreichend bestimmt. Der Vorrang der Leistungsklage stehe hier nicht entgegen. Die Erhebung einer Feststellungsklage sei aus prozessökonomischen Gründen geboten, weil die Bezifferung des Schadens nur unter Heranziehung eines Sachverständigen erfolgen könne.

12

Zu Recht habe das Landgericht einen Schadenersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach bejaht. Die Klägerin sei als unmittelbare Abnehmerin anspruchsberechtigt. Die Beteiligung der Beklagten an wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen im Zeitraum von 2001 bis 2011 sei unstreitig. Zudem seien die Feststellungen des Bußgeldbescheids gemäß § 33 Abs. 4 GWB bindend. Angesichts der danach feststehenden Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen spreche der erste Anschein dafür, dass sich die Absprache allgemein preissteigernd ausgewirkt habe. Ebenso wie beim reinen Preiskartell werde auch beim Kundenschutzkartell der Preiswettbewerb ausgeschaltet. Dies gehe typischerweise mit einer Erhöhung des Preisniveaus einher. Dies gelte insbesondere, wenn mit den Absprachen der Sinn und Zweck einer Ausschreibung konterkariert werde. Bestätigt werde dieser Erfahrungssatz hier durch die lange Dauer des Kartells. Diesen Anschein habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht.

13

Ein Anscheinsbeweis spreche zudem dafür, dass die Beschaffungstätigkeit der Klägerin von dem Kartell betroffen gewesen sei. Sei den Absprachen allgemein preissteigernde Wirkung zugekommen, bestehe ein Erfahrungssatz dahin, dass auch die konkret streitigen, auf dem kartellbefangenen Markt getätigten Beschaffungen von dieser Wirkung betroffen gewesen seien. Verstärkt werde dieser Anschein zudem dadurch, dass die Streithelferinnen zu 1 und 4 mit anderen Anbietern bundesweite Absprachen getroffen hätten. Zudem gehe es hier nur um Beschaffungsvorgänge, bei denen die Klägerin die am Kartell beteiligte Beklagte beauftragt habe. Werde ein Auftrag an einen Bieter erteilt, der an kundenschützenden Absprachen mit generell preissteigernder Wirkung beteiligt sei, spreche ein Erfahrungssatz dafür, dass die Beschaffung von dem kartellbedingt überhöhten Preisniveau betroffen sei. Auch diesen Anschein habe die Beklagte nicht zu erschüttern vermocht.

14

Die sich daraus ergebenden Ansprüche auf Schadensersatz seien nicht verjährt. Vor Erlass des Bußgeldbescheids des Bundeskartellamts habe die Klägerin keine Kenntnis von den Verstößen gehabt. Ob der Mitarbeiter der Klägerin K.   (im Folgenden: K.), davon Kenntnis gehabt habe, sei unerheblich, weil er nicht für die Vorbereitung und Verfolgung von Ersatzansprüchen zuständig gewesen sei. Die kenntnisunabhängige Verjährung sei durch Klageerhebung, im Übrigen durch ein von der Klägerin eingeleitetes Güteverfahren rechtzeitig gehemmt worden.

15

Da eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Klägerin ein Schaden entstanden sei, der über die bezifferte Forderung hinausgehe, sei auch die Feststellungsklage begründet.

16

Der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten. Ein solches ergebe sich nicht daraus, dass sie kleinere Aufträge ohne Ausschreibung vergeben habe. Auf die von der Beklagten behaupteten Kenntnisse des K. komme es aus Rechtsgründen nicht an.

17

Hinsichtlich der Zinsen sei der Feststellungsantrag nur zum Teil begründet. Für Aufträge aus der Zeit nach dem 1. Juli 2005 sei eine Schadenersatzforderung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, für die Zeit davor ab Schadensentstehung, jedoch nur in Höhe von vier Prozent.

18

B. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zu ihren Lasten entschieden worden ist. Dagegen bleibt die Revision der Klägerin ohne Erfolg.

19

I. Revision der Beklagten

20

1. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen.

21

a) Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin gestellten Anträge zutreffend dahin verstanden, dass diese bezüglich der 13 Beschaffungsvorgänge, denen jeweils ein Vertrag zugrunde liegt, der eine Klausel enthält, wonach der Auftraggeber einen pauschalierten Schaden von 15% der Abrechnungs- bzw. Auftragssumme zu zahlen hat, wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe des Auftrags nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt (im Folgenden: Pauschalierungsklausel), einen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines bezifferten Betrags (Klageantrag zu 1) mit einem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz darüber hinaus gehenden Schadens (Klageantrag zu 2a), jeweils nebst Zinsen, verbunden hat. Das Berufungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass sich die Klägerin bezüglich dreier weiterer Beschaffungsvorgänge, bei denen der zugrunde liegende Vertrag keine Pauschalierungsklausel umfasst, auf einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des ihr aus dem behaupteten Kartellverstoß entstandenen Schadens nebst Zinsen beschränkt hat.

22

b) Die für die genannten 13 Beschaffungsvorgänge gewählte Kombination von Zahlungsantrag und Feststellungsantrag führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage.

23

Eine Klausel, mit der ein Schadensersatzanspruch pauschaliert wird, führt - ihre Wirksamkeit unterstellt - regelmäßig zu Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten. Enthält die Klausel den Vorbehalt, dass die Pauschalierung nicht eingreift, wenn ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird, bedeutet dies nicht, dass der Geschädigte, der meint, einen höheren als den pauschalierten Schaden verlangen zu können, bei der gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs insgesamt auf die mit der Pauschalierung verbundenen Vorteile verzichten muss. Zwar mag er in Fällen, in denen er den Schaden noch nicht abschließend beziffern kann, die Möglichkeit haben, sich auf einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz zu beschränken. Ihm ist es aber nicht verwehrt, einen Antrag auf Verurteilung zur Zahlung eines entsprechend der Pauschalierungsklausel bezifferten Betrags mit einem Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens zu verbinden.

