Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2016 - 2 StR 319/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 3. Februar 2016 in der Sitzung am 24. Februar 2016, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof , als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung , Rechtsanwalt in der Verhandlung als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Vertreter des Nebenklägers Bo. ,
Justizangestellte in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, soweit es die Angeklagten D. und R. betrifft, und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen dieser Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
III. Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten D. hat es wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den AngeklagtenR. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bei- hilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Von der Anordnung des Verfalls eines sichergestellten Geldbetrags in Höhe von 4.500 Euro gegen den Angeklagten D. hat es abgesehen , weil Ansprüche des Nebenklägers entgegenstehen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sowie die zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - hinsichtlich der Angeklagten B. und R. auf den Strafausspruch beschränkte - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Rechtsmittel der Angeklagten sind unbegründet.
A.
- 2
- Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
- 3
- Der Angeklagte B. wollte nach seiner bedingten Entlassung aus einer Strafhaft im Juli 2013 mit dem Zeugen K. als Strohmann in Ka. Wettbüros mit dem Wettanbieter Ti. betreiben. Die von ihm zuvor benutzten Standorte waren in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger Bo. und dem Zeugen S. übernommen worden. B. wollte diesen die Wettbüros wieder abnehmen und erzählte dem Angeklagten D. davon, der sich zur Unterstützung dieser Pläne bereit erklärte. B. forderte den Nebenkläger auf, ihn mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt zu bringen. Außerdem bat er ihn, den Zeugen S. zu fragen, ob dieser seine Wettbüros für 250.000 Euro verkaufen würde. Der Nebenkläger wollte seine Verdrängung durch den Angeklagten B. vermeiden. In einem Gespräch mit dem Zeugen Ö. äußerte er, dass er B. nicht mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt bringen wolle. Außerdem deutete er an, dass er den Angeklagten D. als aggressiv empfinde. D. erfuhr davon und teilte dies B. mit. Später erfuhren die Angeklagten B. , D. und T. von dem Nebenkläger, dass der Zeuge S. nicht dazu bereit sei, seine Wettbüros zu verkaufen. B. und D. bestanden hiernach weiter darauf, dass der Nebenkläger für sie ein Treffen mit dem Vertreter des Wettanbieters Ti. herbeiführen solle. Dies sagte der Nebenkläger vordergründig zu, war aber insgeheim nicht dazu bereit und unternahm keine Anstrengungen in diese Richtung. Die Angeklagten B. , D. und T. unterhielten sich später darüber. B. und D. waren auch verärgert, weil der Nebenkläger mit dem Zeugen Ö. über ihre Pläne gesprochen hatte. Spätestens am 31. Juli 2013 beschlossen sie, dass der Nebenkläger verprügelt werden solle. B. wollte dabei nicht persönlich in Erscheinung treten. Deshalb sollten die Angeklagten D. , T. und R. die Tätlichkeiten ausführen. Diese holten den Nebenkläger unter einem Vorwand ab und brachten ihn mit dem Auto in eine Tiefgarage in die Nähe der Wohnung des Angeklagten D. . Als der Nebenkläger ausstieg, wurde er von D. , T. und R. zusammengeschlagen und getreten. R. verdrehte ihm derart ein Bein, dass der Nebenkläger befürchtete, es werde brechen.
- 4
- Der Angeklagte D. kam sodann auf den Gedanken, die Situation dazu auszunutzen, von dem Nebenkläger Geld zu fordern. Er verlangte 24.000 Euro als Strafzahlung. Der verängstigte Nebenkläger erklärte, er könne lediglich 10.000 Euro auftreiben. T. vernahm die Geldforderung und war dazu bereit , D. auch bei deren Eintreibung zu unterstützen. Ob der Angeklagte R. die Forderung wahrnahm, ließ sich nicht feststellen.
