Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Okt. 2015 - StB 10/15

bei uns veröffentlicht am13.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
S t B 1 0 u n d 1 1 / 1 5
vom
13. Oktober 2015
in dem Strafverfahren
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.
hier: Beschwerde der S. SE und der B. GmbH & Co. KG gegen
sitzungspolizeiliche Maßnahmen
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschwerdeführer und ihrer Bevollmächtigten am
13. Oktober 2015 gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1, 2 Halbsatz 1 StPO beschlossen:
Die Beschwerden der S. SE und der B. GmbH & Co. KG gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 14. Juli 2015 sowie gegen den Entzug der dem Medium "B. " erteilten Akkreditierung durch Verfügung vom 3. August 2015 werden verworfen.
Die Beschwerdeführerinnen tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Gründe:

1
Seit dem 3. August 2015 findet vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle die Hauptverhandlung gegen die Angeklagten statt. Vor deren Beginn hat der Vorsitzende des Strafsenats am 14. Juli 2015 eine sitzungspolizeiliche Anordnung getroffen. Darin hat er unter anderem verfügt, dass Film- und Fotoaufnahmen der Presse vor und nach der Sitzung sowie in den Sitzungspausen zwar erlaubt seien, die Gesichter der Angeklagten vor der Veröffentlichung aber durch technische Verfahren anonymisiert werden müssten. Nachdem die Beschwerdeführerin zu 2. am 1. Hauptverhandlungstag zwei Foto- und Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal veröffentlicht hatte, auf denen das Gesicht des Angeklagten Be. unverpixelt zu sehen war, hat der Vorsitzende noch am selben Tag entschieden, dem Medium "B. " die zuvor gewährte Akkreditierung für das Strafverfahren gegen die Angeklagten zu entziehen.
2
Mit ihren Rechtsmitteln wenden sich die Beschwerdeführerinnen gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden des Strafsenats vom 14. Juli 2015 sowie gegen den Entzug der Akkreditierung am 3. August 2015.
3
Die Beschwerden sind nicht zulässig. Die vom Vorsitzenden getroffenen sitzungspolizeilichen Anordnungen (§ 176 GVG) sind nicht anfechtbar. § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO lässt ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte in Sachen, in denen sie im ersten Rechtszug zuständig sind, nur in ausdrücklich aufgeführten Fällen zu. Diesem Katalog unterfallen die angegriffenen Verfügungen nicht.
4
Im Einzelnen:
5
1. Bei den angefochtenen Anordnungen handelt es sich um sitzungspolizeiliche Maßnahmen im Sinne des § 176 GVG. Eine ausdrückliche Regelung zur Anfechtung dieser Maßnahmen enthält das Gerichtsverfassungsgesetz nicht. § 181 Abs. 1 GVG sieht lediglich ein befristetes Rechtsmittel gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach §§ 178, 180 GVG vor. Daraus zieht die herrschende Meinung den Schluss, dass alle sonstigen sitzungspolizeilichen Maßnahmen der Beschwerde entzogen sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 - 1 BvR 2436/09, AfP 2009, 581, 582; vom 17. April 2015 - 1 BvR 3276/08, NJW 2015, 2175, 2176 mwN). Sie befindet sich damit im Einklang mit dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. Hahn, Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 1, S. 883, 976).

