Oberlandesgericht Hamm Urteil, 21. Okt. 2014 - 1 RVs 82/14
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche verurteilt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens, jedoch wird die Gebühr für das Revisionsverfahren um 1/3 ermäßigt. Die Landeskasse hat 1/3 der dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, zu Lasten des Angeklagten eingelegte, Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht den Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
4Das Landgericht ist von einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung ausgegangen und hat folgende amtsgerichtliche Feststellungen zu Grunde gelegt:
5Am 22.08.2013 entnahm der Angeklagte aus der Auslage der Fa. S eine Flasche Wodka zum Preis von 4,99 Euro, steckte sich diese in den Hosenbund, um damit das Geschäft zu verlassen, ohne diese zu bezahlen und um sie für sich zu behalten. Er stand dabei erheblich unter Alkoholeinfluss. Eine Atemalkoholkontrolle ergab einen Wert von 1,45 mg/l.
6Ergänzend hat das Landgericht (u.a.) festgestellt, dass der (vielfach – auch einschlägig – vorbestrafte) Angeklagte seit etwa zehn Jahren „missbräuchlichen, teils exzessiven Alkoholkonsum“ betreibt. Er treffe sich mit Gleichgesinnten in der „Trinkerszene“. Aus seinem Alkoholkonsum resultierten sein berufliches „Aus“ wie auch seine Delinquenz. Am Tattag habe der Angeklagte etwa eine Flasche Wodka zu sich genommen. Nähere Feststellungen zu genauer Trinkmenge und Trinkzeiten seien nicht möglich gewesen. Die Tat sei gegen 18.25 Uhr verübt, die Atemalkoholmessung sei um 19.15 Uhr vorgenommen worden. Ein Arzt habe die Gewahrsamsfähigkeit des Angeklagten festgestellt.
7Im Rahmen der Strafzumessung legt das Landgericht dann den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu Grunde, weil angesichts eines von der Atemalkoholanalyse auf BAK-Werte umgerechneten BAK-Wertes von 3,27 Promille zum Tatzeitpunkt die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei. Ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit sei nicht gegeben gewesen (wird von der Strafkammer näher – insbesondere im Hinblick auf das auch nach der Tat gezeigte Leistungsverhalten –mbegründet).
8Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er führt u.a. aus, dass der Schuldspruch fehlerhaft sei, da sich nicht ergebe, ob der Angeklagte schuldfähig gewesen sei oder nicht. Er rügt weiter, dass die Kammer sich von seiner Schuldfähigkeit ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen überzeugt habe. Auch sei die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen einen alkoholkranken Angeklagten unverhältnismäßig. Er hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass er zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wird.
9Die Generalstaatsanwaltschaft hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wird. Die erkannte Freiheitsstrafe von drei Monaten sei nicht mehr tat- und schuldangemessen. Die zunächst bei schriftlicher Antragstellung geäußerten Bedenken gegen die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhalten.
10II.
11Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
121.
13Das angefochtene Urteil ist nicht schon deswegen aufzuheben, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen wäre. Die Berufungsbeschränkung ist hier wirksam.
14Auf die Sachrüge hin hat das Revisionsgericht (auch) zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist. Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 Satz 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Bilden die tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine (noch) hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung, so ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch daher wirksam. Somit führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenden Teils des Urteils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung. Das gilt auch, wenn infolge der Unvollständigkeit die Feststellungen für die erneut vorzunehmende Strafzumessung zu ergänzen sind, solange die neu zu treffenden Feststellungen den bindend gewordenen nicht widersprechen und der Schuldspruch als solcher davon nicht betroffen sein kann (KG Berlin, Beschl. v. 27. August 2013 – (4) 161 Ss 101/13 (116/13) –, juris; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.10.1980 – 1 StR 262/80 – juris).
15Die Unwirksamkeit einer grundsätzlich möglichen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wird vor allem dann angenommen, wenn die Feststellungen zum Schuldumfang der Tat so dürftig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen und daher keine ausreichende Grundlage für die Rechtsfolgenentscheidung bilden können. Dabei ist eine Berufungsbeschränkung nicht etwa schon deswegen ausgeschlossen, weil das Erstgericht geltendes Recht falsch angewendet haben sollte. Eine fehlerhafte Subsumtion hindert die Beschränkung der Berufung nicht (OLG Hamm ZfSch 2008, 534; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 345 jew. m.w.N.). In der Regel handelt es sich bei dem Rechtsfolgenausspruch um einen selbständig anfechtbaren Urteilsteil. Im Allgemeinen ist dessen erschöpfende Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht möglich, ohne dass dadurch die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Ausführungen zum Schuldspruch berührt werden (OLG Hamm, Beschl. v. 31.03.2009 – 1 Ss 111/09 – juris m.w.N.).
16Im konkreten Fall lässt das amtsgerichtliche Urteil nicht erkennen, dass der Tatrichter die Fragen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit bzw. einer Schuldunfähigkeit (§§ 20 f. StGB) geprüft hat. Angesichts des Umstandes, dass schon das Amtsgericht einen Atemalkoholwert von 1,45 mg/l festgestellt hat, hätte sich hier eine solche Prüfung und Erörterung im Urteil aufgedrängt. Mangels anderweitiger Angaben geht das Amtsgericht von der Schuldfähigkeit des Angeklagten aus.
17Bindung und Beschränkbarkeit entfallen, wo Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand einen untrennbaren Teil der Schuldfrage (eine doppelrelevante Tatsache also) bildet und der Anfechtende, wenn nicht dem Wortlaut, so doch der Sache nach, sich (auch) dagegen wendet, dass das Erstgericht einen solchen Umstand angenommen oder nicht angenommen hat, weil das Rechtsmittelgericht an die (auch) für die Schuldfrage erheblichen Tatsachen nicht zum Teil gebunden, zum Teil nicht gebunden sein kann und weil nur die Verneinung der Bindung der "Verfügungsmacht" des Anfechtenden und dem aus seinen Willensäußerungen erkennbaren Rechtsmittelbegehren gerecht wird (BGH, Beschl. v. 21.10.1980 – 1 StR 262/80 – juris).
18Ein Widerspruch in dem o.g. Sinne konnte hier bei Annahme der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung im Hinblick auf Fragen der Schuldfähigkeit aber zwischen dem amtsgerichtlichen Urteil und dem des Berufungsgerichts nicht entstehen. Zwar musste das Berufungsgericht das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB als strafzumessungsrelevantem Faktor prüfen und hätte im Rahmen dieser Bewertung auch zu dem Ergebnis kommen können, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt aufgehoben war. Widersprüchliche Feststellungen zu den für die Beurteilung der Schuldfähigkeit relevanten Tatsachen waren gleichwohl nicht zu befürchten. So stand der gemessene Atemalkoholgrad fest. Weitere Feststellungen zum Leistungsverhalten des Angeklagten bei Begehung der Tat, zu seinen Konsumgewohnheiten, zum Zeitpunkt von Tat und Messung hat das Amtsgericht nicht getroffen, so dass ergänzende Feststellungen des Berufungsgerichts widerspruchsfrei möglich waren. Bei der Bewertung, ob der Angeklagte uneingeschränkt schuldfähig, nur erheblich vermindert schuldfähig oder gar schuldunfähig war, handelt es sich hingegen um eine Schlussfolgerung aus all diesen Tatsachen, nicht um eine Tatsachenfeststellung.
19Gleichwohl wird in der Rechtsprechung die Unwirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit diskutiert, wenn eine neue Entscheidung auf Grund der für die Strafzumessung festgestellten Tatsachen zu einer Verneinung der Schuld führen würde (BGH NJW 1955, 917; OLG Köln NStZ 1984, 379, 380; i.E. auch: OLG Hamm NStZ-RR 2008, 138 und BayObLGSt 1994, 253 sowie BayObLG NZV 2001, 353; a.A. noch OLG Hamm JMBl. 1973, 141). Dem Urteil des Berufungsgerichts muss daher - sofern diese Möglichkeit überhaupt nahe liegt - zu entnehmen sein, dass das Gericht auch aufgrund seiner zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen die Frage der Schuldunfähigkeit geprüft, aber verneint hat. Es muss zudem - trotz der Rechtsmittelbeschränkung - eigene Feststellungen zu allen Umständen, die für die Frage der Schuldunfähigkeit von Bedeutung sein könnten, treffen und im Urteil mitteilen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob es zutreffend § 20 StGB für ausgeschlossen und daher die Rechtsmittelbeschränkung für wirksam gehalten hat (OLG Köln a.a.O.).
20Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil noch gerecht. Das Landgericht hat seine Bewertung, dass der Angeklagte trotz eines von ihm angenommenen BAK-Wertes von deutlich mehr als drei Promille zum Tatzeitpunkt nicht schuldunfähig war, darauf gestützt, dass er geordnet und zielgerichtet agiert habe und sein Verhalten frei von „alkoholtypischen Koordinationsstörungen“ gewesen sei. Auch sprachlich und im „kognitiv-kommunikativen Miteinander“ sei er völlig unauffällig gewesen. Auch den Atemalkoholtest habe er problemlos durchführen können. Die von dem Angeklagten vorgebrachte Erinnerungslücke hielt es nicht für glaubhaft. Zwar ist die Umrechnung des Atemalkoholwerts in einen Blutalkoholwert mit dem Faktor „2“ nicht unbedenklich, denn eine direkte Konvertierbarkeit eines Atemalkoholwertes in einen BAK-Wert – jedenfalls im Sinne einer exakten Umrechnung – ist nicht gegeben (BGH NZV 2001, 267, 268; OLG Zweibrücken NStZ 2002, 269, 270).In der Literatur werden hier Schwankungsbreiten beim Umrechnungsfaktor zwischen 1,1 und 3 diskutiert (Ifland/Eisenmenger/Bilzer NJW 1999, 1379, 1381). Der Senat hält aber einen etwaigen Atemalkoholwert (der hier dann ggf. bis zu 4,35 Promille zum Zeitpunkt des Atemalkoholtests – und entsprechend höher zum Tatzeitpunkt – betragen haben könnte) angesichts des aufgezeigten Leistungsverhaltens nicht für ausschlaggebend. Der Senat ist sich dabei bewusst, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei einem alkoholgewöhnten Täter (wie dem Angeklagten) motorisch kontrolliertes und äußerlich geordnetes zielstrebiges und situationsangepasstes Verhalten auch einen Fortfall des Hemmungsvermögens nicht ohne weiteres ausschließen (BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 10 und Blutalkoholkonzentration 18), da gezeigtes Leistungsverhalten und inneres Hemmungsvermögen durchaus weit auseinanderfallen können (BGH NStZ-RR 2007, 696). Ob der Bundesgerichtshof inzwischen von dieser Rechtsprechung insoweit Abstand genommen hat, dass er sie nur noch im Hinblick auf den Ausschluss einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit, nicht aber mehr im Hinblick auf den Ausschluss der Schuldunfähigkeit angewendet wissen will, worauf jüngere Entscheidungen hindeuten, in denen der Aspekt der Schuldunfähigkeit keine Erwähnung mehr findet (vgl. BGH, Beschl. v. 10.01.2012 – 5 StR 517/11 = BeckRS 2012, 03228; BGH, Beschl. v. 17.08.2011 – 5 StR 255/11 = BeckRS 2011, 22403; BGH, Beschl. v. 01.09.2010 – 2 StR 408/10 = BeckRS 2010, 23476), kann dahinstehen. Nach Erfahrung des Senats sind solche Fälle so selten und das hier gezeigte Leistungsverhalten über einen längeren Zeitraum und auch in der konfliktbeladenen Situation der Aufdeckung der Tat (und nicht nur in einer für den Angeklagten möglicherweise gegebenen bloßen Routinesituation bei Tatbegehung) so geordnet, dass der Senat einen Wegfall des Hemmungsvermögens im vorliegenden Fall ausschließen kann. Insoweit bedurfte es in dem vorliegenden Einzelfall auch nicht zwingend der Hinzuziehung eines Sachverständigen.
212.
22Hinsichtlich der festgesetzten Rechtsfolge einer Freiheitsstrafe von drei Monaten begegnet das angefochtene Urteil hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
23Grundsätzlich ist die Strafzumessung die Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann in der Regel nur dann eingreifen, wenn Erwägungen, mit denen der Tatrichter Straftaten und Strafmaß begründet hat, in sich rechtlich fehlerhaft sind oder wenn der Tatrichter einen der rechtlich anerkannten Strafzwecke überhaupt nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat. Auch die Bewertung der Strafzwecke dem Grade nach ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht ist ausnahmsweise aber dann zum Eingreifen berechtigt und verpflichtet, wenn die Strafe in einem groben Missverhältnis zum Tatunrecht und Tatschuld steht und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt bzw. wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (vgl. nur BGH, Beschl. v.12.08.2014 – 4 StR 329/14 – juris; OLG Hamm, Beschl. vom 18.11.2002 – 2 Ss 768/02 – juris). Letzteres ist vorliegend bereits der Fall.
24a) Dass auch bei Bagatellstraftaten die Verhängung einer kurzzeitigen, auch vollstreckbaren, Freiheitsstrafe i.S.v. § 47 StGB nicht grundsätzlich ausscheidet, hat der Senat bereits mehrfach entschieden (Senatsbeschluss vom 06.03.2014 – III – 1 RVs 10/14; Senatsbeschluss vom 03.12.2013 – III – 1 RVs 90/13). Diese Auffassung wird auch von anderen Oberlandesgerichten geteilt (vgl. z. B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.07.2009 – 1 Ss 48/09 – juris; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 75; OLG Celle NStZ-RR 2004, 142; OLG Dresden, Beschl. v. 21.07.2014 - 2 OLG 21 Ss 319/14; OLG München, Beschl. v. 10.08.2009. 5 St RR 201/09 – juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 28.06.2011 – 2 Ss 68/11 - juris). Sie ist auch vom Bundesverfassungsgericht so anerkannt worden (BVerfGE 50, 205; BVerfG, Beschl. v. 09.06.1994 – 2 BvR 710/94 – juris).
25Vorliegend ist angesichts der zahlreichen, überwiegend einschlägigen, Vorstrafen des Angeklagten, sowie angesichts des Umstandes, dass er sich bisher weder von Geldstrafen noch von Bewährungsstrafen noch von der Vollstreckung – kurzzeitiger – Freiheitsstrafen von der Begehung der neuerlichen Tat hat abhalten lassen, trotz ihres ersichtlichen Zusammenhangs mit seiner Alkoholproblematik die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe im Sinne des § 47 StGB grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend.
26b) Deren Bemessung mit einer Dauer von 3 Monaten – und damit deutlich jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes einer Freiheitsstrafe von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) – überschreitet jedoch den Bereich schuldangemessenen Strafens und liegt daher nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums.
27aa) In der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage, inwieweit bei Bagatellschäden eine Freiheitsstrafe jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes von einem Monat verhängt werden darf, umstritten. So hat das Oberlandesgericht Braunschweig (NStZ-RR 2002, 75) im Fall des Diebstahls einer Schachtel Zigaretten durch einen mehrfach vorbestraften Täter die Verhängung einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten für „schlechthin unangemessen“ erachtet. Das Oberlandesgericht Stuttgart (NJW 2006, 1222) sah eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten für eine Freifahrterschleichung mit einer Schadenssumme von 1,65 Euro „ohne Rücksicht auf die strafrechtliche Vergangenheit eines Angeklagten“ als „unverhältnismäßig und nicht mehr vertretbar“ an. Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschl. v. 28.07.2008 – Ss 266/08 – juris) hat bei einem Diebstahl von Lebensmitteln im Wert von fünf Euro ebenfalls eine über dem gesetzlichen Mindestmaß liegende Freiheitsstrafe ebenfalls für „schlechthin unangemessen“ erachtet und die Regel aufgestellt, dass eine Freiheitsstrafe über dem gesetzlichen Mindestmaß nur dann in Betracht kommt, wenn der Wert der Tatbeute über einem Drittel der Geringwertigkeitsgrenze von (seinerzeit) 30 Euro, also über 10 Euro liege. Begründet wurde dies mit der Strafpraxis in anderen Fällen, in denen Wirtschaftskriminelle, die Schäden in Millionenhöhe angerichtet hätten, häufig zu Bewährungsstrafen verurteilt würden und dazu dann die Relation der Strafen bei Bagatelldelikten nicht mehr passen würde. Andere obergerichtliche Entscheidungen heben hervor, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit durch § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geldstrafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt (Senatsbeschluss vom 03.12.2013 – III – 1 RVs 90/13; OLG Dresden, Beschl. v. 21.07. 2014 – 2 OLG 21 Ss 319/14 – juris). Im Übrigen ist die obergerichtliche Rechtsprechung sehr einzelfallbezogen und sehr uneinheitlich, ab wann eine Freiheitsstrafe jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes nicht mehr schuldangemessen sein soll. So hat das OLG Nürnberg (Beschl. v. 25.10.2005 – 2 St OLG Ss 150/05 – juris) eine Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen in einem (offenbar) Fall eines „absolut geringwertigen Diebstahls“ unbeanstandet gelassen. Das Oberlandesgericht Jena (Beschl. v. 27.04.2006 – 1 Ss 238/05 – juris) hat in einem Fall eines „Ladendiebstahls mit sehr geringem Beutewert“ auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin die Verurteilung des Angeklagten zu einer Geldstrafe aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen und auf die wegen des Verschlechterungsverbots (der Angeklagte war in erster Instanz noch zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden) bestehende Strafobergrenze von vier Monaten Freiheitsstrafe hingewiesen, also durchaus eine mehrmonatige Freiheitsstrafe für möglich erachtet.