- 5
- Die Angeklagten brachten den Nebenkläger, der nach ihren Schlägen und Tritten nicht mehr alleine gehen konnte und gestützt werden musste, gegen dessen Willen in die Wohnung des D. , wo sie im Wohnzimmer auf dem Boden eine Folie ausbreiteten. D. schlug den Nebenkläger mit einem Gürtel. Dann holte er ein Messer und drohte dem Nebenkläger, er werde ihm einen Finger abschneiden. T. war dabei anwesend, während R. sich mög- licherweise ins Schlafzimmer begeben hatte. D. verließ wiederholt das Wohnzimmer und erklärte, er werde mit B. telefonieren und diesen fragen, ob ihm eine Zahlung von 10.000 Euro durch den Nebenkläger ausreichend erscheine. Ob ein solches Telefonat stattfand, ließ sich nicht feststellen. Schließlich erklärte sich D. mit einer Zahlung von 10.000 Euro einverstanden. Der Nebenkläger sollte jemanden finden, der ihm das Geld leihen würde. Durch verschiedene Telefonate erreichte der Nebenkläger eine Zusage des Zeugen Kar. , ihm sogleich 10.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Angeklagten ließen dieses Geld durch einen Mitarbeiter des Wettbüros des Nebenklägers abholen und T. übergeben, der es an D. weitergab.
- 6
- Danach sprach D. mit dem Nebenkläger noch darüber, dass er zusammen mit B. alle Geschäfte mit dem Wettanbieter Ti. in Ka. übernehmen wolle. Der Nebenkläger solle für sie arbeiten. D. erklärte weiter, der Zeuge S. werde der nächste sein, der sein Wettbüro abgeben müsse. Der verängstigte Nebenkläger sah sich zu der Erklärung gezwungen, dass er seine Wettbüros an B. abgeben werde. Auf Geheiß des Angeklagten D. beschaffte sich T. vom Mobiltelefon des Nebenklägers Bilder von dessen Kindern. D. äußerte gegenüber dem Nebenkläger, er wisse, wo dieser wohne ; wenn er „etwas sagen“ werde, würde seinen Kindern etwas zustoßen. Danach verbrachten D. und T. den Nebenkläger ins Krankenhaus, wo dieser stationär aufgenommen wurde. Er hatte eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Hautabschürfungen erlitten.
- 7
- Später suchten B. und D. den Nebenkläger im Krankenhaus auf. Dieser war danach so verängstigt, dass er das Krankenhaus vorzeitig verließ, kollabierte und sich durch einen Sturz zusätzlich verletzte. Er wurde daraufhin in ein anderes Krankenhaus gebracht, wo ihn B. abermals aufsuchte.
B.
- 8
- Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sind unbegründet.
- 9
- I. Die Revision des Angeklagten D. hat aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen keinen Erfolg.
- 10
- 1. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge der Verletzung des Fairnessgrundsatzes durch Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Verteidigerin, in deren Person ein Interessenkonflikt bestanden habe.
- 11
- a) Dieser Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:
- 12
- Der Angeklagte D. beauftragte am 21. August 2013 den Rechtsanwalt P. mit seiner Verteidigung. Dieser erwirkte am Folgetag unter Niederlegung des Mandats als Wahlverteidiger seine Bestellung zum Verteidiger durch die Haftrichterin. Am 17. September 2013 zeigte Rechtsanwalt M. an, dass er den Geschädigten als Zeugenbeistand vertrete. Am 28. Oktober 2013 zeigte Rechtsanwältin Me. an, von dem Angeklagten D. mit seiner Verteidigung beauftragt worden zu sein. Rechtsanwältin Me. war - gerichtsbekannt - mit Rechtsanwalt M. in einer Bürogemeinschaft verbunden und auch privat mit diesem liiert. Am 18. Februar 2014 beauftragte der Angeklagte D. zusätzlich Rechtsanwalt A. mit seiner Verteidigung und erklärte, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt P. zerrüttet sei. Unter dem 4. März 2014 beantragte Rechtsanwalt A. Rechtsanwalt P. zu entpflichten. Der Vorsitzende der Strafkammer schrieb nach einem vorausgegangenen Telefonat an Rechtsanwalt P. , dass er davon ausgehe, dieser sei mit seiner Entpflichtung und der Bestellung von Rechtsanwältin Me. einverstanden. Rechtsanwältin Me. hatte zwischenzeitlich ihre gerichtliche Bestellung als Verteidigerin beantragt. Der Angeklagte D. und Rechtsanwalt A. wurden davon nicht unterrichtet.
