Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 21. Sept. 2015 - 9 Sa 152/15
Tenor
I.Auf die Berufung der Beklagten und des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.01.2015, Az.: 2 Ca 3082/12 teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 240.229,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2015 zu zahlen.
II.Die weitergehende Berufung des Klägers und der Beklagten wird zurückgewiesen.
III.Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5%, die Beklagte zu 95%.
IV.Die Revision wird zugelassen.
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T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2014 sowie um die Erteilung eines Referenzschreibens.
3Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft eines in Israel tätigen Unternehmens. Ihr Geschäftsgeschäftsgegenstand ist die telemedizinische Versorgung von Patienten.
4Der Kläger, der israelischer Staatsbürger ist und aus Israel stammt, war vom 01.08.2008 bis zum 31.03.2012 bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt, zuletzt als Vice President Finance, IS and Administration. Er bezog eine jährliche Grundvergütung in Höhe von 148.260,00 € brutto, also monatlich 12.355,00 € brutto. Zudem erhielt er im Jahr 2009 eine Bonuszahlung in Höhe von 30.000 € brutto, in den Jahren 2010 und 2011 jeweils in Höhe von 25.000 € brutto und für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2012 einen Bonus in Höhe von 1.095,94 € brutto. Der Kläger war zudem berechtigt, das ihm zur Verfügung gestellte Diensthandy privat zu nutzen, wobei ihm für privat veranlasste Telefonate ein geldwerter Vorteil von monatlich mindestens 1.000,00 € abgerechnet worden ist.
5Die Einzelheiten der Beschäftigung regelt der in englischer Sprache verfasste Arbeitsvertrag (Bl. 6 ff. d. A) vom 14./27.08.2008. Er enthält in § 14 Abs. 2 die folgende Schriftformklausel vor:
6"Any modifications, amendments, additions or supplemental agreements to this contract must be made in writing. This also applies to the cancellation of the written form requirement itself.”
7Die zur Akte gereichte beglaubigte Übersetzung (Bl. 85 ff. d. A.) lautet:
8"Alle Änderungen, Ergänzungen, Zusätze oder zusätzliche Vereinbarungen zu diesem Vertrag müssen schriftlich erfolgen. Dies gilt auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses selbst."
9Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbarten die Parteien zunächst nicht. In einem Management Meeting am 20.05.2010 einigten sich die Mitglieder des Managements der Beklagten allerdings darauf, dass mit ihnen nachvertragliche Wettbewerbsverbote abgeschlossen werden sollten.
10In einem undatierten Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten (Bl. 26 d. A.) wird Bezug genommen auf eine am 12.10.2010 von Seiten der Beklagten durch den Geschäfsführer M. unterzeichnete Änderungsvereinbarung zu dem Arbeitsvertrag vom 27.08.2008. Diese (Bl. 18 d.A.) hat auszugsweise den folgenden Wortlaut:
11"§ 3 Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Abwerbeverbot
12[…]
13(2)Wird das Anstellungsverhältnis über die in Abs. 1 genannte Wartezeit hinaus fortgeführt und dauert es nicht länger als 12 Monate, ist es dem Arbeitnehmer für die Dauer von 6 Monaten von der Beendigung des Anstellungsverhältnisses an untersagt, in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise in Deutschland direkt oder indirekt für ein Unternehmen tätig zu werden, welches direkt oder indirekt, im Ganzen oder teilweise Produkte oder Dienstleistungen anbietet, die mit den Produkten oder Dienstleistungen von T. Telemedizin konkurrieren oder welches mit einem solchen Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es dem Arbeitnehmer untersagt, ein solches Unternehmen, das in Deutschland tätig ist, zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Ausgenommen sind bloße Finanzbeteiligungen, durch die kein wesentlicher Einfluss auf die Führung der Gesellschaft entsteht.
14[…]
15(4)Dauert das Anstellungsverhältnis länger als 24 Monate, gilt Abs. 2 mit der Maßgabe, dass die Dauer des Verbots zwei Jahre von der Beendigung des Anstellungsverhältnisses an beträgt. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses das 65. Lebensjahr vollendet hat; […]
16[…]
17(6)Für die Einhaltung der in den vorstehenden Absätzen genannten Verbote erhält der Arbeitnehmer während deren Dauer eine Entschädigung, die für jedes Jahr der Verbote 65 % der von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt.
18[…]
19(9)Im Übrigen gelten die §§ 74 ff. HGB."
20In einem vom Kläger verfassten Protokoll eines weiteren Management Meetings vom 20.07.2010 (Bl. 265 ff. d. A.) heißt es auszugsweise:
21"Preventing employees from crossing to competitor - done".
22Im November 2011 bot die Beklagte dem Kläger eine Tätigkeit in der Zentrale der Muttergesellschaft in Tel Aviv als Finance Director im Bereich "Corporate" an. Eine entsprechende Vereinbarung kam zwischen den Parteien aber nicht zustande, wobei die Hintergründe zwischen den Parteien streitig sind.
23Mit Schreiben vom 25.11.2011 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2012. Dagegen wendete sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf im Verfahren 7 Ca 7443/11. Dieses Verfahren endete durch einen Vergleich im schriftlichen Verfahren gemäß § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss vom 09.03.2012, Bl. 23 d.A.. Auszugsweise enthält dieser Vergleich folgende Regelungen:
24"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, fristgerechter, betriebsbedingter Kündigung vom 30.11.2011 am 31.03.2012 endet.
25[…]
263. Der Kläger wird seine vollen vertraglichen Leistungen für die Jahre 2011 und anteilig 2012 bis zu seinem Ausscheiden erhalten.
27[…]
287. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein Zwischen- und Abschlusszeugnis mit einer sehr guten Führungs- und Leistungsbeurteilung auf Deutsch und Englisch und wird bei ihrer Gesellschafterin Sorge dafür tragen, dass diese bis zum 31.03.2012 ein entsprechendes Empfehlungsschreiben auf Englisch/Hebräisch erteilt.
29[…]
309. Die Beklagte zahlt an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 35.500,00 EUR, fällig am 31.03.2012."
31Vor Abschluss des Vergleiches tauschten die Parteien im Rahmen von außergerichtlich geführten Vergleichsgesprächen unterschiedliche Entwürfe in englischer Sprache aus. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bzw. eine Karenzentschädigung war nicht ausdrücklich Gegenstand der Vergleichsverhandlungen, die auf Seiten der Beklagten maßgeblich Herr B. führte, der von der Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes keine Kenntnis hatte.
32Mit Schreiben vom 28.12.2012 (Bl. 274 d. A.) focht die Beklagte den gerichtlichen Vergleich ebenso wie ein etwaiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot wegen arglistiger Täuschung an. Vorsorglich erklärte sie den Verzicht auf ein etwaiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Mit Urteil vom 08.04.2013 im Verfahren 7 Ca 7443/11 stellte das Arbeitsgericht Düsseldorf fest, dass der Prozess durch den gerichtlichen Vergleich vom 09.03.2012 beendet wurde. Die dagegen gerichtet Berufung wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zurück.
33Nach seinem Ausscheiden bezog der Kläger im Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 30.06.2012 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 2.031,30 €. Zudem war er auch im Juni 2012 für die F. Energie GmbH drei Wochen lang als Trainee oder Auszubildender zum Zwecke der Erprobung einer möglichen Tätigkeit unentgeltlich tätig. Seit dem 01.07.2012 ist der Kläger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls für die F. Energie GmbH tätig. Die F. Energie GmbH zahlt dem Kläger ein fixes monatliches Gehalt. Der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012 (Bl. 834 d. A.) weist für den Zeitraum vom 01.07.2012 bis zum 31.12.2012 ein Bruttoarbeitslohn in Höhe von 24.999,96 € (monatlich 4.166,66 € brutto) sowie pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 326,28 € brutto (monatlich 54,38 € brutto) aus. Für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 weist die elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2013 (Bl. 835 d. A.) von der F. Energie GmbH einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 50.499,92 € sowie pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 675,48 € brutto (monatlich 56,29 € brutto). In dem Bruttoarbeitslohn in Höhe von 50.449,92 € ist dabei ausweislich der Lohnabrechnung für Dezember 2013 (Bl. 851 d. A.) auch ein Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 € brutto enthalten, so dass sich der Bruttoarbeitslohn für das gesamte Jahr aus der Zahlung von monatlich 4.166,66 € brutto zuzüglich des Weihnachtsgeldes ergibt. Für das Jahr 2014 hatte der Kläger zunächst Entgeltabrechnungen für die Monate Januar bis März 2014 (Bl. 836 ff. d. A.) sowie Dezember 2014 (Bl. 860 d. A.) vorgelegt. Danach bezog er jeweils ein Festgehalt in Höhe von 4.166,66 € brutto sowie ein Fahrgeld in Höhe von 58,39 € brutto. Die später überreichte elektronische Lohnsteuerbescheinigung 2014 (Bl. 1064 d. A.) weist von der F. Energie GmbH 49.999,92 sowie Fahrgeld in Höhe von 700,68 € aus. Dies entspricht dem monatlichen Bezug eines Festgehaltes in Höhe von 4.166,66 € brutto sowie eines Fahrgeldes in Höhe von 58,39 €.
34Im Rahmen der Tätigkeit für die F. Energie GmbH erbringt er auch Leistungen für die F. Enterprises Limited, die mit der F. Energie GmbH konzernrechtlich verbunden ist. Darüber hinaus erhält er auch von der F. Enterprises Limited Geldleistungen, die auf selbständiger Basis vergütet werden. Insoweit hat der Kläger einen Kontoauszug der "N. INNOVATION LTD" vom 19.11.2014 (Bl. 857 ff. d. A.) mit Sitz in Zypern vorgelegt, wonach ihm am 23.09.2014 von der F. Enterprises Limited mit dem Betreff "INV 1/14" ein Betrag in Höhe von 70.000,00 € und am 14.11.2014 unter dem Betreff "INV NO 2/14" ein Betrag in Höhe von 5.000,00 € gutgeschrieben worden ist. Der Kläger hat hierzu behauptet, der Betrag in Höhe von 5.000,00 € sei als Bonus oder Gehalt für seine Tätigkeit als Trainee bzw. Auszubildender im Juni 2012 gezahlt worden, der weitere Betrag die Gegenleistung für die bisherige Tätigkeit in Höhe von 2.500,00 € monatlich.
35Ausweislich einer E-Mail des Klägers mit dem Betreff "Income Proof" vom 09.01.2015 (Bl. 855 ff.) bittet der Kläger Herrn C. N. von der F. Energie GmbH, zu bestätigen, dass er in der Zeit von 2012 bis zum 31.08.2014 für seine Tätigkeiten in der Gruppe eine Zahlung in Höhe von 70.000 € brutto, von der F. Energie GmbH zudem ein Gehalt in Höhe von 50.000 € erhalten habe und darüber hinaus keine Ansprüche gegen die F. Energie GmbH oder damit verbundene Unternehmen habe. Dies bestätigte Herr N. wie folgt:
36"Hi Moti,
37I need to prove my income from the F. group, as we don’t have any contract in place can you please confirm the below retroactive statement. It would be really helpful if I can send it to you on a letter head of F. for you to sign before Shabbat.
38Sorry for the last minute.
39Many thanks,
40Z.
41To whom it may concern,
42This is to certify that Mr. Z. I., directly or indirectly, has received for freelance work, he has rentered services to our consolidated group from 2012 and up until 31.08.2014 including a total payment of € 70,000.00 gross. Apart from for the above Mr. Z. I. directly or indirectly, is entitled and received for the period above only a salary of 50.000 EUR per annum from F. energie GmbH (HRB 15799). Mr. I. is not entitled, directly or indirectly, to make any further payment claims against us or affiliated companies for the period above.”
43Mit E-Mail vom 12.01.2015 bestätigt Herr C.-N. folgendes:
44"I confirm the below."
45Mit seiner am 18.05.2012 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage, die der Beklagten am 25.05.2012 zugestellt worden ist, machte der Kläger diverse Zahlungsansprüche geltend. Dabei handelte es sich zum einen um eine Tantieme für die Kalenderjahre 2011 und 2012 in Höhe von 31.250,00 €. Insoweit hat das Arbeitsgericht Düsseldorf die Beklagte durch Teilurteil vom 27.08.2013 verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 26.095,94 € brutto zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung hat sie zurück genommen. Zum anderen hat der Kläger ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ab April 2012 behauptet und den Anspruch zunächst mit 10.035,00 € monatlich berechnet. Die Ansprüche auf Karenzentschädigung erweiterte er später.
46Soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse hat der Kläger erstinstanzlich behauptet, er habe mit der Beklagten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entsprechend einer Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2010 abgeschlossen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte erstmals im Laufe des gerichtlichen Verfahrens mit Schriftsatz vom 04.01.2013 (Bl. 252 ff. d. A.) bemerkt habe, die Existenz des Wettbewerbsverbotes nicht positiv bestätigen zu können. Dies ergebe sich schon aus dem Schriftsatz vom 31.10.2012. Zudem habe er die Beklagte schon am 04.05.2012 zur Zahlung der Karenzentschädigung aufgefordert. Auch zahle die Beklagte die im Änderungsvertrag vom 05./12.10.2010 festgelegte Vergütung. Ob sich die Vereinbarung in der Personalakte befände, sei ohne Bedeutung. Er bestreitet auch, dass sie sich dort nicht befände. Er habe sie jedenfalls nicht entfernt. Auch aus den außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen ergebe sich nichts Gegenteiliges. Schließlich habe er keine allgemeine Erledigungsklausel akzeptiert und den Formulierungsvorschlag der Beklagten gestrichen. Er habe auch nie mitgeteilt, dass es keine weiteren Ansprüche gebe. Die Höhe der Karenzentschädigung berechnet er mit monatlich 10.238,04 € brutto. Er habe von der Beklagten eine vertragsgemäße Vergütung in Höhe von monatlich 12.355,00 € erhalten. Zu berücksichtigen sei auch der geldwerte Vorteil für die private Nutzung des Firmenhandys in Höhe von 1.000,00 € brutto sowie eine durchschnittliche Bonuszahlung in Höhe von monatlich 2.395,83 € brutto. Ihm müsse bei der Frage der Einkünfte auch nicht ein fiktiver Betrag angerechnet werden, den er bei der Muttergesellschaft in Israel hätte erzielen können. Denn er habe das ohne konkrete Konditionen übermittelte Angebot aus persönlichen Gründen nicht angenommen. Auch unter Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes werde die Anrechnungsgrenze nicht erreicht. Von der F. Energie GmbH, mit der kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden sei, erhalte er ein festes Gehalt in Höhe von jährlich 50.000,00 € brutto, also monatlich 4.166,66 € brutto. Zudem habe er Anspruch auf eine Bonuszahlung in Höhe von 30.000 € jährlich, also 2.500,00 € monatlich. Diesen Betrag hat er später der F. Enterprises Limited zugewiesen und erläutert, er werde von dieser auf selbständiger Basis vergütet und erhalte 2.500,00 € monatlich. Für Juni 2014 habe er von dieser Gesellschaft 5.000,00 € erhalten. Die F. Enterprises Limited habe die Beträge allerdings erst im November 2014 gezahlt.
47Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
481.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 245.712,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 10.238,04 € seit dem 01.05.2012, 01.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012, 01.11.2012, 01.12.2012, 01.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013, 01.05.2013, 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013, 01.12.2013, 01.01.2014, 01.02.2014, 01.03.2014 sowie 01.04.2014 zu zahlen;
492.die Beklagte zu verurteilen, ihm ein von der T. Telemedicine Ltd. ausgestelltes, dem Zeugnis der Beklagten vom 30.04.2012 entsprechendes Referenzschreiben auf Englisch und Hebräisch zu erteilen.
50Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
51die Klage abzuweisen.
52Die Beklagte hat erstinstanzlich bestritten, dass zwischen den Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden sei, hielt dies aber auch nicht für völlig ausgeschlossen. Allerdings könne sich der Kläger in keinem Falle auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot berufen. Denn sie, die Beklagte, habe sich aufgrund des Verhaltens des Klägers darauf verlassen, dass ein solches nicht existiere. Schließlich habe sich das Verbot nicht in der vom Kläger geführten Personalakte befunden. Zwar sei im Rahmen des Management-Meetings am 20.05.2012 über den Abschluss von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten gesprochen worden. Es seien aber nicht mit allen Mitarbeitern, so etwa mit Herrn M., tatsächlich nachvertragliche Wettbewerbsverbote geschlossen worden. Im Übrigen sollte die Dauer allenfalls ein Jahr betragen. Auch sei zu beachten, dass der Kläger die undatierte Vereinbarung über die Höhe des Bonus, in der auf die Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2010 Bezug genommen werde, selbst verfasst habe. Auch haben dem Kläger die Führung der Personalunterlagen und die Implementierung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten oblegen. Er hätte deshalb auf dessen Existenz hinweisen müssen. Jedenfalls habe er sie, die Beklagte, gemäß § 123 BGB arglistig getäuscht. Es bestehe der Verdacht, dass er ausschließlich eigene Interessen verfolge. Denn es habe in seinem Falle nie ein berechtigtes geschäftliches Interesse an der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bestanden. Zudem habe Herr B. den Kläger am Ende der geführten Gespräche auf hebräisch gefragt, ob es noch weitere Zahlungsansprüche gebe, was der Kläger verneint habe. Auch in einem Gespräch am 07.02.2012 oder 08.02.2012 in Düsseldorf habe Herr B. den Kläger gefragt, ob mit dem Vergleich alle finanziellen Forderungen erledigt seien oder ob er noch Anspruch auf weitere Leistungen habe. Auch dies habe der Kläger verneint. Der Vergleich habe damit als abschließend angesehen werden müssen. Auch habe der Kläger keine Rückstellungen für eine Karenzentschädigung gebildet, obwohl dies zu seinem Aufgabenkreis gehört hätte. Die Höhe der Einnahmen des Klägers bestreite sie. Der Kläger hätte auch nie ohne Vorhandensein eines schriftlichen Arbeitsvertrages die Tätigkeit für die F. Energie GmbH aufgenommen. Sie bestreitet seine Einkünfte in Höhe von monatlich 4.166,66 € brutto zuzüglich 2.500,00 € monatlich. Jedenfalls habe er bei ihr, der Beklagten wesentlich höhere Einnahmen erzielt und auch ihr Angebot zur Beschäftigung in Israel sei wesentlich höher dotiert gewesen. Es sei deshalb zu vermuten, dass ihm variable Vergütungen, Gewinnbeteiligungsrechte, Aktienoptionen, Long-Term Incentives oder ähnliches zustünden, die er nicht angegeben habe. Möglicherweise erhalte er auch Leistungen einer anderen Konzerngesellschaft. Auch seien Verträge mit Familienangehörigen denkbar. Insoweit hat sie mit Schriftsatz vom 12.09.2012 Auskunft über anderweitigen Verdienst begehrt und macht ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Mit Schriftsatz vom 04.01.2013 hat die Beklagte die Aufrechnung mit den dem Kläger auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 09.03.2012 gewährten Leistungen, nämlich der Abfindung in Höhe von 35.500,00 € brutto sowie einer Einmalzahlung in Höhe von 13.000,00 € brutto, erklärt. Wegen der wirksamen Anfechtung des Vergleiches habe er diese Leistungen rechtsgrundlos erhalten.
53Das Arbeitsgericht Düsseldorf der Klage in Höhe von 240.127,84 € brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Ein Wettbewerbsverbot sei wirksam durch die Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2010 vereinbart worden. Sie sei im Original für die Beklagte von deren Geschäftsführer M. unterschrieben worden. Dass sich die Urkunde nicht in der Personalakte befinde, sei unerheblich. Auch dass mit einem weiteren Mitarbeiter, Herrn M., keine Vereinbarung abgeschlossen worden sei, sei ebenso irrelevant, wie der Hinweis, dass Verbote nur für die Dauer von 12 Monaten vereinbart werden sollten. Die Beklagte habe die Vereinbarung auch nicht wirksam angefochten, weil es an einem Anfechtungsgrund fehle. Die Beklagte habe nicht dargelegt, inwiefern der Kläger bei Abschluss der Änderungsvereinbarung durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen einen Irrtum erregt habe. Auch materielle Zweifel am Bestand des Wettbewerbsverbotes bestünden nicht. Die Beklagte habe auf das Wettbewerbsverbot auch nicht rechtswirksam verzichtet. Denn der Verzicht sei erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erklärt worden. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sei auch nicht durch eine mündliche Vereinbarung aufgehoben worden. Dem stünde die im Arbeitsvertrag vom 14./27.08.2008 enthaltene doppelte Schriftformklausel entgegen. Zudem würde eine mündliche Ausgleichsklausel Ansprüche aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auch nicht erfassen. Allein die Frage von Herrn B. im Rahmen der Vergleichsverhandlungen, ob es noch weitere Zahlungsansprüche bestünden, sei nicht trennscharf. Der Kläger könne sich auch auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berufen. Schließlich sei es vom Geschäftsführer selbst unterzeichnet worden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger Ansprüche habe verschleiern wollen. Berechnungsgrundlage für die Höhe des Anspruchs sei die vertragsmäßige Vergütung in Höhe von 15.399,33 € brutto. Die Karenzentschädigung betrage 65% dieser Leistungen, also 10.009,56 € brutto. Darin enthalten sei das monatliche Festgehalt in Höhe von 12.355,00 € brutto. Provisionen und andere wechselnden Bezüge seien mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre, also für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 31.03.2012 zu berücksichtigen. Ausgehend vom Bonus für das Jahr 2009 für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 31.12.2009 in Höhe von 22.500,00 € brutto (30.000,00 € ./. 12 x 9) sowie für die Jahre 2010 und 2011 in Höhe von jeweils 25.000,00 € brutto errechne sich ein Bonus von insgesamt 73.595,94 € brutto für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 31.03.2012, also 2.044,33 € brutto monatlich. Der geldwerte Vorteil für das Diensthandy sei mit 1.000,00 € anzusetzen. Der Kläger müsse sich zwar anderweitigen Verdienst anrechnen lassen und der Beklagten stünde insoweit ein Auskunftsanspruch zu, aus dessen Nichterfüllung ein Zurückbehaltungsrecht resultiere. Der Kläger habe indes seine Pflichten zur Auskunftserteilung erfüllt. Dabei reiche bei einer unselbständigen Beschäftigung die Vorlage von Lohn- bzw. Gehaltsabrechnungen aus. Insoweit habe er für die Jahre 2012 und 2013 sogar eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung der F. Energie GmbH vorgelegt. Da diese für das Jahr 2014 zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht existierte, seien die übermittelten Gehaltsabrechnungen ausreichend. Die Zahlungen der F. Enterprises Limited habe er durch Vorlage eines Kontoauszug nachgewiesen und sich die Höhe der Vergütung von seinem Arbeitgeber bescheinigen lassen. Die sei ausreichend, zumal die Beklagte nicht aufgezeigt habe, weshalb die übermittelten Angaben fehlerhaft sein sollten. Allein, dass er bei dem neuen Arbeitgeber weniger verdiene, reiche jedenfalls nicht aus. Auch das Angebot der Konzernmutter habe er nicht annehmen müssen. Denn der Arbeitnehmer müsse seinen weiteren Werdegang nicht an den finanziellen Interessen seines früheren Arbeitgebers orientieren. Die Höhe der Karenzentschädigung berechnet das Arbeitsgericht mit 10.009,56 € brutto monatlich. Er müsse sich zwar erhaltene Einkünfte anrechnen lassen, diese erreichten aber mit Ausnahme des Monats Juni 2012, für den er sich 101,60 € brutto anrechnen lassen müsse, nicht die Anrechnungsgrenze von 16.939,26 €. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gehe in die Leere. Ihr stünde keine aufrechenbare Forderung zu. Der ausgeurteilte Zinsanspruch folge aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Für die Monate April 2012 bis Juli 2012 habe er Anspruch auf Zinsen ab Fälligkeit der jeweiligen Karenzentschädigung. Für den Zeitraum danach sei zu beachten, dass sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2012 wirksam auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen habe. Der zugrunde liegenden Auskunftsverpflichtung sei der Kläger erst durch Übersendung der Gehaltsabrechnungen und sonstigen Unterlagen am 13.01.2015 nachgekommen. Für den Zeitraum vom 15.09.2012 bis zur vollständigen Erteilung der Auskunft im Kammertermin am 13.01.2015 habe der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, so dass für diesen Zeitraum auch keine Zinsansprüche entstehen konnten. Der Kläger habe gegen die Beklagte aber keinen Anspruch auf Erteilung eines von der T. Telemedicine Ltd. ausgestellten Referenzschreibens auf Englisch und Hebräisch. Nicht die Beklagte, sondern die T. Telemedicine Ltd. habe ihm ein solches Referenzschreiben zu erteilen. Die Beklagte sei nicht Schuldnerin des Anspruchs.
54Gegen das ihr am 12.02.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 02.02.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die Berufungsbegründungsfrist ist sodann bis zum 30.04.2014 verlängert worden. Eine ergänzende Berufungsbegründung erfolgte mit einem am 30.04.2015 eingegangenen Schriftsatz.
55Gegen das ihm am 24.02.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 24.03.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 15.05.2015 - mit einem am 13.05.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
56Der Kläger verfolgt mit der Berufung sein ursprüngliches Begehren teilweise weiter, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Er meint, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei eine Karenzentschädigung in Höhe von 10.009,56 € errechnet und darauf hingewiesen, dass die Anrechnungsgrenze nicht überschritten worden sei. Allerdings habe das Arbeitsgericht für Juni 2012 unzutreffend das Arbeitslosengeld angerechnet und einen Betrag in Höhe von 101,60 € abgezogen. Zudem habe das Arbeitsgericht die Zinszahlung unzutreffend gekürzt. Unzutreffend meine das Arbeitsgericht, dass sich die Beklagte von September 2012 bis zum 13.01.2015 auf ein Zurückbehaltungsrecht habe berufen können. Indes habe er bereits im Schriftsatz vom 12.09.2012 mitgeteilt, wieder beschäftigt zu sein und erklärt eine Grundvergütung in Höhe von 4.166,66 € sowie einen Bonus von jährlich 30.000,00 € (2.500,00 € monatlich) zu erzielen. Jeweils neue Lohnabrechnungen habe er bei gleichbleibender Vergütung nicht vorlegen müssen. Es hätten auch keine anderen Unterlagen zur Verfügung gestanden. Die Zahlung in Höhe von 30.000,00 € habe er erst am 23.09.2014 erhalten und deshalb nicht früher nachweisen können. Erstmals mit Schreiben vom 22.12.2014 habe die Beklagte dann Zweifel an seinem Einkommen geäußert. Zudem habe er mit Schriftsatz vom 04.12.2012 Gehaltsabrechnungen für September und Oktober 2012 vorgelegt und damit alle bestehenden Pflichten erfüllt. Er habe auch Anspruch auf das vereinbarte Referenzschreiben. Anspruchsgegner sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes die Beklagte, weil sie sich verpflichtet habe, bei der Gesellschafterin für die Erstellung "Sorge zu tragen".
57Der Kläger beantragt,
58das am 13.01.2015 verkündete Schlussurteil des Arbeitsgerichtes Düsseldorf - 2 Ca 3082/12 - wird abgeändert und die Beklagte verurteilt,
591.an ihn 240.229,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 10.009,56 € seit dem 01.05.2012, 01.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012, 01.11.2012, 01.12.2012, 01.01.2013, 01.02.2013, 01.03.2013, 01.04.2013, 01.05.2013, 01.06.2013, 01.07.2013, 01.08.2013, 01.09.2013, 01.10.2013, 01.11.2013, 01.12.2013, 01.01.2014, 01.02.2014, 01.03.2014 sowie 01.04.2014 zu zahlen;
602.ihm ein von der T. Telemedicine Ltd. ausgestelltes, dem Zeugnis der Beklagten vom 30.04.2012 entsprechendes Referenzschreiben auf Englisch und Hebräisch zu erteilen.
61Der Beklagte beantragt,
621.das am 13.01.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Düsseldorf - 2 Ca 3082/12 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise als zur Zeit unbegründet abzuweisen;
632.die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
64Der Kläger beantragt,
65die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
66Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihr ursprüngliches Begehren der vollständigen Klageabweisung weiter. Die Beklagte fokussiert sich zunächst auf das vom Arbeitsgericht teilweise zugrunde gelegte Zurückbehaltungsrecht. Dies habe entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes nicht nur bis zum 12.01.2015 bestanden, sondern begründe ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht, weil es dem Kläger nach wie vor nicht gelungen sei, seine Einkünfte in der gebotenen Art und Weise darzulegen. Denn der Arbeitnehmer sei nach § 74c Abs. 2 HGB verpflichtet, über die Höhe seines Erwerbs Auskunft zu erteilen. Dies erfordere wahrheitsgemäße und nachprüfbare Angaben und erfasse nicht nur den tatsächlichen, sondern auch den böswillig unterlassenen Erwerb. Der Umfang der Auskunft werde durch § 259 BGB geregelt. Erforderlich seien eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und die Übermittlung von Nachweisen. Der Kläger müsse eine geordnete schriftliche der Nachprüfung zugängliche Zusammenstellung der Einnahmen vorlegen. Die Übermittlung von Unterlagen reiche hierzu nicht aus, sondern sei mit der Abrechnung zusammen vorzulegen. Zu unterscheiden seien inhaltliche Richtigkeit und formale Vollständigkeit der Rechnung. Hier fehle es schon an der formalen Vollständigkeit. Ihre Zweifel seien auch begründet. Zunächst sei die Diskrepanz zwischen der bei ihr, der Beklagten, bezogenen Vergütung und den behaupteten neuen Bezügen auffällig. Auch bestreitet sie, dass der Kläger erst ab dem 01.07.2012 eine Beschäftigung aufgenommen habe sowie die Höhe der mitgeteilten Bezüge. Der Kläger müsse schon den Arbeitsvertrag vorlegen oder ihn auf Grundlage des Nachweisgesetzes anfordern. Wenn das Gehalt zuträfe müssten ihm Gewinnbeteiligungen oder stille Beteiligungen zustehen. Es könnten auch Verträge mit Verwandten des Klägers abgeschlossen worden sein. Sein Verhalten bei der Übermittlung von Dokumenten sei auch dubios. Er übermittle wenige Unterlagen auf Anfrage, andere bringe er zum Termin mit. Dieses fragmentarische Vorgehen könne den Auskunftsanspruch nicht erfüllen, so dass ihr Leistungsverweigerungsrecht fortbestehe. Seine Angaben seien auch widersprüchlich, etwa wenn er behaupte, er arbeite nicht für die F. Energie GmbH, sondern für eine Gesellschaft in Großbritannien. Von einem Festgehalt in Höhe von 2.500,00 € von einer F. Enterprises Ltd. sei bisher nicht die Rede gewesen. Er habe erklärt, dass er dieses Gehalt "in Rechnung stelle". Er habe eingeräumt, bereits als Trainee gearbeitet zu haben. 70.000,00 € seien zudem nicht auf ein Konto des Klägers überwiesen worden, sondern an die N. Innovation Ltd auf Zypern. Im Ergebnis lege der Kläger also nur mosaikartig vor. Unabhängig vom Zurückbehaltungsrecht sei es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf Ansprüche aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu berufen. Insoweit habe das Arbeitsgericht das widersprüchliche Verhalten des Klägers nicht zutreffend gewürdigt. Besonders zu betonen sei, dass beim Kläger, der insbesondere bei eigenen Belangen stets besonderen Wert auf akkurate Aufgabenerledigung Wert gelegt habe, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht in der Personalakte aufzufinden sei. Es habe auch kein anderer ein Interesse gehabt, den Vertrag aus der Akte zu entfernen, was ein Hinweis auf ein planvolles Handeln sei. Zudem habe er für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot keine Rückstellungen gebildet, obgleich er dafür zuständig gewesen und an exponierter Stelle tätig geworden sei. Bei einer ordnungsgemäß gebildeten Rückstellung wäre den zuständigen Stellen auch sogleich aufgefallen, dass etwas nicht stimme. Schließlich habe er das nachvertragliche Wettbewerbsverbot lange verschwiegen und im Rahmen der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag darauf nicht hingewiesen. Dabei sei auch sein prozessuales Verhalten zu würdigen. So habe er sein "Original" der Änderungsvereinbarung erst im Termin am 13.01.2015 vorgelegt, als nur eine kurze Sichtprüfung möglich gewesen sei. Dieselbe Verschlossenheit zeige sich bei den Auskünften über den Zwischenverdienst. Es seien auch keine Gründe ersichtlich, weshalb er gegen sein wirtschaftliches Interesse gehandelt habe. Schließlich sei auch zu beachten, dass nur ein Verbot mit einer Dauer von einem Jahr habe abgeschlossen werden sollen, was sich bereits aus der E-Mail vom 14.07.2010 ergebe.
67Soweit das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hat, verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil und macht unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend: Die Beklagte stütze ihre Berufung lediglich auf die angeblich nicht erfüllte Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 74c Abs. 2 HGB. Er habe indes seine Verpflichtungen erfüllt. Entscheidend sei eine einzelfallbezogene Betrachtung der Zumutbarkeit, um dem Anspruchsgegner einen vollständigen Überblick über die Einkünfte zu verschaffen. § 259 BGB finde gerade keine Anwendung. Denn es bestünde eine Auskunftspflicht, keine Pflicht zur Rechnungslegung. Er, der Kläger, habe insoweit bereits am 10.10.2012 mitgeteilt, wieder beschäftigt zu sein und eine Grundvergütung von 4.166,66 € sowie einen Bonus von jährlich 30.000,00 € (2.500,00 € monatlich) zu erzielen. Dies habe er ebenso wie die vorangegangenen Arbeitslosengeldzahlungen belegt. Zudem habe er dann nach dem gerichtlichen Hinweis die Lohnsteuerbescheinigungen für 2012 und 2013 vorgelegt. Für 2014 habe er Gehaltsabrechnungen vorgelegt, weil die Lohnsteuerbescheinigung noch nicht vorgelegen habe. Die Zahlung von 70.000,00 € im September 2014 beruhe auf der Bonuszahlung von 2.500,00 € für den Zeitraum Juli 2012 - August 2014, also für 26 Monate (65.000,00 €) zuzüglich einer weiteren Zahlung in Höhe von 5.000,00 €. Insoweit habe er seine Pflichten bereits durch den Schriftsatz vom 10.10.2012 erfüllt, spätestens aber im Kammertermin vom 13.01.2015. Es bestünden auch keine Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskünfte. Dass er weniger als früher verdiene, sei richtig, aber ohne jeden Aussagewert. Er habe auch keine anderweitigen Einkünfte. Die Behauptung, seine Ehefrau oder Verwandte könnten als Strohmänner eingesetzt sein, sei reine Spekulation. Auch mit ihrer weiteren Begründung könne sie nicht durchdringen. Denn er, der Kläger, habe sich nicht widersprüchlich verhalten. Die Beklagte versuche wieder, die eindeutige Änderungsvereinbarung aus November 2011 zu ignorieren. Sie könne auch nicht behaupten, dass Herr M. nicht gewusst habe, was er unterschreibe. Auch aus Anlage K 32 und K 33 ergebe sich, dass der Änderungsvertrag offen kommuniziert worden sei. Tatsächlich sei das nachträgliche Wettbewerbsverbot nur auf Wunsch der Beklagten vereinbart worden. Auch dass das Original erst im Termin vorgelegt worden sei, sei irrelevant. Dies sei nur erfolgt, um letzte Zweifel der Beklagten auszuräumen. Sie müsse nur ihren Geschäftsführer M. fragen, ob er ein derartiges Exemplar unterschrieben habe. Im Übrigen verweist er darauf, dass Einkommenssteuerbescheide für 2013 und 2014 bislang noch nicht erlassen seien.
68Soweit der Anspruch durch das Arbeitsgericht abgewiesen worden ist, verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil. Die Berufung des Klägers sei zurückzuweisen. Er habe, wie sich aus ihrer Berufungsbegründung ergebe, nach wie vor seine Auskunftspflichten nicht erfüllt. Richtig erkenne er, dass eine Kongruenz zwischen seinen Angaben und den vorgelegten Bescheinigungen bestünde. Dies sei aber nicht entscheidend für die Frage der Vollständigkeit der Angaben. Es gehe vielmehr darum, was der Kläger nicht erklärt habe, also die Vollständigkeit seiner Angaben. Dass es keinen Arbeitsvertrag gebe, bestreite sie. Vereinbarungen mit den Unternehmen der F. Energie würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schriftlich fixiert. Sie bleibe auch dabei, dass er über den Bestand des Wettbewerbsverbotes getäuscht habe. Herrn M. habe dem Kläger vertraut. Zweifel an der Existenz des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes seien auch nur deshalb aufgekommen, weil es sich nicht in den Personalakten befunden habe. Herr M. glaubte zwar, mit dem Kläger ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart zu haben, er war sich dessen aber nicht mehr sicher, weil nichts Entsprechendes in der Personalakte vorhanden gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf das Referenzschreiben, weil ihr dessen Erstellung unmöglich wäre.
69Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
70E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
71I.
72Die von Kläger und Beklagter eingelegten Berufungen sind zulässig, insbesondere sind sie unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie sind aber nur zu einem geringen Teil begründet. Die Berufung des Klägers ist in Höhe von 101,60 € begründet. Insoweit hat das Arbeitsgericht für den Monat Juni 2012 unzutreffend das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld verrechnet. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers unbegründet. Insbesondere hat er keinen Anspruch auf das Referenzschreiben. Die Berufung der Beklagten hingegen ist nur teilweise hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Zinsen gerechtfertigt. Denn ihr stand nach Auffassung der Kammer bis zum 13.01.2015 ein Zurückbehaltungsrecht zu. Zinsansprüche sind deshalb erst ab dem 14.01.2015 begründet. Im Übrigen ist auch die Berufung der Beklagten unbegründet. Zum einen kann sich der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berufen. Zum anderen hat er die ihm obliegenden Auskunftspflichten am 13.01.2015 erfüllt.
73Im Einzelnen:
74I.Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 240.229,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.01.2015.
751.Die Parteien haben wirksam ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, das nicht nachträglich entfallen oder aufgehoben worden ist.
76a)Ausweislich der schriftlichen Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2010 haben die Parteien wirksam ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart.
77Darauf hat das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Beklagte hat zweitinstanzlich zur Begründung eines Wettbewerbsverbotes keine Tatsachen vorgetragen, die Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geben.
78Nur ergänzend wird angemerkt: Ein Vertrag kommt nach Maßgabe der §§ 145 BGB zustande durch zwei sich deckende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme (vgl. BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 25.04.2013 - 8 AZR 453/12, juris; BAG v. 30.01.1991, DB 1991, 2342).
79Ausgangspunkt für entsprechende Willenserklärungen ist die vom Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten im Original unterschriebene Änderungsvereinbarung. Diese enthält ohne Zweifel konkrete und eindeutige Willenserklärungen gerichtet auf den Abschluss eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. Dass es sich um eine Fälschung handeln soll, hat die Beklagte nicht behauptet.
80Auch ist für die Frage der Existenz des Wettbewerbsverbotes nicht entscheidend, dass sich das Exemplar - wie von der Beklagten behauptet - nicht in der Personalakte befinden soll. Denn es reicht aus, dass ein schriftliches Exemplar existiert.
81Nach § 74 Abs. 1 HGB bedarf die Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes der Schriftform. Soweit Schriftform vorausgesetzt wird, ist nach § 126 Abs. 1 BGB erforderlich, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wird. Bei einem Vertrag müssen die Parteien nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB regelmäßig auf derselben Urkunde unterzeichnen.
82Soweit die Beklagte die Rechtsunwirksamkeit möglicherweise damit begründen möchte, dass ihr selbst kein unterschriebenes Exemplar in der Personalakte vorliege, geht dies fehl. Ausreichend für die Wirksamkeit ist jedenfalls, dass eine Ausfertigung des Vertrages existiert, auf der sich beide Unterschriften befinden. Es gilt der Grundsatz der Urkundeneinheit. Die Aushändigung der gegengezeichneten Urkunde ist nicht Teil des Formerfordernisses. Denn für die Wahrung der Schriftform kommt es nicht darauf an, in wessen Besitz die Urkunde anschließend verbleibt. Die Aushändigung der gegengezeichneten Urkunde ist nicht Teil des Formerfordernisses, sondern gegebenenfalls eine Frage des Zustandekommens des Vertrags (BGH v. 14.07.2004 - XII ZR 68/02, juris; BGH v. 30.06.1999 - XII ZR 55/97, ZIP 1999, 1300; LAG Berlin v. 07.01.2005 - 8 Sa 1500/04, NZA-RR 2005, 464, ErfK/Preis, § 125 - 127 Rz. 20).
83Auch dass die Beklagte verschiedentlich behauptet, es habe allenfalls ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von 12 Monaten vereinbart werden sollen, berührt den Bestand des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht. Denn tatsächlich haben sich die Parteien gerade im Vertrag auf ein weitergehendes Verbot verständigt. Soweit die Beklagten hierzu meint, der Geschäftsführer der Beklagten habe dem Kläger vertraut, ist dies kein tragfähiger Ansatz, den Bestand der Vereinbarung mit dem schriftlich fixierten Inhalt zu negieren. Dies selbst dann nicht, wenn der Geschäftsführer der Beklagten die Urkunde gar nicht eingehend gelesen haben sollte. Wenn eine Urkunde unterzeichnet wird, ohne dass der Unterzeichnende sie vorher gelesen hat, ist es nur denkbar, dass sich die Parteien des Vertrages über ihren Inhalt einig sind, die Urkunde diesen Willen aber nicht einwandfrei zum Ausdruck bringt. Hier gilt dann nach dem Grundsatz der "falsa demonstratio non nocet" das übereinstimmend gewollte. Entsprechendes gilt, wenn der Partner den abweichenden Willen des Unterzeichnenden erkannt hat (Staudinger/Singer, § 119 BGB Rz. 9; MüKo/BGB/Kramer, § 119 Rz.50; Flume, § 23 2 b)). Hier ist aber nicht erkennbar, dass beide Parteien einen entsprechenden Willen gehabt haben. Dies gilt keinesfalls für den Kläger.
84b)Dass eine Anfechtung nicht durchgreift, weil kein Anfechtungsgrund vorliegt, hat das Arbeitsgericht ebenfalls auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausführlich begründet. Auch insoweit folgt die erkennende Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Beklagte hat diesen Gesichtspunkt zweitinstanzlich auch gar nicht mehr begründet. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass keine einzige Tatsache vorgetragen worden ist, inwieweit der Kläger bei Abschluss der Vereinbarung die Beklagte getäuscht haben soll. Dass überhaupt ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot abgeschlossen werden sollte, war seit dem Management Meeting am 20.05.2010 klar. Denkbar wäre auch hier wiederum nur, dass das Wettbewerbsverbot mit einem anderen Inhalt abgeschlossen werden sollte. Auch hierzu hat die Beklagte nicht ansatzweise aufgezeigt, wie und weshalb der Geschäftsführer der Beklagten durch welche Handlung des Klägers arglistig getäuscht worden sein sollte, zumal er das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unterschrieben hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass das Wettbewerbsverbot in anderer Weise ausgehandelt worden sein soll und dann gleichsam heimlich vom Kläger abgeändert und der Beklagten untergeschoben worden sein soll. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verträge sind offen kommuniziert worden. Dass sich der Geschäftsführer in dieser Situation möglicherweise nicht die Mühe gemacht hat, diese zu lesen, ist als solches kein Anfechtungsgrund.
85c)Dass der Verzicht am 28.12.2012 den Bestand des Wettbewerbsverbotes nicht mehr berühren konnte, ergibt sich bereits aus § 75 a HGB. Denn danach kann der Verzicht auf das Wettbewerbsverbot nur vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärt werden. Das Arbeitsverhältnis endete aber bereits am 31.03.2012. Ein fast neun Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erklärter Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot geht in die Leere.
86d)Dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot auch nicht durch eine separate mündliche Abrede oder den Vergleich vom 09.03.2012 aufgehoben worden ist, hat wiederum bereits das Arbeitsgericht mit tragfähiger Begründung aufgezeigt. Auch diesen Gesichtspunkt hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht mehr aufgegriffen. Dies zu Recht, weil die erstinstanzlich behauptete mündliche Erledigungsklausel offensichtlich keine Auswirkungen auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot haben kann. Denn die erstinstanzlich behauptete mündliche Erklärung ist schon inhaltlich nicht eindeutig darauf bezogen, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot entschädigungslos aufzuheben.
87aa)Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist jederzeit aufhebbar. Eine Aufhebung ist auch möglich durch eine Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag oder in einem gerichtlichen Vergleich, ohne dass sie gesondert getroffen worden sein muss (BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris; BAG v. 08.03.2006 - 10 AZR 349/05, juris; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 558/01, juris; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 513/01, juris).
88(1)Die Parteien haben einen Abwicklungsvertrag vereinbart, so dass das Arbeitsverhältnis infolge der ausgesprochenen Kündigung beendet worden ist. Das Arbeitsverhältnis war also trotz des Abwicklungsvertrages gekündigt.
89Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren die Parteien nach Ausspruch einer Kündigung die Bedingungen, zu denen der Arbeitnehmer ausscheidet. Er ist in der Regel gekennzeichnet durch den (vertraglichen) Verzicht des Arbeitnehmers auf Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung. Mit solchen nach geltendem Recht unbedenklich zulässigen Abfindungs- und Abwicklungsverträgen "erkauft” sich der Arbeitgeber die von ihm angestrebte Planungssicherheit. Gegenstand des Vertrags ist die Hinnahme der Kündigung unter Verzicht auf die Inanspruchnahme des staatlichen Rechtsschutzes (BAG v. 25.04.2007 - 6 AZR 622/06, juris; BAG v. 15.02.2005 - 9 AZR 116/04, juris). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird damit nicht durch den Abwicklungsvertrag, sondern durch einen anderen Tatbestand bewirkt (BAG v. 25.04.2007 - 6 AZR 622/06, juris). Ein Aufhebungsvertrag dagegen ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Dauerarbeitsverhältnis. Er führt selbst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG v. 25.04.2007 - 6 AZR 622/06, juris; BAG v. 28.06.2005 - 1 ABR 25/04, juris; BAG v. 12.01.2000 - 7 AZR 48/99, juris).
90(2)Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
91Grundsätzlich sind Verträge gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 25.04.2013 - 8 AZR 453/12, juris; BAG v. 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, DB 2009, 1939; BAG v. 17.01.2008 - 2 AZR 902/06, NZA 2008, 872; BAG v. 13.12.2006 - 10 AZR 787/05, NZA 2007, 408; BAG v. 20.09.2006 - 10 AZR 770/05, AP Nr. 41 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Die Auslegung hat trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbotes der Buchstabeninterpretation vom Wortlaut auszugehen. Maßgebend ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Schritt die Begleitumstände heranzuziehen, insbesondere die Entstehungsgeschichte sowie die Äußerungen der Parteien sowie Interessenlage und Zweck. Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, DB 2009, 1939; BAG v. 13.11.2007 - 3 AZR 636/06, AP Nr. 50 zu § 1 BetrAVG; BGH v. 13.07.2007 - IV ZR 330/05, NJW 2007, 2320; Palandt-Heinrichs, § 133 BGB Rdnr.14 ff; MüKo/Bussche, § 133 Rz. 60).
92Als rechtstechnische Mittel mit unterschiedlichen Rechtsfolgen kommen für den Willen der Parteien, ihre Rechtsbeziehungen zu bereinigen, der Erlassvertrag, das konstitutive oder das deklaratorische positive oder negative Schuldanerkenntnis in Betracht. Ein Erlassvertrag ist dann anzunehmen, wenn die Parteien vom Bestehen einer bestimmten Schuld ausgehen, diese aber übereinstimmend als nicht mehr zu erfüllend betrachten. Ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis liegt dann vor, wenn der Wille der Parteien darauf gerichtet ist, alle oder bestimmte Gruppen von bekannten oder unbekannten Ansprüchen zum Erlöschen bringen zu wollen. Ein deklaratorisches positives oder negatives Schuldanerkenntnis ist dann gegeben, wenn die Parteien nur die von ihnen angenommene Rechtslage eindeutig dokumentieren und damit fixieren wollen (BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris; BAG v. 08.03.2006 - 10 AZR 349/05, juris; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 558/01, juris; BAG v. 31.07.2002 - 10 AZR 513/01, juris BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris).
93bb)Auf dieser Grundlage ist der abgeschlossene Vergleich als solches nicht geeignet, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot aufzuheben. Denn der abgeschlossene Vergleich regelt jedenfalls ausdrücklich keine Ausgleichsklausel. Aber auch eine etwaige Erklärung der Parteien außerhalb des Vergleiches zum Ausgleich sämtlicher finanzieller Ansprüche lässt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in seinem Bestand unberührt. Denn einerseits enthält der Vertrag aus sich heraus keine abschließende Regelung der wechselseitigen Ansprüche. Vielmehr lässt er wichtige Regelungsfragen des Arbeitsverhältnisses offen. Dies betrifft etwa Regelungen zum überlassenen dienstlichen Mobiltelefon.
94Zudem ist die von der Beklagten erstinstanzlich behauptete mündliche Ausgleichsklausel auch gar nicht trennscharf gerichtet auf die entschädigungslose Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes. Es darf nicht übersehen werden, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot aus zwei wesentlichen Elementen besteht. Zum einen verpflichtet sich der Mitarbeiter dazu, sich im Rechtskreis des Arbeitgebers des Wettbewerbs zu enthalten. Zum anderen verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung. Gerade die Verpflichtung zur Enthaltung von Wettbewerb aber ist keine finanzielle Verpflichtung des Arbeitnehmers. Soweit sich die Parteien also tatsächlich, wie der Arbeitgeber meint, darüber einig gewesen sein sollten, dass die finanziellen Ansprüche anschließend geregelt seien, blieb die weitere Verpflichtung zur Wettbewerbsenthaltung offen. Denn es ist nicht zu erwarten, dass die Parteien ein Wettbewerbsverbot unter Ausschluss der Karenzentschädigung aufrechterhalten wollten, zumal dies mit § 74 HGB unvereinbar wäre (so ausdrücklich auch BAG v. 08.03.2006 - 10 AZR 349/05, juris; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rz. 723). Insoweit hätte die entschädigungslose Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ausdrücklich auch bei einem weiten Verständnis einer Ausgleichsklausel aufgenommen werden müssen, die sich nur auf die finanziellen Folgen bezieht.
952.Der Kläger kann sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berufen. Die Beklagte hat insoweit in der Berufungsbegründung im Wesentlichen behauptet, der Kläger könne sich aus vier Gründen nicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot berufen. Erstens habe er es trotz seiner exponierten Position unterlassen, Rückstellungen zu bilden. Zweitens habe sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht in der Personalakte befunden, für deren Führung der Kläger zuständig gewesen sei. Drittens habe er im Rahmen der Gespräche über den Abwicklungsvertrag nicht auf die Existenz des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes hingewiesen. Viertens sei er darüber unterrichtet gewesen, dass nur Verbote mit einer Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen werden sollen. Mit diesen Verhaltensweisen habe er es der Beklagten unmöglich gemacht, ihre Interessen wahrzunehmen.
96aa)Zuzugeben ist der Beklagten, dass jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils erwachsen, § 241 Abs. 2 BGB. Der Arbeitnehmer ist insoweit verpflichtet, einem dem Betrieb oder seinem Arbeitgeber drohenden Schaden für dessen Rechtsgüter, einschließlich seines Vermögens, zu verhindern (Müller-Glöge, MüKo-BGB, § 611 BGB Rn. 1082). Auch darf er keine Schäden herbeiführen. Die Regelung des § 241 Abs. 2 BGB dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG v. 08.05.2014 - 2 AZR 249/13, juris; BAG v. 28.10.2010 - 2 AZR 293/09, juris; BAG v. 10. 09.2009 - 2 AZR 257/08, juris).
