Bundesgerichtshof Urteil, 21. Dez. 2016 - 1 StR 253/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:211216U1STR253.16.0
bei uns veröffentlicht am21.12.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 253/16
vom
21. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:211216U1STR253.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Dezember 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Prof. Dr. Mosbacher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bär,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , Rechtsanwalt und
als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird
a) das Urteil des Landgerichts München I vom 12. August 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben , soweit der Angeklagte im Fall C I 2. e der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) freigesprochen worden ist;
b) das Verfahren im Fall C I 3. a der Urteilsgründe (Fall III. 1 der Anklage) hinsichtlich des Tatvorwurfs der Beleidigung unter Aufhebung des in diesem Fall erfolgten Freispruchs eingestellt.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht – Strafrichter – München zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Erpressung in 19 Fällen und der versuchten Erpressung in neun Fällen sowie vom Vorwurf der Beleidigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie zwei Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge erhebt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel erzielt nur den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg.

I.

2
Dem Angeklagten liegt gemäß der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage Folgendes zur Last:
3
Zwischen dem 12. Februar 2008 und dem 19. Juni 2012 soll der Ange- klagte im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma „P. KG“ in B. und im Raum M. von 28 Autofahrern, die auf Privatgrundstücken trotz entsprechender Beschilderung überwiegend unberechtigt geparkt hätten, die Zahlung von Beträgen zwischen 80 und 352 Euro gefordert haben, verbunden mit der Drohung, ansonsten eine am Kfz angebrachte Parkkralle nicht zu entfernen , einen bereits eingeleiteten Abschleppvorgang bezüglich des Kfz fortzusetzen oder den Standort eines bereits abgeschleppten Kfz nicht preiszugeben. Dabei habe er gewusst, dass er jedenfalls auf einen Teil der eingeforderten Beträge keinen Anspruch gehabt habe. In 19 Fällen sei es aufgrund der Drohungen zu in dieser Höhe unberechtigten Zahlungen der Kfz-Besitzer zwischen 80 und 352 Euro gekommen, in weiteren neun Fällen sei die Zahlung entsprechend geforderter Beträge ausgeblieben, weil die Kfz-Besitzer dies verweigert hätten, wobei in einem dieser Fälle ein Schuldanerkenntnis abgegeben worden sei. Zudem habe der Angeklagte einen Kfz-Besitzer, der im Rahmen eines solchen Geschehens ihm gegenüber tätlich geworden sei, beleidigt.

II.

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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte ist seit dem Jahr 2007 vertretungsberechtigter Komplementär der Fa. P. KG, deren Zweck die Beseitigung von Besitzstörungen auf Privatgrundstücken ist. Zwischen den Jahren 2008 und 2012 bot er über diese Firma Supermarktbetreibern, Krankenhäusern und Hausverwaltungen an, auf deren Grundstücken unberechtigt parkende Kraftfahrzeuge kostenneutral zu entfernen. Grundlage seiner Tätigkeit war ein Rahmenvertrag mit den berechtigten Grundstücksnutzern, in dem sich die P. KG bezüglich bestimmter Parkflächen verpflichtete, dort unberechtigt parkende Fahrzeuge zu beseitigen. Im Gegenzug traten die Vertragspartner ihre Ansprüche gegen die besitzstörenden Fahrzeugführer auf Schadensersatz an die P. KG ab.
6
In den Rahmenverträgen verpflichtete sich die P. KG zur Vorbereitung der Fahrzeugversetzung verschiedene Tätigkeiten zu entfalten wie u.a. die Sichtung des Fahrzeugs auf Vorschäden, die Sichtung des Fahrzeuginneren , die Prüfung der für den anschließenden Abschleppvorgang notwendigen Parameter und die Beweissicherung hinsichtlich der Besitzstörung durch das unberechtigte Parken. In den meisten Fällen wurden die unberechtigt parkenden Fahrzeuge aufgrund von Kontrollgängen des Angeklagten und anderer Mitarbeiter der P. KG erfasst und abgeschleppt; nur in Einzelfällen erfolgte dies lediglich auf Anweisung der Vertragspartner, die selbst die Besitzstörung festgestellt hatten. Ohne dass dies schriftlich niedergelegt war, nahmen die Mitarbeiter der P. KG zumeist auch die Parkraumüberwachung vor, deren Dauer im Tatzeitraum stark variierte.
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Hintergrund der Beauftragung der P. KG war, dass die Vertragspartner zuvor vielfach vergeblich versucht hatten, das Problem von Falschparkern auf ihrem Gelände zu lösen. Weder Hinweisschilder noch an Anwohner verteilte Handzettel hatten hinsichtlich der Verhinderung des Falschparkens Erfolg. Bei Supermärkten führte dies zu erheblichen Umsatzeinbußen, bei Krankenhäusern immer wieder zur Blockade der An- und Abfahrtzonen von Krankenwagen bzw. der Notaufnahme, bei Hausverwaltungen, deren Mieter die von ihnen bezahlten Parkplätze wegen Falschparkern nicht nutzen konnten, gingen zahlreiche Beschwerden ein.
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Bestandteil des jeweiligen Rahmenvertrages waren Preislisten, in denen die den Vertragspartnern von der P. KG in Rechnung gestellten Kosten als Nettobeträge ausgewiesen waren. Diese waren in der Höhe danach gestaffelt , ob der Abschleppvorgang nur vorbereitet wurde, es neben der Vorbereitung schon zu einer Beauftragung/Anfahrt des Abschleppwagens gekommen oder eine Versetzung der Kfz erfolgt war. Zudem gab es höhere Preise für die Versetzung größerer Kraftfahrzeuge (etwa Transporter, Kleinbusse) und Zuschläge für Tätigkeiten an Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen, in der Abendbzw. Nachtzeit sowie bei sonstigen außergewöhnlichen Besonderheiten.
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b) Die Durchführung der Rahmenverträge durch den Angeklagten gestaltete sich in den anklagegegenständlichen Fällen wie folgt:
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An den betroffenen Orten befanden sich Schilder, welche diejeweiligen Parkplätze als Privatparkplätze kennzeichneten und darauf hinwiesen, dass widerrechtlich parkende Kfz kostenpflichtig abgeschleppt werden, zudem ein Piktogramm mit einem Pkw am Haken eines Abschleppwagens und teilweise ein Hinweis auf die Telefonnummer der P. KG. Der Angeklagte G. oder einer seiner Mitarbeiter führte nach Feststellung des Parkverstoßes bzw.
im Einzelfall nach entsprechenden Hinweisen durch einen Vertragspartner die im Rahmenvertrag vereinbarten „Vorbereitungstätigkeiten“ durch. In 14 Fällen brachte der Angeklagte anschließend eine Parkkralle an den jeweils falsch parkenden Pkw an und verständigte teilweise schon einen Abschleppwagen. In den übrigen Fällen waren die falsch parkenden Fahrzeuge bereits zu einem den Fahrzeugführern unbekannten Ort abgeschleppt oder der Abschleppvorgang unmittelbar eingeleitet worden. In zwei Fällen verfügten die Pkw-Besitzer über eine faktische Parkberechtigung, was dem Angeklagten aber aufgrund eines Versehens seiner Vertragspartner nicht mitgeteilt worden und daher unbekannt war.
11
Der Angeklagte verlangte von den zu ihren Fahrzeugen zurückkommenden Fahrzeugführern vor Ort aufgrund der Abtretung der Schadensersatzansprüche unmittelbar eine Bezahlung derjenigen Beträge, die sich aus den mit seinen Vertragspartnern vereinbarten Preislisten für die bereits erbrachten Leistungen der P. KG ergaben. Kosten für eine Versetzung wurden geltend gemacht, sobald mit dem Abschleppvorgang vor Ort begonnen worden war. Lediglich in einem Fall forderte der Angeklagte die Kosten für eine Umsetzung des Pkw, obwohl an diesem bislang nur eine Parkkralle angebracht worden und noch kein Abschleppwagen vor Ort war. Soweit die Vertragspartner zum Umsatzsteuerabzug berechtigt waren, wurde den Nettobeträgen laut Preisliste keine Mehrwertsteuer aufgeschlagen, ansonsten ein Bruttobetrag incl. Mehrwertsteuer errechnet.
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Der Angeklagte berief sich jeweils auf ein Zurückbehaltungsrecht und erklärte , er werde die Parkkrallen erst abnehmen, den Abstellort des abgeschleppten Fahrzeugs erst verraten oder den schon eingeleiteten Abschleppvorgang erst abbrechen, wenn ihm vor Ort die geforderte Summe vollständig gezahlt werde. Er wies die Fahrzeugführer darauf hin, dass ein gültiger Vertrag mit dem Grundstücksberechtigten existiere, der ihn zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts berechtige. In allen Fällen hielt er ein Merkblatt für die Fahrzeugführer bereit, in dem ausführliche Informationen über die Rechtslage nebst einer detaillierten Preisliste enthalten waren. Nach Zahlung wurde den Fahrzeugführern eine Quittung ausgehändigt.
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In 18 Fällen zahlten die Pkw-Führer Beträge zwischen 80 und 352,24 Euro, um ihre Fahrzeuge wieder zu erhalten, in zwei dieser Fälle wollte der Angeklagte höhere Beträge erlangen, was ihm aber nicht gelang. In zehn Fällen zahlten die Betroffenen nicht, in einem dieser Fälle wurde ein schriftliches Schuldanerkenntnis abgegeben (Fall C. I 3. m) der Urteilsgründe). In mehreren Fällen wurde die Polizei an- oder hinzugerufen, die den Fahrzeugführern teils eine Zahlung empfahl und teils den Angeklagten zur Freigabe der Pkw bzw. Preisgabe des Umsetzortes ohne Zahlung aufforderte. In einem Fall beleidigte der Angeklagte einen Fahrzeugführer, dessen Lkw gerade abgeschleppt werden sollte und der nach einem Streit den Angeklagten mit beiden Händen an der Schulter zur Seite geschubst hatte, so dass der Angeklagte strauchelte, mit den Worten „scheiß Türke“ und „scheiß Kanacke“.
14
c) Ein vergleichbares Geschäftsmodell, wie es der Angeklagte mit der P. KG betrieb, gab es im Tatzeitraum nicht. Andere Abschleppunternehmen in M. und B. schleppten regelmäßig nur auf konkrete Anforderung des Grundstücksberechtigten ab, der zudem den Abschleppvorgang überwachte. Die vom Angeklagten als „Vorbereitung der Fahrzeugversetzung“ in den Rahmenverträgen aufgeführten Leistungen übernahmen die Abschleppfirmen – mit Ausnahme der Sichtung auf Vorschäden – nicht und stellten sie auch nicht in Rechnung. Die Abschleppkosten mussten bei anderen Abschleppfirmen in der Regel von den beauftragenden Grundstücksberechtigten vor Ort bezahlt werden.
15
Die Höhe der Abschleppkosten richtete sich bei diesen anderen Firmen nach der Dauer des Abschleppvorgangs von der Anfahrt des Abschleppwagens bis zu dessen Rückkehr zum Firmenstandort der Abschleppfirma. Dabei wurde stets die erste Stunde unabhängig von der Dauer des Vorgangs voll abgerechnet , anschließend jede angefangene halbe Stunde. Im Bundesdurchschnitt kostete im Tatzeitraum eine Stunde 150 bis 165 Euro zzgl. Mehrwertsteuer, dazu gab es für die Abend- und Nachtzeit, Einsätze an Sonnabenden, Sonn- oder Feiertagen zum Teil erhebliche Zuschläge. Bei einer Leerfahrt wurden durchschnittlich 50 % der ersten Stunde berechnet. Innerhalb der ersten Stunde konnten 80 bis 90 % aller Abschleppvorgänge im Stadtgebiet durchgeführt werden. Ein durchschnittlicher Abschleppvorgang von Privatgrund kostete im Tatzeitraum in M. bzw. B. etwa 200 Euro zzgl. Mehrwertsteuer. Diesen Betrag verlangten die Grundstücksberechtigten anschließend von den unberechtigt parkenden Kraftfahrzeugführern zurück. Parkkrallen wurden nicht eingesetzt.
16
Die vom Angeklagten mit seinen Vertragspartnern vereinbarten Nettopreise staffelten sich im Tatzeitraum mit kleinen Abweichungen grundsätzlich wie folgt: „Vorbereitung“ 125 Euro, „Vorbereitung und Anfahrt“ 185 Euro, „Versetzung“ je nach Fahrzeugart 250 Euro (Pkw) bis 299 Euro(ab 3,5 t). Hinzu kamen Zuschläge wie bei den anderen Abschleppfirmen für besondere Einsatzzeiten und für besondere Leistungen, wie das Abschleppen aus Parkhäusern /Tiefgaragen und die Sicherstellung offener Fahrzeuge einschließlich der dort befindlichen Wertgegenstände.
17
d) Die zivilrechtliche Beurteilung des Geschäftsmodells des Angeklagten stellt sich im Tatzeitraum und anschließend wie folgt dar:
18
Mit seiner Leitsatzentscheidung vom 5. Juni 2009 entschied der Bundesgerichtshof zum ersten Mal grundlegend über die Schadensersatzpflicht unberechtigt parkender Kfz-Führer. Er stellte fest, dass verbotene Eigenmacht begeht, wer sein Kraftfahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück abstellt. Der unmittelbare Grundstücksbesitzer dürfe sich dieser verbotenen Eigenmacht erwehren, indem er das Fahrzeug abschleppe. Die Abschleppkosten könne er vom Fahrzeugführer ersetzt verlangen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2009 – V ZR 144/08, BGHZ 181, 233). Zugleich stellte der Bundesgerichtshof klar, dass ein Grundstücksbesitzer einen Dritten mit der Überwachung des Grundstücks und der Auswahl der abzuschleppenden Fahrzeuge beauftragen darf.
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Bezüglich der Höhe erstattungsfähiger Kosten der P. KG gab es im Tatzeitraum unterschiedliche Entscheidungen der Amts- und Landgerichte. Teils wurden die geforderten Summen vollumfänglich zugesprochen bzw. entsprechende Rückforderungsbegehren abgewiesen, teils unterlag die P. KG voll oder teilweise. Letzteres hatte verschiedene Gründe, wie Fehlen der Passivlegitimation, ungünstige Beweislage oder Nichteinhaltung von Fristen. In einigen Fällen wurden jedoch auch die von der P. KG erhobenen Forderungen als zu hoch moniert und gekürzt.
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Im Dezember 2011 gab es die zweite Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Ersatzfähigkeit von Abschleppkosten bei unberechtigt parkenden Kraftfahrzeugen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2011 – V ZR 30/11, NJW 2012, 528). In Fortführung und Bestätigung des vorgenannten Grundsatzurteils entschied der Bundesgerichtshof, dass sich der Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 1 BGB bemesse und nicht nur die direkten Abschleppkosten betreffe, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppens entstanden seien, etwa durch die Überprüfung des abgestellten Fahrzeugs, die Zuordnung zu einer bestimmten Fahrzeugka- tegorie und die Anforderung eines Abschleppwagens. Nicht ersatzfähig seien hingegen Kosten einer Parkraumüberwachung durch regelmäßige Kontrollgänge. Zugleich entschied der Bundesgerichtshof, dass die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts am Pkw durch Nichtpreisgabe des Abschlepportes im konkreten Fall einer Forderung in Höhe von 150 Euro rechtens gewesen sei, insbesondere weil die Fahrzeugführerin durch Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe dieses vergleichsweise geringen Geldbetrages nach § 273 Abs. 3 BGB die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts hätte abwenden können.
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Im Juli 2014 gab es schließlich die dritte Leitsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Erstattungsfähigkeit derartiger Abschleppkosten (BGH, Urteil vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13, NJW 2014, 3727). Hatte der Bundesgerichtshof in der Vorentscheidung noch erwogen, dass sich ein Grundstücksbesitzer mit der Auswahl eines noch angemessenen Angebots einer Abschleppfirma begnügen und nicht den preisgünstigsten Anbieter ausfindig machen müsse, stellte er nunmehr klar, dass sich die Höhe der erstattungsfähigen Kosten für das Entfernen eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs nach den ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und für die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen bemesse. Von Leistungen, zu denen sich der Angeklagte mit der P. KG in seinen verfahrensgegenständlichen Rahmenverträgen zur „Vorbereitung“ verpflichtete, erkannte der Bundesgerichtshof lediglich die Position „Beweissicherung vor Ort“ nicht als ersatzfähig an. Zudem wies er erneut darauf hin, dass Kosten für eine allgemeine Parkraumüberwachung in diesem Rahmen nicht ersetzt werden könnten. Weil der Schadensersatzanspruch des gestörten Grundstücksbesitzers durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt sei, müsse geprüft werden, ob bei der Beauftragung der Abschleppfirma im Rahmen des Zumutbaren der wirtschaftlichste Weg gegangen worden sei. Zur Klärung, wie hoch die ersatzfähigen Kosten des Grundstücksbesitzers unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitspostulats seien, müssten die Kosten ermittelt werden, die andere Unternehmen für das Abschleppen fremder Fahrzeuge von privaten Grundstücken verlangen. Diesen reinen Abschleppkosten seien diejenigen Kosten hinzuzurechnen, die für vorbereitende Maßnahmen entstünden, soweit sie ersatzfähig seien. Dabei sei regionalen Unterschieden dadurch Rechnung zu tragen, dass nur die am Ort der Besitzstörung üblichen Kosten in den Vergleich einbezogen werden, denn nur diese seien ersatzfähig.
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e) Der Angeklagte ließ sich bezüglich des Geschäftsmodells der P. KG von Anfang an rechtlich beraten und über die zivil- und strafrechtliche Rechtsprechung informieren. Der Zeuge Rechtsanwalt S. beriet den Angeklagten seit 2006, erarbeitete die Rahmenverträge und die Informationsblätter und vertrat die P. KG in verschiedenen Zivilrechtsstreitigkeiten. Insbesondere erklärte der Zeuge dem Angeklagten, dass er hinsichtlich des Einsatzes von Parkkrallen zur Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wegen entstandener Vorbereitungskosten keinerlei rechtliche Bedenken habe. Hierzu bestehe auch keine entgegenstehende Rechtsprechung, dieses Vorgehen sei vielmehr straf- und zivilrechtlich unbedenklich. In häufigeren Diskussionen über die Höhe erstattungsfähiger Kosten erklärte der Zeuge S. , dass er die Höhe der Kosten für angemessen halte; dies sei aber eine offene Rechtsfrage. Die uneinheitliche Rechtsprechung, insb. des Amtsgerichts München, das teils die vollen Kosten zusprach und teils kürzte, wurde ausführlich erörtert.
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Ab Anfang 2008 beriet der Zeuge Rechtsanwalt H. den Angeklagten. Er erklärte ihm ebenfalls, dass der Einsatz von Parkkrallen zur effektiven Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts rechtens sei. Hierzu berief er sich auch auf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Berlin vom 2. Juni 2008, in der diese zu der Auffassung gekommen war, dass dieses Vorgehen keinen Straftatbestand erfülle. Bezüglich der Höhe erstattungsfähiger Kosten beriet dieser Zeuge den Angeklagten ebenso wie zuvor der Zeuge S. und erklärte ausdrücklich angesichts zunehmender Strafanzeigen von Pkw-Besitzern, der Angeklagte könne sich durch sein Vorgehen nicht strafbar machen. Der Zeuge H. erläuterte dem Angeklagten auch die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2011, nachdem er seit September 2011 Prokurist der P. KG geworden war. Infolge des Urteils wurden mit Vertragspartnern, die eine regelmäßige Parkraumüberwachung wünschten, Zusatzverträge hierzu gegen eine monatliche Zahlung geschlossen. Die im Rahmenvertrag ausgewiesenen Beträge blieben unverändert, da sie nach Auffassung des Zeugen H. auch bislang keine Kosten für Parkraumüberwachung enthalten hatten.
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Seit dem Jahr 2007 bis heute beriet darüber hinaus der Zeuge Rechtsanwalt Gö. den Angeklagten und teilte ihm nach eingehender Prüfung mit, dass das Setzen von Parkkrallen grundsätzlich zulässig sei. Aufgrund vielfacher Probleme mit den betroffenen Pkw-Besitzern wurde dieses Vorgehen auf Anraten des Zeugen Gö. ab dem Jahr 2010 wegen Ineffektivität eingestellt. In diesem Zusammenhang kam auch ein gegen andere Personen ergangenes Strafurteil des Landgerichts Augsburg vom 10. Mai 2010 zur Sprache, in dem es u.a. um das Setzen von Parkkrallen ging, nach Auskunft des Zeugen Gö. aber völlig andere Sachverhalte als das Vorgehen des Angeklagten betraf.
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Alle drei Rechtsanwälte berieten den Angeklagten dahingehend, dass die von ihm als „Vorbereitungskosten“ geltend gemachten Beträge nach Durch- führung dieser Tätigkeiten entstanden seien und dem Angeklagten insoweit ein Zurückbehaltungsrecht an den Fahrzeugen zustehe, das er rechtlich zulässig durch Setzen von Parkkrallen durchsetzen könne. Wegen unterschiedlicher Zivilurteile und zunehmender Strafanzeigen beauftragte der Zeuge Gö. im Jahr 2008 den Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht der L.
Universität M. , Prof. Dr. Lo. , mit der Prüfung, ob das Geschäftsmodell der P. KG zivil- oder strafrechtlich zu beanstanden sei. Dieses Gutachten kam im Februar 2009 zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei. Im April 2009 erschien ein entsprechender Aufsatz des Gutachters in der Neuen Juristischen Wochenschrift (vgl. Lorenz, NJW 2009, 1025). Das Gutachten erhielt auch der Angeklagte zur Lektüre. Bei einer Diskussion des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 2011 vertrat der Zeuge Gö. ebenso wie der Zeuge H. die Auffassung, dass in den bisherigen Verträgen keine Kostenanteile für die Parkraumüberwachung enthalten seien. Diese sei vielmehr als kostenlose Akquisitionsleistung der P. KG anzusehen , deren Kosten die Firma selbst trage. Ob solche Kosten in die Gesamtkalkulation der KG einfließen würden, sei unerheblich.
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Im Rahmen eines gegen den Angeklagten geführten Strafverfahrens wegen ähnlicher Vorwürfe, das bislang nach Aufhebung eines verurteilenden Erkenntnisses noch nicht zu einem rechtskräftigen Abschluss gelangt ist, konsultierte der vornehmlich auf dem Gebiet des Zivilrechts tätige Zeuge Gö. den Rechtsanwalt und Strafverteidiger Prof. Dr. K. , der die zivil- und strafrechtliche Rechtsauffassung des Zeugen stützte und den Angeklagten auch anschließend vor dem OLG München vertrat.
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2. Das Landgericht hat den Angeklagten insgesamt aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Jedenfalls nach seinem Vorstellungsbild habe der Angeklagte in den anklagegegenständlichen Fällen keine rechtswidrige Bereicherung erstrebt. Soweit keine Parkkrallen zum Einsatz gekommen seien, habe der Angeklagte nicht rechtswidrig gehandelt. Zudem habe er an die Rechtsmäßigkeit seines Handelns geglaubt.

