Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14

ECLI:ECLI:DE:OLGHAM:2014:1021.1RVS82.14.00
bei uns veröffentlicht am21.10.2014

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche verurteilt wird.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um 1/3 ermäßigt. Die Landeskasse hat 1/3 der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14 zitiert 19 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rech

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 121


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;b) die Berufungsurteile der kleinen

Strafgesetzbuch - StGB | § 40 Verhängung in Tagessätzen


(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze. (2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der

Strafgesetzbuch - StGB | § 38 Dauer der Freiheitsstrafe


(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht. (2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

Strafprozeßordnung - StPO | § 318 Berufungsbeschränkung


Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.

Strafgesetzbuch - StGB | § 39 Bemessung der Freiheitsstrafe


Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren bemessen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Aug. 2011 - 5 StR 255/11

bei uns veröffentlicht am 17.08.2011

5 StR 255/11 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 17. August 2011 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung mit Todesfolge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Ur

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2012 - 5 StR 517/11

bei uns veröffentlicht am 10.01.2012

5 StR 517/11 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 10. Januar 2012 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2012 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urt

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Aug. 2014 - 4 StR 329/14

bei uns veröffentlicht am 12.08.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR329/14 vom 12. August 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Aug. 2010 - 1 StR 410/10

bei uns veröffentlicht am 25.08.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 410/10 vom 25. August 2010 in der Strafsache gegen BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ______________________________ StGB § 54 Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe legt einen Rech

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2010 - 2 StR 408/10

bei uns veröffentlicht am 01.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 408/10 vom 1. September 2010 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. Sep

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 06. März 2014 - 1 RVs 10/14

bei uns veröffentlicht am 06.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an ei

Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 03. Dez. 2013 - 1 RVs 90/13

bei uns veröffentlicht am 03.12.2013

Tenor Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an ei

Referenzen

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

5 StR 517/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2012

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 7. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei es sechs Monate zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt hat. Die auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Gegen den Schuldspruch ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. Insbesondere hat das Landgericht eine alkoholbedingt aufgehobene Steue- rungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
3
