Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juli 2017 - I ZR 162/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger betreibt in F. ein Bestattungsinstitut. Die beklagte Stadt F. unterhält einen Eigenbetrieb Friedhöfe (Eigenbetrieb). Der Eigenbetrieb hat (hoheitliche) Aufgaben der Friedhofsverwaltung zu erfüllen und ist darüber hinaus auch privatwirtschaftlich im Bereich des Bestattungsdienstes tätig.
- 2
- Die Beklagte beauftragte bis ins Jahr 2005 bei Todesfällen, bei denen Angehörige nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung sorgten und deshalb gemäß § 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg (BestattG-BW) die Bestattung behördlich veranlasst werden musste, den Kläger mit diesen Bestattungen. Im Jahr 2005 stellte die Beklagte diese Praxis um und ließ seitdem ausschließlich den Eigenbetrieb die behördlich veranlassten Bestattungen vornehmen.
- 3
- Der Kläger hält dieses Verhalten für wettbewerbsrechtlich unlauter. Er macht geltend, die Beklagte nutze die nur ihr zur Verfügung stehenden Informationen über Sterbefälle von Personen ohne Angehörige, in denen sie zur hoheitlichen Bestattungsanordnung verpflichtet sei, für ihre eigenen Geschäftsinteressen aus und betraue ausschließlich den Eigenbetrieb mit behördlich veranlassten Bestattungen, ohne Angebote privater Anbieter zu prüfen.
- 4
- Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im Falle einer ordnungsbehördlichen Bestattungsanordnung die Bestattung ausnahmslos dem städtischen Bestattungsdienst zu übertragen; hilfsweise dazu im Falle einer ordnungsbehördlichen Bestattungsanordnung die Bestattung ohne vorherige Prüfung von Angeboten privater Anbieter dem städtischen Bestattungsdienst zu übertragen.
- 5
- Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei bei den in Rede stehenden behördlichen Bestattungsveranlassungen nicht zur öffentlichen Ausschreibung und Vergabe an private Anbieter verpflichtet. Mit der Einschaltung ihres Eigenbetriebs erfülle sie im Interesse einer sparsamen Wirtschaftsführung eine öffentliche Aufgabe.
- 6
- Das Landgericht hat die für das Revisionsverfahren noch relevanten Anträge abgewiesen (LG Freiburg, Urteil vom 26. September 2014 - 12 O 150/13, juris). Das Berufungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen.
- 7
- Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- A. Das Berufungsgericht hat beide Unterlassungsanträge als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
- 9
- Der Unterlassungshauptantrag sei zu weitgehend, weil er auch lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstandende Verhaltensweisen der Beklagten umfasse. Der Unterlassungshilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Bei gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW behördlich angeordneten Bestattungen durch das Standesamt liege in der Übertragung der zur Bestattung notwendigen Dienstleistungen an den Eigenbetrieb keine geschäftliche Handlung der Beklagten. Es fehle an einem Marktbezug. Mit der Anordnung oder Veranlassung der Bestattung erfülle die zuständige Behörde der Beklagten eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Sie nehme dadurch nicht als Anbieter am privatrechtlichen Wirtschaftsleben teil. Die Beklagte verschaffe ihrem Bestattungsdienst zudem keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil.
- 10
- B. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist unbegründet.
- 11
- I. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.
- 12
- Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen. Das Berufungsgericht hat dort zwar ausgeführt, die Revision werde zugelassen, soweit es die Berufung des Klägers zur Abweisung des Hilfsantrages als unbegründet zurückgewiesen habe, weil die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien. Damit ist aber lediglich der Grund für die Zulassung der Revision genannt. Das genügt nicht, um mit der notwendigen Sicherheit von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. Der Grund- satz der Rechtsmittelklarheit gebietet es, dass für die Parteien zweifelsfrei erkennbar ist, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (BGH, Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 9/12, GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - Sumo; Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569 - Combiotik; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 11 = WRP 2016, 66 - Tauschbörse II; Urteil vom 23. Juni 2016 - I ZR 241/14, GRUR 2016, 965 Rn. 17 = WRP 2016, 1236 - Baumann II; Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 Rn. 16 - PC mit Festplatte I).
- 13
- II. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Unterlassungshauptantrag sei bereits deshalb unbegründet, weil er zu weit gefasst sei.