III.


28
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt im Wesentlichen erfolglos.
29
1. Die Verfahrensrügen sind unzulässig, weil sie nicht den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen. Danach muss der Revisionsführer , der eine Verletzung von Verfahrensvorschriften beanstandet, dem Revisionsgericht alle Tatsachen angeben, die zur rechtlichen Beurteilung des gerügten Verfahrensgeschehens erforderlich sind.
30
a) Die Verfahrensrüge, ein von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag auf Verlesung eines in einem Zivilverfahren erstatteten Sachverständigengutachtens sei zu Unrecht wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit zurückgewiesen worden, genügt nicht § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision trägt nicht vor, ob die Verfahrensbeteiligten der beantragten Verlesung des Gutachtens nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO zugestimmt haben oder nicht. Dieser Vortrag wäre aber für die rechtliche Beurteilung der Rüge erforderlich gewesen. Hängt die Zulässigkeit der begehrten Beweiserhebung – wiehier – von zusätzlichen, außerhalb des Beweisantrags liegenden Tatsachen ab, muss die Revision hierzu grundsätzlich vortragen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Februar 2012 – 1 StR 647/11, NStZ-RR 2012, 178 mwN).
31
Die von der Staatsanwaltschaft begehrte Verlesung des Sachverständigengutachtens stellt sich ohne Zustimmung der Verfahrensbeteiligten wegen Verstoßes gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 Satz 2 StPO) als unzulässig dar. Die Voraussetzungen einer sonstigen Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgrundsatz lagen nicht vor. Insbesondere betraf das Gutachten die Kalkulation der Preisgestaltung der P. KG und damit nicht nur das Vorliegen eines Vermögensschadens im Sinne von § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. hierzu näher Sander/Cirener in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 251 Rn. 40). Dass der Gutachter die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 Nr. 1 b) StPO erfüllen könnte, ergibt sich aus dem von der Revision vorgelegten Gutachten nicht.
32
b) Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Zulässigkeit der Rüge scheitert schon daran, dass der Vortrag der Revision die bestimmte Behauptung einer konkreten Beweistatsache nur im Ansatz erkennen lässt. Zudem hat die Strafkammer zu dem von der Staatsanwaltschaft mit der Aufklärungsrüge angesprochenen Punkt in der Hauptverhandlung einen sachverständigen Zeugen gehört, der zu der rechtlich entscheidenden Frage der Abschleppkosten anderer Anbieter von Privatgrund im selben Zeitraum Angaben machte (vgl. UA S. 148, 162). Weshalb sich der Strafkammer vor diesem Hintergrund zusätzlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen, legt die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht konkret dar.
33
2. Die Sachrüge bleibt ebenfalls im Wesentlichen ohne Erfolg.
34
Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung ganz überwiegend stand.
35
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag , so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 18. Februar 2016 – 1 StR 409/15 mwN).
36
b) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts.
37
aa) Das Landgericht hat sich seine Überzeugung von dem Hergang der jeweiligen Vorfälle und dem Geschäftsgebahren der P. KG auf der Grundlage der Angaben des Angeklagten, vernommener Betroffener und Polizeibeamter sowie durch Vernehmung verschiedener Vertragspartner derP. KG verschafft. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
38
bb) Dass der Angeklagte von seinen rechtlichen Beratern in der festgestellten Art und Weise informiert wurde, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei auf die Aussagen dieser Zeugen und die Angaben des Angeklagten gestützt, wobei sie nicht versäumt hat, die Angaben der Zeugen bei bestehenden Näheverhältnissen kritisch zu würdigen.
39
cc) Soweit das Landgericht festgestellt hat, der Angeklagte sei in jedem einzelnen Fall davon ausgegangen, der P. KG stehe jeweils ein entsprechender Anspruch in Höhe des geforderten Betrages zu und dieser Anspruch könne auch erfolgreich gerichtlich geltend gemacht werden (UA S. 164), ist dies – außer im Fall C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) – aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
40
Wie sich aus der Einlassung des Angeklagten ergibt, ging dieser davon aus, dass ihm die Forderungen in der geltend gemachten Höhe infolge Abtretung der P. KG zustehen, für die er gehandelt hat. In jedem Einzelfall lag nach seiner Vorstellung eine dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtende Besitzstörung vor. Soweit dies objektiv nicht der Fall war, wie in den Fällen C I 2. e) und C I 3. h) der Urteilsgründe (Fälle II. 5 und III. 29 der Anklage ), unterlag der Angeklagte entsprechenden Fehlvorstellungen, wie sich auch aus den Aussagen der betroffenen Fahrzeugführer ergibt.
41
Auf dieser Grundlage und angesichts der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung, dass von dem Angeklagten oder Mitarbeitern der P. KG jeweils mindestens die im Rahmenvertrag genannten „Vorbereitungsarbeiten“ bereits abgeschlossen waren, mithin entsprechende fällige Ansprüche der P. KG gegen die Fahrzeugführer entstanden waren, ist der Schluss der Strafkammer nicht zu beanstanden, der Angeklagte sei davon ausgegangen , dass die geltend gemachten Forderungen dem Grunde nach berechtigt waren.
42
Bezüglich der Höhe der geltend gemachten Forderungen konnte sich die Strafkammer ebenfalls nicht die Überzeugung davon verschaffen, dass der Angeklagte bewusst der P. KG nicht zustehende Forderungen eintreiben wollte (UA S. 150, 164). Dieser Schluss ist mit Ausnahme von Fall C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Fall machte der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Kosten für eine Versetzung des Pkw des Zeugen St. in Höhe von 352,24 Euro geltend, obwohl er an dem Pkw nach Prüfung lediglich eine Parkkralle angebracht hatte und somit nach den ihm bekannten Vertragsgrundlagen lediglich ein Anspruch auf Erstattung der „Vorbereitungskosten“ entstanden war. Wes- halb der Angeklagte auch in diesem Fall davon ausgegangen sein könnte, er sei berechtigt gewesen, Kosten für ein Abschleppen des Pkw für die P. KG geltend machen zu dürfen, erschließt sich aus den Urteilsgründen nicht.
43
In den übrigen Fällen hat die Kammer rechtsfehlerfrei den Schluss gezogen , eine bewusste Überhöhung der vom Angeklagten für die P. KG geltend gemachten Beträge sei im Tatzeitraum nicht festzustellen. Grundlage dieser Schlussfolgerung sind die Angaben des sachverständigen Zeugen Ge. , der über die im Tatzeitraum von anderen Anbietern verlangten Abschleppkosten berichtet hat. Hierbei hat das Landgericht zutreffend eingestellt, dass sich die von der P. KG angebotenen Leistungen von denen anderer Abschleppfirmen unterschieden. Angesichts der Tatsache, dass der Durchschnittspreis für einen Abschleppvorgang von Privatgrund im Tatzeitraum in B. und M. bei 200 Euro zzgl. Mehrwertsteuer lag (UA S. 44) und die P. KG zusätzliche Leistungen anbot (Vorbereitung), ist der Schluss der Kammer, eine Überhöhung der von der P. KG vereinbarten Preise sei nicht feststellbar, jedenfalls möglich und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen.
44
Gleiches gilt für die Erwägung des Landgerichts, es sei nicht feststellbar, dass die P. KG in unberechtigter Weise Kosten für eine nicht erstattungsfähige Parkraumüberwachung geltend gemacht habe. Dieser Schluss beruht nicht nur darauf, dass eine Parkraumüberwachung nicht ausdrücklich in den Rahmenverträgen vereinbart war, also kein näher bezeichneter Anspruch der Vertragspartner auf eine entsprechende Leistung der P. KG bestand. Aus den Feststellungen im Übrigen ergibt sich auch, dass die P. KG eine Parkraumüberwachung auf eigenes Risiko vornahm. Soweit dabei keine falsch parkenden Fahrzeuge vorgefunden wurden, entstand auch kein Zahlungsanspruch der P. KG für eine allgemeine Parkraumüberwachung. Dies stützt die Einlassung des Angeklagten, nach seiner Vorstellung sei die Parkraumüberwachung kostenlos als Teil der Akquise angeboten worden und deshalb nur in die Gesamtkalkulation der P. KG, nicht aber als besonderer Kostenanteil in die einzelnen Preise eingeflossen.
45
In diesem Zusammenhang hat die Kammer zu Recht zusätzlich darauf abgestellt, dass der Angeklagte trotz einiger abweichender amtsgerichtlicher Judikate dem Rechtsrat seiner verschiedenen Rechtsberater vertraut hat, die geltend gemachten Ansprüche seien dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt und einklagbar. Diese Vorstellung findet einen zusätzlichen Beleg in dem Umstand, dass die Forderungen der P. KG im Einzelfall auch eingeklagt wurden (vgl. UA S. 109).
46
dd) Rechtsfehlerfrei getroffen ist auch die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte sei bei den jeweiligen Vorfällen fest davon überzeugt gewesen, rechtmäßig zu handeln. Auf der Grundlage der im Einzelnen dargestellten umfangreichen rechtlichen Beratung des Angeklagten durfte das Landgericht den Schluss ziehen, der Angeklagte sei trotz Kenntnis einiger abweichender Urteile insgesamt davon ausgegangen, er handele hinsichtlich seines Geschäftsmodells – einschließlich des Einsatzes von Parkkrallen – in vollem Umfang rechtmäßig. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich mit dem Umstand beschäftigt, dass die P. KG in Einzelfällen zivilgerichtliche Rechtsstreitigkeiten im Tatzeitraum auch verloren hat. Den Indizwert dieses Umstandes hat sie dadurch entkräftet gesehen, dass dies zum einen teilweise rein prozessualen Gründen geschuldet war, zum anderen die Rechtsberater des Angeklagten unter Verweis auf die aus Sicht der P. KG positiven Entscheidungen von Amts- und Landgerichten nicht unplausibel darauf hinweisen konnten, es handele sich um eine Fehlbeurteilung der damals höchstrichterlich weitgehend ungeklärten Rechtslage. Soweit es um den Einsatz von Parkkrallen ging, war die Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls ungeklärt.
47
3. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen tragen – mit Ausnahme des Falles C I 2. e) und der Beleidigung im Fall C I 3. a) der Urteilsgründe – den rechtlichen Schluss der Strafkammer, der Angeklagte habe sich durch das angeklagte Verhalten nicht strafbar gemacht.
48
a) Mit Ausnahme des Falles C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage ) kommt auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung des Angeklagten wegen Erpressung nach § 253 Abs. 1 StGB oder versuchter Erpressung nach § 253 Abs. 3 StGB nicht in Betracht.
49
Eine Strafbarkeit nach § 253 StGB setzt voraus, dass die Bereicherung nach der materiellen Rechtslage zu Unrecht angestrebt wird. Daran fehlt es, wenn der Täter auf den Vermögensvorteil einen fälligen einredefreien Anspruch besitzt oder irrtümlich davon ausgeht, ein entsprechender Anspruch bestehe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. August 2014 – 5 StR 358/14, NStZRR 2014, 341 mwN). Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass die vom Angeklagten für die P. KG dem Grunde nach zu Recht eingeforderten Forderungen der Höhe nach unberechtigt gewesen wären. Zudem hat es festgestellt , der Angeklagte sei in allen Fällen vom Bestehen eines zivilrechtlich einklagbaren materiellen Anspruchs in geltend gemachter Höhe ausgegangen.
50
b) Auch eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB oder versuchter Nötigung nach § 240 Abs. 3 StGB scheidet in diesen Fällen auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts letztlich aus.
51
aa) Eine Strafbarkeit wegen Nötigung nach § 240 StGB setzt voraus, dass der Täter Gewalt anwendet oder mit einem empfindlichen Übel droht und hierdurch das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bringt. Rechtswidrig ist eine solche Tat nur, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (§ 240 Abs. 2 StGB). Dies ist dann der Fall, wenn die Verquickung von Mittel und Zweck mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unverein- bar ist, sie also „sozial unerträglich“ ist (vgl. Senat, Beschlussvom 5. September 2013 – 1 StR 162/13, NStZ 2014, 149, 152 mwN). Dabei ist die Androhung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, zur Durchsetzung einer ihm tatsächlich oder jedenfalls nach seiner Meinung zustehenden Forderung eine zulässige gesetzliche Maßnahme wie ein Zurückbehaltungsrecht ausüben zu wollen , grundsätzlich sozialadäquat. Allein ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) begründet in diesen Fällen zwar den Vorwurf zivilrechtswidrigen, nicht aber zugleich auch verwerflichen Verhaltens, wobei jedoch auch in den Blick zu nehmen ist, dass die Rechtsordnung grundsätzlich kein „privates Faustrecht“ dulden kann (vgl. Altvater, in LK-StGB, 12. Aufl., § 240 Rn. 120 mwN).
52
bb) Vorliegend hat der Angeklagte Nötigungsmittel eingesetzt, indem er an den unberechtigt geparkten Fahrzeugen entweder Parkkrallen angebracht hat oder sie abschleppen ließ und den Fahrzeugführern anschließend erklärt hat, er werde die Parkkralle nur abnehmen, den Abschleppvorgang nur stoppen oder den Standort des abgeschleppten Kfz nur verraten, wenn ihm der verlangte Geldbetrag gezahlt werde. Darin liegt jeweils – wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist – zumindest die Androhung eines empfindlichen Übels (vgl. zur Gewalt gegen Sachen Eser/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., vor §§ 234 ff. Rn. 13a f.; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 240 Rn. 25 mwN).
53
Durch diese Nötigungshandlungen ist es in neunzehn Fällen zu dem erstrebten Nötigungserfolg (Zahlung des geforderten Geldbetrages oder jeden- falls Abgabe eines Schuldanerkenntnisses) gekommen, in neun Fällen blieb der Nötigungsversuch erfolglos.
54
Ob das Handeln des Angeklagten rechtswidrig im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB war, kann der Senat letztlich offenlassen. Das Landgericht hat angenommen , dass jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen es zum Einsatz einer Parkkralle kam, das Handeln des Angeklagten verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB gewesen sei (vgl. zur Beurteilung des Einsatzes von Parkkrallen durch Private bei Falschparkern ausführlich Paal/Guggenberger, NJW 2011, 1036; Minwegen, ZAP Fach 9, 851; Dötterl, JuS 2013, 346; Metz DAR 1999,

392).

55
cc) Unabhängig von der objektiven Rechtslage trägt den Freispruch – mit Ausnahme des Falls C I 2. e) und der Beleidigung im Fall C I 3. a) der Urteilsgründe – jedenfalls die Auffassung des Landgerichts, der Angeklagte habe in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt.
56
(1) Einem Verbotsirrtum unterliegt gemäß § 17 Satz 1 StGB, wem bei der Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Dies war bei dem Angeklagten nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts der Fall.
57
(2) Die vom Landgericht angenommene Unvermeidbarkeit dieses Verbotsirrtums wird ebenfalls durch die Feststellungen belegt.
58
Der rechtliche Maßstab hierzu lautet wie folgt (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2013 – 3 StR 521/12, NStZ 2013, 461): Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat. Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet. Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände , insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen.
59
Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist. Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte „Gefälligkeitsgutachten“ scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine „Feigenblatt- funktion“ erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten. Insbeson- dere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen.
60
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Wertung des Landgerichts, der Verbotsirrtum des Angeklagten sei unvermeidbar gewesen, rechtlich nicht zu beanstanden:
61
Der Angeklagte hat umfangreichen rechtlichen Rat eingeholt und dabei nicht vorschnell auf die Rechtsauskunft nur eines, der P. KG durch Mandatierung wirtschaftlich verbundenen Rechtsanwalts, vertraut. Ein Gutachten des Inhabers eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht der L. Universität hat die Rechtsauffassungen der rechtlichen Berater des Angeklagten bestätigt. Zudem haben sich die zur Beratung zugezogenen Rechtsanwälte ausführlich und auf zutreffender Sachverhaltsgrundlage mit den zivilrechtlichen und damals noch nicht höchstrichterlich abschließend geklärten Rechtsfragen auseinandergesetzt und ihre Rechtsmeinungen dem Angeklagten unterbreitet. Dass die zugezogenen Rechtsanwälte und der Gutachter zu einem insoweit dem Angeklagten günstigen Ergebnis gekommen sind, lässt vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage weder die Erstattung von „Gefälligkeitsgutachten“ besorgen, noch dass der Rechtsberatung eine bloße „Feigenblattfunktion“ zukam. Für die Seriosität der Beratung spricht vielmehr, dass die Rechtsauffassungen der jeweils mit der P. KG eng zusammenarbeitenden Rechtsanwälte von externen Experten gestützt wurden.
62
(3) Dass der Angeklagte auch hinsichtlich des Falls C I 2 e) oder bei der Beleidigung im Fall C I 3. a) der Urteilsgründe in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt haben könnte, belegen die Urteilsfeststellungen nicht.

IV.

63
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft unterliegt der Freispruch im Fall C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) der Aufhebung. Zudem ist im Fall C I 3. a) der Urteilsgründe (Fall III. 1 der Anklage) hinsichtlich des tatmehrheitlich angeklagten Vorwurfs der Beleidigung statt auf Freispruch auf Einstellung des Verfahrens zu erkennen.
64
1. Wie unter III. 2. b) cc) ausgeführt, ist die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich des Freispruchs im Fall C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) rechtsfehlerhaft. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist in diesem Fall davon auszugehen, dass der Angeklagte eine Forderung geltend machte, die ihm in dieser Höhe offensichtlich nicht zustand (Abschleppkosten, obwohl das Fahrzeug nur nach Vorbereitungstätigkeiten mit einer Parkkralle gesichert und kein Abschleppwagen vor Ort war). Weshalb der Angeklagte insoweit unvorsätzlich oder in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt haben könnte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
65
Eine Strafbarkeit des Angeklagten scheidet auch nicht etwa aus anderen Gründen von vorneherein aus. Vielmehr kann eine Erpressung begehen, wer bewusst die Begleichung unberechtigter Forderungen durch das Anbringen einer Parkkralle erzwingt (vgl. LG Augsburg, Urteil vom 10. Mai 2010 – 1 KLs 601 Js 108556/09 u.a.; Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen durch Senat, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 1 StR 545/10).
66
2. Die ausdrücklich unbeschränkt eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft führt im Fall C I 3. a) der Urteilsgründe (Fall III. 1 der Anklage) hinsichtlich des tatmehrheitlich angeklagten Vorwurfs der Beleidigung zur Aufhebung des Freispruchs und Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO auf- grund des unbehebbaren Verfahrenshindernisses der Verjährung (vgl. UA S. 154).
67
Ein Teilfreispruch in diesem tatmehrheitlich zu den anderen Taten angeklagten Fall war – unabhängig von einer zum Eröffnungsbeschluss etwa abweichenden Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 19. April 2016 – 3 StR 48/16, NStZ-RR 2016, 246) – nicht veranlasst (zum abweichenden Vorgehen bei Tateinheit vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2016 – 3StR 392/15). Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Beleidigung nach § 185 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt (UA S. 72, 127, 154). Ein Freispruch anstelle einer Einstellung des Verfahrens hat beim Vorliegen eines Verfahrenshindernisses nur zu erfolgen, wenn eine valide Freispruchslage vorliegt (hierzu im Einzelnen: Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 260 Rn. 44 ff. mwN). Umgekehrt ist die Einstellung auszusprechen, wenn – wie hier – die Straftat sogar rechtsfehlerfrei festgestellt wird.

V.

68
Da nunmehr lediglich noch über eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten im Fall C I 2. e) der Urteilsgründe (Fall II. 5 der Anklage) zu entscheiden ist, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an das Amtsgericht – Strafrichter – München zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 3 StPO). Raum Radtke Mosbacher Fischer Bär

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 273 Zurückbehaltungsrecht


(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweiger

Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 260 Urteil


(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils. (2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, gena

Strafgesetzbuch - StGB | § 185 Beleidigung


Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstraf

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten

Strafgesetzbuch - StGB | § 17 Verbotsirrtum


Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Strafprozeßordnung - StPO | § 250 Grundsatz der persönlichen Vernehmung


Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt wer

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 144/08
Verkündet am:
5. Juni 2009
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 823 Abs. 2 Bf, 858, 859
Wer sein Fahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück abstellt, begeht verbotene
Eigenmacht, derer sich der unmittelbare Grundstücksbesitzer erwehren darf, indem
er das Fahrzeug abschleppen lässt; die Abschleppkosten kann er als Schadensersatz
von dem Fahrzeugführer verlangen.
BGH, Urteil vom 5. Juni 2009 - V ZR 144/08 - LG Magdeburg
AG Magdeburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den
Richter Dr. Roth

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 8. Juli 2008 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen die Abweisung der auf Zahlung von 46,41 € gerichteten Klage wendet. Im Übrigen wird auf die Revision des Klägers - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 8. Juli 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage in Höhe von 15 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2008 abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 15 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Oktober 2007 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen trägt der Kläger 91 % und der Beklagte 9 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Dem Beklagten gehört ein Grundstück, welches als Parkplatz mehrerer Einkaufsmärkte genutzt wird. Dort steht ein großes, gut sichtbares Schild mit folgenden Hinweisen: "Mo.-Sa. 6.00-21.00 Uhr nur für Kunden und Mitarbeiter des Nahversorgungszentrums Parken nur mit Parkuhr Parkzeit 1,5 h (daneben ist eine Parkscheibe abgebildet) Parken nur innerhalb der gekennzeichneten Flächen! Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt" (daneben ist ein Abschlepp-Piktogramm abgebildet

)

2
Am 6. März 2007 schloss der Beklagte mit einem Abschleppunternehmen und einem Inkassounternehmen eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt: "2. Der Eigentümer beauftragt das Abschleppunternehmen, unberechtigt parkende oder versperrend abgestellte Fahrzeuge von dem ... Grundstück abzuschleppen und zu entfernen. 3. Die Durchführung des Abschleppvorganges setzt voraus, dass sich das Abschleppunternehmen zuvor darüber vergewissert, dass dieses Fahrzeug nicht über eine Parkberechtigung verfügt bzw. sich der Fahrzeugführer nicht in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug aufhält oder dieser der Aufforderung zum Entfernen bzw. ordnungsgemäßen Abparken des Fahrzeugs nicht sofort nachkommt."
3
Das Inkassounternehmen beauftragte der Beklagte mit der Einziehung der Abschleppkosten.
4
Am 20. April 2007 stellte der Kläger seinen Pkw unbefugt auf dem Parkplatz ab. Zwischen 19.00 Uhr und 19.15 Uhr wurde das Fahrzeug abgeschleppt und auf das Gelände des Abschleppunternehmens verbracht. Dort löste es der Kläger am späten Abend gegen Zahlung von 150 € Abschleppkosten und 15 € Inkassogebühren aus. Den Betrag von 165 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Kosten von 46,41 € verlangt er von dem Beklagten zurück.
5
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger die Durchsetzung seiner Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


6
Das Berufungsgericht hat einen Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 BGB verneint, weil seine Zahlung von 165 € an den Beklagten mit Rechtsgrund erfolgt sei. Dieser habe gegen den Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Abschlepp- und Inkassokosten nach §§ 823 Abs. 2, 858 BGB gehabt. Die Ausübung des Selbsthilferechts nach § 859 Abs. 3 BGB durch den Beklagten sei rechtmäßig gewesen. Ob das Abschleppen des Fahrzeugs notwendig gewesen sei, sei unerheblich; denn das Selbsthilferecht werde nicht durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern nur durch das Schikanever- bot und durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt. Beides sei hier nicht verletzt. Der Rechtmäßigkeit der Selbsthilfe stehe auch nicht entgegen, dass der Auftrag zum Abschleppen nicht von dem Beklagten als dem unmittelbaren Grundstücksbesitzer erteilt worden sei, sondern dem Abschleppvorgang ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Beklagten und dem Abschleppunternehmen zugrunde gelegen habe. Die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten könne der Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs erstattet verlangen, weil sich der Beklagte nicht in Verzug befunden habe.
7
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung weitgehend stand.