2. Hingegen begegnet die Begründung der Strafkammer, mit der sie auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ausgeschlossen hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Das Landgericht hat eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint, obgleich dieser die Taten in stark alkoholisiertem Zustand begangen hatte (maximale Blutalkoholkonzentration 2,75 ‰, wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰, UA S. 30). Zur Begründung führt es im Anschluss an ein mündlich erstattetes Gutachten der Sachverständigen aus, dass „der Grad der Alkoholisierung wenig aussagekräftig sei, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholgewöhnt gewesen sei. Der Angeklagte habe angegeben , dass er sich angetrunken, aber nicht schwer betrunken gefühlt habe. Sein Erinnerungsvermögen habe sich nicht wesentlich eingeschränkt gezeigt, er ha- be betont, gewusst zu haben, was er tat.“ Überdies spreche für eine genaue Planung der Tat, dass „der Angeklagte über einen längeren Zeitraum geplant Personen zur Verteidigung um sich geschart habe und den Angreifern letztlich gezielt im Erdgeschoss zuvorgekommen sei.“ Schließlichspreche sein „gezieltes Rückzugsverhalten“, in dem er sich freiwilliggestellt und auf Notwehr beru- fen hat, gegen „eine relevante Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungs- fähigkeit“ (UA S. 30 f.).
5
b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Bei einem Täter, der zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration zwischen 2,3 und 2,7 ‰ aufwies, ist die Annahme einer erheblichen Herabsetzung seiner Hemmungsfähigkeit regelmäßig in einem hohen Grad wahrscheinlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31; Beschluss vom 31. Mai 1988 – 3 StR 203/88, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 13; vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 20 Rn. 21 mwN). Eine erheblich verminderte Hemmungsfähigkeit lässt sich bei einer solchen beträchtlichen Alkoholisierung nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt einer Hemmungsfähigkeit sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 68 ff.; Beschluss vom 26. November 1997 – 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; hierzu ferner Fischer, aaO, Rn. 22 ff.).
6
Es erscheint bereits durchgreifend zweifelhaft, ob die von der Strafkammer festgestellten nicht überaus aussagekräftigen Umstände namentlich mit Blick auf die Höhe der – sogar mittels einer verhältnismäßig tatzeitnah entnommenen Blutprobe – ermittelten Alkoholintoxikation hinreichend tragfähig gewesen wären. Zudem ist die tatrichterliche Bewertung mit weiteren Fehlern behaftet. So lässt das Landgericht, das ersichtlich dem Sachverständigengutachten folgt, unerörtert, dass unauffälligem Verhalten sowie zielstrebigem und planvollem Vorgehen trotz Alkoholgewöhnung und ungetrübtem Erinnerungsvermögen nur ein beschränkter Beweiswert zukommt, weil gerade erfahrene und alkoholgewöhnte Trinker sich häufig im Rausch noch motorisch kontrollieren und sich äußerlich geordnet verhalten können, obwohl ihr Hemmungsvermögen möglicherweise schon erheblich beeinträchtigt ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. August 1988 – 1 StR 231/88, BGHSt 35, 308, 311). Weiter berücksichtigt das Landgericht nicht erkennbar, dass auch situationsgerechtes Verhalten nach der Tat nur eingeschränkten Beweiswert aufweist, da der Täter durch die Tat oder die Gefahr der Entdeckung „ernüchtert“ sein kann (BGH aaO).
7
3. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass ein neues Tatgericht im Falle einer Anwendung des § 21 StGB auf eine noch mildere Freiheitsstrafe erkennen könnte (§ 337 StPO), wenngleich sich dies mit Blick auf das Tatbild nicht aufdrängt.