- 13
- Mit Verfügung vom 7. März 2014 entpflichtete der Vorsitzende den Rechtsanwalt P. und ordnete dem Angeklagten D. Rechtsanwältin Me. als Verteidigerin bei. Unter dem 19. März 2014 erklärte Rechtsanwalt M. im Namen des Geschädigten Bo. dessen Anschluss als Nebenkläger und beantragte seine Bestellung zu dessen Beistand. Unter dem 26. März 2014 korrespondierte Rechtsanwalt M. mit Rechtsanwältin Me. schriftlich über die Frage eines Täter-Opfer-Ausgleichs durch außergerichtliche Zahlung eines Schmerzensgeldes. Diese Korrespondenz wurde auch Rechtsanwalt A. mitgeteilt. Am 20. April 2014 ließ das Landgericht den Geschädigten als Nebenkläger zu. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Rechtsanwalts M. sah es zunächst nicht als erfüllt an, ordnete ihn aber später bei. Rechtsanwalt M. nahm als Vertreter des Nebenklägers an 21 von 24 Verhandlungstagen an der Hauptverhandlung teil.
- 14
- Rechtsanwältin Me. war ebenfalls an 21 der 24 Verhandlungstage als Verteidigerin des Angeklagten D. anwesend. Rechtsanwalt A. war zunächst an den ersten zehn Verhandlungstagen präsent, unter anderem bei der Sacheinlassung des Angeklagten; an insgesamt sieben späteren Verhandlungstagen war er nicht in der Hauptverhandlung anwesend. Er hielt den Schlussvortrag für den Angeklagten D. , dem sich Rechtsanwältin Me. anschloss.
- 15
- Das Urteil der Strafkammer wurde am 10. Dezember 2014 verkündet. Am 18. Dezember 2014 beantragte Rechtsanwalt A. , RechtsanwältinMe. zu entpflichten. Dies entspreche dem Wunsch des Angeklagten D. . Dessen Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwältin Me. sei nachhaltig gestört. Deren Beiordnung sei von Anfang an bedenklich gewesen.
- 16
- b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, bereits die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin sei mangels seiner Anhörung verfahrensfehlerhaft gewesen. Für eine Verteidigerbestellung neben dem Wahlverteidigermandat des Rechtsanwalts A. habe kein Raum bestanden. Auch die Aufrechterhaltung der Verteidigerbestellung sei verfahrensfehlerhaft, weil wegen der persönlichen Verbindung der Rechtsanwältin Me. mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. und deren Bürogemeinschaft eine Interessenkollision bestanden habe. Dadurch sei er in seinem Recht auf wirkungsvolle Verteidigung verletzt. Darauf beruhe das angefochtene Urteil.
- 17
- c) Die Verfahrensrüge ist zulässig, aber unbegründet. Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren in der Form des Rechts auf wirkungsvolle Verteidigung liegt nicht vor.
- 18
- aa) Jeder Beschuldigte hat das Recht auf ein faires Strafverfahren, zu dem auch die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung gehört (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG). Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in Fällen der notwendigen Verteidigung der Bestellung eines Verteidigers durch das Gericht. Dabei ist auf ein bestehendes oder angestrebtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger möglichst Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3696).
- 19
- Gründe, die gegen eine wirksame Verteidigung des Beschuldigten durch einen bestimmten Rechtsanwalt sprechen, sind bei der Bestellungsentscheidung zu berücksichtigen. Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Verteidiger in Betracht kommenden Rechtsanwalts kann dessen Bestellung im Einzelfall entgegenstehen, wenn deshalb geringere Effektivität seines Einsatzes als Strafverteidiger zu befürchten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15; krit. Müller/Leitner in Widmaier/Müller/Schlothauer, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., § 39 Rn. 119; von Stetten ebenda § 16 Rn. 46). Hierin kann mit Blick auf die auch durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK geforderte subsidiäre Verantwortung des Staates für eine wirksame Verteidigung (vgl. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, 2007, S. 858 ff. mwN) ein wichtiger Grund im Sinne von § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung dieses Rechtsanwalts zum Verteidiger abzusehen. Ergeben sich nachträglich Hinweise auf die Möglichkeit eines Interessenkonflikts, so kann dies ein wichtiger Grund dafür sein, eine bereits erfolgte Verteidigerbestellung aufzuheben. Jedoch ist die Situation im Abberufungsverfahren anders als bei der Bestellung zum Verteidiger. Die Entpflichtung eines Verteidigers ist - von den in § 143 StPO ausdrücklich genannten Gründen abgesehen - dann zulässig , wenn der Zweck der gerichtlich bestellten Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet ist. Die Grenze für die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den vom Gericht beigeordneten Verteidiger wird in der Situation der Entpflichtung enger gezogen (vgl. BVerfG aaO, NJW 2001, 3695, 3697).