97Zuzugeben ist der Beklagten auch, dass es Fälle geben kann, in denen sich der Berechtigte nicht auf eine bestimmte Rechtsfolge berufen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Berechtigten eine eigene Pflichtverletzung zur Last fällt, oder aber er das Recht durch ein vertragswidriges Verhalten erworben hat (vgl. statt aller Palandt/Grüneberg § 242 Rz. 43, 46). Allerdings: Nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten führt stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Treuwidriges Verhalten eines Vertragspartners kann zwar dazu führen, dass ihm die Ausübung eines ihm zustehenden Rechts zu versagen ist, wenn er sich dieses Recht gerade durch das treuwidrige Verhalten verschafft hat (BGH v. 28.10.2009 - IV ZR 140/08 Rz. 21, juris). Entsprechendes gilt, wenn das treuwidrige Verhalten darauf gerichtet war, die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsausübung zu schaffen. Lässt sich ein zielgerichtet treuwidriges Verhalten nicht feststellen, muss zudem durch eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob und inwieweit einem Beteiligten die Ausübung einer Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll (BGH v. 28.10.2009 - IV ZR 140/08 Rz. 21, juris; Looschelders/Olzen in Staudinger, BGB [2005] § 242 Rdn. 220, 251).
98bb)Die Behauptungen der Beklagten lassen aus Sicht der Kammer aber kein derartiges Verhalten des Klägers erkennen.
99(1)Jede Partei trägt die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Tatbestand der ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist. Wer eine Rechtsfolge für sich in Anspruch nimmt, hat die rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, der Gegner die rechtsverhindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden (BAG v. 20.11.2003 - 8 AZR 580/02 - NZA 2004, 489; Thomas/Putzo, vor § 284 Rz. 23; Zöller/Vollkommer, vor § 284 Rz. 15 ff). Der Arbeitgeber, der sich auf § 242 beruft, trägt damit für das Vorliegen der behaupteten Pflichtverletzungen die Darlegungs- und Beweislast. Er hat im Rechtsstreit die konkreten Umstände, aus denen er die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret zu bezeichnen. Nur dadurch werden die Tatsachengerichte in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die behaupteten Vorgänge zu einer Rechtsbeeinträchtigung des Arbeitgebers geführt haben, um dann gegebenenfalls über jeden behaupteten Vorgang Beweis zu erheben (vgl. allgemein zur Beweislast: BAG v. 24.04.2008 - 8 AZR 347/07 - NZA 2009, 38; BAG v. 13.03.2008 - 2 AZR 88/07 - DB 2009, 68; BAG v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06 - NZA 2008, 223; BAG v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 2007, 1154).
100Dabei ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs schlüssig und damit erheblich, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Das Gericht muss nur in der Lage sein, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs vorliegen (BGH v. 13.03.2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728; BAG v. 08.10.2008 - 5 AZR 8/08, NZA 2009, 98; BAG v. 20.11.2003 - 8 AZR 580/02, NZA 2004, 489; BGH v. 20.09.2002, NJW-RR 2003, 69; BGH v. 7.3.2001, NJW-RR 2001,887; BGH v. 28.04.1992 - X ZR 129/90, NJW 1992, 2427). Dazu sind regelmäßig bestimmte Tatsachen zu behaupten, die wenigstens einen einzelnen Lebensvorgang erkennen lassen, dem die geltend gemachte Rechtsfolge zu entnehmen ist (BGH v. 17.10.1996 - IX ZR 293/95, NJW 1997, 128). Die Haupttatsache kann dabei auch mit Indizien dargelegt werden. Dazu genügt es, wenn die Hilfstatsachen selbst vorgetragen sind, die auf sie gestützte Schlussfolgerung möglich ist und diese Schlussfolgerung die geltend gemachte Rechtsfolge als entstanden erscheinen lässt. Denn eine auf Tatsachenbehauptung beruhende mögliche Schlussfolgerung kann daraufhin beurteilt werden, ob sich ihretwegen die Überzeugung gewinnen lässt, dass die Voraussetzungen der Rechtsfolge vorliegen (BAG v. 20.11.2003 - 8 AZR 580/02, NZA 2004, 489; BGH v. 7.3.2001, NJW-RR 2001, 887).
101(2)Hier nun erschöpft sich der Sachvortrag der Beklagten mangels vorhandener Tatsachengrundlage in Spekulationen. Dabei verkennt sie schon, dass es der Geschäftsführer selbst gewesen ist, der das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für sie unterzeichnete. Der Arbeitgeber selbst hatte also Kenntnis vom Wettbewerbsverbot, das zudem im Management Meeting für alle Führungskräfte thematisiert worden ist. Es war gerade die Beklagte, die Wert auf die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten legte. In dieser Situation § 242 BGB heranzuziehen, greift zu kurz, weil der Abschluss des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes beim Geschäftsführer vielleicht nicht mehr als aktuelles präsentes Wissen vorhanden gewesen ist. Die Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis ist aber kein Tatbestand des § 242 BGB. Denn die Beklagte hatte ursprünglich konkrete Kenntnis vom Abschluss des Verbotes durch den Geschäftsführer. Dass sich dieser nicht mehr daran erinnern konnte oder wollte ist nicht dem Kläger anzulasten. Dabei ist besonders zu betonen, dass die Beklagte zuletzt sogar vorgetragen hat, der Geschäftsführer meine, er habe ein Wettbewerbsverbot vereinbart, sei sich aber nicht sicher. Für dieses "sokratische" Element ist der Kläger nicht verantwortlich. Soweit die Beklagte meint, dass das Wettbewerbsverbot in die Personalakte gehöre, ist dies sicher richtig. Nur dem Kläger anzulasten, dass es dort nicht aufzufinden sei, ist kein zwingender Schluss. Auch hier spekuliert die Beklagte. Es sind diverse Sachverhalte denkbar, die dazu führen, dass das Dokument nicht zur Personalakte gelangt ist. Es kann schlicht vergessen worden sein. Jedenfalls existieren keine Tatsachen, die den Rückschluss zuließen, dass der Kläger das Schriftstück bewusst nicht in der Personalakte legte bzw. es von dort entfernte. Dass der Kläger als "akkurat" galt beschreibt ein Merkmal seiner Arbeitsleistung, nicht den Tatbestand einer Pflichtverletzung. Auch dass keine Rückstellungen gebildet worden sind, ist nicht trennscharf. Die Beklagte meint, dann wäre dem Ansprechpartner der Muttergesellschaft das Wettbewerbsverbot aufgefallen. Hier verkennt die Beklagte schon, dass es nicht um die Muttergesellschaft geht. Es gab auch nichts zu verschleiern. Denn das Wettbewerbsverbot war existent. Es besteht deshalb auch kein relevanter Kausalzusammenhang. Der Kläger war auch nicht gehalten, im Rahmen der Gespräche auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot hinzuweisen. Schließlich ist er insoweit nicht Sachwalter der Rechte der Beklagten sondern zunächst einmal der Vertragspartner, der - mangels gut dotierter Anschlussbeschäftigung - vielleicht sogar ein Interesse daran haben musste, dass die Beklagte keinen Verzicht erklärt. Denn ansonsten hätte er aufgrund der gesetzlichen Regelung nur für 12 Monate die Karenzentschädigung erhalten. Er steht der Beklagten jedenfalls hinsichtlich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes als Vertragspartner gegenüber und muss insoweit nicht deren Rechte vertreten. Soweit die Beklagte meint, es hätten nur Wettbewerbsverbote mit einer Laufzeit von 12 Monaten abgeschlossen werden dürfen, ist schon nicht erkennbar, welche Pflichtverletzung die Beklagte hiermit behaupten will. Jedenfalls führt der Umstand des Vertragsschlusses über ein längeres nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht zu einer gesteigerten Aufklärungspflicht des Klägers.
1023.Die Höhe der Karenzentschädigung beträgt 10.009,56 € brutto monatlich, woraus sich für den gesamten 24-monatigen Zeitraum 240.229,44 € errechnen.
103Die Höhe der monatlichen Karenzentschädigung beträgt gem. § 74 Abs. 2 HGB i.V.m. § 3 Abs. 6 der Änderungsvereinbarung 10.009,56 € brutto. Für 24 Monate ergibt sich hieraus ein Betrag in Höhe von 240.229,44 €.
104Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend berechnet und wird von der Beklagten in der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen. Die erkennende Kammer folgt den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Beklagte hat zweitinstanzlich nichts vorgetragen, was Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gäbe.
105a)Ausgangspunkt der Berechnung ist die vom Kläger zuletzt bezogene vertragsmäßige Vergütung in Höhe von 15.399,33 €.
106aa)Als vertragsmäßig im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird. Ausgangspunkt für die Bestimmung der "zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen" iSd. § 74 Abs. 2 HGB ist alles, was der Arbeitnehmer in der fraglichen Zeit als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhalten hat (vgl. nur BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris; BAG v. 09.01.1990 - 3 AZR 110/88, juris; BAG v. 16.11.1973 - 3 AZR 61/73, juris; ErfK/Oetker § 74 HGB Rn. 15).
107Die Karenzentschädigung soll dabei dem Arbeitnehmer den Lebensstandard sichern, den er sich aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit erarbeitet hatte. Sie soll den Nachteil ausgleichen, den der Arbeitnehmer durch die Beschränkung in der Verwendung seiner Arbeitskraft erleidet. Es kommt deshalb darauf an, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung in den maßgeblichen Zeiträumen zu beanspruchen hat. Wenn ein Arbeitnehmer seine fachlichen Möglichkeiten nicht mehr voll wahrnehmen kann und seine Erwerbsmöglichkeiten beschränkt sind, soll ihm das erhalten bleiben, was er bisher unter Verwertung seiner fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen verdient hat (vgl. nur BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris; BAG v. 09.01.1990 - 3 AZR 110/88, juris). Auch Jahresvergütungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder, Tantiemen und ähnliche Sonderzuwendungen zählen hierzu, selbst wenn sie der Arbeitgeber unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs als freiwillige Leistung gewährt (vgl. nur BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris).
108Bezugspunkt sind dabei die letzten 36 Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rn. 415), also der Zeitraum vom 01.04.2009 bis zum 31.03.2012. Insoweit kommt es bei wechselnden Bezügen also nicht auf den letzten Bezugszeitraum, sondern auf den Durchschnitt der letzten drei Jahre an. Dieser dreijährige Bezugszeitraum gilt aber nur für die variablen Vergütungsbestandteile. "Wechselnde Bezüge" sind alle Einkommensarten, die "von ständig wechselnden äußeren Umständen abhängen". Es handelt sich dabei um Entgeltbestandteile, die entweder nicht in jedem Bezugszeitraum anfallen oder aber in jeweils unterschiedlicher Höhe. Zu den wechselnden Bezügen zählen Provisionen, Tantiemen und sonstige von äußeren Umständen abhängige Leistungen (vgl. nur BAG v. 22.10.2008 - 10 AZR 617/07, juris).
109bb)Auf dieser rechtlichen Grundlage ergibt sich folgende Berechnung:
110(1)Das zu berücksichtigende monatliche Fixum beträgt 12.355,00 € brutto.
111(2)Der Bonus ist mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 2.044,33 € anzusetzen. Ausgangspunkt ist § 74b Abs. 2 HGB, auf den die Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2010 in § 3 Abs. 9 Bezug nimmt. Danach sind Provisionen oder anderen wechselnde Bezüge mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Der Bonus ist ein entsprechender wechselnder Bezug und gehört auch zu den "zuletzt" bezogenen vertragsmäßigen Leistungen. Das folgt aus Sinn und Zweck der Regelung sowie aus dem sachlichen Zusammenhang zwischen den Berechnungsvorschriften in § 74 Abs. 2 BGB einerseits und den Regelungen über anrechenbare Leistungen im Sinne von § 74 c Abs. 1 HGB andererseits. Der Kläger erhielt im Jahr 2009 insgesamt einen Bonus in Höhe von 30.000,00 € brutto, also für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 31.12.2009 einen Bonus in Höhe von 22.500,00 € brutto (30.000,00 € ./. 12 x 9). In den Jahren 2010 und 2011 erhielt er jeweils 25.000,00 € brutto und vom 01.01.2012 bis zum 31.03.2012 einen Betrag in Höhe von 1.095,94 € brutto. Für 36 Monate errechnet sich also insgesamt ein Bonus in Höhe von 73.595,94 € brutto, also 2.044,33 € brutto monatlich.
112(c)Auch der geldwerte Vorteil für das dem Kläger überlassene Mobiltelefon in Höhe von 1.000,00 € brutto ist zu berücksichtigen. Aus der oben aufgeführten Definition der vertragsmäßigen Leistungen ergibt sich, dass die Karenzentschädigung dem Arbeitnehmer den Lebensstandard sichern soll, den er sich aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit erarbeitet hatte. Sie soll den Nachteil ausgleichen, den er durch die Beschränkung in der Verwendung seiner Arbeitskraft erleidet. Es kommt deshalb darauf an, was der Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung in den maßgeblichen Zeiträumen zu beanspruchen hat. Dazu gehört dann aber auch die ihm eingeräumte Möglichkeit, das ihm zur Nutzung überlassene Mobiltelefon privat zu nutzen. Denn auch diese Privatnutzung ist eine Gegenleistung. Dies ergibt sich auch aus dem Begriff "vertragsmäßige Leistungen" gerade in Abgrenzung zum Begriff "Gehalt".
113Ein Gesetz auslegen heißt seinen Sinn zu erforschen. Maßgeblich ist dabei der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers. Bei der Auslegung von Gesetzen ist zunächst vom Wortlaut der Regelung auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den systematischen Zusammenhang und den Normzweck, sofern er im Gesetz erkennbaren Ausdruck gefunden hat (BAG v. 17.1.2008 - 2 AZR 902/06, NZA 2008, 872; BAG v. 16.6.2005 - 6 AZR 108/01, BAGE 115, 113). Häufig kann nur bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck zutreffend ermittelt werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer zweckmäßigen, vernünftigen und gerechten Regelung führt.
114Wird etwa der Begriff des "Bruttogehalts" verwendet, spricht dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eher für einen engen Vergütungsbegriff. Der Begriff "Gehalt" umfasst nach allgemeinem Sprachgebrauch z.B. nicht die Überlassung eines Kraftfahrzeugs zur privaten Nutzung (vgl. BAG v. 14.08.1990, 3 AZR 321/89, juris). Unter dem Begriff "Gehalt" oder "Monatsgehalt" zählen nach allgemeinem Sprachgebrauch nur Geldleistungen, nicht aber geldwerte Vorteile oder Sachleistungen (vgl. LAG Düsseldorf v. 08.04.2011, 10 Sa 930/10 m.w.N., juris). Wird als Berechnungsgrundlage hingegen auf den zuletzt bezogenen "Bruttoverdienst" oder das zuletzt bezogene "Bruttoeinkommen" Bezug genommen, ist der geldwerte Vorteil durch die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens bei der Berechnung der vertragsmäßigen Leistungen zu beachten. Die ist Konsequenz des weiten Einkommensbegriffs (vgl. auch BAG v. 21.08.2011, 3 AZR 746/00, zitiert nach juris). Nichts anderes ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs "Leistung", der ebenfalls ein weites Verständnis zugrunde liegt. Letztlich handelt es sich um eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis, die eine zusätzliche Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung darstellt (BAG v. 27.05.1999 - 8 AZR 415/98, juris; LAG Hamm v. 30.03.2000 - 16 Sa 1684/99, juris).
115Insofern kommt es insbesondere auch nicht auf steuerliche Gesichtspunkte an (insoweit missverständlich Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rn. 377). Nur für die Bestimmung des Wertes kann auf die steuerlichen Gegebenheiten zurückgegriffen werden (ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz.3; LAG Hamm v. 30.03.2000 - 16 Sa 1684/99, juris). Da die Parteien hier selbst eine Vereinbarung über den Wert der Leistung getroffen haben und einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € unstreitig zugrunde legen, ist dieser zu berücksichtigen.
116b)Der Kläger hat von dem errechneten Betrag in Höhe von 15.399,33 € brutto 65% zu beanspruchen, also 10.009,56 € monatlich. Da das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eine Laufzeit von 24 Monaten hat, errechnet sich als Zahlungsbetrag ein Wert in Höhe von 240.229,44 €.
1174.Der Beklagten steht kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dies hat nur bis zum 13.01.2015 bestanden. An diesem Tag hat der Kläger umfassend und ausreichend gemäß § 74c Abs. 2 HGB Auskunft erteilt.
118a)Gemäß § 3 Abs. 9 der Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2012 i. V. m. § 74c HGB hat der Kläger sich auf die Karenzentschädigung dasjenige anrechnen zu lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Gemäß § 74c Abs. 2 HGB ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber auf Verlangen über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen. Aus dieser gesetzlichen Konstruktion ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der die erkennende Kammer folgt, ein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers. Solange der auskunftspflichtige Arbeitnehmer die geschuldeten Angaben nicht mitgeteilt hat, muss der Arbeitgeber keine Karenzentschädigung zahlen (BAG v. 12.01.1978 - 3 AZR 57/76, juris).
119b)Damit hängt die Frage, ob der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht davon ab, ob der Kläger mit seinen Auskünften die ihm obliegende Auskunftspflicht erfüllt hat. Gem. § 74 c Abs. 2 HGB ist "Auskunft" zu erteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Auskunftsanspruch auf die Dauer der Bezugsberechtigung bezieht. Der Arbeitnehmer muss also Auskunft über den Verdienst für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis zum 31.03.2014 erteilen.
120Welchen Umfang diese Auskunftspflicht erreicht, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des BAG, der die erkennende Kammer folgt, nach § 242 BGB, also nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris; BAG v. 25.02.1975 - 3 AZR 148/74, juris). Der Auskunftsanspruch soll dabei den zur Zahlung von Karenzentschädigung verpflichteten Arbeitgeber in die Lage versetzen, festzustellen, ob sein früherer Arbeitnehmer anrechenbares anderweitiges Einkommen bezieht. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich auf Grundlage des § 242 BGB nach den Umständen des Einzelfalls. In vielen Fällen kann es ausreichen, wenn der Entschädigungsberechtigte erklärt, welche für eine Anrechnung in Betracht kommenden Einkünfte er erzielt hat. Damit braucht das Auskunftsbegehren aber nicht erschöpft zu sein. Hat der Entschädigungspflichtige Zweifel daran, ob die Angaben zutreffen, so kann er in aller Regel von dem Auskunftspflichtigen verlangen, dass er seine Angaben belegt (BAG v. 25.02.1975 - 3 AZR 148/74, juris).
121Auf dieser Grundlage ist anerkannt, dass der Arbeitnehmer, der unselbständige Einkünfte erzielt, Lohn und Gehaltsabrechnungen vorzulegen hat. Wenn das der Anrechnung unterliegende Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung fließt, bilden Lohnstreifen, Gehaltsabrechnungen oder die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte meistens eine verlässliche Grundlage, um die Erklärungen zu bestätigen, die der Entschädigungsberechtigte über seine Bezüge abgegeben hat. Ihre Vorlage ist auch zumutbar und leicht durchzuführen; schützenswerte Belange des ohnehin zur Offenbarung seines Einkommens verpflichteten Entschädigungsberechtigten werden dadurch in der Regel nicht berührt (BAG v. 25.02.1975 - 3 AZR 148/74, juris).
122Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit stehen diese Mittel nicht zur Verfügung. Hier hat das BAG zunächst die Vorlage einer Einkommenssteuererklärung für erforderlich gehalten und Ansprüche auf Vorlage der Gewinn- und Verlustrechnung abgelehnt. Insofern bestünden Bedenken, weil es die nach § 242 BGB zu bemessende Auskunftspflicht überschreiten könne, wenn der frühere Arbeitnehmer mit der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung seine gesamte geschäftliche Lage offenlegen müsste, obgleich es im Rahmen des § 74 c HGB nur auf das Geschäftsergebnis ankommt (BAG v. 25.02.1975 - 3 AZR 148/74, juris). Später hat das Bundesarbeitsgericht zu Recht vertreten, dass sich auf Grundlage des § 242 BGB auch bei selbständigen Tätigkeiten schematische Lösungen verbieten. Inhalt und Umfang von Auskunftspflichten richten sich im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben. Das ist von besonderer praktischer Bedeutung, wenn es um Angaben über Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit geht (BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris; BAG v. 25.02.1975 - 3 AZR 148/74, juris; BAG v. 07.07.1960 - 5 AZR 61/59, juris; BAG v. 25.06.1964 - 2 AZR 135/63, juris). Hier lassen sich keine schematischen Regeln aufstellen, die für die vielfältigen Erscheinungsformen des Arbeitslebens gleichermaßen Geltung beanspruchen. Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten wird stets nach den Umständen des Einzelfalls abzuwägen sein zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers, durch die Karenzentschädigung in kurzen Zeitabschnitten einen Beitrag zum Unterhalt zu erhalten und dem Interesse des Arbeitgebers, überhöhte Vorleistungen zu vermeiden. Deswegen brauchen einerseits die Auskünfte des Arbeitnehmers nur so substantiiert zu sein, wie das in der gegebenen Situation möglich ist. Andererseits müssen sie dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, ein möglichst deutliches Bild zu erhalten, mit welchen laufenden Verpflichtungen er zu rechnen hat (BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris). Dabei hängt der Umfang der vorläufigen Auskunft auch vom Berechnungszeitraum ab. Verlangt der Arbeitnehmer, wozu er berechtigt ist, monatliche Zahlungen, dann wird er zunächst nur sein vorläufiges Monatsergebnis angeben können. Dabei muss er auch Zahlen nennen. Die Einzelheiten des zumutbaren Rechenwerkes hängen unter anderem von der Größe des Unternehmens ab. Wer allein arbeitet, kann die wirtschaftliche Situation seines Unternehmens leicht im Auge behalten. Schwieriger wird dies mit zunehmender Anzahl der Mitarbeiter und wachsendem Umfang der geschäftlichen Tätigkeit. Daher kann nur im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben beurteilt werden, wie detailliert die Angaben zumutbarer Weise sein müssen, um die Fälligkeit der Entschädigung nach § 74 b Abs. 1 HGB herbeizuführen und ein Zurückbehaltungsrecht des früheren Arbeitgebers unter Berufung auf § 74 c Abs. 2 HGB auszuschließen (BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris).
123Entsprechendes muss gelten, wenn der Arbeitgeber gegen die erteilten Auskünfte Einwendungen erhebt und Belege verlangt. Auch insoweit gelten die Grundsätze von Treu und Glauben, ohne dass sich feste Regeln aufstellen ließen. Je nach den Umständen des Einzelfalls wird sich der frühere Arbeitgeber, besonders zu Beginn der Karenzzeit, mit einer Plausibilitätsprüfung begnügen müssen. Gegen Ende der Karenzzeit werden auch konkrete Nachweise möglich und geboten sein. Auch besteht die Möglichkeit, den Steuerbescheid vorzulegen. Es kommen aber auch andere Belege in Betracht. Die Anforderungen dürfen insgesamt nicht überspannt werden. Die Pflicht des Arbeitnehmers, seine Angaben zu belegen, besteht nicht stets und von vornherein, sondern nur bei begründeten Einwendungen und mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die Überprüfung der Auskunft zu ermöglichen. Der Arbeitgeber muss also seinerseits begründete Zweifel geltend machen können (BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris).
124Abschließend formuliert das BAG prägnant:
125"Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die Karenzentschädigung des früheren Arbeitnehmers, der sich selbständig gemacht und unregelmäßige Bezüge hat, ist insgesamt aufgrund einer Gesamtberechnung für die Dauer eines Jahres zu ermitteln. Der frühere Arbeitnehmer muß deshalb auch nur eine auf den Jahreszeitraum bezogene Auskunft gem. § 74 c Abs. 2 HGB erteilen. Tut er dies erst am Ende der Karenzzeit, so hat er vor diesem Zeitpunkt keinen durchsetzbaren Anspruch auf Karenzentschädigung (§ 74 c Abs. 2 HGB in Verb. mit § 320 BGB). Der Arbeitnehmer hat aber auch die rechtliche Möglichkeit, durch plausible Zwischenauskünfte monatlich, vierteljährlich oder in anderen Zeiträumen Entschädigungszahlungen fällig zu stellen. Dann muß er seinen Unternehmensgewinn so darstellen, wie ihm dies nach Treu und Glauben und den Umständen des Einzelfalls möglich und zumutbar ist.
126Die Pflicht, Angaben der erteilten Auskunft zu belegen, richtet sich ebenfalls nach Treu und Glauben. Insoweit kommt es darauf an, welche Einwände der Arbeitgeber erhebt und was dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. Soweit es um längere Zeiträume geht, werden häufig anerkannte Steuerbelege oder Gewinn- und Verlustrechnungen zur Verfügung stehen.
127(BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris)
128c)Das Leistungsverweigerungsrecht wegen fehlender oder unzureichender Auskunftserteilung stand der Beklagten aufgrund der aufgezeigten Rechtsprechung, der die erkennende Kammer in vollem Umfang folgt, nur bis zum 13.01.2015 zu.
129aa)Der Kläger ist nach seinen Angaben zunächst arbeitslos gewesen. Er hat dazu mit der Klage vom 18.05.2012 behauptet, er erhalte ein Arbeitslosengeld, das unter der Kappungsgrenze liege. Unterlagen hat er nicht zur Verfügung gestellt. Im Schriftsatz vom 03.07.2012 hat er seine Klage erweitert und wiederum nur mitgeteilt, dass er lediglich Arbeitslosengeld erhalte. Nichts anderes gilt für den Zeitraum Juli 2012 (SS v. 14.08.2012). Mit Schriftsatz vom 12.09.2012 hat die Beklagte den Kläger sodann aufgefordert, Auskunft über seinen Verdienst zu erteilen und sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes hat er dann mit Schriftsatz vom 10.10.2012 mitgeteilt und eine Bescheinigung überreicht. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass er ab dem 01.07.2012 wieder erwerbstätig sei und ein monatliches Gehalt in Höhe von 4.166,66 sowie eine aufgeschobene jährliche Zahlung von 30.000,00 €, also 2.500,00 € monatlich erhalte. Die Gehaltsabrechnung für Juli und August 2012 hat der Kläger übermittelt, aus der sich der Betrag in Höhe von jeweils 4.166,66 € ergibt. Mit Schriftsatz vom 03.12.2012 hat er die Abrechnung für September und Oktober 2012 beigefügt. Weitere Unterlagen hat er zunächst nicht beigebracht. Erst mit Schriftsatz vom 09.01.2015 hat er für die Jahre 2012 und 2013 eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung der F. Energie GmbH vorgelegt. Da diese für das Jahr 2014 zum damaligen Zeitpunkt noch nicht existierte, hat er für 2014 Lohnabrechnungen vorgelegt. Im Kammertermin vom 13.01.2015 legte er dann für eine von der F. Enterprises Limited erhaltene Zahlung einen Kontoauszug vor. Er hat sich von seinem Arbeitgeber ausweislich der E-Mail vom 12.01.2015 zudem bescheinigen lassen, dass er bis auf eine jährliche Festvergütung in Höhe von 50.000 € und den Zahlungen der F. Enterprises Limited in Höhe von 70.000 € keine weiteren Zahlungen bezogen hat. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat er die elektronische Lohnsteuerbescheinigung der F. Energie GmbH für das Jahr 2014 sowie im Termin am 21.09.2015 die Rechnungen über jeweils 2.500,00 € gegenüber der F. Enterprises Limited vorgelegt. Zudem hat er Einsicht in seine Steuerbescheide für 2012 und 2013 gewährt.
130bb)Damit behauptet der Kläger neben dem zunächst bezogenen Arbeitslosengeld Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung bei der F. Energie GmbH. Zudem hat er behauptet, auch Tätigkeiten für die F. Enterprises Limited zu erbringen, die auf selbständiger Basis vergütet werden und die er in Rechnung stelle.
131(1)Im Hinblick auf das Arbeitslosengeld ist es erforderlich, die Höhe des Arbeitslosengeldes zu beziffern und den entsprechenden Bescheid der Agentur zu übermitteln. Diese Pflicht hat der Kläger erfüllt, aber erst mit Schriftsatz vom 10.10.2012.
132(2)Hinsichtlich der abhängigen Beschäftigung ist es erforderlich aber auch ausreichend, die Lohanrechnungen vorzulegen bzw. die elektronische Lohnsteuerbescheinigung beizubringen. Die ab dem 01.07.2012 bestehende Beschäftigung hat er ebenso wie die Gehaltsabrechnungen für Juli und August 2012 ebenfalls erst mit Schriftsatz vom 10.10.2012 übermittelt. Erst mit Schriftsatz vom 09.01.2015 hat er für die Jahre 2012 und 2013 eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung der F. Energie GmbH vorgelegt. Da diese für das Jahr 2014 zum damaligen Zeitpunkt noch nicht existierte, hat er für 2014 Lohnabrechnungen vorgelegt.
133(3)Hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit für die F. Enterprises Limited hat er zwar Einnahmen in Höhe von 2.500,00 € monatlich behauptet. Dazu waren seine Erklärungen aber zunächst indifferent. Denn ursprünglich sollte es sich um eine Zahlung der F. Energie GmbH handeln. Später erläuterte er dann Zahlungen der F. Enterprises Limited. Erst im Kammertermin vom 13.01.2015 legte er dann für eine von der F. Enterprises Limited erhaltene Zahlung einen Kontoauszug vor. Er hat sich von dieser ausweislich der E-Mail vom 12.01.2015 zudem bescheinigen lassen, dass er bis auf eine jährliche Festvergütung in Höhe von 50.000 € und den Zahlungen der F. Enterprises Limited in Höhe von 70.000 € keine weiteren Zahlungen bezogen hat.
134cc)Aus Sicht der Kammer hat der Kläger seine Auskunftspflichten damit erst am 13.01.2015 erfüllt. Auch wenn der Kläger zunächst am 10.10.2012 seine Pflichten hinsichtlich des erhaltenen Arbeitslosengeldes und der Gehälter für Juli und August 2012 erfüllte, blieb der weitere Teil seiner Einnahmen offen. Offen war dabei zunächst, auf welcher rechtlichen Grundlage er weitere Zahlungen zu beanspruchen hatte und von wem. Insofern darf nicht übersehen werden, dass bei der Auskunft über eine selbständige Tätigkeit eine Auskunft erforderlich ist und Belege beigebracht werden müssen. Auf Grundlage von Treu und Glauben musste der Kläger, da seine Angaben insbesondere zur Frage, wer zur Zahlung verpflichtet ist, widersprüchlich waren, Belege beibringen. Hierzu hätte er ohne weiteres seine monatlichen Abrechnungen vorlegen können. Dies hat er nicht getan, so dass er hinsichtlich der selbständigen Arbeit seine Pflichten nicht erfüllte. Der Kläger kann insoweit insbesondere nicht geltend machen, dass ihm keine Unterlagen vorgelegen hätten. Auch wenn ihm die behaupteten 2.500,00 € monatlich zunächst gar nicht gezahlt worden sind, sondern eine Einmalzahlung Ende 2014 erfolgte, darf nicht übersehen werden, dass der Kläger selbst es war, der monatliche verstetigte Einkünfte (Bonus) von der F. Energie GmbH über 2.500,00 € behauptete. Da er sie behauptet, aber nicht nachgewiesen hat und Fragen offen blieben, weil sie sich auch der Lohnabrechnung nicht entnehmen ließen, war die Sachlage unklar und verworren. In dieser Situation war es geboten, auch die Zahlung von monatlich 2.500,00 € zu belegen, weil die Beklagte begründete Zweifel dargelegt hat. Der Kläger hatte lediglich einen bestimmten Betrag behauptet, der sich nicht aus den Gehaltsabrechnungen erkennen ließ.
135Da er seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zunächst nicht belegte, erfüllte er die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht. Erst mit der Übermittlung des Kontoauszugs und der schriftlichen Erklärung der F. Enterprises Limited brachte der Kläger die erforderlichen Nachweise. Diese sind aus Sicht der Kammer auch ausreichend. Insbesondere musste der Kläger keine Einkommensteuerbescheinigung oder eine Gewinn- und Verlustrechnung beibringen. Wie gesehen richten sich die Anforderungen nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen. Auch ist zu bedenken, dass der Kläger keine große Unternehmung betrieb, sondern einerseits angestellt war, zu anderen einige Leistungen offenbar auf Basis einer "freien Mitarbeit" abrechnete. In dieser Situation existieren ohnehin bei den Einnahmen nur die Abrechnungen gegenüber dem Auftraggeber. Er muss letztlich die Gewinne so darstellen, wie es ihm zumutbar ist. Dazu können jedwede Belege vorgelegt werden, die ein umfassendes Bild ergeben. Insoweit ist der Kontoauszug in Verbindung mit der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers ausreichender Nachweis. Denn dies ist die originäre Quelle. In dieser Situation weitere Nachweise zu verlangen, wäre eine überobligatorische Ausdehnung der dem Arbeitnehmer obliegenden Pflichten. Denn er muss ein umfassendes Bild abgeben, dies aber nur im Rahmen der Zumutbarkeit.
136dd)Soweit die Beklagte meint, der Kläger habe nach wie vor seine Auskunftspflichten nicht erfüllt, legt sie schon einen rechtlich unzutreffenden Ausgangspunkt zugrunde. Es geht nicht um eine Rechenschaftslegung nach § 259 BGB. Vielmehr richtet sich der Umfang der Auskunft und des Nachweises der Auskunft nach § 242 BGB. Es bedarf also nicht der Übermittlung einer geordneten Aufstellung, sondern der Vorlage von Dokumenten, die verfügbar sind und deren Vorlage zumutbar ist. Gerade bei den hier in Rede stehenden Zahlungen geht es auch fehl, eine Aufstellung immer stets gleicher Zahlen zu fordern sondern nur darum, die Angaben des Klägers zu verifizieren. Dazu reichen aber die vorgelegten Dokumente aus. Soweit die Beklagte meint, der Kläger trage nur mosaikartig vor und deshalb Zweifel an der Vollständigkeit der Angaben hat, ist auch dies unzutreffend. Insoweit spekuliert die Beklagte ohne ausreichende Tatsachengrundlage. Die von ihr herangezogenen Indizien sind weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit geeignet, die Vollständigkeit der Auskunft anzugreifen. Allein dass der Kläger weniger verdient, rechtfertigt keinen weitergehenden Auskunftsanspruch. Es ist die Beklagte, die begründete Zweifel anmelden muss. Dabei übersieht sie, dass es die freie Entscheidung des Arbeitnehmers ist, zu welchen Konditionen er eine Arbeitsstelle antritt. Der (alte) Arbeitgeber mag es lieber sehen, wenn er durch die Höhe des beim neuen Arbeitgeber erzielten Verdienstes von der Verpflichtung der Zahlung der Karenzentschädigung frei wird. Dieser Gedanke beeinflusst aber nicht den Umfang der Auskunft. Die Beklagte mag auch bestreiten, dass der Kläger erst ab dem 01.07.2012 eine Beschäftigung aufgenommen hat. Indes hat er ausreichende Nachweise vorgelegt. Denn insoweit sind die Bescheinigungen über das von ihm bezogene Arbeitslosengeld bis zum 30.06.2013 eine ausreichende Erklärung. Wenn die Beklagte hier Zweifel hat, muss sie darlegen, welche Tätigkeit der Kläger aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte vorher aufgenommen haben soll. Hierzu fehlt aber jeder Vortrag. Vielmehr handelt es sich um eine Spekulation "ins Blaue". Der Kläger muss auch nicht den Arbeitsvertrag vorlegen, sondern bei der abhängigen Beschäftigung reichen Lohnabrechnungen. Nur ergänzend sei erwähnt, dass sich diese nicht nur mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung decken, sondern auch mit den zur Einsicht vorgelegten Steuerbescheiden. Auch dass dem Kläger Gewinnbeteiligungen zustehen sollen, muss sie darlegen und keine Spekulationen anstellen. Allein aus der Stellung des Klägers bei der F. Energie GmbH ergibt sich dies nicht. Vollends driftet die Beklagte in den Bereich der Spekulation, wenn sie meint, es könnten auch Verträge mit Verwandten des Klägers bestehen. Das Verhalten des Klägers ist auch nicht "höchst dubios", sondern nachvollziehbar. Denn er hat Nachweise vorgelegt, die der Beklagten die Überprüfung seiner Angaben ermöglichen. Dass dies auf Aufforderung durch das Arbeitsgericht erfolgte, ist nicht zu beanstanden, da der Kläger der Auflage des Arbeitsgerichtes nachkommen wollte. Soweit die Angaben zunächst widersprüchlich gewesen sind, hat sich dieser Widerspruch - wie bereits dargelegt - durch die vorgelegten Unterlagen aufgeklärt.
137ee)Damit fehlte es bis zum 13.01.2015 an einem durchsetzbaren Anspruch des Klägers (vgl. BAG v. 02.06.1987 - 3 AZR 626/85, juris). Allerdings muss das Zurückbehaltungsrecht, um Rechtswirkungen entfalten zu können, ausgeübt werden. Dem Gläubiger muss deutlich gemacht werden, aufgrund welcher Gegenforderung die Leistung vorläufig nicht erbracht wird. Die Geltendmachung muss entweder ausdrücklich erklärt oder durch schlüssiges Verhalten deutlich gemacht werden. Insoweit hat der Schuldner dem Gläubiger unter Angabe konkreter Gründe mitzuteilen, aufgrund welcher konkreter Gegenforderung er sein Zurückbehaltungsrecht ausübe (BAG v. 13.03.3008 - 2 AZR 88/07, AP Nr. 87 zu § 1 KSchG 1969). Zudem muss das Zurückbehaltungsrecht entsprechend Treu und Glauben ausgeübt werden.
138Daran bestehen hier keine Bedenken. Die Beklagte hat das Zurückbehaltungsrecht bereits am 12.09.2012 ausgeübt.
1395.Auf die zu beanspruchende Karenzentschädigung muss sich der Kläger nichts anrechnen lassen. Denn unter Einrechnung seines anderweitig erzielten Verdienstes erreichen seine Bezüge nicht die Anrechnungsgrenze von 110%. Insbesondere hat der Kläger auch nicht böswillig die anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft unterlassen.
140a)Der Arbeitnehmer unterlässt eine anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft böswillig, wenn er eine ihm mögliche und nach den gesamten Umständen zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt (BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 198/10, juris). In diesem Fall muss er sich nach den gesetzlichen Bestimmungen fiktive Bruttobezüge anrechnen lassen. An die Böswilligkeit sind allerdings wegen der Freiheit der Arbeitsplatzwahl hohe Anforderungen zu stellen. Eine Böswilligkeit scheidet daher bereits dann aus, wenn der Arbeitnehmer für den von ihm gewählten Berufsweg vernünftige Gründe hat. Der Arbeitnehmer muss seinen Berufsweg auch nicht an den finanziellen Interessen seines früheren Arbeitgebers ausrichten und kann daher mit guten Gründen eine besser dotierte Stelle ablehnen und eine schlechter dotierte Stelle annehmen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rn. 801).
141Die Nichtaufnahme einer Tätigkeit bei der Konzernmutter der Beklagten in Israel ist von vornherein kein böswilliges Unterlassen. Der Kläger kann sich frei entscheiden, wo er seinen Lebensmittelpunkt wählt. Dies ist von der Beklagten hinzunehmen.
142Es existieren auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er vor dem 01.07.2012 eine Tätigkeit hätte antreten können. Die Beklagte spekuliert erneut ohne ausreichende Tatsachengrundlage. Es ist an der Beklagten, ihren tatsachenarmen Sachvortrag zu substantiieren. (vgl. etwa BAG v. 13.02.1996 - 9 AZR 931/94, juris).
143b)Die anzurechnende Vergütung des Klägers erreicht in keinem Monat die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB.
144aa)Gemäß § 3 Abs. 9 der Änderungsvereinbarung vom 05./12.10.2012 i. V. m. § 74c HGB hat der Kläger sich auf die Karenzentschädigung dasjenige anrechnen zu lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Der Bezugspunkt ist also als Obergrenze ein Übersteigen der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel. Die zuletzt bezogene vertragsmäßige Vergütung ist mit 15.399,33 € berechnet worden, oben 1). Damit beträgt die zu überschreitende Obergrenze, ab der eine Anrechnung erfolgt, 16.939, 26 €.
145bb)In keinem Monat erreichen die Einkünfte des Klägers die Obergrenze von 16.939,26 €.
146(1)Für die Monate April und Mai 2012 kann offen bleiben, ob das Arbeitslosengeld in Höhe von jeweils 2.031,30 € angerechnet werden muss. Denn selbst unter Einbeziehung dieser Werte wird die Anrechnungsschwelle in keinem Fall erreicht.
147Die Einkünfte des Klägers aus der Karenzentschädigung betragen 10.009,56 €, das Arbeitslosengeld 2.031,30 €. Insgesamt errechnen sich damit 12.040,86 €, also ein Wert unterhalb von 16.939, 26 €. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber allenfalls den tatsächlichen Auszahlungsbetrag des Arbeitslosengeldes, nicht aber einen fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen kann (BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 198/10, juris).
148(2)Für Juni 2012 errechnet sich ebenfalls ein Wert unterhalb der Obergrenze, weil das gezahlte Arbeitslosengeld nicht anzurechnen ist.
149Die Karenzentschädigung beträgt 10.009,56 €.
150Der Kläger war im Juni 2012 als Trainee bei der F. Energie GmbH tätig. Hierfür erhielt er nachträglich im November 2014 von der F. Enterprises Limited jedoch einen Betrag in Höhe von 5.000,00 €. Diesen Betrag muss sich der Kläger anrechnen lassen.
151Der Kläger erhielt im Juni 2012 zudem Arbeitslosengeld in Höhe von 2.031,30 €. Wäre das Arbeitslosengeld anzurechnen, errechneten sich Einkünfte in Höhe von 17.040,86 € (10.009,56 € + 2.031,30 € + 5.000,00 €). Da die Anrechnungsgrenze 16.939,26 € beträgt, müsste ein Wert in Höhe von 101,60 € berücksichtigt werden.
152Indes handelt es sich beim Arbeitslosengeld nicht um einen Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft.
153Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 198/10, juris; BAG v. 16.11.2005 - 10 AZR 152/05, juris; BAG v. 07.11.1989 - 3 AZR 796/87, juris; BAG v. 13.11.1975 - 3 AZR 38/75, juris).
154Davon ist zunächst die unmittelbare Erzielung von Entgelt für die Erbringung von Arbeitsleistungen, in der Regel im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsvertrages, umfasst. Aber auch Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist anrechenbar. Denn in beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (BAG v. 14.09.2011 - 10 AZR 198/10, juris; BAG v. 16.11.2005 - 10 AZR 152/05, juris; BAG v. 07.11.1989 - 3 AZR 796/87, juris; BAG v. 13.11.1975 - 3 AZR 38/75, juris; LAG Köln v. 30.01.2014 - 13 Sa 744/13, juris).
155Entscheidend ist also die Verknüpfung der erzielten Einkunft mit der Verwertung der Arbeitskraft, sei es im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit oder einer abhängigen Beschäftigung. Sie muss das Ergebnis eines persönlichen Arbeitseinsatzes sein, der gerade durch die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. auch BAG v. 16.11.2005 - 10 AZR 152/05, juris; LAG Köln v. 30.01.2014 - 13 Sa 744/13, juris).
156Der Bezug von Arbeitslosengeld beruht indes nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (so auch LAG Köln v. 30.01.2014 - 13 Sa 744/13, juris).
157Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG angenommen, dass durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13.11.1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16.07.1927 (RGBl. S. 187) nachträglich eine Regelungslücke entstanden sei, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse. Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe (BAG v. 25.06.1985 - 3 AZR 305/83).
158Zuletzt hat das Bundesarbeitsgericht diese Frage offen gelassen. Es hat in seiner Entscheidung v. 14.09.2011 - 10 AZR 198/10 allerdings folgendes ausgeführt:
159"d) Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).
160e) Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung (vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge (Weber aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).
161f) Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten "planwidrigen" Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 SGB III nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.
162Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 74c Rn. 2)."
163Das Berufungsgericht vertritt - wie das Arbeitsgericht - im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass eine "planwidrige" Regelungslücke nach Aufhebung des § 148 SGB III nicht mehr angenommen werden kann und es nunmehr dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen (ebenso: LAG Köln v. 30.01.2014 - 13 Sa 744/13, juris).
164(3)Der Kläger muss sich für Juli bis Dezember 2012 ebenfalls keinen Betrag anrechnen lassen, weil seine Einkünfte aus der anderweitigen Verwertung seiner Arbeitskraft auf Grundlage des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB die Anrechnungsobergrenze nicht erreichen.
165Der Kläger bezog bei der F. Energie GmbH ein monatliches festes Arbeitsentgelt in Höhe von 4.166,66 € brutto nebst einem monatlichen geldwerten Vorteil für das Jobticket in Höhe von 54,38 € sowie von der F. Enterprises Limited einen als Bonus bezeichneten weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 2.500,00 €. Zuzüglich der Karenzentschädigung in Höhe von 10.009,56 € errechnen sich Einkünfte in Höhe von 16.730.30 €, also ein Wert der unterhalb der Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB in Höhe von 16.939,26 € liegt.
166(4)Im Jahr 2013 ist die Anrechnungsgrenze gleichfalls nicht überschritten worden.
167Der Kläger bezog bei der F. Energie GmbH ein monatliches festes Arbeitsentgelt in Höhe von 4.166,66 € brutto nebst einem monatlichen geldwerten Vorteil für das Jobticket in Höhe von 56,29 € sowie von der F. Enterprises Limited einen als Bonus bezeichneten weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 2.500,00 €. Er erhielt von der F. Energie GmbH zudem ein Weihnachtsgeld in Höhe von 500,00 € brutto. Dieses ist auf die einzelnen Monate umzulegen (Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 6. Aufl. 2012, Rn. 820) und beträgt monatlich 41,67 € brutto. Zuzüglich der Karenzentschädigung in Höhe von 10.009,56 € errechnen sich Einkünfte in Höhe von 16.774,18 €, also ein Wert der wiederum unterhalb der Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB in Höhe von 16.939,26 € liegt.
168(5)Nichts anderes gilt für das Jahr 2014. Auch hier ist die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht überschritten worden.
169Der Kläger bezog bei der F. Energie GmbH ein monatliches festes Arbeitsentgelt in Höhe von 4.166,66 € brutto nebst einem monatlichen geldwerten Vorteil für das Jobticket in Höhe von 58,39 € sowie von der F. Enterprises Limited einen als Bonus bezeichneten weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 2.500,00. Zuzüglich der Karenzentschädigung in Höhe von 10.009,56 € errechnen sich Einkünfte in Höhe von 16.734,61 €, also ein Wert der erneut unterhalb der Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB in Höhe von 16.939,26 € liegt.
170II.Der Zinsanspruch folgt aus § 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Karenzentschädigung war zwar jeweils monatlich nachschüssig fällig. Der Kläger hat - wie bereits unter Ziffer 1) dargelegt, seine Auskunftsansprüche zunächst nicht ordnungsgemäß erfüllt. Erst durch die umfangreiche Auskunftserteilung und Übermittlung von Unterlagen im Kammertermin am 13.01.2015 ist der Kläger seiner Verpflichtung nachgekommen. Die Beklagte hat sich - wie dargestellt - auch wirksam auf ihr Zurückbehaltungsrecht berufen.
171Erst am 13.01.2015 ist die Auskunft umfassend erteilt und das bestehende Zurückbehaltungsrecht beendet worden. Erst danach war die Beklagte zur Zahlung der Karenzentschädigung an den Kläger verpflichtet.
172Da es sich bei der Beendigung des Zurückbehaltungsrechtes um ein Ereignis nach § 187 Abs. 1 BGB handelt, bei dem der Ereignistag nicht mitgerechnet wird, war die Zinszahlung ab dem Folgetag, dem 14.01.2015 auszuurteilen.
173III.Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung eines von der T. Telemedicin ausgestellten Referenzschreibens auf Englisch und Hebräisch.
174Darauf hat das Arbeitsgericht ebenfalls bereits zutreffend hingewiesen. Die erkennende Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Kläger hat zweitinstanzlich zur Verpflichtung der Beklagten keine Tatsachen vorgetragen, die Anlass zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geben. Insoweit meint der Kläger lediglich, dass Anspruchsgegnerin die Beklagte sei, weil sie sich in Ziffer 7 des gerichtlichen Vergleiches zur Erstellung nicht nur des Zeugnisses, sondern auch des Referenzschreibens verpflichtet habe. Diese Konstruktion sei gerade deshalb gewählt worden, weil die Muttergesellschaft nicht Partei der Vereinbarung gewesen sei. Damit verkennt der Kläger allerdings den Inhalt der getroffenen Vereinbarung.
175a)Grundsätzlich sind Verträge gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 25.04.2013 - 8 AZR 453/12, juris; BAG v. 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, DB 2009, 1939; BAG v. 17.01.2008 - 2 AZR 902/06, NZA 2008, 872; BAG v. 13.12.2006 - 10 AZR 787/05, NZA 2007, 408; BAG v. 20.09.2006 - 10 AZR 770/05, AP Nr. 41 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Die Auslegung hat trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbotes der Buchstabeninterpretation vom Wortlaut auszugehen. Maßgebend ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch. Nach der Ermittlung des Wortsinns sind in einem zweiten Schritt die Begleitumstände heranzuziehen, insbesondere die Entstehungsgeschichte sowie die Äußerungen der Parteien sowie Interessenlage und Zweck. Geboten ist eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 02.07.2009 - 3 AZR 501/07, DB 2009, 1939; BAG v. 13.11.2007 - 3 AZR 636/06, AP Nr. 50 zu § 1 BetrAVG; BGH v. 13.07.2007 - IV ZR 330/05, NJW 2007, 2320; Palandt-Heinrichs, § 133 BGB Rdnr.14 ff; MüKo/Bussche, § 133 Rz. 60).
176Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen also nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG v. 24.09.2014 - 5 AZR 611/12, juris; BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 11.07.2007 - 7 AZR 501/06 - juris, Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG v. 24.09.2014 - 5 AZR 611/12, juris; BAG v. 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 - juris, Rn. 14).
177Der Inhalt von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB objektiv unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nach der Sicht des Empfängers zu bestimmen. Das gilt auch für die Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt (BAG v. 22.07.2014 - 9 AZR 1066/12, juris; BAG v. 09.07.2003 - 10 AZR 564/02, juris; BAG v. 09.11.1999 - 9 AZR 922/98, juris). Das Gericht muss die von den Parteien für und gegen die Auslegung geltend gemachten Umstände abwägen. Im Urteil ist nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht zu seinem Ergebnis gelangt ist. Der in der auszulegenden Erklärung oder in dem auszulegenden Verhalten verkörperte rechtlich maßgebliche Wille ist zu ermitteln. Lässt sich dabei ein übereinstimmender Wille der Parteien feststellen, so ist dieser allein maßgeblich, auch wenn er in einer Vereinbarung nur einen unvollkommenen oder gar keinen Ausdruck gefunden hat. Das übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor dem insoweit falsch oder nicht ausdrücklich Erklärten. Kann eine solche Feststellung nicht getroffen werden, so sind die jeweiligen Erklärungen oder das Verhalten der Vertragsparteien jeweils aus der Sicht des Erklärungsempfängers so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Bei dieser Auslegung sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen. Hierzu gehören vornehmlich die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss, ihre Interessen und der Zweck einer Abmachung (BAG v. 09.07.2003 - 10 AZR 564/02, juris).