28bb) Der Senat hält grundsätzlich die Verhängung einer Freiheitsstrafe auch jenseits des gesetzlichen Mindestmaßes bei Diebstahlstaten mit bagatellartigen Schäden für rechtlich zulässig. Tragend sind dabei folgende Erwägungen:
29Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.06.1994 – 2 BvR 710/94 – juris) hat auch über dem gesetzlichen Mindestmaß liegende Freiheitsstrafen von (jeweils) zwei Monaten für Taten mit Bagatellschaden (konkret: 13,60 DM und 1,40 DM) aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet. es hat vielmehr ausgeführt:
30„Die verhängte Strafe übersteigt auch unter Berücksichtigung der geringen Schadenshöhe nicht die Schuld des Beschwerdeführers und verletzt somit nicht das Gebot schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 50, 205 <214 ff.>; vgl. auch 50, 125 <133 ff.>). Aus diesem Gebot ergibt sich nicht, daß die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen den Beschwerdeführer ist angesichts seiner vielfachen, überwiegend einschlägigen Vorstrafen nachvollziehbar, jedenfalls nicht sachfremd oder willkürlich im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG.“
31Es verstößt also gerade nicht gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens, wenn im Hinblick auf Vorstrafen auch bei geringen Schadenssummen vollstreckbare Freiheitsstrafen über dem gesetzlichen Mindestmaß verhängt werden.
32Einfachgesetzlich ist es so, dass sich die Strafhöhe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens gerade nicht nur nach der Schadenshöhe bestimmt. Diese ist nur eine unter vielen Strafzumessungsgesichtspunkten. Maßgebend ist hier die Vorschrift des § 46 StGB. Insoweit hat das OLG Jena (Urt. v. 27. 04.2006 – 1 Ss 238/05 – juris; ebenso auch: OLG Hamburg NStZ-RR 2004, 72) zutreffend ausgeführt:
33„Der Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB differenziert nicht nach dem Wert der Diebesbeute. Ob im Einzelfall eine Freiheitsstrafe verhängt wird, richtet sich allein nach den in § 46 StGB normierten Grundsätzen der Strafzumessung. Bei der Bestimmung der damit maßgeblichen Schuld i.S.d. § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB kann nicht limitierend einseitig auf den Wert der Tatbeute abgestellt werden. Komponenten der Schuld sind vielmehr alle diejenigen Faktoren, die den Grad des Vorwurfs bestimmen, der den Täter wegen seiner Tat trifft. Dazu gehören sowohl der Handlungsunwert als auch der Erfolgsunwert. Der Handlungsunwert wird u.a. bestimmt durch das Vorleben des Täters, insbesondere schon frühere - einschlägige - Straftaten und Missachtung von Warneffekten durch Vorstrafen. Der Erfolgsunwert wird mitbestimmt durch das Ausmaß des tatbestandsmäßigen Erfolges, hier den Wert der Diebesbeute. Die (personale) Handlungskomponente und die (tatbezogene) Erfolgskomponente der Strafzumessungsschuld können nicht getrennt betrachtet werden, sondern sind einer Gesamtwürdigung zu unterziehen, in der ein Weniger an Erfolgsunwert (hier: Beutewert) durch ein Mehr an Handlungsunwert (hier: beharrliche Nichtbeachtung diverser einschlägiger Strafen, Tatbegehung in laufender Bewährungszeit kurz nach letzter Verurteilung zu Freiheitsstrafe wegen gleichartiger Tat) ausgeglichen werden kann. Nach allem bilden die den gesetzlichen Straftatbestand erfüllenden Momente, darunter beim Erfolgsdelikt der Umfang des eingetretenen oder erstrebten Erfolges, nur einen Ausschnitt aus der Strafzumessungsschuld.“
34Dementsprechend hält es der Senat schon für falsch, stets schon von „Bagatelltaten“ zu sprechen, nur weil der angerichtete Schaden oder die Beute objektiv gering geblieben sind; dies schon deshalb, weil sich das Ausmaß der Betroffenheit von einem eingetretenen Schaden maßgeblich auch an den konkreten persönlichen Verhältnissen des Geschädigten orientiert. Ob eine Tat eine Bagatelltat ist, richtet sich eben nach der gesetzlichen Regelung des § 46 StGB, welche eine umfassende Würdigung verschiedenster Umstände vorsieht und eben nicht bloß auf Beute oder Schadenshöhe abstellt und auch insoweit noch nicht einmal eine Rangordnung vorsieht (was sich schon daraus ergibt, dass die Aufzählung nicht abschließend ist – „namentlich“ – sondern nur Regelbeispielscharakter hat). Es kann daher bestenfalls von bagatellhaften Schäden einer Tat die Rede sein. Ob sich daraus aber auch die Einstufung als Bagatelltat ergibt, ist im Rahmen einer Gesamtschau zu entscheiden.
35Auch hält der Senat das Argument des OLG Oldenburg (s.o.), das Gebot der Strafgleichheit verbiete eine höhere Freiheitsstrafe als einen Monat bei Bagatelltaten weil ansonsten die Relation zu Strafen bei schwerer Wirtschaftskriminalität nicht mehr gewahrt sei, für nicht durchgreifend. Zum einen kann man schon fragen, warum das möglicherweise unangemessen milde Bestrafen schwerer Wirtschaftskriminalität Maßstab für alle anderen Strafbewertungen werden sollte. Weiter wird durch die alleinige Betrachtung der Schadenshöhe die Regelung des § 46 StGB nicht vollständig erfasst. „Bewährungsstrafen“ im Falle der schweren Wirtschaftskriminalität scheiden nämlich grundsätzlich ebenfalls meist aus, wenn der Täter bereits (mehrfach) vorbestraft ist. Schließlich ist die – zugegebenermaßen – dem Wirtschaftskriminellen günstigere Relation von Strafe zu angerichtetem Schaden und aufgewandter krimineller Energie zumindest teilweise Ausfluss bestimmter gesetzgeberischer Grundentscheidungen, die die Rechtsprechung aufgrund des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht aushebeln kann. So liegt die Strafobergrenze selbst bei einem herbeigeführten Vermögensverlust großen Ausmaßes im Falle des Betruges nur bei zehn Jahren (§ 263 Abs. 3 StGB). Bei der Höhe möglicher Schäden oder Beuten gibt es keine Obergrenze – beim Strafmaß schon. Immer wieder werden spektakuläre Vermögensschäden bekannt, die bisher bekannte Schadensausmaße in den Schatten stellen. Ob es rechtlich zutreffend ist, dass sich die Rechtsprechung diesen Gegebenheiten durch die Verhängung vergleichsweise milder werdender Strafen „anpasst“, bedarf hier keiner Beurteilung. Auch im Falle des Vorliegens einer Vielzahl von Einzeltaten verhindert die Regelung des § 54 Abs. 2 S. 2 StGB eine höhere Bestrafung als 15 Jahre Freiheitsstrafe, so dass auch hier der Intensivtäter, bei dem sich ab einem bestimmten Punkt weitere – auch schwere Taten – nicht mehr straferhöhend auswirken, letztlich einen Vorteil gegenüber dem Täter einer Einzeltat erlangt. Diesen Regelungen (in Verbindung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass der Summe der Einzelstrafen bei der Gesamtstrafenbildung nach § 54 StGB nur geringes Gewicht zukommt, vgl. BGH, Beschl. v. 25.08.2010 – 1 StR 410/10 – juris) ist also immanent, dass der Täter, der sehr hohe Schäden anrichtet oder viele Straftaten begeht, die gleichzeitig abgeurteilt werden, proportional geringer bestraft wird, als ein Täter nur einer einzelnen Straftat mit eher geringem Schaden. Das zu ändern steht aber nicht der Rechtsprechung an. Hierzu ist allein der Gesetzgeber berufen.