- 20
- Dem Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 175). Dabei kann auch das Ziel einer Verfahrenssicherung durch die Verteidigerbestellung berücksichtigt werden. Nicht in jedem Fall, in dem die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision besteht, ist der Vorsitzende verpflichtet, die Bestellung eines bestimmten Rechtsanwalts zum Verteidiger zu unterlassen oder nachträglich aufzuheben. Zu beachten ist auch, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich selbst für die Wahrung seiner beruflichen Pflichten verantwortlich ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 48, 170, 174). Er hat im Fall eines tatsächlich bestehenden Interessenkonflikts seinerseits darauf hinzuwirken, dass er nicht zum Verteidiger bestellt oder eine bestehende Bestellung aufgehoben wird.
- 21
- Der Vorsitzende hat in Fällen, in denen eine Interessenkollision möglich erscheint, regelmäßig Anlass, den Beschuldigten und den als Verteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalt zu dem prozessualen Sachverhalt anzuhören (vgl. BGH aaO, SSW/Beulke, StPO, 2. Aufl., § 143 Rn. 20). Werden bei der Anhörung oder im weiteren Gang des Verfahrens keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder besondere Gründe dagegen vorgebracht, so kann auch dies dafür sprechen, dass die Entscheidung des Vorsitzenden zumindest vertretbar war.
- 22
- bb) Nach diesem Maßstab ist der Anspruch des Angeklagten D. auf wirkungsvolle Verteidigung als Teil des Anspruchs auf ein faires Verfahren nicht verletzt worden.
- 23
- (1) Zwar hat der Vorsitzende der Strafkammer es versäumt, den Angeklagten unter Mitteilung eventueller Bedenken im Hinblick auf die mit Rechtsanwalt M. bestehende Bürogemeinschaft gesondert zu der Frage der Bestellung der Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin anzuhören. Dieses Versäumnis fällt allerdings vorliegend nicht entscheidend ins Gewicht. So hatte der Angeklagte D. die Rechtsanwältin Me. zuvor selbst als Verteidigerin gewählt. Einwendungen gegen ihre Mitwirkung an der Hauptverhandlung wurden in Kenntnis aller Umstände auch nachträglich bis zur Urteilsverkündung nicht erhoben. Somit konnte der Vorsitzende der Strafkammer davon ausgehen, dass der Angeklagte D. mit der Bestellung dieser Verteidigerin einverstanden war.
- 24
- (2) Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren folgt auch nicht daraus, dass die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin aufrechterhalten wurde, obwohl sie durch die Bürogemeinschaft mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. dem Risiko einer Interessenkollision ausgesetzt war (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). Allein daraus ist nicht abzuleiten, dass der Angeklagte nicht wirksam verteidigt wurde.
- 25
- Ihm standen im Verlauf der Hauptverhandlung zwei Strafverteidiger zur Verfügung, von denen stets zumindest einer anwesend war, an den meisten Verhandlungstagen beide zugleich. Wird ein Angeklagter durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt, ist nur die ununterbrochene Anwesenheit eines dieser Verteidiger erforderlich (§ 227 StPO). Das gilt wegen der rechtlichen Gleichstellung von gewählten und bestellten Verteidigern für beide gleichermaßen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1959 – 1 StR 418/59, BGHSt 13, 337, 341; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 227 Rn. 5, 11). Erst bei Nichtwahrnehmung eines im Einzelfall zwingend erforderlichen Anwesenheitsrechts kann ein Verstoß gegen den Fairnessgrundsatz festgestellt werden. Mehrere gleichzeitig mandatierte Verteidiger können sich - unbeschadet ihrer Selbständigkeit - die Aufgaben in der Hauptverhandlung teilen (vgl. Sommer StraFo 2013, 6 ff.). Aus der Abwesenheit eines von mehreren Verteidigern folgt für sich genommen kein Rechtsfehler , auf dem das Urteil generell beruhen würde (vgl. § 338 Nr. 5 StPO). Ein relativer Revisionsgrund (§ 337 Abs. 1 StPO), resultierend aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK, Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG), könnte im Fall einer Interessenkollision in der Person des zeitweilig alleine anwesenden Verteidigers allerdings dann gegeben sein, wenn die Abwesenheit des anderen Verteidigers dazu geführt hätte, dass die Verteidigung insgesamt nicht wirksam wäre. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Anwesenheit desselben Verteidigers bei allen Teilen der Hauptverhandlung für eine sachgemäße Durchführung der Verteidigung notwendig ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 13, 337, 340).