II.


8
1. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der auf Zahlung von 46,41 € vorgerichtlicher Kosten gerichteten Klage wendet. Insoweit fehlt es dem Rechtsmittel an der vorgeschriebenen Begründung (§§ 551 Abs. 1, 553 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
9
2. Im Übrigen ist die Revision zwar zulässig, aber überwiegend unbegründet.
10
a) Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von 150 € Abschleppkosten zu Recht verneint.
11
aa) Als Anspruchsgrundlage kommt nur die Vorschrift des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) in Betracht. Der Kläger hat den für das Abschleppen seines Fahrzeugs in Rechnung gestellten Betrag zwar nicht an den Beklagten, sondern an das Abschleppunternehmen bzw. für dieses an das Inkassounternehmen gezahlt. Bereicherungsrechtlich hat er damit aber nicht diesen gegenüber eine Leistung erbracht, sondern gegenüber dem Beklagten. Denn der Zweck der Zahlung bestand darin, eine von dem Beklagten geltend gemachte Forderung zu erfüllen, nämlich einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Abschleppkosten, deren Begleichung der Beklagte aufgrund des Vertrages mit dem Abschleppunternehmen diesem schuldete. Das Abschlepp- und das Inkassounternehmen waren nur Zahlstelle. Ihnen gegenüber verfolgte der Kläger keinen Zweck. Folglich kann der Kläger von dem Beklagten kondizieren, wenn der Schadensersatzanspruch nicht besteht, während die Frage, ob das Abschleppunternehmen den ihm zugeflossenen Betrag behalten kann, sich nach dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Abschleppunternehmen beurteilt.
12
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch nicht gegeben sind, weil die Leistung des Klägers nicht ohne Rechtsgrund erfolgte. Denn es hat rechtsfehlerfrei einen Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger auf Zahlung der Abschleppkosten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB bejaht.
13
(1) Mit dem unbefugten Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz des Beklagten beging der Kläger eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB (siehe nur OLG Karlsruhe Die Justiz 1978, 71; LG Frankfurt a.M. MDR 2003, 388; AG Augsburg DAR 2008, 91; AG Essen DAR 2002, 131; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, 2. Aufl., § 858 Rdn. 10; MünchKomm-BGB/ Joost, 4. Aufl., § 858 Rdn. 5, 11; Palandt/Bassenge, BGB, 68. Aufl., § 858 Rdn. 3; Staudinger/Bund, BGB [2007], § 858 Rdn. 49; Schwarz/Ernst, NJW 1997, 2550). Ob es sich hierbei um eine Besitzstörung oder um eine teilweise Besitzentziehung handelte, ist für die weitere rechtliche Beurteilung ohne Belang.
14
(2) Entgegen der in der Revisionsbegründung vertretenen Ansicht hat das Berufungsgericht zutreffend den Beklagten als unmittelbaren Besitzer des Parkplatzes und damit als denjenigen angesehen, gegen den sich die verbotene Eigenmacht richtete. Denn weder hat der Kläger Umstände vorgetragen, die gegen den unmittelbaren Besitz des Beklagten sprechen, noch ergeben sich aus dessen Vortrag Anhaltspunkte dafür, dass er mittelbarer Besitzer war. Für einen mittelbaren Besitz spricht insbesondere nicht der von der Revision hervorgehobene Vortrag des Beklagten, dass der Parkplatz tagsüber ausschließlich für die Kunden des Supermarktes vorgesehen sei. Dem ist nichts zu den Besitzverhältnissen zu entnehmen; selbst wenn der Beklagte die Fläche für den Supermarkt an einen Betreiber vermietet oder verpachtet hat, bedeutet das nicht zwingend, dass auch die Parkplatzfläche vermietet oder verpachtet ist. Nichts anderes ergibt sich aus der von der Revision zitierten Feststellung in der in dem Berufungsurteil in Bezug genommenen erstinstanzlichen Entscheidung, der Kläger habe sein Fahrzeug "auf dem Parkplatz des Beklagten, dem R. Einkaufsmarkt" geparkt. Unabhängig davon, ob man - wie die Revisionserwiderung - diese Formulierung als sprachlich missglückt ansieht, besagt sie nichts über die Besitzverhältnisse an dem Parkplatz. Auch die von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zitierte Textstelle aus der Klageerwiderung , wonach der Beklagte verpflichtet sei, dem Betreiber des Supermarktes die Parkplatzfläche zur Verfügung zu stellen, spricht nicht gegen den unmittelbaren Besitz des Beklagten. Schließlich ist die Annahme von mittelbarem Besitz nicht damit zu vereinbaren, dass nach der Feststellung des Berufungsgerichts nicht nur den Kunden des Supermarktes, sondern den Kunden aller angrenzenden Einkaufsmärkte das Parken auf dem Parkplatz des Beklagten gestattet ist. Falls nach alledem gleichwohl noch Zweifel an dem unmittelbaren Besitz des Beklagten bestehen, geht das zu Lasten des Klägers; denn ihm obliegt es, den von dem Beklagten angeführten Rechtsgrund für die Zahlung der Abschleppkosten zu widerlegen (BGH, Urt. v. 14. Juli 2003, II ZR 335/00, NJW-RR 2004, 556). Das hat der Kläger nicht getan.
15
(3) Dass § 858 Abs. 1 BGB ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des unmittelbaren Besitzers ist (siehe nur BGHZ 114, 305, 313 f. m.w.N.), hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Dies greift die Revision auch nicht an.
16
(4) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten ein Selbsthilferecht zur Beseitigung der Besitzbeeinträchtigung zugestanden. Dieses hat seine Grundlage in der Vorschrift des § 859 Abs. 1 BGB, wenn man das unbefugte Parken als Besitzstörung ansieht; nimmt man eine teilweise Entziehung des Besitzes an, folgt es aus der Vorschrift des § 859 Abs. 3 BGB. Auch hiergegen wendet sich die Revision nicht. Sie rügt allerdings, dass das Berufungsgericht das Selbsthilferecht als nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegend angesehen hat. Diese Rüge bleibt indes ohne Erfolg. Zwar kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die Selbsthilfe des unmittelbaren Besitzers nach § 859 Abs. 1 und 3 BGB unabhängig davon rechtmäßig sei, ob sie notwendig, geboten oder angemessen sei. Diese Ansicht ist mit dem die Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht vereinbar. Aber für die Beurteilung, ob der ebenfalls auf Treu und Glauben beruhende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist, ist grundsätzlich eine Mittel-Zweck-Relation maßgeblich. Die Ausübung eines Rechts ist unter diesem Gesichtspunkt dann unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger schwer wiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären (MünchKomm-BGB/Roth, 5. Aufl., § 242 Rdn. 380); es gilt das Gebot der schonendsten Sanktion (Staudinger/Looschelders, BGB [2005], § 242 Rdn. 280). Danach war das Abschleppen des Fahrzeugs nicht unverhältnismäßig. Es ist weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich , dass der Beklagte in anderer Weise von seinem Selbsthilferecht hätte Gebrauch machen können.
17
(5) Der in der Revisionsbegründung hervorgehobene Umstand, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass der Kläger sein Fahrzeug behindernd geparkt habe oder keine anderen freien Parkplätze für Kunden des Supermarktes vorhanden gewesen seien, ist für die Entscheidung, ob das Abschleppen des Fahrzeugs rechtmäßig war, unerheblich. Zwar kann die Ausübung des Selbsthilferechts nach § 859 BGB, auch wenn es verhältnismäßig ist, unter dem allgemeinen Gesichtspunkt von Treu und Glauben unzulässig sein. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn die Selbsthilfe eine verbotene Eigenmacht beseitigt, die nur einen örtlich abgegrenzten Teil des Grundstücks betrifft und die übrige Grundstücksfläche unberührt lässt, so dass diese ohne Einschränkung genutzt werden kann. Denn wie der Eigentümer andere von jeder Einwirkung ausschließen kann (§ 903 Satz 1 Alt. 2 BGB), auch wenn dies ihn nur teilweise in dem Gebrauch seiner Sache beeinträchtigt, kann sich der unmittelbare Besitzer verbotener Eigenmacht durch Selbsthilfe unabhängig davon erwehren, welches räumliche Ausmaß sie hat und ob sie die Nutzungsmöglichkeit von ihr nicht betroffener Grundstücksteile unberührt lässt (Lorenz, NJW 2009, 1025, 1026). Deshalb darf z.B. ein unbefugt auf einem fremden Grundstück abgestelltes Fahrzeug auch ohne konkrete Behinderung entfernt werden (Erman/Lorenz, BGB, 12. Aufl. § 858 Rdn. 3). Anderenfalls müsste der Besitzer die verbotene Eigenmacht all derer dulden, die - wie es der Kläger für sich in Anspruch nimmt - nur eine kleine, räumlich abgegrenzte Grundstücksfläche unbefugt nutzen, ohne dass dadurch die Nutzungsmöglichkeit der übrigen Fläche eingeschränkt wird; von seinem Selbsthilferecht dürfte der Besitzer nur gegenüber demjenigen Gebrauch machen, der sein Fahrzeug ohne Berechtigung auf dem letzten freien Platz abstellt. Dies widerspräche der rechtlichen Bedeutung, welche das Gesetz dem unmittelbaren Besitz beimisst.
18
(6) Ohne Erfolg macht die Revision Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abschleppens unter dem Gesichtspunkt geltend, dass weder der Beklagte selbst noch ein Vertreter den Abschleppauftrag erteilt habe, sondern der Beklagte dem Abschleppunternehmen die Entscheidung darüber überlassen habe, wann die Voraussetzungen für ein rechtmäßiges Abschleppen vorlägen. Dies lässt zum einen nicht den rechtlichen Ansatz erkennen, der zur Rechtswidrigkeit des Abschleppens führen soll; denn dass der Beklagte einen Dritten mit der Überwachung seines Grundstücks im Hinblick auf unberechtigtes Parken beauftragen durfte (vgl. nur MünchKomm-BGB/Joost, aaO, § 859 Rdn. 1), gesteht die Revision zu. Zum anderen sind in der Vereinbarung vom 6. März 2007 die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Fahrzeuge abgeschleppt werden dürfen; sie sind von dem Bestreben gekennzeichnet, rechtsmissbräuchliche Abschleppvorgänge , die z.B. auf bloßer Gewinnsucht des Abschleppunternehmens beruhen, zu verhindern. Falls sich das Abschleppunternehmen nicht an die Vorgaben hält, macht es sich gegenüber dem Beklagten schadensersatzpflichtig mit der Folge, dass er die Abschleppkosten nicht bezahlen muss. In diesem Fall fehlt es an einem Schaden des Beklagten, den er von dem Fahrzeughalter oder -führer ersetzt verlangen kann. Dieser ist somit ausreichend vor einem eventuellen Missbrauch geschützt. Deshalb bestehen auch keine rechtli- chen Bedenken dagegen, dass die Höhe des Entgelts für den Beauftragten nach der Anzahl der Abschleppvorgänge bestimmt wird.
19
(7) Schließlich hat das Berufungsgericht die - der Höhe nach nicht zu beanstandenden und von der Revision auch nicht beanstandeten - Abschleppkosten zu Recht als erstattungsfähigen Schaden des Beklagten angesehen. Dieser war aufgrund der Vereinbarung vom 6. März 2007 verpflichtet, die Kosten an das Abschleppunternehmen zu zahlen. Das steht in adäquatem Zusammenhang (siehe dazu nur BGHZ 3, 261, 267; 57, 25, 27 f.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht , 4. Aufl., Rdn. 52 ff.) mit der von dem Kläger verübten verbotenen Eigenmacht. Denn dass unbefugt auf dem Grundstück des Beklagten abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden, stellt keine überraschende oder fern liegende Reaktion des unmittelbaren Besitzers dar, sondern die Verwirklichung der deutlich sichtbaren Ankündigung auf dem aufgestellten Schild. Das reicht indes noch nicht aus, die Schadensersatzpflicht des Klägers zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nämlich nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen; es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde, und es muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden, nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung bestehen (BGHZ 164, 50, 60 m.w.N.). Auch diese Voraussetzung liegt hier vor. Indem das Gesetz dem unmittelbaren Besitzer als spontane Reaktion auf eine verbotene Eigenmacht (Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., § 9 Rdn. 10) das Selbsthilferecht (§ 859 BGB) zubilligt, dessen Ausübung mit Kosten verbunden sein kann, stellt es selbst den notwendigen Zusammenhang zwischen der Verletzung des Schutzgesetzes (§ 858 Abs. 1 BGB) und der Schadensfolge her. Auch entfällt die Schadensersatzpflicht des Klägers nicht des- halb, weil der Beklagte selbst durch die Beauftragung des Abschleppunternehmens die letzte Ursache für die Herbeiführung des Schadens gesetzt hat. Denn die Schadensfolge beruht nicht auf einem selbständigen oder freien Entschluss des Beklagten, sondern auf seiner vom Gesetz (§ 859 BGB) gebilligten Reaktion , die durch das Verhalten des Klägers herausgefordert wurde. Dies lässt die Ersatzpflicht des Klägers unberührt (vgl. nur BGHZ 57, 25, 29 f.; 63, 189, 192; 132, 164, 166).
20
b) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung von 15 € Inkassokosten nebst Zinsen verneint. Der Beklagte kann diesen Betrag nicht als Schadensersatz verlangen; die Zahlung des Klägers erfolgte somit ohne Rechtsgrund, so dass er sie nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückfordern kann.
21
aa) Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB scheidet insoweit aus. Die Inkassokosten sind als Folgeschaden anzusehen, der dem Kläger nicht zuzurechnen ist. Die Beauftragung des Inkassounternehmens diente nicht der Schadensbeseitigung oder Schadensverhütung, die den Schädiger unter bestimmten Umständen nicht entlastet (siehe nur BGHZ 75, 230, 234), sondern ausschließlich der Bearbeitung und außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Beklagten. Solche Aufwendungen kann der Geschädigte von dem Schädiger regelmäßig nicht ersetzt verlangen (BGHZ 66, 112, 114). Dass hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz zum Tragen kommt, ist nicht ersichtlich.
22
bb) Ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 280 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 286 BGB) scheidet ebenfalls aus. Es fehlt an den Voraussetzungen für den Verzugseintritt.

III.


23
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Roth

Vorinstanzen:
AG Magdeburg, Entscheidung vom 31.01.2008 - 151 C 2968/07 -
LG Magdeburg, Entscheidung vom 08.07.2008 - 1 S 70/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 30/11 Verkündet am:
2. Dezember 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 858 Abs. 1, 823 Abs. 2 F, 249 Abs. 1 Bb, Fb
Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück
abgestellten Fahrzeugs zählen nicht nur die Kosten des reinen Abschleppens
, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung
des Abschleppvorgangs entstehen.
Nicht erstattungsfähig sind dagegen die Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung
dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind,
wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11 - KG Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Kammergerichts in Berlin vom 7. Januar 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Am 5. Januar 2010 stellte die Klägerin - trotz Hinweisschildes, dass unberechtigt parkende Fahrzeuge kostenpflichtig entfernt werden - ihr Fahrzeug unbefugt auf dem Kundenparkplatz eines Supermarktes ab. Aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem Betreiber des Supermarktes, der u.a. die Abtretung von Ansprüchen gegen unberechtigte Nutzer enthält, schleppte die Beklagte das Fahrzeug ab und verbrachte es auf einen öffentlichen Parkgrund. Da die Klägerin nicht bereit war, den Rechnungsbetrag über netto 219,50 € ("Grundgebühr mit Versetzung") zu begleichen, gab die Beklagte ihr den Standort des Fahrzeugs nicht bekannt.
2
Die ursprünglich auf Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von (nur) 150 € sowie auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung ge- richtete Klage der Klägerin hat das Landgericht abgewiesen. Nachdem die Beklagte der Klägerin den Standort des Fahrzeuges mitgeteilt hatte, haben die Parteien im Berufungsverfahren den Herausgabeantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Hinsichtlich der weiterhin verlangten Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.758 €ist die Berufung erfolglos geblieben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt , verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


3
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung, da sich die Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeugs bzw. der Bekanntgabe seines Standortes nicht in Verzug befunden habe. Die Beklagte habe zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht wegen der ihr abgetretenen Schadensersatzforderung der Supermarktbetreiberin ausgeübt. Die mit dieser vereinbarten Abschleppkosten in Höhe von netto 219,50 € seien angemessen. Maßgeblich seien nicht allein die für das Umsetzen eines Fahrzeugs anfallenden Kosten. Vielmehr seien auch die Kosten mit einzubeziehen, die der Vorbereitung dieses Vorgangs dienten, da es sich um Maßnahmen handle, die die normale Mühewaltung eines Geschädigten überschritten. Schließlich habe die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

II.


4
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
5
Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gemäß § 990 Abs. 1 Satz 2, § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens verneint, da sich die Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befand. Die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe war nicht fällig, weil ihr gemäß § 273 Abs. 1 und 2 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zustand. Durch das unbefugte Parken ist dem Betreiber des Supermarkts ein Schaden entstanden, dessen Ersatz die Beklagte von der Klägerin verlangen kann, weil ihr der Betreiber des Markts seine Ansprüche abgetreten hat.
6
1. Rechtsgrundlage des der Beklagten abgetretenen Anspruchs ist § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB. Wie der Senat bereits entschieden hat, stellt das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem privaten Kundenparkplatz eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar, der sich der unmittelbare Grundstücksbesitzer erwehren darf, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt (Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 ff.). Die Klägerin ist daher verpflichtet, dem Betreiber des Supermarkts den ihm aus der verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen.
7
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bemisst sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens allerdings nicht nach § 249 Abs. 2 BGB, sondern nach § 249 Abs. 1 BGB. Denn es geht hier nicht um die Beschädigung einer Sache, sondern um die Beseitigung der Folgen einer verbotenen Eigenmacht. Ersatzfähig sind solche Schäden, die in adäquatem Zusammenhang mit der von der Klägerin verübten verbotenen Eigenmacht stehen und vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden.
8
b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den auf das reine Abschleppen (ohne Grundgebühr) entfallenden Anteil dem Grunde nach als einen erstattungsfähigen Schaden des Supermarktbetreibers angesehen.
9
Dass unbefugt auf dem Grundstück des Supermarktbetreibers abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden, stellt keine überraschende oder fern liegende Reaktion des unmittelbaren Besitzers dar, sondern die Verwirklichung der deutlich sichtbaren Ankündigung auf dem aufgestellten Schild. Diese Schadensfolge liegt auch im Schutzbereich der verletzten Norm. Indem das Gesetz dem unmittelbaren Besitzer als spontane Reaktion auf eine verbotene Eigenmacht das Selbsthilferecht (§ 859 BGB) zubilligt, dessen Ausübung mit Kosten verbunden sein kann, stellt es selbst den notwendigen Zusammenhang zwischen der Verletzung des Schutzgesetzes (§ 858 Abs. 1 BGB) und der Schadensfolge her (Senat, aaO, Rn. 19).
10
c) Die "Grundgebühr ohne Versetzung", die über das eigentliche Abschleppen hinausgehende Zusatzleistungen der Beklagten vergütet, hat das Berufungsgericht hingegen zu Unrecht ohne Differenzierung als dem Grunde nach ersatzfähig erachtet.
11
aa) Allerdings beschränkt sich - entgegen der Auffassung der Revision - der Schadensersatzanspruch der Geschädigten nicht auf die Kosten des reinen Abschleppens. Zu den durch das konkrete Schadensereignis adäquat kausal verursachten Schäden gehören auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppens entstanden sind, etwa durch die Überprü- fung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen , die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und durch die Anforderung eines geeigneten Abschleppfahrzeugs. Der Einwand der Revision, die Vorbereitungskosten seien deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie den Rahmen der von einem privaten Geschädigten üblicher- und typischerweise für die Durchsetzung des Anspruchs zu erbringende Mühewaltung nicht überschritten, greift nicht durch. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel kein Ersatz für den Zeitaufwand verlangt werden, wenn die Zeit zur Schadensermittlung und zur außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruchs angefallen ist und der im Einzelfall erforderliche Zeitaufwand nicht die von einem privaten Geschädigten typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreitet (BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 64/94, BGHZ 133, 155, 158 mwN). Um einen derartigen Aufwand geht es jedoch bei der Vorbereitung des konkreten Abschleppvorgangs nicht. Auch insoweit dient die Tätigkeit nicht der Abwicklung oder Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Grundstücksbesitzers, sondern unmittelbar der Beseitigung der durch die verbotene Eigenmacht hervorgerufenen konkreten Störung. Sie ist Teil des ausgeübten Selbsthilferechts gemäß § 859 BGB (vgl. Lorenz, DAR 2010, 647, 648; ders. NJW 2009, 1025, 1026; Goering, DAR 2009, 603, 604).
12
bb) Nach dem Sachvortrag der Beklagten umfassen die aufgrund des Rahmenvertrages erbrachten Leistungen neben der Vorbereitung des Abschleppens auch die Überwachung des Grundstücks im Hinblick auf unberechtigtes Parken. Dies ergibt sich zudem aus der Anlage 1 zum Rahmenvertrag, wonach unberechtigt parkende Fahrzeuge "… nach Kontrollgängen von S. -Co Mitarbeitern" entfernt werden. Der hierauf entfallende Kostenanteil der Grundgebühr ist von der Klägerin nicht zu ersetzen. Denn Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung durch regelmäßige Kontrollgänge, zählen nicht zu dem adäquat verursachten und damit erstattungsfähigen Schaden. Solchen allgemeinen Überwachungsmaßnahmen fehlt der Bezug zur konkreten Besitzstörung, da sie nicht entfallen, wenn die schädigende Handlung hinweggedacht wird; sie entstehen unabhängig von dem konkreten schadensstiftendenden Ereignis. Vorkehrungen zur Überwachung des Parkplatzes sind daher im Verhältnis zum Schädiger der Sphäre des Grundstücksbesitzers zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1979 - VI ZR 254/77, BGHZ 75, 230, 237).
13
d) Entgegen der Ansicht der Klägerin muss im vorliegenden Rechtsstreit nicht geklärt werden, ob der dem Betreiber des Supermarkts entstandene Schaden der Höhe nach in vollem Umfang erstattungsfähig ist. Das Zurückbehaltungsrecht setzt allein das Bestehen eines fälligen Gegenanspruchs voraus, ohne dass es auf dessen Höhe ankommt. Die genaue Höhe des Schadensersatzanspruchs wäre hier nur dann von Bedeutung, wenn die Klägerin zumindest den von ihr als zutreffend angesehenen Schadensersatzbetrag gezahlt oder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, in dieser Höhe gemäß § 273 Abs. 3 BGB Sicherheit zu leisten. Beides ist indessen nicht der Fall. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Betreiber des Supermarktes - was der Senat für zweifelhaft hält - aufgrund seiner Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet war, den preisgünstigsten Anbieter ausfindig zu machen , oder ob er sich mit der Auswahl eines (noch) angemessenen Angebots begnügen kann.
14
3. Der Geschädigte hat den auf Freistellung von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten gerichteten Schadensersatzanspruch wirk- sam an die Beklagte abgetreten, wodurch er sich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 2010 - III ZR 209/09, BGHZ 185, 310, 315 Rn. 12). Die im Rahmenvertrag geregelte Abtretung der Ansprüche des Geschädigten ist nicht - wie die Klägerin meint - wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Die Beklagte erbringt gegenüber dem Betreiber des Supermarkts Abschleppdienste, nicht aber eine Inkassodienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 RDG. Die Einziehung der von dem Kunden an Erfüllungs statt abgetretenen Schadensersatzansprüche erfolgt auf Risiko und Rechnung der Beklagten. Mit der Geltendmachung der abgetretenen Forderung besorgt die Beklagte daher kein fremdes Geschäft.
15
4. Der abgetretene Schadensersatzanspruch ist auch fällig, § 271 BGB. Die von der Klägerin im Verfahren verlangte Aufschlüsselung, wie sich der dem Betreiber des Supermarkts in Rechnung gestellte Betrag von 219,50 € im Einzelnen zusammensetzt, ist nicht Fälligkeitsvoraussetzung. Im Übrigen hat die Beklagte die der abgetretenen Schadensersatzforderung zugrunde liegende Rechnung durch Vorlage des Rahmenvertrages hinreichend erläutert.
16
5. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts verstößt schließlich nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
17
a) Als besonderer Anwendungsfall des Verbots unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) darf das Zurückbehaltungsrecht nicht in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Weise ausgeübt werden. So kann es gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen, wenn eine hochwertige Leistung zum Zwecke der Durchsetzung eines verhältnismäßig geringfügigen Gegenanspruchs zurückgehalten wird (vgl. MünchKomm-BGB/Krüger, 5. Aufl., § 273, Rn. 72; BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 173/01, NJW 2004, 3484, 3485; RGZ 61, 128, 133). Allerdings ist nicht schematisch allein auf die Wertverhältnisse abzustellen. Vielmehr kann ein Zurückbehaltungsrecht auch dann gegeben sein, wenn der Wert der Forderung, derentwegen die Herausgabe eines Gegenstandes verweigert wird, erheblich geringer ist als der Wert der herausverlangten Sache; denn das Recht auf Zurückbehaltung würde seinen vom Gesetzgeber verfolgten Zweck verlieren, auf den Schuldner Druck auszuüben, wenn es nur dann ausgeübt werden könnte, wenn das Wertverhältnis in etwa ausgeglichen ist (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - X ZR 173/01, NJW 2004, 3484, 3486). Erforderlich ist vielmehr stets eine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls.
18
b) Bei dieser Abwägung ist hier einerseits zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Weigerung, den Standort des Fahrzeugs preiszugeben, die Klägerin an dem Zugriff auf einen erheblichen Vermögenswert gehindert hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hätte sich die Klägerin andererseits angesichts der relativ geringen Forderung mit einem einfachen Mittel diesen Zugang wieder verschaffen können, indem sie die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Erbringung einer Sicherheitsleistung gemäß § 273 Abs. 3 BGB abgewendet hätte. Die Klägerin hat jedoch nicht einmal den von ihr für gerechtfertigt gehaltenen Betrag von 150 € hinterlegt.