- 14
- 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Unterlassungshauptantrag sei unbegründet, weil er auch erlaubte Verhaltensweisen verbiete. Der Beklagten solle mit dem Antrag wegen der Wendung "ausnahmslos" die nach den Denkgesetzen keineswegs ausgeschlossene und nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus nicht völlig fernliegende Übertragung der Bestattung an den Eigenbetrieb auch dann untersagt werden, wenn dieser in lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ausnahmslos zum Zuge käme.
- 15
- 2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Begründetheit des Unterlassungshauptantrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist unzutreffend von einem zu weiten Klagebegehren ausgegangen.
- 16
- a) Allerdings ist ein Klageantrag unbegründet, wenn er aufgrund seiner zu weiten Fassung die vom Kläger geltend gemachte konkrete Verletzungsform verfehlt, weil er auch erlaubte Verhaltensweisen erfasst (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 164/12, GRUR 2014, 393 Rn. 47 = WRP 2014, 424 - wetteronline.de, mwN). Die Reichweite des Klagebegehrens ist jedoch nicht allein anhand der Fassung des Klageantrags zu bestimmen. Zur Auslegung des Klageantrags ist vielmehr der Klagevortrag heranzuziehen (BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 11 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder I; Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 128/07, GRUR 2010, 620 Rn. 30 = WRP 2010, 933 - Film-Einzelbilder; Urteil vom 19. Januar 2017 - I ZR 242/15, GRUR 2017, 390 Rn. 13 = WRP 2017, 753 - East Side Gallery).
- 17
- b) Aus dem zur Begründung des Unterlassungshauptantrags gehaltenen Vortrag des Klägers ergibt sich vorliegend, dass sein Klagebegehren die vom Berufungsgericht als erlaubt angesehenen Verhaltensweisen nicht erfassen sollte.
- 18
- Der Kläger hat mit seinem Antrag die von der Beklagten seit dem Jahr 2005 geübte Praxis angegriffen, bei den gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW zu veranlassenden Bestattungen ohne Ausnahme den Eigenbetrieb einzuschalten. Der Kläger hat insoweit beanstandet, dass die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung nicht prüft, ob solche behördlich veranlasste Bestattungen an private Bestattungsunternehmer vergeben werden können. Gerügt wird damit der Sache nach, dass die Beklagte das ihr gesetzlich eingeräumte Auswahlermessen, welches Unternehmen sie mit der behördlich veranlassten Bestattung beauftragt , nicht ausübt, sondern ohne weiteres den Eigenbetrieb einschaltet. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, dieses Verhalten sei unlauter, weil die Beklagte bei der ausnahmslosen Betrauung des Eigenbetriebs mit Bestattungsleistungen gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW stets in unlauterer Weise ihr Informationsmonopol über Sterbefälle im Sinne dieser Vorschrift ausnutze. Angesichts dieses Klagevorbringens hätte das Berufungsgericht die Reichweite des mit dem Unterlassungshauptantrag verfolgten Klagebegehrens bestimmen müssen. Für den Fall, dass sich das Berufungsgericht an einer dem Klagebegehren entsprechenden Auslegung durch die vom Kläger gewählte konkrete Fassung des Antrags gehindert gesehen hat, hätte es dem Kläger gemäß § 139 ZPO Gelegenheit geben müssen, den Bedenken durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. BGH, GRUR 2014, 393 Rn. 49 - wetteronline.de ; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 2.44a).
- 19
- III. Das angefochtene Urteil stellt sich allerdings im Hinblick auf den Unterlassungshauptantrag aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
- 20
- 1. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UWG sind nicht gegeben. Es fehlt an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
- 21
- a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Übertragung der zur Bestattung notwendigen Dienstleistungen an den Eigenbetrieb bei behördlich angeordneten Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW stelle keine geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Es fehle ein Marktbezug. Mit der Veranlassung der Bestattungen erfülle die zuständige Behörde der Beklagten eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Sie nehme dadurch nicht als Anbieter am privatrechtlichen Wirtschaftsleben teil. Es handele sich bei der Einschaltung des Eigenbetriebs um einen betriebsinternen Vorgang aufgrund hoheitlichen Handelns. Gegen diese Begründung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
- 22
- b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung imSinne dieses Gesetzes jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zu- sammenhängt. Der Begriff der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist nicht enger als der der Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 22 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative, mwN). Zur Bestimmung einer geschäftlichen Handlung kann daher auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Begriff der Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 zurückgegriffen werden (vgl. Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., Einf. D Rn. 24; Schünemann in GK.UWG, 2. Aufl., Einl. F Rn. 47).