178b)Auf dieser Grundlage ist nicht ersichtlich, dass für die Beklagte in der Vereinbarung vom 09.03.2012 hinsichtlich des Referenzschreibens eine eigene einklagbare Verpflichtung begründet worden ist. Im Eingangssatz von Ziffer 7 des Vergleiches ist zunächst eine ausdrückliche Verpflichtung der Beklagten hinsichtlich des Zeugnisses begründet worden. Denn dort findet sich die Formulierung: "Die Beklagte erteilt dem Kläger ein Zwischen- und Abschlusszeugnis …". Der Begriff "erteilen" zielt auf eine eigene Pflicht. Demgegenüber erfolgt nach dem durch "und" abgetrennten weiteren Hauptsatz eine eigene prädikative Weiterung. Denn statt "erteilt" enthält dieser Hauptsatz die Formulierung, dass die Beklagte "Sorge dafür tragen" wird, dass ein Empfehlungsschreiben erteilt werde. Die Einschränkung ist also gerade bei dem Wort "erteilt" zu sehen, weil die Beklagte nicht die "Erteilung" übernommen hat, sondern nur, dafür Sorge zu tragen, dass ein Dritter - hier die Gesellschafterin - ein entsprechendes Empfehlungsschreiben erteilt. Die Verpflichtung der Beklagten umfasste also nicht die Erteilung, die ihr - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - schon rechtlich unmöglich wäre. Gerade weil die rechtliche Konstruktion von den Parteien erkannt worden ist, ist ein "weniger" als Verpflichtung begründet worden. Die Beklagte soll lediglich "Sorge tragen". Dies ist gleichbedeutend mit "sich um etwas kümmern, veranlassen". Genau darin liegt der entscheidende Unterschied zur eigenen Verpflichtung. Erkennbar für den Kläger konnte die Beklagte das Schreiben nicht erstellen. Sie sollte deshalb bei der Beklagten veranlassen, dass ein entsprechendes Schreiben erteilt wird. Dies begründet keine eigene Verpflichtung, sondern ein Herantreten an die Muttergesellschaft mit der Bitte, das Schreiben zu erteilen. Dass die Beklagte dies nicht erfüllt hat, ist zu einen nicht ersichtlich, zum anderen auch gar nicht Streitgegenstand. Eine eigene Verpflichtung das Schreiben erstellen ist jedenfalls nicht begründet worden.
179II.
180Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 525, 92 ZPO. Danach sind die Kosten bei teilweisem Erfolg eines Rechtsmittels grundsätzlich nach dem Anteil des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen.
181III.
182Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision an das Bundesarbeitsgericht liegen vor. Die Kammer ist der Auffassung, dass dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies betrifft die Frage der Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung sowie der Umfang der Auskunftspflichten des Arbeitnehmers auf Grundlage des § 74 c Abs. 2 HGB. Damit besteht der Revisionsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
183RECHTSMITTELBELEHRUNG
184Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien
185R E V I S I O N
186eingelegt werden.
187Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
188Bundesarbeitsgericht
189Hugo-Preuß-Platz 1
19099084 Erfurt
191Fax: 0361-2636 2000
192eingelegt werden.
193Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
194Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1951.Rechtsanwälte,
1962.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1973.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
198In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
199Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
200Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
201* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
202Dr. UlrichMülleneisenIffländer
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 21. Sept. 2015 - 9 Sa 152/15 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).
(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.
(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.
(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.
(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.
(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.
(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.
(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Tenor
-
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
-
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
-
Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
- 3
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
- 4
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
- 5
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
- 6
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
- 7
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
- 8
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
- 9
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
- 25
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
- 27
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.
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Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte und gezahlte Ablöseentschädigung zurückzuzahlen.
- 2
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Der am 23. Januar 1991 in H geborene Kläger trat am 1. Juli 2005 dem beklagten Verein bei, um dort seine Laufbahn als Fußballspieler zu beginnen. Die Parteien schlossen unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers am 12. März 2006 einen Vertragsspielervertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Beklagten den Fußballsport als Nichtamateur ohne Lizenz iSd. §§ 22 bis 27 der DFB-Spielordnung auszuüben. Der Vertrag wurde befristet für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2010 ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen. Darüber hinaus wurde dem Beklagten eine Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug anfangs 150,00 Euro, ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 250,00 Euro.
- 3
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Der Kläger wohnte in einem Internat in R und wurde dort schulisch unterrichtet. Dafür waren monatliche Schulkosten in Höhe von 170,00 Euro zu zahlen. Neben dem Schulbesuch absolvierte er ein Trainings- und Ausbildungsprogramm und wurde von dem Beklagten in der Juniorenbundesliga eingesetzt. Er wurde zweimal in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen.
- 4
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juni 2008 kündigte der Kläger den Vertragsspielervertrag mit sofortiger Wirkung und erklärte gleichzeitig dessen Anfechtung. Zur Begründung der Kündigung gab er an, dem psychischen Druck nicht länger gewachsen zu sein, der sich aus dem Internatsaufenthalt einerseits, der finanziellen Situation seiner Eltern andererseits sowie aus der Bewertung seiner Leistung in ständiger Gegenüberstellung zu dem Mitspieler K ergebe. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 3. Juli 2008 sowohl die fristlose Kündigung als auch die Anfechtung zurück, eine psychische Drucksituation bestehe nicht. Eine Freigabe werde der Verein nicht oder nur gegen Zahlung einer Transferentschädigung erteilen.
- 5
-
Die nachfolgenden Verhandlungen führten unter Einbeziehung der Eltern des Klägers und mit anwaltlicher Beratung beider Seiten am 18. August 2008 zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua.:
-
„Präambel
Die Parteien verbindet ein Spielervertrag vom 12.03.2006, mit dem sich der Spieler verpflichtete, bis zum 30.06.2010 als Vertragsspieler den Fußballsport für den H auszuüben.
Der Spieler hat mit Schreiben vom 26.06.2008 die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen sowie die Anfechtung des Vertrages erklärt. Der H vertritt die Auffassung ein Kündigungs- und/oder Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er hält an der Erfüllung des Vertrages fest.
Der Spieler wünscht nach wie vor den Spielervertrag vom 12.03.2006 aufzuheben, um zu einem anderen Verein wechseln zu können.
§ 1 Gegenstand des Vertrages
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung des Spielers vom 26.06.2006 keinerlei Wirkung entfaltet und ebenfalls ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Die Parteien sind folglich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis durch den Spieler nicht beendet wurde.
Die Parteien sind sich nunmehr jedoch einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis am 19.08.2008 enden wird.
§ 2 Entschädigung
1.
Der Spieler verpflichtet sich, für die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro (vierzigtausend) an den H zu zahlen. …
2.
Der Spieler verpflichtet sich ferner, an den H einen weiteren Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen, für den Fall, dass der Spieler bis zum 30.06.2011 den Status eines Lizenzspielers/Profi - unabhängig von Verein, Liga oder Verband - erwirbt. …
3.
Unabhängig von der Entschädigungszahlung des Spielers gemäß der Ziffern 1. und 2. ist vom Drittverein die Ausbildungsentschädigung und der Solidaritätsbeitrag zu zahlen.
§ 3 Mitwirkungshandlungen/Freigabe
Der H wird nach Zahlungseingang gemäß § 2 Ziff. 1 sämtliche erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornehmen, so dass der Spieler auch zu einem anderen Verein wechseln kann.“
- 6
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Die Entschädigungssumme in Höhe von 40.000,00 Euro hatte der Kläger bereits zuvor am 15. August 2008 an den Beklagten gezahlt. Er wechselte zum Ha, bei dem er ebenfalls als Vertragsspieler eingesetzt wurde.
- 7
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Mit einer am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro vom Beklagten verlangt.
- 8
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Dazu hat er die Auffassung vertreten, die im Aufhebungsvertrag eingegangene Entschädigungsverpflichtung sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Einen Vereinswechsels von der Zahlung einer Transferentschädigung abhängig zu machen, stelle einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, dar. Es verstoße auch gegen die guten Sitten, dass sich ein Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme von Krediten „freikaufen“ müsse. Zudem gebe es nach der DFB-Spielordnung keine Grundlage mehr für eine Ausbildungsentschädigung. Die Aufhebungsvereinbarung sei weiter deshalb nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden. Ziehe man die landessportlichen Fördermittel und Aufwendungen der Eltern ab, so tendierten die Kosten des Beklagten gegen „null“. Zudem besäßen jugendliche Berufsspieler wegen der unsicheren Entwicklung während der Ausbildung keinen wirtschaftlich bestimmbaren „Marktwert“, jedenfalls hätte ein solcher im Falle des Klägers höchstens 10.000,00 Euro betragen.
- 9
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Die vergleichsweise gefundene Regelung zwischen den Parteien hat der Kläger ferner auch nach § 779 BGB für unwirksam gehalten, da bei Vergleichsabschluss die Parteien rechtswidrig den Vertragsspielervertrag für wirksam gehalten hätten. Jedoch habe der Vertragsspielervertrag einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurft, außerdem habe er gegen § 5 JArbSchG verstoßen.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
1.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2010 zu zahlen;
2.
an ihn weitere 3.994,19 Euro zu zahlen.
- 11
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Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die vereinbarte Entschädigung sei nicht sittenwidrig. Sie stelle keine Ausbildungsentschädigung, sondern eine Ablöse dar, wie sie im Fußball üblich sei und die sich nach Leistung, Vertragsdauer und dem Alter des Spielers richte. Der Kläger habe selbst und aus eigener Initiative entschieden, sich „freikaufen“ zu wollen, um zu einem neuen Verein wechseln zu können. Häufig griffen neben dem aufnehmenden Verein auch die Spieler selbst in die eigene Tasche, um die vereinbarte Vertragslaufzeit abzukürzen.
- 12
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Die Ablösesumme sei nicht unangemessen. Im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung habe der Kläger zu den besten Spielern seines Jahrgangs gehört, er sei schon zweimal Jugendnationalspieler gewesen und sei verglichen worden mit Spielern wie K und P. Sein Marktwert habe damals 50.000,00 bis 100.000,00 Euro betragen, in seine Ausbildung habe der Beklagte mindestens 44.172,38 Euro investiert.
- 13
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Die Aufhebungsvereinbarung, das gehe aus ihr selbst hervor, habe schließlich auch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Spielervertrages beenden sollen, was gerade keine unstreitige Grundlage der vergleichsweise gefundenen Lösung gewesen sei.
- 14
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (- 8 AZN 94/12 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er kann die Rückzahlung der von ihm geleisteten Entschädigung nicht verlangen, weil er sie mit Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt hat.
- 16
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien bei seinem Abschluss von der Gültigkeit des Vertragsspielervertrages - abgesehen von dem Streit über das Bestehen des Vertrages aufgrund der Kündigungs- und Anfechtungserklärung des Klägers - ausgegangen seien.
- 17
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Der Aufhebungsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. § 23 BBiG sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die vorzeitige, nicht berechtigte Beendigung eines Ausbildungsvertrages Schadensersatzansprüche des Ausbilders begründen könne. Zudem sei nicht festzustellen, dass die vereinbarte Entschädigungssumme nicht den Aufwendungen entspräche, die der Beklagte hätte machen müssen, um wieder einen halbfertig ausgebildeten jugendlichen Vertragsspieler in seinen Spielerkader einzugliedern.
- 18
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B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger kann nicht die Rückzahlung der 40.000,00 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen, weil er diese Zahlung an den Beklagten mit Rechtsgrund geleistet hat.
- 19
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I. Die Auflösungsvereinbarung ist nicht nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat eine der Parteien behauptet, bei dem Aufhebungsvertrag oder Teilen davon handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass es sich bei der Entschädigungszahlung um eine Vertragsklausel handele, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen, mind. dreimal, vorformuliert hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Initiative zur Vertragsauflösung ging vom Kläger aus; dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Auflösungsvereinbarung entworfen hat, entsprach einem Wunsch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Es handelt sich um eine Individualabrede. Abgesehen davon stellt bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung die Hauptleistung dar (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136 = AP BGB § 307 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53), weswegen keine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stattfände.
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II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die vereinbarte Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000,00 Euro nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 BGB).
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1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung vom 18. August 2008 zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass sich die Parteien auf die Zahlung einer Ablösesumme zur Beendigung des Vertragsspielervertrages geeinigt haben.
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a) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15, Stbg 2009, 331).
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b) Vorliegend handelt es sich um eine atypische, individuelle Willenserklärung, die vom Revisionsgericht nur dahin gehend überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14, Stbg 2009, 331).
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten einen Vergleich iSd. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen.
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a) Zwischen den Parteien bestand Streit über die Frage, ob der Vertragsspielervertrag durch die Kündigung oder Anfechtungserklärung des Klägers beendet worden ist. Diese Rechtsunsicherheit ist durch den Aufhebungsvertrag behoben worden. Bei der Vereinbarung haben beide Parteien wechselseitig nachgegeben. Der Beklagte, der ursprünglich an dem Vertrag festhalten wollte, hat einer Vertragsauflösung zugestimmt. Der Kläger hat eingewilligt, die geforderten 40.000,00 Euro zu zahlen und hat auf der Wirksamkeit seiner Kündigung oder Anfechtung nicht bestanden.
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b) Zutreffend haben das Arbeitsgericht und dieses in Bezug nehmend das Landesarbeitsgericht in der in § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages geregelten „Entschädigung“ der Sache nach eine Ablösesumme gesehen, die für die vorzeitige Beendigung des Vertragsspielervertrages vom Kläger zu zahlen war. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachenrichter festgestellt haben, die vereinbarte Zahlung stelle keinen Ausgleich für entstandene Ausbildungskosten dar, sondern sei die Gegenleistung für die vom Kläger gewünschte vorzeitige Vertragsaufhebung. Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf § 2 Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung durch den Drittverein unabhängig von der durch den Kläger zu zahlenden Entschädigung nach § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat eine Ablösesumme („Vertragsabstandssumme“) festgestellt und der Sache nach nicht darauf abgestellt, welche Kosten dem Beklagten durch die Ausbildung des Klägers entstanden sind, sondern darauf, welchen Betrag der Beklagte zur Erlangung eines adäquaten Ersatzes für den Kläger auf dem Spielermarkt hätte aufwenden müssen.
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3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Form einer Ablösesumme war nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
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a) Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Rechtsprechung sieht ein Rechtsgeschäft dann als sittenwidrig an, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 15, BAGE 118, 66 = AP BGB § 138 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 7; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 2 mwN). Dabei ist eine Gesamtabwägung aller Umstände wie Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts vorzunehmen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Sittenwidrig kann ein Rechtsgeschäft ua. dann sein, wenn es gegen die der Rechtsordnung selbst innewohnenden Werte und Prinzipien verstößt. Über den Wertmaßstab der guten Sitten findet damit auch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem Eingang in das Privatrecht (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 25, BVerfGK 8, 126; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 15, DB 2013, 584; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, aaO; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 4). Eine Vereinbarung kann demnach nichtig sein, wenn sie mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unvereinbar ist.
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b) Es verstieß nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Klägers, dass sich die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung vom 18. August 2008 auf die Zahlung einer „Entschädigung“, dh. einer Ablöse in Höhe von 40.000,00 Euro einigten. Diese Leistung hatte den Zweck, eine bestehende Vertragsbindung zu beenden. Die von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommene Auslegung des § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages ergibt, dass es sich um eine Ablösesumme handelte, die zu zahlen ist, um den Spieler aus einem festen befristeten Vertrag „herauszukaufen“. Trotz bestehender Vertragsbindung wollte der Kläger zu einem neuen Verein wechseln. Daher hatte die vereinbarte Leistung den Zweck, diese bestehende Vertragsbindung zu beenden. Es handelt sich nicht um den Fall, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dadurch verletzt wird, dass in abstrakten Verbandsreglements die Zahlung einer Transferentschädigung vorgesehen ist, die ein Spieler auch nach Auslaufen seines Vertrages bei dem ausbildenden Verein zahlen muss, wenn er sich einen neuen Arbeitgeber suchen will. Solche Regeln, die geeignet sein können, dem Spieler einen Wechsel seines Vereinsarbeitgebers zu erschweren und die dergestalt in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen, wurden vorliegend nicht vereinbart. Vielmehr haben sich die Parteien in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Beklagte als bisheriger Vereinsarbeitgeber der Aufhebung des Spielervertrages mit dem Kläger zustimmt und der Kläger im Gegenzug eine Ablöse zahlt. Dergestalt hat der Kläger gerade von seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, die auch die Wahl des Arbeitgebers umfasst, Gebrauch gemacht und die ihn insoweit hindernde selbst eingegangene vertragliche Bindung an den Beklagten im Einvernehmen mit diesem gegenstandslos gemacht.
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c) Die Vereinbarung steht in Einklang mit den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. So verstieß das Regelwerk des Deutschen Eishockey-Bundes, das die Zahlung einer „Aus- und Weiterbildungsentschädigung“ im Falle eines Vereinswechsels auch bei einer schon erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem abgebenden Verein vorsah, gegen § 138 Abs. 1 BGB iVm. Art. 12 Abs. 1 GG und war nichtig(vgl. BAG 20. November 1996 - 5 AZR 518/95 - zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 12 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 9). Denn in einer solchen Konstellation wird die Berufsausübungsfreiheit des wechselwilligen Spielers beeinträchtigt, wenn der Vereinswechsel von der Zahlung einer finanziellen Entschädigung abhängig gemacht wird. Bei beendetem Arbeitsverhältnis bleibt der Arbeitnehmer arbeitslos, wenn sich kein Verein findet, der sich zur Zahlung der Aus- und Weiterbildungsentschädigung bereit erklärt. Entsprechendes gilt für die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung im Fußballsport (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 305/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 142, 304; entsprechend für die Zahlung einer „Ausbildungsentschädigung“ zwischen den Vereinen: OLG Oldenburg 10. Mai 2005 - 9 U 94/04 - zu II der Gründe, SpuRt 2005, 164; zusammenfassend vgl. Krämer SpuRt 2011, 186 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich wiederholt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei gewünschtem Wechsel zum Verein eines anderen Mitgliedsstaates zu befassen hatte. Auch insoweit handelte es sich stets um Fälle, in denen die Freizügigkeit oder Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Spieler noch nach Ablauf des Vertrages behindert werden sollte. So stand Art. 48 EWG-Vertrag aF von Sportverbänden aufgestellten Regelungen entgegen, denen zufolge ein Berufsfußballer auch nach Ablauf seines Vertrages nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt werden konnte, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zahlte(EuGH 15. Dezember 1995 - C-415/93 - [Bosman] Rn. 92 ff., Slg. 1995, I-4921 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 10 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 8). Ebenso hielt der Gerichtshof eine Bestimmung des französischen Fußballverbandes in seiner französischen Berufsfußballcharta im Ergebnis für unverhältnismäßig, nach der ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung entweder die von dem Verein ausgeübte Vertragsverlängerungsoption zu bedienen oder eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzverpflichtung zu leisten hatte (vgl. EuGH 16. März 2010 - C-325/08 - [Olympique Lyonnais] Rn. 46, Slg. 2010, I-2177).
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4. Der Aufhebungsvertrag und die mit ihm vereinbarte Ablösesumme verstößt auch nicht deswegen gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB, weil er auf einer überlangen Befristungsdauer des Spielervertrages basiert.
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Der Kläger ist die vierjährige, maximal fünfjährige Vertragsbindung freiwillig und in Ausübung seiner Vertragsfreiheit eingegangen, er muss sich nunmehr daran festhalten lassen. Im Spielervertrag hatte er sich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2010 verpflichtet, also einen befristeten Vertrag über vier Jahre abgeschlossen. Der Beklagte hatte sich die einseitige Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 vorbehalten. Die maximale Bindungsdauer betrug fünf Jahre. Dies hält sich im Rahmen von § 15 Abs. 4 TzBfG(oder von § 624 BGB für freie Dienstverhältnisse). Danach kann ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit oder auf längere Zeit als fünf Jahre eingegangen werden, allerdings sichert der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu. Nach einer längeren Bindung als fünf Jahre wird der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Freiheit übermäßig beschränkt (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 69, 171 = AP BGB § 624 Nr. 2 = EzA BGB § 624 Nr. 1). Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Art. 12 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 3 der Gründe, BAGE 84, 255 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 37 = EzA GG Art. 12 Nr. 29; iE auch BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B I 2 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14; KR/Lipke 10. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 24; Kelber NZA 2001, 11, 13; Oberthür Das Transfersystem im Lizenzfußball S. 86). Bei typisierender Betrachtungsweise von § 15 Abs. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber, dem auf dem Gebiet der Vertragsfreiheit ein weiter Spielraum zusteht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen gefunden(zu § 624 BGB vgl. BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, aaO).
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Die Alternative des Beklagten wäre es gewesen, den Kläger an der - rechtmäßig vereinbarten - Vertragsdauer bis zu fünf Jahren festzuhalten. Wenn er dann im Verhandlungswege die Zahlung einer Ablösesumme anbietet, kann dies nicht als sittenwidrig angesehen werden. Es entspricht der hM in Rechtsprechung und Schrifttum, dass es nach wie vor zulässig ist, einen Spieler aus einem befristeten Vertrag durch eine Einzelfallvereinbarung „herauszukaufen“ (vgl. LAG Köln 20. November 1998 - 11 Sa 125/98 - LAGE BGB § 611 Berufssport Nr. 11; OLG Düsseldorf 20. Februar 2001 - 4 U 63/00 - NJW-RR 2001, 1633; Kelber NZA 2001, 11, 14; MüArbR/Giesen 3. Aufl. Bd. 2 § 337 Rn. 38; NK-BGB/Looschelders 2. Aufl. § 138 Rn. 307; Jungheim RdA 2008, 222, 224; Trommer Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“ im Vergleich zu den Mechanismen im bezahlten amerikanischen Sport S. 90; Oberthür Das Transfersystem im Lizensfußball S. 186; Hilf/Pache NJW 1996, 1169, 1175).
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5. Die Vereinbarung einer Ablösesumme in Höhe von 40.000,00 Euro war nicht unter dem Gesichtspunkt des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB, nichtig.
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a) Im Falle eines Vergleichs iSv. § 779 BGB kommt es weniger auf die wahre Ausgangslage im Sinne einer objektiven Bewertung der von beiden Seiten übernommenen Leistungen an als auf die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Entscheidend ist, inwieweit sie zur Streitbereinigung wechselseitig nachgegeben haben (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; 30. Juli 1985 - 3 AZR 401/83 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 2. Juli 1999 - V ZR 135/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 3113; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 66; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 113). Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies zudem vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat (BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 35, NJW 2012, 2099). Die Parteien tragen in so einem Fall regelmäßig jeweils selbst das Risiko der Angemessenheit der vergleichsweise versprochenen Leistung (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. § 779 Rn. 12).
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b) Bei einem Vergleich, bei dem sich die Parteien auf eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags einigen, sind weitere Besonderheiten zu beachten. So mag es für den Spieler wirtschaftlich durchaus interessant sein, eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme selbst zu erbringen, weil er ein besonders lukratives Vertragsangebot bei einem neuen Verein besitzt, bei dessen Annahme die Höhe der Entschädigung in der Gesamtschau letztlich nicht mehr ins Gewicht fällt. Aus Sicht des Vereins mag es eine Rolle spielen, ob für den wechselwilligen Spieler derzeit überhaupt ein Ersatzspieler verpflichtet werden kann, ob dem wechselwilligen Spieler in der Mannschaft eine Schlüsselrolle zukam usw. Dies alles sind Umstände, die eine objektive Bewertung einer Ablösesumme erschweren (vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 35, BVerfGK 8, 126). Es gilt hier nichts anderes als bei einem Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess, bei dem im Nachhinein der Arbeitgeber grundsätzlich nicht geltend machen kann, die gezahlte Abfindung sei überhöht gewesen. Wie sich der Arbeitgeber bei einem Abfindungsvergleich durch die Zahlung der Abfindung Planungs- und Rechtssicherheit erkauft und hierfür den „gerechten Preis“ selbst bestimmt (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2), gilt dies auch in dem umgekehrten Fall für die Festsetzung der Höhe einer Ablösesumme. Bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs nehmen die Parteien typischerweise in Kauf, dass der Wert ihrer jeweils versprochenen Gegenleistung nicht deren tatsächlichem und objektivem Wert entspricht. Die Höhe der Abfindung ist letztlich stets eine gegriffene Größe. Der Grundsatz der Vertragstreue gebietet es in diesen Fällen, dass sich die Parteien trotz eines möglicherweise „schlechten Geschäfts“ an der Vereinbarung festhalten lassen müssen. Ist der Wortlaut bei einem Abfindungsvergleich eindeutig, so kommt grundsätzlich weder eine Nachforderung noch eine spätere Rückforderung der Leistung in Betracht (so zutreffend Fischer in BeckOK BGB Stand 1. Februar 2013 § 779 Rn. 31).
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c) Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist im gegenseitigen Nachgeben bei Abschluss des Vergleichs nicht zulasten des Klägers festzustellen. Auch wenn man zugrunde legt, dass der Kläger einen objektiv feststellbaren Marktwert gehabt hat und die Parteien bei Vertragsabschluss von unterschiedlichen Vorstellungen ausgegangen sind - der Kläger von einem Marktwert von null bis 10.000,00 Euro, der Beklagte von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro -, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Wenn sich der Beklagte von einem jungen, unstreitig talentierten Spieler, der bereits in die Jugendnationalmannschaft berufen worden war und deshalb für den Verein in der Zukunft noch von Bedeutung hätte sein können, nur gegen einen Betrag von 40.000,00 Euro trennen wollte, verstößt dies nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Der Beklagte, der dem wechselwilligen Kläger letztlich entgegengekommen ist, schätzte den objektiven Marktwert des Klägers noch viel höher ein. Eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Vertragsabschluss ist nicht festzustellen.
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d) Auch eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung aller weiteren Umstände führt nicht zu einer Beurteilung der Aufhebungsvereinbarung als sittenwidrig.
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Der Beklagte hat seine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit oder die schwächere Lage des Klägers nicht ausgenutzt. Zwar war der Kläger bei Vergleichsabschluss am 18. August 2008 noch minderjährig. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Bejahung des Merkmals der Unerfahrenheit oder intellektuellen Unterlegenheit. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre bei dem Beklagten Vertragsspieler, versuchte eine Wechselmöglichkeit zu einem größeren Verein wahrzunehmen, war bei Abschluss des Vergleichs über 17 Jahre alt und schloss die Vereinbarung mit anwaltlicher Beratung und Hinzuziehung der Eltern. Er kündigte den Spielervertrag fristlos und focht ihn an, wobei er die „psychische Drucksituation“ nicht schlüssig mit Tatsachen untersetzt hat. Der Aufenthalt in einem Internat, der im sportlichen Bereich selbstverständliche Vergleich mit dem Mitspieler K oder der Wunsch des Klägers, den Verein zu wechseln, begründen auch in der Zusammenschau ohne nähere Substanziierung keine „Zwangslage“. Zudem könnte zu einer Vertragsaufhebung weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gezwungen werden (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2).
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III. Als Vergleich ist der Aufhebungsvertrag vom 18. August 2008 nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.
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1. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleiches nach § 779 Abs. 1 BGB ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ein Sachverhalt ist dann als feststehend zugrunde gelegt, wenn er den Beteiligten nicht oder nicht mehr ungewiss ist und von ihnen als wesentliche Voraussetzung der Streitbeilegung betrachtet wird (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - Rn. 14, MDR 2008, 399). Ein etwaiger Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig und ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Ebenso wenig hat ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - aaO).
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2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend zugrunde gelegt, dass der Vertragsspielervertrag vom 12. März 2006 wirksam sei. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus den rechtlichen Argumenten, die der damalige Bevollmächtigte des Klägers im Kündigungs- und Anfechtungsschreiben vom 26. Juni 2008 anführte, geschlossen, der Kläger stelle den Vertrag von Anfang an infrage. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte § 9 des Spielervertrages für „sittenwidrig“ gehalten und beanstandet, dass der Urlaub nicht geregelt wurde.
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Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist teils unbegründet, teils unzulässig.
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a) Das Berufungsgericht hat keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Auch die Revision räumt ein, dass die Parteien in der Berufungsinstanz darüber gestritten haben, ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrages übereinstimmend davon ausgingen, der Vertragsspielervertrag sei wirksam. Daher konnte es nicht überraschend sein, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht als unstreitig ansah. Die Bewertung, ob eine Tatsache streitig oder unstreitig ist, steht nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter zu. Das Berufungsgericht hat zur Begründung das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Juni 2008 herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass es dabei gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hätte.
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b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ist unzulässig.
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Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt. Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen können. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - nach Seitenzahl. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 666/05 - Rn. 26, AP ZPO § 551 Nr. 64 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 5).
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Die Revision führt indes nicht aus, was die Zeugen (Zeugnis der Eheleute B) voraussichtlich ausgesagt hätten noch, dass diese überhaupt etwas zu der Streitfrage der subjektiven Vorstellungen der Parteien bei Vergleichsabschluss hätten aussagen können.
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IV. Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 12. März 2006 unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossenen Vertragsspielervertrages.
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1. Die Eltern brauchten bei ihrer Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft nicht die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB. Nur der Vormund bedarf nach § 1822 Nr. 7 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Mündel bei Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll. Für die Eltern gilt dies nicht (Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1643 Rn. 1 und § 1822 Rn. 14; Schlachter FamRZ 2006, 155, 156 f.; Staudinger/Engler [2004] § 1822 Rn. 84; Erman/S. C. Saar BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 23; NK-BGB/Fritsche 2. Aufl. § 1822 Rn. 26; OLG Köln 22. September 2000 - 6 U 19/96 - ZUM 2001, 166; aA MüKoBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1822 Rn. 40; Fomferek NJW 2004, 410 ff.; Soergel/Zimmermann 13. Aufl. § 1822 Rn. 31).
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2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht war der Vertragsspielervertrag auch nicht nach § 134 BGB iVm. § 5 JArbSchG unwirksam.
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a) Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 15 Jahre alt. Er war damit Jugendlicher iSv. § 2 Abs. 2 JArbSchG. Dieses Gesetz gilt für sämtliche Arten von Beschäftigungen, unabhängig von einem Arbeitnehmerstatus (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 3 JArbSchG auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 SchulG MV in der Fassung vom 13. Februar 2006 betrug die Vollzeitschulpflicht in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2008 neun Schuljahre. Daher endete die Vollzeitschulpflicht des Klägers mit Erreichen der 10. Klasse zum Schuljahr 2006/2007.
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b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit nur leichten und für Kinder geeigneten Arbeiten iSv. § 5 Abs. 3 JArbSchG beschäftigt wurde. Denn jedenfalls würde ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu keiner Unwirksamkeit des Vertragsspielervertrages führen. Der Kläger hatte bei Vergleichsabschluss die Altersgrenze überschritten (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 12; HWK/Tillmanns 5. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 2). Der Schutzzweck des JArbSchG, Kinder vor einer nicht entwicklungsgerechten Arbeit und vor Ausbeutung zu schützen, greift nicht ein, wenn der Beschäftigte mittlerweile den Status eines Jugendlichen hat, für den andere Beschäftigungsbegrenzungen gelten. Das Beschäftigungsverbot soll den Minderjährigen nur schützen, nicht aber zum Verlust eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen, das mittlerweile zulässig ist (HWK/Tillmanns aaO).
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V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Hauck
Böck
Breinlinger
Burr
N. Reiners
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Umfang der auf Nichtzulassungsbeschwerde teilweise zugelassenen Revision noch um der Höhe nach unstreitigen Mietzins zuzüglich Nebenkosten für die Monate Juli, August und September 2002. Mit schriftlichem Vertrag vom 22. Februar 1994 vermietete der Kläger der Beklagten Gewerberäume im ersten und zweiten Obergeschoß seines Hauses. Nach den Bestimmungen des Vertrages konnten die Parteien das Mietverhältnis frühestens zum 31. März 2002 kündigen. Mit Nachtragsvertrag vom 5. Februar/26. März 1998 wurde der Mietvertrag mit Wirkung ab 1. Mai 1998 um das Erdgeschoß erweitert und ein neuer, gestaffelter Mietzins vereinbart. Ferner wurde die 1994 schriftlich vereinbarte Nebenkostenvorauszahlung von monatlich 2.000 DM durch mündliche Nebenabrede auf 1.200 DM herabgesetzt.Die Nachtragsvereinbarung ist in einem vom Geschäftsführer der Beklagten unterschriebenen und mit deren Briefkopf versehenen Schreiben an den Kläger enthalten, das mit "Mietverhältnis M. Straße 5 ab 01.05.1998“ überschrieben ist und auszugsweise folgendem Wortlaut enthält: "Sehr geehrter Herr R. , nachdem wir bis heute von Ihnen keinen neuen, respektierlich geänderten Mietvertrag erhalten haben, erlauben wir uns die mündlich getroffenen Vereinbarungen schriftlich zu bestätigen. Der bestehende Mietvertrag vom 22.02.1994 wird gemäß der mündlichen Vereinbarung zwischen Ihnen, Herr R. , und unserem Herrn Ra. ab 01.05.1998 auf Grund der Hinzunahme der erdgeschossigen Fläche (Fitness -Studio) neu gefaßt. Die Eckdaten für den Mietzins betragen ab 01.05.1998 bis zum 30.04.2000 16.164 DM zuzüglich MWSt. und vom 01.05.2000 bis zum 31.03.2002 17.100 DM zuzüglich MWSt. Nach diesem Zeitraum ist die Miete einvernehmlich neu auszuhandeln und festzuschreiben. Die Nebenkostenregelung entspricht den bisherigen Mietvertragsregelungen. Die zusätzliche Erdgeschoßmietfläche wird im vorhandenen baulichen Zustand, jedoch in renovierter Form übernommen und nach Beendigung des Mietverhältnisses in dem Zustand zurückgegeben wie sie sich dann jeweils befindet. Rückbaumaßnahmen auf den heutigen Zustand sind somit nicht geschuldet.
… Mit freundlichen Grüßen.“ Unterhalb der Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten befindet sich der unstreitig in dessen Gegenwart vom Kläger handschriftlich gefertigte und unterschriebene Zusatz "A. 26.3.98 Akzeptiert mit Gegenzeichnung“. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30. Dezember 1999 zum 30. Juni 2000, räumte das Mietobjekt im April oder Mai 2000 und zahlt seit Juni 2000 keine Miete mehr. Sie beruft sich darauf, das Mietverhältnis habe am 30. Juni 2000 geendet , weil der Nachtragsvertrag nicht die Schriftform des § 566 BGB a.F. wahre und sie daher zur vorzeitigen Kündigung berechtigt gewesen sei. Hilfsweise rechnet sie mit einem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von 30.329,41 DM auf. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Auf Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Revision teilweise, nämlich hinsichtlich des Zahlungszeitraums Juli bis September 2000, zugelassen. Im Umfang der Zulassung erstrebt die Beklagte mit ihrer Revision nach wie vor Klagabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision hat keinen Erfolg. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hat das Berufungsgericht die Vereinbarung einer festen Laufzeit des Mietvertrages bis zum 31. März 2002 für wirksam gehalten. Es hat deshalb die von der Beklagten zum 30. Juni 2000 erklärte Kündigung als unwirksam angesehen, dem Kläger den geltend gemachten Mietzins einschließlich Nebenkosten für den weiteren Zeitraum bis einschließlich September 2000 zugesprochen und die Hilfsaufrechnung mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Kaution nicht durchgreifen lassen, da dieser Anspruch mangels Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht fällig sei. Das hält der rechtlichen Prüfung und insbesondere der Sachrüge der Revision stand, die Kündigung sei gemäß § 566 Satz 2 BGB a.F. wirksam, weil der Nachtragsvertrag nicht der Schriftform entsprochen habe.II.
Der Wahrung der Schriftform steht nicht entgegen, daß die Nachtragsvereinbarung in einem Schreiben der Beklagten an den Kläger niedergelegt ist, auf das der Kläger - unterhalb der Unterschrift der Beklagten - eine mit seiner Unterschrift versehene Einverständniserklärung gesetzt hat. 1. Für die Frage des wirksamen Abschlusses der Nachtragsvereinbarung kommt es nicht darauf an, ob die Parteien sich über die in dem Schreiben der Beklagten vom 5. Februar 1998 niedergelegten Punkte erst im Zeitpunktseiner Gegenzeichnung (26. März 1998) einig wurden oder schon zuvor mündlich geeinigt hatten. Jedenfalls hatten sie nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts spätestens bei Gegenzeichnung des Schreibens Einigkeit erzielt und die Änderungsver einbarung damit abgeschlossen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob dieses Schriftstück die in § 566 Satz 1 BGB a.F. vorgeschriebene Schriftform wahrt. Auch insoweit kommt es aber nicht darauf an, ob die mündliche Vereinbarung bereits vor Gegenzeichnung zustandegekommen war. Wenn das Schriftstück der vorgeschriebenen Form entsprach, hat es nämlich einen durch mündliche Nachtragsvereinbarung zwischenzeitlich entstandenen Mangel der Form rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung geheilt. Denn die Parteien können die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen (Nachtrags-) Vertrages jederzeit nachholen; der Vertrag gilt dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen (vgl. Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete 8. Aufl. § 550 Rdn. 9). 2. Ebensowenig kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage an, ob das Schriftstück nach Unterzeichnung durch den Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten übergeben wurde. Für die Wahrung der Schriftform genügt die Anfertigung einer von beiden Parteien unterschriebenen Urkunde, ohne daß es darauf ankommt, in wessen Besitz diese anschließend verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 1999 - XII ZR 55/97 - ZIP 1999, 1311, 1312). Die Aushändigung der gegengezeichneten Urkunde ist hingegen nicht Teil des Formerfordernisses, sondern gegebenenfalls eine Frage des Zustandekommens des Vertrages (ebenso Staudinger /Dilcher BGB 12. Aufl. § 126 Rdn. 16). Diese stellt sich hier aber auch dann
nicht, wenn die Parteien sich erst im Zeitpunkt der Gegenzeichnung über die Nachtragsvereinbarung einig geworden waren. Zwar geht eine empfangsbedürftige , schriftlich verkörperte (Annahme-) Erklärung dem anderen Teil regelmäßig erst zu, wenn das Schriftstück in dessen Herrschaftsbereich gelangt (vgl. RGZ 61, 414). Nach der von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts hatte die Beklagte hier aber konkludent auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet, § 151 Satz 1 BGB, so daß es nicht darauf ankommt, ob die Unterzeichnung durch den Kläger in Gegenwart des Geschäftsführers des Beklagten zugleich als konkludente Annahmeerklärung unter Anwesenden angesehen werden kann. 3. Als nachträgliche Änderung des ursprünglichen, der Schr iftform genügenden Mietvertrages vom 22. Februar 1994 brauchte das Schriftstück vom 5. Februar/26. März 1998 die damals getroffenen Vereinbarungen nicht zu enthalten. Es genügt, daß die Nachtragsvereinbarung - wie hier - die Parteien bezeichnet , hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt, die geänderten Regelungen aufführt und erkennen läßt, daß es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 1992 - XII ZR 175/90 - BGHR BGB § 566 Satz 1 Schriftform 3 und vom 26. Februar 1992 - XII ZR 129/90 - BGHR BGB § 566 Nachtragsvereinbarung 3). Letzteres ergibt sich hier bereits in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise aus der Vereinbarung der "Hinzunahme“ der Erdgeschoßfläche, die nur bedeuten kann, daß das ursprüngliche Mietverhältnis über das erste und zweite Obergeschoß des Hauses mit der Maßgabe der Erweiterung um die Erdgeschoßfläche und der im Hinblick darauf im einzelnen vereinbarten geänderten Konditionen weiterbestehen soll.
4. Der Schriftform dieser Änderungsvereinbarung steht schl ießlich nicht entgegen, daß das Schriftstück zunächst von der Beklagten als Schreiben an den Kläger aufgesetzt worden war und dieser seine Einverständniserklärung nebst Unterschrift daruntersetzte, ohne daß diese "Gegenzeichnung“ des Klägers ihrerseits von der Beklagten nochmals unterschrieben wurde. Zwar reicht ein Briefwechsel, etwa die Übersendung eines Angebots und die Rücksendung einer Annahmeerklärung, zur Wahrung der Schriftform im Sinne des § 566 BGB a.F. nicht aus, weil sich die Willensübereinstimmung der Parteien dann nicht aus einer, sondern erst aus der Zusammenfassung zweier Urkunden ergibt (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 - XII ZR 179/98 - NJW 2001, 221, 223). Hier befinden sich aber die Unterschriften beider Parteien auf ein- und derselben Urkunde.
a) Allerdings hat das Reichsgericht auch in einem solchen Fall die Schriftform als nicht gewahrt angesehen, weil es an der Voraussetzung fehle, daß "die die Willenseinigung der Beteiligten ergebenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen in ihrer Gesamtheit durch die Unterschriften gedeckt werden.“ Das sei nicht der Fall, wenn eine Partei (hier: die Beklagte) "lediglich den Teil der Urkunde, welcher ihre einseitigen Erklärungen enthält, und nur die andere Partei den gesamten Vertragsinhalt unterzeichnet“ (RGZ 105, 60, 62). Dem hat sich das Schrifttum weitgehend angeschlossen (vgl. MünchKomm /Einsele BGB 4. Aufl. § 126 Rdn. 20; Palandt/Heinrichs BGB 63. Aufl. § 126 Rdn. 12; Erman/Palm BGB 11. Aufl. § 126 Rdn. 13; Soergel/Hefermehl BGB 13. Aufl. § 126 Rdn. 19; a.A. Heile in Bub/Treier Handbuch der Geschäftsund Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. II Rdn. 749).
b) Der Senat hat bereits in seinem - auch vom Berufungsgericht herangezogenen - Nichtannahmebeschluß vom 16. Februar 2000 (XII ZR 162/98 NJW-RR 2000, 1108 = ZMR 2000, 589, 590) zu erkennen gegeben, daß er sich dieser Auffassung nicht anzuschließen vermag, dies aber letztlich dahinstehen lassen. Der Auffassung des Reichsgerichts ist - zumindest im Rahmen der durch § 566 Satz 1 BGB a.F. vorgeschriebenen Schriftform - nicht zu folgen. aa) Die strikte Befolgung dieser Auffassung hätte nämlich zur Folge, daß eine unübersehbare Zahl schriftlicher Mietverträge der Form nicht genügen würde. Denn wie jeder Vertrag kommt ein Mietvertrag durch Angebot und Annahme zustande, vgl. § 151 Satz 1 BGB. Häufig haben die Parteien sich noch nicht (mündlich) über alle Einzelheiten des Vertrages, über die sie eine Einigung erzielen wollen, geeinigt und überlassen es einer Partei, etwa dem Vermieter , einen schriftlichen Mietvertrag zu entwerfen. Unterschreibt der Vermieter den Vertragsentwurf und sendet er ihn dem Mieter zur Unterschrift zu, handelt es sich in diesem Stadium lediglich um ein Vertragsangebot. Die Unterschrift des Mieters stellt dann die Annahmeerklärung dar, und zwar unabhängig davon, ob sie mit einem die Annahme bekräftigenden Zusatz (hier: "akzeptiert mit Gegenzeichnung“) versehen ist oder nicht (vgl. Senatsbeschluß vom 16. Februar 2000 aaO. S. 590), weil auch die bloße Unterschrift den gleichen Erklärungsinhalt hat. Befindet sich diese Unterschrift aber wie üblich rechts neben oder gar unter der Unterschrift des Vermieters, deckt dessen Unterschrift aufgrund ihrer räumlichen Anordnung nur sein eigenes Angebot und nicht zugleich die in der Unterschrift des Mieters zu sehende Annahmeerklärung , und zwar um so weniger, als sich zumeist aus der beigefügten Datums-
angabe ergeben wird, daß es sich bei der Unterschrift des Mieters um eine später abgegebene Erklärung handelt. Nach der Auffassung des Reichsgerichts müßte der Vermieter eine solche Urkunde anschließend nochmals unterzeichnen, um die durch § 566 Satz 1 BGB a.F. vorgeschriebene Form zu wahren Dies jedenfalls dann, wenn nicht bereits der oberhalb beider Unterschriften befindliche Text den Hinweis enthält, daß die Parteien die vorliegende Vereinbarung treffen oder getroffen haben oder die andere Partei das Angebot der einen annimmt (vgl. MünchKomm /Förschler BGB 3. Aufl. § 126 Rdn. 12). Juristisch nicht geschulten Vertragsparteien wäre aber nicht zu vermitteln , daß in einem solchen Falle lediglich der Mieter den gesamten Vertrag unterschrieben habe, der Vermieter hingegen lediglich ein Angebot bzw. einen Vertragsentwurf. Auch liefe diese Auffassung dem Bedürfnis zuwider, mit der Schriftform eine Form für Verträge bereitzustellen, die "am ehesten verfügbar ist und von jedermann ohne fachjuristischen Rat eingehalten werden kann“ (vgl. Senatsurteil BGHZ 136, 357, 368). bb) Auch der von § 566 BGB a.F. in erster Linie bezweckte Schutz eines späteren Grundstückserwerbers rechtfertigt diese strenge Auffassung nicht. Die besonderen Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB a.F. sind im Regelfall vor allem deshalb strikt zu beachten, weil ein Mangel der Form nach § 125 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages führt, die Beachtung der Form mithin Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Letzteres gilt für Mietverträge aber gerade nicht; § 566 BGB a.F. sieht für langfristige Mietverträge in Abweichung von der allgemeinen Systematik des bürgerlichen Rechts lediglich die vorzeitige Kündbarkeit des Vertrages vor, ohne dessen Wirksamkeit in Frage zu stellen. Daraus folgt, daß ein späterer Grundstückserwerber auch in Mietverträge eintritt,
die nicht formgerecht geschlossen wurden, mithin auch in nur mündlich geschlossene Mietverträge; er kann sich lediglich aus einer über ein Jahr hinausgehenden langfristigen Bindung vorzeitig lösen. § 566 BGB a.F. verfolgt nicht den Zweck, es einem späteren Grundstückserwerber zu ermöglichen, sich allein anhand der Urkunde Gewißheit über das Zustandekommen oder den Fortbestand eines langfristigen Mietvertrages zwischen dem Veräußerer und dem Mieter zu verschaffen. Denn der Schriftform genügt auch ein Mietvertrag, der vorsieht, daß er erst nach Zustimmung eines Dritten wirksam werden soll; dessen Zustimmung muß aber nicht in dieselbe Urkunde aufgenommen oder gar von beiden Parteien noch einmal unterschrieben werden, da sie formfrei ist und nicht der Form des Hauptgeschäfts bedarf (vgl. Palandt/Heinrichs BGB aaO. § 182 Rdn. 2). Ebenso genügt der Schriftform ein Mietvertrag, der vorsieht, daß er nur im Falle des Eintritts einer Bedingung wirksam werden soll, oder der auf Seiten einer Partei von einem als solchen bezeichneten vollmachtlosen Vertreter unterzeichnet ist. Auch in einem solchen Fall kann der Grundstückserwerber nur anhand außerhalb der Urkunde liegender Umstände ersehen, ob der Mietvertrag durch Eintritt der Bedingung oder durch Genehmigung des vollmachtlos Vertretenen zustande gekommen ist; die Urkunde selbst verschafft ihm lediglich Gewißheit darüber, wie die Vertragsbedingungen lauten, in die er eintritt, sofern denn ein solcher Eintritt nach § 571 Abs. 1 BGB a.F. erfolgt. Desgleichen kann der Grundstückserwerber aus der Urkunde auch nicht ersehen, ob der Mietvertrag etwa von den Parteien vor Umschreibung des Grundstücks (auch mündlich) aufgehoben wurde mit der Folge, daß er in diesen Vertrag nicht eintritt (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 171, 180).
Für die in § 566 Satz 1 BGB a.F. vorgeschriebene Schriftform genügt es daher, wenn ein späterer Grundstückserwerber aus einer einheitlichen Urkunde ersehen kann, in welche langfristigen Vereinbarungen er nach § 571 Abs. 1 BGB a.F. gegebenenfalls eintritt, nämlich dann, wenn diese im Zeitpunkt der Umschreibung des Grundstücks (noch) bestanden. Es ist aber nicht ersichtlich, daß er dies einer Urkunde, die sowohl das unterschriebene Angebot der einen als auch die darunter befindliche unterschriebene (uneingeschränkte) Annahmeerklärung der anderen Partei enthält, weniger zuverlässig entnehmen könnte als einem von beiden Parteien am Ende des Textes unterzeichneten Vertrag (vgl. auch Eckert NZM 2001, 409, 410 zu § 550 BGB n.F.).
c) Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die Unterschriften der Parteien hier die in der Urkunde niedergelegten Abreden decken, die vereinbart sind, sei es durch wechselseitige Unterzeichnung der Urkunde, sei es durch vorausgegangene mündliche Einigung. Der vom Kläger seiner Unterschrift vorangestellte Zusatz "akzeptiert mit Gegenzeichnung“ ist insoweit unschädlich , weil er nichts anderes bedeutet als was auch seine bloße Unterschrift ohne jeden Zusatz bedeutet hätte.
III.
Diesem Ergebnis steht hier auch nicht entgegen, daß die Herabsetzung der Mietnebenkostenvorauszahlung von monatlich 2.000 DM auf 1.200 DM nur mündlich vereinbart wurde und in der Urkunde keinen Niederschlag gefunden hat. Es kann dahinstehen, ob eine solche Vereinbarung - mit dem Berufungsgericht - als eine Nebenabrede angesehen werden kann, die der Schrift-form nicht bedarf, sei es, weil sie (nach Ansicht des Berufungsgerichts) nicht über die Dauer eines Jahres hinauswirke, sei es, weil sie die Essentialia des Vertrages nicht berühre und insbesondere einem potentiellen Grundstückserwerber nicht die Möglichkeit nehme, die für eine Kündigung nach § 544 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Höhe rückständigen Mietzinses (zu dem die Nebenkostenvorauszahlungen nicht gehören) exakt zu berechnen. Das Oberlandesgericht hat die Zurückweisung der Berufung der Beklagten nämlich auch damit begründet, daß es der Beklagten wegen der Besonderheiten des Einzelfalles schon nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf einen etwa vorhandenen Formmangel zu berufen. Ob dies den Angriffen der Revision uneingeschränkt standhalten würde, nämlich auch dann, wenn die Nachtragsurkunde als solche formwidrig wäre, kann dahinstehen. Richtig ist jedenfalls, daß die Beklagte sich insoweit treuwidrig verhält, als sie geltend macht, die Schriftform sei (auch) wegen der nur mündlich vereinbarten Herabsetzung der Nebenkostenvorauszahlung nicht gewahrt. Denn diese Nebenabrede begünstigte allein die Beklagte, für die dies einer zinslosen Teilstundung gleichkam (vgl. BGHZ 65, 49, 55). Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina
(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
- 5
-
Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
- 7
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
- 12
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
- 14
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.
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Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte und gezahlte Ablöseentschädigung zurückzuzahlen.
- 2
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Der am 23. Januar 1991 in H geborene Kläger trat am 1. Juli 2005 dem beklagten Verein bei, um dort seine Laufbahn als Fußballspieler zu beginnen. Die Parteien schlossen unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers am 12. März 2006 einen Vertragsspielervertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Beklagten den Fußballsport als Nichtamateur ohne Lizenz iSd. §§ 22 bis 27 der DFB-Spielordnung auszuüben. Der Vertrag wurde befristet für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2010 ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen. Darüber hinaus wurde dem Beklagten eine Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug anfangs 150,00 Euro, ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 250,00 Euro.
- 3
-
Der Kläger wohnte in einem Internat in R und wurde dort schulisch unterrichtet. Dafür waren monatliche Schulkosten in Höhe von 170,00 Euro zu zahlen. Neben dem Schulbesuch absolvierte er ein Trainings- und Ausbildungsprogramm und wurde von dem Beklagten in der Juniorenbundesliga eingesetzt. Er wurde zweimal in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen.
- 4
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juni 2008 kündigte der Kläger den Vertragsspielervertrag mit sofortiger Wirkung und erklärte gleichzeitig dessen Anfechtung. Zur Begründung der Kündigung gab er an, dem psychischen Druck nicht länger gewachsen zu sein, der sich aus dem Internatsaufenthalt einerseits, der finanziellen Situation seiner Eltern andererseits sowie aus der Bewertung seiner Leistung in ständiger Gegenüberstellung zu dem Mitspieler K ergebe. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 3. Juli 2008 sowohl die fristlose Kündigung als auch die Anfechtung zurück, eine psychische Drucksituation bestehe nicht. Eine Freigabe werde der Verein nicht oder nur gegen Zahlung einer Transferentschädigung erteilen.