III.


19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 15.07.2010 - 9 O 150/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.01.2011 - 13 U 31/10 -

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

Tenor

Auf die Revisionen der Parteien wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers - das Urteil des Landgerichts München I - 15. Zivilkammer - vom 14. August 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrags von mehr als 47,50 € an den Kläger verurteilt und als der Widerklage stattgegeben worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in M.      abgestellt. Dessen Betreiberin (nachfolgend: Grundstücksbesitzerin) beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Grundstücksbesitzerin an die dies annehmende Beklagte ab.

2

Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 € (250 € zuzüglich Mehrwertsteuer). Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.

3

Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Er hat deshalb von ihr verlangt, darin einzuwilligen, dass der von ihm hinterlegte Betrag an ihn ausgezahlt wird. Darüber hinaus hat er verlangt, dass die Beklagte ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € nebst Zinsen freistellt. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger Abschleppkosten von 100 € zahlen und die Beklagte ihn von seinen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 703,80 € freistellen muss. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die von dem Kläger zu zahlenden Abschleppkosten auf 175 € heraufgesetzt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4

Mit den von dem Landgericht zugelassenen Revisionen wollen der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils sowie die Abweisung einer von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Widerklage und die Beklagte die Herabsetzung des von ihr freizugebenden Hinterlegungsbetrags auf 47,50 € erreichen. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

A.

5

Das Berufungsgericht hält die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung für verpflichtet, über den bereits erstinstanzlich rechtskräftig festgestellten Betrag von 47,50 € hinaus in die Auszahlung eines weiteren Betrags von 75 € an den Kläger einzuwilligen. Der Grundstücksbesitzerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen der Beseitigung der durch das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs verübten Besitzstörung zu, welchen sie an die Beklagte abgetreten habe. Der zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossene Rahmenvertrag sei weder sittenwidrig noch ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter. Die Höhe des von dem Kläger geschuldeten Betrags hänge davon ab, wieviel die Grundstücksbesitzerin von ihm für die Störungsbeseitigung verlangen könne. Dies seien diejenigen Kosten, welche ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch für zweckmäßig und notwendig halten dürfe. Ausgehend von diesem Grundsatz stelle es für die Grundstücksbesitzerin eine angemessene betriebswirtschaftliche Erwägung dar, den Aufwand für die Feststellung des Fahrers eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs, die Veranlassung der Fahrzeugentfernung sowie deren Durchführung zu bündeln und mit diesen Aufgaben ein darauf spezialisiertes Unternehmen wie die Beklagte zu beauftragen. Dieses könne in seine Preiskalkulation über die reinen Abschleppkosten hinaus Fixkosten für Personal und Material, Rücklagen und eine Gewinnspanne einfließen lassen. Die Kosten für allgemeine Vorbeugemaßnahmen, zu denen auch die Parkraumüberwachung gehöre, seien dagegen nicht ersatzfähig. Solche Kosten habe die Beklagte in ihren Pauschalpreis von 250 € einkalkuliert. Das Berufungsgericht schätzt deren Höhe auf 75 €.

6

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte habe sich im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Herausgabe des Fahrzeugs nicht in Verzug befunden, weil ihr ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe. Ein deliktsrechtlicher Anspruch scheide ebenfalls aus.

7

Die Widerklage hält das Berufungsgericht für zulässig und begründet. Der Beklagten stehe ein abgetretener Schadensersatzanspruch von 175 € zu. In dieser Höhe könne sie von dem Kläger die Einwilligung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags an sich verlangen.

B.

8

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

I.

Revision des Klägers

9

Das Rechtsmittel ist begründet.

10

1. Zu Recht verneint das Berufungsgericht allerdings einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 €.

11

a) Unter dem Gesichtspunkt des Verzugs (§ 286, § 288 Abs. 3 BGB) besteht der Anspruch nicht. Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts, der sie zur Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € aufforderte, nicht in Verzug. Denn sie hatte unabhängig von der Höhe ihrer Forderung so lange ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug, wie der Kläger den geschuldeten Betrag nicht zahlte oder nicht gemäß § 273 Abs. 3 BGB hinterlegte (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 13, 16 ff.).

12

b) Anders als der Kläger meint, hat er auch aus § 823 Abs. 1 BGB keinen Freistellungsanspruch. Aufgrund des ihr zustehenden Zurückbehaltungsrechts war die Beklagte berechtigt, den Standort des Fahrzeugs zu verschweigen. Damit hat sie nicht das Eigentum des Klägers verletzt.

13

2. Zutreffend bejaht das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der Grundstücksbesitzerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB dem Grunde nach. Das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs des Klägers auf dem Kundenparkplatz des Fitnessstudios stellte eine verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB dar, der sich die Grundstücksbesitzerin nach § 859 Abs. 1 bzw. Abs. 3 BGB erwehren durfte, indem sie das Fahrzeug abschleppen ließ (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 6; Urteil vom 5. Juni 2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rn. 16). Der Kläger ist deshalb verpflichtet, den ihr aus der verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen. Diesen Anspruch hat die Grundstücksbesitzerin wirksam an die Beklagte abgetreten.

14

3. Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht jedoch an, der Beklagten stehe ein Betrag von 175 € zu. Die bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme nicht.

15

a) Der Umfang des zu ersetzenden Schadens bemisst sich nach § 249 Abs. 1 BGB; ersatzfähig sind solche Schäden, die in adäquatem Zusammenhang mit der von dem Kläger verübten verbotenen Eigenmacht stehen und von dem Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 7). Unter diesen Gesichtspunkten bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Grundstücksbesitzerin die Beklagte umfassend mit der Beseitigung der Besitzstörung beauftragt hat (vgl. KG, DWW 2011, 222, 223).

16

b) Danach gehören zu den erstattungsfähigen Kosten nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 11). Danach sind die Kosten für die Leistungen, welche die Beklagte gemäß der Aufstellung in der Anlage 2 zu dem zwischen ihr und der Grundstücksbesitzerin abgeschlossenen Rahmenvertrag schuldet, insoweit ersatzfähig, als es um

„- die Zuordnung des Fahrzeugs in eine Fahrzeugkategorie,

- das Anfordern eines geeigneten Lade- und Transportmittels und - im

Hinblick auf die Ermittlung des Fahrzeughalters -

- die visuelle Sichtung des Fahrzeugs auf Fahrzeugbeschriftung und

- die visuelle Sichtung des Fahrzeuginneren von außen“

geht. Darüber hinaus sind - entgegen der Ansicht des Klägers, der sich insoweit auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 25. Oktober 2011 (85 S 77/11, juris) stützt, welche der Senat mit Urteil vom 6. Juli 2012 (V ZR 268/11, NJW 2012, 3373) aufgehoben hat - auch die Kosten für weitere in der Anlage 2 aufgeführte und von der Beklagten durchzuführende Maßnahmen, nämlich

„- Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen,

- Prüfen auf StVO-Zulassung,

- Abschätzung des Transportgutes auf Länge, Breite, Höhe, Gewicht und Gewichtsverteilung,

- visuelle äußere technische Sichtung/Messung des Fahrzeugs hinsichtlich der Lademöglichkeiten und Ladungssicherung während des Transports sowie

- Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen Wegrollen“

ersatzfähig. Sie dienen ebenfalls der Vorbereitung des Abschleppvorgangs, sowohl im Hinblick auf den Transport selbst als auch im Hinblick auf den Verbringungsort (öffentlicher Parkraum oder - beim Fehlen ausreichender Sicherungen gegen Abhandenkommen - private gesicherte Fläche). Schließlich sind die Kosten für die

„- visuelle äußere Sichtung auf bereits vorhandene Schäden und deren Protokollierung“

ersatzfähig. Diese Maßnahmen stehen zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung des Abschleppvorgangs. Aber sie dienen der Beweissicherung und damit der späteren Abwicklung des Abschleppvorgangs, um unberechtigte Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Beschädigungen abwehren zu können. Solche Kosten werden von dem Schutzbereich der verletzten Norm (§ 858 Abs. 1 BGB) erfasst (LG München I, DAR 2011, 333, 335).

17

c) Nicht ersatzfähig sind dagegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs (Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rn. 21) sowie die Kosten für die Überwachung des Grundstücks im Hinblick auf unberechtigtes Parken (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 12). Danach schuldet der Kläger nicht die Kosten für die eingangs der Anlage 2 zu dem Rahmenvertrag zwischen der Beklagten und der Grundstücksbesitzerin genannten Maßnahmen, nämlich

„- Überprüfung/Kontrolle der Objekte/Flächen hinsichtlich widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge gemäß den Auftraggeberanweisungen und -vorgaben.“

18

Hierbei handelt es sich um reine Parkraumüberwachungsmaßnahmen, welche unabhängig von einem konkreten Parkverstoß durchgeführt werden. Auch die Kosten für

„- Beweissicherung vor Ort, Datum und Zeitpunkt der Besitzstandsstörung durch das unberechtigte Fahrzeug,“

welche laut der Leistungsbeschreibung in der Anlage 2 ebenfalls anfallen, muss der Kläger nicht erstatten. Denn diese Maßnahme dient ausschließlich der späteren Bearbeitung und Abwicklung des Schadensersatzanspruchs (aA KG, DWW 2011, 222, 223 mwN; LG München I, aaO).

19

d) Im Grundsatz zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass er Kosten für die Durchsetzung der Schadensersatzforderung - anders als das Berufungsgericht anzunehmen scheint - ebenfalls nicht schuldet (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 - V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 Rn. 21). Jedoch ist nicht ersichtlich, dass solche Kosten in der Pauschalvergütung von 250 € enthalten sind.

20

e) Anders als der Kläger meint, hat das Berufungsgericht seinen unter Beweis gestellten Vortrag, sämtliche in der Anlage 2 zu dem Rahmenvertrag aufgeführten Tätigkeiten würden von jedem Abschleppunternehmen vor dem Abschleppvorgang ausgeführt, nicht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG übergangen. Hiermit musste sich das Berufungsgericht nicht befassen, denn der Vortrag ist für die rechtliche Beurteilung des Klageanspruchs, soweit es um die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Auszahlung des hinterlegten Betrags an den Kläger geht, unerheblich. Die Beklagte war nämlich nach § 1 Abs. 1 des Rahmenvertrags mit der Versetzung widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge, selbst oder durch Dritte, beauftragt. Hierfür war nach der in der Anlage 3 zu dem Vertrag enthaltenen Preisliste ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Dieser umfasst also sowohl die reinen Abschleppkosten als auch die Kosten, welche durch die in der Vertragsanlage 2 aufgeführten weiteren Maßnahmen entstehen. Ob die Beklagte das Abschleppen und damit entsprechend dem Vortrag des Klägers auch die weiteren Maßnahmen selbst durchgeführt hat oder durch einen Dritten hat durchführen lassen, ist für den Umfang der Ersatzpflicht des Klägers ohne Belang. Nur wenn einzelne Maßnahmen gar nicht durchgeführt worden wären, hätte die Beklagte insoweit keinen Ersatzanspruch. Entgegen ihrer in der Revisionserwiderung vertretenen Ansicht ändert die Vereinbarung eines Pauschalbetrags daran nichts. Der Kläger verweist jedoch nicht auf entsprechenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen.

21

f) Er rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht ohne Weiteres davon ausgeht, die Höhe des Pauschalbetrags sei angemessen. Feststellungen dazu fehlen in dem Berufungsurteil.

22

aa) Die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes wird durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit begrenzt. Dieses findet gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst (BGH, Urteil vom 22. September 2009 - VI ZR 312/08, NJW 2009, 3713 Rn. 7). Danach hat der Geschädigte unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen (BGH, Urteil vom 6. März 2007 - VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 Rn. 6). Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - VI ZR 225/13, NZV 2014, 255 Rn. 7).

23

bb) Diese Grundsätze gelten auch in dem hier maßgeblichen Anwendungsbereich des § 249 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 6. März 2007 - VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 Rn. 6). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass geprüft werden muss, ob sich die Grundstücksbesitzerin bei der Auswahl der Beklagten und bei der Vereinbarung des Pauschalbetrags von 250 € an das Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten hat. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, obwohl dazu Anlass bestand. Denn der Kläger hat vorgetragen, dass durch das bloße Versetzen seines Fahrzeugs Kosten von 60 € und durch die von ihm der Beklagten zugestandenen Vorbereitungsmaßnahmen weitere Kosten von 22,50 € entstanden seien; weiter hat er vorgetragen, dass die Kosten für das Versetzen eines Pkw in M.       78 € betragen.

24

4. Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht der von dem Beklagten in zweiter Instanz erhobenen Widerklage stattgegeben.

25

a) Die in § 533 ZPO genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Widerklage bejaht das Berufungsgericht allerdings zutreffend. Entgegen der Ansicht der Kläger fehlt der Widerklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte wiederholt mit ihr nicht lediglich den Berufungsantrag, die Klage bis auf die Verurteilung zur Zustimmung der Auszahlung von 47,50 € an den Kläger abzuweisen, sondern verlangt darüber hinausgehend die Verurteilung des Klägers zur Einwilligung in die Auszahlung von 150 € an sie. Einen weiteren Widerklageantrag zu 2, der nach Ansicht des Klägers keinen gegenüber der Klage selbständigen Streitgegenstand hat, hat die Beklagte ausweislich der Wiedergabe der Parteianträge in dem Berufungsurteil nicht gestellt.

26

b) Die bisher in dem Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Klägers der Höhe nach jedoch nicht. Sie beruht auf der von dem Berufungsgericht angenommenen Ersatzfähigkeit der Kosten für sämtliche in der Anlage 2 zu dem Rahmenvertrag aufgeführten Maßnahmen - mit Ausnahme der Parkraumüberwachung - und der Angemessenheit der Kostenpauschale von 250 €. Beides ist jedoch, wie vorstehend unter 3 ausgeführt, rechtlich nicht haltbar.

II.

Revision der Beklagten

27

Auch dieses Rechtsmittel ist begründet.

28

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass dem Kläger ein auf die Einwilligung zur Auszahlung des hinterlegten Betrags an ihn gerichteter Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zusteht, soweit der von ihm hinterlegte Betrag den ersatzfähigen Schaden übersteigt, den die Grundstücksbesitzerin durch das unberechtigte Abstellen des Fahrzeugs erlitten hat (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juli 2012 - V ZR 268/11, NJW 2012, 3373 Rn. 5).

29

2. Ebenfalls zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dieser Anspruch richte sich gegen die Beklagte. Zwar findet, wenn der Schuldner nach Abtretung des Anspruchs an den Zessionar (Abtretungsempfänger) geleistet hat, die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung grundsätzlich nicht direkt in dem Verhältnis dieser Personen statt, sondern zum einen zwischen dem Zessionar und dem Zedenten (Abtretender) und zum anderen zwischen diesem und dem Schuldner (Senat, Urteil vom 6. Juli 2012 - V ZR 268/11, NJW 2012, 3373 Rn. 7 mwN). Aber hier liegt es anders. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung hinterlegten Geldes an ihn. Beteiligte des Hinterlegungsverfahrens sind nur er als Hinterleger und die Beklagte als in dem Hinterlegungsantrag als die mögliche Empfangsberechtigte bezeichnete Person (OLG Hamm, NJW-RR 2000, 286, 287). Nur in diesem Verhältnis vollzieht sich der Bereicherungsausgleich.

30

3. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, in der Kostenpauschale von 250 € seien auch Kosten für die Parkraumüberwachung enthalten.

31

a) Solche Kosten sind, wie das Berufungsgericht richtig annimmt, nach der Rechtsprechung des Senats nicht ersatzfähig, denn sie dienen nicht der Beseitigung der Besitzstörung, sondern sind im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen und zählen nicht zu dem adäquat verursachten und damit erstattungsfähigen Schaden (Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 30/11, NJW 2012, 528 Rn. 12).

32

b) Davon abzurücken, wie es die Beklagte jedenfalls dann für überlegenswert hält, wenn die Kosten für Parkraumüberwachungsmaßnahmen pauschal pro Schadensfall geltend gemacht werden, besteht kein Anlass. Der von ihr herangezogene Vergleich mit der rechtlichen Behandlung sogenannter Fangprämien im Zusammenhang mit Ladendiebstählen ist für die Beurteilung der Frage, ob die Kosten für die Parkraumüberwachung zu dem ersatzpflichtigen Schaden des Grundstücksbesitzers zählen, unergiebig. Denn dessen Schadensersatzanspruch hat seine Grundlage in der Besitzstörung bzw. -entziehung (§ 858 Abs. 1 BGB). Allgemeinen Überwachungskosten fehlt der konkrete Bezug dazu. Die Fangprämie weist dagegen insoweit einen konkreten Bezug zu dem einzelnen Ladendiebstahl auf, als sie im Grundsatz erst durch diesen und erst deshalb erwächst, weil der konkret drohende Eigentumsverlust Anlass zu dem Eingreifen gegeben hat, das durch die Prämie honoriert werden soll (BGH, Urteil vom 6. November 1977 - VI ZR 254/77, BGHZ 75, 230, 238).

33

c) Es fehlt jedoch an ausreichenden Feststellungen in dem Berufungsurteil, dass in der Kostenpauschale auch Kosten für die Parkraumüberwachung enthalten sind.

34

aa) Zwar spricht nach dem Wortlaut des Rahmenvertrags zwischen der Beklagten und der Grundstücksbesitzerin vieles dafür. Denn nach § 1 Abs. 1 ergeben sich die Aufgaben der Beklagten aus der Anlage 2 zu dem Vertrag. Darin heißt es gleich am Anfang: „Überprüfung/Kontrolle der Objekte/Flächen hinsichtlich widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge gemäß den Auftraggeberanweisungen und -vorgaben“. Nach § 2 bestimmen sich die Kosten für die Tätigkeiten der Beklagten nach der Preisliste in der Vertragsanlage 3. Darin ist der Pauschalbetrag von 250 € genannt.

35

bb) Aber die Beklagte hat bestritten, dass sie gegenüber der Grundstücksbesitzerin zur Parkraumüberwachung verpflichtet war und behauptet, dass sie die Überwachung unentgeltlich durchgeführt hat. Die dazu von dem Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat jedoch keine Erkenntnisse gebracht. Der Zeuge hat nichts dazu gesagt, ob die Beklagte die Parkraumüberwachung auf Anforderung der Grundstücksbesitzerin durchgeführt hat und ob in der Pauschale entsprechende Kosten enthalten sind.

36

cc) Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kosten seien von der Beklagten in die Kalkulation der Pauschale eingeflossen, hat somit keine Grundlage in dem Prozessstoff.