36Der Senat würde es als dem Gebot einer gleichen und gerechten Strafanwendung geradezu zuwiderlaufend ansehen, wenn der besonders unbelehrbare Täter, der schon vielfach bestraft wurde und Hafterfahrung hat, allein unter dem Gesichtspunkt eines bagatellhaften Schadens in keinem Fall mit einer höheren Freiheitsstrafe als einer solchen von einem Monat belegt werden könnte und damit dem Täter gleichgestellt würde, bei dem erstmals unter Anwendung der Regelung des § 47 StGB auf eine kurzzeitige Freiheitsstrafe von einem Monat bei einer Tat mit bagatellhaftem Schaden erkannt würde, wenn ansonsten vergleichbare Umstände vorlägen.
37cc) Im vorliegenden Einzelfall hat aber das Berufungsgericht dem täterbezogenen Umstand seiner Vorbestrafung und Hafterfahrung sowie seiner Rückfallfrequenz ein nicht mehr angemessenes Übergewicht eingeräumt, wenn es gleichwohl bei Vorliegen zahlreicher und gewichtiger strafmildernder Umstände (er hat die Tat nicht in Abrede gestellt und den amtsgerichtlichen Schuldspruch nicht angegriffen, der Schaden liegt im untersten Bereich der Geringwertigkeit, die gestohlene Ware ist an die Geschädigte zurückgelangt, der Angeklagte ist alkoholkrank und war erheblich alkoholisiert), innerhalb des nach §§ 21, 49 StGB gemilderten Strafrahmens gleichwohl noch auf eine dreimonatige Freiheitsstrafe erkannt hat. Dies stellt auch unter Berücksichtigung der belastenden Umstände keinen gerechten Schuldausgleich mehr dar.
38Der Senat hat unter Berücksichtigung der Bedeutung des Beschleunigungsgrundsatzes und des Gewichtes der Sache von einer Aufhebung und Zurückverweisung abgesehen und analog § 354 Abs. 1 StPO in der Sache selbst entschieden. Eine solche eigene Sachentscheidung analog § 354 Abs. 1 StPO ist möglich, wenn aus der hypothetischen Sicht des Tatrichters davon auszugehen ist, dass dieser die Rechtsfolge festgesetzt hätte, wenn ihm der seinem Urteil zugrunde liegende Rechtsfehler nicht unterlaufen wäre (Gericke in: KK-StPO, 7. Aufl., § 354 Rdn. 10 m.w.N.). Angesichts der vom Berufungsgericht festgesetzten Strafhöhe und seiner Strafzumessungserwägungen ist sicher davon auszugehen, dass die Strafkammer bei Kenntnis und Vermeidung der Rechtsfehlerhaftigkeit seiner Strafbemessung jedenfalls eine Freiheitsstrafe oberhalb des gesetzlichen Mindestmaßes von einem Monat verhängt hätte. Angesichts der Regelung des § 39 StGB hätte es sich insoweit zumindest um eine Freiheitsstrafe von einem Monat und einer Woche gehandelt. Deren Festsetzung wäre auf jeden Fall rechtsfehlerfrei gewesen, da es angesichts der obigen Ausführungen nicht zu beanstanden ist, wenn der schon vielfach vorbestrafte Angeklagte, der schon fünfmal eine Freiheitsstrafe verbüßt hat, mit einer höheren Freiheitsstrafe belegt wird, als derjenige, der wegen einer Tat mit objektiv geringfügigem Schaden erstmals zu einer Freiheitsstrafe in Höhe des gesetzlichen Mindestmaßes verurteilt wird.
39c) Im Übrigen ist die Revision unbegründet und zu verwerfen. Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt.
40d) Einer Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof (§ 121 Abs. 2 GVG) im Hinblick auf die o.g. Entscheidung des OLG Oldenburg ist nicht erforderlich. Die Frage der Angemessenheit von Freiheitsstrafen in Fällen mit bagatellhaftem Schaden ist eine Tatfrage des Einzelfalls und einer Vorlage nicht zugänglich (BGHSt 52, 84).
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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wobei es sechs Monate zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt hat. Die auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Gegen den Schuldspruch ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts revisionsgerichtlich nichts zu erinnern. Insbesondere hat das Landgericht eine alkoholbedingt aufgehobene Steue- rungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 20 StGB rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
- 3
- 2. Hingegen begegnet die Begründung der Strafkammer, mit der sie auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ausgeschlossen hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 4
- a) Das Landgericht hat eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten verneint, obgleich dieser die Taten in stark alkoholisiertem Zustand begangen hatte (maximale Blutalkoholkonzentration 2,75 ‰, wahrscheinliche Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰, UA S. 30). Zur Begründung führt es im Anschluss an ein mündlich erstattetes Gutachten der Sachverständigen aus, dass „der Grad der Alkoholisierung wenig aussagekräftig sei, da der Angeklagte zum Tatzeitpunkt alkoholgewöhnt gewesen sei. Der Angeklagte habe angegeben , dass er sich angetrunken, aber nicht schwer betrunken gefühlt habe. Sein Erinnerungsvermögen habe sich nicht wesentlich eingeschränkt gezeigt, er ha- be betont, gewusst zu haben, was er tat.“ Überdies spreche für eine genaue Planung der Tat, dass „der Angeklagte über einen längeren Zeitraum geplant Personen zur Verteidigung um sich geschart habe und den Angreifern letztlich gezielt im Erdgeschoss zuvorgekommen sei.“ Schließlichspreche sein „gezieltes Rückzugsverhalten“, in dem er sich freiwilliggestellt und auf Notwehr beru- fen hat, gegen „eine relevante Beeinträchtigung der Einsichts- oder Steuerungs- fähigkeit“ (UA S. 30 f.).
- 5
- b) Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Bei einem Täter, der zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration zwischen 2,3 und 2,7 ‰ aufwies, ist die Annahme einer erheblichen Herabsetzung seiner Hemmungsfähigkeit regelmäßig in einem hohen Grad wahrscheinlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 31; Beschluss vom 31. Mai 1988 – 3 StR 203/88, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 13; vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 20 Rn. 21 mwN). Eine erheblich verminderte Hemmungsfähigkeit lässt sich bei einer solchen beträchtlichen Alkoholisierung nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen für den Erhalt einer Hemmungsfähigkeit sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1997 – 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 68 ff.; Beschluss vom 26. November 1997 – 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107; hierzu ferner Fischer, aaO, Rn. 22 ff.).
- 6
- Es erscheint bereits durchgreifend zweifelhaft, ob die von der Strafkammer festgestellten nicht überaus aussagekräftigen Umstände namentlich mit Blick auf die Höhe der – sogar mittels einer verhältnismäßig tatzeitnah entnommenen Blutprobe – ermittelten Alkoholintoxikation hinreichend tragfähig gewesen wären. Zudem ist die tatrichterliche Bewertung mit weiteren Fehlern behaftet. So lässt das Landgericht, das ersichtlich dem Sachverständigengutachten folgt, unerörtert, dass unauffälligem Verhalten sowie zielstrebigem und planvollem Vorgehen trotz Alkoholgewöhnung und ungetrübtem Erinnerungsvermögen nur ein beschränkter Beweiswert zukommt, weil gerade erfahrene und alkoholgewöhnte Trinker sich häufig im Rausch noch motorisch kontrollieren und sich äußerlich geordnet verhalten können, obwohl ihr Hemmungsvermögen möglicherweise schon erheblich beeinträchtigt ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. August 1988 – 1 StR 231/88, BGHSt 35, 308, 311). Weiter berücksichtigt das Landgericht nicht erkennbar, dass auch situationsgerechtes Verhalten nach der Tat nur eingeschränkten Beweiswert aufweist, da der Täter durch die Tat oder die Gefahr der Entdeckung „ernüchtert“ sein kann (BGH aaO).
Basdorf Brause Schaal Schneider König
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, ist das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts liegt der Tat eine Auseinandersetzung im „so genannten Trinkermilieu am Berliner Ost-Bahnhof“ (UA S. 6) zugrunde. Der im Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alte, aus Polen stammende und erheblichen Alkoholmissbrauch treibende Angeklagte traf dort auf den später verstorbenen 59 Jahre altenalkoholkranken R. . Gemeinsam mit anderen Personen wurde auf einem kleinen Vorplatz des Bahnhofs Alkohol konsumiert. Als der Angeklagte den auf einer niedrigen Mauer sitzenden alkoholkranken R. verdächtigte, ihm Zigaretten weggenommen zu haben, schrie er ihn an und versetzte ihm schließlich einen kräftigen Tritt seitlich gegen den Kopf. R. fiel nach hinten in eine Rabatte und blieb dort liegen, ohne dass sich die umstehenden Personen um ihn kümmerten. Erst als zwei Zeugen mehrere Stunden später bei ihm keine Lebenszeichen mehr feststellen konnten, riefen sie einen Rettungswagen. Der Tritt des Angeklagten hatte zu einer Verletzung des Gehirns des Geschädigten geführt, wahrscheinlich zu einem Riss eines Aneurysmas in der Nähe des Hirnstamms; der Geschädigte verstarb wenig später.