- 5
-
Die nachfolgenden Verhandlungen führten unter Einbeziehung der Eltern des Klägers und mit anwaltlicher Beratung beider Seiten am 18. August 2008 zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua.:
-
„Präambel
Die Parteien verbindet ein Spielervertrag vom 12.03.2006, mit dem sich der Spieler verpflichtete, bis zum 30.06.2010 als Vertragsspieler den Fußballsport für den H auszuüben.
Der Spieler hat mit Schreiben vom 26.06.2008 die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen sowie die Anfechtung des Vertrages erklärt. Der H vertritt die Auffassung ein Kündigungs- und/oder Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er hält an der Erfüllung des Vertrages fest.
Der Spieler wünscht nach wie vor den Spielervertrag vom 12.03.2006 aufzuheben, um zu einem anderen Verein wechseln zu können.
§ 1 Gegenstand des Vertrages
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung des Spielers vom 26.06.2006 keinerlei Wirkung entfaltet und ebenfalls ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Die Parteien sind folglich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis durch den Spieler nicht beendet wurde.
Die Parteien sind sich nunmehr jedoch einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis am 19.08.2008 enden wird.
§ 2 Entschädigung
1.
Der Spieler verpflichtet sich, für die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro (vierzigtausend) an den H zu zahlen. …
2.
Der Spieler verpflichtet sich ferner, an den H einen weiteren Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen, für den Fall, dass der Spieler bis zum 30.06.2011 den Status eines Lizenzspielers/Profi - unabhängig von Verein, Liga oder Verband - erwirbt. …
3.
Unabhängig von der Entschädigungszahlung des Spielers gemäß der Ziffern 1. und 2. ist vom Drittverein die Ausbildungsentschädigung und der Solidaritätsbeitrag zu zahlen.
§ 3 Mitwirkungshandlungen/Freigabe
Der H wird nach Zahlungseingang gemäß § 2 Ziff. 1 sämtliche erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornehmen, so dass der Spieler auch zu einem anderen Verein wechseln kann.“
- 6
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Die Entschädigungssumme in Höhe von 40.000,00 Euro hatte der Kläger bereits zuvor am 15. August 2008 an den Beklagten gezahlt. Er wechselte zum Ha, bei dem er ebenfalls als Vertragsspieler eingesetzt wurde.
- 7
-
Mit einer am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro vom Beklagten verlangt.
- 8
-
Dazu hat er die Auffassung vertreten, die im Aufhebungsvertrag eingegangene Entschädigungsverpflichtung sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Einen Vereinswechsels von der Zahlung einer Transferentschädigung abhängig zu machen, stelle einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, dar. Es verstoße auch gegen die guten Sitten, dass sich ein Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme von Krediten „freikaufen“ müsse. Zudem gebe es nach der DFB-Spielordnung keine Grundlage mehr für eine Ausbildungsentschädigung. Die Aufhebungsvereinbarung sei weiter deshalb nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden. Ziehe man die landessportlichen Fördermittel und Aufwendungen der Eltern ab, so tendierten die Kosten des Beklagten gegen „null“. Zudem besäßen jugendliche Berufsspieler wegen der unsicheren Entwicklung während der Ausbildung keinen wirtschaftlich bestimmbaren „Marktwert“, jedenfalls hätte ein solcher im Falle des Klägers höchstens 10.000,00 Euro betragen.
- 9
-
Die vergleichsweise gefundene Regelung zwischen den Parteien hat der Kläger ferner auch nach § 779 BGB für unwirksam gehalten, da bei Vergleichsabschluss die Parteien rechtswidrig den Vertragsspielervertrag für wirksam gehalten hätten. Jedoch habe der Vertragsspielervertrag einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurft, außerdem habe er gegen § 5 JArbSchG verstoßen.
- 10
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
1.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2010 zu zahlen;
2.
an ihn weitere 3.994,19 Euro zu zahlen.
- 11
-
Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die vereinbarte Entschädigung sei nicht sittenwidrig. Sie stelle keine Ausbildungsentschädigung, sondern eine Ablöse dar, wie sie im Fußball üblich sei und die sich nach Leistung, Vertragsdauer und dem Alter des Spielers richte. Der Kläger habe selbst und aus eigener Initiative entschieden, sich „freikaufen“ zu wollen, um zu einem neuen Verein wechseln zu können. Häufig griffen neben dem aufnehmenden Verein auch die Spieler selbst in die eigene Tasche, um die vereinbarte Vertragslaufzeit abzukürzen.
- 12
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Die Ablösesumme sei nicht unangemessen. Im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung habe der Kläger zu den besten Spielern seines Jahrgangs gehört, er sei schon zweimal Jugendnationalspieler gewesen und sei verglichen worden mit Spielern wie K und P. Sein Marktwert habe damals 50.000,00 bis 100.000,00 Euro betragen, in seine Ausbildung habe der Beklagte mindestens 44.172,38 Euro investiert.
- 13
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Die Aufhebungsvereinbarung, das gehe aus ihr selbst hervor, habe schließlich auch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Spielervertrages beenden sollen, was gerade keine unstreitige Grundlage der vergleichsweise gefundenen Lösung gewesen sei.
- 14
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (- 8 AZN 94/12 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er kann die Rückzahlung der von ihm geleisteten Entschädigung nicht verlangen, weil er sie mit Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt hat.
- 16
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien bei seinem Abschluss von der Gültigkeit des Vertragsspielervertrages - abgesehen von dem Streit über das Bestehen des Vertrages aufgrund der Kündigungs- und Anfechtungserklärung des Klägers - ausgegangen seien.
- 17
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Der Aufhebungsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. § 23 BBiG sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die vorzeitige, nicht berechtigte Beendigung eines Ausbildungsvertrages Schadensersatzansprüche des Ausbilders begründen könne. Zudem sei nicht festzustellen, dass die vereinbarte Entschädigungssumme nicht den Aufwendungen entspräche, die der Beklagte hätte machen müssen, um wieder einen halbfertig ausgebildeten jugendlichen Vertragsspieler in seinen Spielerkader einzugliedern.
- 18
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B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger kann nicht die Rückzahlung der 40.000,00 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen, weil er diese Zahlung an den Beklagten mit Rechtsgrund geleistet hat.
- 19
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I. Die Auflösungsvereinbarung ist nicht nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat eine der Parteien behauptet, bei dem Aufhebungsvertrag oder Teilen davon handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass es sich bei der Entschädigungszahlung um eine Vertragsklausel handele, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen, mind. dreimal, vorformuliert hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Initiative zur Vertragsauflösung ging vom Kläger aus; dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Auflösungsvereinbarung entworfen hat, entsprach einem Wunsch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Es handelt sich um eine Individualabrede. Abgesehen davon stellt bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung die Hauptleistung dar (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136 = AP BGB § 307 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53), weswegen keine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stattfände.
- 20
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II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die vereinbarte Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000,00 Euro nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 BGB).
- 21
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1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung vom 18. August 2008 zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass sich die Parteien auf die Zahlung einer Ablösesumme zur Beendigung des Vertragsspielervertrages geeinigt haben.
- 22
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a) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15, Stbg 2009, 331).
- 23
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b) Vorliegend handelt es sich um eine atypische, individuelle Willenserklärung, die vom Revisionsgericht nur dahin gehend überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14, Stbg 2009, 331).
- 24
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten einen Vergleich iSd. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen.
- 25
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a) Zwischen den Parteien bestand Streit über die Frage, ob der Vertragsspielervertrag durch die Kündigung oder Anfechtungserklärung des Klägers beendet worden ist. Diese Rechtsunsicherheit ist durch den Aufhebungsvertrag behoben worden. Bei der Vereinbarung haben beide Parteien wechselseitig nachgegeben. Der Beklagte, der ursprünglich an dem Vertrag festhalten wollte, hat einer Vertragsauflösung zugestimmt. Der Kläger hat eingewilligt, die geforderten 40.000,00 Euro zu zahlen und hat auf der Wirksamkeit seiner Kündigung oder Anfechtung nicht bestanden.
- 26
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b) Zutreffend haben das Arbeitsgericht und dieses in Bezug nehmend das Landesarbeitsgericht in der in § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages geregelten „Entschädigung“ der Sache nach eine Ablösesumme gesehen, die für die vorzeitige Beendigung des Vertragsspielervertrages vom Kläger zu zahlen war. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachenrichter festgestellt haben, die vereinbarte Zahlung stelle keinen Ausgleich für entstandene Ausbildungskosten dar, sondern sei die Gegenleistung für die vom Kläger gewünschte vorzeitige Vertragsaufhebung. Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf § 2 Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung durch den Drittverein unabhängig von der durch den Kläger zu zahlenden Entschädigung nach § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat eine Ablösesumme („Vertragsabstandssumme“) festgestellt und der Sache nach nicht darauf abgestellt, welche Kosten dem Beklagten durch die Ausbildung des Klägers entstanden sind, sondern darauf, welchen Betrag der Beklagte zur Erlangung eines adäquaten Ersatzes für den Kläger auf dem Spielermarkt hätte aufwenden müssen.
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3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Form einer Ablösesumme war nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
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a) Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Rechtsprechung sieht ein Rechtsgeschäft dann als sittenwidrig an, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 15, BAGE 118, 66 = AP BGB § 138 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 7; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 2 mwN). Dabei ist eine Gesamtabwägung aller Umstände wie Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts vorzunehmen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Sittenwidrig kann ein Rechtsgeschäft ua. dann sein, wenn es gegen die der Rechtsordnung selbst innewohnenden Werte und Prinzipien verstößt. Über den Wertmaßstab der guten Sitten findet damit auch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem Eingang in das Privatrecht (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 25, BVerfGK 8, 126; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 15, DB 2013, 584; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, aaO; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 4). Eine Vereinbarung kann demnach nichtig sein, wenn sie mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unvereinbar ist.
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b) Es verstieß nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Klägers, dass sich die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung vom 18. August 2008 auf die Zahlung einer „Entschädigung“, dh. einer Ablöse in Höhe von 40.000,00 Euro einigten. Diese Leistung hatte den Zweck, eine bestehende Vertragsbindung zu beenden. Die von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommene Auslegung des § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages ergibt, dass es sich um eine Ablösesumme handelte, die zu zahlen ist, um den Spieler aus einem festen befristeten Vertrag „herauszukaufen“. Trotz bestehender Vertragsbindung wollte der Kläger zu einem neuen Verein wechseln. Daher hatte die vereinbarte Leistung den Zweck, diese bestehende Vertragsbindung zu beenden. Es handelt sich nicht um den Fall, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dadurch verletzt wird, dass in abstrakten Verbandsreglements die Zahlung einer Transferentschädigung vorgesehen ist, die ein Spieler auch nach Auslaufen seines Vertrages bei dem ausbildenden Verein zahlen muss, wenn er sich einen neuen Arbeitgeber suchen will. Solche Regeln, die geeignet sein können, dem Spieler einen Wechsel seines Vereinsarbeitgebers zu erschweren und die dergestalt in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen, wurden vorliegend nicht vereinbart. Vielmehr haben sich die Parteien in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Beklagte als bisheriger Vereinsarbeitgeber der Aufhebung des Spielervertrages mit dem Kläger zustimmt und der Kläger im Gegenzug eine Ablöse zahlt. Dergestalt hat der Kläger gerade von seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, die auch die Wahl des Arbeitgebers umfasst, Gebrauch gemacht und die ihn insoweit hindernde selbst eingegangene vertragliche Bindung an den Beklagten im Einvernehmen mit diesem gegenstandslos gemacht.
- 30
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c) Die Vereinbarung steht in Einklang mit den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. So verstieß das Regelwerk des Deutschen Eishockey-Bundes, das die Zahlung einer „Aus- und Weiterbildungsentschädigung“ im Falle eines Vereinswechsels auch bei einer schon erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem abgebenden Verein vorsah, gegen § 138 Abs. 1 BGB iVm. Art. 12 Abs. 1 GG und war nichtig(vgl. BAG 20. November 1996 - 5 AZR 518/95 - zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 12 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 9). Denn in einer solchen Konstellation wird die Berufsausübungsfreiheit des wechselwilligen Spielers beeinträchtigt, wenn der Vereinswechsel von der Zahlung einer finanziellen Entschädigung abhängig gemacht wird. Bei beendetem Arbeitsverhältnis bleibt der Arbeitnehmer arbeitslos, wenn sich kein Verein findet, der sich zur Zahlung der Aus- und Weiterbildungsentschädigung bereit erklärt. Entsprechendes gilt für die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung im Fußballsport (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 305/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 142, 304; entsprechend für die Zahlung einer „Ausbildungsentschädigung“ zwischen den Vereinen: OLG Oldenburg 10. Mai 2005 - 9 U 94/04 - zu II der Gründe, SpuRt 2005, 164; zusammenfassend vgl. Krämer SpuRt 2011, 186 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich wiederholt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei gewünschtem Wechsel zum Verein eines anderen Mitgliedsstaates zu befassen hatte. Auch insoweit handelte es sich stets um Fälle, in denen die Freizügigkeit oder Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Spieler noch nach Ablauf des Vertrages behindert werden sollte. So stand Art. 48 EWG-Vertrag aF von Sportverbänden aufgestellten Regelungen entgegen, denen zufolge ein Berufsfußballer auch nach Ablauf seines Vertrages nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt werden konnte, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zahlte(EuGH 15. Dezember 1995 - C-415/93 - [Bosman] Rn. 92 ff., Slg. 1995, I-4921 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 10 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 8). Ebenso hielt der Gerichtshof eine Bestimmung des französischen Fußballverbandes in seiner französischen Berufsfußballcharta im Ergebnis für unverhältnismäßig, nach der ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung entweder die von dem Verein ausgeübte Vertragsverlängerungsoption zu bedienen oder eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzverpflichtung zu leisten hatte (vgl. EuGH 16. März 2010 - C-325/08 - [Olympique Lyonnais] Rn. 46, Slg. 2010, I-2177).
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4. Der Aufhebungsvertrag und die mit ihm vereinbarte Ablösesumme verstößt auch nicht deswegen gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB, weil er auf einer überlangen Befristungsdauer des Spielervertrages basiert.
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Der Kläger ist die vierjährige, maximal fünfjährige Vertragsbindung freiwillig und in Ausübung seiner Vertragsfreiheit eingegangen, er muss sich nunmehr daran festhalten lassen. Im Spielervertrag hatte er sich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2010 verpflichtet, also einen befristeten Vertrag über vier Jahre abgeschlossen. Der Beklagte hatte sich die einseitige Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 vorbehalten. Die maximale Bindungsdauer betrug fünf Jahre. Dies hält sich im Rahmen von § 15 Abs. 4 TzBfG(oder von § 624 BGB für freie Dienstverhältnisse). Danach kann ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit oder auf längere Zeit als fünf Jahre eingegangen werden, allerdings sichert der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu. Nach einer längeren Bindung als fünf Jahre wird der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Freiheit übermäßig beschränkt (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 69, 171 = AP BGB § 624 Nr. 2 = EzA BGB § 624 Nr. 1). Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Art. 12 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 3 der Gründe, BAGE 84, 255 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 37 = EzA GG Art. 12 Nr. 29; iE auch BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B I 2 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14; KR/Lipke 10. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 24; Kelber NZA 2001, 11, 13; Oberthür Das Transfersystem im Lizenzfußball S. 86). Bei typisierender Betrachtungsweise von § 15 Abs. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber, dem auf dem Gebiet der Vertragsfreiheit ein weiter Spielraum zusteht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen gefunden(zu § 624 BGB vgl. BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, aaO).
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Die Alternative des Beklagten wäre es gewesen, den Kläger an der - rechtmäßig vereinbarten - Vertragsdauer bis zu fünf Jahren festzuhalten. Wenn er dann im Verhandlungswege die Zahlung einer Ablösesumme anbietet, kann dies nicht als sittenwidrig angesehen werden. Es entspricht der hM in Rechtsprechung und Schrifttum, dass es nach wie vor zulässig ist, einen Spieler aus einem befristeten Vertrag durch eine Einzelfallvereinbarung „herauszukaufen“ (vgl. LAG Köln 20. November 1998 - 11 Sa 125/98 - LAGE BGB § 611 Berufssport Nr. 11; OLG Düsseldorf 20. Februar 2001 - 4 U 63/00 - NJW-RR 2001, 1633; Kelber NZA 2001, 11, 14; MüArbR/Giesen 3. Aufl. Bd. 2 § 337 Rn. 38; NK-BGB/Looschelders 2. Aufl. § 138 Rn. 307; Jungheim RdA 2008, 222, 224; Trommer Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“ im Vergleich zu den Mechanismen im bezahlten amerikanischen Sport S. 90; Oberthür Das Transfersystem im Lizensfußball S. 186; Hilf/Pache NJW 1996, 1169, 1175).
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5. Die Vereinbarung einer Ablösesumme in Höhe von 40.000,00 Euro war nicht unter dem Gesichtspunkt des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB, nichtig.
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a) Im Falle eines Vergleichs iSv. § 779 BGB kommt es weniger auf die wahre Ausgangslage im Sinne einer objektiven Bewertung der von beiden Seiten übernommenen Leistungen an als auf die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Entscheidend ist, inwieweit sie zur Streitbereinigung wechselseitig nachgegeben haben (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; 30. Juli 1985 - 3 AZR 401/83 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 2. Juli 1999 - V ZR 135/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 3113; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 66; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 113). Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies zudem vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat (BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 35, NJW 2012, 2099). Die Parteien tragen in so einem Fall regelmäßig jeweils selbst das Risiko der Angemessenheit der vergleichsweise versprochenen Leistung (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. § 779 Rn. 12).
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b) Bei einem Vergleich, bei dem sich die Parteien auf eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags einigen, sind weitere Besonderheiten zu beachten. So mag es für den Spieler wirtschaftlich durchaus interessant sein, eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme selbst zu erbringen, weil er ein besonders lukratives Vertragsangebot bei einem neuen Verein besitzt, bei dessen Annahme die Höhe der Entschädigung in der Gesamtschau letztlich nicht mehr ins Gewicht fällt. Aus Sicht des Vereins mag es eine Rolle spielen, ob für den wechselwilligen Spieler derzeit überhaupt ein Ersatzspieler verpflichtet werden kann, ob dem wechselwilligen Spieler in der Mannschaft eine Schlüsselrolle zukam usw. Dies alles sind Umstände, die eine objektive Bewertung einer Ablösesumme erschweren (vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 35, BVerfGK 8, 126). Es gilt hier nichts anderes als bei einem Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess, bei dem im Nachhinein der Arbeitgeber grundsätzlich nicht geltend machen kann, die gezahlte Abfindung sei überhöht gewesen. Wie sich der Arbeitgeber bei einem Abfindungsvergleich durch die Zahlung der Abfindung Planungs- und Rechtssicherheit erkauft und hierfür den „gerechten Preis“ selbst bestimmt (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2), gilt dies auch in dem umgekehrten Fall für die Festsetzung der Höhe einer Ablösesumme. Bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs nehmen die Parteien typischerweise in Kauf, dass der Wert ihrer jeweils versprochenen Gegenleistung nicht deren tatsächlichem und objektivem Wert entspricht. Die Höhe der Abfindung ist letztlich stets eine gegriffene Größe. Der Grundsatz der Vertragstreue gebietet es in diesen Fällen, dass sich die Parteien trotz eines möglicherweise „schlechten Geschäfts“ an der Vereinbarung festhalten lassen müssen. Ist der Wortlaut bei einem Abfindungsvergleich eindeutig, so kommt grundsätzlich weder eine Nachforderung noch eine spätere Rückforderung der Leistung in Betracht (so zutreffend Fischer in BeckOK BGB Stand 1. Februar 2013 § 779 Rn. 31).
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c) Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist im gegenseitigen Nachgeben bei Abschluss des Vergleichs nicht zulasten des Klägers festzustellen. Auch wenn man zugrunde legt, dass der Kläger einen objektiv feststellbaren Marktwert gehabt hat und die Parteien bei Vertragsabschluss von unterschiedlichen Vorstellungen ausgegangen sind - der Kläger von einem Marktwert von null bis 10.000,00 Euro, der Beklagte von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro -, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Wenn sich der Beklagte von einem jungen, unstreitig talentierten Spieler, der bereits in die Jugendnationalmannschaft berufen worden war und deshalb für den Verein in der Zukunft noch von Bedeutung hätte sein können, nur gegen einen Betrag von 40.000,00 Euro trennen wollte, verstößt dies nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Der Beklagte, der dem wechselwilligen Kläger letztlich entgegengekommen ist, schätzte den objektiven Marktwert des Klägers noch viel höher ein. Eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Vertragsabschluss ist nicht festzustellen.
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d) Auch eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung aller weiteren Umstände führt nicht zu einer Beurteilung der Aufhebungsvereinbarung als sittenwidrig.
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Der Beklagte hat seine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit oder die schwächere Lage des Klägers nicht ausgenutzt. Zwar war der Kläger bei Vergleichsabschluss am 18. August 2008 noch minderjährig. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Bejahung des Merkmals der Unerfahrenheit oder intellektuellen Unterlegenheit. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre bei dem Beklagten Vertragsspieler, versuchte eine Wechselmöglichkeit zu einem größeren Verein wahrzunehmen, war bei Abschluss des Vergleichs über 17 Jahre alt und schloss die Vereinbarung mit anwaltlicher Beratung und Hinzuziehung der Eltern. Er kündigte den Spielervertrag fristlos und focht ihn an, wobei er die „psychische Drucksituation“ nicht schlüssig mit Tatsachen untersetzt hat. Der Aufenthalt in einem Internat, der im sportlichen Bereich selbstverständliche Vergleich mit dem Mitspieler K oder der Wunsch des Klägers, den Verein zu wechseln, begründen auch in der Zusammenschau ohne nähere Substanziierung keine „Zwangslage“. Zudem könnte zu einer Vertragsaufhebung weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gezwungen werden (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2).
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III. Als Vergleich ist der Aufhebungsvertrag vom 18. August 2008 nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.
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1. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleiches nach § 779 Abs. 1 BGB ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ein Sachverhalt ist dann als feststehend zugrunde gelegt, wenn er den Beteiligten nicht oder nicht mehr ungewiss ist und von ihnen als wesentliche Voraussetzung der Streitbeilegung betrachtet wird (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - Rn. 14, MDR 2008, 399). Ein etwaiger Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig und ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Ebenso wenig hat ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - aaO).
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2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend zugrunde gelegt, dass der Vertragsspielervertrag vom 12. März 2006 wirksam sei. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus den rechtlichen Argumenten, die der damalige Bevollmächtigte des Klägers im Kündigungs- und Anfechtungsschreiben vom 26. Juni 2008 anführte, geschlossen, der Kläger stelle den Vertrag von Anfang an infrage. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte § 9 des Spielervertrages für „sittenwidrig“ gehalten und beanstandet, dass der Urlaub nicht geregelt wurde.
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Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist teils unbegründet, teils unzulässig.
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a) Das Berufungsgericht hat keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Auch die Revision räumt ein, dass die Parteien in der Berufungsinstanz darüber gestritten haben, ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrages übereinstimmend davon ausgingen, der Vertragsspielervertrag sei wirksam. Daher konnte es nicht überraschend sein, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht als unstreitig ansah. Die Bewertung, ob eine Tatsache streitig oder unstreitig ist, steht nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter zu. Das Berufungsgericht hat zur Begründung das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Juni 2008 herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass es dabei gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hätte.
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b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ist unzulässig.
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Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt. Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen können. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - nach Seitenzahl. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 666/05 - Rn. 26, AP ZPO § 551 Nr. 64 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 5).
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Die Revision führt indes nicht aus, was die Zeugen (Zeugnis der Eheleute B) voraussichtlich ausgesagt hätten noch, dass diese überhaupt etwas zu der Streitfrage der subjektiven Vorstellungen der Parteien bei Vergleichsabschluss hätten aussagen können.
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IV. Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 12. März 2006 unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossenen Vertragsspielervertrages.
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1. Die Eltern brauchten bei ihrer Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft nicht die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB. Nur der Vormund bedarf nach § 1822 Nr. 7 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Mündel bei Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll. Für die Eltern gilt dies nicht (Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1643 Rn. 1 und § 1822 Rn. 14; Schlachter FamRZ 2006, 155, 156 f.; Staudinger/Engler [2004] § 1822 Rn. 84; Erman/S. C. Saar BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 23; NK-BGB/Fritsche 2. Aufl. § 1822 Rn. 26; OLG Köln 22. September 2000 - 6 U 19/96 - ZUM 2001, 166; aA MüKoBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1822 Rn. 40; Fomferek NJW 2004, 410 ff.; Soergel/Zimmermann 13. Aufl. § 1822 Rn. 31).
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2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht war der Vertragsspielervertrag auch nicht nach § 134 BGB iVm. § 5 JArbSchG unwirksam.
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a) Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 15 Jahre alt. Er war damit Jugendlicher iSv. § 2 Abs. 2 JArbSchG. Dieses Gesetz gilt für sämtliche Arten von Beschäftigungen, unabhängig von einem Arbeitnehmerstatus (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 3 JArbSchG auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 SchulG MV in der Fassung vom 13. Februar 2006 betrug die Vollzeitschulpflicht in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2008 neun Schuljahre. Daher endete die Vollzeitschulpflicht des Klägers mit Erreichen der 10. Klasse zum Schuljahr 2006/2007.
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b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit nur leichten und für Kinder geeigneten Arbeiten iSv. § 5 Abs. 3 JArbSchG beschäftigt wurde. Denn jedenfalls würde ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu keiner Unwirksamkeit des Vertragsspielervertrages führen. Der Kläger hatte bei Vergleichsabschluss die Altersgrenze überschritten (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 12; HWK/Tillmanns 5. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 2). Der Schutzzweck des JArbSchG, Kinder vor einer nicht entwicklungsgerechten Arbeit und vor Ausbeutung zu schützen, greift nicht ein, wenn der Beschäftigte mittlerweile den Status eines Jugendlichen hat, für den andere Beschäftigungsbegrenzungen gelten. Das Beschäftigungsverbot soll den Minderjährigen nur schützen, nicht aber zum Verlust eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen, das mittlerweile zulässig ist (HWK/Tillmanns aaO).
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V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
-
Hauck
Böck
Breinlinger
Burr
N. Reiners
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
- 14
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
- 21
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
- 22
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn
- 1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage), - 2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung), - 2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage), - 3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder - 4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners H. E. gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO Befriedigung aus vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerten von vier kapitalbildenden Lebensversicherungen, hilfsweise Schadensersatz.
- 2
- Zur Sicherung von Kreditforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 610.000 DM trat der Schuldner ihr Anfang Dezember 1995 aus zwei bei der V. Lebensversicherungs AG und zwei bei der G. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungsverträgen seine sämtlichen gegenwärtigen und künftige Rechte und Ansprüche für den Todesfall ab.
- 3
- die Für Abtretungserklärungen fand ein Formular der Klägerin Verwendung, das unter der Nr. 1 die Möglichkeit eröffnet, die Abtretung durch Ankreuzen entsprechender Textstellen auf die Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a) und/oder für den Erlebensfall (Nr. 1 b) zu erstrecken. In den vier Abtretungserklärungen ist jeweils angekreuzt, die Abtretung umfasse die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe. Weiter heißt es unter Nr. 1 der Formulare: "Die Abtretung für den Erlebensfall umfaßt auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1."
- 4
- Durchgestrichen ist in den vier Abtretungsurkunden jeweils der nachfolgende Absatz: "3 Entfallen der Steuerbegünstigung Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß durch diese Abtretung die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung (Sonderausgabenabzug für die Prämien, Steuerfreiheit der Zinsen) entfallen kann, §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dem Versicherungsnehmer wird empfohlen , diese Angelegenheit mit einem Berater in Steuerfragen zu besprechen."
- 5
- Im Übrigen heißt es in den Formularen unter anderem: "4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umzuwandeln, die Versiche- rung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im voraus. … 4.4 Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung der unter Nr. 4.1 genannten Rechte durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung der Sparkasse möglich, soweit dadurch Rechte der Sparkasse aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten."
- 6
- Am 2. April 1998 trat der Schuldner aus den beiden bei der V. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen zusätzlich auch sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte auf den Erlebensfall an die Klägerin ab. Alle Abtretungen wurden den beiden Versicherern angezeigt.
- 7
- Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Klägerin die Darlehen, meldete beim Beklagten daraus Forderungen in Höhe von 204.193,53 € an und teilte mit, ihr stehe aus den vorgenannten Abtretungen ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zu.
- 8
- Der Beklagte, der dieses Recht bestreitet und gegen die Abtretungen der Versicherungsleistungen auf den Erlebensfall die Einrede der Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung erhebt, hat die vier Lebensversicherungen gekündigt und deren Rückkaufswerte, insgesamt 92.849,52 €, eingezogen.
- 9
- Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr - hilfsweise im Wege des Schadensersatzes - die eingezogenen Rückkaufswerte auskehren. Unter Abzug von 4% Feststellungskosten und unter Zubilligung von Rechtsanwaltsgebühren für die Kündigungen der Versicherungsverträge fordert die Klägerin die Zahlung von 89.092,62 €.
- 10
- Landgericht Das hat der Klage in Höhe eines Betrages von 89.033,12 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 11
- DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 12
- A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös der eingezogenen Rückkaufswerte noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Abtretung der Todesfallleistungen aus den vier Lebensversicherungen verschaffe der Klägerin kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Soweit sie ihr Begehren daneben auf die Abtretung der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen stütze, stehe dem die Einrede der Anfechtbarkeit aus § 146 Abs. 2 InsO entgegen.
- 13
- I. Die Auslegung der Abtretungserklärungen vom Dezember 1995, insbesondere ein Vergleich der jeweiligen Nummern 4.1 und 4.4 des Formulartextes, ergebe, dass die Abtretungen der Todesfallleistungen nicht die Rechte des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert er- fasst hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien die Abtretung ersichtlich steuerunschädlich hätten gestalten wollen, wie auch der Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 des Formulars über die Abtretungserklärung entnommen werden könne. Den Bestimmungen der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1992 Rechnung zu tragen und dem Kreditgeber die steuerlichen Vorteile (Abzugsfähigkeit der Prämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Zinsen) zu erhalten, sei nur mittels solcher Abtretungen zu erreichen gewesen, die die Rückkaufswerte nicht erfassten. Auch wenn die Abtretungen die Kreditgeberin danach allein vor dem Ausfall von Zins- und Tilgungsleistungen wegen Todes des Kreditnehmers, nicht jedoch vor einer Insolvenz des Kreditnehmers geschützt hätten, seien sie nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen.
- 14
- II. Die am 2. April 1998 erklärten Abtretungen der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen seien wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar, weshalb der Beklagte dem Leistungsbegehren insoweit die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten könne.
- 15
- Durch die innerhalb der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erklärten Abtretungen seien Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden. Darauf sei auch der - jedenfalls bedingte - Vorsatz des Schuldners gerichtet gewesen. Dafür spreche vor allem, dass der Klägerin ohne jede Gegenleistung eine Sicherheit eingeräumt worden sei, auf die kein Anspruch bestanden habe, und dass die Klägerin zur Zeit der Abtretungserklärungen ausweislich einer von ihr selbst erstellten Vermögensbewertung gewusst habe, dass der Schuldner in einer finanziell äußerst beengten Lage gewesen sei.
- 16
- Eine - hier vorliegende - inkongruente Deckung bilde regelmäßig ein starkes Indiz sowohl für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers davon. Die Abtretung der Erlebensfallleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen habe die Klägerin weder aufgrund der Darlehensverträge noch aus einem allgemeinen Anspruch auf Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen können. Es stelle auch keine Gegenleistung der Klägerin dar, dass sie dem Schuldner den zur Zeit der Abtretungserklärungen aufgelaufenen Ratenrückstand von 30.000 DM anlässlich der Abtretung vorläufig gestundet habe, weil diese Forderung bei Fälligstellung ohnehin nicht ohne Weiteres zu realisieren gewesen wäre. Insoweit werde die Inkongruenz nicht ausgeschlossen.
- 17
- Für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spreche neben den genannten Indizien, dass der Schuldner zur Zeit der Abtretungserklärungen erhebliche Verbindlichkeiten, unter anderem aus bereits seit Herbst 1996 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben für seine Mitarbeiter, aus offenen Versicherungsprämien für Unfall- und Rechtsschutzversicherungen , aus unbezahlten Telefonrechungen und Kfz-Leasing-Raten, ferner aus der Haftung für Baumängel und offenen Steuerberater- und Architektenhonorarforderungen gehabt und nicht habe davon ausgehen können, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit seien das substantiierte Vorbringen des Beklagten von der Klägerin lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten und auch im Übrigen die für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Klägerin maßgeblichen Beweisanzeichen nicht entkräftet.
- 18
- Da III. die Ansprüche auf die Rückkaufswerte beim Schuldner verblieben seien, habe sich der Beklagte mit deren Einziehung auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht.
- 19
- B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 20
- I. Die am 1. Dezember 1995 erklärten Abtretungen der Ansprüche auf den Todesfall aus den vier Lebensversicherungen haben die jeweiligen Ansprüche auf die Rückkaufswerte nicht mit erfasst. Der Klägerin steht deshalb weder ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) aus den vom Beklagten eingezogenen Beträgen noch ein Schadensersatzanspruch zu.
- 21
- Der Versicherungsnehmer kann über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unterschiedlich verfügen. Das gilt nicht nur für die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II), sondern auch für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag. Auch dann, wenn aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherheit abgetreten werden , gibt es für die Frage, ob damit zugleich der Anspruch auf den Rückkaufswert abgetreten ist, keinen generellen Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall. Gegen eine Übertragung der Grundsätze der zur Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ergangenen Entscheidung BGHZ 45, 162 ff. auf die Sicherungszession von Ansprüchen auf den Todesfall spricht bereits, dass sich diese Entscheidung vorwiegend auf Erwägungen zur familiären Fürsorge des Versicherungsnehmers stützt, die auf die Motivlage bei der Sicherungs- zession nicht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 c). Der erkennende Senat (aaO) hat zudem mit Blick auf die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung bereits ausgesprochen , dass für die Zuordnung der Ansprüche nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion oder Bedingungshierarchie, sondern allein der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte, durch Auslegung zu ermittelnde Gestaltungswille des Versicherungsnehmers entscheidend ist (vgl. dazu auch Herrmann, Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer, Diss. 2003 S. 92 ff.).
- 22
- gilt Das für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag in gleicher Weise. Auch hier unterliegt es im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien, auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt. Ob sie auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
- 23
- 1. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt schon der Wortlaut der Abtretungserklärungen, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung der Ansprüche auf den Todesfall jeweils nicht mit erfasst wurde.
- 24
- Selbst wenn die Formulierung unter Nr. 1 der Abtretungserklärungen , es würden "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche … für den Todesfall in voller Höhe" abgetreten, es für sich genommen noch möglich erscheinen ließe, dass auch der Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst sein sollte, wird dies durch die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärungen ausgeschlossen.
- 25
- a) Nach deren Nr. 1 b umfasst die - hier nicht gewählte - Abtretung der Rechte und Ansprüche für den Erlebensfall auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gemäß Nr. 4.1. Dort ist geregelt, dass die Sparkasse aus wichtigem Grund, insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, unter anderem den Lebensversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert erheben könne. Der vom Berufungsgericht gezogene Umkehrschluss , dass das im Falle der Abtretung ausschließlich der Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a der Abtretungserklärungen) demnach nicht gelte , wird durch Nr. 4.4 bestätigt, wonach der Versicherungsnehmer die in Nr. 4.1 genannten Rechte nur mit Zustimmung der Sparkasse ausüben darf, was gerade voraussetzt, dass ihm diese Rechte (nicht nur das Kündigungsrecht , sondern auch das Recht zur Erhebung des Rückkaufswertes ) zunächst verbleiben.
- 26
- b) Zu Unrecht meint die Revision, die Regelung in Nr. 4.4 der Abtretungserklärungen müsse sich allein auf das Kündigungsrecht beziehen , weil der Zustimmungsvorbehalt nur den einen Zweck haben könne, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Das steht schon im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die von den unter Nr. 4.1 genannten Rechten spricht und nur "insbesondere" die Kündigung als eines dieser Rechte hervorhebt. Im Übrigen macht der Zustimmungsvorbehalt in Nr. 4.4 auch dann Sinn, wenn der Anspruch auf den Rückkaufswert beim Versicherungsnehmer verbleibt. Denn eine Kündigung des Versicherungsvertrages führt dazu, dass der Versicherer die Todesfallleistung, also das zentrale Sicherungsinstrument , welches die Sicherungsnehmerin vor Zahlungsausfall durch Tod des Darlehensnehmers schützen soll, nicht mehr erbringen muss. Vor dieser Folge wird die Sicherungsnehmerin durch den Zustimmungsvorbehalt geschützt.
- 27
- 2. Im Einklang mit diesem aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen gewonnenen Ergebnis steht, dass die Beschränkung der Zession zu dem Zweck erfolgte, dem Versicherungsnehmer die steuerliche Privilegierung für die vier Lebensversicherungsverträge dadurch zu erhalten, dass die Rückkaufswerte nicht für die Darlehenssicherung herangezogen wurden. Das zeigt schon die Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 der Formulare über die Abtretungserklärungen. Mit ihr wurde zum Ausdruck gebracht, dass Zedent und Zessionarin übereinstimmend davon ausgingen, die Abtretungen hätten keine nachteiligen Konsequenzen für die steuerrechtliche Begünstigung der von den Abtretungen betroffenen Lebensversicherungsverträge.
- 28
- a) Insoweit erschließt sich der Zweck der hier gewählten Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerrechtlichen Privilegierung von Kapitallebensversicherungen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 10-18; Janca ZInsO 2003, 449, 452; Wagner VersR 1998, 1083).
- 29
- Prämienzahlungen aa) für Kapitallebensversicherungen mit mindestens 12-jähriger Laufzeit konnten nach der bis zum Februar 1992 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG - im Rahmen von Höchstbezügen - als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Infolgedessen wurden Lebensversicherungen vermehrt zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen (s. dazu BT-Drucks. 12/1108 S. 55 ff.). Dem ist der Gesetzgeber, der darin einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung sah, durch das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297) entgegengetreten (vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/1108 aaO).
- 30
- bb) Seither sind Lebensversicherungsverträge grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der versicherten Person (d.h. mit der "Erlebensfallleistung") der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
- 31
- b) Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich ergab sich aus der Gesetzesänderung, dass seit Ende Februar 1992 die genannten steuerlichen Vorteile unter anderem dann erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden (vgl. dazu Janca aaO S. 452 m.w.N. in Fn. 51). Umgekehrt sahen die Finanzbehörden eine Erstreckung der Darlehenssicherung auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung als "steuerschädlich" an (vgl. dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Mai 1994 - IV B 2 - S 2134 - 56/94 - NJW 1994, 1714). War es bis Anfang 1992 bei Sicherungsabtretungen der Rechte aus Lebensversicherungen die Regel, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abzutreten (Janca aaO), gingen Banken und Sparkassen in der Folgezeit dazu über, sich nur noch die Ansprüche für den Todesfall abtreten zu lassen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 17, 18; Wagner aaO; Meyer-Scharenberg DStR 1993, 1768 1774), um so eine "steuerunschädliche" Verwendung der Lebensversicherungen zu gewährleisten , das heißt ihren Kunden die bisherigen Steuervorteile zu erhalten und damit deren Entscheidung für eine Sicherungsabtretung zu erleichtern.
- 32
- Dafür, dass die Parteien der Sicherungszessionen hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts.
- 33
- 3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch nicht gegen den Grundsatz interessengerechter Auslegung verstoßen, weil seine Lösung zur Folge hat, dass die gewährte Sicherheit im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers versagt.
- 34
- Schon wegen des dargelegten steuerrechtlichen Hintergrundes spricht alles dafür, dass die Klägerin die vier Lebensversicherungsverträge zunächst bewusst nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck heranziehen wollte, gegen Kreditratenausfall durch Tod des Darlehensnehmers geschützt zu sein (vgl. Herrmann aaO; Wagner aaO; Janca aaO). Die Absicherung (allein) gegen den vorzeitigen Tod des Darlehensnehmers ist für die Kreditgeberin auch nicht wirtschaftlich sinnlos , sondern schützt vor einem wesentlichen Kreditausfallrisiko.
- 35
- Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht im Übrigen gerade der Umstand, dass die Klägerin sich im April 1998 zusätzlich zu den ihr schon übertragenen Ansprüchen auf den Todesfall alle weiteren Rechte aus den beiden bei der V. Versicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen gesondert übertragen ließ, als sich wirtschaftliche Probleme des Darlehensnehmers abzeichneten. Das belegt, dass auch die Klägerin die vorherige Abtretung noch nicht als insolvenzfeste Absicherung ansah.
- 36
- II.OhneRechtsfehler hat das Berufungsgericht diese Abtretungen der Ansprüche auf den Erlebensfall vom 2. April 1998 für anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 Abs. 1 InsO erachtet. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen gegeben.
- 37
- 1. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Insolvenzverwalter liegt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 - ZIP 2003, 1799 unter II 1 a m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet aber die Inkongruenz der angefochtenen Leistung ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 253; BGH, Urteile vom 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - ZIP 2004, 1060 unter II 1 c, bb; vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00 - ZIP 2004, 1160 unter II 3 b, aa; vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190 unter II 2 a, aa). Die aus der Inkongruenz der Leistung folgende Beweiserleichterung ist bei der Vorsatzanfechtung auch außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Anfechtungsgegners Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
- 38
- a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abtretung der Erlebensfallansprüche als Gewährung einer inkongruenten Deckung angesehen. Auf diese Abtretung hatte die Klägerin keinen Anspruch. Zwar hatte ein früherer Darlehensvertrag vom 22. Juni 1994 zunächst eine Besicherung ihrer Forderungen durch Bestellung einer Grundschuld vorgesehen. Da das dafür in Aussicht genommene Grundstück jedoch nie in das Eigentum des Schuldners gelangt war, wurde stattdessen die streitgegenständliche Sicherungsabtretung vereinbart. Leistet der Schuldner eine andere Sicherheit als geschuldet, ist die Leistung inkongruent, wenn die Abweichung nicht geringfügig ist (MünchKomm-lnsO/Kirchhof, § 131 Rdn. 37). Die Geringfügigkeit der Abweichung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
- 39
- Zu Unrecht beanstandet die Revision an dieser Stelle, der Tatrichter habe nicht berücksichtigt, dass die Abtretungen nicht im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Insolvenz geschahen. Die von der Revision dazu herangezogene Rechtsprechung, wonach die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung um so weniger ins Gewicht fällt, je länger die angefochtene Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt (BGHZ 157, 242, 254), betrifft nämlich nicht den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern allein die Frage Kenntnis des anderen Teils hiervon (vgl. dazu unten 2.).
- 40
- b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Liquidität des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Abtretung sehr angespannt war.
- 41
- Ob hier vom Vorliegen eines einfachen oder eines starken Beweisanzeichens für den Benachteiligungsvorsatz auszugehen war, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht ein weiteres Indiz zu Recht daraus hergeleitet hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung erhebliche Verbindlichkeiten hatte, nicht davon ausgehen konnte, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können, und die Abtre- tungen dazu dienten, Beitreibungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu verhindern. Ein Schuldner, der weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und dennoch die Forderungen eines einzelnen Gläubigers befriedigt oder ihm eine zusätzliche Sicherheit verschafft, rechnet mit einer dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Dies genügt für die Annahme des Vorsatzes im Sinne des § 133 InsO (BGHZ 131, 189, 195; BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO unter II 1 c, bb; vom 11. März 2004 aaO unter II 1 c, cc; vgl. ferner BGHZ 167, 190, 194 f.). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin die im Einzelnen vorgetragenen und durch die Vorlage von Urkunden belegten Forderungen der Gläubiger lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten hat.
- 42
- 2. Auf Grund der tatrichterlichen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
- 43
- a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Kenntnis zu vermuten, wenn der Anfechtungsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (vgl. dazu BGHZ 155, 75, 85; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 aaO).
- 44
- Der Tatrichter hat aus dem eigenen Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Urkunden - insbesondere der im Hause der Klägerin erstellten Vorlage an den eigenen Vorstand vom 26. März 1998 - ihre Kenntnis entnommen, dass sich der Schuldner damals in einer finanziell äußerst beengten Lage befand. In dieser Vorlage heißt es am Schluss: "Der bisher erzielte Gewinn ... war ... nicht ausreichend. Liquiditätsprob- leme werden sich, sofern die avisierten Großaufträge nicht eintreffen, nicht lösen." Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin bereits das Schreiben des Schuldners vom 4. März 1998, aus dem die Revision ableitet , die Klägerin habe nicht von dauerhaft beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners ausgehen müssen. Die anders lautende tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist danach nicht nur möglich , sondern auch nahe liegend.
- 45
- Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht auch nicht den als Zeugen angebotenen Mitarbeiter S. der Klägerin zu vernehmen. In das Wissen des Zeugen war gestellt, der Schuldner habe sich aus einem größeren Bauvorhaben, das nicht zustande gekommen ist, eine Provision von 1% bis 1,5% des Bauvolumens erhofft. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Klägerin selbst habe - wie ihre erwähnte Vorlage belege - nie auf diese Hoffnung des Schuldners gebaut.
- 46
- Dass die Klägerin die Gläubiger benachteiligende Wirkung der Abtretung nicht erkannt habe, macht die Revision selbst nicht geltend.
- 47
- b) Im Übrigen ist die Inkongruenz der Abtretung auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis der Klägerin von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 157, 242, 250 ff.; BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO unter II 1 d; vom 22. April 2004 aaO unter II 3 c), wobei es genügt, dass ihr die Tatsachen bekannt waren, die den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen (BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO; vom 22. April 2004 aaO). Dass sie statt der geschuldeten eine andere Sicherheit erhielt, wusste die Klägerin.
- 48
- c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Klägerin weder die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO noch das Beweisanzeichen der Inkongruenz entkräftet hat.
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2004 - 10 O 209/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.05.2005 - 6 U 168/04 -
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. November 2012 - 14 Sa 1178/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte betrieb bis April 2013 Handel mit Kfz-Ersatzteilen. Im Jahr 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der 1963 geborene Kläger war bei ihr seit August 1988 tätig, zuletzt als Leiter der Finanzbuchhaltung. Sein Bruttomonatsverdienst betrug rund 3.900,00 Euro.
- 3
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Im Juni 2011 übernahm eine Gesellschafterin der Beklagten Aufgaben im Bereich Buchhaltung. Daraus erwuchsen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Eine dem Kläger am 3. Januar 2012 erteilte Abmahnung wegen behaupteter Arbeitsverweigerung hielt die Beklagte unter Hinweis auf Beweisschwierigkeiten nicht aufrecht.
- 4
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Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2012. Zur Begründung gab sie an, ihre Gesellschafterin habe zwischenzeitlich die Arbeitsaufgaben des Klägers vollständig übernommen. Dessen Arbeitsplatz sei weggefallen.
- 5
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Der Kläger hat gegen die Kündigung Klage erhoben. Nachdem die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erfolglos geblieben war, fertigte sein Prozessbevollmächtigter unter dem 9. Mai 2012 eine Replik auf die Klageerwiderung der Beklagten. Darin heißt es, die Kündigung sei willkürlich erfolgt. Der Beklagten sei es lediglich darum gegangen, den Kläger als „lästigen Mitwisser“ zweifelhafter Geschäfte loszuwerden. Sie habe private Aufwendungen ihres Gesellschafters und seiner Ehefrau sowie des Lebensgefährten einer Gesellschafterin als Betriebsausgaben verbucht. Die Kündigung sei erfolgt, nachdem der Kläger nicht bereit gewesen sei, diese Handlungen zu dulden und/oder mit zu tragen. Der Schriftsatz ging der Beklagten zunächst außergerichtlich als Entwurf zu. In einem Begleitschreiben vom 14. Mai 2012 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, absprachegemäß sollten „nochmal“ die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung „erörtert werden“. Falls „in den nächsten Tagen“ keine Rückäußerung erfolge, werde die Replik bei Gericht eingereicht.
- 6
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Der Kläger verfuhr, nachdem eine Antwort der Beklagten ausgeblieben war, wie angekündigt. Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, „hilfsweise“ ordentlich. Der Kläger hat auch diese Kündigung im Wege einer Klageerweiterung fristgerecht angegriffen.
- 7
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Nach - rechtskräftiger - Abweisung der Klage gegen die Kündigung vom 24. Februar 2012 hat sich der Kläger nur noch gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege nicht vor. Im Schriftsatz vom 9. Mai 2012 habe er den Sachverhalt lediglich aus seiner Sicht dargelegt. Mit dem Begleitschreiben habe er keinen unzulässigen Druck auf die Beklagte ausgeübt.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe mit der unüblichen und nicht abgesprochenen Vorabübersendung seines Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 das Ziel verfolgt, sie hinsichtlich der angestrebten gütlichen Einigung „gefügig zu machen“. In der Ankündigung einer Offenbarung angeblicher „Unregelmäßigkeiten“ liege der Versuch einer Erpressung oder Nötigung. Zudem habe der Kläger die Unterlagen, die dem Schriftsatz beigefügt gewesen seien, unbefugt kopiert, um ein Druckmittel gegen sie zu haben. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei ihr unzumutbar gewesen.
- 10
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Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage auch insoweit abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist. Es hat bis zum Termin der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012, dh. bis zum 30. September 2012 fortbestanden.
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I. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittelverfahren ist gegeben.
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1. Neben der Beschwer stellt das Rechtsschutzinteresse im Allgemeinen keine besonders zu prüfende Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels dar; typischerweise folgt es aus ihr (vgl. BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - zu I 1 der Gründe, BAGE 38, 85; BLAH 70. Aufl. Grundz. § 511 Rn. 14, 16 mwN). Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn sich etwa die Einlegung des Rechtsmittels trotz Vorliegens einer Beschwer als unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich erweist (BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - aaO).
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2. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Zwar hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich für die Zeit bis zum 30. September 2012 abgerechnet und den sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettoverdienst an den Kläger ausgekehrt. Damit hat sie aber nicht - auch nicht konkludent - erklärt, sie werde aus der fristlosen Kündigung gegenüber dem Kläger keine Rechte mehr herleiten. In ihrem Verhalten liegt auch kein - konkludenter - Verzicht auf die Revision. Darauf, ob die Beklagte bei einer Klageabweisung die Rückzahlung überschießender Vergütung beanspruchen will und kann, kommt es nicht an.
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II. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 23. Mai 2012 ist begründet. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.
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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).
- 17
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2. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14 mwN). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).
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3. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war es weder aufgrund der Erklärungen im anwaltlichen Schreiben vom 14. Mai 2012 und der Übersendung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 im Entwurf, noch wegen des Fotokopierens betrieblicher Unterlagen durch den Kläger unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 2012 - dem Termin der vorausgegangenen ordentlichen Kündigung - fortzusetzen.
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a) Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54; 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72).
- 20
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b) Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408). Entsprechendes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachteilige Folgen mit dem Ziel androht, dieser solle von einer beabsichtigten oder bereits erklärten Kündigung Abstand nehmen (ähnlich BAG 11. März 1999 - 2 AZR 507/98 - zu II 1 b aa der Gründe; 30. März 1984 - 2 AZR 362/82 - zu B I der Gründe; jeweils zur Androhung von Presseveröffentlichungen). Eine auf ein solches Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).