- 23
- c) Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt , ist zunächst zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten zu unterscheiden (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.17). Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - I ZR 170/02, GRUR 2005, 960, 961 = WRP 2005, 1412 - Friedhofsruhe; Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 83/03, GRUR 2006, 428 Rn. 12 = WRP 2006, 741 - Abschleppkosten-Inkasso; Keller in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 2 Rn. 46, 68; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO Einf. D Rn. 25; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.18; Schünemann in GK.UWG, 2. Aufl., Einl. F Rn. 56). Dagegen ist bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen (BGH, GRUR 2006, 428 Rn. 12 - Abschleppkosten-Inkasso; Köhler inKöhler/ Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.21; Keller in Harte/Henning aaO § 2 Rn. 44; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO Einf. D Rn. 27). Handelt die öffentliche Hand dagegen zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wird sie aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, GRUR 2006, 428 Rn. 12 - Abschleppkosten-Inkasso; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.22; Keller in Harte/Henning aaO § 2 Rn. 45). Sie ist allerdings auch nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1969 - I ZR 116/67, GRUR 1969, 418, 420 - Standesbeamte; BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 20 f. - Solarinitiative; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.22 f.; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO Einf. D Rn. 28 f.; Koos in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., S. 15 Rn. 11 ff.). Maßgeblich sind insoweit vor allem die konkreten Auswirkungen des Handelns der öffentlichen Hand im Wettbewerb (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1990 - I ZR 78/88, GRUR 1990, 611, 613 = WRP 1990, 626 - Werbung im Programm; Keller in Harte/Henning aaO § 2 Rn. 45; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.23) und die Frage, ob das Tätigwerden zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nach Art und Umfang sachlich notwendig ist und die Auswirkungen auf den Wettbewerb nur notwendige Begleiterscheinung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sind (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3a Rn. 2.23).
- 24
- d) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang. Das Berufungsgericht hat angenommen, die zuständige Behörde erfülle eine öffentlich-rechtliche Pflicht und handele nicht marktbezogen, wenn sie eine Bestattung gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW veranlasst. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
- 25
- aa) Eine rein erwerbswirtschaftliche Betätigung der Beklagten steht im Streitfall nicht in Rede. Die in der Revisionsinstanz noch relevanten Klageanträge wenden sich nicht dagegen, dass der Eigenbetrieb auf dem allgemeinen Markt der Bestattungsdienstleistungen tätig ist, die von Angehörigen von Verstorbenen nachgefragt werden.
- 26
- bb) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten einen Bereich betrifft, in dem sie aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird.
- 27
- (1) Für die im Streitfall maßgebliche Frage, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich handelt und ihre Betätigung damit einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen ist oder die öffentliche Hand zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig wird und damit die Feststellung einer geschäftlichen Handlung im Rahmen einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls möglich ist, kommt es maßgeblich auf die Bestimmungen an, die der streitigen Handlung zugrunde liegen (vgl. BGH, GRUR 2006, 428 Rn. 15 f. - Abschleppkosten-Inkasso).
- 28
- (2) Gemäß § 30 Abs. 1 BestattG-BW müssen Verstorbene bestattet werden. Für die Bestattung müssen die Angehörigen sorgen (§ 31 Abs. 1 BestattGBW ). Sorgen diese nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung, hat die zuständige Behörde diese anzuordnen oder auf Kosten der Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen (§ 31 Abs. 2 BestattG-BW).
- 29
- Vorliegend geht es allein um die in § 31 Abs. 2 BestattG-BWgeregelten Fälle, in denen die Angehörigen eines Verstorbenen nicht oder nicht rechtzeitig ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen, für die Bestattung zu sorgen. Nicht im Streit ist allerdings die von § 31 Abs. 2 Fall 1 BestattG-BW erfasste Konstellation der behördlichen Anordnung der Bestattung, die dann zu ergehen hat, wenn zwar ein Angehöriger vorhanden ist, dieser allerdings seiner Bestattungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist. Die in der Folge einer solchen behördlichen Anordnung vom Angehörigen privatrechtlich zu erteilenden Bestattungsaufträge sind nicht vom Streitgegenstand umfasst. Der Kläger wendet sich mit dem anhand seines Klagevortrags auszulegenden Unterlassungsantrag vielmehr ausschließlich dagegen, dass kein Angehöriger, sondern allein die beklagte Stadt im Falle der behördlichen Veranlassung einer Bestattung im Sinne von § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW die Bestattung stets dem Eigenbetrieb überträgt, ohne zuvor Angebote privater Bestattungsanbieter zu prüfen.