6
Dieser Umkehrschluss aus § 181 GVG ist indes nicht zwingend. Denn die Regelung ist ihrem Wortlaut nach auf die Festsetzung von Ordnungsmitteln beschränkt. Dies lässt ein Verständnis nicht ausgeschlossen erscheinen, wonach für die Anfechtung der sonstigen sitzungspolizeilichen Maßnahmen die Rechtsmittelvorschriften der Prozessordnungen der ordentlichen Gerichtsbarkeit gelten, in denen die Maßnahme angeordnet wurde. Entsprechend haben verschiedene Gerichte - jedenfalls in besonderen Fallkonstellationen - gestützt auf die allgemeine Vorschrift des § 304 Abs. 1 StPO ein Beschwerderecht des Betroffenen anerkannt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. August 1976 - 2 Ws 143/76, NJW 1977, 309; OLG München, Beschluss vom 14. Juli 2006 - 2 Ws 679/06, NJW 2006, 3079; OLG Celle, Beschluss vom 8. Juni 2015 - 2 Ws 92/15, juris Rn. 11 f.; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2011 - III-3 Ws 370/11, NStZ-RR 2012, 118, 119; LG Ravensburg, Beschluss vom 22. Januar 2007 - 2 Qs 10/07, NStZ-RR 2007, 348, 349).
7
Ein solches Verständnis liegt erkennbar auch der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zugrunde, wonach sitzungspolizeiliche Maßnahmen mit potentiellem Einfluss auf die Urteilsfindung als sachleitende Anordnungen des Vorsitzenden im Sinne des § 238 Abs. 2 StPO anzusehen sind, gegen die der Betroffene nach dieser Vorschrift das Gericht anrufen kann und dies auch muss, wenn er sich eine entsprechende Revisionsrüge erhalten will (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - 4 StR 46/08, NStZ 2008, 582; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 238 Rn. 21; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 176 GVG Rn. 17; KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 238 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 176 GVG Rn. 16; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - 5 StR 472/06, NStZ 2007, 281, 282; aA Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 176 Rn. 2, 48 f. mwN; KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 176 GVG Rn. 7; Jahn, NStZ 1998, 389, 392); denn wäre aus § 181 GVG die Unanfechtbarkeit sitzungspolizeilicher Anordnungen abzuleiten, so könnte im Hinblick auf die Vorschrift des § 336 Satz 2 StPO die Revision auch nicht darauf gestützt werden , die sitzungspolizeiliche Maßnahme sei rechtsfehlerhaft gewesen (vgl. zur Frage des Ausschlusses der Revision bei Unanfechtbarkeit einer vorangegangenen Entscheidung: BGH, Beschluss vom 5. Januar 1977 - 3 StR 433/76, BGHSt 27, 96, 98).
8
2. All dies bedarf hier indes keiner Entscheidung. Sollten sitzungspolizeiliche Anordnungen überhaupt der Anfechtung unterliegen, so kommt - da eine "außerordentliche Beschwerde" im Strafverfahren nicht anzuerkennen ist (BGH, Beschluss vom 19. März 1999 - 2 ARs 103/99, BGHSt 45, 37) - als Rechtsmittel allein die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO in Betracht, der auch am Verfahren nicht beteiligten Dritten ein Rechtsmittel gegen sie beschwerende Maßnahmen des Gerichts eröffnet (vgl. § 304 Abs. 2 StPO). Mit diesem Rechtsbehelf können alle richterlichen Anordnungen im Strafverfahren ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung angefochten werden, soweit sie nicht ausdrücklich von der Anfechtbarkeit ausgenommen sind (LR/Matt, StPO, 26. Aufl., § 304 Rn. 4). Einen solchen ausdrücklichen Ausschluss der Anfechtbarkeit sieht § 304 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO für die hier in Rede stehende Sachverhaltskonstellation vor. Danach ist gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte in Sachen, in denen sie im ersten Rechtszug zuständig sind, die Beschwerde nur in den in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO ausdrücklich aufgeführten Fällen zulässig. Sitzungspolizeiliche Anordnungen finden dort keine Erwähnung.
9
Eine allenfalls im engsten Rahmen in Betracht kommende analoge Anwendung der nach ständiger Rechtsprechung restriktiv auszulegenden Ausnahmevorschriften (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 304 Rn. 12 mwN) scheidet im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Maßgaben, auf die sich die Beschwerdeführerinnen berufen, aus. Zwar hat der Bundesgerichtshof in wenigen besonderen Fällen Beschwerden zum Bundesgerichtshof gegen erstinstanzliche Beschlüsse der Oberlandesgerichte in entsprechender Anwendung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO bei Maßnahmen für zulässig erachtet, die aus bestimmten Gründen besonders nachteilig in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifen oder sonst von besonderem Gewicht sind. Er hat § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO bisher aber nur in solchen Fällen analog angewendet, in denen die angegriffenen Entscheidungen - insbesondere im Hinblick auf die durch sie beeinträchtigten Rechtspositionen - mit den im Katalog dieser Vorschrift genannten vergleichbar gewesen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 1981 - StB 31/81, BGHSt 30, 168, 170 f.; Beschluss vom 3. Mai 1989 - StB 15 und 16/89, BGHSt 36, 192, 195 f.; auch BGH, Beschluss vom 4. August 1995 - StB 46/95, StV 1995, 628). Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift, mit der diese nicht nur auf Sachverhalte ausgedehnt würde, die mit den genannten Ausnahmefällen vergleichbar sind, sondern die den Ausnahmekatalog auf völlig anders gelagerte Konstellationen erweitern würde, sieht der Senat keine gesetzliche Grundlage. Eine solche Erweiterung des Ausnahmekatalogs ist vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten.
10
Auch dass vorliegend das Grundrecht der Pressefreiheit betroffen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2015 - 1 BvR 3276/08, NJW 2015, 2175, 2176 a. E.), rechtfertigt es nicht, entgegen dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ein Beschwerderecht einzuräumen. Der Gesetzgeber hat in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte - mit Ausnahme der im Katalog aufgeführten Eingriffe - einer Beschwerdemöglichkeit entzogen und es damit in Kauf genommen, dass in anderen Fällen mit Grundrechtsbezug ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Wertung, die § 181 Abs. 1 letzter Halbsatz GVG zugrunde liegt. Denn auch die an sich statthafte Beschwerde gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen, mit denen Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verhängt wurde, findet gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln durch ein Oberlandesgericht nicht statt. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine sitzungspolizeiliche Anordnung, die in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eingreift, von der Rechtsmittelmöglichkeit ausgenommen, wenn diese von einem Oberlandesgericht erlassen wurde. Dies spricht gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe bei Verfügungen und Beschlüssen eines Oberlandesgerichts , die in ein Grundrecht eingreifen, generell eine Rechtsmittelmöglichkeit vorsehen wollen.
Becker Schäfer Spaniol