- 26
- Vorliegend wird von der Revision nicht geltend gemacht, dass eine Zusammenarbeit der Verteidiger sowie eine Information des zeitweise abwesenden Verteidigers über das zwischenzeitliche Geschehen in der Hauptverhandlung nicht stattgefunden hätten. Der Angeklagte D. wurde maßgeblich durch Rechtsanwalt A. verteidigt, den er als Verteidiger gewählt hatte. Dieser war bei der Einlassung des Angeklagten zur Sache und während der anfänglichen Beweisaufnahme sowie bei zeitweiliger Abwesenheit auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung anwesend; insbesondere hat er auch den Schlussvortrag gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass er den auf die gesamte Beweisaufnahme bezogenen Schlussvortrag, dem sich Rechtsanwältin Me. lediglich angeschlossen hat, nicht unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte halten konnte, liegen nicht vor. Konkrete Hinweise darauf, dass RechtsanwältinMe. seine Verteidigertätigkeit gestört oder jedenfalls nicht ausreichend durch Informationen über das Geschehen in der Hauptverhandlung während seiner Abwesenheit unterstützt hätte, hat die Revision nicht benannt. Bis zur Urteilsverkündung ist auch von keinem Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden, dass Bedenken gegen die Mitwirkung von Rechtsanwältin Me. als Verteidigerinin der Hauptverhandlung bestünden. In der Gesamtschau ist auszuschließen, dass die Fairness des Verfahrens im Ganzen nicht gewährleistet war. Ein lediglich abstraktes, zu keiner Zeit artikuliertes Misstrauen des Angeklagten gegen eine effektive Interessenwahrnehmung durch die gerichtlich bestellte Verteidigerin rechtfertigt unter diesen Umständen nicht die Annahme einer Verletzung des Fairnessgrundsatzes aus der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK).
- 27
- (3) Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einzelfällen die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung wegen eines konkreten Interessenkonflikts als Verfahrensfehler beanstandet wurde, handelte es sich um Fälle, in denen der Angeklagte ausschließlich durch diesen Rechtsanwalt verteidigt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 171 ff.; Beschluss vom 15. November 2005 – 3 StR 327/05, NStZ 2006, 404; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). In einem Fall, in dem der Angeklagte erst im Verlauf der Hauptverhandlung zusätzlich durch einen weiteren von ihm gewählten Rechtsanwalt maßgeblich verteidigt worden ist, hat der Bundesgerichtshof jedenfalls ausgeschlossen , dass das Urteil auf dem Unterlassen einer Entpflichtung des bestellten Verteidigers trotz Vorliegens eines Interessenkonflikts beruhe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15, NStZ 2016, 115 f.). Das würde auch im vorliegenden Fall gelten, wenn nicht bereits das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Fairnessgrundsatz verneint würde.
- 28
- 2. Die Sachbeschwerde des Angeklagten D. ist ebenfalls unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet, wie der Generalbundesanwalt zutreffend erläutert hat, keinen rechtlichen Bedenken. Die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinn sind rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von § 46 Abs. 3 StGB liegt nicht vor.
- 29
- II. Die Revision des Angeklagten B. hat keinen Erfolg. Seine Sachrüge ist unbegründet.
- 30
- Soweit sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung wendet, die im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch mehrere gemeinschaftlich begangen wurde, zeigt er keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts auf. Die Schlussfolgerungen der Strafkammer aus dem Rahmengeschehen darauf, dass der Angeklagte B. , der bei den Tätlichkeiten nicht unmittelbar selbst in Erscheinung treten wollte, von einer Ausführung der Körperverletzung durch mehrere Täter ausgegangen ist, sind nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend. Er hielt sich schließlich auch während der Tatausführung in der Nachbarwohnung auf.