- 30
- (3) Bei der im Streitfall mithin allein maßgeblichen behördlichen Veranlassung einer Bestattung wird die Beklagte gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW und damit aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig. Dies gilt auch für die Entscheidung der Beklagten über die Durchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung.
- 31
- Allerdings richtet sich die öffentlich-rechtliche Pflicht im Sinne einer gebundenen Entscheidung nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 BestattG-BW lediglich auf die Anordnung oder Veranlassung der Bestattung. Insoweit muss die zuständige Behörde tätig werden; ein Ermessen ist ihr auf dieser das "Ob" einer Anordnung oder einer Veranlassung betreffenden Stufe nicht eröffnet. Die Revision macht mit Recht geltend, dass es sich im Hinblick auf die vorliegend maßgebliche zweite Stufe des "Wie" und "durch Wen" anders verhält. Insoweit besteht ein Auswahlermessen, das die Beklagte nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen des Klägers bis zum Jahr 2005 so ausgeübt hat, dass sie in den Jahren 2000 bis 2004 bei F. Bestattungsunternehmen entsprechende Angebote eingeholt und den Kläger als kostengünstigsten Anbieter mit der Durchführung der gemäß § 31 Abs. 2 BestattG-BW angeordneten und veranlassten Bestattungen beauftragt hat.
- 32
- Das Berufungsgericht ist dennoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die vorliegend streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten über die Durchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung ebenso wie die Entscheidung, ob eine Bestattung auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Eingriffsermächtigung des § 31 Abs. 2 BestattG-BW veranlasst wird, keine geschäftliche Handlung darstellt.
- 33
- Dass die Entscheidung der Beklagten über die Art der Durchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung auf der Grundlage der öffentlichrechtlichen Eingriffsermächtigung des § 31 Abs. 2 BestattG-BW erfolgt, folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung.
- 34
- Der insoweit maßgebliche Begriff der "Veranlassung" der Bestattung umfasst nach seinem Wortsinn nicht nur das "Ob", sondern ebenfalls die zweite Stufe der behördlichen Entscheidung über das "Wie" der Bestattung. Entsprechendes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Gesundheitsgefahren abzuwehren und dabei die Interessen des Bestattungspflichtigen, der die Kosten tragen muss, und die Belange des Verstorbenen im Hinblick auf eine angemessene Bestattung in würdiger und ortsüblicher Form zu berücksichtigen (vgl. VGH Mannheim, NJW 1997, 3113, 3114; VGH Mannheim, NVwZ 2002, 995). Von diesem gesetzgeberischen Zweck und dessen Berücksichtigung im Rahmen der Ausübung des der Beklagten eröffneten Auswahlermessens nach § 31 Abs. 2 BestattG-BW ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Die Revision macht nicht geltend, dass eine diesen Anforderungen genügende Bestattung nur oder zumindest in besserer Weise durch den Kläger oder andere private Bestattungsunternehmen gewährleistet werden kann und deshalb die Ausübung des Auswahlermessens auf der zweiten Stufe nicht mehr vom hoheitlichen Zweck im Sinne des § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW gedeckt ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW behördlich zu veranlassenden Bestattungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren auch dann zwingend durchzuführen sind, wenn private Bestattungsun- ternehmen aus terminlichen Gründen oder aufgrund von Kapazitätsproblemen dazu im Einzelfall nicht in der Lage sein sollten.