24

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Feststellungsklage als zulässig angesehen.

25

aa) Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz alsbald festgestellt wird.

26

(1) Allerdings besteht ein berechtigtes Interesse an der Erhebung einer positiven Feststellungsklage grundsätzlich nicht, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82, NJW 1984, 1118, 1119; Urteil vom 15. Mai 2003 - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901 - Feststellungsinteresse III). Dies schließt im Streitfall jedoch das Feststellungsinteresse nicht aus.

27

(2) Das Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Klägerin zur Bezifferung des geltend gemachten Preisüberhöhungsschadens auf die Einholung eines ökonomischen Gutachtens angewiesen ist. Der damit verbundene Aufwand an Zeit und Kosten ist aber für sich genommen kein zureichender Grund, der Klägerin die Befugnis zur Erhebung einer Feststellungsklage zuzubilligen (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - KZR 56/16, WRP 2018, 941 Rn. 18 - Grauzementkartell II). Eine Feststellungsklage ist daher, sofern nicht ausnahmsweise die Notwendigkeit besteht, den Schadensersatzanspruch gegen eine drohende Verjährung zu sichern, in der Regel nicht bereits deshalb zulässig, weil die Bezifferung des Schadens die Einholung sachverständigen Rats erfordert.

28

(3) Der Streitfall weist jedoch Besonderheiten auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.

29

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche betreffen zum Teil Geschäfte, die bereits vor dem 1. Juli 2005 und damit vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle und der mit dieser einhergehenden Änderungen der Regelungen über die Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verstößen gegen Bestimmungen des Kartellrechts abgeschlossen wurden.

30

Nachdem es an einer ausdrücklichen Übergangsregelung fehlt, ergaben sich nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Regelung in § 33 Abs. 5 GWB 2005, wonach die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gehemmt wird, wenn die Kartellbehörde wegen eines Kartellverstoßes ein Verfahren einleitet, auch auf sogenannte Altfälle anzuwenden sei, also auf Schadensersatzansprüche, die bereits vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verjährt waren. Da eine höchstrichterliche Klärung der Frage bislang nicht erfolgt war, war für die Klägerin zu der Zeit, in der sie eine Entscheidung über die gerichtliche Durchsetzung ihrer Forderung zu treffen hatte, nur schwer zu beurteilen, ob die Verjährungsfrist während der Dauer des Bußgeldverfahrens gehemmt war oder nicht.

31

Zugleich war die Beurteilung der Frage erschwert, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hatte. Gerichtliche Entscheidungen zu der Frage, wann die durch eine verbotene Kartellabsprache geschädigten Personen ausreichende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten, lagen zu der maßgeblichen Zeit noch nicht vor.

32

War danach die Rechtslage hinsichtlich einer möglichen Verjährung aus der Sicht der Klägerin kaum zuverlässig einzuschätzen, musste sie ernsthaft in Betracht ziehen, dass die Erhebung der Einrede der Verjährung jedenfalls insoweit Erfolg haben könnte, als Ersatzansprüche betroffen sind, die vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle entstanden sind. Unter diesen Umständen war die Klägerin befugt, ihre Schadensersatzansprüche insgesamt durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage gegen die drohende Verjährung zu sichern, ohne das Ergebnis eines zeit- und kostenaufwändigen Gutachtens abzuwarten (BGH WRP 2018, 941 Rn. 19 ff. - Grauzementkartell II).

33

bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass Klageantrag zu 2a auch auf die Feststellung der Verpflichtung zur Verzinsung der Schadensersatzforderung in einer bestimmten Höhe gerichtet ist. Ist - wie hier - nicht nur das Bestehen der Schadensersatzforderung nach Grund und Höhe streitig, sondern streiten die Parteien auch darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die geltend gemachte Forderung zu verzinsen ist, kann auch die Pflicht zur Verzinsung der Forderung Gegenstand der Feststellungsklage sein.

34

cc) Der Feststellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt.

35

Die Klägerin hat in der Klageschrift vorgetragen, dass die Beschaffungsvorgänge, auf die sie ihre Klage stützt, zum Teil durch Zuwendungen öffentlicher Stellen gefördert wurden, und erklärt, sie mache auch Schäden geltend, die den Zuwendungsgebern möglicherweise zustünden.

36

Wie sich aus dem Tatbestand des Berufungsurteils ergibt, hat die Klägerin jedoch später klargestellt, dass sie mit den Feststellungsanträgen zu 2a und 2b nur die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz solcher Schäden begehrt, die ihr selbst entstanden sind oder in der Zukunft noch entstehen werden. Dies ergibt sich aus der Fassung ihrer Klageanträge sowie daraus, dass sie nur hilfsweise Anträge gestellt hat, wonach sie die Erstattung solcher Schäden verfolgt, die ihr und dem Land Baden-Württemberg als ihrem Zuwendungsgeber entstanden sind. Nachdem das Berufungsgericht dem Klageantrag zu 2a entsprochen hat, sind mögliche Schadensersatzansprüche des Zuwendungsgebers nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

37

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die Klage mit dem Antrag zu 1 dem Grunde nach gerechtfertigt ist, hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

38

a) Das Gericht kann nach § 304 Abs. 1 ZPO über den Grund vorab entscheiden, wenn der Rechtsstreit hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatsachen zur Entscheidung reif ist, nicht aber hinsichtlich des Betrags. Erforderlich ist danach, dass die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach vorliegen und nur noch Fragen offen sind, die im Betragsverfahren zu beantworten sind. Voraussetzung ist weiter, dass es zumindest wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 - VIII ZR 14/90, NJW-RR 1991, 599, 600).

39

aa) Dem Erlass eines Grundurteils über Klageantrag zu 1 steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Frage der Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel nicht entschieden hat.