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(1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden. (2) An der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. Der Vorsitzende kann Ausnahmen gestatten, wenn u

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(1) Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintaus

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(1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlan

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(1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

(2) An der Verhandlung beteiligte Personen dürfen ihr Gesicht während der Sitzung weder ganz noch teilweise verhüllen. Der Vorsitzende kann Ausnahmen gestatten, wenn und soweit die Kenntlichmachung des Gesichts weder zur Identitätsfeststellung noch zur Beweiswürdigung notwendig ist.

(1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist.

(2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung.

(3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

(1) Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt.

(2) Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

(3) Wird wegen derselben Tat später auf Strafe erkannt, so sind das Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft auf die Strafe anzurechnen.

Die in den §§ 176 bis 179 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu.

Gründe

I.

1

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin unmittelbar gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung in einem Strafprozess, mit welcher ihr aufgegeben wurde, vom Angeklagten und dem Nebenkläger nur anonymisierte ("verpixelte") Bilder zu veröffentlichen, und mittelbar gegen die Versagung eines fachgerichtlichen Rechtsbehelfs gegen diese Anordnung durch den Gesetzgeber.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist eine bekannte Verlagsgesellschaft, die unter anderem die Tageszeitungen "BILD" und "Die Welt" herausgibt. In dem zugrundeliegenden Strafverfahren vor der Strafkammer wurde dem Angeklagten vorgeworfen, einen Holzklotz von einer Autobahnbrücke auf einen fahrenden Personenkraftwagen geworfen und dadurch die Beifahrerin getötet zu haben. Die Tat und die Strafverfolgung fanden bundesweit ein hohes mediales Interesse.

3

2. Nachdem im Rahmen der Berichterstattung über den ersten Verhandlungstag mindestens eine Zeitung unverpixelte Bilder des Angeklagten veröffentlichte, erließ der Vorsitzende Richter die mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene, auf die Vorschrift des § 176 GVG gestützte sitzungspolizeiliche Anordnung:

In der Schwurgerichtssache gegen Herrn (…)

wegen Mordes

wird darauf hingewiesen, dass Bildaufnahmen des Angeklagten und des Nebenklägers nur im anonymisierten (etwa "verpixelten") Zustand veröffentlicht werden dürfen (…).

Bei dem Angeklagten, für den bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung streitet und der sich nur anonymisiert abbilden lassen will, handelt es sich angesichts des bundesweiten Interesses zwar um eine relative Person der Zeitgeschichte, die Foto- und Filmaufnahmen während des Prozesses von sich dulden muss, jedoch führt dieses im Hinblick auf sein Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild hier nicht dazu, dass er auch die nicht anonymisierte bildliche Darstellung hinnehmen muss.

Auch der Nebenkläger wünscht im Hinblick auf sein Persönlichkeitsrecht nur Abbildungen seiner Person im anonymisierten Zustand.

4

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geltend. Ferner rügt sie eine Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es gegen die Verfügung des Vorsitzenden Richters keinen Rechtsschutz gebe.

5

4. Einen ursprünglich gleichzeitig gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG hat die Beschwerdeführerin nach dem ablehnenden Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2008 in dem Parallelverfahren 1 BvQ 46/08 (veröffentlicht in: NJW 2009, S. 350 ff.) zurückgenommen.