- 3
- 2. Die Verneinung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 4
- a) Die beim Angeklagten etwa sieben bis acht Stunden nach dem Tatzeitpunkt ermittelten Blutalkoholwerte vermochte die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer ihrer Bewertung nicht zugrunde zu legen, da der Angeklagte, der am Nachmittag mit dem Konsum von Alkohol angefangen hatte, damit auch nach dem festgestellten Tatgeschehen fortfuhr. Auch konnten keine zuverlässigen Trinkmengenangaben erhoben werden.
- 5
- b) Angesichts dessen hat das Landgericht seine Annahme, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht erheblich vermindert gewesen, im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auf folgende Umstände gestützt: Zeugen hätten den Angeklagten als angetrunken, jedoch „nicht total betrunken“ bezeichnet. Auf einer Videoaufzeichnung, die sein Verhalten in Tatzeitnähe zeige, sei erkennbar, dass der Angeklagte ohne weiteres in der Lage gewesen sei, aus der Hocke am Boden aufzustehen, sich wieder hinzuhocken und umherzugehen; augenfälliges Torkeln oder Schwanken sei nicht zu erkennen. Entscheidend sei schließlich der festgestellte Tatablauf selbst, wonach der Angeklagte fähig gewesen sei, einen Tritt gegen den Kopf des vor ihm sitzenden Geschädigten auszuführen. Aufgrund der Größe des Geschädigten und dessen Sitzhöhe erfordere eine derartige Handlung ein deutliches Heben des Beines und damit ein Maß an Koordinationsfähigkeit , das einer stark betrunkenen Person nicht mehr möglich gewesen wäre.
- 6
- aa) Die Schwurgerichtskammer hat nicht bedacht, dass selbst bei hochgradiger Alkoholisierung des Täters grobmotorische Fertigkeiten erhalten geblieben sein können (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1981 – 2 StR 264/81). Denn dievom Landgericht angeführten Umstände belegen nur, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht völlig aufgehoben war; aus ihnen ist indes nicht mit genügender Sicherheit abzuleiten, dass seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Dazu hätte es aussagekräftiger psychodiagnostischer Beweisanzeichen bedurft. Als solche sind nur Umstände in Betracht zu ziehen, die Hinweise darauf geben können, dass die Steuerungsfähigkeit des Täters trotz erheblicher Alkoholisierung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt gewesen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2005 – 2 StR 160/05, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 38, und vom 28. April 2009 – 4 StR 95/09, NStZ-RR 2009, 270). Eine alkoholische Beeinflussung mit der Folge erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist weder zwingend noch regelmäßig von schweren ins Auge fallenden Ausfallerscheinungen begleitet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 1997 – 3 StR 35/97, StV 1997, 349).
- 7
- bb) Soweit sich die Urteilsbegründung auf Aussagen von Zeugen stützt, die sich selbst zum Zweck des Alkoholkonsums am Ort des Geschehens aufhielten, wären deren Alkoholisierung in Bedacht zu nehmen und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Bewertung des Verhaltens des Angeklagten zu erörtern gewesen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 2005 – 5 StR 358/05, NStZ-RR 2006, 72, und vom 26. Mai 2009 – 5 StR 57/09, BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 41).
- 8
- c) Obgleich die verhängte Strafe eher maßvoll erscheint, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB noch geringer ausgefallen wäre. Dies gilt insbesondere, da dieser benannte Strafmilderungsgrund im Rahmen der Prüfung des § 213 Alternative 2, § 227 Abs. 2 StGB – nachrangig zu unbenannten Strafmilderungsgründen – zu berücksichtigen wäre. Der Senat weist darauf hin, dass die in diesem Zusammenhang zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwä- gung, er habe „keinen bzw. jedenfalls keinen nachvollziehbaren Grund“ (UA S. 21) für den körperlichen Übergriff auf R. gehabt, angesichts des nicht aufgeklärten Diebstahlsverdachts nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist.
- 9
- 3. Darüber hinaus hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt.
- 10
- a) Dem Sachverständigen folgend hat die Schwurgerichtskammer bei dem Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB und den Symptomcharakter der verfahrensgegenständlichen Tat festgestellt. Von der Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB hat sie gleichwohl im Hinblick auf ungenügende Sprachkenntnisse des Angeklagten abgesehen. Mangels konstruktiver Kommunikationsmöglichkeiten könne keine Erfolg versprechende Therapie durchgeführt werden. In derartigen Fällen sehe die derzeitige Fassung des § 64 StGB vor, von einer Unterbringung Abstand zu nehmen.
- 11
- b) Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5137, S. 10). Indes muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen , insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen EU-Ausländer mit Lebensmittelpunkt in Deutschland. Angesichts dessen hätte es jedenfalls der Klärung bedurft, inwieweit das für den Vollzug einer Unterbringung des Angeklagten zuständige Krankenhaus des Maßregelvollzugs Behandlungsmöglichkeiten für polnischsprachige Patienten bietet (vgl. Basdorf /Schneider/König in Festschrift Rissing-van Saan, 2011, S. 59, 62 ff.).
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Beweiswürdigung, aufgrund derer das Landgericht das Vorliegen einer im Sinne von § 21 StGB erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei der Tat verneint hat, hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Angeklagten um einen "depravierten, verfallenen Alkoholiker", einen "Spiegeltrinker", der ständig große Mengen Alkohol konsumiert und dessen Leben hiervon geprägt ist. Auch am Tattag konsumierte er - mit den Eltern der Geschädigten - größere, im einzelnen nicht mehr feststellbare Mengen Alkohol, bis er "stark angetrunken" war; er konnte noch sprechen, hatte aber Mühe zu gehen. Er legte sich im Kinderzimmer der Wohnung zum Schlafen. Als die 8-jährige Geschädigte und ihre Schwester begannen, mit ihm zu spielen, zog er der Geschädigten die Hose herunter, leckte einmal über ihre Scheide und beendete dies sofort, als die Geschädigte ihn hierzu aufforderte. Der Angeklagte hat die Tat gestanden; er hat bekundet, er habe sie nur aufgrund seiner Trunkenheit begangen; im nüchternen Zustand hätte er "so etwas nie im Leben getan". Einige Monate nach der Tat stach ihn der Vater der Geschädigten aus Rache für die Tat nieder und verletzte ihn so schwer, dass er nur durch glückliche Umstände und eine Notoperation gerettet werden konnte.
- 3
- Das Landgericht ist einem in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen in der Beurteilung gefolgt, eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit habe nicht vorgelegen. Ein hirnorganisches Psychosyndrom sei beim Angeklagten noch nicht gegeben. Die genaue Höhe der Alkoholintoxikation zur Tatzeit habe sich nicht mehr feststellen lassen. Für seine uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit sprächen die Umstände, dass er "Spiegeltrinker" und alkoholgewöhnt sei, dass er noch relativ normal sprechen konnte und dass er "zielgerichtet" die Hose des Kindes heruntergezogen und über seine Scheide geleckt habe. Die Eltern der Geschädigten, mit denen er vor der Tat gezecht hatte, könnten, da sie den Angeklagten "schon lange Zeit kennen", seine Alkoholisierung "gut beurteilen" (UA S. 17). Bei der Strafzumessung hat das Landgericht überdies ausgeführt, zu Gunsten des Angeklagten sei der "Alkoholkonsum mit der Folge einer solchen Enthemmung und nur daraus resultierend die Verübung der hier gegenständlichen Tat" zu werten gewesen (UA S. 19).