40

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Pauschalierungsklausel wirksam ist, offen gelassen. Zwar hat es den Tenor zu Klageantrag zu 1a dahin gefasst, dass die Klage betreffend den mit diesem Antrag geltend gemachten pauschalierten Schadensersatz dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, die zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind, hat das Berufungsgericht damit jedoch keine Aussage über die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel getroffen, vielmehr ist es der Auffassung der Beklagten, der Erlass eines Grundurteils setze die Einbeziehung der Pauschalierungsklausel in den Vertrag und ihre Wirksamkeit voraus, ausdrücklich entgegengetreten.

41

Dieses Vorgehen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

42

Die Klägerin macht, wie das Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegt hat, auch mit dem Klageantrag zu 1 einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch wegen Kartellverstoßes geltend. Das Bestehen eines solchen Schadensersatzanspruchs der Klägerin setzt voraus, dass die Beklagte sich an einer wettbewerbswidrigen Absprache beteiligt hat und die Klägerin dadurch beeinträchtigt worden ist. Auf die Einbeziehung und die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel kommt es insoweit nicht an. Eine solche Klausel führt lediglich zu einer Modifikation der Beweislast hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe der Klägerin aus einem von einem Kartellverstoß betroffenen Beschaffungsvorgang ein Schaden entstanden ist. Entsprechend begrenzt ist die Bindungswirkung des Grundurteils (vgl. Musielak/Musielak, ZPO, 15. Auflage, § 304 Rn. 11), insbesondere trifft es keine Aussage über die Wirksamkeit der Pauschalierungsklausel und damit über die Verteilung der Beweislast.

43

bb) Ohne Erfolg wendet die Revision weiter ein, das Grundurteil sei unzulässig, weil mit der Klage ein unbezifferter Anspruch geltend gemacht werde. Gegenstand des Klageantrags zu 1, den das Berufungsgericht für dem Grunde nach gerechtfertigt erkannt hat, ist eine bezifferte Klageforderung. Dass die Klägerin darüber hinaus mit dem Klageantrag zu 2a die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weitergehenden Schadens begehrt, ändert daran nichts. Nichts anderes ergibt sich aus der von der Revision angeführten Entscheidung des XII. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 22. Juli 2009 - XII ZR 77/06, BGHZ 182, 116 Rn. 10). Nach dieser Entscheidung darf kein umfassendes Grundurteil ergehen, wenn der Kläger mit einer Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz eines weitergehenden Schadensersatz verbunden hat, weil über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden kann. Zulässig ist es dagegen, durch Grundurteil über den bezifferten Klageantrag und durch Teil-Endurteil über den Feststellungsantrag zu entscheiden.

44

b) Die Aufträge zu den Beschaffungsvorgängen, auf die die Klägerin ihre Ansprüche stützt, wurden der Beklagten im Zeitraum von März 2004 bis März 2011 erteilt. Für den Schadensersatzanspruch ist das zum Zeitpunkt der Auftragserteilung geltende Recht maßgeblich (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI). Danach kommt als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch aus Aufträgen, die bis zum Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle vergeben wurden, § 33 GWB in der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung in Betracht, für Ansprüche aus späteren Aufträgen § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GWB in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung der 7. GWB-Novelle. Die Klägerin gehört als unmittelbare Abnehmerin der Beklagten zu den durch das Kartellverbot geschützten Personen.

45

c) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich hierfür auf die nach § 33 Abs. 4 GWB 2005 für den nachfolgenden Schadensersatzprozess bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid stützt, war die Beklagte über einen längeren Zeitraum an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligt.

46

Danach praktizierten Hersteller und Händler von Schienen, Weichen und Schwellen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 auf dem Privatmarkt in Deutschland Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen. Die Streithelferinnen zu 1 und 4 bzw. deren Vorgängergesellschaften waren in allen Regionen und über den gesamten Zeitraum beteiligt. Die Beklagte nahm in diesem Zeitraum im Bereich Schienen und Schwellen regional bei Ausschreibungen an Absprachen teil. Die genannten Absprachen veränderten sich hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten und wiesen regional unterschiedliche Intensität auf. Sie beruhten maßgeblich darauf, dass den einzelnen Unternehmen bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zugeordnet waren und diese Zuordnung von den Kartellteilnehmern grundsätzlich respektiert wurde. Hierzu verzichteten die anderen Kartellteilnehmer auf die Abgabe von Angeboten oder reichten diese erst nach Ablauf der Angebotsfrist oder zu überhöhten Preisen ein, so dass der Auftrag dem vorbestimmten Unternehmen zufallen konnte. Die Absprachen wurden vorwiegend über telefonische Kontakte und persönliche Treffen sowie E-Mails umgesetzt. Aufgrund der über Jahre praktizierten Absprachen und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden, als "Spielführer“ bezeichneten Unternehmen kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag zu. Diese beinhaltete u.a., den anderen Unternehmen, überwiegend in getarnter Form, die Preise der Schutzangebote oder den vom "Spielführer" angestrebten Zuschlagspreis mitzuteilen. Zum Ausgleich für die Abgabe von Schutzangeboten wurden die Kartellteilnehmer meist durch Unteraufträge oder sonstige Kompensationsgeschäfte entschädigt. Der Ausgleich erfolgte aber nicht nur projektbezogen, vielmehr basierte das System auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellteilnehmer untereinander. Als Gegenleistung für die Abgabe eines Schutzangebots konnte der Schützende grundsätzlich davon ausgehen, dass er bei einem anderen Projekt von den Kartellteilnehmern geschützt würde. Der Ablauf war insgesamt so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte. Im Bereich Weichen war die Beklagte an Absprachen beteiligt, die bis Ende 2008 vor allem bei Sitzungen des Arbeitskreises Marketing des Fachverbands Weichenbau beziehungsweise innerhalb des Verbands der Bahnindustrie getroffen wurden.

47

d) Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach mit der Begründung bejaht, es spreche jeweils ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Klägerin aus den Beschaffungsvorgängen, auf die sie ihre Schadensersatzforderung stützt, ein Schaden entstanden ist und dass sie kartellbetroffen waren.

48

Diese Ausführungen halten der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.