37

2. Ebenfalls rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht - gestützt auf § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO - an, der Kostenanteil für die Parkraumüberwachung betrage 75 €. Diese Schätzung kann der Senat daraufhin überprüfen, ob sie auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentlicher Tatsachenvortrag außer Acht gelassen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1994 - VI ZR 360/91, NJW-RR 1992, 1050, 1051). Gemessen daran hat sie keinen Bestand. Denn das Berufungsgericht berücksichtigt nicht den Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung, etwaige Überwachungskosten beliefen sich auf nicht mehr als 10 € pro Abschleppvorgang.

III.

38

Nach alledem ist das Berufungsurteil auf die Revisionen beider Parteien aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dafür weist der Senat auf folgendes hin:

39

Es muss geklärt werden, wie hoch die ersatzfähigen Kosten (siehe vorstehend unter I. 3. b)) der Grundstücksbesitzerin unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitspostulats (siehe vorstehend unter I. 3. f)) sind. Darlegungs- und beweispflichtig dafür ist die Beklagte als Inhaberin des von der Grundstücksbesitzerin abgetretenen Schadensersatzanspruchs.

40

1. Ein unmittelbarer Vergleich mit den Gebühren, welche von der Polizei oder der Verwaltungsbehörde nach einem Parkverstoß im öffentlichen Straßenbereich für die Umsetzung des verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs in Rechnung gestellt werden, scheidet aus. Die Maßnahmen zur Vorbereitung des Abschleppvorgangs sind Bestandteil der allgemeinen polizeilichen oder sonstigen behördlichen Tätigkeit. Auch kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Kosten, die der Polizei oder der Behörde für einen Abschleppvorgang in Rechnung gestellt werden, ebenso hoch sind wie die Kosten, die von einem privaten Auftraggeber verlangt werden (vgl. KG, DWW 2011, 222, 224). Diese Besonderheiten sind bei der vergleichenden Kostenbetrachtung zu berücksichtigen.

41

2. Unmittelbar vergleichbar sind deshalb nur die Kosten, die andere Unternehmen für das Abschleppen fremder Fahrzeuge von privaten Grundstücken verlangen. Diesen reinen Abschleppkosten sind diejenigen Kosten hinzuzurechnen, die für vorbereitende Maßnahmen entstehen, soweit sie ersatzfähig sind. Dabei ist regionalen Unterschieden dadurch Rechnung zu tragen, dass nur die am Ort der Besitzstörung üblichen Kosten in den Vergleich einbezogen werden. Nur diese sind ersatzfähig (ebenso Koch, NZV 2010, 336, 339). Lassen sie sich anhand eines Angebotsvergleichs nicht bestimmen, müssen sie von einem Sachverständigen ermittelt werden.

Stresemann                      Lemke                       Schmidt-Räntsch

                    Brückner                   Weinland

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 647/11
vom
22. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Februar 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 5. September 2011 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die durch den Verteidiger Rechtsanwalt H. erhobene Verfahrensrüge
der Ablehnung eines aus dem Schriftsatz vom 17. August 2011 gestellten
Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur
Sitzposition des Zeugen K. im Computerzimmer der Wohnung des
Angeklagten ist bereits unzulässig. Der Vortrag der Revision genügt nicht den
Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Rügt der Revisionsführer die Verletzung des Beweisantragsrechts,
muss er - neben dem abgelehnten Beweisantrag und dem Ablehnungsbeschluss
- auch für die Prüfung der Rüge etwaig notwendige, weitere Verfahrenstatsachen
vollständig vortragen (BGHSt 37, 168, 174; Kuckein in Karlsruher
Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 344 Rn. 38, 43 mwN). Der Revisionsführer
hat jedoch nicht mitgeteilt, dass der abgelehnte Beweisantrag - bei identischem
Inhalt und nur minimal abweichendem Wortlaut - unter Ziffer 6 eines Schriftsatzes
vom 3. September 2011 erneut gestellt und im Hauptverhandlungstermin
vom 5. September 2011 neu beschieden worden ist. Dieser Vortrag wäre jedoch
notwendig gewesen; die neue Bescheidung eines wiederholt gestellten
Beweisantrages kann etwaige Fehler der ersten Ablehnung heilen, weil - anders
als beim Nachschieben von Ablehnungsgründen in den schriftlichen Urteilsgründen
(dazu BGHSt 19, 24, 26; BGH NStZ 2000, 437, 438) - der Angeklagte
seine Verteidigung auf die neue Beurteilung einstellen kann.
Unbeachtlich bleibt, dass der geschilderte Verfahrensablauf in der bezeichneten
Revisionsrechtfertigungsschrift den Gegenstand einer weiteren
- ihrerseits unzulässigen - Rüge bildet; auch ein Rückgriff auf das Revisionsvorbringen
des weiteren Verteidigers, Rechtsanwalt G. , scheidet aus. Es
ist nicht die Aufgabe des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag innerhalb
eines umfangreichen Revisionsvorbringens oder aus anderen Unterlagen zusammenzufügen
oder zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 25. September 1986
- 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom
30. April 1999 - 3 StR 215/98; Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04,
NStZ 2005, 463).
2. Soweit der Verteidiger Rechtsanwalt H. die Nichteinhaltung einer
von der Kammer konstatierten Wahrunterstellung rügt, ist auch diese Rüge
unzulässig erhoben. Auch hier genügt der Vortrag nicht den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil zwar der Ablehnungsbeschluss der Jugendschutzkammer
vom 5. September 2011 mitgeteilt wird, vom zugrunde liegenden
Beweisantrag aus dem Schriftsatz vom 3. September 2011 jedoch nur Beweisbehauptung
und Beweismittel, nicht aber die zum Verständnis des Antrags
bedeutsame Antragsbegründung. Zwar kann der Umfang des notwendigen Vortrages
- insbesondere zum Beweisantrag - beim Vorwurf der Nichteinhaltung
einer Wahrunterstellung je nach Angriffsrichtung der Rüge divergieren; bei der
Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts ist die (vollständige) Mitteilung
des Beweisantrages jedoch erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1983
- 2 StR 222/83, BGHSt 32, 44, 46). Bei der hier vorliegenden Fallgestaltung
hätte der Revisionsführer auch die Begründung des Beweisantrages bereits
deshalb vortragen müssen, weil sich allein aus der angegebenen Beweistatsache
keine sichere Zuordnung des Beweisbegehrens zu einem der verschiedenen
, gleichartigen Tatgeschehen - wiederholter Oralverkehr des Angeklagten
an einem Jugendlichen - treffen lässt. Auf dieser Basis kann das Revisionsgericht
nicht überprüfen, ob der behauptete Widerspruch der Wahrunterstellung
zu den späteren Urteilsfeststellungen tatsächlich besteht, zumal hinsichtlich der
unter Beweis gestellten Tatsache bei den einzelnen Fällen unterschiedliche
Feststellungen getroffen worden sind.
3. Die von beiden Verteidigern erhobenen Rügen betreffend die Ablehnung
mehrerer, auf eine psychologische Begutachtung der Zeugen
P. , S. und K. sowie auf eine psychiatrische Begutachtung
des Zeugen K. gerichteter Beweisanträge ist bereits deshalb
unzulässig, weil nicht mitgeteilt wird, ob die Zeugen oder gegebenenfalls
deren gesetzliche Vertreter (vgl. dazu Senge in Karlsruher Kommentar zur
StPO, 6. Aufl., § 81c Rn. 8) sich mit einer solchen Untersuchung einverstanden
erklärt haben. Ohne Einverständniserklärung wären die beantragten Untersuchungen
bereits wegen Unzulässigkeit der Beweiserhebung abzulehnen gewesen
(vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. September 1990 - 5 StR 184/90, BGHR
StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 5; Beschluss vom 25. September
1990 - 5 StR 401/90, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 6).
4. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen
des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 5. Januar 2012. Vor
dem Hintergrund mehrfach unrichtigen Vortrags in der Revisionsrechtfertigungsschrift
des Verteidigers Rechtsanwalt H. haben die mustergültige
Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft (vgl. dazu Drescher, NStZ 2003, 296)
und die dienstliche Stellungnahme des Kammervorsitzenden zu den erhobenen
Verfahrensrügen mit Leseabschriften handschriftlicher Beschlüsse und dem
Hinweis auf unrichtig wiedergegebene Beschlüsse die revisionsgerichtliche Prüfung
deutlich erleichtert.
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 409/15
vom
18. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs des Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:180216U1STR409.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. Februar 2016, in der Sitzung am 18. Februar 2016, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Dr. Bär, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 –, Rechtsanwalt als Verteidiger, die Nebenklägerin persönlich – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 –, Rechtsanwalt – in der Verhandlung vom 16. Februar 2016 – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls und eines Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge freigesprochen. Die auf die Freisprüche beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin (insoweit beschränkt auf den Freispruch vom Mordvorwurf) haben mit der jeweils näher ausgeführten Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Dem Angeklagten liegt gemäß der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage hinsichtlich der Freisprüche Folgendes zur Last: Zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 soll er die 69-jährige Rentnerin W. , eine Wohnungsnachbarin seiner Mutter, getötet haben. Er habe sich unter einem Vorwand den Zugang zur Wohnung der Nachbarin erschlichen um in einem unbeobachteten Moment im Schlafzimmer Schmuckstücke zu entwenden. Hierbei habe ihn die Geschädigte überrascht und zur Rede gestellt. Er habe sodann in Tötungsabsicht unvermittelt mit einem stumpfen Gegenstand der Geschädigten auf den Kopf geschlagen, bis sie zu Boden gegangen sei, um sie sodann mit einem schmalen Strangulationswerkzeug zu erdrosseln. Motiv hierfür sei gewesen, die Aufdeckung seiner Tat (und früherer Diebstahlstaten ) zu verhindern und die Entwendung von Schmuckgegenständen fortsetzen zu können. Zudem habe der Angeklagte zwischen dem 7. und 9. November 2013 in einem Hotel als Reinigungskraft aus dem Zimmer eines Hotelgastes eine ca. 8.000 Euro teure Armbanduhr entwendet, um sie für sich zu verwenden.
3
2. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
4
a) Der Angeklagte zog 2011 von Tschechien nach Deutschland, wo er zunächst zusammen mit seiner Mutter in deren Wohnung in der C. straße in M. wohnte. Unmittelbare Wohnungsnachbarin war die Rentnerin W. . Diese war finanziell abgesichert, sie hatte u.a. im Jahr 2007 100.000 Euro bei einer Lotterie gewonnen. Während W. zunächst zu dieser Zeit noch ihren bettlägerigen Ehemann pflegte, starb dieser im Laufe des Jahres 2011. Bei der Pflege ihres Ehemanns und nach dessen Tod nahm W. mehrfach die Hilfe des Angeklagten und zweier seiner Brüder in Anspruch. Der Angeklagte half mindestens einmal, den Ehemann umzulagern, nach dessen Tod strich er mit seinen Brüdern gegen eine geringfügige Entlohnung die Wände der Wohnung, baute in der Wohnung mehrere Möbel im Schlafzimmer auf und reparierte Möbelstücke, zuletzt alleine im Sommer 2013 eine Kommode im Schlafzimmer. Aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse des Angeklagten erfolgte die Kontaktaufnahme dabei über die Mutter des Angeklagten oder den in einer anderen Wohnung auf derselben Etage des Hauses wohnenden Bruder L. . Anfang Januar 2013 zog der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in ein Haus seiner Mutter in G. . Weil er zu dieser Zeit bei einer Reinigungsfirma angestellt war und in Hotels in M. als „Roomboy“ eingesetzt wurde, übernachtete er auch teilweise bei seiner Mutter in M. . Auch hierdurch kam es – neben den Reparaturen – zu Zusammentreffen des Angeklagten mit der später Getöteten. Als „nicht ausschließbar“ hat die Strafkammer angese- hen, dass es anlässlich der Begegnungen zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten bei der Begrüßung bzw. der Verabschiedung zu freundschaftlichen Umarmungen gekommen ist.
5
Die Geschädigte wurde am 10. Oktober 2013 auf dem Bauch liegend tot im Schlafzimmer ihrer Wohnung gefunden. Es fehlten Schmuckstücke und der Wohnungsschlüssel. Der Tod trat im Zeitraum zwischen dem 4. und dem 8. Oktober 2013 ein, wobei ein genauerer Todeszeitpunkt nicht feststellbar war. Der Angeklagte hielt sich zumindest teilweise zwischen dem 4. und 10. Oktober 2013 bei seiner Mutter in der Nachbarswohnung der Geschädigten auf, vom 5. bis 7. Oktober 2013 war er allerdings mit Verwandten in Tschechien. In der Wohnung und an der Leiche der Geschädigten wurden 1.220 Spuren sichergestellt. Bei 20 dieser Spuren wurde im Rahmen von DNA-Mischspuren die vollständige DNA des Angeklagten gefunden; der Großteil hiervon betraf die Kleidung der Geschädigten.
6
Schon im Jahr 2011 war bei der Geschädigten eingebrochen und Schmuck entwendet worden. Sie wechselte daraufhin das Schloss der Wohnungstür , wurde zunehmend vorsichtiger und verschloss die Wohnungstür manchmal auch, wenn sie sich in der Wohnung aufhielt. Einer Freundin gegenüber verdächtigte sie jedenfalls zeitweise den Angeklagten und seine Brüder in Bezug auf den Einbruch.
7
b) Zwischen November 2012 und Ende Januar 2013 entwendete der zu diesem Zeitpunkt als „Roomboy“ zu Reinigungsarbeiten in Hotelzimmern eingesetzte Angeklagte in dem Hotel „S. “ aus dem Zimmer eines Hotel- gastes eine Digitalkamera im Wert von ca. 500 Euro nebst Speicherkarte, um diese für sich zu behalten. Speicherkarte und Kamera wurden bei einer Durchsuchung der Sachen des Angeklagten aufgefunden (rechtskräftige Verurteilung wegen Diebstahls).
8
c) Am Morgen des 9. November 2013 verstaute ein Gast des Hotels „P. “ eine Armbanduhr im Wert von ca. 8.000 Euro in der Seiten- tasche seiner Sporttasche, die er neben dem Bett im Hotelzimmer abstellte; am Abend war diese Uhr verschwunden. Zu dieser Zeit war der Angeklagte mit Reinigungsarbeiten in den Zimmern des genannten Hotels betraut, er reinigte am 9. November 2013 genau dieses Zimmer. Allerdings war auch ein anderer Mitarbeiter, der für mehrere Diebstähle in dem Hotel (auch während der Einsatzzeit des Angeklagten) verantwortlich ist, an diesem Tag in dem Zimmer des bestohlenen Hotelgastes gewesen. Obwohl der Angeklagte einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag hatte, erschien er ab dem 10. November 2013 nicht mehr zur Arbeit. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurde keine derartige Uhr gefunden (Freispruch vom Vorwurf eines weiteren Diebstahls).

9
3. Zur Beweiswürdigung des Landgerichts:
10
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung und als Beschuldigter im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Im Rahmen einer Zeugenvernehmung, über deren Verwertbarkeit Streit besteht, hatte er angegeben, zuletzt eineinhalb Monate vor der Tat in der Wohnung der Geschädigten gewesen zu sein. Bei Begrüßungen habe man lediglich „Hallo“ gesagt undsich weder die Hand gegeben noch hierbei oder bei sonstigen Gelegenheiten umarmt. Langjährig bekannte Freunde der Geschädigten und ihr Patensohn berichteten, dass sie von ihr bei der Begrüßung umarmt worden seien. Der Bruder des Geschädigten und seine Mutter sagten aus, dass die Geschädigte ihnen bei der Begrüßung die Hand gegeben und freundschaftlich auf die Schulter geklopft oder einen Klaps mitgegeben habe.
11
Zu den aufgefundenen DNA-Mischspuren, in denen sich die vollständige DNA des Angeklagten fand, hat die Sachverständige, deren Einschätzung die Kammer gefolgt ist, u.a. angegeben, dass bei der Spur am Telefon die Hauptkomponente der Merkmalsmischung dem Angeklagten zuzuordnen sei, im Übrigen der Geschädigten. Es handele sich bei den Spuren um – was das Landgericht nicht näher erläutert hat (vgl. insoweit die Allgemeine Empfehlung der Spurenkommission zur Bewertung von Mischspuren, NStZ 2007, 447) – „Typ-C Spuren“. Die von ihr untersuchten Spuren hätten sehr geringe Mengen DNA lediglich im stochastischen Bereich (also im unteren Grenzbereich) aufgewiesen. DNA-Spuren seien bei trockener Lagerung unter Raumtemperatur unbegrenzt haltbar. DNA-Material an Kleidungsstücken werde nicht notwendiger Weise durch Waschen entfernt, entscheidend sei, mit welcher Temperatur und welchem Waschmittel das Kleidungsstück gewaschen werde. Es könne nicht festgestellt werden, wann, auf welche Weise und durch welche Art des Kontakts die jeweiligen Spuren gesetzt worden seien. So könne DNA-Material durch Hautoberflächenzellen bei einfachem Kontakt wie etwa beim Umarmen oder Anfassen übertragen werden. Ein Sekundärtransfer von DNA sei grundsätzlich möglich, jedoch umso unwahrscheinlicher, je häufiger Merkmale von einer Person an einem Gegenstand zu finden seien.
12
Die Strafkammer hat die Spurenlage wie folgt bewertet: Es sei nicht gänzlich auszuschließen, dass der Angeklagte im Zuge berechtigter Arbeiten in der Wohnung auch Schränke ausgeleert und hierbei Kleidungsstücke der Geschädigten angefasst habe, auch wenn der Schlafzimmerschrank nicht bewegt worden sei. Hinsichtlich der Spur am Telefon sei davon auszugehen, dass der Angeklagte diese Spur bei früheren Aufenthalten berechtigt gesetzt habe, denn es seien keine Gründe für die Nutzung im Zusammenhang mit der Tat ersichtlich. Den Sekretär habe der Angeklagte selbst zusammengebaut, weshalb die dort gefundene Spur als berechtigt gesetzt anzusehen sei. Bezüglich der Spuren am Schlafzimmerschrank und an den beiden im Schlafzimmer liegenden Stofftäschchen sowie an der schwarzen Stofftasche an der Garderobe sei nicht auszuschließen, dass diese unabhängig von der Tat gesetzt worden seien. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte Möbelstücke aufgebaut, bei der Umhängetasche spreche gegen eine Verursachung im Zusammenhang mit der Tat, dass die Wohnung der Geschädigten nicht durchwühlt worden sei. Bei sämtlichen Spuren handele es sich um DNA-Mischspuren, die überwiegend auch auf weitere Verursacher zurückzuführen seien.
13
Bezüglich der an der Kleidung der Getöteten gefundenen und auf den Angeklagten hindeutenden Spuren hätten sich diese überwiegend im Seitenund Rückenbereich der Weste, an der Rückseite und am Ärmel des Shirts, an Rück- und Vorderseite der Hose und an der Rückseite des Slips gefunden, was auch mit dem von dem Sachverständigen als möglich erachteten Tötungsszenario vereinbar sei, dass sich der Täter zum Drosseln auf den Rücken der Geschädigten gekniet habe. Die Spur an der Vorderseite der Hose lasse sich damit nur schwerlich in Einklang bringen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass nur sehr geringe Mengen DNA des Angeklagten gefunden worden seien, wobei fraglich sei, inwieweit dies mit einem massiven Kontakt vereinbar sei. Zudem gelte auch bei den Spuren an der Kleidung, dass diese ganz überwiegend auf mehrere Verursacher zurückzuführen seien, weshalb mit einer Ausnahme mindestens noch eine weitere Person Kontakt mit den entsprechenden Stellen der Kleidung der alleine lebenden Geschädigten gehabt habe. All dies lasse Zweifel daran aufkommen, dass die von dem Angeklagten verursachten Spuren im Rahmen der Tötung der Geschädigten gesetzt worden seien. Dies gelte umso mehr, als der Angeklagte öfter Kontakt zur Geschädigten hatte und die Kammer nicht ausschließen könne, dass er die Geschädigte etwa bei einer Begrüßung auch umarmt oder im Rahmen der von ihm durchgeführten Arbeiten auch sonst deren Kleidung berührt habe. Bei mehreren Spuren seien auch die Brüder des Angeklagten als Verursacher nicht auszuschließen, die auch Gelegenheit zur Tat gehabt hätten. Schließlich lasse sich letztlich eine Sekundärübertragung etwa beim Wenden oder Entkleiden der Leiche nicht ausschließen.
14
Der Angeklagte, der zur Tatzeit gearbeitet und monatlich ca. 1.100 bis 1.400 Euro verdient habe sowie gelegentlich von seiner Mutter unterstützt worden sei und in deren Haus mietfrei habe wohnen dürfen, habe auch kein überzeugendes Motiv für die Tat gehabt. Zudem passe das von der Anklage gezeichnete Tatszenario, wonach der Angeklagte beim Durchwühlen des Kleiderschranks von der Geschädigten überrascht worden sei, nicht zur vorgefundenen Spurenlage. Die Wohnung sei nicht durchwühlt worden und zum überwiegenden Teil sei der Schmuck der Geschädigten noch vorhanden gewesen.
15
Hinsichtlich des Vorwurfs des Diebstahls der Uhr aus dem Hotelzimmer habe der Angeklagte – wie hinsichtlich einer Entwendung von Schmuck bei der später getöteten W. – kein Motiv gehabt. Die Uhr sei bei einer Durchsuchung nicht gefunden worden. Während der Zeit, in der der Angeklagte im Hotel eingesetzt worden sei, habe es auch Diebstähle durch einen anderen Mitarbeiter gegeben, der am Tattag auch im Zimmer des bestohlenen Gastes gewesen sei. Es komme nach den Angaben der für den Angeklagten verantwortlichen Objektleiterin auch öfter vor, dass Angestellte ohne Angaben von Gründen nicht mehr zur Arbeit erscheinen.

II.