Basdorf Brause Schaal Schneider König
5 StR 255/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 17. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. August 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts liegt der Tat eine Auseinandersetzung im „so genannten Trinkermilieu am Berliner Ost-Bahnhof“ (UA S. 6) zugrunde. Der im Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alte, aus Polen stammende und erheblichen Alkoholmissbrauch treibende Angeklagte traf dort auf den später verstorbenen 59 Jahre altenalkoholkranken R. . Gemeinsam mit anderen Personen wurde auf einem kleinen Vorplatz des Bahnhofs Alkohol konsumiert. Als der Angeklagte den auf einer niedrigen Mauer sitzenden alkoholkranken R. verdächtigte, ihm Zigaretten weggenommen zu haben, schrie er ihn an und versetzte ihm schließlich einen kräftigen Tritt seitlich gegen den Kopf. R. fiel nach hinten in eine Rabatte und blieb dort liegen, ohne dass sich die umstehenden Personen um ihn kümmerten. Erst als zwei Zeugen mehrere Stunden später bei ihm keine Lebenszeichen mehr feststellen konnten, riefen sie einen Rettungswagen. Der Tritt des Angeklagten hatte zu einer Verletzung des Gehirns des Geschädigten geführt, wahrscheinlich zu einem Riss eines Aneurysmas in der Nähe des Hirnstamms; der Geschädigte verstarb wenig später.
3
2. Die Verneinung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
a) Die beim Angeklagten etwa sieben bis acht Stunden nach dem Tatzeitpunkt ermittelten Blutalkoholwerte vermochte die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer ihrer Bewertung nicht zugrunde zu legen, da der Angeklagte, der am Nachmittag mit dem Konsum von Alkohol angefangen hatte, damit auch nach dem festgestellten Tatgeschehen fortfuhr. Auch konnten keine zuverlässigen Trinkmengenangaben erhoben werden.
5
b) Angesichts dessen hat das Landgericht seine Annahme, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert gewesen, im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auf folgende Umstände gestützt: Zeugen hätten den Angeklagten als angetrunken, jedoch „nicht total betrunken“ bezeichnet. Auf einer Videoaufzeichnung, die sein Verhalten in Tatzeitnähe zeige, sei erkennbar, dass der Angeklagte ohne weiteres in der Lage gewesen sei, aus der Hocke am Boden aufzustehen, sich wieder hinzuhocken und umherzugehen; augenfälliges Torkeln oder Schwanken sei nicht zu erkennen. Entscheidend sei schließlich der festgestellte Tatablauf selbst, wonach der Angeklagte fähig gewesen sei, einen Tritt gegen den Kopf des vor ihm sitzenden Geschädigten auszuführen. Aufgrund der Größe des Geschädigten und dessen Sitzhöhe erfordere eine derartige Handlung ein deutliches Heben des Beines und damit ein Maß an Koordinationsfähigkeit , das einer stark betrunkenen Person nicht mehr möglich gewesen wäre.
6
aa) Die Schwurgerichtskammer hat nicht bedacht, dass selbst bei hochgradiger Alkoholisierung des Täters grobmotorische Fertigkeiten erhalten geblieben sein können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1981 – 2 StR 264/81). Denn dievom Landgericht angeführten Umstände belegen nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht völlig aufgehoben war; aus ihnen ist indes nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Dazu hätte es aussagekräftiger psychodiagnostischer Beweisanzeichen bedurft. Als solche sind nur Umstände in Betracht zu ziehen, die Hinweise darauf geben können, dass die Steuerungsfähigkeit des Täters trotz erheblicher Alkoholisierung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2005 – 2 StR 160/05, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 38, und vom 28. April 2009 – 4 StR 95/09, NStZ-RR 2009, 270). Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 1997 – 3 StR 35/97, StV 1997, 349).
7
bb) Soweit sich die Urteilsbegründung auf Aussagen von Zeugen stützt, die sich selbst zum Zweck des Alkoholkonsums am Ort des Geschehens aufhielten, wären deren Alkoholisierung in Bedacht zu nehmen und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens des Angeklagten zu erörtern gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2005 – 5 StR 358/05, NStZ-RR 2006, 72, und vom 26. Mai 2009 – 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41).
8