- 35
- Aus dem Umstand, dass in § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW nicht ausdrücklich bestimmt ist, dass die vorliegend in Rede stehende Durchführung der Bestattung durch eine Behörde oder einen Eigenbetrieb der Beklagten selbst zu erfolgen hat, sondern eine Beauftragung privater Bestattungsunternehmen mit der Durchführung dieser Bestattungen gesetzlich erlaubt ist und in der Vergangenheit auch praktiziert wurde, folgt nicht, dass die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung auf der zweiten Stufe nicht ebenfalls aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Auch die Durchführung einer behördlich anzuordnenden Maßnahme durch Private ist jedenfalls ein der wettbewerbsrechtlichen Überprüfung entzogenes hoheitliches Handeln, wenn ein Unternehmen durch privatrechtlichen Vertrag ohne eigene Entscheidungsmacht als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig wird (vgl. BGH, GRUR 2006, 428 Rn. 15 f. - Abschleppkosten-Inkasso). Lässt die öffentliche Hand solche Maßnahmen nicht (mehr) durch Private, sondern durch einen Eigenbetrieb durchführen, liegt erst recht ein rein hoheitliches Handeln vor. So liegt es auch hier. Der Grund für die Bestattungspflicht gemäß §§ 30 ff. BestattG-BW besteht neben sittlichen Erwägungen in der Abwehr von Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung (vgl. §§ 25, 30 Abs. 5, § 36 Abs. 2, § 37 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Satz 3 BestattG-BW). Das Berufungsgericht hat - von der Revision unbeanstandet - angenommen, dass die Beklagte ihren Eigenbetrieb im Rahmen der Durchführung der behördlich veranlassten Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW wie einen verlängerten Arm ohne eigene Entscheidungsmacht tätig werden lässt. Nichts anderes gilt, wenn die Beklagte statt ihres Eigenbetriebs den Kläger oder ein anderes privates Bestattungsunternehmen einschalten würde. Die Revision macht nicht geltend, dass die Beauftragung von privaten Bestattungsunternehmen in Bezug auf die Art und Wei- se der Durchführung der behördlich veranlassten Bestattung im Sinne von § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW davon abweichen und dem privaten Bestattungsunternehmen ein weitergehender Entscheidungsspielraum zustehen würde. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
- 36
- cc) Da die Beklagte bei Durchführung der gemäß § 31 Abs. 2 BestattGBW veranlassten Bestattungen in einem ausdrücklich öffentlich-rechtlich geregelten Bereich tätig wird, ist ihre mit dem Unterlassungshauptantrag beanstandete Praxis, insoweit ausschließlich ihren Eigenbetrieb einzusetzen, keine geschäftliche Handlung und damit einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen. Auf eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und damit auf die von der Beklagten für ihre Praxis angeführten Motive kommt es nach alledem nicht an.
- 37
- 2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Unterlassungshauptantrag ferner nicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begründet.
- 38
- a) Die Revision macht geltend, die Beklagte verfüge auf dem Markt der gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW veranlassten Bestattungen über ein Nachfragemonopol, da allein sie über die Informationen verfüge, aus denen sich die Notwendigkeit einer Anordnung nach dieser Vorschrift ergebe. Zudem sei nur die Beklagte als zuständige Behörde zur Beauftragung von derartigen Bestattungen befugt. Die Beklagte nutze dieses Monopol missbräuchlich im Sinne von § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB aus, indem sie private Unternehmen wie den Kläger bei der Beauftragung mit Bestattungen auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 BestattG-BW ohne sachlich gerechtfertigten Grund grundsätzlich nicht berücksichtige. Nach dem vom Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommenen Vortrag des Klägers sei dieser vor dem Jahr 2005 von der Be- klagten als günstigster Anbieter von Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 BestattGBW ausgewählt worden. Die Beauftragung ihres Eigenbetriebs mit Bestattungen nach dieser Vorschrift dürfe die Beklagte somit jedenfalls gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht vornehmen, ohne zuvor ein Angebot des Klägers oder eines anderen privaten Bestattungsunternehmens zu berücksichtigen. Anderenfalls könne unter keinem denkbaren Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass sachlich gerechtfertigte Gründe für eine Nichtberücksichtigung der privaten Bestattungsbetriebe vorlägen. Damit hat die Revision keinen Erfolg.
- 39
- b) Es kann auf sich beruhen, ob die öffentliche Hand als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts tätig wird, wenn sie im Rahmen der Beschaffung Waren oder Dienstleistungen nachfragt und sich dabei der Formen des Privatrechts bedient (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - KVR 23/98, WRP 2008, 252 Rn. 12 - Tariftreueerklärung III, mwN). Jedenfalls ist ein hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand der Geltung des Kartellgesetzes von vornherein entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2007 - KZR 48/05, WRP 2007, 1491 Rn. 6 f. - Rettungsleitstelle; Kühne in Loewenheim /Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 3. Aufl., § 18 Rn. 2; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 18 Rn. 3; Wiedemann in Wiedemann, Kartellrecht, 3. Aufl., 1. Kap. § 4 Rn. 9; Bornkamm, Festschrift Hirsch, S. 233). Die beklagte Stadt handelt bei der im Streitfall angegriffenen Ermessensausübung im Rahmen des § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW hoheitlich. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass ein besonderer Markt für Bestattungsdienstleistungen nach § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG -BW besteht, auf dem die Beklagte gegenüber dem Kläger als marktbeherrschender oder auch nur marktstarker Nachfrage im Sinne von § 18 Abs. 1 oder § 20 Abs. 1 GWB tätig ist. Der Kläger ist Bestattungsunternehmer, der seine Leistungen allgemein anbietet. Der für ihn relevante Markt ist damit der Nachfragemarkt für Bestattungsdienstleistungen. Auf diesem Markt ist die Be- klagte nicht marktbeherrschend. Auch zu einer Normadressatenstellung der Beklagten gemäß § 30 Abs. 1 GWB ist nichts festgestellt oder in der Revisionsbegründung ausgeführt.