49

aa) Das Gericht kann sich die Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufgrund von Indizien bilden. Im Rahmen eines Indizienbeweises können Erfahrungssätze, etwa Regeln der allgemeinen Lebenserfahrung oder durch besondere Sachkunde erworbene Regeln, etwa ökonomische Erfahrungssätze, Bedeutung erlangen. Während die Beweiswürdigung des Tatrichters grundsätzlich vom Revisionsgericht nur eingeschränkt nachgeprüft wird, unterliegen die Existenz und der Inhalt eines Erfahrungssatzes und seine Anwendung durch den Tatrichter der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (s. etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 1993 - V ZR 202/91, NJW-RR 1993, 653).

50

Der Beweis des ersten Anscheins ist eine typisierte Form des Indizienbeweises. Er beruht auf der Anwendung von Erfahrungssätzen, die typische Gesche-hensabläufe zum Gegenstand haben (BGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, NJW 2010, 1072 Rn. 8 mwN). Danach erlauben bereits feststehende Tatsachen in Verbindung mit einem solchen Erfahrungssatz den Schluss auf die eigentlich zu beweisende Tatsache, etwa auf eine bestimmte Ursache für ein Ereignis oder auf den Eintritt eines bestimmten Erfolgs. Für die Beweisführung genügt unter solchen Umständen die Feststellung der Tatsachen, an die der Erfahrungssatz anknüpft. Es ist dann Sache des Gegners, Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die ausnahmsweise einen anderen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lassen. Der Anscheinsbeweis unterscheidet sich mithin von Feststellungen nach allgemeinen Beweisregeln gerade dadurch, dass der konkrete Geschehensablauf nicht festgestellt zu werden braucht, weil von einem typischen, durch die Lebenserfahrung bestätigten gleichförmigen Hergang ausgegangen werden kann, solange das Geschehen keine Umstände aufweist, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass ein atypischer Geschehensablauf vorlag (BGH, NJW 2010, 1072 Rn. 11; Urteil vom 4. Mai 2012 - V ZR 71/11, NJW 2012, 2263 Rn. 13). Wegen den damit einhergehenden Einschränkungen ist bei der Anwendung des Anscheinsbeweises grundsätzlich Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 Rn. 11). Als typisch kann ein Geschehensablauf nur angesehen werden, wenn er so häufig vorkommt, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 313; BGH, NJW 2010, 1072 Rn. 8; BGH, NJW 2012, 2263 Rn. 13, Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kapitel 16 Rn. 31; Prütting in MünchKomm.ZPO, 5. Auflage § 286 Rn. 58). Ob es einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt, ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar (BGH, Urteil vom 5. Februar 1987 - I ZR 210/84, BGHZ 100, 31, 33; BGHZ 160, 308, 313, Urteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 Rn. 27). Dies erfordert es, dass der Tatrichter, der sich bei der Überzeugungsbildung auf einen Beweis des ersten Anscheins stützt, deutlich macht, welchen Erfahrungssatz er dabei zugrunde legt.

51

bb) Nach diesen Maßgaben liegen hier die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins nicht vor.

52

(1) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin setzt voraus, dass der Klägerin aus der Abwicklung der in Rede stehenden Aufträge ein Schaden entstanden ist, die Geschäfte ohne den Wettbewerbsverstoß also jeweils zu günstigeren Konditionen abgeschlossen hätten werden können. Dabei gilt der Beweismaßstab des § 287 Abs. 1 ZPO (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 41 ff. - Lottoblock II).

53

(a) Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Bundeskartellamts zugrunde gelegt, wonach Hersteller und Händler von Schienen und Weichen spätestens seit 2001 bis zur Aufdeckung des Kartells im Mai 2011 bundesweit Preis-, Quoten- und Kundenschutzabsprachen getroffen hatten. Unter Bezugnahme auf eigene frühere Entscheidungen (OLG Karlsruhe, NZKart 2014, 366; NZKart 2016, 595) hat es ausgeführt, einem solchen Kartell komme eine allgemein preissteigernde Wirkung zu. Dies rechtfertige die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises. Ebenso wie bei reinen Preisabsprachen werde bei Kundenschutzkartellen der Preiswettbewerb ausgeschaltet. Es liege auf der Hand, dass dies typischerweise mit einer Erhöhung des Preisniveaus einhergehe.

54

(b) Dies hält den Angriffen der Revision nicht stand.

55

(aa) Zwar entspricht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirtschaftlicher Erfahrung, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös der daran beteiligten Unternehmen führt. Dies gilt nicht nur für die Absprache von Preisen, sondern auch für die gemeinsame Festlegung bestimmter Quoten oder für Absprachen über die Zuweisung bestimmter Kunden an die Kartellanten. Durch solche Absprachen sind die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Absprachen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen. Nach ökonomischen Grundsätzen wird bei Kartellen vielfach eine Kartellrendite entstehen. Treffen Unternehmen trotz der damit einhergehenden erheblichen Risiken solche Absprachen, streitet danach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten (BGH, Urteil vom 8. Januar 1992 - 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186, 194; Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I; Beschluss vom 26. Februar 2013 - KRB 20/12, BGHSt 58, 158 Rn. 76 - Grauzementkartell I; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 35 - Grauzementkartell II). Diese Vermutung gewinnt an Gewicht, je länger und nachhaltiger ein Kartell praktiziert wurde (BGH, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I).

56

Einer solchen tatsächlichen Vermutung kommt im Rahmen der freien Beweiswürdigung regelmäßig eine starke indizielle Bedeutung zu. Hierdurch kann den Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, Rechnung getragen werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit das Unionskartellrecht anzuwenden haben, die volle Wirkung von dessen Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Unionsrecht dem Einzelnen verleiht. Die volle Wirksamkeit von Art. 101 AEUV setzt danach voraus, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch gegen diese Bestimmung verstoßende Absprachen entsteht. Bei der Anwendung der einzelstaatlichen Regelungen über Voraussetzungen und Durchsetzung des Anspruchs auf Schadensersatz haben die nationalen Gerichte den Effektivitätsgrundsatz zu beachten, also dafür Sorge zu tragen, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (EuGH, Slg. 2001, I-6297 Rn. 25 ff. - Courage und Crehan; Slg. 2006 I-6619 Rn. 89 ff. - Manfredi).