6

5. Der Niedersächsischen Staatskanzlei und der Präsidentin des Bundesgerichtshofs ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Niedersächsische Staatskanzlei hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, weil die Beschwerdeführerin die ihr gesetzlich zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe nicht ergriffen habe. Bereits zum Zeitpunkt der Verfassungsbeschwerde hätten sich die Rechtsauffassungen, ob gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen Rechtsbehelfe vor den Fachgerichten ergriffen werden können, derart gewandelt, dass die auch vom Bundesverfassungsgericht vertretene Ansicht, gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen gebe es keinen Rechtsbehelf, als überholt angesehen werden müsse und der Prüfung der Zulässigkeit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde nicht zugrunde gelegt werden könne. Zwischenzeitlich habe sich vielmehr die Auffassung durchgesetzt, dass jedenfalls dann die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO gegen sitzungspolizeiliche Verfügungen statthaft sei, wenn es zumindest möglich erscheine, dass die angefochtene Maßnahme Grundrechte oder andere Positionen der Betroffenen über die Hauptverhandlung hinaus dauerhaft tangiere und beeinträchtige oder dass sie sich nicht in der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung erschöpft, sondern weitergehende Wirkung entfalte. Der Beschwerdeführerin sei danach zumutbar gewesen, sich zunächst mit der Beschwerde gegen die streitgegenständliche sitzungspolizeiliche Maßnahme zur Wehr zu setzen, denn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde seien im vorliegenden Fall als erfüllt anzusehen: Die Einschränkung der Berichterstattung erschöpfe sich nicht in der Aufrechterhaltung der Sitzungsordnung, sondern wirke weit über die Hauptverhandlung hinaus und greife in die Pressefreiheit der Beschwerdeführerin ein. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil sie unzulässig ist.

8

1. Soweit sie sich gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung des Vorsitzenden der 5. Strafkammer am Landgericht O. wendet, hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg gegen die angegriffene Verfügung nicht erschöpft.

9

a) Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erst nach Erschöpfung des Rechtsweges zulässig. Danach muss ein Beschwerdeführer zunächst die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe ergreifen; namentlich muss er den ihm nach der jeweiligen Verfahrensordnung eröffneten Instanzenzug durchlaufen (BVerfGE 68, 376 <380>). Durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte soll dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Fachgerichte vermittelt werden. Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben (BVerfGE 68, 376 <380> m.w.N.).

10

Zwar gehören offensichtlich unzulässige Rechtsmittel nicht zum Rechtsweg. Andererseits muss der Beschwerdeführer vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf § 90 Abs. 2 BVerfGG von einem Rechtsmittel grundsätzlich auch dann Gebrauch machen, wenn zweifelhaft ist, ob es statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann (vgl. BVerfGE 16, 1 <2 f.>; 91, 93 <106>; vgl. auch BVerfGE 5, 17 <19>; 107, 299 <309>). In derartigen Fällen ist es grundsätzlich die Aufgabe der Fachgerichte, über streitige oder noch offene Zulässigkeitsfragen nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten zu entscheiden. Der Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder gleichsam wahlweise neben einem möglicherweise statthaften Rechtsmittel zuzulassen. Es ist daher geboten und einem Beschwerdeführer auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit weiterer einfachrechtlicher Rechtsbehelfe sorgfältig zu prüfen und von ihnen auch Gebrauch zu machen, wenn sie nicht offensichtlich unzulässig sind (BVerfGE 68, 376 <381> m.w.N.; siehe auch BVerfGK 15, 484 <489>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2009 - 1 BvR 2436/09 -, juris, Rn. 4). Offensichtlich unzulässig ist ein Rechtsmittel nur dann, wenn der Rechtsmittelführer nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre zum maßgebenden Zeitpunkt über dessen Unzulässigkeit nicht im Ungewissen sein konnte (vgl. BVerfGE 28, 1 <6>; 48, 341 <344>; 49, 252 <255>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2009 - 1 BvR 2436/09 -, juris, Rn. 4).