- 40
- IV. Aus den vorstehenden Gründen ist der Unterlassungshilfsantrag ebenfalls unbegründet.
- 41
- V. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten des Klägers (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 26.09.2014 - 12 O 150/13 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 17.07.2015 - 4 U 164/14 -
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Annotations
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden; - 2.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen; - 3.
„Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist; - 4.
„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht; - 5.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können; - 6.
„Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen; - 7.
„Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln; - 8.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt; - 9.
„unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält; - 10.
„Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben; - 11.
„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.
(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:
- 1.
jedem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt, - 2.
denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt, - 3.
den qualifizierten Einrichtungen, die in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, oder den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2018/302 (ABl. L 60I vom 2.3.2018, S. 1) geändert worden ist, eingetragen sind, - 4.
den Industrie- und Handelskammern, den nach der Handwerksordnung errichteten Organisationen und anderen berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie den Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen.
(4) Stellen nach Absatz 3 Nummer 2 und 3 können die Ansprüche nicht geltend machen, solange ihre Eintragung ruht.
(5) § 13 des Unterlassungsklagengesetzes ist entsprechend anzuwenden; in § 13 Absatz 1 und 3 Satz 2 des Unterlassungsklagengesetzes treten an die Stelle der dort aufgeführten Ansprüche nach dem Unterlassungsklagengesetz die Ansprüche nach dieser Vorschrift. Im Übrigen findet das Unterlassungsklagengesetz keine Anwendung, es sei denn, es liegt ein Fall des § 4e des Unterlassungsklagengesetzes vor.
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
(4) Bei der Beurteilung von geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Geschäftliche Handlungen, die für den Unternehmer vorhersehbar das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die auf Grund von geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese geschäftlichen Handlungen oder die diesen zugrunde liegenden Waren oder Dienstleistungen besonders schutzbedürftig sind, sind aus der Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe zu beurteilen.
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
„geschäftliche Entscheidung“ jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden; - 2.
„geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke und digitale Inhalte, Dienstleistungen sind auch digitale Dienstleistungen, als Dienstleistungen gelten auch Rechte und Verpflichtungen; - 3.
„Marktteilnehmer“ neben Mitbewerber und Verbraucher auch jede weitere Person, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig ist; - 4.
„Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht; - 5.
„Nachricht“ jede Information, die zwischen einer endlichen Zahl von Beteiligten über einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst ausgetauscht oder weitergeleitet wird; nicht umfasst sind Informationen, die als Teil eines Rundfunkdienstes über ein elektronisches Kommunikationsnetz an die Öffentlichkeit weitergeleitet werden, soweit diese Informationen nicht mit dem identifizierbaren Teilnehmer oder Nutzer, der sie erhält, in Verbindung gebracht werden können; - 6.
„Online-Marktplatz“ ein Dienst, der es Verbrauchern ermöglicht, durch die Verwendung von Software, die von einem Unternehmer oder in dessen Namen betrieben wird, einschließlich einer Website, eines Teils einer Website oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge (§ 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs) mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen; - 7.
„Ranking“ die von einem Unternehmer veranlasste relative Hervorhebung von Waren oder Dienstleistungen, unabhängig von den hierfür verwendeten technischen Mitteln; - 8.
„Unternehmer“ jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt; - 9.
„unternehmerische Sorgfalt“ der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält; - 10.
„Verhaltenskodex“ jede Vereinbarung oder Vorschrift über das Verhalten von Unternehmern, zu welchem diese sich in Bezug auf Wirtschaftszweige oder einzelne geschäftliche Handlungen verpflichtet haben, ohne dass sich solche Verpflichtungen aus Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften ergeben; - 11.
„wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Für den Verbraucherbegriff ist § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar.
(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
- 1.
ohne Wettbewerber ist, - 2.
keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder - 3.
eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.
(2) Der räumlich relevante Markt kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes.
(2a) Der Annahme eines Marktes steht nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.
(3) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
sein Marktanteil, - 2.
seine Finanzkraft, - 3.
sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, - 4.
sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, - 5.
Verflechtungen mit anderen Unternehmen, - 6.
rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, - 7.
der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind, - 8.
die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie - 9.
die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen.