57

(bb) Auch wenn danach hinsichtlich der Wirkungen von Kartellen ökonomisches Erfahrungswissen besteht, fehlt es angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität. Zwar sind solche Absprachen grundsätzlich auf eine möglichst umfassende Wirkung ausgerichtet. Denn das von den beteiligten Unternehmen gemeinschaftlich verfolgte Ziel, als auskömmlich angesehene Preise zu erzielen, kann regelmäßig umso eher erreicht werden, je besser die Absprachen umgesetzt werden und je höher die Kartelldisziplin ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Absprachen erfolgreich umgesetzt werden, also die Erzielung höherer Preise einem typischen Geschehensablauf entspricht. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang wettbewerbsbeschränkende Absprachen einen Preiseffekt haben, wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, etwa der Anzahl der Marktteilnehmer, der Zahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Möglichkeiten der Marktgegenseite, ihren Bedarf anderweitig zu decken oder sonstige Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Der Einfluss dieser Faktoren kann, gerade wenn es - wie hier - um wettbewerbsbeschränkende Absprachen geht, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, erheblichen Veränderungen unterliegen. Insbesondere darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Absprachen von Unternehmen getroffen werden, die grundsätzlich jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen und nicht durchweg bereit sein müssen, sich der Kartelldisziplin zu fügen. Schon mit Rücksicht darauf fehlt es an einem typischen, gleichförmigen Hergang.

58

(cc) Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hat dazu geführt, dass das Berufungsgericht die Einwendungen der Beklagten nur je für sich und nur unter dem Gesichtspunkt erörtert hat, ob das Vorbringen geeignet ist, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Infolgedessen ist die rechtlich gebotene umfassende Würdigung aller Umstände unterblieben. Diese wird nachzuholen sein. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird sich das Berufungsgericht unter anderem mit dem Vorbringen der Beklagten zu befassen haben, wonach die Absprachen nicht zu einer Preiserhöhung, sondern lediglich zu einer besseren Auslastung der Produktionskapazitäten der beteiligten Unternehmen führten, was dadurch bestätigt werde, dass nach der Aufdeckung des Kartells ein Teil dieser Kapazitäten weggefallen und die Preise im Ergebnis gestiegen seien. Erwiese sich dieses Vorbringen, zu dem das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, als zutreffend, könnte dies der Anwendung des oben wiedergegebenen Erfahrungssatzes, wonach ein Preis-, Quoten- und Kundenschutzkartell häufig zu einem Mehrerlös der beteiligten Unternehmen führt und - als Kehrseite - Preiseffekte zum Nachteil der Marktgegenseite hat, im konkreten Fall entgegenstehen. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang andererseits auch dem durch ein Privatgutachten des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung e.V. unterlegten Vortrag der Klägerin nachzugehen haben, wonach das Kartell zu deutlich höheren Preisen für Schienen und Weichen geführt habe.

59

(2) Entsprechendes gilt, soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, dass die in Rede stehenden Aufträge kartellbefangen waren, also ein Wettbewerb unter möglichen Lieferanten der von der Klägerin jeweils benötigten Schienen und Weichen durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Absprachen ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde. Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, ist eine solche Feststellung, die hier insbesondere für die Anwendbarkeit der Pauschalierungsklausel Bedeutung hat, nach Maßgabe des § 286 ZPO zu treffen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - KZR 25/14, BGHZ 211, 146 Rn. 47 - Lottoblock II).

60

Auch insoweit fehlt es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - an der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderlichen Typizität.

61

Zwar sind, wie bereits ausgeführt, Quoten- und Kundenschutzabsprachen grundsätzlich auf eine möglichst umfassende Wirkung ausgerichtet. Dies kann eine tatsächliche Vermutung dafür begründen, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren.

62

Es ist jedoch nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass solche Absprachen tatsächlich in jedem einzelnen Fall beachtet und umgesetzt werden, die Kartellbefangenheit der je einzelnen Aufträge mithin als typischer Geschehensablauf anzusehen ist. Neben den bereits oben im Zusammenhang mit dem Eintritt eines Schadens angesprochenen Umständen können weitere Faktoren eine Rolle spielen. So kann etwa die Umsetzung der Absprachen insbesondere in der Anfangsphase auf praktische Schwierigkeiten stoßen. Dabei kann etwa der Umstand Bedeutung erlangen, dass der für die Umsetzung wettbewerbsbeschränkender Absprachen erforderliche Informationsaustausch Einschränkungen unterliegt, die sich daraus ergeben, dass die Beteiligten wegen der Gefahr der Entdeckung besondere Vorsicht walten lassen.

63

Mit Recht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, dass sich das Berufungsgericht nicht hinreichend mit Besonderheiten auseinandergesetzt hat, die die Aufträge der Klägerin an die Beklagte betreffen, auf welche die Klage gestützt wird. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts beruhten die Absprachen maßgeblich darauf, dass den einzelnen Kartellanten bestimmte Unternehmen als „Altkunden“ oder „Stammkunden“ zugeordnet waren. Nach dem Vorbringen der Beklagten, das revisionsrechtlich zugrunde zu legen ist, war die Klägerin keine „Stammkundin“ der Beklagten. Das Berufungsgericht hat dazu lediglich bemerkt, daraus lasse sich nicht der Schluss ziehen, die Geschäfte anderer Kunden seien von den Absprachen unbeeinflusst geblieben. Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises wäre jedoch nur gerechtfertigt, wenn auch für die Aufträge, die nicht von „Stammkunden“ erteilt werden, von einem typischen Geschehensablauf hinsichtlich der Kartellbetroffenheit ausgegangen werden könnte, wofür sich dem angefochtenen Urteil nichts entnehmen lässt.