11

b) Hier spricht zumindest vieles dafür, dass das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO gegeben ist. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug erlassenen Beschlüsse und Verfügungen des Vorsitzenden statthaft, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich der Anfechtbarkeit entzieht. Gemäß § 304 Abs. 2 StPO steht die Beschwerde grundsätzlich auch nicht verfahrensbeteiligten Personen zu, die durch die richterliche Entscheidung betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2009 - 1 BvR 2436/09 -, juris, Rn. 5; ferner BGH, Beschluss vom 18. Januar 2005 - StB 6/04 -, juris, Rn. 4; Zabeck, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 304 Rn. 28). Dass die hier angegriffene Verfügung des Vorsitzenden auf Grundlage des § 176 GVG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einer Anfechtung entzogen wäre, ist nicht ersichtlich. Dies gilt sowohl mit Blick auf § 305 Satz 1 StPO als auch hinsichtlich § 181 Abs. 1 GVG. Denn § 305 Satz 2 StPO nimmt alle Entscheidungen vom Ausschluss der Beschwerde aus, durch die dritte, nicht verfahrensbeteiligte Personen betroffen werden, und § 181 Abs. 1 GVG enthält seinem Wortlaut nach ebenfalls keinen ausdrücklichen Ausschluss der Anfechtung sitzungspolizeilicher Anordnungen im Sinne des § 176 GVG.

12

Es ist nicht dargelegt, dass Rechtsprechung und Lehre in einer keine ernstlichen Zweifel mehr zulassenden Weise entsprechende Beschwerden regelmäßig als unstatthaft oder als aus anderen Gründen unzulässig ansehen. Zwar lehnte insbesondere die ältere fachgerichtliche Rechtsprechung eine Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG ab (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 22. Mai 1963 - 2 W 63-65/63 -, NJW 1963, S. 1508 <1508>; OLG Nürnberg, Beschluss vom 28. November 1968 - Ws 506/68 -, MDR 1969, S. 600 <600>; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Februar 1972 - 3 Ws 27/72 -, NJW 1972, S. 1246 <1247>; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. März 1987 - 1 Ws 139-142/87 -, NStZ 1987, S. 477 <477>; OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Juni 1976 - 3 Ws 18/76 -, NJW 1976, S. 1987 <1987>; Beschluss vom 10. April 1992 - VAs 4/92 -, NStZ 1992, S. 509 <509>) und folgt ein Teil der Literatur bis heute dieser Auffassung (vgl. Allgayer, in: Graf, StPO, 2. Aufl. 2012, GVG § 181 Rn. 1; Kaehne, Die Anfechtung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, 2000, S. 76 ff.; Jahn, NStZ 1998, S. 389 <392>; Lehr, NStZ 2001, S. 63 <66>). Der Bundesgerichtshof hat die Frage einer Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen bislang ausdrücklich offengelassen (vgl. BGHSt 44, 23 <25>). Doch sprach sich ein nicht unerheblicher Teil der neueren fachgerichtlichen Rechtsprechung bereits im Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde für die Statthaftigkeit der Beschwerde aus (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25. August 1976 - 2 Ws 143/76 -, NJW 1977, S. 309 <309 f.>; OLG München, Beschluss vom 14. Juli 2006 - 2 Ws 679/06 u.a. -, NJW 2006, S. 3079 <3079>; LG Ravensburg, Beschluss vom 27. Januar 2007 - 2 Qs 10/07 -, NStZ-RR 2007, S. 348 <348 f.>; LAG Niedersachsen, Beschluss vom 29. September 2008 - 16 Ta 333/08 -, juris, Rn. 8). Voraussetzung sei, dass der sitzungspolizeilichen Anordnung eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt und insbesondere Grundrechte oder andere Rechtspositionen des von einer sitzungspolizeilichen Maßnahme Betroffenen dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden. Auch die Kommentarliteratur hatte sich - bezogen auf den Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde - bereits dieser neuen obergerichtlichen Rechtsprechungslinie angeschlossen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, GVG § 176 Rn. 16; Diemer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, GVG § 176 Rn. 7; noch weitergehend jetzt Velten, in: Wolter, SK-StPO, 4. Aufl. 2013, Band IX, GVG § 176 Rn. 17). Dieser Ansicht folgen mittlerweile weitere Gerichte (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 4 Qs 52/08 -, NJW 2009, S. 1094 ff.; KG, Beschluss vom 27. Mai 2010 - 4 Ws 61/10 -, NStZ 2011, S. 120 <120>; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 4 Ws 136/11 -, NJW 2011, S. 2899 <2899>; OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2011 - 3 Ws 370/11 -, NStZ-RR 2012, S. 118 <118 f.>).