16
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
17
1. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
19
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. Senat, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f. mwN). Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2015 – 5 StR 78/15, NStZ-RR 2015, 349). Rechtsfehlerhaft ist auch die Anwendung des Zweifelssatzes auf einzelne Indizien. Bei dem Grundsatz „in dubio pro reo“ handelt es sich um eine Entscheidungsregel, nicht um eine Beweisregel. Diese Regel hat das Gericht erst dann zu befolgen, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist die Regel grundsätzlich nicht anzuwenden (Senat, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, NStZ-RR 2015, 83).
20
b) Diesen Maßstäben genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht.
21
aa) Es fehlt schon an einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren umfassenden Bewertung der in der Wohnung der Getöteten aufgefundenen DNA-Spuren. Die unübersichtliche Darstellung der einzelnen Spuren, die DNA des Angeklagten enthalten, lässt nicht erkennen, welche Aussagekraft das Landgericht den einzelnen, auf den Angeklagten hindeutenden Spuren vor dem Hintergrund der Gesamtspurenlage beigemessen und wie es die Einzelspuren zueinander in Beziehung gesetzt hat. Entscheidend kommt es bei einer solchen Spurenlage auf das Gesamtbild der dem Angeklagten zurechenbaren Spuren im Verhältnis zu den sonst aufgefundenen Spuren an. Den Urteilsgründen sind zwar einzelne relativierende Bewertungen von DNA-Spuren des Angeklagten zu entnehmen, aber nicht die notwendige umfassende Gesamtbetrachtung.
22
bb) Soweit die Schwurgerichtskammer die Beweiskraft der an der Kleidung des Opfers gefundenen DNA-Spuren des Angeklagten mit der Erwägung relativiert, es sei nicht auszuschließen, dass diese von einer Umarmung oder sonstigen Berührungen herrühren, findet diese Erwägung keine Grundlage in den im Urteil geschilderten Beweisergebnissen. Der Angeklagte hat selbst gesagt , die Geschädigte habe ihn nicht berührt oder umarmt; weder seine Mutter noch seine Brüder haben von Umarmungen oder Berührungen gesprochen au- ßer dem Schütteln der Hände oder einem „Klaps“ auf die Schulter durch die Geschädigte. Beide Kontaktformen sind für eine Antragung von Spuren auf dem Rücken und einem Slip ungeeignet. Lediglich langjährige Freunde – wozu der Angeklagte nicht zählte (die Geschädigte stellte den Kontakt zu ihm aufgrund von Sprachschwierigkeiten zudem nur über seine Verwandten her) – und der Patensohn berichteten von Umarmungen beim Begrüßen der Geschädigten. Ob – wie die Verteidigung vorträgt – die selbstbelastenden Angaben des Angeklagten in seiner Zeugenvernehmung einem Verwertungsverbot unterliegen , ist in der neuen Hauptverhandlung zu klären. Aus systematischen Gründen vermag der Senat der Erwägung der Verteidigung, sie könne zur Prüfung der Beruhensfrage insoweit eine „hypothetische“ Verfahrensrüge erheben, nicht zu folgen.
23
cc) Die Argumentation der Kammer, der Angeklagte habe weder aus finanziellen noch aus sonstigen Gründen ein überzeugendes Motiv für den Mord an W. und den Diebstahl der Uhr gehabt, erweist sich als lückenhaft. Nicht berücksichtigt hat sie dabei, dass sie den Angeklagten einer anderen Diebstahlstat an einem teuren Gegenstand aus einem Hotelzimmer für überführt erachtet. Auch wird die Erwägung der Kammer, der Angeklagte habe durch seine Berufstätigkeit ein Auskommen gehabt, dadurch relativiert, dass der Angeklagte zu den jeweils angeklagten Tatzeiten von seinem monatlichen Verdienst in Höhe von 1.100 bis 1.400 Euro offensichtlich sein Kind und seine nicht berufstätige Lebensgefährtin unterhielt.
24
dd) Die Verurteilung wegen Diebstahls der Kamera findet auch im Übrigen an keiner Stelle des Urteils bei der Überzeugungsbildung hinsichtlich der beiden anderen angeklagten Taten Erwähnung, obwohl es auch dort um die Entwendung von fremden Gegenständen geht. Damit erweisen sich die den Freisprüchen zugrunde liegenden Gesamtwürdigungen des Landgerichts insgesamt als lückenhaft, weil sie einen wesentlichen Umstand außen vor lassen, der die Überzeugungsbildung zu Lasten des Angeklagten beeinflussen kann.
25
ee) Eine weitere Lücke in der Beweiswürdigung hinsichtlich des Tatvorwurfs der Tötung von W. zwecks Entwendung von Wertgegenständen ergibt sich aus folgendem Umstand: Bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der zweiten Diebstahlstat stellt die Strafkammer fest, dass sich aufgrund der im Rahmen der Telefonüberwachung protokollierten Gespräche des Angeklagten sowie weiterer Familienmitglieder hinreichende Erkenntnisse dahingehend ergeben haben, dass der Angeklagte die Uhr entwendet hat. An einer Verwertung dieser Erkenntnisse hat sich die Kammer nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO gehindert gesehen, weil es sich bei dem Vorwurf des Diebstahls der Uhr nicht um eine Katalogtat handele, hinsichtlich derer eine Telefonüberwachung nach § 100a StPO hätte angeordnet werden können, und weil der Angeklagte der Verwertung der Angaben widersprochen habe. Wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt, hat die Strafkammer die angeführten Erkenntnisse aber auch nicht im Rahmen ihrer Überzeugungsbildung hinsichtlich des Vorwurfs des Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge verwertet, obwohl insoweit ein Verwertungsverbot nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO fernliegt.
26
2. Auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht das Urteil hinsichtlich beider Freisprüche, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei richtiger Rechtsanwendung zu einem verurteilenden Erkenntnis gelangt wäre (vgl. zum Bezugspunkt der Beruhensprüfung bei Freispruch BGH, Urteil vom 19. Juli 1995 – 2 StR 758/94, NJW 1995, 2933, 2936; vgl. zum Beruhen insgesamt : Niemöller, NStZ 2015, 489 ff.; missverständlich daher Senat, Urteil vom 2. Dezember 2015 – 1 StR 292/15 Rn. 11). Die Sache bedarf daher in diesem Umfang insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Raum Jäger Cirener Mosbacher Bär

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 358/14
vom
26. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. August 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 17. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung, Körperverletzung und Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den Feststellungen beförderte der damals 46 Jahre alte Angeklagte am 16. September 2011 nach 2.30 Uhr die Zeuginnen S. und P. mit seinem Taxi in Berlin von Reinickendorf nach Wannsee. Um den 40 € betragenden Fahrpreis nicht zahlen zu müssen und weiteres Geld zu erlangen, hielt – die deswegen inzwischen rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten anderthalbjährigen Jugendstrafe verurteilte – S. ihm ein Messer an den Hals und verletzte ihn damit am Hals sowie an Wange und Nase. Nachdem es dem blutenden Angeklagten gelungen war, das Taxi zu verlassen, flüchteten S. und – die vom Vorwurf einer Tatbeteiligung rechtskräftig freigesprochene – P. , jedoch wurden „diebeiden jun- gen Damen“ (UAS. 6) von ihm alsbald eingeholt und ins Taxi zurückgezogen. Hierbei versetzte er S. mit einem von ihrer Freundin verlorenen Schuh einen wuchtigen Schlag auf die Schulter.
3
Als P. die Polizei rufen wollte, forderte der Angeklagte ihr Handy erfolgreich heraus, indem er drohte, „dass anderenfalls ... 30 Kollegen mit“ ihr „Sex machen“ würden. In vergleichbarer Weise verlangte er von den beiden Frauen zudem 50 €. Nachdem P. angeboten hatte, zur Begleichung der Fahrtkosten Geld von ihrem Konto abzuheben, fuhren sie zu dritt zurück nach Reinickendorf zu ihrer dort gelegenen Wohnung, aus der sie ihre EC-Karte holte. Während ihrer Abwesenheit soll der Angeklagte im Taxi S. eine Pistole vorgehalten und sie mit der Drohung, ihr anderenfalls ins Knie zu schießen, zum Oralverkehr gezwungen haben; dieser Anklagevorwurf ist vom Landgericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
4
Nachdem P. gegen 4.40 Uhr vergeblich versucht hatte, Geld abzuheben, begab sie sich mit ihrer Freundin und dem Angeklagten in ihre Wohnung, wo dieser beiden Frauen „befahl“, jeweils einen Schuldschein über 100 € auszustellen. Um deren Einlösung sicherzustellen, behielt er P. s Handy als Pfand. Bevor er die Wohnung verließ, brachte er beide Frauen unter der erneuten Drohung, dass diese anderenfalls „Sex mit 30 Kolle- gen haben müssten“,dazu, vor ihm die Hosen herunterzuziehen, „um sie von hinten zu nehmen“.Wegen ihrer Monatsblutungen sah er von weiteren Hand- lungen ab. Als es eine Woche später zum Tausch des Handys gegen 200 € kommen sollte, wurde der Angeklagte von der durch P. informier- ten Polizei festgenommen. Bei ihm wurden ihr Handy sowie die Schuldscheine sichergestellt.
5
2. Die Beweiswürdigung erweist sich – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs – als lücken- und damit rechtsfehlerhaft. Denn das Landgericht hat seine Feststellungen „im Wesentli- chen“ auf „die glaubhaften Aussagen der Zeugin P. “ gestützt, „die im Einklang mit weiteren Beweisergebnissen stehen“ (UA S. 13).
6
a) Als solche hat das Landgericht nämlich lediglich angeführt, dass P. s vergebliche Versuche, Geld abzuheben, durch Lichtbilder dokumentiert und ihr Handy ebenso wie die Schuldscheine beim Angeklagten sichergestellt worden seien (UA S. 17 f.). Insofern hat es sich aber nicht damit auseinandergesetzt , dass sämtliche Umstände in gleicher Weise mit der – in sich durchaus schlüssig erscheinenden – Einlassung des bislang unbestraften Angeklagten kompatibel sind, der sich darauf berufen hat, die beiden Frauen hätten freiwillig seine Forderungen erfüllen wollen und ihm daher Schuldscheine und Handy ausgehändigt (UA S. 12).
7
b) Zudem hätten die Angaben der Zeugin S. ungeachtet des Umstandes , dass die Feststellungen auf deren Bekundungen nicht gestützt worden sind, im Einzelnen dargestellt werden müssen. Das Landgericht durfte sich nicht auf die Mitteilung beschränken, die Zeugin habe die Schilderung der Zeugin P. „inhaltlich bestätigt und ihre damaligen zum Teil unterschiedlichen Versionen und falschen Angaben hinsichtlich der Tatbeteiligung ihrer damaligen Freundin ... beim Überfall auf den Taxifahrer“ eingestanden (UA S. 19). Die Aussageentwicklung hätte im Einzelnen skizziert und mit den Darstellungen des Angeklagten bzw. der Zeugin P. in Bezug gesetzt werden müssen. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass das Landgericht Anlass gesehen, diesen im Urteil aber nicht erläutert hat, das Verfahren bezüglich des schwersten Anklagevorwurfs, nämlich einer sexuellen Nötigung – zumindest gemäß § 177 Abs. 3 StGB – zum Nachteil S. s nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen.
8
c) Schließlich schöpft die landgerichtliche Motivprüfung, es bestünden „keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Zeugin P. habesich alles nur ausgedacht, um den Angeklagten zu Unrecht zu belasten“ (UA S. 17), das vielschichtige Tat- und Verfahrensgeschehen nicht aus.
9
3. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
a) Eine Strafbarkeit nach § 253 StGB setzt voraus, dass die Bereicherung nach der materiellen Rechtslage zu Unrecht angestrebt wird. Daran fehlt es, wenn der Täter auf den Vermögensvorteil einen fälligen einredefreien Anspruch besitzt. Daher wird gegebenenfalls zunächst zu prüfen sein, in welchem Umfang dem Angeklagten für seine Beförderungsleistungen sowie den sonstigen Zeitaufwand ein Entgelt zustand und inwieweit er ein Schmerzensgeld zu fordern berechtigt war. Darüber hinaus wird festzustellen sein, welche Vorstellungen er sich insofern gemacht hat; denn sollte er etwa irrtümlich von gegebenen Ansprüchen ausgegangen sein, wäre der Vorsatz zu verneinen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1999 – 2 StR 598/98, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9; Beschluss vom 17. Juni 1999 – 4 StR 12/99, StV 2000, 79, 80). Sollte in diesem Fall das Beweisergebnis wiederum sein, dass der Angeklagte die Herausgabe des Handys als Pfand und das Erstellen der Schuldscheine durch Drohungen erzwungen hat, so wäre dies unter dem Gesichtspunkt der Nötigung (§ 240 StGB) zu prüfen.
11
b) Bei einer eventuellen Strafzumessung wäre zu berücksichtigen, dass das Tatgeschehen zum Zeitpunkt der neuerlichen Hauptverhandlung bereits mehr als drei Jahre zurückliegen wird.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 162/13
vom
5. September 2013
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________
1. Zur Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben.
2. Auch aus einer (versuchten) Nötigung kann der Täter etwas erlangen.
3. Zur Fassung des Urteilstenors bei einer Entscheidung gemäß § 111i
Abs. 2 StPO.
BGH, Beschluss vom 5. September 2013 - 1 StR 162/13 - LG Essen
wegen versuchter Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2013 beschlossen
:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 13. Dezember 2012 wird als unbegründet
verworfen. Jedoch wird der Tenor des angefochtenen Urteils
hinsichtlich der Verfallsentscheidung wie folgt geändert:
Es wird festgestellt, dass wegen eines Geldbetrags in Höhe
von 139.690,33 Euro, den der Angeklagte aus den Taten erlangt
hat, von der Anordnung von Wertersatzverfall nur deshalb
abgesehen wird, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Der Angeklagte wurde wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen und wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Zudem wurde festgestellt, dass hinsichtlich eines Geldbetrages in Höhe von 139.690,33 Euro wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt werden konnte (§ 111i Abs. 2 StPO). Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Dies bedarf der näheren Ausführung nur zu einigen Aspekten des Schuldspruchs wegen versuchter Nötigung sowie zu einigen Aspekten der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO. Im Übrigen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts.

A.


I.


2
Soweit hier von Bedeutung ergeben die rechtsfehlerfreien Urteilsfeststellungen folgenden Sachverhalt:
3
1. Zu den Betrügereien des gesondert verfolgten Ö. :
4
Ab März 2009 hatte der gesondert verfolgte Ö. den Gewinnspielein- tragungsdienst „e. “ über die von ihm in der Schweiz gegründete T. AG vertrieben, wobei diese sich externer - überwiegend in der Türkei ansässiger - Call-Center bediente. Auch die Verträge wurden in näher bezeichneter Weise telefonisch abgeschlossen; hierbei erteilten die Kunden auch die Ermächtigung zum Lastschrifteinzug. Eine Eintragung der Kunden als Teilnehmer an Gewinnspielen erfolgte nicht. Gleichwohl ließ Ö. die Teilnehmerbeiträge bei den Kunden mittels des Lastschriftverfahrens einziehen.
5
Nachdem es bei immer mehr Kunden aus unterschiedlichen Gründen zu Rücklastschriften gekommen war, wollte Ö. diese Kunden durch ein Anwaltsschreiben so einschüchtern, dass sie die in Wahrheit unberechtigten Forderungen bezahlten.
6
Außerdem hatte Ö. Rücklastschriften aus einem anderweit vertriebe- nen „Gewinneintragungsprodukt“ namens „w. “ angekauft. Er ging dabei davon aus, dass auch hier die Kunden tatsächlich nicht bei Gewinnspielen eingetragen worden waren. Anhaltspunkte dafür, dass er sich insoweit geirrt hätte, sind nicht ersichtlich.
7
2. Verabredung zwischen Ö. und dem Angeklagten:
8
Ö. konnte den damals als Syndikus tätigen Angeklagten als „Inkas- soanwalt“ für das „Masseninkasso“ gewinnen, nachdem er ihm Inhalt und Ver- triebssystem der Gewinnspieleintragungsdienste erläutert hatte.
9
Ö. und der Angeklagte vereinbarten im Wesentlichen Folgendes:
10
Der Angeklagte sollte je ein Mahnschreiben an die Kunden von „e. “ und an die „Rücklastschriftkunden“ von „w. “ entwerfen. Ö. würde den jeweiligen Entwurf anschließend um die betreffenden Kundendaten ergänzen und dann als individualisierte Anschreiben an die Kunden von „e. “ und „w. “ versenden lassen. Schreiben von Kunden sollte der Angeklagte beantworten; soweit diese sich beschwerten, „kündigten“ oder Strafanzeige erstatteten, sollte er ohne weitere Rücksprache diesen etwa bereits früher geleistete Zahlungen zurückerstatten. Kunden, die nicht zahlten, sollten keinesfalls verklagt oder angezeigt werden.
11
Wie viel Geld der Angeklagte für seine Tätigkeit - zur Ermöglichung von Steuerhinterziehung im Wesentlichen in bar - erhalten sollte, sollte letztlich von der Höhe der eingehenden Zahlungen abhängig sein. Weitere Einzelheiten wurden nicht festgelegt.
12
Schriftlich niedergelegt wurde - soweit ersichtlich - nichts.
13
3. Zu den einzelnen „Mahnaktionen“:
14
a) Erste „Mahnaktion“ (Tat Ziffer II.1 der Urteilsgründe):
15
Abredegemäß entwarf der Angeklagte je ein Mahnschreiben an die Kun- den von „e. “ und an die Kunden von „w. “.
16
(1) Mahnschreiben „e. “:
17
Der Entwurf des Angeklagten für die Kunden von „e. “ lautet auszugsweise wie folgt: „Sehr geehrter Herr/Frau […], hierdurch zeige ich an, die rechtlichen Interessen der T. … zu vertreten. Meine Mandantin ist Inhaberin der Forderung … aus der … Dienstleistung „e. “… . Die telefonische Auftragserteilung durch Sie … wurde … aufgezeichnet und Sie wurden … für eine Vielzahl von Gewinnspielen angemeldet; die vereinbarte Leistung wurde erbracht. Leider hat meine Mandantin feststellen müssen, dass das vereinbarte Entgelt nicht von Ihrem Konto eingezogen werden konnte, obwohl Sie im Rahmen der Auftragserteilung eine Einzugsermächtigung erteilt hatten … . Ich bin nunmehr mit der Durchsetzung der berechtigten Forderung gegen Sie beauftragt worden; dies werde ich konsequent tun.
Da Sie sich bereits in Verzug befinden, stellt meine Mandantin das gesamte, für die verbleibende Restlaufzeit des Vertrages vereinbarte Entgelt gemäß der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fällig und Sie haben zusätzlich auch die Kosten meiner Inanspruchnahme zu tragen. Damit ergibt sich die folgende Gesamtforderung: Hauptforderung: 95,70 € _____________________________________________________ Gebührenforderung: 1,3 Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG 32,50 € Post- u. Telekomm.- Entgelte gem. Nr. 7200 VV RVG 6,50 € Summe Gebühren: 39,00 € Rücklast-/Auskunfts-/Mahnkosten meiner Mandantin: 8,50 € Gesamtforderung: 143,20 € Ich fordere Sie hiermit auf, die obige Gesamtforderung hier eingehend bis spätestens zum […] auf mein (...) Konto zu überweisen. (…) Nach fruchtlosem Ablauf obiger Frist wird meine Mandantin ihre Forderung - ohne weitere Ankündigung - gerichtlich geltend machen; hierdurch würden Ihnen ganz erhebliche zusätzliche Kosten und Unannehmlichkeiten entstehen. So würde im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch öffentlich, dass Sie vereinbarungsgemäß auch zu Gewinnspielen nicht jugendfreien Inhalts angemeldet wurden. Die möglichen Folgen einer gerichtlichen Auseinandersetzung können von Negativeinträgen bei bekannten Kreditauskunfteien bis hin zu Konten- und Gehaltspfändungen reichen. Dies alles
lässt sich vermeiden, wenn Sie nun Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und Zahlung leisten. Sollte die obige Gesamtforderung von Ihnen dennoch nicht fristgerecht gezahlt werden, behält sich meine Mandantin darüber hinaus vor, den Sachverhalt der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Überprüfung wegen des Verdachts eines Betruges vorzulegen. (...) Hochachtungsvoll

A.

Rechtsanwalt - maschinell erstellt, ohne Unterschrift gültig -“.
18
Das in dem Entwurf genannte Konto hatte der Angeklagte eigens für Zahlungseingänge der Kunden von „e. “ eingerichtet.
19
(2) Mahnschreiben „w. “:
20
Der Entwurf des Angeklagten für die Kunden von „w. “ stimmte weitgehend mit dem Entwurf des Schreibens von „e. “ überein, auch hinsichtlich der geltend gemachten Geldbeträge. Lediglich der Hinweis auf die Teilnahme an „Gewinnspielen nicht jugendfreien Inhalts“ war hier entfallen. Außerdem war ein anderes - ebenfalls eigens hierfür eingerichtetes - Konto angegeben.
21
(3) Abwicklung:
22
Insgesamt ließ Ö. ab dem 9. Juni 2009 bis Mitte Juli 2009 8.873 Briefe an Kunden von „e. “ und „w. “ versenden, was ins- gesamt zu einem Geldeingang in Höhe von 190.940,97 Euro auf den vom Angeklagten eingerichteten Konten führte. Es ist jedoch nicht sicher, ob die Kun- den „nur aufgrund der Androhung mit einer Strafanzeige und nicht schon aufgrund des Drucks eines anwaltlichen Mahnschreibens gezahlt haben“.
23
b) Zweite „Mahnaktion“ (Tat Ziffer II.2 der Urteilsgründe):
24
Der Erfolg der ersten „Mahnaktion“ veranlasste Ö. zu einer weiteren, im Ablauf identischen, aber noch umfangreicheren zweiten „Mahnaktion“.
25
Er hatte hierfür die Schweizer Gesellschaft U. AG gegründet. Diese kaufte Forderungen von insgesamt drei Firmen aus behaupteten Gewinnspieleintragungen gegen „Rücklastschriftkunden“. Eine dieser Firmen gehörte Ö. selbst; an einer weiteren Firma war er hälftig beteiligt. Hinsichtlich der Eintragung dieser Kunden für Gewinnspiele verhielt es sich ebenso wie im Falle der angekauften Forderungen von „w. “.
26
Anfang November 2009 fertigte der Angeklagte auf Anforderung von Ö. den Entwurf eines Mahnschreibens an diese „Rücklastschriftkunden“.
27
Dieser Entwurf stimmte mit dem für „w. “ erstellten Entwurf im Wesentlichen überein. Abweichungen ergaben sich zur Höhe der Hauptforderung ; außerdem war auch hier ein vom Angeklagten ebenfalls neu eingerichtetes Konto angegeben.
28
Der weitere Ablauf entspricht dem Ablauf der ersten „Mahnaktion“. Unter dem 18. November 2009 wurden Mahnschreiben an insgesamt 34.000 „Rück- lastschriftkunden“ verschickt. Dies führte zum Eingang von insgesamt 667.715,09 Euro auf dem neuen Konto. Auch hinsichtlich des Grundes der Überweisungen gilt dasselbe wie bei der ersten „Mahnaktion“.
29
4. Weitere Geldbewegungen:
30
a) Mit den Geldern, die auf den für die „Mahnaktionen“ eingerichteten (insgesamt also drei) Konten eingegangen waren, geschah zunächst Folgendes :
31
Insgesamt überwies der Angeklagte auf ein Konto der Firma T. AG 167.157,20 Euro und auf ein Konto der U. AG des Ö. 645.000 Euro. An Kunden, die sich beschwert hatten, überwies der Angeklagte deren frühere Zahlungen von insgesamt 6.808,53 Euro zurück.
32
Auf sein eigenes Privatkonto transferierte der Angeklagte insgesamt 38.702,88 Euro. Nachdem zwei der für die Mahnaktionen eingerichteten Konten aufgelöst wurden, weil die Bank diese gekündigt hatte, flossen dem Angeklagten auch die dort noch vorhandenen Restguthaben in Höhe von insgesamt 987,45 Euro zu.
33
b) Außerdem erhielt der Angeklagte Ende 2009 von Ö. in der Schweiz (mindestens) 100.000 Euro in bar.
34
Im Zuge der Mahnaktionen flossen dem Angeklagten also dauerhaft insgesamt 139.690,33 Euro zu, ohne dass eine Abrechnung erfolgt wäre.
35
5. Zu den Vorstellungen des Angeklagten:
36
Der Angeklagte hatte es als „pfiffig“ empfunden, dass Ö. durchdie Einschaltung in der Türkei ansässiger Call-Center - so die Auffassung des Angeklagten - die „deutschen Vorschriften des unlauteren Wettbewerbs“ umgangen hätte.
37
Er hielt es für möglich, dass Ö. die Mahnschreiben an alle Kunden versenden würde, bei denen es zu einer Rücklastschrift gekommen war, also auch an solche, die die Lastschrift von sich aus rückgängig gemacht hatten. Er nahm dabei an, dass die Kunden unter anderem wegen der telefonischen Akquise ein „jederzeitiges Widerrufsrecht nach § 312 BGB“ hätten.
38
Dies war nach der Auffassung des Angeklagten der Grund dafür, dass bei Strafanzeigen, Beschwerden und „Kündigungen“ durch die Kunden bereits geleistete Zahlungen zurückerstattet werden sollten, während Kunden, die nicht bezahlten, entgegen der Androhung in den Mahnschreiben keinesfalls verklagt oder angezeigt werden sollten.
39
Die Strafkammer konnte nicht feststellen, dass der Angeklagte zu irgendeinem Zeitpunkt wusste, dass die Forderungen trotz unterbliebener Eintragung der Kunden in die Gewinnspiele und damit betrügerisch geltend gemacht wurden. Daran änderte sich auch nichts, nachdem der Angeklagte im weiteren Verlauf schon kurz nach Versendung der ersten Mahnschreiben im Juni 2009 von Strafanzeigen gegen die T. AG erfuhr und er Beschwerdeschreiben von Kunden erhielt, die geltend machten, dass sie den Vertrag schon zuvor „widerrufen“ hätten.