- 31
- Es ist ferner rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung bedacht hat, der Angeklagte B. sei „Mitinitiator des Ganzen“ gewesen. Damit wurde ersichtlich nicht nur seine Mittäterschaft bei der gefährlichen Körperverletzung strafschärfend bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass der Angeklagte B. bei dem Gesamtgeschehen, das auf die Übernahme aller Wettbüros abzielte, die führende Rolle innehatte.
- 32
- III. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R. bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
- 33
- Insbesondere ist der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur Freiheitsberaubung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte R. war an der unmittelbar vorangegangenen gefährlichen Körperverletzung als Mittäter beteiligt. Diese mündete unmittelbar in die Freiheitsberaubung, indem der Nebenkläger Bo. , der nicht mehr alleine gehen konnte, gegen seinen Willen in die Wohnung des Angeklagten D. verbracht wurde. Dabei begleitete der Angeklagte R. den Nebenkläger Bo. und die Mitangeklagten D. und T. . Vor dem Hintergrund seiner vorherigen Mitwirkung an der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung handelte es sich dabei nicht lediglich um bloße physische Präsenz des Angeklagten R. . Vielmehr hat er auch vorsätzlich einen aktiven Beitrag zu der unmittelbar an die gefährliche Körperverletzung anschließende Freiheitsberaubung geleistet.
C.
- 34
- I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten D. wegen tateinheitlich begangener gefährli- cher Körperverletzung und versuchter Nötigung sowie die Verurteilung des Angeklagten T. wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung vermisst. Dem steht die Verfahrensbeschränkung durch die Staatsanwaltschaft vor der Anklageerhebung gemäß §§ 154, 154a StPO entgegen. Eine Wiedereinbeziehung der diesbezüglichen Vorwürfe ist nicht erfolgt.
- 35
- II. Die Strafzumessungsentscheidungen des Landgerichts sind zum Teil rechtsfehlerhaft.
- 36
- 1. Die Strafzumessung weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten B. auf, die sich jedenfalls in der Gesamtschau zu seinem Vorteil ausgewirkt haben können.
- 37
- Das Landgericht hat dem Angeklagten B. ein Teilgeständnis als Strafmilderungsgrund zugutegehalten, obwohl er nach den Urteilsgründen erklärt hat, der Anstoß zu den Tätlichkeiten gegen den Nebenkläger sei ausschließlich von dem Angeklagten D. ausgegangen. Er selbst habe nur vermittelnd eingegriffen. Damit liegt kein Eingeständnis einer Beteiligung an der Tat vor. Ein Strafmilderungsgrund der Reue und Schuldeinsicht, die in einer ganz oder teilweise geständigen Sacheinlassung zum Ausdruck kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209), ist daraus nicht zu entnehmen.
- 38
- Nicht nachzuvollziehen ist die Erwägung des Landgerichts, dass bei dem zurzeit der Hauptverhandlung 42 Jahre alten Angeklagten altersbedingt erhöhte Haftempfindlichkeit vorliege.
- 39
- Zu Unrecht hat das Landgericht nicht als bestimmenden Strafzumessungsgrund berücksichtigt, dass der Angeklagte B. den Nebenkläger noch nach der Tat bei seinen Besuchen im Krankenhaus weiter nachhaltig verängs- tigt hat, so dass dieser sogar das Krankenhaus vorzeitig verließ und sich dabei infolge eines Sturzes weitere Verletzungen zuzog.
- 40
- 2. Die Strafzumessung im engeren Sinne hinsichtlich des Angeklagten D. ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht ihm zugutegehalten hat, es habe „teilweise eine kokainbedingte Enthemmung vorgelegen.“ Der Kokainkon- sum während der Begehung der Tat rechtfertigt keine Strafmilderung, weil es zur Annahme voller Schuldfähigkeit genügt, wenn der Täter während eines Zeitabschnitts zwischen Versuchsbeginn und Vollendung der Tat uneingeschränkt schuldfähig war. Der Senat schließt aber aus, dass die Strafbemessung zugunsten des Angeklagten D. hierauf beruht.