c) Obgleich die verhängte Strafe eher maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB noch geringer ausgefallen wäre. Dies gilt insbesondere, da dieser benannte Strafmilderungsgrund im Rahmen der Prüfung des § 213 Alternative 2, § 227 Abs. 2 StGB – nachrangig zu unbenannten Strafmilderungsgründen – zu berücksichtigen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwä- gung, er habe „keinen bzw. jedenfalls keinen nachvollziehbaren Grund“ (UA S. 21) für den körperlichen Übergriff auf R. gehabt, angesichts des nicht aufgeklärten Diebstahlsverdachts nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist.
9
3. Darüber hinaus hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.
10
a) Dem Sachverständigen folgend hat die Schwurgerichtskammer bei dem Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB und den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels konstruktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige Fassung des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.
11
b) Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Indes muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen , insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen EU-Ausländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland. Angesichts dessen hätte es jedenfalls der Klärung bedurft, inwieweit das für den Vollzug einer Unterbringung des Angeklagten zuständige Krankenhaus des Maßregelvollzugs Behandlungsmöglichkeiten für polnischsprachige Patienten bietet (vgl. Basdorf /Schneider/König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.).
Raum Brause Schaal Schneider Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 408/10
vom
1. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 1. September 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 21. April 2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht das Vorliegen einer im Sinne von § 21 StGB erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat verneint hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Angeklagten um einen "depravierten, verfallenen Alkoholiker", einen "Spiegeltrinker", der ständig große Mengen Alkohol konsumiert und dessen Leben hiervon geprägt ist. Auch am Tattag konsumierte er - mit den Eltern der Geschädigten - größere, im einzelnen nicht mehr feststellbare Mengen Alkohol, bis er "stark angetrunken" war; er konnte noch sprechen, hatte aber Mühe zu gehen. Er legte sich im Kinderzimmer der Wohnung zum Schlafen. Als die 8-jährige Geschädigte und ihre Schwester begannen, mit ihm zu spielen, zog er der Geschädigten die Hose herunter, leckte einmal über ihre Scheide und beendete dies sofort, als die Geschädigte ihn hierzu aufforderte. Der Angeklagte hat die Tat gestanden; er hat bekundet, er habe sie nur aufgrund seiner Trunkenheit begangen; im nüchternen Zustand hätte er "so etwas nie im Leben getan". Einige Monate nach der Tat stach ihn der Vater der Geschädigten aus Rache für die Tat nieder und verletzte ihn so schwer, dass er nur durch glückliche Umstände und eine Notoperation gerettet werden konnte.
3
Das Landgericht ist einem in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen in der Beurteilung gefolgt, eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit habe nicht vorgelegen. Ein hirnorganisches Psychosyndrom sei beim Angeklagten noch nicht gegeben. Die genaue Höhe der Alkoholintoxikation zur Tatzeit habe sich nicht mehr feststellen lassen. Für seine uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit sprächen die Umstände, dass er "Spiegeltrinker" und alkoholgewöhnt sei, dass er noch relativ normal sprechen konnte und dass er "zielgerichtet" die Hose des Kindes heruntergezogen und über seine Scheide geleckt habe. Die Eltern der Geschädigten, mit denen er vor der Tat gezecht hatte, könnten, da sie den Angeklagten "schon lange Zeit kennen", seine Alkoholisierung "gut beurteilen" (UA S. 17). Bei der Strafzumessung hat das Landgericht überdies ausgeführt, zu Gunsten des Angeklagten sei der "Alkoholkonsum mit der Folge einer solchen Enthemmung und nur daraus resultierend die Verübung der hier gegenständlichen Tat" zu werten gewesen (UA S. 19).
4