II.


40
Die Strafkammer hat diese Feststellungen, soweit hier von Interesse, wie folgt rechtlich gewürdigt:
41
1. Durch die Ankündigung in den Mahnschreiben, gegebenenfalls behalte sich seine Mandantin die Einschaltung der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung des Betrugsverdachts - also eine Strafanzeige - vor, habe der Angeklagte mit einem empfindlichen Übel gedroht. Er habe damit, so bringt die Strafkammer in der Sache zum Ausdruck, nicht etwa nur ein von ihm unbeeinflusstes mögliches Verhalten seiner Mandantin angekündigt; vielmehr habe er aus der Sicht eines verständigen Lesers vorgegeben, Einfluss auf diese Entscheidung der Mandantin zu haben, zumal er in den Schreiben auch ankündigte, er werde die rechtlichen Interessen seiner Mandantin konsequent durchsetzen.
42
Auch wenn der Angeklagte vom Kern der Betrügereien des Ö. keine Kenntnis gehabt habe, folge die Verwerflichkeit seines Verhaltens (§ 240 Abs. 2 StGB) aus seinen tatsächlichen und rechtlichen Vorstellungen beim Abfassen der Mahnschreiben. Da der Grund der Zahlung im Einzelfall nicht genau feststellbar sei (vgl. oben A.I.3.a.3. und A.I.3.b.), sei nur von Versuch auszugehen.
43
2. Der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO liegt ein Verfallsbetrag in Höhe von 139.690,33 Euro (zu dessen Zusammensetzung vgl. bereits oben unter A.I.4.) zu Grunde. Es bestünde auch keine Veranlassung zu einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB, insbesondere sei ein Wegfall der Bereicherung (vgl. § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB) nicht erkennbar.

B.


I.


44
Der Schuldspruch wegen versuchter Nötigung enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
45
1. Zu Recht hat die Strafkammer den Hinweis des Angeklagten, seine Mandantin behalte sich im Falle der Nichtzahlung die Erstattung einer Strafanzeige vor, als (versuchte) Nötigung im Sinne von § 240 StGB gewertet.
46
Eine Nötigung setzt voraus, dass mit einem Übel (a.) gedroht wird (b.), wobei das Übel empfindlich sein muss (c.). Außerdem muss die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck gemäß § 240 Abs. 2 StGB als verwerflich anzusehen sein (d.).
47
a) Bei einem Übel handelt es sich um eine künftige nachteilige Veränderung der Außenwelt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 240 Rn. 32; Toepel in NK-StGB, 4. Aufl., § 240 Rn. 103). Dies trifft für eine Strafanzeige zu, weil daraus zumindest ein Ermittlungsverfahren mit seinen vielfältigen nachteiligen Folgen erwachsen kann (vgl. Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912; weitere Nachweise bei Sinn in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 240 Rn. 78).
48
b) Der Täter droht mit einem Übel, wenn er (sei es zutreffend oder nicht) behauptet, er habe auf dessen Eintritt Einfluss (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11; zusammenfassend Fischer aaO Rn. 31 mwN). Soll das Übel von einem Dritten verwirklicht werden, muss er also die Vorstellung erwecken wollen, er könne den Dritten in der angekündigten Richtung beeinflussen und wolle dies für den Fall der Verweigerung des ver- langten Verhaltens auch tun (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 56; insoweit vergleichbar zur Erpressung BGH, Beschluss vom 17. August 2006 - 3 StR 238/06, NStZ-RR 2007, 16; Urteil vom 18. Januar 1955 - 2 StR 284/54, BGHSt 7, 197, 198 jew. mwN). Andernfalls läge lediglich eine nicht von § 240 StGB erfasste Warnung vor (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Urteil vom 17. Januar 1957 - 4 StR 393/56, NJW 1957, 596, 598).
49
Allerdings kann eine scheinbare Warnung eine Drohung enthalten (Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 8). Die Abgrenzung von Warnung und Drohung ist ebenso aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen wie die Frage, ob das, was angekündigt ist, ein empfindliches Übel ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11; Vogel aaO Rn. 7).
50
Der Angeklagte hat in dem Schreiben mitgeteilt, die rechtlichen Interessen der Mandantin würden nunmehr von ihm wahrgenommen. Die Forderung der Mandantin sei berechtigt und er werde sie konsequent durchsetzen. Zahlungen seien auf sein Konto zu leisten. Dieser Gesamtzusammenhang des Briefes ergibt, dass der Angeklagte mit der von ihm gewählten Formulierung, die „Mandantin“ behalte sich die Erstattung einer Strafanzeige vor, zwar vorder- gründig lediglich gewarnt hat, aber dennoch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, er habe auf die Erstattung einer Strafanzeige maßgeblichen Einfluss. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Strafkammer mit der Annahme, der Angeklagte habe sich selbst Einfluss auf die Erstattung einer Strafanzeige zugeschrieben , die Grenzen möglicher tatrichterlicher Auslegung überschritten haben könnte (vgl. speziell zur Ankündigung eines Rechtsanwalts, der Mandant werde Strafanzeige erstatten Kudlich/Melloh, JuS 2005, 912 Fn. 4).
51
c) Empfindlich im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB ist ein angedrohtes Übel, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil so erheblich ist, dass seine Ankündigung den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens motivieren kann (vgl. Fischer aaO § 240 Rn. 32a mwN).
52
Die Androhung einer Strafanzeige ist im Grundsatz geeignet, den Bedrohten zur Begleichung geltend gemachter Geldforderungen zu motivieren.
53
Besonderheiten des Einzelfalls, die dazu führten, dass die Empfindlichkeit des Übels - auch unter Berücksichtigung normativer Gesichtspunkte - gleichwohl zu verneinen wäre, sind hier nicht zu erkennen.
54
Derartige Besonderheiten können insbesondere dann vorliegen, wenn und soweit gerade von dem Bedrohten in seiner (häufig: beruflichen) Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 5 StR 4/92, NStZ 1992, 278 [Bedrohung eines Vorgesetzten mit der Aufdeckung angeblicher Straftaten Untergebener]; BGH, Urteil vom 28. Januar 1976 - 2 StR 696/75, NJW 1976, 760 [Bedrohung eines Beamten mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde]; in vergleichbarem Sinne [zu § 105 StGB] auch BGH, Urteil vom 23. November1983 - 3 StR 256/83, BGHSt 32, 165, 174; vgl. auch Horn/Wolters in SK-StGB, 59. Lfg., § 240 Rn. 10).
55
Vergleichbare Besonderheiten liegen hier nicht vor. Die Empfänger der Schreiben befanden sich in keiner Lage, die das Gewicht der Bedrohung mit einer gegen sie gerichteten Strafanzeige verringern könnte. Vielmehr erlangte für sie die Drohung durch das Mahnschreiben eines Rechtsanwalts ein besonderes Gewicht, wie dies auch beabsichtigt war. Ebenso wie die Position des Bedrohten das Gewicht einer Drohung mindern kann, kann es sich - wie hier - durch die berufliche Stellung des Drohenden erhöhen.
56
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Revision, wonach hier des- halb nicht mit einem empfindlichen Übel gedroht sei, weil Verbraucher ein „besonderes Interesse“ daran hätten, sich einem Straf- oder Zivilverfahren zu stel- len, in dem es um die von ihnen bestrittene Inanspruchnahme von Leistungen geht (so missverständlich OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 296 [unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 5 StR 4/92, NStZ 1992, 278] für einen Streit über die Inanspruchnahme von Leistungen aus Telefonsexverträgen ). Ein derartiger Rechts- oder Erfahrungssatz besteht nicht.
57
d) Rechtswidrig im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB ist die Androhung eines Übels, wenn sie im Verhältnis zum jeweilig angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
58
(1) Dies ist dann der Fall, wenn die Verquickung von Mittel und Zweck mit den Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar ist, sie also »sozial unerträglich« ist (so schon BGH, Beschluss vom 19. Juni 1963 - 4 StR 132/63, BGHSt 18, 389, 391; vgl. auch Träger/Altvater in LK-StGB, 11. Aufl., § 240 Rn. 69, 86; die in diesem Zusammenhang auch verwendete, inhaltlich identische Formulierung, wonach verwerflich sei, was »nach richtigem allgemeinem Urteil sittlich zu missbilligen« sei, geht auf noch ältere Rechtsprechung [BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 18. März 1952 - GSSt 2/51, BGHSt 2, 194, 196] zurück).
59
(2) Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die objektive Lage und die Kenntnis des Angeklagten auseinanderfielen.
60
Objektiv hat der Angeklagte Ö. darin unterstützt, Geld für nicht erfolgte Eintragungen in Gewinnspiele einzutreiben. Es bedarf keiner Darlegung, dass dies im aufgezeigten Sinne verwerflich ist.
61
Demgegenüber hat die Strafkammer aber nicht festgestellt, dass der Angeklagte Betrügereien oder sonstiges unseriöses Gebaren von Ö. für möglich hielt.
62
Wäre nicht schon bei dem Sachverhalt, den der Angeklagte sich vorstellte , die Drohung mit der Strafanzeige als verwerflich anzusehen, läge letztlich ein Tatbestandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (vgl. schon BGH, Urteil vom 30. April 1953 - 3 StR 674/52, LM § 240 StGB Nr. 3; Toepel aaO § 240 Rn. 195).
63
So verhält es sich hier nicht.
64
aa) Wie dargelegt, gingen die Vereinbarungen zwischen Ö. und dem Angeklagten dahin, jede Befassung von Staatsanwaltschaft und/oder Gericht mit den Vorgängen zu vermeiden. Eigene Ansprüche sollten dort nicht geltend gemacht, geltend gemachte Ansprüche von Kunden sollten ohne Weiteres umgehend voll erfüllt werden.
65
Dies kann den Angeklagten jedenfalls nicht in der Auffassung bestärkt haben, die Forderungen Ö. s seien ordnungsgemäß zustande gekommen, sondern belegt, dass ihm die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen Ö. und seinen Kunden gleichgültig waren. Dem entspricht, dass Kundenbeschwerden ohne irgendeine Überprüfung immer Erfolg hatten. Da aber diese zivilrechtlichen Beziehungen von der Frage, ob und inwieweit sich die Kunden in irgendeiner Weise strafbar gemacht haben können, nicht zu trennen ist, war ihm auch dies gleichgültig. Hierauf hebt die Strafkammer zu Recht ab. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Strafkammer eine gebotene Erörterung gegenläufiger Gesichtspunkte (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2011 - 1 StR 287/11) unterlassen hätte. Vielmehr verfasste er auch dann noch weitere, im Kern unveränderte Entwürfe, die er Ö. uneingeschränkt zur Verfügung stellte, nachdem die erwarteten Beschwerdeschreiben von Kunden und Strafanzeigen kurz nach Versendung der ersten Mahnschreiben im Juni 2009 eingegangen waren.
66
bb) Ebenso wenig ist unter diesen Umständen ersichtlich, dass die Strafkammer gehalten gewesen wäre, aus den nur schwer nachvollziehbaren rechtlichen Erwägungen des Angeklagten (sie gingen von Haustürwiderrufsgeschäften aus, obwohl Fernabsatzverträge vorlagen) auf Vorstellungen des Angeklagten zu schließen, die - träfen sie zu - sein Verhalten nicht als verwerflich erscheinen ließen.
67
cc) Dies gilt auch, soweit die Revision geltend macht, die Strafkammer hätte näher bezeichnete Möglichkeiten von rechtlichen Detailüberlegungen des Angeklagten über formale Fragen des Widerrufsrechts erwägen müssen.
68
Naheliegende und damit erörterungsbedürftige Möglichkeiten zeigt sie damit nicht auf (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 1 StR 407/12, wistra 2013, 67, 68).
69
Vielmehr hat der Angeklagte es Ö. ermöglicht, seine Berufsbezeichnung als Anwalt einzusetzen, um dadurch generell die Position der Adressaten als faktisch aussichtslos erscheinen zu lassen. Letztlich sollten auf diese Weise juristische Laien durch die Autorität eines Organs der Rechtspflege zur Hinnahme der nur scheinbar vom Angeklagten stammenden Wertungen veranlasst werden. Der Angeklagte wollte, dass sie sich lediglich noch vor die Wahl ge- stellt sahen, entweder - als kleineres Übel - die Forderungen des Ö. sofort zu erfüllen, ohne dass es aus seiner Sicht darauf ankam, ob die Forderungen berechtigt waren oder nicht, oder andernfalls mit größeren Übeln rechnen zu müssen (vgl. hierzu schon OLG Karlsruhe, Die Justiz 1981, 212, 213). Dies waren neben einer zivilrechtlichen Verurteilung, Konten- und Gehaltspfändungen, Negativeinträgen in Kreditauskunfteien und - teilweise - einer öffentlichen Erörterung der Teilnahme an Gewinnspielen „nicht jugendfreien Inhalts“ auch die Erstattung einer Strafanzeige wegen Betruges.
70
dd) Auf dieser Grundlage hat die Strafkammer die Verquickung von Mittel und Zweck im Ergebnis zutreffend als verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB bewertet.
71
Angesichts der Eindeutigkeit dieses Ergebnisses (vgl. allgemein zur revisionsrechtlichen Bedeutung eindeutiger Ergebnisse BGH, Urteil vom 4. Juni 2013 - 1 StR 32/13, NJW 2013, 2530, 2536; Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657) können die weiteren von der Strafkammer noch angestellten Erwägungen (z.B. zur gesonderten Geltendmachung von als nicht gerechtfertigt bewerteten Anwaltsgebühren) ebenso auf sich beruhen wie das hiergegen gerichtete Vorbringen der Revision.
72
2. Es beschwert den Angeklagten nicht, dass er lediglich wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde. Die Strafkammer hat offenbar daraus, dass es im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins gibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN), gefolgert, dass die Kausalität der Drohung für die Zahlung nur festzustellen sei, wenn hierüber bei jedem einzelnen Kunden - und damit insgesamt in nicht leistbarem Umfang (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - 1 StR 544/09, NStZ 2011, 294, 295 mwN) - Beweis erhoben würde (zur sachgerechten Handhabung derartiger Fälle, auch schon im Ermittlungsverfahren, vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 1 StR 263/12, NStZ 2013, 422, 423 f.).

II.


73
Die Feststellung der Strafkammer, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt werden kann, weil Ansprüche von Verletzten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (§ 111i Abs. 2 StPO), weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
74
1. Verfall bzw. Verfall von Wertersatz kann gemäß § 73 StGB, § 73a StGB sowohl dann angeordnet werden, wenn dem Täter etwas »für die Tat« zugeflossen ist, als auch dann, wenn es ihm »aus der Tat« zugeflossen ist. Eine Feststellung, wonach von Verfall bzw. Verfall von Wertersatz im Hinblick auf entgegenstehende Ansprüche Dritter im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB abgesehen wird (§ 111i Abs. 2 StPO), setzt dagegen voraus, dass dem Täter etwas »aus der Tat« zugeflossen ist. Diese Feststellung ist hingegen nicht möglich , wenn dem Täter etwas »für die Tat« zugeflossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 275/12, wistra 2013, 347, 350; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; zweifelnd demgegenüber noch BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - 5 StR 401/08, wistra 2009, 350).
75
Dies beruht letztlich darauf, dass Vermögenswerte des Opfers dem Täter nur »aus der Tat« zufließen können, wie dies insbesondere bei der Tatbeute (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 4 StR 277/10, NStZ-RR 2011, 283; Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4) der Fall ist. Hingegen gehörten Vermögenswerte, die dem Täter »für die Tat« zugeflossen sind (z.B. eine Belohnung; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051; Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; Beschluss vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 4), zuvor nicht notwendig zum Vermögen des Opfers.
76
Daher unterliegt das für die Tat Erlangte dem Verfall ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 2 StR 31/12, NJW 2012, 2051 mwN; Schmidt in LK-StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 40; Burghart in SSW-StGB, § 73 Rn. 37).
77
Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof in einem Fall, in dem wie hier, nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte, aus dem Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) Folgendes gefolgert:
78
Der Ausspruch, dass nur deshalb nicht (Wertersatz-)Verfall angeordnet wurde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen, muss ersatzlos entfallen, wenn das, was dem Täter zugeflossen ist, ihm entgegen der Auffassung des Tatrichters nicht aus der Tat, sondern für die Tat zugeflossen ist (BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10, BGHR StPO § 111i Abs. 2 Anwendungsbereich 1; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. März 2013 - 2 StR 275/12).
79
2. Die Urteilsgründe tragen die (inzident getroffene) Wertung, dass dem Angeklagten etwas aus der Tat zugeflossen ist (a.). Anders als die Revision meint, wird dies auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Angeklagte nur wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde (b.) und dass er nicht wusste, dass die von ihm angemahnten Forderungen auf betrügerischer Grundlage beruhten (c.). Ist aber dem Angeklagten etwas »aus der Tat« zugeflossen, so kann ihn die darauf aufbauende Feststellung, von Verfall bzw. Verfall von Wertersatz werde nur wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen (§ 111i Abs. 2 StPO), nicht beschweren (d.).
80
a) Die Strafkammer hat ohne einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler einen Verfallsbetrag in Höhe von 139.690,33 Euro angenommen.
81
Dieser Betrag setzt sich ganz überwiegend aus den Teilbeträgen zusammen , die sich der Angeklagte unmittelbar aus den eingegangen Kundengeldern selbst überwiesen hat, und den 100.000 Euro, die er in bar von Ö. entgegennahm (zur Berechnung im Einzelnen vgl. unter A.I.4.). Es kann dabei auf sich beruhen, dass die gesamten Kundengelder zunächst auf Konten des Angeklagten eingegangen waren („auf mein unten angegebenes Konto“) und schon deshalb seinem Zugriff unterlagen. Es beschwert den Angeklagten jedenfalls nicht, dass die Strafkammer diesem Gesichtspunkt bei der Berechnung des Verfallsbetrages nicht näher nachgegangen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, NJW 2012, 92, 93; Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565).
82
(1) Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass es sich bei den Kundengeldern , die sich der Angeklagte im Einverständnis mit Ö. , aber ohne spezifizierte Abrechnung, auf sein Privatkonto weiterleitete, um Anteile der Tatbeute handelte.
83
(2) Für die 100.000 Euro, die er in bar von Ö. entgegennahm, gilt im Ergebnis nichts anderes.
84
Der Senat verkennt dabei nicht, dass bei Zahlungen, die ein Rechtsanwalt im Zusammenhang mit dem (sei es auch kriminellen) Eintreiben von Geldforderungen erhält, die Annahme einer Belohnung im Ansatz nicht fernliegend erscheint. In diese Richtung könnte auch die Feststellung die Strafkammer deuten , der Angeklagte habe den Bargeldbetrag in Höhe von 100.000 Euro als „Bezahlung seiner Tätigkeit“ (UA S. 14) entgegengenommen.
85
Eine derartige Bewertung widerspräche aber den hier festgestellten Umständen des Einzelfalls:
86
Die einzige - jedenfalls ansatzweise - getroffene Vereinbarung über Geld ging dahin, dass die Höhe des Betrages für den Angeklagten letztlich davon abhängen sollte, wie viel Geld aufgrund der Schreiben eingehen würde (zur indiziellen Bedeutung dieses Umstandes vgl. Saliger in NK-StGB, 4. Aufl., § 73 Rn. 5 mwN). Es ist nicht ersichtlich, das jemals - etwa nach den Regeln zur Vergütung von Anwaltstätigkeit - abgerechnet worden wäre; die 100.000 Euro waren ersichtlich eine nicht im Einzelnen errechnete pauschale Summe. Diese Summe hatte der Angeklagte auch „aus der Tat“ erlangt; der Umstand, dass der Angeklagte zuvor den größten Teil der eingegangenen Kundengelder an Firmen des Ö. überwiesen hatte, steht dem nicht entgegen: Vermögenswerte sind auch dann im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus einer Tat erlangt, wenn sie zwischenzeitlich einem anderen Tatbeteiligten zugeflossen waren (in vergleichbarem Sinne BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 1 StR 336/11, NStZ-RR 2012, 81, 82 mwN).
87
b) Die Revision meint, dem Angeklagten sei schon deswegen nichts „unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands“ zugeflossen, weil die Kunden nicht wegen der Drohung mit der Strafanzeige gezahlt hätten und er dementsprechend nur wegen versuchter Nötigung verurteilt worden sei.
88
Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
89
Die Tat des Angeklagten bestand in einer rechtswidrigen Erklärung, die deren Empfänger zu einer Zahlung veranlassen sollte und auch zu einer Zahlung veranlasst hat. Daher liegt ein unmittelbarer Vermögenszufluss vor, obwohl die Vollendung der beabsichtigten Tat aus Gründen, die vom Verhalten des Angeklagten unabhängig waren, nicht festgestellt werden konnte. Für einen Fall versuchten Betrugs, der in den aufgezeigten zentralen Punkten mit der vorliegenden Fallgestaltung übereinstimmt, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden , dass der Täter auch aus einer nur versuchten rechtswidrigen Tat etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 85 mwN; zum Verfall bei Erlangung rechtswidriger Vermögensvorteile durch ein nur versuchtes Vermögensdelikt vgl. auch Saliger aaO § 73 Rn. 17b).
90
Da einem Täter nicht nur aus einem Vermögensdelikt etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zufließen kann, gelten hier auch nicht deswegen andere Grundsätze, weil die zugrunde liegende Tat eine versuchte Nötigung und nicht ein versuchter Betrug ist.
91
c) Darüber hinaus meint die Revision, Verfall käme auch deswegen nicht in Betracht, weil der Angeklagte nicht „in Kenntnis des Nichtbestehens von Forderungen unter Vorspiegelung von deren Existenz … Gelder eingetrieben“ habe, er also insoweit gutgläubig gewesen sei.
92
Auch diese Auffassung teilt der Senat nicht.
93
(1) Der Angeklagte war zwar über sein eigenes strafbares Verhalten hinaus nicht auch Tatbeteiligter an der Tat des Ö. , weil er unbeschadet seines eigenen strafbaren Verhaltens (aus Gleichgültigkeit) davon ausging, dass die von ihm geforderten Zahlungen möglicherweise zivilrechtlich gerechtfertigt seien. Dies ändert aber nichts daran, dass er unmittelbar den von ihm mit Hilfe seines strafbaren Verhaltens erstrebten Vermögenszufluss bewirkte. Dementsprechend sind ihm die hier in Rede stehenden Vermögenswerte unmittelbar aus der Verwirklichung des von ihm erfüllten Tatbestands zugeflossen. Die daher gebotene Verfallsentscheidung kann nicht durch sonstige Irrtümer in Frage gestellt werden, die die Erfüllung des Straftatbestands unberührt lassen.
94
(2) Besonderheiten, die für den Fall gelten, dass „der Täter oder Teil- nehmer einem gutgläubigen Dritten Tatvorteile … in Erfüllung einer nicht bema- kelten entgeltlichen Forderung, deren Entstehung und Inhalt in keinem Zusam- menhang mit der Tat stehen“, zuwendet (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 247, sog. Erfüllungsfall), haben nur bei in jeder Hinsicht tatunbeteiligten Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) Bedeutung.
95
d) Auch im Übrigen weist die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
96
Der Angeklagte ist in einer Fallgestaltung, bei der ihm - wie hier - »aus der Tat« etwas zugeflossen ist, im Grundsatz nicht beschwert, wenn von der sonst gebotenen Verfallsanordnung nur wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen wurde (vgl. umgekehrt zu einer Beschwer durch eine Verfallsanordnung ohne Berücksichtigung von Verletztenansprüchen BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693, 694). Dies folgt daraus, dass eine solche Entscheidung keine Ansprüche der Geschädigten begründet. Sie erlangt erst dann Bedeutung, wenn sich der Geschädigte in eigener Verantwortung nach den hierfür geltenden Regeln einen vollstreckbaren Titel gegen den Angeklagten beschafft hat und aus diesem vollstreckt.
Dann stehen ihm bei der Vollstreckung in die beschlagnahmten Vermögenswerte privilegierte Möglichkeiten zu.
97
Unterbleiben derartige Vollstreckungen, etwa weil die Bemühungen eines Geschädigten um einen Titel scheitern oder - bei kleineren Schadenssummen häufiger - er sich hierum nicht bemüht, fällt beschlagnahmtes, aber wegen entgegenstehender Ansprüche nicht für verfallen erklärtes Vermögen nicht an den (ehemaligen) Angeklagten zurück, sondern es fällt im Rahmen des sog. Auffangrechtserwerbs (vgl. § 111i Abs. 5 StPO) dem Staat zu.
98
Dies belegt, dass sich allein die fehlerhafte Annahme von Ansprüchen Verletzter in Fällen, in denen rechtsfehlerfrei festgestellt ist, dass dem Angeklagten aus der Tat etwas zugeflossen ist, nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt.
99
Nach alledem war die Revision als unbegründet zu verwerfen.