- 4
- Aufgrund dieser Ausführungen ließ sich eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen. Soweit das Landgericht die Bekundung des Sachverständigen wiedergibt, die Trinkmengenangaben des Angeklagten seien unrealistisch hoch gewesen, wird nicht deutlich, ob es gegebenenfalls möglich war und versucht wurde, durch Kontrollrechnungen jedenfalls zur Feststellung von annähernd realistischen Werten zu gelangen oder ob dies - auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen der Mittrinker - von vornherein ausgeschlossen war. Die vom Landgericht herangezogenen Argumente, der Angeklagte sei "Spiegeltrinker" und habe die Tat "zielgerichtet" ausgeführt, haben im vorliegenden Zusammenhang für die Feststellung der Steuerungsfähigkeit kaum Gewicht. Die "Zielgerichtetheit" der Tatausführung ging ersichtlich nicht über die bloße (spontane) Begehung der Tat hinaus; dies erforderte offenkundig weder differenzierte Überlegungen noch komplexe körperliche Fertigkeiten , die auf voll erhaltene Steuerungsfähigkeit hindeuten könnten. Der Umstand , dass es sich beim Angeklagten um einen alkoholgewöhnten "Spiegeltrinker" handelt, ist in seiner Bedeutung für die Steuerungsfähigkeit jedenfalls bei sehr hoher Blutalkoholkonzentration gemindert. Gegen voll erhaltene Steuerungsfähigkeit sprechen die wiederholten Beschreibungen des Angeklagten als "verfallener, depravierter Alkoholiker" durch das Landgericht, die Feststellung, die Tat habe "nur" aus der alkoholischen Enthemmung resultiert, sowie die spontane, ohne jegliche Sicherungstendenz in Anwesenheit eines zweiten Kindes vollzogene Tatbegehung.
- 5
- 2. Keinen Bestand hat auch die Nichtanordnung einer Maßregel gemäß § 64 StGB. Das Landgericht hat - im Anschluss an den Sachverständigen - insoweit ausgeführt, eine Unterbringung sei aussichtslos. Der Angeklagte sei "völlig haltlos"; er sei "ohne jegliches Problembewusstsein" (UA S. 22). Das ist mit sonstigen Feststellungen nicht vereinbar. Danach hat der Angeklagte "einen Antrag auf Durchführung einer Alkoholentwöhnungstherapie" (UA S. 5) gestellt; im Januar 2010 fand ein Beratungstermin statt; der Angeklagte hat aber bisher die erforderlichen Unterlagen nicht zusammengestellt (ebd.). In seinem letzten Wort äußerte er "den Wunsch nach einer letzten Chance zur Therapie" (UA S. 23). Danach kann nicht die Rede davon sein, es liege keinerlei Problembewusstsein vor. Die Ausführung des Landgerichts, "eine bloße Absichtserklärung ohne einen ernstzunehmenden eigenen Beitrag" reiche nicht aus (UA S. 23), lässt im Unklaren, welchen "eigenen Beitrag" der Tatrichter als Voraussetzung einer Maßregelanordnung verlangt. Wäre dies, wofür die Formulierungen sprechen könnten, die bereits "ernsthafte" oder gar erfolgreiche Durchführung einer (ambulanten) Therapie, so würde dies die Voraussetzungen des § 64 StGB verkennen. Auf dieser widersprüchlichen, jedenfalls unklaren Grundlage findet die Entscheidung, von einer Maßregelanordnung abzusehen, keine Stütze. Der neue Tatrichter hat über die Rechtsfolgen daher insgesamt neu zu entscheiden.
BUNDESGERICHTSHOF
a) die Strafverfolgung im Fall II.2.a der Urteilsgründe auf den Tatbestand des versuchten Diebstahls beschränkt,
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, des Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, des versuchten Diebstahls und des Hausfriedensbruchs schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, wegen Dieb- stahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Diese führt zu einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO. Im verbleibenden Umfang hat sie keinen Erfolg.
- 2
- 1. Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Fall II.2.a der Urteilsgründe aus den in dessen Antragsschrift vom 22. Juli 2014 dargelegten Gründen gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung aus. Dies führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Der Senat schließt - ebenfalls aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen - aus, dass der Strafausspruch sowohl hinsichtlich der für die Tat II.2.a verhängten Einzelstrafe als auch hinsichtlich der Gesamtstrafe auf der Verurteilung auch wegen Hausfriedensbruchs in diesem Fall beruht.
- 3
- 2. Im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Weder die Beweiswürdigung noch die rechtliche Bewertung der Taten oder die Strafaussprüche weisen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Insbesondere Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Begründung der Gesamtstrafe genügt auch den von der Rechtsprechung in Fällen eines relativ knappen Überschreitens der Grenze zu einer bewährungsfähigen Gesamtstrafe gestellten Anforderungen (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 374/02).
Mutzbauer Quentin
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Hamm hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. Juli 2013 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils war der bereits vielfach und unter anderem auch mehrfach wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestrafte und langjährig betäubungsmittelabhängige Angeklagte am 28. Dezember 2012 um 13:50 Uhr im Bereich der O-Parkanlage in I im Rahmen einer Polizeikontrolle im Besitz von 19,31 g Haschisch mit nicht mehr festgestellter Wirkstoffkonzentration angetroffen worden, welches zum Eigenkonsum bestimmt war.
4Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.
5Mit Urteil vom 21. Oktober 2013 hat das Landgericht Dortmund die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner form-und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er unter Erhebung der Rüge materiellen Rechts den Antrag verfolgt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
6Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
7II.
8Die Revision des Angeklagten ist teilweise zulässig und hat in dem Umfang, in dem sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg.
91.
10Hinsichtlich des Schuldspruchs ist die Revision unzulässig.
11Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung sind der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Hamm vom 19. Juli 2013 und die ihn tragenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen.
12Die insoweit entgegenstehende Rechtskraft führt bezüglich der Angriffe gegen den Schuldspruch bereits zur Unzulässigkeit der Revision.
132.
14Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
15- 16
a.
Die Strafkammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung als strafschärfend gesehen, „dass es sich nicht nur um eine oder wenige Konsumeinheiten handelte, sondern er (der Angeklagte) sich im Besitz eines immerhin 19,3 g netto schweren Stückes Haschisch befunden hat“. In Anbetracht des Umstandes, dass eine Bestimmung des Wirkstoffgehaltes des sichergestellten Haschisch nicht erfolgt ist und deshalb – wie das Landgericht zutreffend ausführt – auch ein sehr geringer Wirkstoffgehalt in Betracht zu ziehen ist, begegnen die vorgenannten Erwägungen durchgreifenden Bedenken, da es an der Feststellung ermangelt, von welcher Mindestanzahl von Konsumeinheiten das Landgericht ausgeht, mit der Folge, dass die erfolgte Bewertung, es handele sich um „nicht wenige“ (Konsumeinheiten) einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist.
18b.
19Ungeachtet des Vorstehenden wird die mit dem angefochtenen Urteil verhängte Freiheitsstrafe von 7 Monaten den Anforderungen an einen gerechten und angemessenen Schuldausgleich nicht mehr gerecht. Sie steht zu dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Angeklagten außer Verhältnis und verletzt mithin das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot.
20Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich allein Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann im allgemeinen nur dann eingreifen, wenn die Erwägungen, mit denen der Tatrichter Strafart und Strafmaß begründet hat, in sich rechtlich fehlerhaft sind, wenn anerkannte Strafzwecke außer Betracht geblieben sind oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, d.h., wenn die Strafe in einem groben Missverhältnis zu Tatunrecht und Tatschuld steht und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
21Insoweit ist auch hinsichtlich des letztgenannten Aspektes die grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung der rechtlichen Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn 146, 149 a).
22In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird nahezu durchgängig die Auffassung vertreten, dass in den Fällen des Besitzes geringer Mengen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum im Sinne der §§ 29 Abs. 5, 31 a BtMG auch bei einschlägig vorbestraften abhängigen Drogenkonsumenten die Verhängung einer Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt und sich – soweit sie sich als unerlässlich erweist – im untersten Bereich des Strafrahmens des § 29 Abs. 1 BtMG zu bewegen hat (OLG Oldenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2009 – 1 Ss 197/09 –, juris, Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. September 2006 – III - 104/06 - 1 Ss 166/06, III - 104/06, 1 Ss 166/06 –; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. April 2003 – 3 Ss 54/03 –, juris; BGH, Beschluss vom 16. Februar 1998 – 5 StR 7/98 –, juris; III-2 RVs 45/11 OLG Hamm, Beschluss vom 28.12.2011).
23Dem tritt der Senat zumindest für die Fälle bei, in denen über den festgestellten strafbaren Betäubungsmittelbesitz zum Eigenkonsum hinausgehend nach den getroffenen Feststellungen konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Fremdgefährdung – etwa durch die nahe liegende Möglichkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte oder durch Beschaffungskriminalität – nicht ersichtlich sind. So liegt der Fall hier; entgegenstehende Feststellungen sind zumindest bisher nicht getroffen.
24Stellt man auf die Richtlinien zur Anwendung des § 31 a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes gemäß des Runderlasses des Justizministeriums und des Ministeriums für Inneres und Kommunales in Nordrhein-Westfalen vom 19. Mai 2011 – JMBL. NRW S. 106 – ab, so ist von einer geringen Menge zum Eigenverbrauch gemäß Ziffer II. 1. der Richtlinien bei Cannabisprodukten bis zu einer Gewichtsmenge von 10 g auszugehen, welche hier allerdings ungeachtet der mangelnden Feststellung eines Wirkstoffgehalt des sichergestellten Haschisch um nahezu 100 % überschritten worden ist.