- 21
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c) Hier hat der Kläger seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Erklärungen im Schreiben vom 14. Mai 2012 selbst dann nicht verletzt, wenn er sich die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten aufgrund der erteilten Prozessvollmacht (§ 81 ZPO) uneingeschränkt nach § 85 Abs. 1 ZPO zurechnen lassen muss(zur Problematik vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13 ff.; 28. März 1963 - 2 AZR 379/62 - BAGE 14, 147; Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 85 Rn. 7). Das Ansinnen einer gütlichen Einigung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012 war auch in Anbetracht der Ankündigung, im Falle der Nichtäußerung den im Entwurf beigefügten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 bei Gericht einzureichen, nicht widerrechtlich. Darauf, ob sich die Parteien zuvor über das Procedere verständigt hatten, kommt es nicht an.
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aa) Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 418/10 - Rn. 14). Sie muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Die Drohung kann auch versteckt erfolgen, beispielsweise durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen (vgl. BAG 9. März 1995 - 2 AZR 644/94 - zu 2 der Gründe; BGH 22. November 1995 - XII ZR 227/94 - zu 2 der Gründe). Als Übel genügt jeder Nachteil. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, dh. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, dh. die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem fraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (vgl. BAG 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 d bb der Gründe).
- 23
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bb) Die Einführung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 in den laufenden Kündigungsschutzprozess mag für die Beklagte ein empfindliches Übel gewesen sein. Das Vorgehen des Klägers war aber nicht widerrechtlich. Es war ihm - ebenso wie seine Ankündigung - erlaubt.
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(1) Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37 mwN). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12).
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(a) Dass der Kläger in dem der Beklagten vorab übermittelten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 leichtfertig unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat sein Vorbringen zur Verbuchung privater Aufwendungen und Erstattungsleistungen einer Versicherung mangels ausreichenden Bestreitens der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen. Die Würdigung wird von der Beklagten nicht angegriffen. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar.
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(b) Der Kläger hat nicht in rechtswidriger Weise gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende, durch § 17 UWG ergänzte Verpflichtung verstoßen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einschließlich der ihm aufgrund seiner Tätigkeit bekannt gewordenen privaten Geheimnisse der Beklagten zu wahren(zur Eignung solcher Verstöße als wichtiger Grund vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe). Es kommt nicht darauf an, ob sich die Beklagte hinsichtlich der in Rede stehenden „Betriebsinterna“ überhaupt auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berufen könnte (zur Problematik vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb 15. Aufl. § 53 Rn. 55). Der Kläger war jedenfalls im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits zur Offenlegung der betreffenden Tatsachen gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten und dem Gericht befugt. Er handelte in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wollte auf diese Weise unlautere Motive der Beklagten für die angeblich betriebsbedingte Kündigung dartun. Dass er die Informationen an andere Personen oder Stellen weitergegeben hätte, ist nicht dargetan.
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(2) Der bezweckte Erfolg - eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits - war ebenso wenig widerrechtlich. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten oder die Zahlung einer Abfindung anstrebte. Durch einen Vergleich sollen der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden (§ 779 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sein Abschluss ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten - vorbehaltlich eines sittenwidrigen Inhalts der Einigung - grundsätzlich erlaubt (vgl. BAG 20. November 1969 - 2 AZR 51/69 - zu I der Gründe).
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(3) Das Vorgehen des Klägers stellt sich auch nicht wegen eines zwischen dem Inhalt des eingereichten Schriftsatzes und der angestrebten Einigung hergestellten Zusammenhangs - der Zweck-Mittel-Relation - als widerrechtlich dar.
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(a) Wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Vertragspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit den Gegner zum Einlenken veranlassen will. Das gilt auch dann, wenn für den Fall der Nichteinigung eine bestimmte Verteidigungsstrategie angekündigt wird. Eine solche Offenlegung eines beabsichtigten Prozessverhaltens ist - sowohl im Vorfeld einer Klageerhebung als auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens - jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie weder mutwillig erfolgt, noch zu einer über die Erhebung oder das Bestreiten bestimmter Ansprüche hinausgehenden Belastung des anderen Teils führt (vgl. BGH 19. April 2005 - X ZR 15/04 - zu II 5 a der Gründe). Anders als die Beklagte meint, reicht es für die Widerrechtlichkeit der Verknüpfung von Mittel und Zweck nicht aus, dass eine Partei auf den Abschluss eines Vergleichs keinen Rechtsanspruch hat (so schon RG 11. Dezember 1925 - VI 406/25 - RGZ 112, 226).
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(b) Die Ankündigung des Klägers, bei einer Nichteinigung einen dem Entwurf der Replik entsprechenden Schriftsatz bei Gericht einzureichen, wäre allenfalls dann widerrechtlich, wenn sein darin ausgedrückter rechtlicher Standpunkt gänzlich unvertretbar wäre. Das ist nicht der Fall. Der Kläger musste nicht von der Wirksamkeit der Kündigung vom 24. Februar 2012 ausgehen. Er durfte sich mit der Behauptung verteidigen, die angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf seiner ablehnenden Haltung gegenüber bestimmten buchhalterischen Vorgängen. Seine Anregung, sich vor diesem Hintergrund auf eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits zu verständigen, erfolgte im Vertrauen auf eine nicht etwa gänzlich aussichtslose Rechtsposition.
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d) Die Beklagte war nicht deshalb zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil der Kläger Fotokopien von Geschäftsunterlagen hergestellt und diese bei Gericht eingereicht hatte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, insoweit liege keine Verletzung vertraglicher Pflichten vor. Zumindest sei es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen, die Kündigungsfrist einzuhalten. Die Würdigung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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aa) Dem Arbeitnehmer ist es aufgrund der dem Arbeitsvertrag immanenten Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Betreffen die Unterlagen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, ist die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) UWG sogar strafbewehrt, wenn dies zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht geschieht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe).
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bb) Im Streitfall hat der Kläger ohne Einverständnis der Beklagten Fotokopien verschiedener, den Geschäftsbetrieb der Beklagten betreffender Rechnungen und Schecks hergestellt, ohne dass hierfür ein dienstliches Bedürfnis bestanden hätte. Selbst wenn er die Kopien ausschließlich zu seiner Rechtsverteidigung hat verwenden wollen und verwandt hat, durfte das Landesarbeitsgericht daraus nicht ohne Weiteres auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen schließen. Dem Rechtsschutzinteresse einer Partei, die sich nicht im Besitz prozessrelevanter Urkunden befindet, trägt das Gesetz mit den Regelungen zur Vorlagepflicht in § 142 ZPO und § 424 ZPO Rechnung. Besondere Umstände, aufgrund derer der Kläger hätte annehmen dürfen, ein entsprechendes prozessuales Vorgehen sei von vorneherein aussichtslos, sind nicht festgestellt.
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cc) Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger für die Rechtfertigung seines Verhaltens auf eine Beweisnot berufen könnte (zur Eignung eines solchen Sachverhalts als Rechtfertigungsgrund vgl. Haller BB 1997, 202, 203). Sein Verhalten wiegt den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Beklagten - auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen - ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre.
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(1) Das Berufungsgericht hat bei der Interessenabwägung einen gewissen Beurteilungsspielraum. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz (nur) daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Verfahrensgrundsätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).
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(2) Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Beklagte nicht auf.
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(a) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als zwanzig Jahren berücksichtigt. Von dieser hat es angenommen, sie sei beanstandungsfrei verlaufen. Die Würdigung ist angesichts der „Rücknahme“ einer vorausgehenden Abmahnung des Klägers nachvollziehbar. Sonstige Beanstandungen sind nicht dargetan. Die Berücksichtigung des Lebensalters zugunsten des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung begründet. Es durfte außerdem bedenken, dass der Kläger die fraglichen Fotokopien nicht zu Wettbewerbszwecken oder zu dem Zweck hergestellt hat, der Beklagten zu schaden. Er hat sie - soweit ersichtlich - nur an seinen Rechtsanwalt und damit an eine ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtete Person mit dem Ziel weitergegeben, sie bei Gericht einzureichen. Auf diese Weise wollte er sein Vorbringen zur Unsachlichkeit der Kündigung verdeutlichen und ihm stärkeres Gewicht verleihen. Diese Umstände schließen - wie aufgezeigt - die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zwar nicht aus. Sie lassen es aber in einem milderen Licht erscheinen. Hinzu kommt, dass es sich um eine singuläre Pflichtverletzung handelte, der erkennbar die - irrige - Vorstellung des Klägers zugrunde lag, zur Selbsthilfe berechtigt zu sein.
- 38
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(b) Aufgrund dieser Erwägungen war es ohne Weiteres vertretbar, dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist - Vorrang vor dem Beendigungsinteresse der Beklagten einzuräumen.
- 39
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III. Das Landesarbeitsgericht hat unausgesprochen angenommen, die ordentliche Kündigung vom 23. Mai 2012 gehe ins Leere, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits anderweitig zum 30. September 2012 aufgelöst worden sei. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht ersichtlich.
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IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
-
Kreft
Rinck
Berger
Krichel
Pitsch
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Februar 2009 - 17 Sa 1567/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung.
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Der Kläger ist 1981 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war nach Abschluss seiner im September 1998 begonnenen Ausbildung seit dem 21. Juli 2001 als Straßenbauarbeiter bei der beklagten Stadt beschäftigt. Aufgrund vertraglicher Verweisung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-AT und TVöD-BT-V) Anwendung.
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Vom 1. bis zum 25. Februar 2008 befand sich der Kläger wegen des Vorwurfs der Zuhälterei und des Menschenhandels in Untersuchungshaft. Nach Erhebung der Anklage wegen Zuhälterei, vorsätzlicher Körperverletzung, erpresserischen Menschenraubs, Erpressung, schweren Menschenhandels und sexueller Nötigung hörte die beklagte Stadt den Kläger am 8. April 2008 zu diesen Vorwürfen an. Er bestritt deren Berechtigung. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21. April 2008 verurteilte das Landgericht den Kläger wegen gemeinschaftlicher Zuhälterei und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Diese Verurteilung basierte ua. auf der Feststellung, dass der Kläger „mit seinem Gehalt, das er bei der [Beklagten] erzielte, nicht zufrieden (war) und einen zusätzlichen Verdienst (benötigte), um seine Familie zu ernähren“, und deshalb zusammen mit einem weiteren Täter den Entschluss gefasst hatte, „im Wege der Zuhälterei Geld zu verdienen“. Dazu hatten die Täter im März 2007 eine 18 Jahre alte tschechische Staatsbürgerin mit deren Einverständnis in Chemnitz abgeholt und nach B gebracht. Die junge Frau ging sodann in Essen und Dortmund der Prostitution nach. Im Januar 2008 beschloss der Kläger, sie nach Tschechien zurückzubringen. Als sie sich weigerte, schlug er sie mit einem Gürtel gegen ihre Unterschenkel.
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Im April 2008 waren an mehreren Tagen Presseberichte über den Prozess und die Verurteilung des Klägers erschienen, in denen auch über das Tatmotiv des Klägers berichtet worden war.
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Mit Schreiben vom 24. April 2008 hörte die beklagte Stadt den bei ihr gebildeten Personalrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Personalrat erhob keine Bedenken. Mit Schreiben vom 2. Mai 2008 kündigte die beklagte Stadt das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008.
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Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Sein außerdienstliches Fehlverhalten habe keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Als Straßenbauer habe er keine dienstlichen Kontakte zu den Bürgern der Stadt.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.
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Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der frühere § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT habe einen allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Dienstes verdeutlicht, der weiterhin gelte. Begingen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes Straftaten von einem gewissen Gewicht oder Taten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten, liege darin eine grobe Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten. Durch die intensive und umfangreiche Prozessberichterstattung über die Taten des Klägers und seine Motive sei ihr Ruf erheblich geschädigt worden. Der Kläger habe seine Straftaten unmittelbar mit seinem Arbeitsverhältnis verknüpft, indem er die nach seiner Meinung zu niedrigere Vergütung als Motiv öffentlich gemacht habe.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.
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I. Sie ist durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt.
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1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, eine weitere Störung zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71). Der Arbeitnehmer muss dazu keine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen sozial rechtfertigen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).
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2. Der Kläger hat seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten erheblich verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB).
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a) Nach der Neuregelung des Tarifrechts besteht für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht mehr die besondere Pflicht, ihr gesamtes privates Verhalten so einzurichten, dass das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.
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aa) Die außer Kraft getretenen Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT und des § 8 Abs. 8 Satz 1 MTArb sahen für Angestellte und Arbeiter vor, dass sie sich auch außerdienstlich so zu verhalten hatten, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden konnte. Eine außerdienstlich begangene Straftat von einigem Gewicht oder verbunden mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konnte auf dieser Grundlage die Kündigung eines Mitarbeiters des öffentlichen Dienstes grundsätzlich rechtfertigen (Senat 21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 - zu B I 2 a der Gründe, AP BAT § 54 Nr. 5 = EzA BGB § 626 nF Nr. 189; 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 95, 78).
- 16
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bb) Diese Regelungen sind in die seit dem 1. Oktober 2005 geltenden Tarifwerke für den öffentlichen Dienst nicht übernommen worden. § 41 TVöD-BT-V hat den früheren Verhaltensmaßstab aufgegeben(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Nach Satz 1 der Bestimmung ist nunmehr lediglich „die im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Leistung gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen“. Nach Satz 2 der Regelung müssen sich Beschäftigte des Bundes und anderer Arbeitgeber, in deren Aufgabenbereich auch hoheitliche Tätigkeiten wahrgenommen werden, überdies „durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ bekennen. Darüber hinausgehende Anforderungen an die private Lebensführung stellt der TVöD nicht mehr, auch nicht an anderer Stelle (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, aaO; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand August 2010 § 41 BT-V Rn. 2; Bröhl ZTR 2006, 174, 175, 177).
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Mit der Neuregelung haben sich die Tarifvertragsparteien von ihrer bisherigen Orientierung am Beamtenrecht entfernt und das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst als eine „normale Leistungsaustauschbeziehung“ (Bredendiek/Fritz/Tewes ZTR 2005, 230, 237) ausgestaltet (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Die Tarifvertragsparteien - und damit auch die Arbeitgeber - haben für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes außer der Pflicht nach § 41 Satz 2 TVöD-BT-V ersichtlich keine weitergehenden Verhaltenspflichten mehr begründen wollen, als diese auch für Beschäftigte in der Privatwirtschaft gelten(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO).
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b) § 241 Abs. 2 BGB gilt dagegen auch für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Die daraus folgende Pflicht, auf die Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, hat der Kläger durch sein außerdienstliches strafbares Verhalten erheblich verletzt.
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aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrages zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, AP BGB § 626 Nr. 218; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 220; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 21, aaO). Er ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, aaO; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 44, aaO). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat, wenn etwa der Arbeitnehmer die Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Ein solcher Bezug kann auch dadurch entstehen, dass sich der Arbeitgeber oder andere Arbeitnehmer staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sehen oder in der Öffentlichkeit mit der Straftat in Verbindung gebracht werden (Senat 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - Rn. 58, aaO). Fehlt hingegen ein solcher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, scheidet eine Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers regelmäßig aus (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 690).
- 20
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten verletzt hat. Ungeachtet des Charakters der von ihm begangenen Straftat besteht der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat die Beklagte mit seiner Tat in Beziehung gebracht. Durch seine - auch in der Presse wiedergegebenen - Äußerungen im Strafverfahren hat er eine Verbindung zwischen seiner angeblich zu geringen Vergütung durch die Beklagte und seinem Tatmotiv hergestellt. Auf diese Weise hat er die Beklagte für sein strafbares Tun „mitverantwortlich“ gemacht. Er hat damit deren Integritätsinteresse erheblich verletzt. Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der in besonderem Maße an Recht und Gesetz gebunden ist und in dieser Hinsicht einer besonders kritischen Beobachtung durch die Öffentlichkeit unterliegt, hat ein berechtigtes und gesteigertes Interesse daran, in keinerlei - und sei es auch abwegigen - Zusammenhang mit Straftaten seiner Bediensteten in Verbindung gebracht zu werden.
- 21
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3. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzung nicht damit rechnen durfte, die Beklagte werde diese hinnehmen (zu diesem Maßstab Senat 23. Juni 2008 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - zu II 4 der Gründe, BAGE 99, 331, 336). Die Revision greift diese Wertung nicht an.
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4. Die notwendige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen, für und gegen die Unzumutbarkeit einer dauerhaften Weiterbeschäftigung des Klägers sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Rechtsfehlerfrei konnte es zu dem Ergebnis gelangen, dass aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung auch die persönlichen Lebensumstände des Klägers es nicht rechtfertigen, das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortzusetzen. Einen Abwägungsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Kreft
Schmitz-Scholemann
Eylert
Söller
A. Claes
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine im Stahlhandel und in der Stahlverarbeitung tätige GmbH & Co. KG, der Beklagte war bis Anfang Januar 2004 zusammen mit B. W. gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer ihrer Komplementär -GmbH. Die Klägerin verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen ihrer Inanspruchnahme aus einer Garantievereinbarung in Höhe von 3.575.924,77 €.
- 2
- Die Klägerin bezog Stahl von der Streithelferin, der S. GmbH. In die Vertragsbeziehung war die E. Ltd. (im Folgenden: E. ) mit Sitz in Hongkong, China zwischengeschaltet. Zwischen der Streithelferin und der E. einerseits sowie der E. und der Klägerin andererseits bestanden im Wesentlichen gleichlautende Lieferverträge: Die E. kaufte Stahl von der Streithelferin und verkaufte ihn an die Klägerin. Die Lieferungen selbst erfolgten von der Streithelferin unmittelbar an die Klägerin.
- 3
- Mit schriftlicher Erklärung vom 29. März 2001 übernahm die Klägerin gegenüber der Streithelferin eine Garantie für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der E. gegenüber der Streithelferin aus den in den Jahren 2001 und 2002 geschlossenen Verträgen. Am 9. Juli 2002 gaben der Beklagte und sein Mitgeschäftsführer für die Klägerin eine weitere Garantieerklärung gegenüber der Streithelferin ab, mit der sich die Klägerin unwiderruflich verpflichtete, an die Streithelferin Zahlung zu leisten, sofern die E. ihren Verpflichtungen aus den mit der Streithelferin in den Jahren 2002 und 2003 geschlossenen Verträgen nicht fristgerecht nachkäme (im Folgenden: Garantie 2002). Am 17. Dezember 2003 unterzeichneten der Beklagte und auf seine Veranlassung auch sein Mitgeschäftsführer W. eine entsprechende Garantieerklärung gegenüber der Streithelferin, in der sich die Klägerin verpflichtete, für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen der E. gegenüber der Streithelferin aus den in den Jahren 2003 und 2004 geschlossenen Verträgen einzustehen (im Folgenden: Garantie 2003). In der Garantieerklärung heißt es, dass Ansprüche aus der Garantie vom Begünstigten schriftlich unter Darlegung des Nichterfüllungsfalles gegenüber dem Garanten geltend gemacht werden müssen. Die nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, ihrer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und des Anstellungsvertrags des Beklagten für die Übernahme einer solchen Garantie erforderliche Zustimmung des Beirats der Klägerin lag bei Abgabe der Garantieerklärung im Dezember 2003 nicht vor.
- 4
- Die Gesellschafterversammlung der Klägerin erteilte beiden Geschäftsführern für die Jahre 2001 und 2002 Entlastung. Für das Jahr 2003 entlastete sie den Geschäftsführer W. , während sie dem Beklagten die Entlastung verweigerte.
- 5
- Im Februar 2004 beendete die Streithelferin die Zusammenarbeit mit der E. Mit Schreiben vom 22. April 2004 forderte sie, gestützt auf die Garantie 2003, von der Klägerin Zahlung von 3.575.924,77 € einschließlich Zinsen, weil die E. ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag vom 7. März 2003 für die von ihr bestellten Stahllieferungen nicht nachgekommen sei. Am 6. Mai 2004 schloss die Klägerin mit der Streithelferin eine sogenannte Erfüllungsvereinbarung , in der sie sich zur Zahlung des geforderten Betrages verpflichtete, den sie vereinbarungsgemäß an die Streithelferin zahlte. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte schulde ihr Ersatz des dadurch entstandenen Schadens, weil er die Zustimmung des Beirats zur Abgabe der Garantieerklärung 2003 nicht eingeholt habe.
- 6
- Das Landgericht hat ihre auf Erstattung der Garantiezahlung an die Streithelferin gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Klageabweisung im Übrigen der Klage in Höhe von 3.256.275,15 € stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Die Klägerin könne vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.256.275,15 € nach § 43 Abs. 2 GmbHG wegen ihrer Inanspruchnahme aus der Garantie 2003 verlangen. Die Übernahme dieser Garantie sei pflichtwidrig gewesen, weil die Zustimmung des Beirats nicht eingeholt worden sei. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beirat seine Zustimmung erteilt hätte. Hierzu sei er auch nicht verpflichtet gewesen. Der Beklagte habe auch deshalb pflichtwidrig gehandelt, weil er im Zusammenhang mit der Übernahme der Garantie flankierende Maßnahmen versäumt habe, durch die eine doppelte Inanspruchnahme der Klägerin durch die E. und die Streithelferin verhindert worden wäre. Seiner Haftung stehe nicht entgegen, dass die Gesellschafterversammlung ihn für das Jahr 2002 und seinen Mitgeschäftsführer auch für das Jahr 2003 entlastet habe, da seine Entlastung für 2003 ausdrücklich verweigert worden sei. Der Klägerin sei durch die Pflichtverletzung des Beklagten ein Schaden in Höhe des eingeklagten Betrages entstanden, weil sie die zugrunde liegenden Lieferungen bereits an die E. bezahlt habe. Die Erfüllungsvereinbarung schließe die Haftung des Beklagten nicht aus, da sie ohne die vom Beklagten zu Lasten der Klägerin übernommene Garantie 2003 nicht geschlossen worden wäre und ausdrücklich auf diese Garantie Bezug nehme.
- 10
- Die Garantie 2003 sei wirksam vereinbart worden. Die von den Geschäftsführern der Klägerin unterzeichnete Garantieerklärung 2003 sei der Streithelferin zeitnah per Fax zugegangen und von deren Geschäftsführern H. und Dr. He. unterschrieben worden. Auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung komme es nicht an, da sie das Angebot der Klägerin jedenfalls konkludent angenommen hätten. Der Abschluss eines Garantievertrags sei formfrei möglich. Eine qualifizierte Schriftformvereinbarung des Inhalts, dass die Garantie zu ihrer Wirksamkeit im Original von den vier Geschäftsführern der Klägerin und der Streithelferin unterzeichnet werden müsse, hätten die Vertragsparteien nicht getroffen. Da der Beklagte in der Berufungsverhandlung vom 16. Oktober 2008 eine solche Vereinbarung auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich verneint habe, sei sein gegenteiliger Vortrag in dem folgenden Schriftsatz, es sei eine entsprechende mündliche Absprache getroffen worden, prozessual unbeachtlich. Zudem habe der Beklagte keinen konkreten Lebenssachverhalt vorgetragen, sondern nur pauschal eine mündliche Absprache behauptet. Dass die Annahmeerklärung der Klägerin möglicherweise nicht zugegangen sei, sei wegen § 151 BGB unschädlich.
- 11
- Die Kausalität entfalle auch nicht deshalb, weil die Klägerin die gleiche Zahlung schon aus der Garantie 2002 hätte leisten müssen. Abgesehen davon, dass die Streithelferin die Klägerin ausdrücklich aus der späteren Garantie in Anspruch genommen habe, sei die Garantie 2003 nach den hier anwendbaren Grundsätzen der Doppelkausalität auch dann für den eingetretenen Schaden ursächlich, wenn man diesen bereits in der Haftung für die Verbindlichkeiten der E. gegenüber der Streithelferin sehe. In den Fällen der Doppelkausalität bei mehreren Schädigern sei davon auszugehen, dass beide Ursachen im haftungsrechtlichen Sinne ursächlich seien, da andernfalls jeder Schädiger sich auf den Ursachenbeitrag des anderen stützen könnte. Diese Grundsätze würden auch in der vorliegenden Fallkonstellation greifen, in der zwar beide Ursachen vom selben Verursacher gesetzt worden seien, dieser aber - aufgrund der ihm für das Geschäftsjahr 2002 erteilten Entlastung - wegen der früheren Garantie nicht mehr in Anspruch genommen werden könne.
- 12
- Lediglich in Höhe von 319.649,62 € sei ein Anspruch der Klägerin gemäß § 254 BGB ausgeschlossen, weil sie diesen Betrag noch nach ihrer Inanspruchnahme aus der Garantie und nach Abschluss der Erfüllungsvereinbarung an die E. gezahlt habe.
- 13
- II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.
- 14
- 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Garantievertrag 2003, in dessen Abschluss es eine Pflichtverletzung des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin gesehen hat, wirksam zustande gekommen ist, und es hat infolgedessen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einen haftungsrechtlichen Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung der Garantieerklärung 2003 durch die Geschäftsführer der Klägerin und den von der Klägerin aufgrund der Erfüllungsvereinbarung geleisteten Zahlungen zu Unrecht bejaht.
- 15
- a) Das Berufungsgericht ist verfahrensfehlerhaft zu der Auffassung gelangt , die Streithelferin habe das schriftliche Angebot der Klägerin auf Abschluss einer Garantievereinbarung formlos angenommen. Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin und die Streithelferin, vertreten durch ihre damaligen Geschäftsführer, hätten für den Abschluss des Garantievertrags ausdrücklich mündlich konstitutive Schriftform vereinbart, und hat für diesen Vortrag Beweis durch Vernehmung der damaligen Geschäftsführer der Streithelferin Dr. He. und H. angeboten. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht für diesen Vortrag als beweisbelastet angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1997 - II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669, 670; Erman/A. Arnold, BGB, 13. Aufl., § 127 Rn. 11; Laumen in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, BGB AT, 3. Aufl., § 125 Rn. 11 f.). Es durfte deshalb nicht zu dem Ergebnis kommen, die Streithelferin habe das Vertragsangebot der Klägerin wirksam konkludent angenommen, ohne die vom Beklagten angebotenen Zeugen zu vernehmen.
- 16
- aa) Wie die Revision mit Recht rügt, war das Berufungsgericht von der Beweisaufnahme nicht deshalb entbunden, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2008 eine ausdrückliche Schriftformabrede auf Nachfrage des Berufungsgerichts verneint hat. Diesen Vortrag hat der Beklagte im nachgelassenen Schriftsatz vom 19. November 2008 dahingehend klargestellt, dass sich die Aussage seines Prozessbevollmächtigten nur darauf bezogen habe, dass eine ausdrückliche, schriftlich festgehaltene Schriftformabrede nicht bestanden habe, wohl aber - wie mehrfach vorgetragen - eine ausdrückliche mündliche Schriftformvereinbarung. Er hat dabei auf sein Vorbringen in den Schriftsätzen vom 10. Januar 2007 und vom 12. Dezember 2005 verwiesen. Der Umstand, dass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu dem Vortrag in den genannten Schriftsätzen in Widerspruch stehen mag, rechtfertigt es nicht, von der Erhebung der angebotenen Beweise abzusehen. Darin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrags kann nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil vom 1. Juli 1999 - VII ZR 202/98, NJW-RR 2000, 208; Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, NJWRR 1995, 1340, 1341 - Sesamstraße-Aufnäher).
- 17
- bb) Ebenso wenig durfte das Berufungsgericht von einer Beweisaufnahme absehen, weil der Beklagte die mündliche Absprache über die Formbedürf- tigkeit der Garantievereinbarung behauptete, ohne nähere Einzelheiten darzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen; unerheblich ist, ob die Darstellung der Partei wahrscheinlich ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09, VersR 2011, 1384 Rn. 6; Urteil vom 2. April 2007 - II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 Rn. 23; Urteil vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848; Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710, 2711). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht gefordert werden. Vielmehr muss der Tatrichter in die Beweisaufnahme eintreten; dabei muss er gegebenenfalls durch entsprechende Nachfrage nähere Einzelheiten klären, soweit er ihnen für die Wahrscheinlichkeit der Behauptung Bedeutung zumisst.
- 18
- Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht unter Verstoß gegen §§ 284, 286 ZPO verkannt. Der Vortrag des Beklagten, die Parteien des Garantievertrags hätten konstitutive Schriftform vereinbart, erfüllt die Anforderungen an einen schlüssigen Tatsachenvortrag, so dass das Berufungsgericht die von ihm angebotenen Zeugen hätte vernehmen müssen.
- 19
- b) Das Urteil beruht auf diesen Verfahrensfehlern. War eine konstitutive Schriftform des Garantievertrags vereinbart, konnte die Streithelferin das Angebot der Klägerin zum Abschluss des Garantievertrags vom 17. Dezember 2003 nur schriftlich innerhalb der Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB annehmen. Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, die Geschäftsführer der Streithelferin hätten das Fax noch im Dezember 2003 unterzeichnet. Der Beklagte hat diesen Vortrag bestritten. Das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Revisionsrechtlich ist deshalb entsprechend dem Beklagtenvortrag davon auszugehen , dass der von der Klägerin im Dezember 2003 angebotene Garantie- vertrag nicht zustande gekommen ist, weil er von den vertretungsberechtigten Organen der Streithelferin nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB unterzeichnet wurde.
- 20
- War aber die Klägerin aufgrund der von ihren Geschäftsführern im Dezember 2003 unterzeichneten Garantieerklärung nicht zu Garantiezahlungen verpflichtet, steht der haftungsrechtliche Zusammenhang zwischen der vom Berufungsgericht angenommenen Pflichtverletzung des Beklagten und den durch die Erfüllungsvereinbarung begründeten Zahlungsverbindlichkeiten nicht mehr fest. Denn dem Schädiger ist es nicht als adäquate Folge seines Tuns zuzurechnen, wenn der Geschädigte in ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt. Der Kausalzusammenhang wird nur dann nicht unterbrochen, wenn für die Zweithandlung ein rechtfertigender Anlass bestand oder diese durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert wurde und eine nicht ungewöhnliche oder gänzlich unangemessene Reaktion auf dieses darstellt (BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 - IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2883; Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141; Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589; Urteil vom 4. Juli 1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127).
- 21
- Diese Voraussetzungen sind nach den bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht erfüllt. War der Geschäftsführer W. - wie vom Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt - an der konstitutiven Schriftformabrede beteiligt, muss sich die Klägerin dessen Kenntnis zurechnen lassen. Schloss sie in Kenntnis der Tatsache, dass das für den Garantievertrag vereinbarte Schriftformerfordernis nicht erfüllt war, mit der Streithelferin die als Vergleich zu beurteilende Erfüllungsvereinbarung, liegt eine ungewöhnliche und gänzlich unangemessene Reaktion auf die Unterzeichnung der Garantieverein- barung durch den Beklagten und den Geschäftsführer W. nahe. Ob der Abschluss der Erfüllungsvereinbarung in dieser Weise zu beurteilen ist, hängt von den vom Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren gegebenenfalls zu klärenden Umständen des Falles ab. Dabei können die Erfolgsaussichten der Klägerin im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Streithelferin und ihr Interesse an einer raschen Streitbeilegung zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587, 1589).
- 22
- 2. Ebenso ist die Auffassung des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft, die - angenommene - Pflichtverletzung des Beklagten sei für einen Schaden der Klägerin ursächlich geworden.
- 23
- a) Das Berufungsgericht sieht eine Pflichtverletzung des Beklagten darin, dass er die Garantieerklärung im Dezember 2003 ohne die Zustimmung des Beirats unterzeichnet und nicht zugleich durch entsprechende Maßnahmen sichergestellt habe, dass die Klägerin für dieselben Lieferungen nicht sowohl von der E. als Vertragspartnerin als auch von der Streithelferin als Garantin auf Zahlung in Anspruch genommen werden konnte. Diese Pflichtverletzung ist für die Verpflichtung der Klägerin, für die Verbindlichkeiten der E. gegenüber der Streithelferin aus 2003 geschlossenen Verträgen aufkommen zu müssen, auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen auch dann nicht kausal geworden, wenn die Streithelferin, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Garantievertrags vom 17. Dezember 2003 wirksam angenommen hat. Die Garantie 2003 hat die Vermögenslage der Klägerin nicht verschlechtert, soweit sie die Einstandspflicht der Klägerin für die hier maßgeblichen Zahlungsverpflichtungen der E. aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen betrifft. Denn die Klägerin wurde nicht erst durch die Unterzeichnung der Garantievereinbarung im Dezember 2003 mit der Verbindlichkeit belastet, die Forderungen der Streithelferin gegen die E. aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen zu erfüllen, sofern diese ihren Zahlungspflichten nicht rechtzeitig nachkam. Vielmehr war sie hierzu , wie auch das Berufungsgericht angenommen hat, schon durch den im Juli 2002 mit der Streithelferin geschlossenen, insoweit gleichlautenden Garantievertrag verpflichtet, unabhängig davon, ob der Beklagte für solche Forderungen der Streithelferin eine weitere Garantieverpflichtung zu Lasten der Klägerin begründete.
- 24
- b) Anders verhielte es sich nur, wenn durch den späteren Garantievertrag die Garantieverpflichtung für die gesicherten Forderungen aus den 2003 geschlossenen Verträgen erweitert worden wäre oder der Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme aus der Garantie 2002 durchgreifende Einwendungen zugestanden hätten. Hierfür bestehen nach den bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte. Revisionsrechtlich ist deshalb davon auszugehen, dass die vom Berufungsgericht angenommene Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Garantie 2003 nicht für die Verpflichtung der Klägerin kausal war, gegenüber der Streithelferin für die Verbindlichkeiten der E. aus Verträgen, die diese im Jahr 2003 mit der Streithelferin geschlossen hat, einstehen zu müssen.
- 25
- c) Der fehlende Ursachenzusammenhang lässt sich nicht durch die vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität überwinden. Sogenannte Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als „conditio sine qua non“ für den Schadenseintritt beurteilt wer- den kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1988 - IX ZR 43/87, WM 1988, 905, 908; Urteil vom 7. Mai 2004 - V ZR 77/03, WM 2005, 189, 191). Eine vergleichbare Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Die Garantievereinbarungen wurden zeitlich nacheinander geschlossen. Der in der Begründung der maßgeblichen Garantieverbindlichkeit zu Lasten der Klägerin liegende Schaden war bereits vor Unterzeichnung des Garantievertrags im Dezember 2003 durch Abschluss der Garantievereinbarung im Juli 2002 eingetreten.
- 26
- d) Der Umstand, dass die Streithelferin ihren Zahlungsanspruch nur auf die spätere Garantie gestützt hat, ändert nichts daran, dass sich die Vermögenslage der Klägerin durch das nach Ansicht des Berufungsgerichts pflichtwidrige Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Garantievertrags im Dezember 2003 nicht verschlechtert hat. Ebenso wenig ist für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten von Belang , ob der Beklagte bereits mit dem Abschluss des Garantievertrags im Juli 2002 eine Pflichtverletzung begangen hat und ob er von der Klägerin - in Anbetracht seiner Entlastung für das Jahr 2002 - aus diesem Grund auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann. Denn diese Umstände haben keinen Einfluss darauf, ob die Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Garantieerklärung 2003 zu einem Schaden der Klägerin im Sinne einer Verschlechterung ihrer Vermögenslage geführt hat.
- 27
- e) Hat das vom Berufungsgericht angenommene pflichtwidrige Handeln des Beklagten im Zusammenhang mit der von ihm im Dezember 2003 abgegebenen Garantieerklärung die Vermögenslage der Klägerin nicht verschlechtert, schuldet ihr der Beklagte keinen Schadensersatz nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Dies gilt auch für den ihm angelasteten Kompetenzverstoß. Denn diese Vorschrift sanktioniert nicht den Kompetenzverstoß des Geschäftsführers an sich, sondern setzt einen dadurch verursachten Schaden voraus (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 - II ZR 166/05, ZIP 2007, 268 Rn. 10 und 12; Urteil vom 21. Juli 2008 - II ZR 39/07, ZIP 2008, 1818 Rn. 19).
- 28
- III. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag - die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin gegen ihre Inanspruchnahme aus dem im Juli 2002 geschlossenen Garantievertrag gegenüber der Streithelferin durchgreifende Einwendungen hätte erheben können. In diesem Fall wäre durch den Abschluss des weiteren Garantievertrags im Dezember 2003 die Vermögenslage der Klägerin verschlechtert worden.
- 29
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 30
- 1. Das Berufungsgericht wird sich gegebenenfalls erneut damit zu befassen haben, ob das Handeln des Beklagten deshalb pflichtwidrig war, weil er im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Garantieerklärung 2003 flankierende Maßnahmen zur Vermeidung einer Doppelzahlung unterlassen hat.
- 31
- 2. Sollte sich ergeben, dass die Klägerin schon aus dem im Juli 2002 abgeschlossenen Garantievertrag für die Forderungen der Klägerin gegen die E. aus den im Jahr 2003 geschlossenen Verträgen einstehen musste und sollten Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen Abschlusses dieses Garantievertrags in Betracht kommen, scheiden solche Ansprüche entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht schon von vornherein aus, weil der Beklagte für das Jahr 2002 von der Gesellschafterversammlung entlastet wurde. Die Gesellschaft ist durch eine Entlastung des Geschäftsführers nur mit solchen Ersatzansprüchen ausgeschlossen, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung aller Vorlagen und Berichte erkennbar waren oder von denen alle Gesellschafter privat Kenntnis hatten (BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; Urteil vom 21. April 1986 - II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 384).
- 32
- Das Berufungsgericht wird hierzu die nach ergänzendem Parteivortrag gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.07.2007 - 87 O 181/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 22.01.2009 - 18 U 142/07 -
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Die nach § 74 Abs. 2 dem Handlungsgehilfen zu gewährende Entschädigung ist am Schlusse jedes Monats zu zahlen.
(2) Soweit die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, sind sie bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Hat die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei Jahre bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in Kraft war.
(3) Soweit Bezüge zum Ersatze besonderer Auslagen dienen sollen, die infolge der Dienstleistung entstehen, bleiben sie außer Ansatz.
(1) Die Auflösung des Vereins sowie die Entziehung der Rechtsfähigkeit ist in das Vereinsregister einzutragen.
(2) Wird der Verein durch Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch den Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit aufgelöst, so hat der Vorstand die Auflösung zur Eintragung anzumelden. Der Anmeldung ist im ersteren Falle eine Abschrift des Auflösungsbeschlusses beizufügen.
(3) (weggefallen)
(1) Die nach § 74 Abs. 2 dem Handlungsgehilfen zu gewährende Entschädigung ist am Schlusse jedes Monats zu zahlen.
(2) Soweit die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, sind sie bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Hat die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei Jahre bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in Kraft war.
(3) Soweit Bezüge zum Ersatze besonderer Auslagen dienen sollen, die infolge der Dienstleistung entstehen, bleiben sie außer Ansatz.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Tenor
-
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 2009 - 2 Sa 449/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
-
Der Kläger war für die Beklagte als Außendienstmitarbeiter tätig. Die Parteien schlossen 2003 eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
-
„1.
GELTUNGSBEREICH
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.
…
Diese Wettbewerbsvereinbarung gilt für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2.
ENTSCHÄDIGUNG
Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils am Schluss eines Monats gezahlt.
Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des HGB anzurechnen.
…“
- 3
-
Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 29. Februar 2008. Die zuletzt bezogene Leistung iSv. Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung betrug 3.215,00 Euro.
- 4
-
Der Kläger erhielt seit dem 1. März 2008 Arbeitslosengeld iHv. monatlich 1.659,90 Euro bzw. ab 1. Juli 2008 iHv. monatlich 1.486,50 Euro. Die Beklagte rechnete auf die Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhöhte Arbeitslosengeld des Klägers an, soweit es zusammen mit der Hälfte der letzten Bruttovergütung den Betrag von 3.536,50 Euro (110 % der letzten Bruttovergütung) überstieg. Sie brachte demnach für die Monate März bis Juni 2008 je 219,77 Euro und für die Monate Juli bis Dezember 2008 je 37,92 Euro, insgesamt 1.106,60 Euro, in Abzug.
- 5
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Karenzentschädigung zu. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf eine Karenzentschädigung zulässig sei, sei allenfalls der tatsächliche Zahlbetrag, nicht aber ein hochgerechneter Bruttobetrag anrechenbar.
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.106,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 219,77 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008 und 1. Juli 2008 sowie auf jeweils weitere 37,92 Euro ab dem 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008 und 1. Januar 2009 zu zahlen.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Arbeitslosengeld sei mit einem hochgerechneten Bruttobetrag anzurechnen. Anderenfalls erziele der arbeitslose Empfänger einer Karenzentschädigung insgesamt höhere Bezüge als derjenige, der unter Beachtung der Wettbewerbsvereinbarung ein neues Arbeitsverhältnis begründet habe.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision in Höhe des noch streitigen Betrags zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte in diesem Umfang Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung Anspruch auf Zahlung der vollen Karenzentschädigung.
- 10
-
I. Der Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung ist dem Grunde nach entstanden.
- 11
-
1. Wettbewerbsverbote iSv. § 74 HGB beruhen auf gegenseitigen Verträgen. Der Arbeitnehmer schuldet die Unterlassung von Wettbewerb und der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens entstehen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung setzt allein voraus, dass der Arbeitnehmer den ihm verbotenen Wettbewerb unterlässt (BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 360/08 - Rn. 14, AP HGB § 74 Nr. 83 = EzA HGB § 74 Nr. 71; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 112, 376).
- 12
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2. Der Kläger hat sich nach Ziff. 1 der Wettbewerbsvereinbarung verpflichtet, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Wettbewerb zu der Beklagten zu treten. Er hat sich im Streitzeitraum des Wettbewerbs enthalten und damit seine geschuldete Leistung erbracht. Ihm steht deshalb eine Karenzentschädigung zu.
- 13
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II. Die Beklagte war nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.
- 14
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1. Es begegnet Bedenken, ob nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB Arbeitslosengeld überhaupt auf den Anspruch auf Karenzentschädigung angerechnet werden kann.
- 15
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a) Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.
- 16
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b) Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - zu II 2 a aa der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 7. November 1989 - 3 AZR 796/87 - zu 3 a der Gründe, BAGE 63, 206). Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 49, 109).
- 17
-
c) Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse(BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 49, 109). Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.
- 18
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d) Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).
- 19
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e) Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung(vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge(Weber aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).
- 20
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f) Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 SGB III nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.
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Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 74c Rn. 2).
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2. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Die Einkünfte des Klägers aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld erreichen die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht. Selbst wenn zugunsten der Beklagten eine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt wird, besteht der geltend gemachte Anspruch, weil der Arbeitgeber allenfalls den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, nicht jedoch einen fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen kann (zur Rechtslage vor Aufhebung des § 148 SGB III: BAG 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376; zur früheren Rechtslage nach § 128a Satz 3 AFG: 27. November 1991 - 4 AZR 211/91 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 69, 119; zur jetzigen Rechtslage: LAG München 14. August 2007 - 4 Sa 189/07 - zu II 2 b bb der Gründe; ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 4; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 55 Rn. 82; Weber in Großkomm. HGB § 74c Rn. 12; aA Bauer/Diller Rn. 534 ff.; Diller BB 2008, 1680, 1682 f.).
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a) Anderweitige Einkünfte aus unselbstständiger Beschäftigung sind zwar mit dem Bruttoarbeitslohn anzusetzen. Das Sozialversicherungsrecht kennt aber weder ein „Netto“- noch ein „Brutto“-, sondern nur ein sozialversicherungsrechtlich ausgestaltetes Arbeitslosengeld. Bemessungsgrundlage ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt (§§ 131, 132 SGB III), das um eine Sozialversicherungspauschale und um die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag vermindert wird. Daraus resultiert das Leistungsentgelt gemäß § 133 SGB III, aus dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld prozentual ermittelt wird. Der Auszahlungsbetrag ist steuerfrei (§ 3 Nr. 2 EStG), die Beiträge zur Sozialversicherung trägt die Bundesagentur für Arbeit allein (§ 251 Abs. 4a SGB V, § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, § 59 Abs. 1 SGB XI). Der Anspruch des Arbeitslosen besteht (nur) auf den Auszahlungsbetrag.
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b) Diese Besonderheiten des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses rechtfertigen keine an Sinn und Zweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB orientierte Auslegung, ein auf die Karenzentschädigung anrechenbares Arbeitslosengeld auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen. Die Anrechnung ist ein Eingriff in das vereinbarte Leistungsprogramm der Parteien; dass Leistungen Dritter innerhalb eines gegenseitigen Vertrags überhaupt auf die Gegenleistung angerechnet werden können, ist eine Ausnahme (ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 1). Die Beschränkung der Anrechnung auf den Auszahlungsbetrag kann zwar bewirken, dass der Arbeitslose während der Bezugsdauer höhere Nettoeinkünfte erzielt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einer konkurrenzfreien Tätigkeit nachgeht; dies rechtfertigt es aber nicht, die Sozialleistung des Arbeitslosengelds ohne gesetzliche Grundlage wie Nettoarbeitsentgelt zu behandeln. Durch die Inanspruchnahme des Arbeitslosengelds wird der Anspruch nach Maßgabe der §§ 127, 128 SGB III verbraucht. Der vormalige Arbeitgeber und die Solidargemeinschaft der Versicherten werden nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vor missbräuchlichem Verhalten geschützt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen. Bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Arbeitsablehnung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III für die Dauer einer Sperrzeit. Der frühere Arbeitgeber kann böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen, wenn der Arbeitnehmer eine ihm mögliche und nach den gesamten Umständen zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt (vgl. BAG 13. November 1975 - 3 AZR 38/75 - zu IV 1 der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 7 = EzA HGB § 74c Nr. 16). Nur in diesem Fall besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit der Anrechnung fiktiver Bruttobezüge. Bei bestehender Arbeitslosigkeit und der durch das Wettbewerbsverbot bedingten erschwerten Wiedereingliederung des Arbeitslosen in das Erwerbsleben besteht kein Anlass, zum Schutz des Arbeitgebers die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung durch extensive Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB zu mindern. Nach dem Schutzzweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dient die Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs auch nicht der Entlastung des Arbeitgebers; diese ist bloßer Reflex der Regelung (BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558).
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III. Die Klage ist der Höhe nach begründet. Die Karenzentschädigung des Klägers beträgt 1.607,50 Euro monatlich. Sie übersteigt zusammen mit dem monatlichen Arbeitslosengeld iHv. 1.659,90 Euro (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. iHv. 1.486,50 Euro (ab 1. Juli 2008) das frühere Einkommen (3.215,00 Euro brutto) nicht um mehr als ein Zehntel. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Thiel
A. Effenberger
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 2009 - 2 Sa 449/09 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
-
Der Kläger war für die Beklagte als Außendienstmitarbeiter tätig. Die Parteien schlossen 2003 eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
-
„1.
GELTUNGSBEREICH
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.
…
Diese Wettbewerbsvereinbarung gilt für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
2.
ENTSCHÄDIGUNG
Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils am Schluss eines Monats gezahlt.
Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des HGB anzurechnen.
…“
- 3
-
Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Beklagten mit Ablauf des 29. Februar 2008. Die zuletzt bezogene Leistung iSv. Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung betrug 3.215,00 Euro.
- 4
-
Der Kläger erhielt seit dem 1. März 2008 Arbeitslosengeld iHv. monatlich 1.659,90 Euro bzw. ab 1. Juli 2008 iHv. monatlich 1.486,50 Euro. Die Beklagte rechnete auf die Karenzentschädigung das um fiktive Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhöhte Arbeitslosengeld des Klägers an, soweit es zusammen mit der Hälfte der letzten Bruttovergütung den Betrag von 3.536,50 Euro (110 % der letzten Bruttovergütung) überstieg. Sie brachte demnach für die Monate März bis Juni 2008 je 219,77 Euro und für die Monate Juli bis Dezember 2008 je 37,92 Euro, insgesamt 1.106,60 Euro, in Abzug.
- 5
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die volle Karenzentschädigung zu. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf eine Karenzentschädigung zulässig sei, sei allenfalls der tatsächliche Zahlbetrag, nicht aber ein hochgerechneter Bruttobetrag anrechenbar.
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.106,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 219,77 Euro ab dem 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008 und 1. Juli 2008 sowie auf jeweils weitere 37,92 Euro ab dem 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008, 1. November 2008, 1. Dezember 2008 und 1. Januar 2009 zu zahlen.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Arbeitslosengeld sei mit einem hochgerechneten Bruttobetrag anzurechnen. Anderenfalls erziele der arbeitslose Empfänger einer Karenzentschädigung insgesamt höhere Bezüge als derjenige, der unter Beachtung der Wettbewerbsvereinbarung ein neues Arbeitsverhältnis begründet habe.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Senat hat die Revision in Höhe des noch streitigen Betrags zugelassen. Mit der Revision begehrt die Beklagte in diesem Umfang Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat aus Ziff. 2 der Wettbewerbsvereinbarung Anspruch auf Zahlung der vollen Karenzentschädigung.
- 10
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I. Der Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung ist dem Grunde nach entstanden.
- 11
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1. Wettbewerbsverbote iSv. § 74 HGB beruhen auf gegenseitigen Verträgen. Der Arbeitnehmer schuldet die Unterlassung von Wettbewerb und der Arbeitgeber die Zahlung der Karenzentschädigung. Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Arbeitnehmer durch die Einschränkung seines Erwerbslebens entstehen. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Karenzentschädigung setzt allein voraus, dass der Arbeitnehmer den ihm verbotenen Wettbewerb unterlässt (BAG 22. Oktober 2008 - 10 AZR 360/08 - Rn. 14, AP HGB § 74 Nr. 83 = EzA HGB § 74 Nr. 71; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 112, 376).
- 12
-
2. Der Kläger hat sich nach Ziff. 1 der Wettbewerbsvereinbarung verpflichtet, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Wettbewerb zu der Beklagten zu treten. Er hat sich im Streitzeitraum des Wettbewerbs enthalten und damit seine geschuldete Leistung erbracht. Ihm steht deshalb eine Karenzentschädigung zu.
- 13
-
II. Die Beklagte war nicht berechtigt, das vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB auf die vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung anzurechnen.
- 14
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1. Es begegnet Bedenken, ob nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB Arbeitslosengeld überhaupt auf den Anspruch auf Karenzentschädigung angerechnet werden kann.
- 15
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a) Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.
- 16
-
b) Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - zu II 2 a aa der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 7. November 1989 - 3 AZR 796/87 - zu 3 a der Gründe, BAGE 63, 206). Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - zu II 2 a aa der Gründe, aaO). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 49, 109).
- 17
-
c) Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse(BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 49, 109). Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.
- 18
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d) Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).
- 19
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e) Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung(vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge(Weber aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).
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f) Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 SGB III nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.
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Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene § 74c Rn. 2).
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2. Es bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Die Einkünfte des Klägers aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld erreichen die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nicht. Selbst wenn zugunsten der Beklagten eine Anrechnungsmöglichkeit unterstellt wird, besteht der geltend gemachte Anspruch, weil der Arbeitgeber allenfalls den tatsächlichen Auszahlungsbetrag, nicht jedoch einen fiktiv aus dem Arbeitslosengeld hochgerechneten Bruttobetrag anrechnen kann (zur Rechtslage vor Aufhebung des § 148 SGB III: BAG 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376; zur früheren Rechtslage nach § 128a Satz 3 AFG: 27. November 1991 - 4 AZR 211/91 - zu B III 2 der Gründe, BAGE 69, 119; zur jetzigen Rechtslage: LAG München 14. August 2007 - 4 Sa 189/07 - zu II 2 b bb der Gründe; ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 4; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 55 Rn. 82; Weber in Großkomm. HGB § 74c Rn. 12; aA Bauer/Diller Rn. 534 ff.; Diller BB 2008, 1680, 1682 f.).
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a) Anderweitige Einkünfte aus unselbstständiger Beschäftigung sind zwar mit dem Bruttoarbeitslohn anzusetzen. Das Sozialversicherungsrecht kennt aber weder ein „Netto“- noch ein „Brutto“-, sondern nur ein sozialversicherungsrechtlich ausgestaltetes Arbeitslosengeld. Bemessungsgrundlage ist das durchschnittlich auf einen Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt (§§ 131, 132 SGB III), das um eine Sozialversicherungspauschale und um die Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag vermindert wird. Daraus resultiert das Leistungsentgelt gemäß § 133 SGB III, aus dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld prozentual ermittelt wird. Der Auszahlungsbetrag ist steuerfrei (§ 3 Nr. 2 EStG), die Beiträge zur Sozialversicherung trägt die Bundesagentur für Arbeit allein (§ 251 Abs. 4a SGB V, § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, § 59 Abs. 1 SGB XI). Der Anspruch des Arbeitslosen besteht (nur) auf den Auszahlungsbetrag.