(3a) Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:
- 1.
direkte und indirekte Netzwerkeffekte, - 2.
die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, - 3.
seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, - 4.
sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, - 5.
innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.
(3b) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens, das als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig ist, ist insbesondere auch die Bedeutung der von ihm erbrachten Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten zu berücksichtigen.
(4) Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent hat.
(5) Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit
- 1.
zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und - 2.
sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen.
(6) Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie
- 1.
aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen, oder - 2.
aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen.
(7) Die Vermutung des Absatzes 6 kann widerlegt werden, wenn die Unternehmen nachweisen, dass
- 1.
die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder - 2.
die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.
(8) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten der Regelungen in den Absätzen 2a und 3a über die Erfahrungen mit den Vorschriften.
(1) Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.
(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen
- 1.
ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen; - 2.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen; - 3.
ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist; - 4.
sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Weigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn, die Weigerung ist sachlich gerechtfertigt; - 5.
andere Unternehmen dazu auffordert, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren; hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Aufforderung für das andere Unternehmen nachvollziehbar begründet ist und ob der geforderte Vorteil in einem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung steht.
(3) Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 5 gilt auch für Vereinigungen von miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen im Sinne der §§ 2, 3 und 28 Absatz 1, § 30 Absatz 2a, 2b und § 31 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4. Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen, die Preise nach § 28 Absatz 2 oder § 30 Absatz 1 Satz 1 oder § 31 Absatz 1 Nummer 3 binden.
(1) Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
- 1.
ohne Wettbewerber ist, - 2.
keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder - 3.
eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.
(2) Der räumlich relevante Markt kann weiter sein als der Geltungsbereich dieses Gesetzes.
(2a) Der Annahme eines Marktes steht nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.
(3) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern ist insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
sein Marktanteil, - 2.
seine Finanzkraft, - 3.
sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, - 4.
sein Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten, - 5.
Verflechtungen mit anderen Unternehmen, - 6.
rechtliche oder tatsächliche Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, - 7.
der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb durch Unternehmen, die innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ansässig sind, - 8.
die Fähigkeit, sein Angebot oder seine Nachfrage auf andere Waren oder gewerbliche Leistungen umzustellen, sowie - 9.
die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen.
(3a) Insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:
- 1.
direkte und indirekte Netzwerkeffekte, - 2.
die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer, - 3.
seine Größenvorteile im Zusammenhang mit Netzwerkeffekten, - 4.
sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, - 5.
innovationsgetriebener Wettbewerbsdruck.
(3b) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens, das als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig ist, ist insbesondere auch die Bedeutung der von ihm erbrachten Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten zu berücksichtigen.
(4) Es wird vermutet, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 Prozent hat.
(5) Zwei oder mehr Unternehmen sind marktbeherrschend, soweit
- 1.
zwischen ihnen für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein wesentlicher Wettbewerb nicht besteht und - 2.
sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen.
(6) Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie
- 1.
aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 Prozent erreichen, oder - 2.
aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen.
(7) Die Vermutung des Absatzes 6 kann widerlegt werden, wenn die Unternehmen nachweisen, dass
- 1.
die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder - 2.
die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat.
(8) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften nach Ablauf von drei Jahren nach Inkrafttreten der Regelungen in den Absätzen 2a und 3a über die Erfahrungen mit den Vorschriften.
(1) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen, soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht). § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 gilt ferner auch für Unternehmen, die als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig sind, soweit andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten von ihrer Vermittlungsleistung in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen. Es wird vermutet, dass ein Anbieter einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen von einem Nachfrager abhängig im Sinne des Satzes 1 ist, wenn dieser Nachfrager bei ihm zusätzlich zu den verkehrsüblichen Preisnachlässen oder sonstigen Leistungsentgelten regelmäßig besondere Vergünstigungen erlangt, die gleichartigen Nachfragern nicht gewährt werden.
(1a) Eine Abhängigkeit nach Absatz 1 kann sich auch daraus ergeben, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang zu Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Die Verweigerung des Zugangs zu solchen Daten gegen angemessenes Entgelt kann eine unbillige Behinderung nach Absatz 1 in Verbindung mit § 19 Absatz 1, Absatz 2 Nummer 1 darstellen. Dies gilt auch dann, wenn ein Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.
(2) § 19 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 5 gilt auch für Unternehmen und Vereinigungen von Unternehmen im Verhältnis zu den von ihnen abhängigen Unternehmen.