64

Gerade bei Kartellabsprachen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und ein großes Gebiet abdecken sollen, ist zudem damit zu rechnen, dass sie zeitlich und räumlich unterschiedliche Intensität aufweisen. Dies zeigt sich auch im Streitfall, denn nach den Feststellungen des Bundeskartellamts, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, änderten sich die Absprachen hinsichtlich Struktur und Teilnehmer mit den Marktgegebenheiten und wiesen zudem regional unterschiedliche Intensität aus. Dies hat das Berufungsgericht im Ansatz auch nicht verkannt, sondern ausdrücklich festgehalten, dass Veränderungen und Abweichungen insbesondere bei einem über einen längeren Zeitraum durchgeführten Kartell „geradezu den Normalfall“ darstellen. Danach ist aber eine Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht gerechtfertigt. Weder aus den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts noch aus den dort in Bezug genommenen früheren Entscheidungen ergibt sich, dass solche Veränderungen oder Abweichungen unerheblich sind, noch dass ungeachtet solcher Modifikationen jeweils ein typischer Geschehensablauf angenommen werden kann.

65

Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises hat auch insoweit dazu geführt, dass die rechtlich gebotene umfassende Würdigung der Umstände durch den Tatrichter unterblieben ist.

66

cc) Danach erweist sich die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sowohl hinsichtlich der Entstehung eines Schadens als auch bezüglich der Kartellbetroffenheit der in Rede stehenden Aufträge als unzureichend. Das Berufungsgericht hat die Einwendungen der Beklagten nur unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Erschütterung des Anscheinsbeweises und nur je für sich erörtert, die gebotene Gesamtwürdigung jedoch versäumt. Auf diesem Verfahrensfehler beruht das angefochtene Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei einer umfassenden Würdigung des Sachverhaltes zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

67

3. Fehlt es damit an verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die den Schluss tragen, dass die Aufträge kartellbefangen waren und zu einer Schädigung der Klägerin geführt haben, hat auch der Feststellungsausspruch des Berufungsgerichts keinen Bestand.

68

II. Revision der Klägerin

69

Die Revision der Klägerin wegen der Höhe der Zinsen bleibt erfolglos.

70

1. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet die Neufassung des § 33 Abs. 3 GWB durch die 7. GWB-Novelle keine Rückwirkung auf bei ihrem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Kartellrechtsverstöße (BGHZ 190, 145 Rn. 13 - ORWI; BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14 Rn. 55 - VBL-Gegenwert II). Solche Ansprüche sind in entsprechender Anwendung von § 849 BGB nur in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246 BGB) zu verzinsen (BGH, WRP 2018, 941 Rn. 49 - Grauzementkartell II). § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB greift insoweit nicht ein, da kein Verzug begründet wurde. Die Schwierigkeiten, die sich für das Opfer wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei der Ermittlung der Schadenshöhe ergeben können, rechtfertigen es nicht, eine Mahnung generell als entbehrlich anzusehen. Eine Absicht des Gesetzgebers, den Deliktsschuldner bei der Zinshöhe dem Verzugsschuldner gleichzustellen, ist nicht erkennbar (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 47/17 Rn. 57 - VBL-Gegenwert II; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 52 - Grauzementkartell II). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht ausgesprochen, dass Schadensersatzansprüche, die sich aus vor dem 1. Juli 2005 erteilten Aufträgen ergeben, ab Schadensentstehung mit 4% jährlich zu verzinsen sind.

71

2. Soweit Schadensersatzansprüche Aufträge betreffen, die erst nach dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle erteilt wurden, hat das Berufungsgericht der Klägerin zutreffend Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens zugesprochen.

72

Die Revision meint, die Klägerin habe nach § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB i.V. mit § 288 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

73

Dies trifft nicht zu. In Fällen kartelldeliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche ist die Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf Konstellationen beschränkt, in denen sich der Missbrauch einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung auf eine Entgeltforderung des Geschädigten bezieht (BGHZ 199, 1 Rn. 71 - VBL-Gegenwert I; BGH, WRP 2018, 941 Rn. 51 - Grauzementkartell II).

74

III. Das Berufungsurteil war danach aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Die Sache war im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die tatsächlichen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei getroffen wurden.

75

Für die Anwendung der Pauschalierungsklausel - ihre Wirksamkeit unterstellt - ist insbesondere von Bedeutung, ob die betreffenden Aufträge kartellbefangen waren. Insofern ist es, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, nicht entscheidend, ob die Zuweisung des Auftrags an die Beklagte auf einer ausdrücklichen Absprache beruhte oder ob nach dem gesamten Zuschnitt der Vereinbarungen und ihrer Umsetzung durch die am Kartell beteiligten Unternehmen auch ohne eine solche klar war, dass die Beklagte den jeweiligen Auftrag erhalten sollte. Soweit es im Übrigen um die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz geht, wird es insbesondere darauf ankommen, ob die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen allgemein preissteigernde Wirkung hatten. Dazu wird das Berufungsgericht den Sachverhalt, gegebenenfalls nach Einholung sachverständigen Rats, umfassend zu würdigen haben.

76

Für den Fall, dass das Berufungsgericht hiernach erneut zu dem Ergebnis kommt, dass die Aufträge kartellbefangen waren und der Klägerin ein Schaden entstanden ist, weist der Senat auf Folgendes hin:

77

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin sei kein Mitverschulden anzulasten, ist nicht zu beanstanden.