25Angesichts der festgestellten Mengenüberschreitung bestand für die Strafkammer kein Anlass, sich mit einer etwaigen Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG zu befassen. Andererseits sind die Ausführungen der Strafkammer zur Strafzumessung nicht geeignet, die gemessen am objektiven Tatunrecht sowie der vorstehend zitierten Rechtsprechung zu den Fällen des Eigenbedarfsbesitzes geringer Mengen von Betäubungsmitteln besonders hoch erscheinende Freiheitsstrafe von 7 Monaten zu rechtfertigen. Auch im Fall einer Überschreitung des Wertes einer geringen Menge im Sinne der §§ 29 Abs. 5, 31 a Abs. 1 BtMG ist bei ausschließlichem Betäubungsmittelbesitz zum Eigenkonsum zunächst zu bedenken, dass es sich um ein im Wesentlichen von einer Eigengefährdung des Täters geprägtes Delikt handelt. Demgegenüber kann dem Gesichtspunkt etwaiger Vorstrafen und dem Bewährungsversagen des Angeklagten kein so hohes Gewicht zukommen, dass es geeignet wäre, dem nur geringen objektiven Gewicht der Tat einen derart höheren Stellenwert zu geben, dass deren Bagatellcharakter als solcher infrage zu stellen und dementsprechend die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der vorliegenden Größenordnung gerechtfertigt wäre. Dies gilt zudem in den Fällen, in denen – wie hier – das strafbare Handeln des Angeklagten in besonderem Maße von seiner langjährigen und auch zum Zeitpunkt der Tatbegehung bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit geprägt ist, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob hierdurch die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt werden oder nicht. Die Ursächlichkeit der Betäubungsmittelabhängigkeit für den strafbaren Eigenbesitz führt vielmehr zu der Bewertung, dass der wiederholte Besitz von Betäubungsmitteln trotz einschlägiger Vorstrafen und auch bereits erlittenen Freiheitsentzuges gerade nicht vornehmlich als bewusste kriminelle Auflehnung gegen die Rechtsordnung gewertet werden kann, welcher durch die Festsetzung deutlich erhöhter Freiheitsstrafen Einhalt geboten werden müsste.
26Die verhängte Strafe steht nach Maßgabe des Vorstehenden vielmehr außer Verhältnis zu der Schwere der Tat und des Verschuldens des Angeklagten.
27Der Senat merkt jedoch ergänzend an, dass nach den gegebenen Umständen allerdings die Verhängung einer auch vollstreckbaren kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB vorliegend angesichts der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend ist. Durch die Existenz der Vorschrift § 47 Abs. 1 StGB kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, auch in Fällen objektiv verhältnismäßig geringen Tatunrechts namentlich in den Fällen vorangegangener wiederholt fruchtloser Sanktionen mit der im Verhältnis zur Geldstrafe deutlich belastenderen Strafart der Freiheitsstrafrecht reagieren zu können. Dementsprechend steht außer Zweifel, dass auch in Fällen der Bagatellkriminalität die Festsetzung einer Freiheitsstrafe nicht ohne Weiteres gegen das Übermaßverbot verstößt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 09. Juni 1994 – 2 BvR 710/94 –, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22. Juli 2003 – 5St RR 167/03 – juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 25. Oktober 2005 –2 St OLG Ss 150/05 –, juris). Bei Festsetzung deren Höhe ist jedoch gerade im Bereich der Bagatellkriminalität zu beachten, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geldstrafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt. In den Fällen eines vom äußeren Tatbild eher nur geringen kriminellen Unrechts ist daher auch im Fall der Erforderlichkeit der Festsetzung einer Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hinsichtlich deren Höhe die Verhängung einer möglicherweise auch deutlich über das Mindestmaß hinausgehenden Freiheitsstrafe tatsächlich rechtlich geboten erscheint.
28Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Lünen hat den Angeklagten mit Urteil vom 03. Mai 2013 wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Angeklagte am 05. September 2012 (in Lünen) ein Verkehrsmittel der Linie ## des Verkehrsunternehmens „C“ ohne gültigen Fahrausweis benutzt und im Rahmen einer Fahrschein-kontrolle versucht, durch die Vorlage eines ungültigen Fahrausweises vor-zutäuschen, im Besitz einer gültigen Fahrkarte zu sein. Dabei hatte der Angeklagte hinsichtlich des vorgelegten Fahrausweises dessen Ungültigkeit billigend in Kauf genommen.
4Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese durch weiteren Schriftsatz seines Verteidigers auf den Rechtsfolgen-ausspruch beschränkt.
5Mit Urteil vom 16. Juli 2013 hat das Landgericht Dortmund die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner form-und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er den Antrag verfolgt, das angefochtene Urteil im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, und hierzu die Rüge materiellen Rechts erhebt.
6Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
7II.
8Die Revision des Angeklagten ist teilweise zulässig und hat in dem Umfang, in dem sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg.
91.
10Hinsichtlich des Schuldspruchs ist die Revision unzulässig.
11Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung sind der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Lünen vom 03. Mai 2013 und die ihn tragenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen.
12Die insoweit entgegenstehende Rechtskraft führt bezüglich der Angriffe gegen den Schuldspruch bereits zur Unzulässigkeit der Revision.
132.
14Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte in sorgfältiger Weise detailliert gegeneinander abgewogen. Diese Abwägung ist für sich genommen frei von Rechtsfehlern.
16Im Rahmen der Begründung zur Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer zur Frage der Unerlässlichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe allerdings ausgeführt, der Angeklagte habe „jeweils binnen kürzerer Zeit nach der Festsetzung von Geldstrafen bzw. der Festsetzung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe erneut gleich gelagerte Straftaten begangen“.
17Diese Ausführungen werden von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
18Soweit die Strafkammer dargelegt, der Angeklagte habe jeweils binnen kürzerer Zeit nach vorangehenden Verfahren erneute gleich gelagerte Straftaten begangen, liegt darin der Vorwurf, der Angeklagte habe bereits mehrfach ungeachtet gegen ihn ergangener Urteile (binnen kürzerer Zeit) erneut einschlägige Straftaten begangen. Der Sache nach handelt es sich vorliegend – auch wenn eine Verurteilung wegen versuchten Betruges erfolgt ist – letztlich um den Vorwurf des Erschleichens von Leistungen. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war zuletzt am 20. Juli 2011 durch das Amtsgericht Wuppertal gegen den Angeklagten wegen Erschlei-chens von Leistungen in 8 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung festgesetzt worden. Kurz zuvor war der Angeklagte am 17. Juni 2011 durch das Amtsgericht Wuppertal ebenfalls wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden, und zwar zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 €. Sämtliche am 20. Juli 2011 abgeurteilten Taten hatte der Angeklagte jedoch bereits vor der Verurteilung vom 17. Juni 2011 begangen, so dass bezogen auf die Verurteilung vom 17. Juni 2011 hinsichtlich der am 20. Juli 2011 abgeurteilten Taten tatsächlich kein „Rückfall“ vorliegt. Es ist zu besorgen, dass dem Angeklagten jedoch gleichwohl auch insoweit ein Rückfallverhalten zur Last gelegt worden ist.
19Ebenso erscheint die Bewertung, die Rückfälligkeit des Angeklagten sei jeweils „binnen kürzerer Zeit“ erfolgt, als bedenklich. Die letzte Verurteilung des Angeklagten datierte vom 20. Juli 2011. Tatzeit des vorliegenden Verfahrens war der 05. September 2012, mithin nahezu 14 Monate später. Angesichts dieser recht weiten Zeitspanne ist die in der gewählten Formu-lierung des Landgerichts liegende Annahme einer zumindest überdurch-schnittlichen Rückfallgeschwindigkeit eher nicht nahe liegend. Gleiches gilt für die mitgeteilte erste Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen vom 29. Februar 2008 zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 €. Dass der Angeklagte nach dieser Verurteilung „binnen kürzerer Zeit“ erneut wegen Erschleichens von Leistungen aufgefallen ist, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.
20Der Senat vermag nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass diese Ausführungen zu der nach Auffassung der Strafkammer gebotenen Einwirkung auf den Angeklagten durch Verhängung einer kurzen Freiheits-strafe sich auch auf die Höhe der erkannten Strafe ausgewirkt haben. Dies gilt zumal, als die verhängte Strafe von 2 Monaten in Anbetracht der von der Strafkammer zutreffend zu Gunsten des Angeklagten aufgeführten Ge-sichtspunkte – namentlich des sehr gering erscheinenden äußeren Tat-unrechts – sowie auch des nicht gesondert aufgeführten Umstandes des Handelns mit „nur“ bedingtem Vorsatz nach Auffassung des Senats ver-gleichsweise schon sehr streng erscheint.