(3) Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht dürfen ihre Marktmacht nicht dazu ausnutzen, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern. Eine unbillige Behinderung im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen
- 1.
Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 vom 1.2.2002, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1381 (ABl. L 231 vom 6.9.2019, S. 1) geändert worden ist, unter Einstandspreis oder - 2.
andere Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis oder - 3.
von kleinen oder mittleren Unternehmen, mit denen es auf dem nachgelagerten Markt beim Vertrieb von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb steht, für deren Lieferung einen höheren Preis fordert, als es selbst auf diesem Markt
(3a) Eine unbillige Behinderung im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne des § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
(4) Ergibt sich auf Grund bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein, dass ein Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 3 ausgenutzt hat, so obliegt es diesem Unternehmen, den Anschein zu widerlegen und solche anspruchsbegründenden Umstände aus seinem Geschäftsbereich aufzuklären, deren Aufklärung dem betroffenen Wettbewerber oder einem Verband nach § 33 Absatz 4 nicht möglich, dem in Anspruch genommenen Unternehmen aber leicht möglich und zumutbar ist.
(5) Wirtschafts- und Berufsvereinigungen sowie Gütezeichengemeinschaften dürfen die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde.
(1) § 1 gilt nicht für vertikale Preisbindungen, durch die ein Unternehmen, das Zeitungen oder Zeitschriften herstellt, die Abnehmer dieser Erzeugnisse rechtlich oder wirtschaftlich bindet, bei der Weiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbaren oder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zur Weiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzuerlegen. Zu Zeitungen und Zeitschriften zählen auch Produkte, die Zeitungen oder Zeitschriften reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen sind, sowie kombinierte Produkte, bei denen eine Zeitung oder eine Zeitschrift im Vordergrund steht.
(2) Vereinbarungen der in Absatz 1 bezeichneten Art sind, soweit sie Preise und Preisbestandteile betreffen, schriftlich abzufassen. Es genügt, wenn die Beteiligten Urkunden unterzeichnen, die auf eine Preisliste oder auf Preismitteilungen Bezug nehmen. § 126 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung.
(2a) § 1 gilt nicht für Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Unternehmen, die nach Absatz 1 Preise für Zeitungen oder Zeitschriften binden (Presseverlage), einerseits und Vereinigungen von deren Abnehmern, die im Preis gebundene Zeitungen und Zeitschriften mit Remissionsrecht beziehen und mit Remissionsrecht an Letztveräußerer verkaufen (Presse-Grossisten), andererseits für die von diesen Vereinigungen jeweils vertretenen Unternehmen, soweit in diesen Branchenvereinbarungen der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse-Grossisten, insbesondere dessen Voraussetzungen und dessen Vergütungen sowie die dadurch abgegoltenen Leistungen geregelt sind. Insoweit sind die in Satz 1 genannten Vereinigungen und die von ihnen jeweils vertretenen Presseverlage und Presse-Grossisten zur Sicherstellung eines flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertriebs von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel im Sinne von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.
(2b) § 1 gilt nicht für Vereinbarungen zwischen Zeitungs- oder Zeitschriftenverlagen über eine verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit, soweit die Vereinbarung den Beteiligten ermöglicht, ihre wirtschaftliche Basis für den intermedialen Wettbewerb zu stärken. Satz 1 gilt nicht für eine Zusammenarbeit im redaktionellen Bereich. Die Unternehmen haben auf Antrag einen Anspruch auf eine Entscheidung der Kartellbehörde nach § 32c, wenn
- 1.
bei einer Vereinbarung nach Satz 1 die Voraussetzungen für ein Verbot nach Artikel 101 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union nach den der Kartellbehörde vorliegenden Erkenntnissen nicht gegeben sind und - 2.
die Antragsteller ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Interesse an dieser Entscheidung haben.
(3) Das Bundeskartellamt kann von Amts wegen oder auf Antrag eines gebundenen Abnehmers die Preisbindung für unwirksam erklären und die Anwendung einer neuen gleichartigen Preisbindung verbieten, wenn
- 1.
die Preisbindung missbräuchlich gehandhabt wird oder - 2.
die Preisbindung oder ihre Verbindung mit anderen Wettbewerbsbeschränkungen geeignet ist, die gebundenen Waren zu verteuern oder ein Sinken ihrer Preise zu verhindern oder ihre Erzeugung oder ihren Absatz zu beschränken.
(4) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten der Regelung in den Absätzen 2b und 3 Satz 2 über die Erfahrungen mit der Vorschrift.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)