C.


100
Jedoch hat der Senat entsprechend § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO den Tenor des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Verfallsentscheidung dahin neu gefasst , dass die beiden Elemente der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO - dem Täter ist aus der Tat ein (ggf. gemäß § 73c StGB und/oder § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO verminderter) Vermögenswert zugeflossen; - von der sonst gebotenen Anordnung von Verfall bzw. Wertersatzverfall wird gleichwohl wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter abgesehen , schon im Urteilstenor ausdrücklich genannt sind (so im Ergebnis z.B. auch BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 340/09; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 3 StR 460/08, wistra 2009, 241).
101
Die Feststellung, dass dem Täter etwas aus der Tat zugeflossen ist, ist allerdings in der vom Landgericht gebrauchten Fassung, dass „festgestellt (wird), dass gegen den Angeklagten wegen eines Geldbetrages von 139.690,33 Euro lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen“, inzident enthalten. Dies entspricht nach der Erfahrung des Senats üblicher Handhabung.
102
Die aufgezeigte Ergänzung des Tenors erscheint jedoch mit Blick auf die Anfechtungsmöglichkeiten des Angeklagten geboten:
103
Dieser kann zwar durch Rechtsfehler im Zusammenhang mit dem ersten der beiden Elemente beschwert sein, nicht aber durch solche, die allein mit dem zweiten der beiden Elemente zusammenhängen. Revisionsentscheidungen, die sich an der Formulierung herkömmlich abgefasster Urteile orientieren und deswegen dahin lauten, die Feststellung, dass der Anordnung von Verfall (oder Wertersatzverfall) Ansprüche Verletzter entgegenstünden, werde aufgehoben (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - 2 StR 487/10), erwecken einen gegenteiligen Eindruck. Nach dem Entscheidungstenor scheint der Aufhebungsgrund mit den Ansprüchen der Verletzten zusammenzuhängen. Nach den Entscheidungsgründen erfolgt die Aufhebung dagegen wegen eines Rechtsfehlers bei der Bestimmung des erlangten „Etwas“, also nicht deshalb, weil die Ansprüche von Verletzten nicht existierten oder in zu hohem Umfang angenommen worden seien.
104
Dies entspricht nicht dem Grundsatz, dass der Kern strafgerichtlicher Entscheidungen schon aus ihrem Tenor und nicht erst aus ihren Gründen ersichtlich sein soll (in vergleichbarem Sinne BGH, Urteil vom 17. März 2011 - 1 StR 407/10, NJW 2011, 2448, 2449).
105
Unklarheiten werden dagegen vermieden, wenn das Revisionsgericht gegebenenfalls an eine Urteilsformel anknüpfen kann, die den vom Senat hier eingefügten zusätzlichen Ausspruch enthält.
Wahl RiBGH Prof. Dr. Jäger ist ur- Cirener laubsabwesend und daher an der Unterschrift gehindert. Wahl
Radtke Mosbacher

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 521/12
vom
4. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. April 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. Juni 2012 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf, Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen verbreitet zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen gab der Angeklagte etwa seit dem Jahre 1995 die Produktion von insgesamt 20 bis 30 CDs mit Rockmusik in Auftrag, deren Liedtexte politisch rechtes Gedankengut transportierten. Im Jahre 2008 verfasste eine Rechtsanwältin, die der Angeklagte bereits in der Vergangenheit regelmäßig mit der Prüfung der strafrechtlichen Relevanz der Liedtexte beauftragt hatte, gegen Honorar eine Stellungnahme zu 14 Texten von Liedern, die auf einer CD gepresst werden sollten. Die Rechtsanwältin befasste sich in ihrer Stellungnahme unter Einarbeitung auch neuerer Rechtsprechung mit möglichen Verstößen der Texte gegen die §§ 86, 90a, 111, 130, 185 StGB, § 27 JuSchG und sah mehrere Änderungen als notwendig an; diese wurden sodann vorgenommen. Im Vertrauen auf die Stellungnahme der Rechtsanwältin, wonach die teilweise geänderten Texte keinen strafbaren Inhalt mehr aufwiesen, erteilte der Angeklagte im April 2009 einem kleinen Presswerk den Auftrag, 1.000 Exemplare der CD herzustellen. Nach ihrer Produktion wurden die CDs an die Geschäftsadresse des Angeklagten versandt. Die CD wurde im Oktober 2009 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert. Dabei kam das zuständige Gremium nicht zu dem Ergebnis, dass die jugendgefährdenden Texte einen strafbaren Inhalt aufwiesen und nahm den Tonträger deshalb gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien , nicht aber gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG in Teil B dieser Liste auf.
3
2. a) Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, der Angeklagte habe mit der Erteilung des Auftrags zur Produktion der CD als mittelbarer Täter gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB den objektiven und subjektiven Tatbestanddes § 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StGB erfüllt. Indes sei zu seinen Gunsten davon auszugehen , dass er ohne Schuld gehandelt habe, weil ihm bei Begehung der Tat die Einsicht gefehlt habe, Unrecht zu tun. Ihm sei nicht nachzuweisen gewesen, dass er die Strafbarkeit der auf der CD enthaltenen Liedtexte mit einem zumindest bedingten Unrechtsbewusstsein billigend in Kauf genommen habe. Diesen Irrtum habe er nicht vermeiden können, § 17 Satz 1 StGB.
4
b) Die Revision macht hiergegen im Wesentlichen geltend, die Strafkammer habe es versäumt, den vollständigen Inhalt des von der Rechtsanwältin erstellten Gutachtens in den schriftlichen Urteilsgründen wiederzugeben. Die Urteilsfeststellungen seien nicht geeignet, die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums zu tragen; auch sei die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft.
5
3. Die von der Revision erhobenen Beanstandungen dringen nicht durch. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat auch im Übrigen einen Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten nicht ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
6
a) Die Wiedergabe des von der Rechtsanwältin erstellten Gutachtens in den schriftlichen Urteilsgründen genügt den in diesem Zusammenhang zu stellenden Anforderungen; sie ermöglicht insbesondere die revisionsrechtliche Überprüfung der Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums des Angeklagten.
7
Das Landgericht hat die für den vorliegenden Fall in erster Linie bedeutsamen Ausführungen in der Stellungnahme der Rechtsanwältin zu einem Verstoß der Liedtexte gegen § 86 StGB wörtlich wiedergegeben. Darüber hinaus hat die Strafkammer ausgeführt, mit welchen sonstigen Strafvorschriften sich die Stellungnahme befasst. Deren Inhalt hat sie noch weiter dahin mitgeteilt, dass die einzelnen Abschnitte nach Normen gegliedert seien, die gesetzlichen Tatbestände jeweils anhand von Fallbeispielen illustriert und die inkriminierten Textstellen hierzu in Beziehung gesetzt würden. Der Umfang der vorhandenen Kasuistik bestimme die Ausführlichkeit der Darstellung zu den einzelnen Vorschriften. Zu allen geprüften Straftatbeständen sei obergerichtliche Rechtsprechung zitiert, auch auf staatsanwaltschaftliche Verfügungen werde Bezug genommen.
8
Damit wird aus den schriftlichen Urteilsgründen der wesentliche Inhalt der Stellungnahme, soweit er für die in der Revisionsinstanz relevanten Rechtsfragen von Belang ist, hinreichend deutlich. Unter diesen Umständen war entgegen der Auffassung der Revisionsführerin eine vollständige wörtliche Wiedergabe der Stellungnahme nicht erforderlich.
9
b) Der vom Landgericht angenommene unvermeidbare Verbotsirrtum des Angeklagten wird durch die Feststellungen belegt.
10
aa) Die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat. Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet. Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen.
11
Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag somit nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein. Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist. Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine "Feigenblattfunktion" erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 17 Vermeidbarkeit 8 mwN).
12
bb) Den Feststellungen des Landgerichts ist zu entnehmen, dass der Angeklagte den nach diesen Maßstäben hohen Erkundigungs- und Prüfungspflichten in ausreichendem Umfang nachkam.
13
Die Revision führt zwar zu Recht aus, dass die Stellungnahme der Rechtsanwältin, soweit sie sich mit einer möglichen Strafbarkeit der Texte nach § 86 StGB auseinandersetzte, deutliche inhaltliche Defizite aufwies. Hieraus folgt jedoch mit Blick auf die sonstigen von der Strafkammer festgestellten Umstände im vorliegenden Fall nicht, dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum des Angeklagten ausschied. Danach hatte sich der Angeklagte bereits in der Vergangenheit regelmäßig an die auch im vorliegenden Fall tätig gewesene Rechtsanwältin gewandt und diese beauftragt, ihm gegen Honorarzahlung eine fundierte Auskunft darüber zu erteilen, ob die Texte gegen geltendes Recht verstießen. Er schätzte die Rechtsanwältin als fachkundige Person ein, die einen Ruf als besonders strenge Gutachterin genieße. Tatsächlich verfasste die Rechtsanwältin in den letzten 15 Jahren mehr als 300 Stellungnahmen in Fällen der vorliegenden Art. Anfängliche Versuche des Angeklagten, sie dazu zu veranlassen, gegen ihre Überzeugung die rechtliche Unbedenklichkeit von Tex- ten zu bescheinigen, wies sie zurück. Dies akzeptierte der Angeklagte ebenso wie die Veränderungen und Streichungen, welche die Rechtsanwältin empfahl. Die Auskünfte der Rechtsanwältin erwiesen sich für den Angeklagten als zutreffend ; er wurde bisher wegen der Herstellung der von ihm in Auftrag gegebenen CDs noch nie strafrechtlich belangt. Auch im vorliegenden Fall erstattete die Rechtsanwältin ein immerhin mehrseitiges schriftliches Gutachten; ihre Änderungsvorschläge wurden sodann befolgt. Die von ihr vorgenommene Einschätzung wurde schließlich im Ergebnis von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien geteilt.
14
c) Die Beweiswürdigung lässt einen Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
15
aa) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die vom Tatgericht vorgenommene Würdigung hinzunehmen, auch wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte.
16
bb) Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der betreffenden Rechtsanwältin habe er keine Zweifel an deren Einschätzung gehabt, dass die nach ihren Vorgaben geänderten Texte nicht gegen strafrechtliche Normen verstoßen würden. Dies hat das Landgericht nicht zu widerlegen vermocht. Dabei hat es u.a. die Rechtsanwältin als Zeugin vernommen und deren die Angaben des Angeklagten bestätigende Aussage als glaubhaft gewertet. Bei der Beurteilung, ob der Angeklagte einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlag, hat es die hierfür bedeutsamen Beweisergebnisse - darunter auch den Inhalt der von der Rechtsanwältin abgegebenen Stellungnahme und ihre politische Einstellung - in den Blick genommen. Eine rechtlich relevante Lücke ergibt sich insoweit aus den Urteilsgründen nicht. Die vom Landgericht aus dem gesamten Beweisstoff gezogenen Schlüsse sind möglich und deshalb hinzunehmen. Dies gilt insbesondere auch für die Bewertung des Inhalts der Stellungnahme der Rechtsanwältin. Nicht zu beanstanden ist dabei insbesondere, dass die Strafkammer vor dem Hintergrund der Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die strafrechtliche Relevanz der Liedtexte als nicht derart bedeutend bewertet hat, als dass der Angeklagte habe annehmen müssen, die Rechtsanwältin habe sie bewusst ausgeblendet. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, vor allem aus dem Inhalt der Stellungnahme sei darauf zu schließen, dass der Angeklagte sich nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen könne, setzt sie im Ergebnis lediglich ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts. Dies kann dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen. Dasselbe gilt bezüglich der Bewertung urteilsfremder Umstände; diese sind im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge unbeachtlich. Schäfer Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.

(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.

(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.

(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 48/16
vom
19. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2016:190416B3STR48.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. April 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Mai 2015
a) dahin ergänzt, dass aa) die Angeklagten im Übrigen freigesprochen werden; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last, bb) die vom Angeklagten B. in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet wird,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen verurteilt, den Angeklagten K. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, den Angeklagten B. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die dagegen gerichteten, auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerhaft von einem Teilfreispruch abgesehen, soweit es sich in acht der den Angeklagten zur Last gelegten Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln (Fälle 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 der Anklageschrift) nicht von deren Täterschaft zu überzeugen vermocht hat (UA S. 39 f.). Den Angeklagten waren mit der Anklage jeweils 685 tatmehrheitlich begangene Fälle des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln vorgeworfen worden. Dem ist die Strafkammer im Eröffnungsbeschluss gefolgt. Insoweit ist den Angeklagten unter den Ziffern 184, 229, 262, 299, 311, 344, 389 und 399 jeweils zur Last gelegt worden, am 19. September 2013 sowie am 2., 7., 11., 12., 15., 20. und 21. Oktober 2013 im Zusammenwirken mit den zwei Mitangeklagten jeweils 1 bis 10 Gramm der unter den Bezeichnungen "Göttin Astarte" und "CM 21" vertriebenen Substanzen, die den in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG genannten Wirkstoff AKB-48F enthielten, an verschiedene Abnehmer veräußert zu haben. Diese Vorwürfe hat das Landgericht nach der Beweisaufnahme als nicht erwiesen angesehen. Es hätte die Angeklagten deshalb, um den Eröffnungsbeschluss zu erschöpfen, ohne Rücksicht auf die dem Urteil unter dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit zugrunde gelegte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Verkaufsfälle als Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen teilweise freisprechen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 321/11, NStZ 2012, 337, 338 mwN; Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 3 StR 321/14, juris Rn. 2).
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2. Im Hinblick auf den Angeklagten B. hat die Strafkammer entgegen der Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die von dem Angeklagten in den Niederlanden erlittene Freiheitsentziehung auf die gegen ihn erkannte Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist. Diese Entscheidung muss in der Urteilsformel zum Ausdruck kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364). Da nach der Sachlage nur eine Anrechnung im Maßstab 1:1 in Betracht kommt, hat der Senat den grundsätzlich dem Tatrichter obliegenden Ausspruch über die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs nachgeholt und die Urteilsformel entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2003 - 5 StR 162/03, NStZ-RR 2003, 364; vom 13. August 2009 - 3 StR 255/09, NStZ-RR 2009, 370).
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3. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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a) Die Strafkammer hat ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten psychiatrischen Sachverständigen damit begründet, dass bei den Angeklagten ein Hang, psychotrop wirkende Substanzen im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht festzustellen sei. Voraussetzung für die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Satz 1 StGB sei, dass die berufliche, soziale und gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten durch seinen Betäubungsmittelkonsum nachhaltig beeinträchtigt werde. Die "täglichen Aktivitäten bei der Abwicklung der eingehenden Bestel- lungen", die der Angeklagte B. "ohne Beeinträchtigung durch seinen Betäubungsmittelkonsum" ausgeführt habe, ließen die erforderliche nachhaltige Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit indes ausgeschlossen erscheinen. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten K. könne "im Hinblick auf die Komplexität des Tatgeschehens" und die "Position", die er "in der Gruppierung eingenommen" habe, ebenfalls ausgeschlossen werden. Bei ihm sei im Übrigen mangels jeglicher Motivation, eine Therapie zu durchlaufen, nicht davon auszugehen, dass eine Entziehungsbehandlung innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden könne.
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b) Diese äußerst knappen Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines Hanges gemäß § 64 Satz 1 StGB verkannt hat. Ein Hang im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht nur - wovon die Strafkammer möglicherweise ausgegangen ist - im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGH, Beschlüsse vom 4. April 1995 - 4 StR 95/95, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; vom 13. Januar 2011 - 3 StR 429/10, juris Rn. 4). Insoweit sind die vom Landgericht getroffenen Feststellungen unzureichend.
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Bei der Prüfung der Schuldfähigkeit der Angeklagten hat die Strafkammer ausgeführt, dass der an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F60.2) leidende Angeklagte B. sich dahin eingelassen habe, seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Amphetamin konsumiert und seinen Konsum während der Tatzeit auf bis zu 3 Gramm täglich gesteigert zu haben, an den Wochenenden auch auf bis zu 5 Gramm täglich. Außerdem habe er gelegentlich Kokain, LSD sowie zweimal im Monat Ecstasy und auch Pilze probiert. Hinsichtlich des Angeklagten K. hat sie ausgeführt, dass er an einer "Persönlichkeitsstörung aus dem dissozialen Formenkreis" leide, die aber im Hinblick auf die §§ 20, 21 StGB ebenso wenig bedeutsam sei wie sein "etwaiger Betäubungsmittelkonsum". Das lässt darauf schließen, dass die Strafkammer das Ausmaß des Betäubungsmittelkonsums der Angeklagten im Hinblick auf § 64 Satz 1 StGB nicht weiter hinterfragt und aufgeklärt hat, weil sie ihm in Anbetracht des weitgehend intakten Leistungsverhaltens der Angeklagten rechtsfehlerhaft von vornherein keine Relevanz für diese Vorschrift beigemessen hat. Sie hat dabei verkannt, dass einer Neigung der Angeklagten, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht ohne Weiteres entgegensteht , dass sie gleichwohl in der Lage waren, die abgeurteilten Straftaten zu begehen. Die Beeinträchtigung der Gesundheit oder der Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Rauschmittelkonsum indiziert zwar einen Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB, ihr Fehlen schließt diesen indes nicht aus (BGH, Urteil vom 15. Mai 2014 - 3 StR 386/13, juris Rn. 10; Beschluss vom 3. Februar 2016 - 1 StR 646/15, juris Rn. 11).
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c) Darüber hinaus steht auch die aktuelle Therapieunwilligkeit des Angeklagten K. seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht notwendig entgegen. Mangelnde Therapiebereitschaft kann zwar im Einzelfall gegen die Erfolgsaussicht der Maßregel (§ 64 Satz 2 StGB) sprechen. Liegt sie vor, so ist es jedoch geboten, im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände die Gründe des Motivationsmangels festzustellen und zu prüfen, ob eine Therapiewilligkeit für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann; denn gerade auch darin kann das Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug bestehen (vgl.
BGH, Beschlüsse vom 19. März 2004 - 2 StR 513/03, NStZ-RR 2004, 263; vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141).
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d) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Angeklagten nicht von vornherein ausscheidet, muss über ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107; vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405, 406). Sie haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. dazu BGHSt 38, 362 f.).
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4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
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Die Einwände der Beschwerdeführer, dass die - auch insoweit sachverständig beratene - Strafkammer sich bei der Feststellung der Wirkstoffkonzentration der von den Angeklagten vertriebenen Betäubungsmittel in Widerspruch zu dem von ihr als erwiesen angesehenen Erfahrungssatz gesetzt habe, wonach eine valide Hochrechnung aus einer Teilmenge eines Betäubungsmittels auf die Zusammensetzung und den Wirkstoffgehalt der Gesamtmenge nur vorgenommen werden könne, wenn mindestens 10 bis 30% der gesamten Menge untersucht worden seien, geht fehl. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass dieser Erfahrungssatz dem Gutachten des Sachverständigen zufolge der von der Strafkammer vorgenommenen Hochrechnung nicht entgegen stand, weil die Angeklagten und ihre Mittäter die von ihnen bezogenen Substanzen zunächst vermischt und aus der auf diese Weise gewonnenen Gesamtmenge die von ihnen vertriebenen 1- bis 3-Gramm-Päckchen befüllt hatten (UA S. 58).
Becker Schäfer Gericke Spaniol Tiemann

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.