13

Nach den fachgerichtlich entwickelten Kriterien wäre eine Beschwerde gegen die streitgegenständliche sitzungspolizeiliche Verfügung nicht offensichtlich unzulässig gewesen. Dass auch das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit und zuletzt im Jahr 2007 angenommen hat, ein Rechtsweg gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen nach § 176 GVG sei nicht eröffnet (vgl. BVerfGE 87, 334 <338 f.>; 91, 125 <133>; 103, 44 <58>; 119, 309 <317>), steht dem nicht entgegen. Denn im Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde war nach der weitgehenden Änderung der Auffassung in fachgerichtlicher Rechtsprechung und Literatur ein Rechtsmittel nach § 304 Abs. 1 StPO nicht mehr offensichtlich unzulässig. Die Verpixelungsanordnung reicht über die Dauer der Hauptverhandlung und sogar über die Rechtskraft des Urteils hinaus, denn sie untersagt das Veröffentlichen nicht anonymisierter Aufnahmen des Angeklagten sowie des Nebenklägers vor und nach den Sitzungen der Strafkammer zeitlich unbeschränkt. Auch dient die Anordnung nicht lediglich der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, sondern vielmehr dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Angeklagtem und Nebenkläger. Sie war darauf gerichtet, die Wirkungen einer nicht anonymisierten Abbildung gerade des Angeklagten außerhalb des Verfahrens einzuschränken, um dem rechtsstaatlichen Gebot der Unschuldsvermutung gerecht zu werden. Schließlich reicht die sitzungspolizeiliche Verfügung auch insoweit über den Gang der Hauptverhandlung hinaus, als sie nicht nur prozessuale Rechte der nicht verfahrensbeteiligten Beschwerdeführerin tangiert, sondern darüber hinaus in ihre Pressefreiheit eingreift.

14

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung eines fachgerichtlichen Rechtsbehelfs gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen nach § 176 GVG durch den Gesetzgeber richtet, ist sie wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Prozessrecht hält mit §§ 304, 306 StPO ein Rechtsmittel bereit, dessen Anwendungsbereich von den Fachgerichten - jedenfalls heute - in grundrechtsfreundlicher, der Garantie effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragender Auslegung so weit gezogen wird, dass er die streitgegenständliche sitzungspolizeiliche Anordnung bereits erfasst.

15

Dass § 304 Abs. 4 StPO Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofs sowie eines Oberlandesgerichts - mithin auch sitzungspolizeiliche Anordnungen, die der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge trifft - von der Anfechtung ausnimmt, lässt mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes zwar weiterhin Fragen offen, braucht im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entschieden zu werden. Auch hier ist im Übrigen eine Auslegung nicht ausgeschlossen, wonach die Aufzählung in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO grundrechtskonform um Verfügungen des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht zu erweitern ist, die über die Hauptverhandlung hinausgehen und Grundrechte des Betreffenden beeinträchtigen. Bereits in der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof eine Analogie in Fallgestaltungen zugelassen, die besonders nachteilig in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1999 - StB 1/99 -, NJW 2000, S. 1427 <1428> m.w.N.).

16

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist.

(2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung.

(3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Die Leitung der Verhandlung, die Vernehmung des Angeklagten und die Aufnahme des Beweises erfolgt durch den Vorsitzenden.

(2) Wird eine auf die Sachleitung bezügliche Anordnung des Vorsitzenden von einer bei der Verhandlung beteiligten Person als unzulässig beanstandet, so entscheidet das Gericht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 46/08
vom
29. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 29. Mai 2008 einstimmig

beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. September 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Zu der nach § 338 Nr. 6 StPO i.V.m. §§ 176 ff GVG erhobenen Verfahrensrüge bemerkt ergänzend der Senat: Zwar ist der Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens auch dann verletzt, wenn einzelne Personen in einer nicht dem Gesetz entsprechenden Weise aus dem Verhandlungsraum entfernt werden (BGHSt 24, 329, 330; 18, 179, 180). Die von der Revision beanstandeten Maßnahmen des Vorsitzenden (Entfernung von Zuhörern aus dem Sitzungssaal, Verbot der weiteren Teilnahme an der Hauptverhandlung) stellen jedoch trotz ihrer sitzungspolizeilichen Natur Sachleitung im Sinne des § 238 Abs. 2 StPO dar, da sie zugleich – wie auch die Revision im Ansatz zutreffend geltend macht – den Grundsatz der Öffentlichkeit berühren (vgl. Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 238 Rn. 16; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 238 Rn. 21; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 238 Rn. 13; a.A. Diemer in KK 5. Aufl. § 176 GVG Rn. 7). Die Verteidigung wäre daher gehalten gewesen, die Anordnungen des Vorsitzenden zu beanstanden und eine Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen. Indem sie dies unterlassen hat, hat sie sich insoweit der Rügemöglichkeit begeben (st. Rspr.; vgl. Meyer-Goßner aaO § 238 Rn. 22 m.N.).
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Ernemann
5 StR 472/06