21Da bereits der vorstehend aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, bedurfte die weitere Frage, ob die Höhe der verhängten Freiheitstrafe gegebenenfalls schon für sich genommen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Bestimmung steht, ein gerechter Schuld-ausgleich zu sein, und dementsprechend möglicherweise bereits gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstößt, keiner Entscheidung.
22Der Senat merkt hierzu jedoch folgendes ergänzend an: Nach den gegebenen Umständen ist zwar die Verhängung einer auch vollstreckbaren Freiheitsstrafe vorliegend angesichts des Bewährungsversagens des Angeklagten grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend. Bei Festsetzung deren Höhe ist jedoch gerade im Bereich der Bagatellkriminalität zu beachten, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geld-strafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt. In den Fällen eines vom äußeren Tatbild nur sehr geringen kriminellen Unrechts ist daher auch im Fall der Erforderlichkeit der Festsetzung einer Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hin-sichtlich deren Höhe die Verhängung einer über das Mindestmaß hinaus-gehenden Freiheitsstrafe rechtlich geboten erscheint.
23Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Lünen hat den Angeklagten mit Urteil vom 03. Mai 2013 wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Urteils hatte der Angeklagte am 05. September 2012 (in Lünen) ein Verkehrsmittel der Linie ## des Verkehrsunternehmens „C“ ohne gültigen Fahrausweis benutzt und im Rahmen einer Fahrschein-kontrolle versucht, durch die Vorlage eines ungültigen Fahrausweises vor-zutäuschen, im Besitz einer gültigen Fahrkarte zu sein. Dabei hatte der Angeklagte hinsichtlich des vorgelegten Fahrausweises dessen Ungültigkeit billigend in Kauf genommen.
4Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese durch weiteren Schriftsatz seines Verteidigers auf den Rechtsfolgen-ausspruch beschränkt.
5Mit Urteil vom 16. Juli 2013 hat das Landgericht Dortmund die Berufung des Angeklagten verworfen. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner form-und fristgerecht eingelegten Revision, mit der er den Antrag verfolgt, das angefochtene Urteil im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, und hierzu die Rüge materiellen Rechts erhebt.
6Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
7II.
8Die Revision des Angeklagten ist teilweise zulässig und hat in dem Umfang, in dem sie zulässig ist, auch in der Sache Erfolg.
91.
10Hinsichtlich des Schuldspruchs ist die Revision unzulässig.
11Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung sind der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Lünen vom 03. Mai 2013 und die ihn tragenden Feststellungen in Rechtskraft erwachsen.
12Die insoweit entgegenstehende Rechtskraft führt bezüglich der Angriffe gegen den Schuldspruch bereits zur Unzulässigkeit der Revision.
132.
14Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält dagegen der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
15Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer die für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte in sorgfältiger Weise detailliert gegeneinander abgewogen. Diese Abwägung ist für sich genommen frei von Rechtsfehlern.
16Im Rahmen der Begründung zur Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB hat die Strafkammer zur Frage der Unerlässlichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe allerdings ausgeführt, der Angeklagte habe „jeweils binnen kürzerer Zeit nach der Festsetzung von Geldstrafen bzw. der Festsetzung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe erneut gleich gelagerte Straftaten begangen“.
17Diese Ausführungen werden von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
18Soweit die Strafkammer dargelegt, der Angeklagte habe jeweils binnen kürzerer Zeit nach vorangehenden Verfahren erneute gleich gelagerte Straftaten begangen, liegt darin der Vorwurf, der Angeklagte habe bereits mehrfach ungeachtet gegen ihn ergangener Urteile (binnen kürzerer Zeit) erneut einschlägige Straftaten begangen. Der Sache nach handelt es sich vorliegend – auch wenn eine Verurteilung wegen versuchten Betruges erfolgt ist – letztlich um den Vorwurf des Erschleichens von Leistungen. Nach den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen war zuletzt am 20. Juli 2011 durch das Amtsgericht Wuppertal gegen den Angeklagten wegen Erschlei-chens von Leistungen in 8 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung festgesetzt worden. Kurz zuvor war der Angeklagte am 17. Juni 2011 durch das Amtsgericht Wuppertal ebenfalls wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden, und zwar zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 €. Sämtliche am 20. Juli 2011 abgeurteilten Taten hatte der Angeklagte jedoch bereits vor der Verurteilung vom 17. Juni 2011 begangen, so dass bezogen auf die Verurteilung vom 17. Juni 2011 hinsichtlich der am 20. Juli 2011 abgeurteilten Taten tatsächlich kein „Rückfall“ vorliegt. Es ist zu besorgen, dass dem Angeklagten jedoch gleichwohl auch insoweit ein Rückfallverhalten zur Last gelegt worden ist.
19Ebenso erscheint die Bewertung, die Rückfälligkeit des Angeklagten sei jeweils „binnen kürzerer Zeit“ erfolgt, als bedenklich. Die letzte Verurteilung des Angeklagten datierte vom 20. Juli 2011. Tatzeit des vorliegenden Verfahrens war der 05. September 2012, mithin nahezu 14 Monate später. Angesichts dieser recht weiten Zeitspanne ist die in der gewählten Formu-lierung des Landgerichts liegende Annahme einer zumindest überdurch-schnittlichen Rückfallgeschwindigkeit eher nicht nahe liegend. Gleiches gilt für die mitgeteilte erste Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen vom 29. Februar 2008 zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 10 €. Dass der Angeklagte nach dieser Verurteilung „binnen kürzerer Zeit“ erneut wegen Erschleichens von Leistungen aufgefallen ist, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.
20Der Senat vermag nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass diese Ausführungen zu der nach Auffassung der Strafkammer gebotenen Einwirkung auf den Angeklagten durch Verhängung einer kurzen Freiheits-strafe sich auch auf die Höhe der erkannten Strafe ausgewirkt haben. Dies gilt zumal, als die verhängte Strafe von 2 Monaten in Anbetracht der von der Strafkammer zutreffend zu Gunsten des Angeklagten aufgeführten Ge-sichtspunkte – namentlich des sehr gering erscheinenden äußeren Tat-unrechts – sowie auch des nicht gesondert aufgeführten Umstandes des Handelns mit „nur“ bedingtem Vorsatz nach Auffassung des Senats ver-gleichsweise schon sehr streng erscheint.
21Da bereits der vorstehend aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, bedurfte die weitere Frage, ob die Höhe der verhängten Freiheitstrafe gegebenenfalls schon für sich genommen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Bestimmung steht, ein gerechter Schuld-ausgleich zu sein, und dementsprechend möglicherweise bereits gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstößt, keiner Entscheidung.
22Der Senat merkt hierzu jedoch folgendes ergänzend an: Nach den gegebenen Umständen ist zwar die Verhängung einer auch vollstreckbaren Freiheitsstrafe vorliegend angesichts des Bewährungsversagens des Angeklagten grundsätzlich nicht zu beanstanden und vielmehr sogar naheliegend. Bei Festsetzung deren Höhe ist jedoch gerade im Bereich der Bagatellkriminalität zu beachten, dass das in § 38 Abs. 2 StGB festgesetzte Mindestmaß von einem Monat im Vergleich zu einer nach dem Gesetz grundsätzlich primär vorgesehenen Festsetzung einer Geldstrafe das insoweit gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 StGB festgelegte gesetzliche Mindeststrafmaß von 5 Tagessätzen Geld-strafe bereits deutlich übersteigt und auch die gewählte Sanktionsart für sich genommen eine erheblich belastendere Beschwer darstellt. In den Fällen eines vom äußeren Tatbild nur sehr geringen kriminellen Unrechts ist daher auch im Fall der Erforderlichkeit der Festsetzung einer Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB sorgfältig zu prüfen, ob zur Einwirkung auf den Täter sowie zur Herbeiführung eines gerechten Schuldausgleichs tatsächlich auch hin-sichtlich deren Höhe die Verhängung einer über das Mindestmaß hinaus-gehenden Freiheitsstrafe rechtlich geboten erscheint.
23Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, - 2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, - 3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt, - 4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.
(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(7) (weggefallen)
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
BUNDESGERICHTSHOF
(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.
(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren bemessen.
(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:
- 1.
der Revision gegen - a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters; - b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern; - c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
- 2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist; - 3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes; - 4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.
(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung
- 1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung, - 2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung, - 3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder - 4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.