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b) Diese Besonderheiten des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverhältnisses rechtfertigen keine an Sinn und Zweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB orientierte Auslegung, ein auf die Karenzentschädigung anrechenbares Arbeitslosengeld auf einen fiktiven Bruttobetrag hochzurechnen. Die Anrechnung ist ein Eingriff in das vereinbarte Leistungsprogramm der Parteien; dass Leistungen Dritter innerhalb eines gegenseitigen Vertrags überhaupt auf die Gegenleistung angerechnet werden können, ist eine Ausnahme (ErfK/Oetker § 74c HGB Rn. 1). Die Beschränkung der Anrechnung auf den Auszahlungsbetrag kann zwar bewirken, dass der Arbeitslose während der Bezugsdauer höhere Nettoeinkünfte erzielt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer, der für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots einer konkurrenzfreien Tätigkeit nachgeht; dies rechtfertigt es aber nicht, die Sozialleistung des Arbeitslosengelds ohne gesetzliche Grundlage wie Nettoarbeitsentgelt zu behandeln. Durch die Inanspruchnahme des Arbeitslosengelds wird der Anspruch nach Maßgabe der §§ 127, 128 SGB III verbraucht. Der vormalige Arbeitgeber und die Solidargemeinschaft der Versicherten werden nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vor missbräuchlichem Verhalten geschützt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen. Bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Arbeitsablehnung ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 144 SGB III für die Dauer einer Sperrzeit. Der frühere Arbeitgeber kann böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen, wenn der Arbeitnehmer eine ihm mögliche und nach den gesamten Umständen zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt (vgl. BAG 13. November 1975 - 3 AZR 38/75 - zu IV 1 der Gründe, AP HGB § 74c Nr. 7 = EzA HGB § 74c Nr. 16). Nur in diesem Fall besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen die Möglichkeit der Anrechnung fiktiver Bruttobezüge. Bei bestehender Arbeitslosigkeit und der durch das Wettbewerbsverbot bedingten erschwerten Wiedereingliederung des Arbeitslosen in das Erwerbsleben besteht kein Anlass, zum Schutz des Arbeitgebers die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung durch extensive Auslegung der Anrechnungsvorschrift des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB zu mindern. Nach dem Schutzzweck von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dient die Anrechenbarkeit anderweitigen Erwerbs auch nicht der Entlastung des Arbeitgebers; diese ist bloßer Reflex der Regelung (BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558).
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III. Die Klage ist der Höhe nach begründet. Die Karenzentschädigung des Klägers beträgt 1.607,50 Euro monatlich. Sie übersteigt zusammen mit dem monatlichen Arbeitslosengeld iHv. 1.659,90 Euro (1. März bis 30. Juni 2008) bzw. iHv. 1.486,50 Euro (ab 1. Juli 2008) das frühere Einkommen (3.215,00 Euro brutto) nicht um mehr als ein Zehntel. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Thiel
A. Effenberger
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil desArbeitsgerichts Köln vom 19.07.2013 - 19 Ca 7836/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
3Die Klägerin war für die Beklagte vom 01.02.2010 bis zum 30.06.2012 als „Managerin Sales & Distribution“ in K tätig zu einem monatlichen Festgehalt von 3.000 € brutto und seit dem 01.04.2011 - nach Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 80 % der Vollzeitbeschäftigung - zu 2.400 € brutto. Unter dem 07./08.4.2011 schlossen die Parteien eine Zielvereinbarung für das Jahr 2011, die für eine Zielerreichung von 100 % eine Tantieme von 5.000 € vorsah. Die Klägerin erreichte die ihr vorgegebenen Ziele im Jahr 2011 zu 108,5 %.
4Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 19.01.2010 enthält in § 15 unter „Wettbewerbsklausel“ u. a. folgende Regelungen:
5„Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Anstellungsvertrages nicht für ein Luftverkehrsunternehmen tätig zu werden (…). (Die Beklagte) zahlt dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe eines Brutto-Jahresgehalts, inklusive der durchschnittlichen variablen Vergütung der letzten zwei Jahre. Die Entschädigung (...) erfolgt durch monatliche Zahlungen in Höhe 1/12 eines Jahresgehalts. Auf die Entschädigung muss sich der Mitarbeiter des Weiteren andere Bezüge nach Maßgabe des § 74 c HGB anrechnen lassen. „
6Die Klägerin schied am 30.06.2012 durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen der Beklagten aus. Seitdem war sie arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosengeld i. H. v. 1.390 € monatlich.
7Mit Schreiben vom 26.06.2012 machte die Klägerin erstmals Zahlung einer Karenzentschädigung gegenüber der Beklagten geltend und bezifferte diese mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2012 i. H. v. 2.823,44 € brutto monatlich.
8Mit ihrer am 08.10.2012 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage machte die Klägerin Zahlung einer Karenzentschädigung für die Monate Juli bis Oktober 2012, mit Klageerweiterungen vom 15.02.2013 sowie 09.07.2013 für die Monate November 2012 bis Juni 2013 in Höhe von insgesamt 33.883,32 € brutto geltend.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil(Bl. 83 - 91 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die nur noch rügt, das Arbeitsgericht habe das Arbeitslosengeld nicht auf die Karenzentschädigung angerechnet. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitslosengeld sei im Wege einer unmittelbaren bzw. zumindest analogen Anwendung des § 74 c HGB in vollem Umfang anzurechnen. Dies ergebe bereits eine Auslegung der vertraglichen Regelung. Die Verwendung der Formulierungen „Bezüge“ und „Einkünfte“ in Ziffer 15 nehme bereits eine Differenzierung unter den Einnahmetypen vor. Der Begriff „Bezüge“ umfasse auch das Arbeitslosengeld. Sollte das Berufungsgericht einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 74 c HGB nicht folgen, so ergäbe sich die Rechtsfolge zumindest aus einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn bezüglich der Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Die Nichtschließung dieser planwidrigen nachträglichen Regelungslücke führe zu Wertungswidersprüchen, wie bereits das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.06.1985 (3 AZR 305/83) ausgeführt habe. Das Bundesarbeitsgericht habe zwar in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 (10 AZR 198/10) in einem obiter dictum den Gesetzgeber zur Klärung der Rechtslage aufgefordert. Solange der Gesetzgeber jedoch untätig bleibe, könne eine ungerechtfertigt die eine Partei privilegierende die andere benachteiligende Situation nicht ohne weiteres bestehen bleiben. Insoweit könne die Rechtsprechung im Wege einer Analogie Abhilfe schaffen.
10Die Beklagte beantragt,
11das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Zurückweisung der Berufung.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Karenzentschädigung für den Zeitraum Juli 2012 bis Juni 2013 in Höhe von insgesamt 33.883,33 € brutto nebst Zinsen. Das Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts.
171. Zwischen den Parteien ist in der Berufung nicht mehr Streit, dass der Klägerin die geltend gemachte Karenzentschädigung nach § 15 des Arbeitsvertrages dem Grunde und der Höhe nach zusteht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die von der Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
182. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss sich die Klägerin auf ihren Anspruch auf Karenzentschädigung nicht das unstreitig bezogene Arbeitslosengeld anrechnen lassen.
19a. Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die Parteien dies nicht vereinbart haben. In § 15 S. 4 des Arbeitsvertrages heißt es: „Auf die Entschädigung muss sich der Mitarbeiter des Weiteren andere Bezüge nach Maßgabe des § 74 c HGB anrechnen lassen.“ Zwar kann man mit der Beklagten unter den Begriff „Bezüge“ auch das Arbeitslosengeld subsummieren. Dessen Anrechnung erfolgt jedoch nur „nach Maßgabe des§ 74 c HGB“. Eine Anrechnung kommt nach dieser Rechtsgrundverweisung demnach nur in Betracht, wenn dies in der in Bezug genommen gesetzlichen Regelung vorgesehen ist. Dies ist jedoch bei § 74 Buchst. c HGB nicht der Fall.
20b. Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.
21c. Das Berufungsgericht folgt den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 (10 AZR 198/10):
22aa. Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 ; 7. November 1989 - 3 AZR 796/87). Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83).
23bb. Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83). Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.
24cc. Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).
25dd.. Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung (vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge (Weber aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).
26ee. Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 SGB III nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.
27ff. Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene§ 74c Rn. 2).
28d. Das Bundesarbeitsgericht musste in seinem Urteil vom 14.9.2011(10 AZR 198/10) nicht abschließend entscheiden, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Im hier zu entscheidenden Streitfall ist die Frage der Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldes jedoch entscheidungserheblich, da die Einkünfte der Klägerin aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB unstreitig erreichen. Das Berufungsgericht vertritt - wie das Arbeitsgericht – im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass eine „planwidrige“ Regelungslücke nach Aufhebung des § 148 SGB III nicht mehr angenommen werden kann und es nunmehr dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen.
29II. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs.1 ZPO).
30III. Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen.
31Re c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
32Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
33R E V I S I O N
34eingelegt werden.
35Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
36Bundesarbeitsgericht
37Hugo-Preuß-Platz 1
3899084 Erfurt
39Fax: 0361 2636 2000
40eingelegt werden.
41Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
42Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
43- 44
1. Rechtsanwälte,
- 45
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 46
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
48Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
49Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
50* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.
(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
Besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, so muß sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, anrechnen lassen,
- 1.
was er durch anderweitige Arbeit verdient hat, - 2.
was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, - 3.
was ihm an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder der Sozialhilfe für die Zwischenzeit gezahlt worden ist. Diese Beträge hat der Arbeitgeber der Stelle zu erstatten, die sie geleistet hat.
(1) Soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf den Leistungsträger bis zur Höhe der erbrachten Sozialleistungen über.
(2) Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann.
(3) An Stelle der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sachbezüge tritt im Fall des Absatzes 1 der Anspruch auf Geld; die Höhe bestimmt sich nach den nach § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Vierten Buches festgelegten Werten der Sachbezüge.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil desArbeitsgerichts Köln vom 19.07.2013 - 19 Ca 7836/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten in der Berufung nur noch über die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf den Anspruch auf Karenzentschädigung aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
3Die Klägerin war für die Beklagte vom 01.02.2010 bis zum 30.06.2012 als „Managerin Sales & Distribution“ in K tätig zu einem monatlichen Festgehalt von 3.000 € brutto und seit dem 01.04.2011 - nach Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 80 % der Vollzeitbeschäftigung - zu 2.400 € brutto. Unter dem 07./08.4.2011 schlossen die Parteien eine Zielvereinbarung für das Jahr 2011, die für eine Zielerreichung von 100 % eine Tantieme von 5.000 € vorsah. Die Klägerin erreichte die ihr vorgegebenen Ziele im Jahr 2011 zu 108,5 %.
4Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 19.01.2010 enthält in § 15 unter „Wettbewerbsklausel“ u. a. folgende Regelungen:
5„Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Anstellungsvertrages nicht für ein Luftverkehrsunternehmen tätig zu werden (…). (Die Beklagte) zahlt dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung in Höhe eines Brutto-Jahresgehalts, inklusive der durchschnittlichen variablen Vergütung der letzten zwei Jahre. Die Entschädigung (...) erfolgt durch monatliche Zahlungen in Höhe 1/12 eines Jahresgehalts. Auf die Entschädigung muss sich der Mitarbeiter des Weiteren andere Bezüge nach Maßgabe des § 74 c HGB anrechnen lassen. „
6Die Klägerin schied am 30.06.2012 durch Eigenkündigung aus dem Unternehmen der Beklagten aus. Seitdem war sie arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosengeld i. H. v. 1.390 € monatlich.
7Mit Schreiben vom 26.06.2012 machte die Klägerin erstmals Zahlung einer Karenzentschädigung gegenüber der Beklagten geltend und bezifferte diese mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.08.2012 i. H. v. 2.823,44 € brutto monatlich.
8Mit ihrer am 08.10.2012 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage machte die Klägerin Zahlung einer Karenzentschädigung für die Monate Juli bis Oktober 2012, mit Klageerweiterungen vom 15.02.2013 sowie 09.07.2013 für die Monate November 2012 bis Juni 2013 in Höhe von insgesamt 33.883,32 € brutto geltend.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil(Bl. 83 - 91 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die nur noch rügt, das Arbeitsgericht habe das Arbeitslosengeld nicht auf die Karenzentschädigung angerechnet. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Arbeitslosengeld sei im Wege einer unmittelbaren bzw. zumindest analogen Anwendung des § 74 c HGB in vollem Umfang anzurechnen. Dies ergebe bereits eine Auslegung der vertraglichen Regelung. Die Verwendung der Formulierungen „Bezüge“ und „Einkünfte“ in Ziffer 15 nehme bereits eine Differenzierung unter den Einnahmetypen vor. Der Begriff „Bezüge“ umfasse auch das Arbeitslosengeld. Sollte das Berufungsgericht einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 74 c HGB nicht folgen, so ergäbe sich die Rechtsfolge zumindest aus einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn bezüglich der Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Karenzentschädigung bestehe eine planwidrige Regelungslücke. Die Nichtschließung dieser planwidrigen nachträglichen Regelungslücke führe zu Wertungswidersprüchen, wie bereits das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.06.1985 (3 AZR 305/83) ausgeführt habe. Das Bundesarbeitsgericht habe zwar in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 (10 AZR 198/10) in einem obiter dictum den Gesetzgeber zur Klärung der Rechtslage aufgefordert. Solange der Gesetzgeber jedoch untätig bleibe, könne eine ungerechtfertigt die eine Partei privilegierende die andere benachteiligende Situation nicht ohne weiteres bestehen bleiben. Insoweit könne die Rechtsprechung im Wege einer Analogie Abhilfe schaffen.
10Die Beklagte beantragt,
11das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Zurückweisung der Berufung.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16I. Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Karenzentschädigung für den Zeitraum Juli 2012 bis Juni 2013 in Höhe von insgesamt 33.883,33 € brutto nebst Zinsen. Das Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts.
171. Zwischen den Parteien ist in der Berufung nicht mehr Streit, dass der Klägerin die geltend gemachte Karenzentschädigung nach § 15 des Arbeitsvertrages dem Grunde und der Höhe nach zusteht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die von der Beklagten nicht angegriffenen Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.
182. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss sich die Klägerin auf ihren Anspruch auf Karenzentschädigung nicht das unstreitig bezogene Arbeitslosengeld anrechnen lassen.
19a. Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass die Parteien dies nicht vereinbart haben. In § 15 S. 4 des Arbeitsvertrages heißt es: „Auf die Entschädigung muss sich der Mitarbeiter des Weiteren andere Bezüge nach Maßgabe des § 74 c HGB anrechnen lassen.“ Zwar kann man mit der Beklagten unter den Begriff „Bezüge“ auch das Arbeitslosengeld subsummieren. Dessen Anrechnung erfolgt jedoch nur „nach Maßgabe des§ 74 c HGB“. Eine Anrechnung kommt nach dieser Rechtsgrundverweisung demnach nur in Betracht, wenn dies in der in Bezug genommen gesetzlichen Regelung vorgesehen ist. Dies ist jedoch bei § 74 Buchst. c HGB nicht der Fall.
20b. Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde.
21c. Das Berufungsgericht folgt den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 (10 AZR 198/10):
22aa. Erwerb aus der Verwertung der Arbeitskraft sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 ; 7. November 1989 - 3 AZR 796/87). Anzurechnen sind damit grundsätzlich Arbeitsentgelt und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. In beiden Fällen handelt es sich um den Ertrag aus persönlichem Arbeitseinsatz, der erst durch die Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses möglich geworden ist (vgl. BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05). Der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 117 ff. SGB III beruht nicht auf der Verwertung der Arbeitskraft. Arbeitslosengeld ist ein Lohnersatz und wird von der Solidargemeinschaft der Versicherten und der Wirtschaft als Sozialleistung aufgebracht; diese ist nicht Gegenleistung verwerteter, also tatsächlich erbrachter Arbeit (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83).
23bb. Zum Rechtszustand vor Inkrafttreten von § 128a AFG hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, durch die den § 74 ff. HGB nachfolgende Einführung einer dem Arbeitslosengeld ähnlichen Leistung durch die Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 13. November 1918 (RGBl. S. 1305) sowie der Arbeitslosenversicherung durch das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16. Juli 1927 (RGBl. S. 187) sei nachträglich eine Regelungslücke entstanden, die zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen durch entsprechende Anwendung des § 74c Abs. 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld geschlossen werden müsse (BAG 25. Juni 1985 - 3 AZR 305/83). Beziehe der zur Wettbewerbsunterlassung Verpflichtete ungekürzt Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld, so habe er sonst bei einer den Mindestbetrag des § 74 Abs. 2 HGB übersteigenden Karenzentschädigung höhere Einkünfte als ein Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit einer nicht verbotenen Tätigkeit nachgehe.
24cc. Durch Ergänzung von § 128a AFG um Satz 3 (Siebtes Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2484) ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gesetzlich geregelt worden. Der Arbeitnehmer musste sich das Arbeitslosengeld, das der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit zu erstatten hatte, wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen. Da die volle Erstattung von Arbeitslosengeld durch den Arbeitgeber verfassungswidrig war (BVerfG 10. November 1998 - 1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97 - BVerfGE 99, 202), wurde die gesetzliche Regelung (nunmehr § 148 SGB III) dahingehend geändert, dass der Arbeitgeber nur noch 30 % des Arbeitslosengelds zu erstatten hatte (Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 21. Dezember 2000, BGBl. I S. 1971). § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmte weiterhin, dass der Arbeitnehmer sich den Teil des Arbeitslosengelds, den der Arbeitgeber erstattet hatte, auf die Entschädigung für die Wettbewerbsbeschränkung anrechnen lassen musste. Durch die Abzugsmöglichkeit sollte die Doppelbelastung des erstattungspflichtigen Arbeitgebers vermieden werden. § 148 SGB III ist zum 1. Januar 2004 ersatzlos aufgehoben worden (Drittes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848), weil dem erheblichen Verwaltungsaufwand der Arbeitsverwaltung nur eine geringe Zahl von tatsächlichen Erstattungsfällen gegenüberstand (BT-Drucks. 15/1515 S. 88).
25dd.. Nach der Aufhebung von § 148 SGB III ist nach verbreiteter Auffassung (vgl. Weber in Großkomm. HGB 5. Aufl. § 74c Rn. 11; ErfK/Oetker 11. Aufl. § 74c HGB Rn. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 5. Aufl. Rn. 532; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene 3. Aufl. § 74c Rn. 11) die bis zum Inkrafttreten des § 128a Satz 3 AFG vorhandene Regelungslücke wieder entstanden, sodass § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB bei Bezug von Arbeitslosengeld wieder entsprechend anzuwenden sein soll. Die Aufhebung der Anrechnungsregelung des § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen und nur ihre konsequente Folge (Weber aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage der Anrechnung bisher offengelassen (BAG 16. November 2005 - 10 AZR 152/05 - Rn. 20, AP HGB § 74c Nr. 21 = EzA HGB § 74c Nr. 35; 23. November 2004 - 9 AZR 595/03 - zu A II der Gründe, BAGE 112, 376).
26ee. Es ist zweifelhaft, ob es nach der Aufhebung von § 148 SGB III noch eine gesetzliche Grundlage für die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung gibt. Die Annahme einer erneuten „planwidrigen“ Regelungslücke begegnet Bedenken, weil eine bestehende gesetzliche Anrechnungsbestimmung aufgehoben worden ist. Dies gilt umso mehr, als nach § 148 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1 SGB III nur 30 % des Arbeitslosengelds angerechnet werden konnten und die Schließung einer vermeintlichen Regelungslücke durch analoge Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB nunmehr zu einer vollen Anrechnung führen würde.
27ff. Dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen. Er kann die Solidargemeinschaft der Versicherten entlasten und die Anrechnung von Karenzentschädigung auf den Bezug von Arbeitslosengeld im Rahmen von Obergrenzen bestimmen oder er kann den vormaligen Arbeitgeber entlasten und die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung regeln. Denkbar ist auch, von einer Anrechnung grundsätzlich abzusehen. Der Arbeitnehmer, der sich des Wettbewerbs enthält, erbringt seine vertraglich geschuldete Leistung und hat deshalb Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Wertungswidersprüche zu § 615 Satz 2 BGB bzw. § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG müssen dabei nicht entstehen, weil vertragliche Situation und Interessenlage gegenüber dem Fall des Annahmeverzugs nicht deckungsgleich sind. Bei Bezug von Arbeitslosengeld während des Annahmeverzugs geht der Vergütungsanspruch nach § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit über; der Arbeitnehmer behält seine vertraglich gesicherte Position. Nach Ablauf eines Wettbewerbsverbots trägt der arbeitslose Arbeitnehmer dagegen das Risiko, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Dieses Risiko besteht nicht, wenn er während der Dauer des Wettbewerbsverbots einer erlaubten Arbeit nachgeht. In diesem Fall ist der anderweitige Verdienst allerdings nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB anzurechnen; hierdurch wird eine Übersicherung des Arbeitnehmers durch den Bezug von Karenzentschädigung, obwohl er wegen des Wettbewerbsverbots keine beruflichen Nachteile erleidet, vermieden (vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 11/07 - Rn. 5, DB 2008, 1558; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene§ 74c Rn. 2).
28d. Das Bundesarbeitsgericht musste in seinem Urteil vom 14.9.2011(10 AZR 198/10) nicht abschließend entscheiden, ob eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Karenzentschädigung im Wege der Auslegung oder analogen Anwendung von § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB dennoch in Betracht kommt. Im hier zu entscheidenden Streitfall ist die Frage der Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldes jedoch entscheidungserheblich, da die Einkünfte der Klägerin aus Karenzentschädigung und ausgezahltem Arbeitslosengeld die Anrechnungsgrenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB unstreitig erreichen. Das Berufungsgericht vertritt - wie das Arbeitsgericht – im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass eine „planwidrige“ Regelungslücke nach Aufhebung des § 148 SGB III nicht mehr angenommen werden kann und es nunmehr dem Gesetzgeber obliegt, das Verhältnis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln und gegebenenfalls Obergrenzen vorzusehen.
29II. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs.1 ZPO).
30III. Die Revision war gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen.
31Re c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
32Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
33R E V I S I O N
34eingelegt werden.
35Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
36Bundesarbeitsgericht
37Hugo-Preuß-Platz 1
3899084 Erfurt
39Fax: 0361 2636 2000
40eingelegt werden.
41Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
42Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
43- 44
1. Rechtsanwälte,
- 45
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 46
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
48Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
49Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
50* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
(1) Der Handlungsgehilfe muß sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen.
(2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
- 5
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
- 6
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
- 7
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
- 13
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
- 14
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. September 2011 - 5 Sa 19/11 - wird zurückgewiesen.
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Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Frage, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine in einem Aufhebungsvertrag vereinbarte und gezahlte Ablöseentschädigung zurückzuzahlen.
- 2
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Der am 23. Januar 1991 in H geborene Kläger trat am 1. Juli 2005 dem beklagten Verein bei, um dort seine Laufbahn als Fußballspieler zu beginnen. Die Parteien schlossen unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers am 12. März 2006 einen Vertragsspielervertrag, in dem sich der Kläger verpflichtete, für den Beklagten den Fußballsport als Nichtamateur ohne Lizenz iSd. §§ 22 bis 27 der DFB-Spielordnung auszuüben. Der Vertrag wurde befristet für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 30. Juni 2010 ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit geschlossen. Darüber hinaus wurde dem Beklagten eine Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 eingeräumt. Die monatliche Vergütung des Klägers betrug anfangs 150,00 Euro, ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2010 250,00 Euro.
- 3
-
Der Kläger wohnte in einem Internat in R und wurde dort schulisch unterrichtet. Dafür waren monatliche Schulkosten in Höhe von 170,00 Euro zu zahlen. Neben dem Schulbesuch absolvierte er ein Trainings- und Ausbildungsprogramm und wurde von dem Beklagten in der Juniorenbundesliga eingesetzt. Er wurde zweimal in die deutsche Jugendnationalmannschaft berufen.
- 4
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Juni 2008 kündigte der Kläger den Vertragsspielervertrag mit sofortiger Wirkung und erklärte gleichzeitig dessen Anfechtung. Zur Begründung der Kündigung gab er an, dem psychischen Druck nicht länger gewachsen zu sein, der sich aus dem Internatsaufenthalt einerseits, der finanziellen Situation seiner Eltern andererseits sowie aus der Bewertung seiner Leistung in ständiger Gegenüberstellung zu dem Mitspieler K ergebe. Der Beklagte wies mit Schreiben vom 3. Juli 2008 sowohl die fristlose Kündigung als auch die Anfechtung zurück, eine psychische Drucksituation bestehe nicht. Eine Freigabe werde der Verein nicht oder nur gegen Zahlung einer Transferentschädigung erteilen.
- 5
-
Die nachfolgenden Verhandlungen führten unter Einbeziehung der Eltern des Klägers und mit anwaltlicher Beratung beider Seiten am 18. August 2008 zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Darin heißt es ua.:
-
„Präambel
Die Parteien verbindet ein Spielervertrag vom 12.03.2006, mit dem sich der Spieler verpflichtete, bis zum 30.06.2010 als Vertragsspieler den Fußballsport für den H auszuüben.
Der Spieler hat mit Schreiben vom 26.06.2008 die Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen sowie die Anfechtung des Vertrages erklärt. Der H vertritt die Auffassung ein Kündigungs- und/oder Anfechtungsgrund liege nicht vor. Er hält an der Erfüllung des Vertrages fest.
Der Spieler wünscht nach wie vor den Spielervertrag vom 12.03.2006 aufzuheben, um zu einem anderen Verein wechseln zu können.
§ 1 Gegenstand des Vertrages
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Kündigung des Spielers vom 26.06.2006 keinerlei Wirkung entfaltet und ebenfalls ein Anfechtungsgrund nicht vorliegt. Die Parteien sind folglich darüber einig, dass das Vertragsverhältnis durch den Spieler nicht beendet wurde.
Die Parteien sind sich nunmehr jedoch einig, dass das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis am 19.08.2008 enden wird.
§ 2 Entschädigung
1.
Der Spieler verpflichtet sich, für die vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro (vierzigtausend) an den H zu zahlen. …
2.
Der Spieler verpflichtet sich ferner, an den H einen weiteren Betrag in Höhe von 20.000,00 Euro zu zahlen, für den Fall, dass der Spieler bis zum 30.06.2011 den Status eines Lizenzspielers/Profi - unabhängig von Verein, Liga oder Verband - erwirbt. …
3.
Unabhängig von der Entschädigungszahlung des Spielers gemäß der Ziffern 1. und 2. ist vom Drittverein die Ausbildungsentschädigung und der Solidaritätsbeitrag zu zahlen.
§ 3 Mitwirkungshandlungen/Freigabe
Der H wird nach Zahlungseingang gemäß § 2 Ziff. 1 sämtliche erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornehmen, so dass der Spieler auch zu einem anderen Verein wechseln kann.“
- 6
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Die Entschädigungssumme in Höhe von 40.000,00 Euro hatte der Kläger bereits zuvor am 15. August 2008 an den Beklagten gezahlt. Er wechselte zum Ha, bei dem er ebenfalls als Vertragsspieler eingesetzt wurde.
- 7
-
Mit einer am 20. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rückzahlung der Entschädigung in Höhe von 40.000,00 Euro vom Beklagten verlangt.
- 8
-
Dazu hat er die Auffassung vertreten, die im Aufhebungsvertrag eingegangene Entschädigungsverpflichtung sei nach § 138 BGB sittenwidrig. Einen Vereinswechsels von der Zahlung einer Transferentschädigung abhängig zu machen, stelle einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG, dar. Es verstoße auch gegen die guten Sitten, dass sich ein Arbeitnehmer unter Zuhilfenahme von Krediten „freikaufen“ müsse. Zudem gebe es nach der DFB-Spielordnung keine Grundlage mehr für eine Ausbildungsentschädigung. Die Aufhebungsvereinbarung sei weiter deshalb nichtig, weil Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden. Ziehe man die landessportlichen Fördermittel und Aufwendungen der Eltern ab, so tendierten die Kosten des Beklagten gegen „null“. Zudem besäßen jugendliche Berufsspieler wegen der unsicheren Entwicklung während der Ausbildung keinen wirtschaftlich bestimmbaren „Marktwert“, jedenfalls hätte ein solcher im Falle des Klägers höchstens 10.000,00 Euro betragen.
- 9
-
Die vergleichsweise gefundene Regelung zwischen den Parteien hat der Kläger ferner auch nach § 779 BGB für unwirksam gehalten, da bei Vergleichsabschluss die Parteien rechtswidrig den Vertragsspielervertrag für wirksam gehalten hätten. Jedoch habe der Vertragsspielervertrag einer familiengerichtlichen Genehmigung bedurft, außerdem habe er gegen § 5 JArbSchG verstoßen.
- 10
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
1.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Mai 2010 zu zahlen;
2.
an ihn weitere 3.994,19 Euro zu zahlen.
- 11
-
Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die vereinbarte Entschädigung sei nicht sittenwidrig. Sie stelle keine Ausbildungsentschädigung, sondern eine Ablöse dar, wie sie im Fußball üblich sei und die sich nach Leistung, Vertragsdauer und dem Alter des Spielers richte. Der Kläger habe selbst und aus eigener Initiative entschieden, sich „freikaufen“ zu wollen, um zu einem neuen Verein wechseln zu können. Häufig griffen neben dem aufnehmenden Verein auch die Spieler selbst in die eigene Tasche, um die vereinbarte Vertragslaufzeit abzukürzen.
- 12
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Die Ablösesumme sei nicht unangemessen. Im Zeitpunkt der Auflösungsvereinbarung habe der Kläger zu den besten Spielern seines Jahrgangs gehört, er sei schon zweimal Jugendnationalspieler gewesen und sei verglichen worden mit Spielern wie K und P. Sein Marktwert habe damals 50.000,00 bis 100.000,00 Euro betragen, in seine Ausbildung habe der Beklagte mindestens 44.172,38 Euro investiert.
- 13
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Die Aufhebungsvereinbarung, das gehe aus ihr selbst hervor, habe schließlich auch den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Spielervertrages beenden sollen, was gerade keine unstreitige Grundlage der vergleichsweise gefundenen Lösung gewesen sei.
- 14
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 10. Mai 2012 (- 8 AZN 94/12 -) zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er kann die Rückzahlung der von ihm geleisteten Entschädigung nicht verlangen, weil er sie mit Rechtsgrund an den Beklagten gezahlt hat.
- 16
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A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Aufhebungsvertrag sei nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Parteien bei seinem Abschluss von der Gültigkeit des Vertragsspielervertrages - abgesehen von dem Streit über das Bestehen des Vertrages aufgrund der Kündigungs- und Anfechtungserklärung des Klägers - ausgegangen seien.
- 17
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Der Aufhebungsvertrag verstoße nicht gegen die guten Sitten. § 23 BBiG sei die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass die vorzeitige, nicht berechtigte Beendigung eines Ausbildungsvertrages Schadensersatzansprüche des Ausbilders begründen könne. Zudem sei nicht festzustellen, dass die vereinbarte Entschädigungssumme nicht den Aufwendungen entspräche, die der Beklagte hätte machen müssen, um wieder einen halbfertig ausgebildeten jugendlichen Vertragsspieler in seinen Spielerkader einzugliedern.
- 18
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B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger kann nicht die Rückzahlung der 40.000,00 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen, weil er diese Zahlung an den Beklagten mit Rechtsgrund geleistet hat.
- 19
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I. Die Auflösungsvereinbarung ist nicht nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat eine der Parteien behauptet, bei dem Aufhebungsvertrag oder Teilen davon handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es ist auch nicht vorgetragen worden, dass es sich bei der Entschädigungszahlung um eine Vertragsklausel handele, die der Verwender für eine Vielzahl von Verträgen, mind. dreimal, vorformuliert hat (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Initiative zur Vertragsauflösung ging vom Kläger aus; dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Auflösungsvereinbarung entworfen hat, entsprach einem Wunsch des damaligen Bevollmächtigten des Klägers. Es handelt sich um eine Individualabrede. Abgesehen davon stellt bei einem Aufhebungsvertrag eine Abfindung die Hauptleistung dar (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 203/10 - Rn. 42, BAGE 138, 136 = AP BGB § 307 Nr. 53 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 53), weswegen keine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB stattfände.
- 20
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II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die vereinbarte Entschädigungszahlung in Höhe von 40.000,00 Euro nicht gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 BGB).
- 21
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1. Die Vorinstanzen haben die Vereinbarung vom 18. August 2008 zutreffend dahin gehend ausgelegt, dass sich die Parteien auf die Zahlung einer Ablösesumme zur Beendigung des Vertragsspielervertrages geeinigt haben.
- 22
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a) Nach § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt (BAG 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 15, Stbg 2009, 331).
- 23
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b) Vorliegend handelt es sich um eine atypische, individuelle Willenserklärung, die vom Revisionsgericht nur dahin gehend überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 18, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2; 9. Dezember 2008 - 3 AZR 431/07 - Rn. 14, Stbg 2009, 331).
- 24
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2. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten einen Vergleich iSd. § 779 Abs. 1 BGB geschlossen.
- 25
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a) Zwischen den Parteien bestand Streit über die Frage, ob der Vertragsspielervertrag durch die Kündigung oder Anfechtungserklärung des Klägers beendet worden ist. Diese Rechtsunsicherheit ist durch den Aufhebungsvertrag behoben worden. Bei der Vereinbarung haben beide Parteien wechselseitig nachgegeben. Der Beklagte, der ursprünglich an dem Vertrag festhalten wollte, hat einer Vertragsauflösung zugestimmt. Der Kläger hat eingewilligt, die geforderten 40.000,00 Euro zu zahlen und hat auf der Wirksamkeit seiner Kündigung oder Anfechtung nicht bestanden.
- 26
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b) Zutreffend haben das Arbeitsgericht und dieses in Bezug nehmend das Landesarbeitsgericht in der in § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages geregelten „Entschädigung“ der Sache nach eine Ablösesumme gesehen, die für die vorzeitige Beendigung des Vertragsspielervertrages vom Kläger zu zahlen war. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachenrichter festgestellt haben, die vereinbarte Zahlung stelle keinen Ausgleich für entstandene Ausbildungskosten dar, sondern sei die Gegenleistung für die vom Kläger gewünschte vorzeitige Vertragsaufhebung. Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang auf § 2 Ziff. 3 des Aufhebungsvertrages verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung durch den Drittverein unabhängig von der durch den Kläger zu zahlenden Entschädigung nach § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages sein sollte. Auch das Berufungsgericht hat eine Ablösesumme („Vertragsabstandssumme“) festgestellt und der Sache nach nicht darauf abgestellt, welche Kosten dem Beklagten durch die Ausbildung des Klägers entstanden sind, sondern darauf, welchen Betrag der Beklagte zur Erlangung eines adäquaten Ersatzes für den Kläger auf dem Spielermarkt hätte aufwenden müssen.
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3. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung in Form einer Ablösesumme war nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
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a) Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Rechtsprechung sieht ein Rechtsgeschäft dann als sittenwidrig an, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (BAG 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 15, BAGE 118, 66 = AP BGB § 138 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 7; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 2 mwN). Dabei ist eine Gesamtabwägung aller Umstände wie Inhalt, Beweggrund und Zweck des Rechtsgeschäfts vorzunehmen (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Sittenwidrig kann ein Rechtsgeschäft ua. dann sein, wenn es gegen die der Rechtsordnung selbst innewohnenden Werte und Prinzipien verstößt. Über den Wertmaßstab der guten Sitten findet damit auch das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem Eingang in das Privatrecht (sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 25, BVerfGK 8, 126; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 15, DB 2013, 584; 26. April 2006 - 5 AZR 549/05 - Rn. 16, aaO; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 20; Palandt/Ellenberger aaO Rn. 4). Eine Vereinbarung kann demnach nichtig sein, wenn sie mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers unvereinbar ist.
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b) Es verstieß nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit des Klägers, dass sich die Parteien in der Aufhebungsvereinbarung vom 18. August 2008 auf die Zahlung einer „Entschädigung“, dh. einer Ablöse in Höhe von 40.000,00 Euro einigten. Diese Leistung hatte den Zweck, eine bestehende Vertragsbindung zu beenden. Die von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommene Auslegung des § 2 Ziff. 1 des Aufhebungsvertrages ergibt, dass es sich um eine Ablösesumme handelte, die zu zahlen ist, um den Spieler aus einem festen befristeten Vertrag „herauszukaufen“. Trotz bestehender Vertragsbindung wollte der Kläger zu einem neuen Verein wechseln. Daher hatte die vereinbarte Leistung den Zweck, diese bestehende Vertragsbindung zu beenden. Es handelt sich nicht um den Fall, dass die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit dadurch verletzt wird, dass in abstrakten Verbandsreglements die Zahlung einer Transferentschädigung vorgesehen ist, die ein Spieler auch nach Auslaufen seines Vertrages bei dem ausbildenden Verein zahlen muss, wenn er sich einen neuen Arbeitgeber suchen will. Solche Regeln, die geeignet sein können, dem Spieler einen Wechsel seines Vereinsarbeitgebers zu erschweren und die dergestalt in seine Berufsausübungsfreiheit eingreifen, wurden vorliegend nicht vereinbart. Vielmehr haben sich die Parteien in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Beklagte als bisheriger Vereinsarbeitgeber der Aufhebung des Spielervertrages mit dem Kläger zustimmt und der Kläger im Gegenzug eine Ablöse zahlt. Dergestalt hat der Kläger gerade von seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit, die auch die Wahl des Arbeitgebers umfasst, Gebrauch gemacht und die ihn insoweit hindernde selbst eingegangene vertragliche Bindung an den Beklagten im Einvernehmen mit diesem gegenstandslos gemacht.
- 30
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c) Die Vereinbarung steht in Einklang mit den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen. So verstieß das Regelwerk des Deutschen Eishockey-Bundes, das die Zahlung einer „Aus- und Weiterbildungsentschädigung“ im Falle eines Vereinswechsels auch bei einer schon erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem abgebenden Verein vorsah, gegen § 138 Abs. 1 BGB iVm. Art. 12 Abs. 1 GG und war nichtig(vgl. BAG 20. November 1996 - 5 AZR 518/95 - zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 344 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 12 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 9). Denn in einer solchen Konstellation wird die Berufsausübungsfreiheit des wechselwilligen Spielers beeinträchtigt, wenn der Vereinswechsel von der Zahlung einer finanziellen Entschädigung abhängig gemacht wird. Bei beendetem Arbeitsverhältnis bleibt der Arbeitnehmer arbeitslos, wenn sich kein Verein findet, der sich zur Zahlung der Aus- und Weiterbildungsentschädigung bereit erklärt. Entsprechendes gilt für die Zahlung einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung im Fußballsport (vgl. BGH 27. September 1999 - II ZR 305/98 - zu II 2 der Gründe, BGHZ 142, 304; entsprechend für die Zahlung einer „Ausbildungsentschädigung“ zwischen den Vereinen: OLG Oldenburg 10. Mai 2005 - 9 U 94/04 - zu II der Gründe, SpuRt 2005, 164; zusammenfassend vgl. Krämer SpuRt 2011, 186 ff.). Nichts anderes ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der sich wiederholt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit bei gewünschtem Wechsel zum Verein eines anderen Mitgliedsstaates zu befassen hatte. Auch insoweit handelte es sich stets um Fälle, in denen die Freizügigkeit oder Berufsausübungsfreiheit der betroffenen Spieler noch nach Ablauf des Vertrages behindert werden sollte. So stand Art. 48 EWG-Vertrag aF von Sportverbänden aufgestellten Regelungen entgegen, denen zufolge ein Berufsfußballer auch nach Ablauf seines Vertrages nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt werden konnte, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung zahlte(EuGH 15. Dezember 1995 - C-415/93 - [Bosman] Rn. 92 ff., Slg. 1995, I-4921 = AP BGB § 611 Berufssport Nr. 10 = EzA BGB § 611 Berufssport Nr. 8). Ebenso hielt der Gerichtshof eine Bestimmung des französischen Fußballverbandes in seiner französischen Berufsfußballcharta im Ergebnis für unverhältnismäßig, nach der ein Nachwuchsspieler nach Abschluss seiner Ausbildung entweder die von dem Verein ausgeübte Vertragsverlängerungsoption zu bedienen oder eine von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängige Schadensersatzverpflichtung zu leisten hatte (vgl. EuGH 16. März 2010 - C-325/08 - [Olympique Lyonnais] Rn. 46, Slg. 2010, I-2177).
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4. Der Aufhebungsvertrag und die mit ihm vereinbarte Ablösesumme verstößt auch nicht deswegen gegen die guten Sitten iSv. § 138 BGB, weil er auf einer überlangen Befristungsdauer des Spielervertrages basiert.
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Der Kläger ist die vierjährige, maximal fünfjährige Vertragsbindung freiwillig und in Ausübung seiner Vertragsfreiheit eingegangen, er muss sich nunmehr daran festhalten lassen. Im Spielervertrag hatte er sich für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2010 verpflichtet, also einen befristeten Vertrag über vier Jahre abgeschlossen. Der Beklagte hatte sich die einseitige Verlängerungsoption bis zum 30. Juni 2011 vorbehalten. Die maximale Bindungsdauer betrug fünf Jahre. Dies hält sich im Rahmen von § 15 Abs. 4 TzBfG(oder von § 624 BGB für freie Dienstverhältnisse). Danach kann ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit oder auf längere Zeit als fünf Jahre eingegangen werden, allerdings sichert der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer in solchen Fällen ein Kündigungsrecht zu. Nach einer längeren Bindung als fünf Jahre wird der Arbeitnehmer in seiner persönlichen Freiheit übermäßig beschränkt (BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 69, 171 = AP BGB § 624 Nr. 2 = EzA BGB § 624 Nr. 1). Die Norm ist verfassungsgemäß und auch unter dem Gesichtspunkt der freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl, Art. 12 Abs. 1 GG, nicht zu beanstanden(vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 845/95 - zu II 3 der Gründe, BAGE 84, 255 = AP ZPO 1977 § 256 Nr. 37 = EzA GG Art. 12 Nr. 29; iE auch BAG 25. März 2004 - 2 AZR 153/03 - zu B I 2 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 60 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 3; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 14; KR/Lipke 10. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 24; Kelber NZA 2001, 11, 13; Oberthür Das Transfersystem im Lizenzfußball S. 86). Bei typisierender Betrachtungsweise von § 15 Abs. 4 TzBfG hat der Gesetzgeber, dem auf dem Gebiet der Vertragsfreiheit ein weiter Spielraum zusteht, einen angemessenen Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen gefunden(zu § 624 BGB vgl. BAG 19. Dezember 1991 - 2 AZR 363/91 - zu II 3 b der Gründe, aaO).
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Die Alternative des Beklagten wäre es gewesen, den Kläger an der - rechtmäßig vereinbarten - Vertragsdauer bis zu fünf Jahren festzuhalten. Wenn er dann im Verhandlungswege die Zahlung einer Ablösesumme anbietet, kann dies nicht als sittenwidrig angesehen werden. Es entspricht der hM in Rechtsprechung und Schrifttum, dass es nach wie vor zulässig ist, einen Spieler aus einem befristeten Vertrag durch eine Einzelfallvereinbarung „herauszukaufen“ (vgl. LAG Köln 20. November 1998 - 11 Sa 125/98 - LAGE BGB § 611 Berufssport Nr. 11; OLG Düsseldorf 20. Februar 2001 - 4 U 63/00 - NJW-RR 2001, 1633; Kelber NZA 2001, 11, 14; MüArbR/Giesen 3. Aufl. Bd. 2 § 337 Rn. 38; NK-BGB/Looschelders 2. Aufl. § 138 Rn. 307; Jungheim RdA 2008, 222, 224; Trommer Die Transferregelungen im Profisport im Lichte des „Bosman-Urteils“ im Vergleich zu den Mechanismen im bezahlten amerikanischen Sport S. 90; Oberthür Das Transfersystem im Lizensfußball S. 186; Hilf/Pache NJW 1996, 1169, 1175).
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5. Die Vereinbarung einer Ablösesumme in Höhe von 40.000,00 Euro war nicht unter dem Gesichtspunkt des Wuchers, § 138 Abs. 2 BGB, nichtig.
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a) Im Falle eines Vergleichs iSv. § 779 BGB kommt es weniger auf die wahre Ausgangslage im Sinne einer objektiven Bewertung der von beiden Seiten übernommenen Leistungen an als auf die Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 32, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Entscheidend ist, inwieweit sie zur Streitbereinigung wechselseitig nachgegeben haben (BAG 11. September 1984 - 3 AZR 184/82 - zu IV 1 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 37 = EzA BGB § 138 Nr. 17; 30. Juli 1985 - 3 AZR 401/83 - zu III 3 der Gründe, AP BGB § 138 Nr. 39 = EzA BGB § 138 Nr. 18; BGH 2. Juli 1999 - V ZR 135/98 - zu II der Gründe, NJW 1999, 3113; Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 138 Rn. 66; MüKoBGB/Armbrüster 6. Aufl. § 138 Rn. 113). Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies zudem vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat (BGH 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - Rn. 35, NJW 2012, 2099). Die Parteien tragen in so einem Fall regelmäßig jeweils selbst das Risiko der Angemessenheit der vergleichsweise versprochenen Leistung (vgl. Palandt/Sprau BGB 72. Aufl. § 779 Rn. 12).
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b) Bei einem Vergleich, bei dem sich die Parteien auf eine Vertragsbeendigung gegen Zahlung eines Abfindungsbetrags einigen, sind weitere Besonderheiten zu beachten. So mag es für den Spieler wirtschaftlich durchaus interessant sein, eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme selbst zu erbringen, weil er ein besonders lukratives Vertragsangebot bei einem neuen Verein besitzt, bei dessen Annahme die Höhe der Entschädigung in der Gesamtschau letztlich nicht mehr ins Gewicht fällt. Aus Sicht des Vereins mag es eine Rolle spielen, ob für den wechselwilligen Spieler derzeit überhaupt ein Ersatzspieler verpflichtet werden kann, ob dem wechselwilligen Spieler in der Mannschaft eine Schlüsselrolle zukam usw. Dies alles sind Umstände, die eine objektive Bewertung einer Ablösesumme erschweren (vgl. BVerfG 29. Mai 2006 - 1 BvR 240/98 - Rn. 35, BVerfGK 8, 126). Es gilt hier nichts anderes als bei einem Abfindungsvergleich im Kündigungsschutzprozess, bei dem im Nachhinein der Arbeitgeber grundsätzlich nicht geltend machen kann, die gezahlte Abfindung sei überhöht gewesen. Wie sich der Arbeitgeber bei einem Abfindungsvergleich durch die Zahlung der Abfindung Planungs- und Rechtssicherheit erkauft und hierfür den „gerechten Preis“ selbst bestimmt (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2), gilt dies auch in dem umgekehrten Fall für die Festsetzung der Höhe einer Ablösesumme. Bei Abschluss eines Abfindungsvergleichs nehmen die Parteien typischerweise in Kauf, dass der Wert ihrer jeweils versprochenen Gegenleistung nicht deren tatsächlichem und objektivem Wert entspricht. Die Höhe der Abfindung ist letztlich stets eine gegriffene Größe. Der Grundsatz der Vertragstreue gebietet es in diesen Fällen, dass sich die Parteien trotz eines möglicherweise „schlechten Geschäfts“ an der Vereinbarung festhalten lassen müssen. Ist der Wortlaut bei einem Abfindungsvergleich eindeutig, so kommt grundsätzlich weder eine Nachforderung noch eine spätere Rückforderung der Leistung in Betracht (so zutreffend Fischer in BeckOK BGB Stand 1. Februar 2013 § 779 Rn. 31).
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c) Ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist im gegenseitigen Nachgeben bei Abschluss des Vergleichs nicht zulasten des Klägers festzustellen. Auch wenn man zugrunde legt, dass der Kläger einen objektiv feststellbaren Marktwert gehabt hat und die Parteien bei Vertragsabschluss von unterschiedlichen Vorstellungen ausgegangen sind - der Kläger von einem Marktwert von null bis 10.000,00 Euro, der Beklagte von 50.000,00 bis 100.000,00 Euro -, führt dies nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Wenn sich der Beklagte von einem jungen, unstreitig talentierten Spieler, der bereits in die Jugendnationalmannschaft berufen worden war und deshalb für den Verein in der Zukunft noch von Bedeutung hätte sein können, nur gegen einen Betrag von 40.000,00 Euro trennen wollte, verstößt dies nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Der Beklagte, der dem wechselwilligen Kläger letztlich entgegengekommen ist, schätzte den objektiven Marktwert des Klägers noch viel höher ein. Eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten bei Vertragsabschluss ist nicht festzustellen.
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d) Auch eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung aller weiteren Umstände führt nicht zu einer Beurteilung der Aufhebungsvereinbarung als sittenwidrig.
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Der Beklagte hat seine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit oder die schwächere Lage des Klägers nicht ausgenutzt. Zwar war der Kläger bei Vergleichsabschluss am 18. August 2008 noch minderjährig. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zur Bejahung des Merkmals der Unerfahrenheit oder intellektuellen Unterlegenheit. Denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre bei dem Beklagten Vertragsspieler, versuchte eine Wechselmöglichkeit zu einem größeren Verein wahrzunehmen, war bei Abschluss des Vergleichs über 17 Jahre alt und schloss die Vereinbarung mit anwaltlicher Beratung und Hinzuziehung der Eltern. Er kündigte den Spielervertrag fristlos und focht ihn an, wobei er die „psychische Drucksituation“ nicht schlüssig mit Tatsachen untersetzt hat. Der Aufenthalt in einem Internat, der im sportlichen Bereich selbstverständliche Vergleich mit dem Mitspieler K oder der Wunsch des Klägers, den Verein zu wechseln, begründen auch in der Zusammenschau ohne nähere Substanziierung keine „Zwangslage“. Zudem könnte zu einer Vertragsaufhebung weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber gezwungen werden (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee der Gründe, BAGE 113, 327 = AP BGB § 612a Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 612a Nr. 2).
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III. Als Vergleich ist der Aufhebungsvertrag vom 18. August 2008 nicht nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam.
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1. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleiches nach § 779 Abs. 1 BGB ist, dass der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspricht und der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ein Sachverhalt ist dann als feststehend zugrunde gelegt, wenn er den Beteiligten nicht oder nicht mehr ungewiss ist und von ihnen als wesentliche Voraussetzung der Streitbeilegung betrachtet wird (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - Rn. 14, MDR 2008, 399). Ein etwaiger Irrtum über einen Umstand, der vor dem Vergleich als streitig und ungewiss angesehen wurde und deshalb Gegenstand der Streitbeilegung war, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 28, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2002 § 781 Nr. 2). Ebenso wenig hat ein reiner Rechtsirrtum der Parteien ohne jeden Irrtum über Tatsachen die Unwirksamkeit des Vergleichs zur Folge (BGH 18. Dezember 2007 - XI ZR 76/06 - aaO).
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2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, die Parteien hätten bei Abschluss der streitgegenständlichen Vereinbarung nicht übereinstimmend zugrunde gelegt, dass der Vertragsspielervertrag vom 12. März 2006 wirksam sei. Dabei hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei aus den rechtlichen Argumenten, die der damalige Bevollmächtigte des Klägers im Kündigungs- und Anfechtungsschreiben vom 26. Juni 2008 anführte, geschlossen, der Kläger stelle den Vertrag von Anfang an infrage. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte § 9 des Spielervertrages für „sittenwidrig“ gehalten und beanstandet, dass der Urlaub nicht geregelt wurde.
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Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge ist teils unbegründet, teils unzulässig.