78

a) Die Feststellungen des Bundeskartellamts im Bußgeldbescheid, wonach die an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligten Unternehmen zum Teil von ihren Kunden vor einer Ausschreibung des Auftrags in die Erstellung des Leistungsverzeichnisses einbezogen wurden, begründen kein Mitverschulden der Klägerin. Dies gilt auch dann, wenn die Einbeziehung eines Unternehmens in die Erstellung des Leistungsverzeichnisses eines potentiellen Kunden dazu führte, dass die Ausschreibungen auf die Produkte eines bestimmten Herstellers zugeschnitten wurden. Abgesehen davon, dass Feststellungen dazu fehlen, dass die Klägerin bei den hier in Rede stehenden Beschaffungsvorgängen so vorgegangen ist, zeigt die Revision keine Anhaltspunkte dafür auf, dass eine solche Vorgehensweise dazu führte, dass auf entsprechende Ausschreibungen nur ein einziges Angebot abgegeben wurde. Zudem wäre ein solches Vorgehen der ausschreibenden Unternehmen allenfalls als fahrlässiges Verhalten einzuordnen, das gegenüber einer vorsätzlichen Schädigung, wie sie der Beklagten hinsichtlich ihrer Beteiligung an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen anzulasten ist, grundsätzlich nicht anspruchsmindernd anzurechnen ist (BGH, Urteil vom 10. November 2016 - III ZR 235/15, BGHZ 213, 1 Rn. 42).

79

b) Ein Mitverschulden ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin zum Teil Aufträge ohne vorherige Ausschreibung vergeben hat.

80

Aus den getroffenen Feststellungen und dem von der Revision aufgezeigten Vortrag ergibt sich nichts dafür, dass der Klägerin bei einer Ausschreibung der Aufträge günstigere Konditionen eingeräumt worden wären. Vielmehr sprechen die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Vorgehensweise der an den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen beteiligten Unternehmen dafür, dass sie, soweit sie zu überhöhten Preisen angeboten haben, dies auch dann getan hätten, wenn die betreffenden Aufträge ausgeschrieben worden wären.

81

c) Der Einwand der Beklagten, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ihren Organisations- und Überwachungspflichten zur Abwehr von Kartellrechtsverstößen nicht nachgekommen sei, greift nicht durch.

82

Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug vorgetragen, der "für die Nahverkehrsstruktur zuständige" Mitarbeiter K. der Klägerin habe in regelmäßigem Kontakt mit Mitarbeitern der Streithelferin zu 4 und der Beklagten gestanden. Er habe einen Mitarbeiter der Streithelferin zu 4 informiert, wenn die Klägerin eine Beschaffung bei einem anderen Unternehmen beabsichtigt habe. Ihm seien auch Fälle bekannt gewesen, in denen die Streithelferin zu 4 einen Auftrag für Weichen erhalten und diese dann bei einem anderen kartellbeteiligten Unternehmen beschafft habe, obwohl dieses zuvor bei der Ausschreibung ein Angebot mit höherem Preis abgegeben habe.

83

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob dieses Vorbringen zuzulassen sei, und ausgeführt, es sei nicht geeignet, ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen. Dies ist nicht zu beanstanden.

84

Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Klägerin Kenntnis von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen hatte oder sich gar pflichtwidrig an diesen beteiligte, rechtfertigt als solcher nicht den Schluss, die Klägerin habe ihre Organisations- und Überwachungspflichten verletzt. Im Übrigen träfe sie insoweit allenfalls der Vorwurf der Fahrlässigkeit, so dass ihr Beitrag angesichts des vorsätzlichen Handelns der Beklagten zurückzutreten hätte.

85

d) Die Klägerin muss sich im Rahmen der Prüfung eines Mitverschuldens nach § 254 BGB auch keine eigene Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und ihrer Umsetzung sowie der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran entgegenhalten lassen.

86

aa) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass organschaftliche Vertreter der Klägerin (§ 31 BGB) Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und ihrer Umsetzung sowie der Beteiligung der Beklagten hieran hatten. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass sie in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hat, eine solche Kenntnis sei den Vertretern der Klägerin von K. vermittelt worden. An der von der Revision hierfür herangezogenen Stelle hat die Beklagte lediglich die Kenntnis von K. behauptet und daraus gefolgert, die Klägerin habe Kenntnis von den Absprachen gehabt.

87

bb) Über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus hat die Rechtsprechung eine Repräsentantenhaftung für solche Personen entwickelt, denen bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11, BGHZ 196, 340 Rn. 12 mwN).

88

Die Beklagte zeigt nicht auf, dass sie Umstände vorgetragen hat, die den Schluss zuließen, dass K. eine Stellung innehatte, die es rechtfertigte, ihn in Bezug auf den Einkauf von Gleisoberbaumaterialien als Repräsentant der Klägerin anzusehen. Die nicht näher konkretisierte Behauptung, er sei früher der "für die Nahverkehrsinfrastruktur" bei der Klägerin zuständige Mitarbeiter gewesen, genügt hierfür nicht, zumal eine solche Behauptung bei einem Nahverkehrsunternehmen wie der Klägerin auf zahlreiche Mitarbeiter zutreffen dürfte.

89

cc) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, K. sei als Wissensvertreter der Klägerin anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 166 Abs. 1 BGB entsprechend auch auf sogenannte Wissensvertreter anzuwenden (BGH, Urteil vom 24. Januar 1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. mwN; Urteil vom 18. Februar 2003 - X ZR 245/00, BauR 2004, 337, 338 f.). Die Anwendung dieser Vorschrift ist nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. Wissensvertreter ist dabei jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten. Der Geschäftsherr muss sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedienen.

90

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss tragen, K. sei befugt gewesen, in eigener Verantwortung über die hier in Rede stehenden Beschaffungsvorgänge zu entscheiden. Zu Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Vortrag, K. sei für die Nahverkehrsinfrastruktur zuständig gewesen, rechtfertige es nicht, ihn insofern als Wissensvertreter der Klägerin zu qualifizieren. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage dafür, der Klägerin die behaupteten Kenntnisse ihres Angestellten zuzurechnen.

91

Selbst wenn K. befugt gewesen wäre, die Klägerin bei der Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien zu vertreten, hätte er im Übrigen seine Vertretungsmacht missbraucht, wenn er in Kenntnis der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran, jedoch ohne die Organe der Klägerin hierüber zu informieren, der Beklagten Aufträge erteilt hätte. In diesem Fall wäre die Beklagte wegen kollusiven Zusammenwirkens mit einem Angestellten der Klägerin zu deren Nachteil nach Treu und Glauben daran gehindert, sich unter Verweis auf dessen Kenntnisse von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der Beteiligung der Beklagten hieran auf ein Mitverschulden der Klägerin zu berufen (BGH, Urteil vom 28. Januar 2000 - V ZR 402/98, NJW 2000, 1405, 1406; Urteil vom 27. Februar 2008 - IV ZR 270/06, NJW-RR 2008, 977 Rn. 10).