- 41
- 3. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts ist zugunsten des Angeklagten T. rechtsfehlerhaft.
- 42
- Die Voraussetzungen für eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB sind alleine mit dem Hinweis auf eine Entschuldigung des Angeklagten T. bei dem Nebenkläger nicht hinreichend dargetan. Der Senat kann im Hinblick auf die damit verbundene Strafrahmenmilderung nicht ausschließen , dass die Entscheidung zugunsten des Angeklagten T. darauf beruht.
- 43
- Der neue Tatrichter wird - was eine bislang angenommene weitere Strafrahmenverschiebung nach § 46b StGB anbelangt - auch zu berücksichtigen haben, dass der Täter einer Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 100a Abs. 2 StPO nicht durch Offenbarung einer Nichtkatalogtat in den Genuss einer Strafrahmenmilderung kommen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 122).
- 44
- III. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Angeklagten R. ist rechtsfehlerfrei. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der Antrag des Beschuldigten nach § 141 Absatz 1 Satz 1 ist vor Erhebung der Anklage bei den Behörden oder Beamten des Polizeidienstes oder bei der Staatsanwaltschaft anzubringen. Die Staatsanwaltschaft legt ihn mit einer Stellungnahme unverzüglich dem Gericht zur Entscheidung vor, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt. Nach Erhebung der Anklage ist der Antrag des Beschuldigten bei dem nach Absatz 3 Nummer 3 zuständigen Gericht anzubringen.
(2) Ist dem Beschuldigten im Vorverfahren ein Pflichtverteidiger gemäß § 141 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 zu bestellen, so stellt die Staatsanwaltschaft unverzüglich den Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger zu bestellen, sofern sie nicht nach Absatz 4 verfährt.
(3) Über die Bestellung entscheidet
- 1.
das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft oder ihre zuständige Zweigstelle ihren Sitz hat, oder das nach § 162 Absatz 1 Satz 3 zuständige Gericht; - 2.
in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 das Gericht, dem der Beschuldigte vorzuführen ist; - 3.
nach Erhebung der Anklage der Vorsitzende des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist.
(4) Bei besonderer Eilbedürftigkeit kann auch die Staatsanwaltschaft über die Bestellung entscheiden. Sie beantragt unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach ihrer Entscheidung, die gerichtliche Bestätigung der Bestellung oder der Ablehnung des Antrags des Beschuldigten. Der Beschuldigte kann jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen.
(5) Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.
(6) Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.
(7) Gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Sie ist ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte einen Antrag nach § 143a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 stellen kann.
(1) Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet mit der Einstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens einschließlich eines Verfahrens nach den §§ 423 oder 460.
(2) Die Bestellung kann aufgehoben werden, wenn kein Fall notwendiger Verteidigung mehr vorliegt. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 gilt dies nur, wenn der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird. Beruht der Freiheitsentzug in den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 5 auf einem Haftbefehl gemäß § 127b Absatz 2, § 230 Absatz 2 oder § 329 Absatz 3, soll die Bestellung mit der Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls, spätestens zum Schluss der Hauptverhandlung, aufgehoben werden. In den Fällen des § 140 Absatz 1 Nummer 4 soll die Bestellung mit dem Ende der Vorführung aufgehoben werden, falls der Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt wird.
(3) Beschlüsse nach Absatz 2 sind mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.
Es können mehrere Beamte der Staatsanwaltschaft und mehrere Verteidiger in der Hauptverhandlung mitwirken und ihre Verrichtungen unter sich teilen.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
- 1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
Hat der Täter
- 1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder - 2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie - 2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.
(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.
(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn
- 1.
bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete schwere Straftat begangen, in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht, oder durch eine Straftat vorbereitet hat, - 2.
die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt und - 3.
die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.