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a) Das Berufungsgericht hat keine Überraschungsentscheidung getroffen und dadurch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Auch die Revision räumt ein, dass die Parteien in der Berufungsinstanz darüber gestritten haben, ob sie bei Abschluss des Aufhebungsvertrages übereinstimmend davon ausgingen, der Vertragsspielervertrag sei wirksam. Daher konnte es nicht überraschend sein, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers nicht als unstreitig ansah. Die Bewertung, ob eine Tatsache streitig oder unstreitig ist, steht nach § 286 Abs. 1 ZPO dem Tatrichter zu. Das Berufungsgericht hat zur Begründung das Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Juni 2008 herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass es dabei gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Tatsachenvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen hätte.
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b) Die Rüge der unterlassenen Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung ist unzulässig.
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Bei einer auf § 286 ZPO gestützten Rüge wegen übergangenen Beweisantritts genügt es nicht, nur vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe angetretene Beweise nicht berücksichtigt. Es muss vielmehr nach Beweisthema und Beweismittel angegeben werden, zu welchem Punkt das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft eine an sich gebotene Beweisaufnahme unterlassen haben soll und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme hätte zeitigen können. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen Beweisantritt reicht dazu nicht aus. Erforderlich ist die Angabe der genauen vorinstanzlichen Fundstelle der übergangenen Beweisanträge nach Schriftsatz und - jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen - nach Seitenzahl. Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der Beweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 666/05 - Rn. 26, AP ZPO § 551 Nr. 64 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 5).
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Die Revision führt indes nicht aus, was die Zeugen (Zeugnis der Eheleute B) voraussichtlich ausgesagt hätten noch, dass diese überhaupt etwas zu der Streitfrage der subjektiven Vorstellungen der Parteien bei Vergleichsabschluss hätten aussagen können.
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IV. Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des am 12. März 2006 unter Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossenen Vertragsspielervertrages.
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1. Die Eltern brauchten bei ihrer Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft nicht die Genehmigung des Familiengerichts nach § 1643 Abs. 1 BGB. Nur der Vormund bedarf nach § 1822 Nr. 7 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn der Mündel bei Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zu persönlichen Leistungen für längere Zeit als ein Jahr verpflichtet werden soll. Für die Eltern gilt dies nicht (Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1643 Rn. 1 und § 1822 Rn. 14; Schlachter FamRZ 2006, 155, 156 f.; Staudinger/Engler [2004] § 1822 Rn. 84; Erman/S. C. Saar BGB 13. Aufl. § 1822 Rn. 23; NK-BGB/Fritsche 2. Aufl. § 1822 Rn. 26; OLG Köln 22. September 2000 - 6 U 19/96 - ZUM 2001, 166; aA MüKoBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1822 Rn. 40; Fomferek NJW 2004, 410 ff.; Soergel/Zimmermann 13. Aufl. § 1822 Rn. 31).
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2. Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht war der Vertragsspielervertrag auch nicht nach § 134 BGB iVm. § 5 JArbSchG unwirksam.
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a) Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 15 Jahre alt. Er war damit Jugendlicher iSv. § 2 Abs. 2 JArbSchG. Dieses Gesetz gilt für sämtliche Arten von Beschäftigungen, unabhängig von einem Arbeitnehmerstatus (§ 1 Abs. 1 JArbSchG). Allerdings finden gemäß § 2 Abs. 3 JArbSchG auf Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 SchulG MV in der Fassung vom 13. Februar 2006 betrug die Vollzeitschulpflicht in Mecklenburg-Vorpommern im Jahre 2008 neun Schuljahre. Daher endete die Vollzeitschulpflicht des Klägers mit Erreichen der 10. Klasse zum Schuljahr 2006/2007.
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b) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit nur leichten und für Kinder geeigneten Arbeiten iSv. § 5 Abs. 3 JArbSchG beschäftigt wurde. Denn jedenfalls würde ein Verstoß hiergegen im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zu keiner Unwirksamkeit des Vertragsspielervertrages führen. Der Kläger hatte bei Vergleichsabschluss die Altersgrenze überschritten (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 12; HWK/Tillmanns 5. Aufl. § 5 JArbSchG Rn. 2). Der Schutzzweck des JArbSchG, Kinder vor einer nicht entwicklungsgerechten Arbeit und vor Ausbeutung zu schützen, greift nicht ein, wenn der Beschäftigte mittlerweile den Status eines Jugendlichen hat, für den andere Beschäftigungsbegrenzungen gelten. Das Beschäftigungsverbot soll den Minderjährigen nur schützen, nicht aber zum Verlust eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses führen, das mittlerweile zulässig ist (HWK/Tillmanns aaO).
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V. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
-
Hauck
Böck
Breinlinger
Burr
N. Reiners
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
- 14
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
- 21
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
- 22
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.
(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn
- 1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage), - 2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung), - 2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage), - 3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder - 4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners H. E. gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO Befriedigung aus vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerten von vier kapitalbildenden Lebensversicherungen, hilfsweise Schadensersatz.
- 2
- Zur Sicherung von Kreditforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 610.000 DM trat der Schuldner ihr Anfang Dezember 1995 aus zwei bei der V. Lebensversicherungs AG und zwei bei der G. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungsverträgen seine sämtlichen gegenwärtigen und künftige Rechte und Ansprüche für den Todesfall ab.
- 3
- die Für Abtretungserklärungen fand ein Formular der Klägerin Verwendung, das unter der Nr. 1 die Möglichkeit eröffnet, die Abtretung durch Ankreuzen entsprechender Textstellen auf die Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a) und/oder für den Erlebensfall (Nr. 1 b) zu erstrecken. In den vier Abtretungserklärungen ist jeweils angekreuzt, die Abtretung umfasse die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe. Weiter heißt es unter Nr. 1 der Formulare: "Die Abtretung für den Erlebensfall umfaßt auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1."
- 4
- Durchgestrichen ist in den vier Abtretungsurkunden jeweils der nachfolgende Absatz: "3 Entfallen der Steuerbegünstigung Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß durch diese Abtretung die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung (Sonderausgabenabzug für die Prämien, Steuerfreiheit der Zinsen) entfallen kann, §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dem Versicherungsnehmer wird empfohlen , diese Angelegenheit mit einem Berater in Steuerfragen zu besprechen."
- 5
- Im Übrigen heißt es in den Formularen unter anderem: "4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umzuwandeln, die Versiche- rung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im voraus. … 4.4 Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung der unter Nr. 4.1 genannten Rechte durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung der Sparkasse möglich, soweit dadurch Rechte der Sparkasse aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten."
- 6
- Am 2. April 1998 trat der Schuldner aus den beiden bei der V. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen zusätzlich auch sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte auf den Erlebensfall an die Klägerin ab. Alle Abtretungen wurden den beiden Versicherern angezeigt.
- 7
- Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Klägerin die Darlehen, meldete beim Beklagten daraus Forderungen in Höhe von 204.193,53 € an und teilte mit, ihr stehe aus den vorgenannten Abtretungen ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zu.
- 8
- Der Beklagte, der dieses Recht bestreitet und gegen die Abtretungen der Versicherungsleistungen auf den Erlebensfall die Einrede der Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung erhebt, hat die vier Lebensversicherungen gekündigt und deren Rückkaufswerte, insgesamt 92.849,52 €, eingezogen.
- 9
- Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr - hilfsweise im Wege des Schadensersatzes - die eingezogenen Rückkaufswerte auskehren. Unter Abzug von 4% Feststellungskosten und unter Zubilligung von Rechtsanwaltsgebühren für die Kündigungen der Versicherungsverträge fordert die Klägerin die Zahlung von 89.092,62 €.
- 10
- Landgericht Das hat der Klage in Höhe eines Betrages von 89.033,12 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 11
- DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 12
- A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös der eingezogenen Rückkaufswerte noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Abtretung der Todesfallleistungen aus den vier Lebensversicherungen verschaffe der Klägerin kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Soweit sie ihr Begehren daneben auf die Abtretung der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen stütze, stehe dem die Einrede der Anfechtbarkeit aus § 146 Abs. 2 InsO entgegen.
- 13
- I. Die Auslegung der Abtretungserklärungen vom Dezember 1995, insbesondere ein Vergleich der jeweiligen Nummern 4.1 und 4.4 des Formulartextes, ergebe, dass die Abtretungen der Todesfallleistungen nicht die Rechte des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert er- fasst hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien die Abtretung ersichtlich steuerunschädlich hätten gestalten wollen, wie auch der Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 des Formulars über die Abtretungserklärung entnommen werden könne. Den Bestimmungen der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1992 Rechnung zu tragen und dem Kreditgeber die steuerlichen Vorteile (Abzugsfähigkeit der Prämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Zinsen) zu erhalten, sei nur mittels solcher Abtretungen zu erreichen gewesen, die die Rückkaufswerte nicht erfassten. Auch wenn die Abtretungen die Kreditgeberin danach allein vor dem Ausfall von Zins- und Tilgungsleistungen wegen Todes des Kreditnehmers, nicht jedoch vor einer Insolvenz des Kreditnehmers geschützt hätten, seien sie nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen.
- 14
- II. Die am 2. April 1998 erklärten Abtretungen der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen seien wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar, weshalb der Beklagte dem Leistungsbegehren insoweit die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten könne.
- 15
- Durch die innerhalb der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erklärten Abtretungen seien Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden. Darauf sei auch der - jedenfalls bedingte - Vorsatz des Schuldners gerichtet gewesen. Dafür spreche vor allem, dass der Klägerin ohne jede Gegenleistung eine Sicherheit eingeräumt worden sei, auf die kein Anspruch bestanden habe, und dass die Klägerin zur Zeit der Abtretungserklärungen ausweislich einer von ihr selbst erstellten Vermögensbewertung gewusst habe, dass der Schuldner in einer finanziell äußerst beengten Lage gewesen sei.
- 16
- Eine - hier vorliegende - inkongruente Deckung bilde regelmäßig ein starkes Indiz sowohl für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers davon. Die Abtretung der Erlebensfallleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen habe die Klägerin weder aufgrund der Darlehensverträge noch aus einem allgemeinen Anspruch auf Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen können. Es stelle auch keine Gegenleistung der Klägerin dar, dass sie dem Schuldner den zur Zeit der Abtretungserklärungen aufgelaufenen Ratenrückstand von 30.000 DM anlässlich der Abtretung vorläufig gestundet habe, weil diese Forderung bei Fälligstellung ohnehin nicht ohne Weiteres zu realisieren gewesen wäre. Insoweit werde die Inkongruenz nicht ausgeschlossen.
- 17
- Für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spreche neben den genannten Indizien, dass der Schuldner zur Zeit der Abtretungserklärungen erhebliche Verbindlichkeiten, unter anderem aus bereits seit Herbst 1996 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben für seine Mitarbeiter, aus offenen Versicherungsprämien für Unfall- und Rechtsschutzversicherungen , aus unbezahlten Telefonrechungen und Kfz-Leasing-Raten, ferner aus der Haftung für Baumängel und offenen Steuerberater- und Architektenhonorarforderungen gehabt und nicht habe davon ausgehen können, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit seien das substantiierte Vorbringen des Beklagten von der Klägerin lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten und auch im Übrigen die für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Klägerin maßgeblichen Beweisanzeichen nicht entkräftet.
- 18
- Da III. die Ansprüche auf die Rückkaufswerte beim Schuldner verblieben seien, habe sich der Beklagte mit deren Einziehung auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht.
- 19
- B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 20
- I. Die am 1. Dezember 1995 erklärten Abtretungen der Ansprüche auf den Todesfall aus den vier Lebensversicherungen haben die jeweiligen Ansprüche auf die Rückkaufswerte nicht mit erfasst. Der Klägerin steht deshalb weder ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) aus den vom Beklagten eingezogenen Beträgen noch ein Schadensersatzanspruch zu.
- 21
- Der Versicherungsnehmer kann über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unterschiedlich verfügen. Das gilt nicht nur für die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II), sondern auch für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag. Auch dann, wenn aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherheit abgetreten werden , gibt es für die Frage, ob damit zugleich der Anspruch auf den Rückkaufswert abgetreten ist, keinen generellen Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall. Gegen eine Übertragung der Grundsätze der zur Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ergangenen Entscheidung BGHZ 45, 162 ff. auf die Sicherungszession von Ansprüchen auf den Todesfall spricht bereits, dass sich diese Entscheidung vorwiegend auf Erwägungen zur familiären Fürsorge des Versicherungsnehmers stützt, die auf die Motivlage bei der Sicherungs- zession nicht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 c). Der erkennende Senat (aaO) hat zudem mit Blick auf die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung bereits ausgesprochen , dass für die Zuordnung der Ansprüche nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion oder Bedingungshierarchie, sondern allein der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte, durch Auslegung zu ermittelnde Gestaltungswille des Versicherungsnehmers entscheidend ist (vgl. dazu auch Herrmann, Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer, Diss. 2003 S. 92 ff.).
- 22
- gilt Das für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag in gleicher Weise. Auch hier unterliegt es im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien, auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt. Ob sie auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
- 23
- 1. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt schon der Wortlaut der Abtretungserklärungen, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung der Ansprüche auf den Todesfall jeweils nicht mit erfasst wurde.
- 24
- Selbst wenn die Formulierung unter Nr. 1 der Abtretungserklärungen , es würden "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche … für den Todesfall in voller Höhe" abgetreten, es für sich genommen noch möglich erscheinen ließe, dass auch der Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst sein sollte, wird dies durch die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärungen ausgeschlossen.
- 25
- a) Nach deren Nr. 1 b umfasst die - hier nicht gewählte - Abtretung der Rechte und Ansprüche für den Erlebensfall auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gemäß Nr. 4.1. Dort ist geregelt, dass die Sparkasse aus wichtigem Grund, insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, unter anderem den Lebensversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert erheben könne. Der vom Berufungsgericht gezogene Umkehrschluss , dass das im Falle der Abtretung ausschließlich der Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a der Abtretungserklärungen) demnach nicht gelte , wird durch Nr. 4.4 bestätigt, wonach der Versicherungsnehmer die in Nr. 4.1 genannten Rechte nur mit Zustimmung der Sparkasse ausüben darf, was gerade voraussetzt, dass ihm diese Rechte (nicht nur das Kündigungsrecht , sondern auch das Recht zur Erhebung des Rückkaufswertes ) zunächst verbleiben.
- 26
- b) Zu Unrecht meint die Revision, die Regelung in Nr. 4.4 der Abtretungserklärungen müsse sich allein auf das Kündigungsrecht beziehen , weil der Zustimmungsvorbehalt nur den einen Zweck haben könne, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Das steht schon im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die von den unter Nr. 4.1 genannten Rechten spricht und nur "insbesondere" die Kündigung als eines dieser Rechte hervorhebt. Im Übrigen macht der Zustimmungsvorbehalt in Nr. 4.4 auch dann Sinn, wenn der Anspruch auf den Rückkaufswert beim Versicherungsnehmer verbleibt. Denn eine Kündigung des Versicherungsvertrages führt dazu, dass der Versicherer die Todesfallleistung, also das zentrale Sicherungsinstrument , welches die Sicherungsnehmerin vor Zahlungsausfall durch Tod des Darlehensnehmers schützen soll, nicht mehr erbringen muss. Vor dieser Folge wird die Sicherungsnehmerin durch den Zustimmungsvorbehalt geschützt.
- 27
- 2. Im Einklang mit diesem aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen gewonnenen Ergebnis steht, dass die Beschränkung der Zession zu dem Zweck erfolgte, dem Versicherungsnehmer die steuerliche Privilegierung für die vier Lebensversicherungsverträge dadurch zu erhalten, dass die Rückkaufswerte nicht für die Darlehenssicherung herangezogen wurden. Das zeigt schon die Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 der Formulare über die Abtretungserklärungen. Mit ihr wurde zum Ausdruck gebracht, dass Zedent und Zessionarin übereinstimmend davon ausgingen, die Abtretungen hätten keine nachteiligen Konsequenzen für die steuerrechtliche Begünstigung der von den Abtretungen betroffenen Lebensversicherungsverträge.
- 28
- a) Insoweit erschließt sich der Zweck der hier gewählten Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerrechtlichen Privilegierung von Kapitallebensversicherungen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 10-18; Janca ZInsO 2003, 449, 452; Wagner VersR 1998, 1083).
- 29
- Prämienzahlungen aa) für Kapitallebensversicherungen mit mindestens 12-jähriger Laufzeit konnten nach der bis zum Februar 1992 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG - im Rahmen von Höchstbezügen - als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Infolgedessen wurden Lebensversicherungen vermehrt zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen (s. dazu BT-Drucks. 12/1108 S. 55 ff.). Dem ist der Gesetzgeber, der darin einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung sah, durch das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297) entgegengetreten (vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/1108 aaO).
- 30
- bb) Seither sind Lebensversicherungsverträge grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der versicherten Person (d.h. mit der "Erlebensfallleistung") der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
- 31
- b) Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich ergab sich aus der Gesetzesänderung, dass seit Ende Februar 1992 die genannten steuerlichen Vorteile unter anderem dann erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden (vgl. dazu Janca aaO S. 452 m.w.N. in Fn. 51). Umgekehrt sahen die Finanzbehörden eine Erstreckung der Darlehenssicherung auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung als "steuerschädlich" an (vgl. dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Mai 1994 - IV B 2 - S 2134 - 56/94 - NJW 1994, 1714). War es bis Anfang 1992 bei Sicherungsabtretungen der Rechte aus Lebensversicherungen die Regel, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abzutreten (Janca aaO), gingen Banken und Sparkassen in der Folgezeit dazu über, sich nur noch die Ansprüche für den Todesfall abtreten zu lassen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 17, 18; Wagner aaO; Meyer-Scharenberg DStR 1993, 1768 1774), um so eine "steuerunschädliche" Verwendung der Lebensversicherungen zu gewährleisten , das heißt ihren Kunden die bisherigen Steuervorteile zu erhalten und damit deren Entscheidung für eine Sicherungsabtretung zu erleichtern.
- 32
- Dafür, dass die Parteien der Sicherungszessionen hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts.
- 33
- 3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch nicht gegen den Grundsatz interessengerechter Auslegung verstoßen, weil seine Lösung zur Folge hat, dass die gewährte Sicherheit im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers versagt.
- 34
- Schon wegen des dargelegten steuerrechtlichen Hintergrundes spricht alles dafür, dass die Klägerin die vier Lebensversicherungsverträge zunächst bewusst nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck heranziehen wollte, gegen Kreditratenausfall durch Tod des Darlehensnehmers geschützt zu sein (vgl. Herrmann aaO; Wagner aaO; Janca aaO). Die Absicherung (allein) gegen den vorzeitigen Tod des Darlehensnehmers ist für die Kreditgeberin auch nicht wirtschaftlich sinnlos , sondern schützt vor einem wesentlichen Kreditausfallrisiko.
- 35
- Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht im Übrigen gerade der Umstand, dass die Klägerin sich im April 1998 zusätzlich zu den ihr schon übertragenen Ansprüchen auf den Todesfall alle weiteren Rechte aus den beiden bei der V. Versicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen gesondert übertragen ließ, als sich wirtschaftliche Probleme des Darlehensnehmers abzeichneten. Das belegt, dass auch die Klägerin die vorherige Abtretung noch nicht als insolvenzfeste Absicherung ansah.
- 36
- II.OhneRechtsfehler hat das Berufungsgericht diese Abtretungen der Ansprüche auf den Erlebensfall vom 2. April 1998 für anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 Abs. 1 InsO erachtet. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen gegeben.
- 37
- 1. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Insolvenzverwalter liegt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 - ZIP 2003, 1799 unter II 1 a m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet aber die Inkongruenz der angefochtenen Leistung ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 253; BGH, Urteile vom 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - ZIP 2004, 1060 unter II 1 c, bb; vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00 - ZIP 2004, 1160 unter II 3 b, aa; vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190 unter II 2 a, aa). Die aus der Inkongruenz der Leistung folgende Beweiserleichterung ist bei der Vorsatzanfechtung auch außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Anfechtungsgegners Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
- 38
- a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abtretung der Erlebensfallansprüche als Gewährung einer inkongruenten Deckung angesehen. Auf diese Abtretung hatte die Klägerin keinen Anspruch. Zwar hatte ein früherer Darlehensvertrag vom 22. Juni 1994 zunächst eine Besicherung ihrer Forderungen durch Bestellung einer Grundschuld vorgesehen. Da das dafür in Aussicht genommene Grundstück jedoch nie in das Eigentum des Schuldners gelangt war, wurde stattdessen die streitgegenständliche Sicherungsabtretung vereinbart. Leistet der Schuldner eine andere Sicherheit als geschuldet, ist die Leistung inkongruent, wenn die Abweichung nicht geringfügig ist (MünchKomm-lnsO/Kirchhof, § 131 Rdn. 37). Die Geringfügigkeit der Abweichung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
- 39
- Zu Unrecht beanstandet die Revision an dieser Stelle, der Tatrichter habe nicht berücksichtigt, dass die Abtretungen nicht im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Insolvenz geschahen. Die von der Revision dazu herangezogene Rechtsprechung, wonach die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung um so weniger ins Gewicht fällt, je länger die angefochtene Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt (BGHZ 157, 242, 254), betrifft nämlich nicht den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern allein die Frage Kenntnis des anderen Teils hiervon (vgl. dazu unten 2.).
- 40
- b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Liquidität des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Abtretung sehr angespannt war.
- 41
- Ob hier vom Vorliegen eines einfachen oder eines starken Beweisanzeichens für den Benachteiligungsvorsatz auszugehen war, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht ein weiteres Indiz zu Recht daraus hergeleitet hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung erhebliche Verbindlichkeiten hatte, nicht davon ausgehen konnte, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können, und die Abtre- tungen dazu dienten, Beitreibungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu verhindern. Ein Schuldner, der weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und dennoch die Forderungen eines einzelnen Gläubigers befriedigt oder ihm eine zusätzliche Sicherheit verschafft, rechnet mit einer dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Dies genügt für die Annahme des Vorsatzes im Sinne des § 133 InsO (BGHZ 131, 189, 195; BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO unter II 1 c, bb; vom 11. März 2004 aaO unter II 1 c, cc; vgl. ferner BGHZ 167, 190, 194 f.). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin die im Einzelnen vorgetragenen und durch die Vorlage von Urkunden belegten Forderungen der Gläubiger lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten hat.
- 42
- 2. Auf Grund der tatrichterlichen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
- 43
- a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Kenntnis zu vermuten, wenn der Anfechtungsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (vgl. dazu BGHZ 155, 75, 85; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 aaO).
- 44
- Der Tatrichter hat aus dem eigenen Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Urkunden - insbesondere der im Hause der Klägerin erstellten Vorlage an den eigenen Vorstand vom 26. März 1998 - ihre Kenntnis entnommen, dass sich der Schuldner damals in einer finanziell äußerst beengten Lage befand. In dieser Vorlage heißt es am Schluss: "Der bisher erzielte Gewinn ... war ... nicht ausreichend. Liquiditätsprob- leme werden sich, sofern die avisierten Großaufträge nicht eintreffen, nicht lösen." Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin bereits das Schreiben des Schuldners vom 4. März 1998, aus dem die Revision ableitet , die Klägerin habe nicht von dauerhaft beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners ausgehen müssen. Die anders lautende tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist danach nicht nur möglich , sondern auch nahe liegend.
- 45
- Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht auch nicht den als Zeugen angebotenen Mitarbeiter S. der Klägerin zu vernehmen. In das Wissen des Zeugen war gestellt, der Schuldner habe sich aus einem größeren Bauvorhaben, das nicht zustande gekommen ist, eine Provision von 1% bis 1,5% des Bauvolumens erhofft. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Klägerin selbst habe - wie ihre erwähnte Vorlage belege - nie auf diese Hoffnung des Schuldners gebaut.
- 46
- Dass die Klägerin die Gläubiger benachteiligende Wirkung der Abtretung nicht erkannt habe, macht die Revision selbst nicht geltend.
- 47
- b) Im Übrigen ist die Inkongruenz der Abtretung auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis der Klägerin von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 157, 242, 250 ff.; BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO unter II 1 d; vom 22. April 2004 aaO unter II 3 c), wobei es genügt, dass ihr die Tatsachen bekannt waren, die den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen (BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO; vom 22. April 2004 aaO). Dass sie statt der geschuldeten eine andere Sicherheit erhielt, wusste die Klägerin.
- 48
- c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Klägerin weder die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO noch das Beweisanzeichen der Inkongruenz entkräftet hat.
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2004 - 10 O 209/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.05.2005 - 6 U 168/04 -
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.
- 2
-
Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.
- 3
-
Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:
-
„§ 1
Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.
§ 2
Vertragsinhalt sind
1.
die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),
2.
die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,
wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“
- 4
-
Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:
-
„Präambel
Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“
- 5
-
In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:
-
„§ 2
Grundlagen des kirchlichen Dienstes
(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
…
§ 4
Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses
(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.
(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.
(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.
(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“
- 6
-
In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:
-
„Vorwort
Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.
…
Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.
…
Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.
…
1.
Berufskleidung
…
●
In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.
●
Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.
…
12.
Allgemeine Hinweise
●
Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.
●
Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.
●
Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.
…“
- 7
-
Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:
-
„…
Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.
Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.
Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.
…“
- 8
-
Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:
-
„…
Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.
Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.
…
Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.
…“
- 9
-
Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:
-
„…
Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.
Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.
Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre
Arbeitsleistung
an.
Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.
Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.
…“
- 10
-
Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:
-
„…
Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.
…“
- 11
-
Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.
- 12
-
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
- 13
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.
- 14
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 15
-
Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- 16
-
A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.
- 17
-
I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).
- 18
-
II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.
- 19
-
B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.
- 20
-
I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.
- 21
-
II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.
- 22
-
1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).
- 23
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2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.
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a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.
- 25
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b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.
- 26
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aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.
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bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).
- 28
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(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).
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(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.
- 30
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c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.
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III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.
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1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.
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2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.
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C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.
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II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.
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1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).
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a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.
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b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.
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aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.
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bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.
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(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).
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(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.
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(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
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2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.
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a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).
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Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).
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b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.
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aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.
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bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).
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(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).
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(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.
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(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).
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(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).
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(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.
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cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:
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(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.
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(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.
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(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.
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(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.
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(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.
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(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.
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(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.
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(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.
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3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.
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Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.
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4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.
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a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).
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b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.
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5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).
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6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.
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a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).
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aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).
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(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).
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(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).
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b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.
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Müller-Glöge
Biebl
Weber
Dittrich
Dombrowsky
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
- 6
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
- 7
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
- 27
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. Februar 2012 - 18 Sa 867/11 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs.
- 2
-
Die Beklagte, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein Krankenhaus. Die 1978 geborene Klägerin gehört dem islamischen Glauben an. Sie wurde von der Beklagten, bei der sie zunächst seit 1996 eine Ausbildung absolviert hatte, in ein Arbeitsverhältnis übernommen.
- 3
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Im Arbeitsvertrag vom 22. Dezember 2000 heißt es ua.:
-
„§ 1
Frau T … wird mit Wirkung vom 01.02.2001 als Krankenschwester weiterbeschäftigt.
§ 2
Vertragsinhalt sind
1.
die Bestimmungen des Bundes-Angestellten-tarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassung (BAT-KF),
2.
die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen,
wie sie aufgrund des Kirchengesetzes über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechtsregelungsgesetz - ARRG) und seinen Änderungen geregelt sind.“
- 4
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Die Präambel des Bundes-Angestelltentarifvertrags in kirchlicher Fassung (im Folgenden: BAT-KF) lautet:
-
„Präambel
Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. Nach ihren Gaben, Aufgaben und Verantwortungsbereichen tragen die kirchlichen Mitarbeitenden, wie es in der ‚Richtlinie des Rates der EKD nach § 9 Buchstabe b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes der EKD‘ in der Fassung vom 1. Juli 2005 bestimmt ist, zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Ihr gesamtes Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes muss der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeitende im Dienst der Kirche übernommen haben. Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“
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In der „Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. b Grundordnung über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und des diakonischen Werkes der EKD“ (im Folgenden: RL-EKD) heißt es auszugsweise:
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„§ 2
Grundlagen des kirchlichen Dienstes
(1) Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen in Kirche und Diakonie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
…
§ 4
Berufliche Anforderungen während des Arbeitsverhältnisses
(1) Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der evangelischen Kirche zu verhalten.
(2) Von evangelischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, Unterweisung oder Leitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht.
(3) Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie Schrift und Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten.
(4) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.“
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In einer zwischen der Beklagten und der Mitarbeitervertretung geschlossenen „Dienstvereinbarung zur Personalhygiene …“ vom 24. August 2009 ist ua. geregelt:
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„Vorwort
Die A gGmbH stellt den Mitarbeitern unentgeltlich Berufs- und Schutzkleidung zur Verfügung, soweit dies nach den gesetzlichen oder anerkannten Regeln der Krankenhaushygiene und des Arbeitsschutzes erforderlich ist.
…
Die Bereitstellung der Dienstkleidung durch den Arbeitgeber hat zum Ziel, ein einheitliches Erscheinungsbild nach außen zu dokumentieren und damit die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) und Hygienevorschriften zu erleichtern.
…
Die Umsetzung dieser Dienstanweisung ist für alle Mitarbeiter verbindlich.
…
1.
Berufskleidung
…
●
In den Abteilungen und Bereichen des Krankenhauses, in denen Berufs- und Schutzkleidung zu tragen ist, ist das Tragen von sonstiger Privatkleidung (z.B. Jeans, Pullover, Halstuch, Kopftuch) untersagt. Bei Dienstwegen außerhalb des Krankenhauses (Personalabteilung) kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden, ebenso bei Zeiten außerhalb der direkten Patientenbetreuung kann eine Strickjacke, Pullover über der Berufskleidung getragen werden.
●
Die Berufskleidung ist regelmäßig der Aufbereitung der Krankenhauswäscherei zuzuführen. Die Berufskleidung darf auf keinen Fall zu Hause gewaschen werden.
…
12.
Allgemeine Hinweise
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Vor Betreten der Cafeteria ist der Dienstkittel in der Garderobe abzulegen.
●
Das Tragen von Kopftüchern ist während der Arbeitszeit nicht gestattet.
●
Das Tragen von Stethoskopen in der Cafeteria ist untersagt.
…“
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Die Klägerin befand sich vom 27. März 2006 bis zum 28. Januar 2009 in Elternzeit. Anschließend war sie arbeitsunfähig krank. Mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 26. April 2010 wandte sich die Klägerin wegen einer von ihr gewünschten Wiedereingliederung an die Beklagte und teilte gleichzeitig mit, sie wolle aus religiösen Gründen während ihrer Tätigkeit ein Kopftuch tragen. In einem weiteren Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 18. Mai 2010 heißt es ua.:
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„…
Frau T teilte uns mit, dass Sie sich bei ihr noch nicht bezüglich der gewünschten Wiedereingliederung gemeldet haben.
Wir bitten Sie, mit Frau T Kontakt aufzunehmen und Ihr Zeit und Ort für die Wiederaufnahme der Tätigkeit bis zum 21.05.2010 mitzuteilen.
Mit diesem Schreiben bieten wir offiziell die Arbeitskraft unseres Mitgliedes an und werden, sollte eine Reaktion Ihrerseits nicht erfolgen, arbeitsrechtliche Schritte zur Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs einleiten.
…“
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Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 25. Mai 2010, in dem ua. ausgeführt wird:
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„…
Ihre Mandantin hatte darum gebeten, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Wie Ihnen bekannt ist, besteht auf die Durchführung eines solchen Verfahrens kein Rechtsanspruch. Unsere Mandantin hatte sich gleichwohl dazu bereit erklärt unter der Voraussetzung, dass die Kleiderordnung eingehalten wird. Gem. Ziffer 12 ist das Tragen von Kopftüchern während der Arbeitszeit nicht gestattet. Die Kleiderordnung ist seinerzeit gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung beschlossen worden.
Wie Sie in Ihrem Schreiben vom 26.4.2010 mitteilen, trägt Frau T das Kopftuch aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung. Bei unserer Mandantin handelt es sich um ein konfessionelles Krankenhaus. In konfessionellen Krankenhäusern hat der Arbeitgeber ein Direktionsrecht dahingehend, dass er das Tragen von Kopftüchern verbieten kann.
…
Unsere Mandantin besteht nach wie vor darauf, dass das Kopftuchverbot eingehalten wird. Sobald die entsprechende Zustimmung Ihrer Mandantin vorliegt, kann ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt werden.
…“
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Mit Schreiben ihrer jetzigen Bevollmächtigten vom 25. August 2010 wandte sich die Klägerin wie folgt erneut an die Beklagte:
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„…
Unsere Mandantin befindet sich seit Beginn ihrer Ausbildung im Kalenderjahr 1996 bis heute bei Ihnen in einem Arbeitsverhältnis als Krankenschwester. Aufgrund einer längeren Erkrankung nach Beendigung ihrer Elternzeit im Januar 2009 sollte sie ab dem 23.08.2010 ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. In Absprache mit Ihnen und ihrem Hausarzt wurde ein Wiedereingliederungsplan erarbeitet.
Als unsere Mandantin Ihnen am 23.08.2010 Ihre Arbeitsleistung anbot, erklärten Sie unserer Mandantin, dass sie ihr Kopftuch während der Arbeitszeit ablegen müsse. Mit einem Kopftuch tragend brauche sie nicht zu erscheinen. Sie drohten Ihr an, dass sofern Sie dies nicht täte, ihr gegenüber eine Kündigung ausgesprochen werden würde. Unsere Mandantin ist aus tief religiösen Gründen nicht geneigt, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen.
Hiermit bieten wir Ihnen namens und im Auftrage unserer Mandantin nochmals ihre
Arbeitsleistung
an.
Unsere Mandantin ist bereit, unverzüglich die Arbeit in Ihrem Hause aufzunehmen.
Bitte teilen Sie uns mit, wann unsere Mandantin zum Dienst erscheinen soll.
…“
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Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 30. August 2010 ua.:
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„…
Auf das in Kopie beigefügte Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 18.5.2010 haben wir bereits am 25.5.2010 geantwortet. Auch von diesem Schreiben fügen wir eine Kopie bei, auf das wir vollinhaltlich Bezug nehmen. Daher ist das ‚Angebot‘ Ihrer Mandantin zur Arbeitsaufnahme nicht ordnungsgemäß erfolgt.
…“
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Mit ihrer am 4. November 2010 eingereichten, mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für den Zeitraum 23. August 2010 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei mit der Annahme ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten. Durch ein kleines, farblich an die Dienstkleidung angepasstes, im Nacken gebundenes Kopftuch, wie sie es schon zwischen dem 19. September und Ende Dezember 2005 getragen habe, werde sie nicht daran gehindert, ihre Arbeitsleistung als Krankenschwester zu erbringen. Der Betriebsablauf werde hierdurch nicht beeinträchtigt. Das Verbot, ein Kopftuch, das ihre weiblichen Reize verdecke, oder eine - wie von der Beklagten in Gesprächen ebenfalls untersagt - vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, schränke sie unzulässig in ihrer Glaubensfreiheit und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein. Sie werde dadurch wegen ihrer Religion benachteiligt. Im Koran fänden sich Aussagen zur Bedeckungspflicht der Frau. Ihr ganzer Körper, ausgenommen das Gesicht und die Hände, sei Aura. Diese Aussagen würden zwar von den islamischen Religionslehrern nicht einheitlich ausgelegt, es bleibe aber zumindest die Aufforderung zu anständiger Bekleidung, Bedeckung der Haare oder Verhüllung bestimmter Teile des Körpers aus Gründen der Scham. Das in der Dienstvereinbarung zur Personalhygiene geregelte Verbot sei nicht wirksam. Das Kopftuch werde als religiöses Symbol getragen und könne nicht wie ein normales Kleidungsstück behandelt werden. Die Regelungen in der Präambel des BAT-KF und der Richtlinie des Rates der EKD seien unbestimmt. Aus dem Gebot eines loyalen Verhaltens könne allenfalls eine Neutralitätspflicht abgeleitet werden, die sie durch das Tragen eines Kopftuchs nicht verletze. Das Sichtbarmachen der eigenen Religion stelle keinen Loyalitätsverstoß iSv. § 4 RL-EKD dar. Das Kopftuch werde von der Allgemeinheit nicht mehr nur als Zeichen islamischer Religionszugehörigkeit, sondern auch als modisches Accessoire verstanden. Sie genieße zudem Vertrauensschutz, weil die Beklagte sie in Kenntnis ihrer islamischen Religionszugehörigkeit eingestellt und die Pflegedienstleitung früher das Tragen eines Kopftuchs nicht beanstandet habe. Die Reaktionen von Kollegen und Patienten, von denen viele zuvor keinen Kontakt zum Islam gehabt hätten, seien damals positiv gewesen.
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Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.313,54 Euro brutto nebst Zinsen nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Die Berechtigung es der Klägerin zu untersagen, während der Arbeitszeit ein Kopftuch zu tragen, ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD. Die Klägerin sei nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD verpflichtet, sich ihr gegenüber loyal zu verhalten, den kirchlichen Auftrag, wie er sich aus § 2 RL-EKD ergebe, zu beachten und ihre Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen. Hieraus resultiere - auch ohne konkretisierende Weisung oder Dienstvereinbarung - eine Neutralitätspflicht. Die Klägerin müsse demzufolge alles unterlassen, was als gegen die Evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stelle. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, die Kirche lasse eine Relativierung ihrer Glaubensüberzeugungen zu und halte ihre Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Die unterschiedlichen Religionen stünden sich als „Konkurrenten“ gegenüber, auch wenn sie sich gegenseitig respektieren und anerkennen würden. Als konfessionelles Krankenhaus könne sie sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV berufen. Die Glaubensfreiheit der Klägerin, der die konfessionelle Bindung der Einrichtung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses bekannt gewesen sei, müsse demgegenüber zurücktreten. Das Kopftuchverbot entspreche billigem Ermessen. Außerdem sei das Tragen von Privatkleidung nach der bestehenden Kleiderordnung untersagt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB bisher nicht dargelegt. Die Klage ist unschlüssig, auch wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, sie sei nicht verpflichtet gewesen, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen. Aus dem Vorbringen der Klägerin selbst ergeben sich gewichtige Indizien, die dafür sprechen, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum nicht leistungsfähig war, § 297 BGB.
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I. Unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, § 297 BGB. Die objektive Leistungsfähigkeit ist eine vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen muss. Grundsätzlich hat bei Streit über die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande war. Er muss hierfür Indizien vortragen, aus denen darauf geschlossen werden kann (BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16 f. mwN, BAGE 141, 34). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass sich bereits aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers selbst Indizien ergeben, aus denen auf eine fehlende Leistungsfähigkeit in dem Zeitraum, für den Vergütung wegen Annahmeverzugs begehrt wird, geschlossen werden kann. In einem solchen Falle ist die Klage unschlüssig, wenn der Arbeitnehmer die selbst geschaffene Indizwirkung nicht ausräumt und substantiiert seine Arbeitsfähigkeit darlegt (BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27).
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II. Die von der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs vorgelegten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 beziehen sich auf eine Arbeitsaufnahme im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Nach § 74 SGB V kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Betracht, wenn arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten können und sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich wieder besser in das Erwerbsleben eingegliedert werden können. Die Erstellung eines Wiedereingliederungsplans mit einem zum 23. August 2010 vorgesehenen Beginn der Wiedereingliederung ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass der behandelnde Arzt von einer über den 23. August 2010 hinaus fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausging. Die Klägerin hätte vor diesem Hintergrund erläutern müssen, aufgrund welcher Tatsachen sie dennoch für die vertraglich geschuldete Tätigkeit arbeitsfähig gewesen oder im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig geworden sei und dies der Beklagten - verbunden mit einem Angebot der Arbeitsleistung - mitgeteilt hätte. Dies ist nicht geschehen.
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B. Nachdem die Vorinstanzen die Klägerin im Hinblick auf die im Schriftwechsel der Parteien in Rede stehende Wiedereingliederung nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen haben, ist ihr Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu ergänzen.
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I. Der Klägerin obliegt es, die Indizwirkung des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans zu erschüttern und ihre Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum darzulegen.
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II. Sie hat darüber hinaus - unabhängig davon, ob sie verpflichtet gewesen wäre, ihr Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen - darzulegen, dass sie der Beklagten die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und nicht eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hat. Dies ist den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen.
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1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen, § 295 BGB. Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich(zuletzt BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14, BAGE 141, 34; 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28, BAGE 143, 119; 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 22). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise auch dann entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 16. April 2013 - 9 AZR 554/11 - Rn. 17; BGH 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99 - zu 1 der Gründe).
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2. Ob die Klägerin eine Arbeitsleistung iSv. § 611 BGB angeboten hat, kann der Senat nicht entscheiden.
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a) Ein tatsächliches Angebot iSv. § 294 BGB hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr von der Beklagten bestrittener Vortrag ist - wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellt - unsubstantiiert. Wann und wem gegenüber sie ihre Leistung tatsächlich angeboten haben will, hat die Klägerin nicht angegeben.
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b) Ob ein tatsächliches Angebot entbehrlich war und die Klägerin die Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB wörtlich angeboten hat, ist durch Auslegung des Schriftwechsels der Parteien zu ermitteln.
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aa) Ein tatsächliches Angebot wäre nach § 295 BGB entbehrlich gewesen, wenn die an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 18. Mai und 25. August 2010 - eine Berechtigung der Klägerin unterstellt, die Arbeit kopftuchtragend zu verrichten - als Angebot der geschuldeten Arbeitsleistung und das Antwortschreiben der Beklagten vom 25. Mai 2010 oder jedenfalls das vom 30. August 2010 als ernsthafte und endgültige Weigerung, diese wie angeboten anzunehmen, zu verstehen wären.
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bb) Die Schreiben der Parteien enthalten nichttypische Erklärungen. Die Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23; 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18).
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(1) Verträge und Willenserklärungen sind nach dem Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auslegungsziel ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern das, was der Adressat nach seinem Empfängerhorizont als Willen des Erklärenden verstehen konnte (BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 36). Zu würdigen sind neben dem Wortlaut der Erklärung auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 805/11 - Rn. 14, BAGE 145, 249).
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(2) Das Landesarbeitsgericht ist von einem „Angebot“ der Klägerin und einer „Ablehnung“ durch die Beklagte ausgegangen, ohne den Bedeutungsgehalt der von den Parteien unstreitig abgegebenen Erklärungen durch Auslegung ihres Schriftwechsels zu ermitteln. Doch spricht der Wortlaut des zwischen den Parteien geführten Schriftwechsels gegen die Annahme, die Klägerin habe die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wörtlich angeboten. Ihre Schreiben beziehen sich auf eine Aufnahme der Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung, auch wenn die Klägerin darin abschließend erklärte, sie böte ihre „Arbeitskraft“ bzw. „Arbeitsleistung“ an. Dass die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. Mai 2010 ausdrücklich auf ein von der Klägerin gewünschtes Wiedereingliederungsverfahren abstellt, spricht für ein Verständnis in diesem Sinne. Die Klägerin hat einer derartigen Auslegung nicht widersprochen, sondern diese bestätigt, indem sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2010 auf einen in Absprache mit ihrem Hausarzt und der Beklagten erarbeiteten Wiedereingliederungsplan Bezug nimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 30. August 2010. Darin weist die Beklagte lediglich auf die zuvor gewechselten Schreiben hin.
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c) Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer Verträge und Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (st. Rspr. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24, BAGE 135, 255; 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 11, BAGE 145, 107). Danach kann der Senat die gebotene Auslegung nicht selbst vornehmen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu den Begleitumständen des Schriftwechsels der Parteien und zum Inhalt des vom behandelnden Arzt erstellten Wiedereingliederungsplans getroffen.
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III. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung wegen Annahmeverzugs nach §§ 611, 615 BGB käme nicht in Betracht, wenn die Klägerin lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses angeboten hätte.
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1. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht als Teil des Arbeitsverhältnisses zu werten, sondern stellt neben diesem ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis) dar (st. Rspr. BAG 29. Januar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - BAGE 92, 140). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet (BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a aa der Gründe, aaO; Schmidt NZA 2007, 893). Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG 13. Juni 2006 - 9 AZR 229/05 - Rn. 23, 33, BAGE 118, 252). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB befreit(BAG 28. Juli 1999 - 4 AZR 192/98 - zu 1 a bb der Gründe, aaO). Der Arbeitnehmer erbringt nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bei Abschluss der Wiedereingliederungsvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend zu einer Zahlung verpflichtet. Auch ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 612 Abs. 1 BGB besteht nicht.
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2. Ergäbe die Auslegung des Schriftwechsels der Parteien, die Klägerin habe lediglich eine Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung angeboten, würde ein Annahmeverzugsanspruch - unabhängig von der Frage, ob sie berechtigt gewesen wäre, hierbei ein Kopftuch zu tragen - ausscheiden.
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C. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne offenbleiben, ob ein Verbot, während der Arbeit ein religiös motiviertes Kopftuch zu tragen, bereits aus der Dienstvereinbarung vom 24. August 2009 folge. Es sei jedenfalls vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt. Eine - unterstellte - Weisung habe billigem Ermessen nach § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Die Beklagte habe sich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nach Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen können. Das Interesse der Beklagten, ihr Selbstbestimmungsrecht zu wahren, überwiege die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubensfreiheit der Klägerin. Die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht in der rechten Weise angeboten, indem sie es abgelehnt habe, ihre Arbeit ohne Kopftuch zu verrichten.
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II. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Einrichtung der Beklagten - wie es deren Berufung auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV voraussetzte - der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin und ein Angebot der Arbeitsleistung unterstellt, hätte die Klägerin nur in diesem Fall die Leistung entgegen §§ 294, 295 BGB nicht so angeboten, wie sie zu bewirken war. Sie wäre arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihrem Verständnis der Glaubensgebote des Islam entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen. In Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen der Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls müsste die durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin gegenüber dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zurücktreten. Könnte sich die Beklagte nicht auf Art. 140 GG, Art. 137 WRV berufen, wäre der Glaubensfreiheit der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten der Vorrang einzuräumen.
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1. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Die Leistung muss ihm - nach § 294 BGB tatsächlich oder unter den Voraussetzungen von § 295 BGB wörtlich - so angeboten werden, wie sie zu bewirken ist, dh. am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend dem Inhalt des Schuldverhältnisses (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 294 Rn. 4).
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a) Das Tragen einer bestimmten Kleidung kann zur vertragsgemäßen Erfüllung der Arbeitsleistung geboten sein (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9 und 11, BAGE 121, 147). Ebenso kann es hierzu geboten sein, es zu unterlassen, sich in einer bestimmten Art zu kleiden. Eine bestimmte Bekleidung kann - ohne besondere vertragliche Vereinbarung - eine arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht des Arbeitnehmers darstellen, die der Arbeitspflicht nahekommt. Bekleidungsobliegenheiten können sich auch aus der Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ergeben. In diesem Fall sind sie Teil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht (vgl. Brose/Greiner/Preis NZA 2011, 369, 371 ff.). Bei der Bestimmung sich aus dem Arbeitsvertrag ergebender Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten in Bezug auf die Kleidung während der Arbeitszeit gebietet der Schutz des Arbeitnehmers vor Überforderung eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechtspositionen und der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls.
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b) Die Klägerin wäre - die Zuordnung der Beklagten zur Evangelischen Kirche unterstellt - gehalten gewesen, während der Arbeitszeit das Tragen eines Kopftuchs zu unterlassen. Dies ergibt sich unmittelbar, ohne dass es einer konkretisierenden Weisung oder Dienstvereinbarung bedurft hätte, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht oder als arbeitsleistungsbezogene Nebenpflicht.
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aa) Die von der Klägerin zu bewirkende Leistung wird nach dem Arbeitsvertrag der Parteien nicht allein durch die in § 1 Arbeitsvertrag vereinbarte Tätigkeit einer Krankenschwester bestimmt, sondern auch durch die Eigenart des kirchlichen Dienstes. Dies resultiert aus § 2 Nr. 1 Arbeitsvertrag iVm. der Präambel des BAT-KF und den darin in Bezug genommenen Bestimmungen der RL-EKD.
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bb) Die Klägerin hat sich im Arbeitsvertrag nicht nur verpflichtet, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten (§ 4 Abs. 1 RL-EKD), sondern darüber hinaus den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihr übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen (§ 4 Abs. 4 RL-EKD). Aus diesen Regelungen ergibt sich unmittelbar - als Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung im kirchlichen Dienst - eine Verpflichtung nichtchristlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche.
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(1) Die den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im kirchlichen Dienst in § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD auferlegte Pflicht, sich gegenüber der Evangelischen Kirche loyal zu verhalten, ist zunächst Ausdruck sich bereits aus § 241 Abs. 2 BGB ergebender allgemeiner vertraglicher Rücksichtnahmepflichten. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwächst einer Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis auch die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils. Dies dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Die Arbeitsvertragsparteien sind danach verpflichtet, den Vertrag so zu erfüllen, ihre Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann. Welche konkreten Folgen sich aus der Rücksichtnahmepflicht ergeben, hängt von der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls ab (BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11, 12 mwN, BAGE 141, 1).
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(2) § 4 Abs. 1 Satz 2 RL-EKD leitet die vertragliche Loyalitätspflicht, wie der durch das Wort „daher“ vermittelten Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zu entnehmen ist, aus der je nach Aufgabenbereich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übernommenen Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben ab. Die RL-EKD beschränkt sich damit schon in § 4 Abs. 1 nicht nur auf die Wiedergabe allgemeiner Loyalitätspflichten als vertragliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB, sondern verknüpft die Loyalitätspflichten in besonderer Weise mit der Wahrnehmung der vertraglichen Aufgaben selbst.
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(3) Diese Verknüpfung wird durch § 4 Abs. 4 RL-EKD verstärkt, wonach - als Bestandteil abgestufter Loyalitätspflichten kirchlicher Arbeitnehmer - auch die nichtchristlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen haben. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD ist der Dienst der Kirche durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Dies entspricht dem Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft, die alle am kirchlichen Auftrag Teilnehmenden verbindet, unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage und in welcher Einrichtung sie tätig sind (Joussen RdA 2007, 328, 333). Nach diesem theologisch geprägten Selbstverständnis verwirklicht die Arbeitsleistung in der Kirche und den ihr zugeordneten Einrichtungen ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 98 mwN, BAGE 143, 354). Hieran wirken alle Beschäftigten durch ihre Tätigkeit und ungeachtet ihres individuellen Glaubens oder ihrer weltanschaulichen Überzeugungen mit (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 99 mwN, aaO). Die in einem Anstellungsverhältnis in Kirche und Diakonie stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RL-EKD in unterschiedlicher Weise zur Erfüllung dieses Auftrags bei. Er ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von kirchlichen Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
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2. Bei der Ermittlung der Reichweite der sich aus der Bezugnahme auf die RL-EKD ergebenden Pflichten bei der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben - als Voraussetzung für die Bestimmung der nach §§ 294, 295 BGB zu bewirkenden Leistung - sind unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die Grundrechte der kirchlichen Arbeitgeberin und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere mit Blick auf deren Tätigkeit und Stellung in der kirchlichen Einrichtung, gegeneinander abzuwägen.
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a) Die Gerichte für Arbeitssachen sind wegen ihrer durch Art. 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindung gehindert, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen das völlige Zurückweichen eines Grundrechts zugunsten eines anderen hinzunehmen. Sie sind gehalten, im Wege einer Güterabwägung nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz einen Ausgleich der jeweils widerstreitenden grundrechtlichen Gewährleistungen herbeizuführen (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, BVerfGE 128, 1; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, BAGE 143, 354). Diese Pflicht entfällt nicht schon deswegen, weil es sich bei Art. 4 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt. Das hindert ein Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung zum Schutz einer anderen - wie des hier fraglichen kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - nicht. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können zum Schutz anderer Grundrechte oder grundrechtlicher Gewährleistungen eingeschränkt werden (vgl. BVerfG 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - Rn. 147, aaO; BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 113 mwN, aaO).