Aufgrund dieser Ausführungen ließ sich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen. Soweit das Landgericht die Bekundung des Sachverständigen wiedergibt, die Trinkmengenangaben des Angeklagten seien unrealistisch hoch gewesen, wird nicht deutlich, ob es gegebenenfalls möglich war und versucht wurde, durch Kontrollrechnungen jedenfalls zur Feststellung von annähernd realistischen Werten zu gelangen oder ob dies - auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen der Mittrinker - von vornherein ausgeschlossen war. Die vom Landgericht herangezogenen Argumente, der Angeklagte sei "Spiegeltrinker" und habe die Tat "zielgerichtet" ausgeführt, haben im vorliegenden Zusammenhang für die Feststellung der Steuerungsfähigkeit kaum Gewicht. Die "Zielgerichtetheit" der Tatausführung ging ersichtlich nicht über die bloße (spontane) Begehung der Tat hinaus; dies erforderte offenkundig weder differenzierte Überlegungen noch komplexe körperliche Fertigkeiten , die auf voll erhaltene Steuerungsfähigkeit hindeuten könnten. Der Umstand , dass es sich beim Angeklagten um einen alkoholgewöhnten "Spiegeltrinker" handelt, ist in seiner Bedeutung für die Steuerungsfähigkeit jedenfalls bei sehr hoher Blutalkoholkonzentration gemindert. Gegen voll erhaltene Steuerungsfähigkeit sprechen die wiederholten Beschreibungen des Angeklagten als "verfallener, depravierter Alkoholiker" durch das Landgericht, die Feststellung, die Tat habe "nur" aus der alkoholischen Enthemmung resultiert, sowie die spontane, ohne jegliche Sicherungstendenz in Anwesenheit eines zweiten Kindes vollzogene Tatbegehung.
5
2. Keinen Bestand hat auch die Nichtanordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB. Das Landgericht hat - im Anschluss an den Sachverständigen - insoweit ausgeführt, eine Unterbringung sei aussichtslos. Der Angeklagte sei "völlig haltlos"; er sei "ohne jegliches Problembewusstsein" (UA S. 22). Das ist mit sonstigen Feststellungen nicht vereinbar. Danach hat der Angeklagte "einen Antrag auf Durchführung einer Alkoholentwöhnungstherapie" (UA S. 5) gestellt; im Januar 2010 fand ein Beratungstermin statt; der Angeklagte hat aber bisher die erforderlichen Unterlagen nicht zusammengestellt (ebd.). In seinem letzten Wort äußerte er "den Wunsch nach einer letzten Chance zur Therapie" (UA S. 23). Danach kann nicht die Rede davon sein, es liege keinerlei Problembewusstsein vor. Die Ausführung des Landgerichts, "eine bloße Absichtserklärung ohne einen ernstzunehmenden eigenen Beitrag" reiche nicht aus (UA S. 23), lässt im Unklaren, welchen "eigenen Beitrag" der Tatrichter als Voraussetzung einer Maßregelanordnung verlangt. Wäre dies, wofür die Formulierungen sprechen könnten, die bereits "ernsthafte" oder gar erfolgreiche Durchführung einer (ambulanten) Therapie, so würde dies die Voraussetzungen des § 64 StGB verkennen. Auf dieser widersprüchlichen, jedenfalls unklaren Grundlage findet die Entscheidung, von einer Maßregelanordnung abzusehen, keine Stütze. Der neue Tatrichter hat über die Rechtsfolgen daher insgesamt neu zu entscheiden.
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR329/14
vom
12. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. August 2014 gemäß
§ 154a Abs. 2 und § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 25. März 2014 wird
a) die Strafverfolgung im Fall II.2.a der Urteilsgründe auf den Tatbestand des versuchten Diebstahls beschränkt,
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, des Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, des versuchten Diebstahls und des Hausfriedensbruchs schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, wegen Dieb- stahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Diese führt zu einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO. Im verbleibenden Umfang hat sie keinen Erfolg.
2
1. Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Fall II.2.a der Urteilsgründe aus den in dessen Antragsschrift vom 22. Juli 2014 dargelegten Gründen gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung aus. Dies führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Der Senat schließt - ebenfalls aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen - aus, dass der Strafausspruch sowohl hinsichtlich der für die Tat II.2.a verhängten Einzelstrafe als auch hinsichtlich der Gesamtstrafe auf der Verurteilung auch wegen Hausfriedensbruchs in diesem Fall beruht.
3
2. Im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Weder die Beweiswürdigung noch die rechtliche Bewertung der Taten oder die Strafaussprüche weisen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Insbesondere Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Begründung der Gesamtstrafe genügt auch den von der Rechtsprechung in Fällen eines relativ knappen Überschreitens der Grenze zu einer bewährungsfähigen Gesamtstrafe gestellten Anforderungen (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 374/02).
Sost-Scheible Roggenbuck RiBGH Dr. Franke ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Sost-Scheible
Mutzbauer Quentin