(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:
- 1.
aus dem Strafgesetzbuch: - a)
Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 80a bis 82, 84 bis 86, 87 bis 89a, 89c Absatz 1 bis 4, 94 bis 100a, - b)
Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern nach § 108e, - c)
Straftaten gegen die Landesverteidigung nach den §§ 109d bis 109h, - d)
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach § 127 Absatz 3 und 4 sowie den §§ 129 bis 130, - e)
Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Abs. 3 und § 152b Abs. 1 bis 4, - f)
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen der §§ 176, 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177, - g)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte nach § 184b, § 184c Absatz 2, - h)
Mord und Totschlag nach den §§ 211 und 212, - i)
Straftaten gegen die persönliche Freiheit nach den §§ 232, 232a Absatz 1 bis 5, den §§ 232b, 233 Absatz 2, den §§ 233a, 234, 234a, 239a und 239b, - j)
Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, Wohnungseinbruchdiebstahl nach § 244 Absatz 4 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a, - k)
Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255, - l)
gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260 und 260a, - m)
Geldwäsche nach § 261, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 11 genannten schweren Straftaten ist, - n)
Betrug und Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 263 Abs. 5, jeweils auch in Verbindung mit § 263a Abs. 2, - o)
Subventionsbetrug unter den in § 264 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Falle des § 264 Abs. 3 in Verbindung mit § 263 Abs. 5, - p)
Sportwettbetrug und Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben unter den in § 265e Satz 2 genannten Voraussetzungen, - q)
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter den in § 266a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 genannten Voraussetzungen, - r)
Straftaten der Urkundenfälschung unter den in § 267 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen und im Fall des § 267 Abs. 4, jeweils auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3, sowie nach § 275 Abs. 2 und § 276 Abs. 2, - s)
Bankrott unter den in § 283a Satz 2 genannten Voraussetzungen, - t)
Straftaten gegen den Wettbewerb nach § 298 und, unter den in § 300 Satz 2 genannten Voraussetzungen, nach § 299, - u)
gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c, 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, des § 310 Abs. 1, der §§ 313, 314, 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 sowie der §§ 316a und 316c, - v)
Bestechlichkeit und Bestechung nach den §§ 332 und 334,
- 2.
aus der Abgabenordnung: - a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzungen, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 370 Absatz 1 verbunden hat, handelt, oder unter den in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen, - b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373, - c)
Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
- 3.
aus dem Anti-Doping-Gesetz: Straftaten nach § 4 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b, - 4.
aus dem Asylgesetz: - a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3, - b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
- 5.
aus dem Aufenthaltsgesetz: - a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Abs. 2, - b)
Einschleusen mit Todesfolge und gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
- 5a.
aus dem Ausgangsstoffgesetz: Straftaten nach § 13 Absatz 3, - 6.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz: vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes, - 7.
aus dem Betäubungsmittelgesetz: - a)
Straftaten nach einer in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen, - b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
- 8.
aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz: Straftaten nach § 19 Abs. 1 unter den in § 19 Abs. 3 Satz 2 genannten Voraussetzungen, - 9.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen: - a)
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3 und § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, - b)
Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3,
- 9a.
aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz: Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 Buchstabe a, - 10.
aus dem Völkerstrafgesetzbuch: - a)
Völkermord nach § 6, - b)
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7, - c)
Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12, - d)
Verbrechen der Aggression nach § 13,
- 11.
aus dem Waffengesetz: - a)
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3, - b)
Straftaten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Abs. 5 und 6.
(3) Die Anordnung darf sich nur gegen den Beschuldigten oder gegen Personen richten, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Beschuldigten bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss oder ihr informationstechnisches System benutzt.
(4) Auf Grund der Anordnung einer Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation hat jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und ihren im Polizeidienst tätigen Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) diese Maßnahmen zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. § 95 Absatz 2 gilt entsprechend.
(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 ist technisch sicherzustellen, dass
- 1.
ausschließlich überwacht und aufgezeichnet werden können: - a)
die laufende Telekommunikation (Absatz 1 Satz 2), oder - b)
Inhalte und Umstände der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung nach § 100e Absatz 1 auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätten überwacht und aufgezeichnet werden können (Absatz 1 Satz 3),
- 2.
an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und - 3.
die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.
(6) Bei jedem Einsatz des technischen Mittels sind zu protokollieren
- 1.
die Bezeichnung des technischen Mittels und der Zeitpunkt seines Einsatzes, - 2.
die Angaben zur Identifizierung des informationstechnischen Systems und die daran vorgenommenen nicht nur flüchtigen Veränderungen, - 3.
die Angaben, die die Feststellung der erhobenen Daten ermöglichen, und - 4.
die Organisationseinheit, die die Maßnahme durchführt.