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Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Annäherung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Eine damit einhergehende Begrenzung verfassungsrechtlich geschützter Interessen darf dabei nicht weiter gehen, als es notwendig ist, um die Konkordanz widerstreitender Rechtsgüter herzustellen. Das Zurückweichen einer grundrechtlichen Gewährleistung muss zum Schutz der anderen geboten sein. Für die erforderliche Abwägung gibt die Verfassung kein bestimmtes Ergebnis vor. Die hiernach vorzunehmende Güterabwägung betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 114, 115 mwN, BAGE 143, 354).
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b) Die Interessen der Beklagten könnten danach nur dann vorrangig sein, wenn sich diese als Einrichtung der Evangelischen Kirche auf das durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht als Konkretisierung kollektiver Glaubensfreiheit(vgl. ErfK/Schmidt 14. Aufl. Art. 4 GG Rn. 28 mwN) berufen könnte. In diesem Fall wäre das Tragen eines Kopftuchs oder einer entsprechenden anderen Kopfbedeckung als nach außen hin sichtbarem Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit, angesichts der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit einer Krankenschwester, mit der Verpflichtung zu neutralem Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen. Die Klägerin hätte auch unter Berücksichtigung ihrer Glaubensfreiheit die Arbeitsleistung nicht so angeboten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 295 BGB), weil sie nicht bereit war, auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren Kopfbedeckung zu verzichten.
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aa) Die Klägerin betrachtet nach den in der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Bekenntnis zu ihrem Glauben nicht durch das Befolgen von religiös begründeten Bekleidungsregeln sichtbar werden zu lassen, greift in ihre durch Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verbürgte individuelle Glaubensfreiheit ein(vgl. BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 108, 282). Art. 4 GG garantiert in Abs. 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Abs. 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten. Dazu gehört auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln (BVerfG 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Eine Verpflichtung, während der Arbeitszeit auf das Tragen eines Kopftuchs oder einer diesem entsprechenden Kopfbedeckung zu verzichten, führt für die Klägerin zu einem ernsthaften Glaubenskonflikt, indem sie die Klägerin vor die Wahl stellt, entweder ihre Tätigkeit bei der Beklagten auszuüben oder dem von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.
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bb) Eine Obliegenheit, das Tragen der von der Klägerin gewünschten Kopfbedeckung zu tolerieren, schränkte die Beklagte - vorausgesetzt, es handelte sich bei ihr um eine kirchliche Einrichtung - in ihrem durch Art. 140 GG, Art. 137 WRV garantierten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht ein, indem aus der Eigenart des kirchlichen Dienstes resultierende, vertraglich vereinbarte Anforderungen an die Aufgabenerfüllung durch die Klägerin gegenüber deren Glaubensfreiheit zurücktreten müssten. Werden - wie hier - Loyalitätsanforderungen in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch, er macht zugleich von seinem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).
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(1) Der Schutzbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts erfasst die individualrechtliche wie die kollektivrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer. Nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die in Verfolgung der vom kirchlichen Grundauftrag her bestimmten Aufgaben unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstverständnisses zu treffen sind (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354). Zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgesellschaften gehört, dass diese der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft ihrer Mitarbeiter zugrunde legen können (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse in das staatliche Arbeitsrecht hebt deren Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten“ der Kirche nicht auf. Sie darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen. Die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt daher für die Gestaltung dieser Arbeitsverhältnisse wesentlich (BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 94, 95 mwN, BAGE 143, 354).
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(2) Im Streitfall haben die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden.
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(a) Es kommt weder auf die Auffassung der einzelnen betroffenen kirchlichen Einrichtungen, bei denen die Meinungsbildung von verschiedensten Motiven beeinflusst sein kann, noch auf diejenige breiter Kreise unter den Kirchengliedern oder etwa einzelner bestimmten Tendenzen verbundener Mitarbeiter an (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 1 d der Gründe, BVerfGE 70, 138).
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(b) Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was „die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert“, was „spezifisch kirchliche Aufgaben“ sind, was „Nähe“ zu ihnen bedeutet, welches die „wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre“ sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine „Abstufung“ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der „guten Sitten“ (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Die Gerichte haben jedoch sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - zu B II 2 a der Gründe, BVerfGE 70, 138; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90).
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(3) Die Beklagte hat sich an den nach den Maßstäben der verfassten Kirche den nichtchristlichen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auferlegten Neutralitäts- und Loyalitätspflichten orientiert. Sie leitet die Berechtigung, die von der Klägerin unter dem Vorbehalt des Tragens eines Kopftuchs angebotene Leistung ablehnen zu dürfen, aus dem für nichtchristliche Mitarbeiter nach § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD iVm. § 2 Abs. 1 RL-EKD geltenden Neutralitätsgebot ab.
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cc) Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls wäre den Interessen der Beklagten - handelte es sich um eine kirchliche Einrichtung - gegenüber denen der Klägerin Vorrang einzuräumen. Der Senat folgt insoweit der zutreffenden Begründung des Landesarbeitsgerichts:
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(1) Bei der Abwägung der Grundrechte der Klägerin mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht der Beklagten - unterstellt es handelt sich bei ihr um eine der Evangelischen Kirche zugeordnete Einrichtung - ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in die Obliegenheit, die an sie gestellten Loyalitätserwartungen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung zu erfüllen, bei Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten eingewilligt hat (vgl. dazu EGMR 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 71; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 46; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Sie hat diesen Erwartungen bei Vertragsschluss zugestimmt und sich ihnen in diesem Sinne freiwillig unterworfen. Zwar liegt darin kein Verzicht auf eine zukünftig andere Ausübung ihrer Glaubensfreiheit. Religiöse Überzeugungen und Gewissenseinstellungen können sich ändern. Auch dies ist von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit umfasst. Die arbeitsvertragliche Anerkennung der Loyalitäts- und Neutralitätserwartungen der Beklagten durch die Klägerin, führt aber dazu, dass der nunmehr anderen Ausübung ihrer Glaubensfreiheit in Gestalt des jetzt - anders als zu Beginn des Arbeitsverhältnisses - von ihr als verbindlich angesehenen religiösen Gebots, ein Kopftuch zu tragen, zumindest kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zukommt (vgl. BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 32, BAGE 145, 90). Während die Loyalitätserwartungen der Beklagten unverändert geblieben sind, hat sich die Bereitschaft der Klägerin, ihnen zu entsprechen, gewandelt. Der Konflikt zwischen den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen ist deshalb in ihrer Sphäre begründet.
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie durch den ihr abverlangten Verzicht auf eine ihren Glaubensregeln entsprechende Kopfbedeckung in einen ernsten Glaubenskonflikt gebracht wird. Andererseits ist zu beachten, wird der Kernbereich der Glaubensfreiheit der Klägerin hierdurch nicht betroffen: Ihre Glaubensfreiheit ist nur funktional, zeitlich und räumlich, nämlich bei der Ausübung ihrer beruflichen Aufgaben eingeschränkt. Die Klägerin wird während ihrer Arbeitszeit als eine Muslima, die kein Kopftuch trägt, nur von einem eingeschränkten Personenkreis wahrgenommen. Sie verrichtet ihre Tätigkeit als Krankenschwester nicht vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit und muss sich ohne Kopftuch nur den Arbeitskollegen und Patienten und ggf. auch Besuchern zeigen. Sie kann außerhalb der Arbeitszeit in ihrem privaten Umfeld und auch auf dem Hin- und Rückweg zur Arbeitsstelle uneingeschränkt den Bekleidungsgeboten ihres Glaubens folgen und ein Kopftuch tragen. Indem ihr dies nur während der Arbeitszeit untersagt ist, werden ihr keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt.
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(3) Unterstellt, das von der Beklagten betriebene Krankenhaus sei der Evangelischen Kirche zugeordnet, ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie, dürfte die Klägerin bei der Arbeit eine religiös motivierte Kopfbedeckung tragen, innerhalb ihrer Einrichtung Glaubensäußerungen zugunsten einer anderer Religion hinnehmen müsste. Zugleich hätte sie eine Verletzung der Pflicht zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche, als sich aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD ergebender Mindestanforderung an die Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, zu akzeptieren.
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(a) Dabei fiele besonders ins Gewicht, dass die Klägerin in ihrer Funktion als Krankenschwester in direktem und ständigem Kontakt zu den in der Einrichtung der Beklagten behandelten Patienten und zu anderen Arbeitnehmern steht. Die Glaubensbekundung der Klägerin für den Islam würde von diesen unmittelbar als solche wahrgenommen.
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(b) Die Beklagte müsste, würde sie Glaubensbekundungen der Klägerin tolerieren, zudem damit rechnen, dass andere nichtchristliche Mitarbeiter ebenso während der Arbeitszeit Glaubensbekundungen zugunsten der Religionsgemeinschaft, der sie jeweils angehören, tätigen würden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Verkündigungsauftrag der Kirche und deren Glaubwürdigkeit könnten hierdurch ernsthaft gefährdet werden. Außenstehende könnten den Eindruck gewinnen, die Kirche halte Glaubenswahrheiten für beliebig austauschbar. Zwänge man der Beklagten auf, dies innerhalb ihrer Einrichtung hinzunehmen, wäre das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Kernbereich beeinträchtigt.
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(c) Die Beklagte muss sich nicht entgegenhalten lassen, ein kirchlicher Arbeitgeber habe sich mit der Entscheidung, auch nichtchristliche Mitarbeiter einzustellen, bereits für eine Form von religiösem Pluralismus geöffnet. Durch die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Präambel des BAT-KF und die RL-EKD hat die Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auch von nichtchristlichen Mitarbeitern erwartet werde, den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen, wie es § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD entspricht.
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(d) Zu einer anderen Beurteilung führt nicht, dass die Klägerin an sich in der Lage wäre, die dem allgemeinen Berufsbild einer Krankenschwester entsprechenden Tätigkeiten ohne Beeinträchtigungen des Arbeitsablaufs auch kopftuchtragend zu verrichten. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung kann die Eigenart der Aufgabenerfüllung durch nichtchristliche Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, nach dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 RL-EKD zum Ausdruck kommenden theologischen Selbstverständnis, mit der Arbeitsleistung werde ein Stück kirchlichen Auftrags in der Welt verwirklicht, nicht außer Acht gelassen werden.
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(e) Für das Ergebnis der Interessenabwägung kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin Ende 2005, während eines kurzen Zeitraums vor ihrem Erziehungsurlaub, die Arbeit kopftuchtragend verrichtet hat. Selbst wenn dies von der Pflegedienstleitung der Beklagten hingenommen worden sein sollte, könnte hieraus nicht geschlossen werden, die Beklagte bzw. insoweit vertretungsberechtigte Personen hätten dauerhaft auf die Einhaltung des Neutralitätsgebots verzichtet.
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(4) Die der Klägerin auferlegte Pflicht, das Tragen eines Kopftuchs oder einer vergleichbaren, ihren Glaubensgeboten entsprechenden Kopfbedeckung während der Arbeitszeit zu unterlassen, wäre nicht unverhältnismäßig. Die Unterlassungspflicht wäre zur Gewährleistung des aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht resultierenden Neutralitätsgebots geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie sie dem Neutralitätsgebot in einer anderen, sie weniger belastenden Art und Weise entsprechen könnte.
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3. Dem Abwägungsergebnis stünden die Vorschriften des AGG (§ 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2) nicht entgegen.
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Nach § 7 Abs. 2 AGG führt ein Verstoß von Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG verstoßen, zur Unwirksamkeit der betreffenden Regelung. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass es anderen Arbeitnehmern der Beklagten gestattet sei, Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit zu tragen, soweit dies nicht in besonderen Bereichen aus Gründen des Arbeitsschutzes und der Krankenhaushygiene geboten ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die aus dem Arbeitsvertrag der Parteien resultierende Verpflichtung, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzulegen und auch keine entsprechende andere Kopfbedeckung zu tragen, wegen ihrer Religion benachteiligt würde, denn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schiede nach § 9 Abs. 2 AGG aus. Nach dieser Vorschrift berührt das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion nicht das Recht der Religionsgemeinschaften, von ihren Beschäftigten ein loyales Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können. Weitergehende Verpflichtungen werden der Klägerin mit dem aus § 4 Abs. 1 und Abs. 4 RL-EKD resultierenden Neutralitätsgebot nicht auferlegt.
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4. Auch das Grundrecht der Klägerin auf Religionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 EMRK wäre nicht verletzt.
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a) Art. 9 EMRK gewährleistet die Religionsfreiheit nicht schrankenlos, vielmehr sind ausdrücklich Einschränkungen in Abs. 2 der Vorschrift vorgesehen. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit kommt insbesondere im Hinblick auf die Rechte und Freiheiten anderer in Betracht (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 38 f.). Insoweit hat eine Abwägung zwischen den Rechten des Arbeitnehmers und denen des kirchlichen Arbeitgebers unter Berücksichtigung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stattzufinden (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR, deren Beachtung verfassungsrechtlich geboten ist, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (BVerfG 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307; 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 ua. - Rn. 93 f. mwN, BVerfGE 128, 326; BAG 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 27, BAGE 145, 90), ist zu berücksichtigen, dass die Religionsgemeinschaften traditionell und weltweit in Form organisierter Strukturen existieren (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 44 und - 1620/03 - [Schüth] Rn. 58; 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Vor diesem Hintergrund ist, wenn die Organisation einer solchen Gemeinschaft in Rede steht, Art. 9 EMRK im Lichte von Art. 11 EMRK auszulegen, der die Vereinigungsfreiheit vor jeglichem ungerechtfertigten staatlichen Eingriff schützt. Ihre für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbare Autonomie gehört zum Kernbestand des Schutzes, den Art. 9 EMRK vermittelt. Das Recht auf Religionsfreiheit im Sinne der Konvention ist - außer in extremen Ausnahmefällen - jeglicher Beurteilung seitens des Staates im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des religiösen Bekenntnisses oder der Art und Weise, in der es zum Ausdruck gebracht wird, entzogen (EGMR 3. Februar 2011 - 18136/02 - [Siebenhaar] Rn. 41). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht zu beanstanden, wenn der Kirche das Recht zuerkannt wird, ihren Beschäftigen Loyalitätspflichten aufzuerlegen, sofern diese nicht unannehmbar sind (EGMR 23. September 2010 - 425/03 - [Obst] Rn. 49; 23. September 2010 - 1620/03 - [Schüth] Rn. 69).
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b) Hiervon ausgehend wären - unterstellt, es handelte sich bei der Beklagten um eine kirchliche Einrichtung - das arbeitsvertragliche Neutralitätsgebot und hieraus resultierend, das Verbot während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch oder eine vergleichbare Kopfbedeckung zu tragen, mit Art. 9 Abs. 1 EMRK vereinbar. Der Klägerin werden hierdurch keine unannehmbaren Loyalitätspflichten auferlegt. Das Verbot ist nicht unverhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit der Klägerin könnte auf andere Weise das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, von dem der kirchliche Arbeitgeber mit der Festlegung von Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis Gebrauch macht (vgl. BVerfG 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83 ua. - BVerfGE 70, 138; BAG 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - Rn. 23, BAGE 139, 144; 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 - Rn. 25, BAGE 145, 90), nicht gewahrt werden.
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5. Etwas anderes würde gelten, gelänge es der Beklagten nicht, nachzuweisen, dass sie dem Schutzbereich von Art. 140 GG, Art. 137 WRV unterfällt. In diesem Fall würden die Interessen der Klägerin überwiegen. Die Beklagte könnte sich dann gegenüber der durch Art. 4 GG gewährleisteten Glaubensfreiheit der Klägerin, trotz der Verweisung auf die RL-EKD im Arbeitsvertrag, nur auf Art. 12 GG stützen(vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - BAGE 137, 164; vgl. hierzu auch den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 30. Juli 2003 - 1 BvR 792/03 - Rn. 17, 18, 24). Das Tragen eines Kopftuchs wäre in diesem Fall von der Beklagten hinzunehmen, denn sie hat nicht dargelegt, dass ein Verzicht auf eine Kopfbedeckung, wie sie von der Klägerin gewünscht wird, aus betrieblichen - zB hygienischen - Gründen geboten wäre und andernfalls betriebliche Störungen zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Dienstvereinbarung lägen nicht vor, handelte es sich bei der Beklagten nicht um eine kirchliche Einrichtung. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob mit der Dienstvereinbarung, soweit sie das Tragen eines Kopftuchs untersagt, Arbeitsverhalten oder Ordnungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter iSv. § 40k MVG.EKD geregelt wird (zur Abgrenzung im Bereich des BetrVG, vgl. BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, 11, BAGE 121, 147; 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 22, BAGE 140, 223) und, ob die Dienstvereinbarung überhaupt gegenüber der Klägerin zwingende Wirkung entfalten kann (vgl. hierzu BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 19; Schaub/Linck Arbeitsrechtshandbuch 15. Aufl. § 185 Rn. 17).
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6. Ob die Einrichtung der Beklagten der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu entscheiden.
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a) Unmittelbare Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind die Religionsgemeinschaften iSd. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Die diesen zugeordneten Einrichtungen leiten dieses Recht von ihnen ab, sie sind selbst Teil der Kirche (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 22 mwN, BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 57, BAGE 143, 354).
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aa) Der Anwendungsbereich von Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV erstreckt sich auf alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen. Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat erlaubt es ihr, sich zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts zu bedienen. Die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche wird hierdurch nicht aufgehoben (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 30, BAGE 125, 100).
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(1) Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist es allerdings nicht ausreichend, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Sie setzt eine institutionelle Verbindung zwischen der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluss der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 31 f., BAGE 125, 100; 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 48, BAGE 143, 354).
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(2) Die den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV verliehene Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie hat nicht zur Folge, dass die Zuordnung einer Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft einer Kontrolle durch die Gerichte für Arbeitssachen entzogen ist. Diese haben in einer zweistufigen Prüfung darüber zu befinden, ob überhaupt eine verwaltungsmäßige Verflechtung zwischen der Kirche und der Einrichtung besteht und ob die Kirche aufgrund dieser Verbindung über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstellungen gewährleisten zu können. Grundlage für die Beurteilung der Zuordnung ist die in den Statuten festgeschriebene Zweckbestimmung und die Struktur der Einrichtung (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 33 f., BAGE 125, 100).
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b) Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ermöglichen es nicht, anhand der genannten Kriterien zu beurteilen, ob die Beklagte eine kirchliche Einrichtung ist. Dem Tatbestand der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist lediglich zu entnehmen, bei der Beklagten handele es sich um eine Krankenanstalt unter konfessioneller Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Nach dem Vortrag der Parteien ist „Trägerin“ der Beklagten die „Evangelische Stiftung A“. Tatsachen, die es ermöglichten zu beurteilen, ob zwischen der Kirche und der Beklagten - unmittelbar oder vermittelt durch die Stiftung - eine institutionelle Verbindung im oben genannten Sinne besteht, sind nicht festgestellt und können dem unstreitigen Parteivorbringen nicht entnommen werden. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Beklagten, die Bestellung, Abberufung und Entlastung ihrer Geschäftsführung sowie ggf. deren Überwachung durch die Evangelische Stiftung A als (wohl) einziger Gesellschafterin getroffen und - gemessen an den oben dargelegten Kriterien - zur Zuordnung der Stiftung zur Evangelischen Kirche. Als der Partei, die sich zu ihren Gunsten auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beruft, obliegt es der Beklagten, dies darzulegen und ggf. zu beweisen.
-
Müller-Glöge
Biebl
Weber
Dittrich
Dombrowsky
Tenor
-
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. April 2011 - 6 Sa 9/11 - aufgehoben.
-
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 8. Dezember 2010 - 2 Ca 1002/10 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
-
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung.
- 2
-
Die Klägerin war seit 1. August 1987 bei der E GmbH (Schuldnerin) und deren Rechtsvorgängerin als Industriekauffrau beschäftigt. Die Schuldnerin vertrieb Teppiche. Für sie waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig.
- 3
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Der Arbeitsvertrag vom 22. November 1990 sieht ua. vor:
-
„Tätigkeit und Aufgabengebiet
…
2.
Die Gesellschaft behält sich vor, dem Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens bei unveränderten Bezügen auch eine andere seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu übertragen. Eine Versetzung an einen anderen Ort kann nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter erfolgen.
...
Vertragsdauer und Kündigung
1.
Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Vierteljahresschluß durch schriftliche Erklärung gekündigt werden.
…
...“
- 4
-
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 28. Januar 2010 die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Der Beklagte wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
- 5
-
Die F GmbH, die Linoleumfußböden vertreibt, teilte der Geschäftsführung der Schuldnerin mit, bei ihr fielen erhebliche Arbeitsmengen an. Es bestehe jedoch ein Einstellungsstopp. Die Klägerin war deshalb zunächst bis 31. August 2010 in den Räumen der Schuldnerin für die F GmbH tätig und in deren Betriebsabläufe eingebunden. Das Arbeitsentgelt leistete der Beklagte an die Klägerin. Die Vergütung wurde von der F GmbH erstattet. Später begründeten die Klägerin und die F GmbH ein vom 1. September 2010 bis 31. Dezember 2010 befristetes Arbeitsverhältnis. Mittlerweile steht die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der F GmbH.
- 6
-
Am 30. April 2010 schloss der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter einen Interessenausgleich mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Betriebsrat. Dort heißt es auszugsweise:
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„Präambel
Mit Beschluss des Amtsgerichts P vom 28.01.2010 wurde über das Vermögen der E GmbH (künftig Schuldnerin genannt) eine vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt angeordnet. Es besteht gemäß dem Gutachten nach § 5 InsO eine negative Fortbestehens- und Fortführungsprognose. Da die Marken- und Lizenzrechte für wichtige Produkte an einen Wettbewerber veräußert wurden und die Produktion von Teppichfußböden in P bis spätestens zum 31.08.2010 eingestellt wird, sind sich die Beteiligten darüber einig, dass eine Betriebseinstellung unumgänglich ist.
Der Betriebsrat ist über die anstehende Maßnahme umfangreich informiert worden.
Die nachfolgenden Regelungen dienen dazu, das Verfahren nach § 122 InsO auf gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung bzw. einen Feststellungsantrag nach § 126 InsO zu vermeiden.
…
§ 2 Gegenstand der Betriebsänderung
Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin in P wird kurzfristig, spätestens bis zum 31.08.2010, stillgelegt. Alle Arbeitsplätze werden entfallen.
§ 3 Durchführung der Betriebsänderung - Personalmaßnahmen
Aufgrund der in § 2 genannten Maßnahme, die im Einzelnen gegenüber dem Betriebsrat begründet und in diesem erörtert worden ist, besteht Einigkeit darüber, dass es erforderlich ist, sämtliche Arbeitsverhältnisse/Dienstverhältnisse der Beschäftigten unter Beachtung der Kündigungsfristen gemäß § 113 InsO zu kündigen.
Lediglich in Einzelfällen wird sich der Arbeitgeber vorbehalten, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen in § 113 InsO auszusprechen.
Die Masse wird voraussichtlich nicht zur Bezahlung der Löhne während der verkürzten Kündigungsfrist ausreichen.
§ 4 Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG
Der Betriebsrat erklärt mit Unterzeichnung dieses Interessenausgleichs, dass er bereits im Rahmen dieser Verhandlungen im Interessenausgleich ordnungsgemäß die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen der berücksichtigten Kündigungsgründe und die Informationen zur Sozialauswahl in einer Liste sämtlicher Arbeitnehmer mit ihren relevanten Sozialdaten (Name, Funktion, Abteilung, Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Familienstand, Unterhaltspflichten, lt. Lohnsteuerkarte, individuelle Kündigungsfrist, Schwerbehinderung, Verdienst) erhalten hat und so bereits ordnungsgemäß angehört wurde.
Der Betriebsrat hat damit auch eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer erhalten. Der Betriebsrat erklärt, dass er die beabsichtigten Kündigungen zur Kenntnis nimmt und keine weitere Stellungnahme abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen sieht.
...“
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Am 1. Mai 2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 3. Mai 2010. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:
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„Sehr geehrte Frau B,
mit Beschluss des AG P vom 01.05.2010 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Unterzeichner als Insolvenzverwalter bestellt.
Als Insolvenzverwalter spreche ich hiermit die ordentliche
Kündigung
des Arbeitsvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.
Der Kündigungszeitpunkt richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemäß § 622 BGB. Wenn das Arbeitsverhältnis keine 2 Jahre bestanden hat, wirkt die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 2 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Besteht das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, so endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Bei noch älteren Arbeitsverhältnissen greift gemäß § 113 Abs. I S. 2 InsO die Kündigung ebenfalls regelmäßig mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Die noch längeren Fristen gemäß § 622 Abs. II BGB werden auf die Dreimonatsfrist des § 113 Abs. I S. 2 InsO reduziert. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.
Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.
…“
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Mit ihrer am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat der Klage das Kündigungsschreiben beigefügt und die beklagte Partei als „RAe K & Partner als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ bezeichnet. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe sich auf ihren Arbeitsplatz nicht auswirken können, weil sie von der F GmbH beschäftigt worden sei. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass eine Beschäftigung über den 31. August 2010 hinaus nicht möglich gewesen sei. Im Übrigen sei die Betriebsratsanhörung unzureichend, weil der Betriebsrat nicht über ihre Tätigkeit für die F GmbH unterrichtet worden sei.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 nicht beendet wird;
2.
den Beklagten im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Industriekauffrau weiterzubeschäftigen.
- 10
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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, wegen der Veräußerung von Marken- und Lizenzrechten durch die Konzernmutter der Schuldnerin sei es rechtlich nicht möglich gewesen, die Teppichfertigung und den Teppichvertrieb über den Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus fortzusetzen. Während des Insolvenzeröffnungsverfahrens habe noch eine „Ausproduktion“ stattfinden können. Diese Sach- und Rechtslage sei dem Betriebsrat mitgeteilt worden und Grundlage der Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan gewesen. Die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit Zustimmung des Beklagten die Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb mit der Verfahrenseröffnung stillzulegen und das Unternehmen nach der Verfahrenseröffnung abzuwickeln. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden. Die Abwicklungstätigkeit habe mit dem 31. August 2010, dem Ende der Kündigungsfristen, geendet. Die Außendienstmitarbeiter seien im Wesentlichen durch einen Wettbewerber übernommen worden. Für die verbliebenen Arbeitnehmer sei der Beschäftigungsbedarf entfallen. Nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats seien die Arbeitsverhältnisse gekündigt worden. Dem Betriebsrat seien die Sozialdaten der Arbeitnehmer mitgeteilt worden, wie sich schon aus dem Interessenausgleich ergebe. Mit dem Betriebsrat sei über alle Arbeitnehmer gesprochen worden. Ihm sei auch der Einsatz von zwei Arbeitnehmerinnen für die F GmbH bekannt gewesen.
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Die Parteien haben die Beklagtenbezeichnung vor dem Arbeitsgericht dahin richtiggestellt, dass sich die Klage gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin richte. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Klage weiter abgewiesen wissen.
Entscheidungsgründe
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A. Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 3. Mai 2010 beendete das Arbeitsverhältnis mit dem 31. August 2010. Der Senat hat deshalb nicht über den Weiterbeschäftigungsantrag zu entscheiden.
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I. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung war darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2010 zu beenden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung selbst dann nicht stand, wenn es sich bei dem Kündigungsschreiben um eine nur beschränkt revisible atypische Willenserklärung handeln sollte. Das gilt erst recht, wenn das Kündigungsschreiben eine typische, revisionsrechtlich weiter gehend überprüfbare Erklärung sein sollte. Eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte der Senat auch in diesem Fall nicht durchzuführen. Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB(vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 29 mwN, BAGE 137, 347).
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1. Bei der Auslegung einer Kündigung ist nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen sind auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte (vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 129, 265). Der Erklärungsempfänger muss aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung ua. erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung muss für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336).
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2. Dafür genügt im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reicht aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll (vgl. Staudinger/Oetker (2012) Vorbem. zu §§ 620 ff. Rn. 125; ähnlich Eisemann NZA 2011, 601, 602). Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin ist möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist (vgl. Muthers Anm. RdA 2012, 172, 176; Raab RdA 2004, 321, 326). Eine Kündigung ist allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll (vgl. BAG 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).
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3. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 1. September 2010 (- 5 AZR 700/09 - BAGE 135, 255) geht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts von keinen anderen Voraussetzungen für eine hinreichend bestimmte Kündigung aus (aA Ziemann jurisPR-ArbR 3/2011 Anm. 1). Der Fünfte Senat hatte dort zu beurteilen, ob sich bei einer Kündigung, die einen bestimmten Kündigungstermin nennt, durch Auslegung ein anderer Kündigungstermin ermitteln lässt, wenn die Kündigung keine weiteren Angaben enthält. In diesem Zusammenhang hat der Fünfte Senat ausgeführt, auch das Bestimmtheitsgebot stehe der Auslegung der Kündigungserklärung zu einem anderen Termin entgegen. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitnehmers, darüber zu rätseln, zu welchem anderen als dem in der Kündigungserklärung angegebenen Termin der Arbeitgeber die Kündigung gewollt haben könne (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 27, aaO). Dem ist nicht zu entnehmen, ohne Angabe eines datierten Kündigungstermins handle es sich nicht um eine ausreichend bestimmte Kündigungserklärung. Auch der Fünfte Senat geht davon aus, dass eine Kündigungserklärung in der Regel auslegungsfähig ist.
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4. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass das Bestimmtheitsgebot der gebotenen Auslegung nicht entgegensteht (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278; 15. Dezember 2005 - 2 AZR 148/05 - Rn. 24, BAGE 116, 336; 21. Oktober 1981 - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe). Es hat aber nicht den gesamten Inhalt der Kündigungserklärung bei seiner Auslegung verwertet. Zugleich hat das Landesarbeitsgericht Auslegungsgrundsätze verletzt, indem es davon ausgegangen ist, der Beklagte habe der Klägerin Tatsachen - vor allem ihre Betriebszugehörigkeit - mitteilen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, den Kündigungstermin zu bestimmen. Die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist als Kündigung zum 31. August 2010 auszulegen. Nur so konnte die Klägerin die Erklärung des Beklagten verstehen.
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a) Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 3. Mai 2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lässt sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränkt sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gibt zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Das Kündigungsschreiben gibt den Regelungsgehalt von § 622 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB wieder. Zudem wird ausgeführt, dass bei „noch älteren Arbeitsverhältnissen“ nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats gelte. Das Kündigungsschreiben erläutert die Wirkung von § 113 Satz 2 InsO, wenn auch unter Hinweis auf die bis 31. Dezember 2003 geltende Fassung. So führt es aus, dass Fristen, die drei Monate überschritten, nach § 622 Abs. 2 BGB auf die Dreimonatsfrist des „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ reduziert würden. Dargestellt wird ferner, dass einzel- oder tarifvertragliche längere Kündigungsfristen als die Fristen des § 622 Abs. 2 BGB nach „§ 113 Abs. 1 Satz 2 InsO“ nur insoweit maßgeblich seien, als sie die Dreimonatsfrist nicht überstiegen. Für die Klägerin war deshalb nicht unklar, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie konnte der Erklärung entnehmen, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war.
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b) Die Klägerin musste die Erklärung so verstehen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31. August 2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.
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aa) Der Arbeitgeber kann in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise - zB im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs - kann anderes gelten. Für einen solchen Ausnahmetatbestand bestehen hier keine Anhaltspunkte. Im Regelfall der dem Arbeitnehmer bekannten Betriebszugehörigkeit ist die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer ist dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.
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bb) Die Klägerin konnte anhand ihrer Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 und der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung erkennen, zu welchem Termin die Kündigung vom 3. Mai 2010 wirken sollte. Unter Berücksichtigung der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB konnte sie dem Kündigungsschreiben entnehmen, dass § 113 Satz 2 InsO die Kündigungsfrist in ihrem Fall auf drei Monate verringerte und einen anderen Kündigungstermin als das arbeitsvertraglich vorgesehene Vierteljahresende zuließ. Der Kündigungstermin des 31. August 2010 war daher - für sie ersichtlich - der „nächstmögliche Zeitpunkt“.
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c) Für die Frage einer ausreichend bestimmten Kündigung ist nicht erheblich, dass im Kündigungsschreiben ausgeführt ist, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer seien Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lägen, nicht zu berücksichtigen. Das widerspricht der rechtlichen Einordnung, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB unionsrechtswidrig und wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht anzuwenden ist(vgl. EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 43, Slg. 2010, I-365; BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] Rn. 53, BVerfGE 126, 286; BAG 29. September 2011 - 2 AZR 177/10 - Rn. 11; 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 15 ff., BAGE 135, 278; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 16 ff., BAGE 135, 255). Mit Rücksicht auf ihr Lebensalter und ihre Betriebszugehörigkeit seit 1. August 1987 konnte die Klägerin jedoch ohne Weiteres erkennen, dass sich die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB - in jedem Fall auf drei Monate verkürzte.
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II. Die Kündigung des Beklagten vom 3. Mai 2010 ist wirksam. Sie beendete das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 113 Satz 2 InsO mit dem 31. August 2010.
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1. Die Kündigungsschutzklage wahrt die Erfordernisse des § 4 Satz 1 KSchG.
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a) Die Kündigung gilt nicht bereits wegen Zeitablaufs nach § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde durch die am 18. Mai 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage, die sich gegen „RAe K & Partner … als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. E GmbH“ richtete, gewahrt. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die Klage von Anfang an gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Partei kraft Amtes richtete. Die Parteibezeichnung war lediglich ungenau und deswegen richtigzustellen (vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 41 ff.; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 18 ff.).
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b) Zwischen den Parteien bestand bei Zugang der Kündigung noch ein Arbeitsverhältnis.
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aa) Der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ist Voraussetzung für die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).
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bb) Bei der Tätigkeit der Klägerin für die F GmbH handelte es sich nicht um gewerbsmäßige, also erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG idF vom 23. Dezember 2002 (aF).
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(1) Gewerbsmäßig iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF war jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile gerichtete selbständige Arbeitnehmerüberlassungstätigkeit. Entscheidendes Kriterium war die Gewinnerzielungsabsicht. Dabei kam es nicht darauf an, ob tatsächlich Gewinn erzielt wurde. Gewinnerzielungsabsicht war ua. dann zu verneinen, wenn die Überlassung lediglich gegen Erstattung der Personalkosten erfolgen sollte und der Verleiher dadurch auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erlangte. Zu den Kosten gehörten nicht nur die Kosten der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer selbst, sondern auch die Verwaltungskosten, die beim Verleiher für die Arbeitnehmerüberlassung anfielen (vgl. BAG 9. Februar 2011 - 7 AZR 32/10 - Rn. 35; 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 19).
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(2) Danach überließ der Beklagte die Klägerin nicht gewerbsmäßig an die F GmbH. Ihm fehlte die Gewinnerzielungsabsicht, weil er sich von der F GmbH lediglich das an die Klägerin geleistete Arbeitsentgelt erstatten ließ und darüber hinaus keine unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile erzielte.
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(3) Da der Beklagte keine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betrieb, brauchte er keine Überlassungserlaubnis iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF. Zwischen der Klägerin und der F GmbH konnte daher kein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher Fiktion nach § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zustande kommen. Darauf beruft sich die Klägerin auch nicht. Ihre Kündigungsschutzklage wäre sonst bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, weil bei Zugang der Kündigung nicht länger ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten bestanden hätte. Der Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten wäre durch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis unwirksam geworden (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 9 AÜG Rn. 2). Auf die Fragen der Wirksamkeit der Kündigung käme es dann nicht mehr an (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 826/09 - Rn. 13; 28. Mai 2009 - 2 AZR 282/08 - Rn. 20).
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2. Die Kündigung ist formell und materiell wirksam.
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a) Sie musste neben dem Beklagten nicht auch von der F GmbH erklärt werden.
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aa) Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, kann ein einheitliches Arbeitsverhältnis begründet sein. Dafür ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen erforderlich, der es verbietet, sie rechtlich getrennt zu behandeln. Ein solcher Zusammenhang kann sich aus der Auslegung der geschlossenen Verträge, aber auch aus zwingenden rechtlichen Wertungen ergeben (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 692/10 - Rn. 30). Besteht ein einheitliches Arbeitsverhältnis, kann es im Regelfall nur von allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16 mwN).
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bb) Hier bestehen keinerlei Anhaltspunkte für ein einheitliches Arbeitsverhältnis. Die vertraglichen Beziehungen des Beklagten, der F GmbH und der Klägerin waren nicht in einer Weise verknüpft, die eine rechtliche Trennung ausschloss. Die Klägerin war nur in den insoweit nicht mehr für den eigenen Betriebszweck genutzten Räumen der Schuldnerin tätig, über die der Beklagte verfügte. Sie war jedoch in die Betriebsabläufe der F GmbH eingebunden. Ihr Entgelt trug wirtschaftlich die F GmbH, die an den Beklagten die erbrachte Leistung erstattete. Die Hauptleistungspflichten bestanden deswegen wirtschaftlich betrachtet ausschließlich im Verhältnis zwischen der Klägerin und der F GmbH.
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b) Die Betriebsratsanhörung genügt den Erfordernissen des § 102 BetrVG.
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aa) Der Insolvenzverwalter ist auch dann verpflichtet, den Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG anzuhören, wenn die Betriebsparteien zuvor einen Interessenausgleich geschlossen haben. Die Betriebsratsanhörung unterliegt keinen erleichterten Anforderungen. Der Insolvenzverwalter muss das aus seiner Sicht entfallene Beschäftigungsbedürfnis und die der Sozialauswahl zugrunde liegenden Tatsachen, die dem Betriebsrat bereits aus den Interessenausgleichsverhandlungen bekannt sind, im Anhörungsverfahren allerdings nicht erneut mitteilen. Der Insolvenzverwalter kann das Verfahren nach § 102 BetrVG mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbinden. Diese Verbindung ist schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens klarzustellen und ggf. im Wortlaut des Interessenausgleichs zum Ausdruck zu bringen (vgl. für die st. Rspr. BAG 28. Juni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 63 mwN).
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bb) Der Betriebsrat ist regelmäßig ausreichend über den Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert, wenn die geltende Kündigungsfrist feststeht und der Arbeitgeber klarstellt, dass die Kündigung in naher Zukunft ausgesprochen werden soll (vgl. BAG 23. April 2009 - 6 AZR 516/08 - Rn. 18, BAGE 130, 369; 27. April 2006 - 2 AZR 426/05 - Rn. 21). Der Arbeitgeber kann bei Einleitung des Anhörungsverfahrens häufig nicht sicher beurteilen, zu welchem Zeitpunkt dem Arbeitnehmer die beabsichtigte Kündigung zugehen wird. Anderes gilt, wenn der Arbeitgeber gänzlich offenlässt, mit welcher Frist und zu welchem Termin die geplante Kündigung erklärt werden wird (vgl. BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 143). Kennt der Betriebsrat die Sozialdaten des Arbeitnehmers und ist die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist anzuwenden, muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat regelmäßig nicht die Berechnung der Kündigungsfrist und den konkreten Endtermin mitteilen. Es reicht aus, wenn sich aus der Unterrichtung des Arbeitgebers ergibt, dass es sich um eine ordentliche Kündigung - im Zweifel zum nächsten Kündigungstermin - handelt (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 64).
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cc) Nach diesen Grundsätzen unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß.
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(1) Der Beklagte hat vorgetragen, er habe die Betriebsratsanhörung gemeinsam mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich eingeleitet. Das entspricht § 4 Abs. 1 des vorgelegten und in Bezug genommenen Interessenausgleichs vom 30. April 2010. In § 3 Abs. 1 des Interessenausgleichs ist ausgeführt, dass sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Beachtung der Kündigungsfristen des § 113 InsO zu kündigen seien. Der Betriebsrat konnte den Verhandlungen über den Interessenausgleich damit entnehmen, dass die Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochen werden sollten. Das ergibt sich schon daraus, dass § 113 InsO zur Anwendung kommen sollte. In § 3 Abs. 2 des Interessenausgleichs heißt es zwar weiter, dass sich der Arbeitgeber im Einzelfall vorbehalte, die Kündigungen mit einer längeren Auslauffrist als derjenigen des § 113 InsO auszusprechen. Die Klägerin reklamiert für sich aber keinen Fall, der von der gewöhnlichen Konstellation der höchstens dreimonatigen Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abweichen sollte. Der Betriebsrat bestätigte in § 4 Abs. 1 des Interessenausgleichs auch ausdrücklich, dass er im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen die nach § 102 BetrVG erforderlichen Informationen, insbesondere über die Sozialdaten und die individuelle Kündigungsfrist, erhalten habe und ordnungsgemäß angehört worden sei. Der Betriebsrat konnte das vom Beklagten geplante Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin deshalb bestimmen.
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(2) Den Vortrag des Beklagten durfte die Klägerin nicht mit Nichtwissen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.
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(a) Hat der Arbeitgeber - wie hier - eine Anhörung des Betriebsrats dargelegt, die den Erfordernissen des § 102 BetrVG entspricht, ist es Sache des Arbeitnehmers, nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO vollständig und im Einzelnen auszuführen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers zu der Unterrichtung des Betriebsrats für falsch oder unvollständig hält(vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 268/07 - Rn. 30; 18. Mai 2006 - 2 AZR 245/05 - Rn. 50).
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(b) Die Klägerin hat eine ausreichende Betriebsratsanhörung zu den Fragen der Kündigungsfrist und des Kündigungszeitpunkts nicht in Zweifel gezogen, nachdem der Beklagte zu der Anhörung des Betriebsrats vorgetragen hatte. Die Klägerin hat in der Folge lediglich bestritten, dass der Betriebsrat zu ihrem Einsatz für die F GmbH und über „die Einstellung der Arbeitnehmerüberlassung“ unterrichtet worden sei. Der Vortrag des Beklagten zu der Unterrichtung des Betriebsrats im Übrigen gilt damit nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen und zu Unrecht darauf abgestellt, das Vorbringen des Beklagten sei unzureichend gewesen, weil der Beklagte keine dem Betriebsrat zugänglich gemachte Liste mit den individuellen Kündigungsfristen vorgelegt habe.
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(3) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Anhörung des Betriebsrats auch nicht mangelhaft, weil der Beklagte dem Gremium Beginn und Ende ihres Einsatzes für die F GmbH nicht mitteilte. Diese Umstände bestimmten den Kündigungsentschluss des Beklagten aus seiner subjektiven Sicht nicht. Die Unterrichtung des Betriebsrats über den für den Beklagten allein maßgeblichen Kündigungsgrund der beabsichtigten vollständigen Betriebsstilllegung bis spätestens 31. August 2010 steht zwischen den Parteien nicht im Streit (§ 138 Abs. 3 ZPO). Dieser Umstand war in § 2 des Interessenausgleichs vom 30. April 2010 festgehalten.
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c) Die Kündigung vom 3. Mai 2010 ist sozial gerechtfertigt.
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aa) Für die Kündigung bestand ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG.
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(1) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG gehört die Stilllegung des gesamten Betriebs. Unter einer Betriebsstilllegung ist die Auflösung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verstehen. Sie besteht darin, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen (st. Rspr., vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 47). Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch auf die beabsichtigte Stilllegung des Betriebs stützen. Er muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst haben, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen. Die geplanten Maßnahmen müssen bei Zugang der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben (vgl. nur BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37 f.).
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(2) Der Beklagte hat ohne erheblichen Gegenvortrag schlüssig dargelegt, dass der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August 2010 entfiel.
- 49
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(a) Der Beklagte hat vorgetragen, bereits die Geschäftsführung der Schuldnerin habe mit seiner Zustimmung die Betriebseinstellung bis spätestens 31. August 2010 beschlossen. Hintergrund der Entscheidung sei gewesen, dass auch die Produktion der von der Schuldnerin vertriebenen Teppiche eingestellt worden sei.
- 50
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(aa) Die einer solchen betrieblichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit, sondern nur darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist ferner, ob die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfiel (vgl. zB BAG 22. November 2012 - 2 AZR 673/11 - Rn. 16).
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(bb) Die Klägerin hat die vom Beklagten vorgebrachte Entscheidung, den Betrieb stillzulegen, zu keinem Zeitpunkt bestritten. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung zur Stilllegung nicht auf Dauer getroffen wurde, bestehen nicht und sind von der Klägerin nicht behauptet worden.
- 52
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(b) Zur Umsetzung des Stilllegungsbeschlusses wurde am 30. April 2010 ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen. Das spricht für die ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 40). Auch die Klägerin hat nicht vorgebracht, der Betrieb sei tatsächlich nicht eingestellt, sondern nur der Betriebszweck geändert worden, etwa um gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben. Der Vortrag des Beklagten, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2010 sei der Geschäftsbetrieb, dh. der Vertrieb von Teppichen, eingestellt worden, ist unbestritten geblieben. Der Beklagte kündigte daraufhin unstreitig allen verbliebenen Arbeitnehmern.
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(c) Es stünde einer ernsthaften Stilllegungsabsicht nicht entgegen, wenn der Beklagte gekündigte Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist noch eingesetzt haben sollte, um vorhandene Aufträge abzuarbeiten. Der Arbeitgeber erfüllt damit lediglich seine Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 693/10 - Rn. 37; 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - zu II 1 a der Gründe). Das gilt entsprechend für den Einsatz der Klägerin in den Räumlichkeiten der Schuldnerin für die F GmbH bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Die Klägerin konnte nur für die F GmbH tätig werden, weil der Beklagte keinen Beschäftigungsbedarf für sie hatte. Der Beklagte hat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Klägerin ohne die mit der F GmbH getroffene Vereinbarung voraussichtlich bis zum Ende der Kündigungsfrist freigestellt worden wäre. Auch die Klägerin hat nicht behauptet, der vom Beklagten verwaltete Betrieb der Schuldnerin sei auf die F GmbH übergegangen. Sie hat nicht in Zweifel gezogen, dass der Betrieb - wie geplant - zum 31. August 2010 eingestellt wurde.
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bb) Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit war nicht vorhanden.
- 55
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(1) Das geltend gemachte betriebliche Erfordernis ist nicht dringend iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen, freien Arbeitsplatz desselben Betriebs oder eines anderen Betriebs des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Als „frei“ sind grundsätzlich nur solche Arbeitsplätze anzusehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung unbesetzt sind (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 24). Es obliegt dem Arbeitnehmer darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, wenn sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist. Erst danach muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb eine Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht möglich war (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 50 mwN).
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(2) Die Klägerin konnte unstreitig nicht auf einem freien Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen des Beklagten weiterbeschäftigt werden.
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(3) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht bei der F GmbH bestand nicht.
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(a) Der Beklagte führte mit der F GmbH keinen Gemeinschaftsbetrieb.
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(aa) Eine Weiterbeschäftigungspflicht auf freien Arbeitsplätzen eines anderen Unternehmens kommt in Betracht, wenn das kündigende Unternehmen mit dem anderen Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb führt. Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht besteht jedoch nicht, wenn es den Gemeinschaftsbetrieb bei Zugang der Kündigung als solchen bereits nicht mehr gibt. Mit der Beseitigung der einheitlichen Leitungsstruktur ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 53 mwN).
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(bb) Die Klägerin hat schon nicht behauptet, die Schuldnerin oder der Beklagte und die F GmbH hätten zu irgendeinem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb wäre aufgrund der Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin durch den Beklagten spätestens zum 31. August 2010 aufgelöst worden. Der Beklagte hätte nicht durchsetzen können, dass die Klägerin von der F GmbH weiterbeschäftigt wird.
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(b) Eine unternehmensübergreifende Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern bestand nicht.
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(aa) Beruft sich der Arbeitnehmer auf konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret aufzeigen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableitet und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 58 mwN).
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(bb) Die Klägerin hat bereits nicht die tatsächlichen Voraussetzungen dafür dargelegt, dass die F GmbH sowie die Schuldnerin und später der Beklagte einen Konzern iSv. § 18 Abs. 1 oder 2 AktG bildeten.
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(cc) Die Klägerin hat auch keinen Konzernbezug ihres Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.
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(aaa) Der mit der Schuldnerin geschlossene Arbeitsvertrag sieht eine konzernweite „Versetzungsmöglichkeit“ nicht vor.
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(bbb) Der Beklagte übt als Insolvenzverwalter ein ihm vom Gesetz übertragenes Amt aus. Er ist Rechtsnachfolger der Schuldnerin. Schon deswegen ist nicht ersichtlich, wie er auf die „Versetzung“ der Klägerin zur F GmbH bestimmenden gesellschaftsrechtlichen Einfluss hätte nehmen können (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 59 mwN). Auch nach dem Vortrag der Klägerin ergibt sich lediglich eine Absprache zwischen der Geschäftsführung der Schuldnerin oder dem Beklagten und der F GmbH. Danach war der Einsatz der Klägerin für die F GmbH bis 31. August 2010 vorgesehen. Die Klägerin hat nicht behauptet, der Arbeitsvertrag, aufgrund dessen sie die Arbeit für die F GmbH zum 1. September 2010 erneut aufnahm, habe darauf beruht, dass sich die F GmbH gegenüber dem Beklagten zur „Übernahme“ der Klägerin verpflichtet gehabt habe. Sie hat auch nicht geltend gemacht, eine sog. Unterbringungsverpflichtung des Beklagten habe ausnahmsweise aus sonstigen Umständen hergerührt (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 41/11 - Rn. 56 ff. mwN).
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cc) Der Beklagte musste keine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG treffen. Er beschäftigte über den Kündigungstermin hinaus keine vergleichbaren, weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.
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B. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Fischermeier
Gallner
Spelge
Oye
Jerchel
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
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1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 Sa 302/12 - aufgehoben.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 Ö - wird zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
- 2
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Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.
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Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.“
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Das Bundesarbeitsgericht ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die Universität O bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der Zeit von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).
- 5
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Das Bundesarbeitsgericht hob am 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).
- 6
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Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des Klägers nicht weiter entgegennehmen werde.
- 7
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Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.
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Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt
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festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des Vorprozesses und seines Beschäftigungsbegehrens weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.
- 10
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die zulässige Revision des beklagten Landes ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.
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I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.
- 13
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1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist(BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 36, BAGE 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. BAG 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - zu 2 der Gründe).
- 14
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2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 17 mwN, BAGE 144, 231).
- 15
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3. Daran gemessen hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. BAG 22. Oktober 2003 - 7 AZR 113/03 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten Landes vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der Universität an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des Klägers auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten Landes geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu B II 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten Landes ausgehen.
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b) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto contraria non valet dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.
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aa) Der Sachverhalt im Entscheidungsfall ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 AZR 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des Weiterbeschäftigungsanspruchs (vgl. BAG GS 27. Februar 1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122; BAG 26. Juni 1996 - 7 AZR 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des Klägers nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.
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bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 TzBfG geltend gemacht hatte und das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung (BAG 29. Oktober 1997 - 5 AZR 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - zu C der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.
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c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des Senats vom 8. April 2014 (- 9 AZR 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der Senat angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das Landesarbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der Beschäftigungsverpflichtung weiterbeschäftigt hatte (BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 38).
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d) Ein Verhalten des beklagten Landes, aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten Landes auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 GewO zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.
- 22
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II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus § 15 Abs. 5 TzBfG. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.
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1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2011 (- 7 AZR 228/10 - BAGE 139, 109), mit dem das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 Sa 636/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf (BAG 7. November 2002 - 2 AZR 297/01 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 103, 290).
- 24
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2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das Landesarbeitsgericht insoweit auch nicht mit Gegenrügen angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 TzBfG rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.
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a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 TzBfG kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden(vgl. BAG 11. Juli 2007 - 7 AZR 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 AZR 629/03 - zu II der Gründe, BAGE 110, 295; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 TzBfG zuwider. Die in § 15 Abs. 5 TzBfG angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 TzBfG auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 36 mwN, BAGE 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 TzBfG beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses(BAG 29. Juni 2011 - 7 AZR 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.
- 26
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b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten Landes am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des Klägers stattgebendes Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.
- 27
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
-
Brühler
Krasshöfer
Klose
Heilmann
Matth. Dipper
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.