92

2. Die Einrede der Verjährung greift, wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, nicht durch.

93

a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt, dass die Klägerin vor Erlass des Bußgeldbescheids am 18. Juli 2013 keine Kenntnis von den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Mittäterschaft der Beklagten hatte.

94

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich auf die Person des Gläubigers abzustellen. Im Fall der gesetzlichen Vertretung muss sich der Vertretene grundsätzlich nur das Wissen seines gesetzlichen Vertreters zurechnen lassen. Wie bereits ausgeführt wurde, ist nicht festgestellt, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin von K. über wettbewerbsbeschränkende Absprachen der Hersteller von Schienen und Weichen unter vorsätzlicher Beteiligung der Beklagten informiert wurden.

95

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, K. sei über die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen informiert gewesen. Die Kenntnis eines rechtsgeschäftlichen Vertreters ist für den Verjährungsbeginn regelmäßig unerheblich. Die Vorschrift des § 166 BGB ist in diesem Bereich wegen des Zwecks der Verjährungsvorschriften nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 15).

96

Einem Anspruchsteller ist es allerdings verwehrt, sich auf eigene Unkenntnis zu berufen, wenn er sich eines sogenannten Wissensvertreters bedient, den er mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten, insbesondere mit der Betreuung und Verfolgung des in Frage stehenden Anspruchs in eigener Verantwortung betraut hat. In dieser Konstellation muss sich der Anspruchsteller das Wissen des Dritten in entsprechender Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1 Rn. 35; Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 436/12, NJW 2014, 1294 Rn. 16). Wie bereits ausgeführt wurde, hat das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen, die den Schluss zuließen, dass K. die Stellung eines Wissensvertreters hatte.

97

Selbst wenn K. befugt gewesen wäre, die Klägerin bei der Beschaffung von Gleisoberbaumaterialien zu vertreten, könnte sich die Beklagte nicht auf eine Wissenszurechnung berufen, wenn K. in Kenntnis der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und der vorsätzlichen Beteiligung der Beklagten hieran, jedoch ohne die Organe der Klägerin hierüber zu informieren, der Beklagten Aufträge erteilt hätte. Die Wissenszurechnung dient dem Schutz des redlichen Vertragspartners. Sie ist nicht gerechtfertigt, wenn dieser nicht schutzwürdig ist (BGH, NJW-RR 2008, 977 Rn. 10). So verhielte es sich, wenn ihr Mitarbeiter hinter dem Rücken der Klägerin zu deren Nachteil mit der Beklagten zusammengewirkt hätte.

98

c) Den Eintritt der kenntnisunabhängigen Verjährung (§ 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB) hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend verneint.

99

Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, findet § 33 Abs. 5 GWB 2005 auch auf Schadensersatzansprüche Anwendung, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle begangen wurden und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren (BGH, WRP 2018, 941 - Grauzementkartell II). Danach wurde die Verjährung der Ansprüche der Klägerin auch hinsichtlich solcher Aufträge, die der Beklagten vor dem 1. Juli 2005 erteilt wurden, durch die Einleitung der Ermittlungen der Kartellbehörde im Mai 2011 bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Abschluss des Verfahrens gehemmt. Bereits deshalb war die Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei Erhebung der am 29. August 2014 eingereichten und nach Einzahlung des Kostenvorschusses am 23. September 2014 zugestellte Klage auch bezüglich Ansprüchen aus Beschaffungsvorgängen, bei denen der Auftrag im Jahr 2004 bzw. im Mai 2005 erteilt worden war, noch nicht abgelaufen.

100

Auf die Frage, ob das von der Klägerin eingeleitete Güteverfahren eine Hemmung der Verjährung bewirkt hat, kommt es hiernach nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob die Verjährungsfrist bereits mit der Erteilung des jeweiligen Auftrags an die Beklagte in Lauf gesetzt wurde.

Limperg     

        

Meier-Beck     

        

Raum   

        

Sunder      

        

Deichfuß      

        

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) Der Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht.

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch geltend gemacht werden von

1.
rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, wenn
a)
ihnen eine erhebliche Anzahl betroffener Unternehmen im Sinne des Absatzes 3 angehört und
b)
sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen;
2.
Einrichtungen, die nachweisen, dass sie eingetragen sind in
a)
die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder
b)
das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) in der jeweils geltenden Fassung.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

(1) Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Es wird widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht. Ein Kartell im Sinne dieses Abschnitts ist eine Absprache oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen zwei oder mehr Wettbewerbern zwecks Abstimmung ihres Wettbewerbsverhaltens auf dem Markt oder Beeinflussung der relevanten Wettbewerbsparameter. Zu solchen Absprachen oder Verhaltensweisen gehören unter anderem

1.
die Festsetzung oder Koordinierung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen,
2.
die Aufteilung von Produktions- oder Absatzquoten,
3.
die Aufteilung von Märkten und Kunden einschließlich Angebotsabsprachen, Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen oder
4.
gegen andere Wettbewerber gerichtete wettbewerbsschädigende Maßnahmen.
Es wird widerleglich vermutet, dass Rechtsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen mit kartellbeteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich eines Kartells fallen, von diesem Kartell erfasst waren.

(3) Für die Bemessung des Schadens gilt § 287 der Zivilprozessordnung. Dabei kann insbesondere der anteilige Gewinn, den der Rechtsverletzer durch den Verstoß gegen Absatz 1 erlangt hat, berücksichtigt werden.

(4) Geldschulden nach Absatz 1 hat der Schuldner ab Eintritt des Schadens zu verzinsen. Die §§ 288 und 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.