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 14. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2006

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. Mai 2006 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Zu den Befangenheitsrügen bemerkt der Senat: 1. Die drei Angeklagten haben im Ermittlungsverfahren gestanden, einen Luxemburger Autohändler im Rahmen des fingierten Verkaufs eines Pkw’s um Bargeld und Wertgegenstände in Gesamthöhe von 40.000 Euro beraubt zu haben. Das Landgericht hat das Raubopfer am 4. April 2006 von 12.30 Uhr bis 15.59 Uhr mit einer Unterbrechung von 13.00 Uhr bis 14.05 Uhr als Zeugen vernommen. Der Vorsitzende beendete die Vernehmung , weil wegen Schließung des Strafjustizgebäudes um 16.00 Uhr die Öffentlichkeit nicht mehr gewahrt sei. Er entließ den Zeugen unvereidigt und vertagte die Verhandlung auf den nächsten Tag, der bereits als Sitzungstag bestimmt gewesen war. Die Verteidigerin des Angeklagten T. machte – noch im Sitzungssaal in Anwesenheit aller an der Hauptverhandlung zuletzt Beteiligter – geltend, der Vorsitzende habe durch seine Verfügungen das Fragerecht der Verteidigerin des Angeklagten M. vereitelt. Der Vorsitzende bekräftigte den Abbruch der Vernehmung des Zeugen aus zwingenden Gründen und wies darauf hin, dass die Verteidigerin des Angeklagten M. gegebenenfalls Beweisanträge stellen müsse, weil unsicher sei, ob der Zeuge noch einmal zur Verfügung stehe. Die vom Vorsitzenden dann dem Zeugen unterbreiteten Terminsangebote, am 5. April 2006 um 9.45 Uhr oder um 16.00 Uhr zur Fortsetzung der Zeugenvernehmung zu erscheinen , lehnte der Autohändler ab. Der Vorsitzende verfügte dann in seinem Dienstzimmer die Ladung des Zeugen auf den 26. April 2006, 12.00 Uhr. Diesen Termin nahm der nach Luxemburg zurückgekehrte Zeuge aber nicht wahr. Die Angeklagten legten am Ende der Hauptverhandlung nach Bekanntgabe von Obergrenzen der jeweils zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafen qualifizierte Geständnisse ab.
2. Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob im Wege richterlicher Rechtsfortbildung vorliegend ein Rügeverlust der Angeklagten deshalb in Betracht kommt, weil sie sich nach sachlicher Verbescheidung ihres jeweils gestellten Befangenheitsantrags mit der Strafkammer unter dem Vorsitz des zuvor abgelehnten Richters auf eine verfahrensverkürzende Absprache eingelassen haben (vgl. BGHSt 50, 40, 52; BGHR StPO § 338 Nr. 3 Revisibilität

4).


3. Die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden liegt nicht vor. Dies gilt letztlich auch für den Angeklagten M. , obgleich dessen Verteidigung eine unzulässige Beschränkung ihres Fragerechts erfahren hat.

a) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Generalbundesanwalts und des Landgerichts, das Verhalten des Vorsitzenden sei unbedenklich gewesen. Zwar trifft es zu, dass eine Fortführung der Zeugenvernehmung in öffentlicher Sitzung aufgrund fehlenden Personals für eine in jedem Falle vorzunehmende Einlasskontrolle von Zuhörern ab 16.00 Uhr nicht möglich war (vgl. Diemer in KK 5. Aufl. GVG § 169 Rdn. 8). Der Vorsitzende wäre aber verpflichtet gewesen, zu einer Wahrung des Fragerechts der Angeklagten gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK vorsorglich für eine Verlängerung der Sitzung zu sorgen, um so auch dem in Haftsachen besonders gewichtigen Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen. In Kenntnis des Umstandes, dass der für die Sachaufklärung wesentliche Auslandszeuge möglicherweise zu keiner
weiteren Vernehmung am Gerichtsort mehr bereit sein würde, konnte der Vorsitzende nicht darauf vertrauen, dass die Mitglieder des Gerichts, Staatsanwalt , drei Verteidiger und drei Angeklagte ihr Fragerecht bis 16.00 Uhr ausgeübt haben würden. Unter den gegebenen Umständen wäre es vielmehr geboten gewesen, entsprechend der in der Dienstvereinbarung zwischen dem Präsidenten des Landgerichts und dem Personalrat über den Einsatz des nichtrichterlichen Personals im Strafverfahren vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen, eine längere als bis 16.00 Uhr andauernde Hauptverhandlung bis 14.45 Uhr in der Gerichtsverwaltung anzumelden (Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft S. 5). In einem solchen Fall wäre Personal für die Einlasskontrollen über 16.00 Uhr hinaus zur Verfügung gestellt worden.
Grundsätzlich verbietet freilich die in Haftsachen besonders gewichtige Pflicht zur Sicherstellung eines zügigen Verfahrens (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2006, 668 ff.; StV 2006, 81 ff.) die Beachtung bürokratischer Hemmnisse , wie es die angesichts dieser maßgeblichen Pflicht der Strafjustiz gänzlich untunliche Festlegung eines regelmäßig einzuhaltenden frühen Sitzungsendes bedeutet. Gleichwohl war der Vorsitzende hier gehalten, sich im Rahmen der ihm nach § 238 StPO und § 176 GVG obliegenden umfassenden Sachleitungsbefugnis (vgl. Tolksdorf in KK 5. Aufl. § 238 Rdn. 6) rechtzeitig um eine Verlängerung der Hauptverhandlung zu bemühen. Nachdem die Strafrichter des Landgerichts, was der Senat dem der Revisionsgegenerklärung beigefügten Schreiben des Präsidenten des Landgerichts vom 5. Januar 2005 entnimmt, die in der Dienstvereinbarung enthaltene Regelung akzeptiert hatten, war sie auch im vorliegenden Fall hinzunehmen.
Selbst wenn es für den Vorsitzenden nicht voraussehbar gewesen wäre, dass die Befragung des Zeugen sich über 16.00 Uhr hinaus erstrecken könnte , war sein weiteres Verhalten nicht prozessordnungsgemäß. Da die Einvernahme eines Zeugen infolge der aus organisatorischen Gründen gebotenen Schließung des Gerichtsgebäudes für die Öffentlichkeit nicht beendet werden
kann, hätte der Vorsitzende die Hauptverhandlung vertagen und die weitere Ausübung des von der Verteidigung nicht ausgeschöpften Fragerechts sicherstellen müssen. Verfahrensrechtlich fehlerhaft war es deshalb, die Schließung des Dienstgebäudes zum Anlass zu nehmen, den Zeugen vorzeitig zu entlassen und weitere Fragen von der Stellung von Beweisanträgen abhängig zu machen.

b) Indes ist das Verhalten des Vorsitzenden vor dem Hintergrund der eher zeitlich umfänglich anberaumten Zeugenvernehmung zu gewichten. Dieses ist noch nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der Vorsitzende hat letztlich auch durch seine nach Beendigung der Zeugenaussage erfolgten Bemühungen um eine Fortsetzung der Vernehmung und die verfügte Ladung des Zeugen zu erkennen gegeben, dass er das Fragerecht des Angeklagten M. zu fördern gewillt war. Angesichts dieser Ladungsbemühungen und bereits erfolgter eingehender Befragung des Zeugen begründete der Hinweis auf das Beweisantragsrecht noch keine Besorgnis der Befangenheit. Allerdings muss sich die Verteidigung in der gegebenen Verfahrenssituation nicht auf das Beweisantragsrecht verweisen lassen, weil ihr Fragerecht dadurch grundsätzlich nicht ausreichend gewahrt wird. Indem der Vorsitzende auf die Möglichkeit von Wahrunterstellungen abgehoben hat, bewies er immerhin eine weitere Offenheit bezüglich des Beweisstoffes. Zudem hätte durch einen Antrag bei Nichterscheinen des Zeugen zu einem Fortsetzungstermin auch eine audiovisuelle Konfrontationsvernehmung ge-
mäß § 247a StPO mit ihm ermöglicht werden können (vgl. BGHSt 45, 188, 190 ff.), wenngleich dies dem Vorsitzenden bei seiner bedenklichen, aber eben noch keine Besorgnis der Befangenheit begründenden Vorgehensweise nicht vor Augen gestanden haben mag.

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(1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist.

(2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung.

(3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es auf ihnen beruht. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die ausdrücklich für unanfechtbar erklärt oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.