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Die Freiheitsstrafe ist zeitig, wenn das Gesetz nicht lebenslange Freiheitsstrafe androht.

(2) Das Höchstmaß der zeitigen Freiheitsstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestmaß ein Monat.

(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.

(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 410/10
vom
25. August 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
______________________________
Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe legt einen Rechtsfehler bei der Gesamtstrafenbildung
gemäß § 54 StGB nicht ohne weiteres nahe.
BGH, Beschluss vom 25. August 2010 - 1 StR 410/10 - LG Augsburg
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. August 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Augsburg vom 22. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts
merkt der Senat an:
Entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe
gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die
verwirkte höchste Einzelstrafe (zwei Jahre) auf sechs Jahre und neun Monate
zu erhöhen.
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist im Wege einer Gesamtschau
des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs vorzunehmen. Erforderlich ist bei
der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ein eigenständiger Zumessungsakt
(vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2008 - 3 StR 485/08). Der
Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist
die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung
der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3
StGB). Die Erhöhung der Einsatzstrafe kann geringer ausfallen, wenn zwischen
den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang
besteht. Die wiederholte Begehung gleichartiger Taten kann der Ausdruck
einer niedriger werdenden Hemmschwelle sein. Andererseits kann hierin je
nach den Umständen des Einzelfalles ein Indiz für eine besondere kriminelle
Energie (§ 46 Abs. 2 StGB) gesehen werden. Denn aus hartnäckiger Tatwiederholung
in schneller Folge können sich durchaus gesamtstrafen-schärfende
Umstände ergeben (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 54 Rn. 10). Gerade bei Sexualdelikten
wird die Milderungsmöglichkeit der sinkenden Hemmschwelle
durch den ständigen Druck ausgeglichen, dem das Opfer dadurch ausgesetzt
ist, dass es jederzeit mit einer neuen Tat rechnen muss (vgl. Schäfer/
Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 664).
An die Begründung der Gesamtstrafenhöhe sind umso höhere Anforderungen
zu stellen, je mehr sich die Strafe der oberen oder unteren Grenze des
Zulässigen nähert. Eine starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf dann besonderer
Begründung, wenn sich diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen
von selbst ergibt. Da eine "Mathematisierung" der Strafzumessung
fremd ist, kann - anders als der Revisionsführer meint - kein Rechtsfehler allein
darin gesehen werden, dass die Einsatzstrafe mehr als verdreifacht wurde (vgl.
hierzu Fischer, aaO, § 54 Rn. 7a). Derartige Überlegungen finden im Gesetz
keine Stütze. Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine
schuldunangemessene erhöhte Einsatzstrafe festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie
Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen
(vgl. auch BGHR StGB § 54 Strafhöhe 1).
Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können
insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb
des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die
Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich
von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss
vom 3. Februar 1999 - 2 StR 678/98 - mwN). Denn eine ungewöhnlich hohe
Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen
einer tragfähigen Begründung) die Besorgnis begründen, dass das Gericht
sich in zu starkem Maße von der Summe der Einzelstrafen hat leiten lassen
(vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 661 mwN).
2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Tatrichter
hat die Erhöhung der Einsatzstrafe nicht nur durch zulässige (vgl. u.a.
BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 1, 4) Bezugnahme auf die den Einzelstrafen
zugrunde liegenden Strafzumessungserwägungen begründet. Er hat vielmehr
zusätzlich einerseits auf "die Sexualstraftaten im sozialen Nahraum innewohnende
Wiederholungsdynamik" abgestellt und andererseits auf das "Gesamtgewicht
der Taten". Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gerade das
Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts hat nach dem Beschluss des
Großen Senats für Strafsachen zur fortgesetzten Handlung bei der Gesamtstrafenbildung
besondere Bedeutung erlangt. Dies gilt vor allem bei Sexualstraftaten
, wo die insbesondere psychischen Folgen beim Opfer einzelnen Taten nur
schwer zugeordnet werden können, aber in ihrem Gesamtgewicht als Ergebnis
aller Einzeltaten sicher feststehen (vgl. BGHR StGB § 54 Serienstraftaten 3
mwN). In diesen Fällen ist ohnehin nicht die Zahl der Taten, sondern die durch
die Taten erfolgte Beeinträchtigung des Opfers maßgeblicher Strafzumessungsgrund
(vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 664).
Im Übrigen ergibt sich hier aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen,
dass der Angeklagte weit über 100 erhebliche Sexualstraftaten an zwei verschiedenen
Opfern begangen hat, wobei "beide Stieftöchter den erlebten Missbrauch
psychisch noch nicht verarbeiten konnten" (UA S. 49). Grundsätzlich
lässt nicht jede deutliche Erhöhung der Einsatzstrafe besorgen, der Tatrichter
habe sich rechtsfehlerhaft (vgl. hierzu BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 12)
bei Bemessung der Gesamtstrafe an der Obergrenze des Strafrahmens oder
gar an der Summe der Einzelstrafen orientiert. Im vorliegenden Fall ist diese
Besorgnis ohnehin fern liegend. Der Tatrichter hat sich bei der Festsetzung der
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten ersichtlich nicht von
der Obergrenze des Strafrahmens (15 Jahre; § 54 Abs. 2 StGB) oder gar der
Summe der Einzelstrafen (über 130 Jahre) leiten lassen.
Nack Wahl Rothfuß
Jäger Sander

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren bemessen.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.