Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2016 - 4 StR 149/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:060716B4STR149.16.0
bei uns veröffentlicht am06.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 149/16
vom
6. Juli 2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik
kann der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten die gemäß § 302
Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme eines vom Verteidiger
für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels nicht wirksam für den Beschuldigten
erteilen.
BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 4 StR 149/16 - LG Bielefeld
ECLI:DE:BGH:2016:060716B4STR149.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juli 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 22. Dezember 2015 wird verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

1
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die von dem Pflichtverteidiger des Beschuldigten eingelegte und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Beschuldigten.
2
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat.
3
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
4
Die Revision des Beschuldigten ist nicht wirksam zurückgenommen worden.
5
1. Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2016 hat der Pflichtverteidiger des Beschuldigten auf Anweisung von dessen Betreuer die Rücknahme der Revision erklärt. Zuvor war durch Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 31. Mai 2016 unter ausdrücklichem Verweis auf das anhängige Revisionsverfahren der Aufgabenkreis des Betreuers auf die Vertretung in Strafsachen erweitert worden.
6
2. Die Erklärung der Revisionsrücknahme entfaltet mangels ausdrücklicher Ermächtigung des Beschuldigten zur Rücknahme gemäß § 302 Abs. 2 StPO keine Wirksamkeit. Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik kann der gesetzliche Vertreter die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme einer vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Revision nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen.
7
a) Gemäß § 296 Abs. 1 StPO hat der Beschuldigte unabhängig von der nach zivilrechtlichen Vorschriften zu bestimmenden Geschäftsfähigkeit und unter Umständen selbst bei fehlender Verhandlungsfähigkeit (vgl. Jesse in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 296 Rn. 5; Meyer-Goßner in MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 296 Rn. 5; weitergehend Frisch in SK-StPO, 4. Aufl., § 296 Rn. 7; Hoch in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 296 Rn. 10) die Befugnis, Rechtsmittel einzulegen. Von dieser kann er eigenständig ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters Gebrauch machen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 1 StR 563/04, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 10; BayObLGSt 1964, 85, 87). Für den Beschuldigten kann der Verteidiger nach § 297 StPO in den durch den erklärten entgegenstehen- den Willen des Beschuldigten gezogenen Grenzen Rechtsmittel einlegen. Die Vorschrift des § 297 StPO begründet die gesetzliche Vermutung, wonach die Rechtsmitteleinlegung im Auftrag und mit Willen des Beschuldigten erfolgt (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1997, 52, 53; RGSt 66, 209, 211; Radtke in Radtke/ Hohmann, StPO, § 297 Rn. 1; Jesse aaO § 297 Rn. 1; Meyer-Goßner aaO § 297 Rn. 2; Frisch aaO § 297 Rn. 2). Unbeschadet der Tatsache, dass der Verteidiger nach § 297 StPO aus eigenem Recht und in eigenem Namen tätig wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 1972 - 3 StR 282/71, GA 1973, 46, 47), handelt es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel um ein solches des Beschuldigten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2011 - 4 StR 691/10, StraFo 2011, 232; vom 13. Juni 2006 - 4 StR 182/06, NStZ-RR 2007, 210; vom 9. August 1995 - 1 StR 699/94, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 8; Jesse aaO § 302 Rn. 87; Rieß in Strafverteidigung in der Praxis, 4. Aufl., § 11 Rn. 20). Dem entspricht, dass das Gesetz für die Rücknahme des Rechtsmittels durch den Verteidiger nicht nur wie in § 302 Abs. 1 Satz 3 StPO die Zustimmung, sondern gemäß § 302 Abs. 2 StPO die ausdrückliche Ermächtigung des Beschuldigten verlangt (vgl. Radtke aaO § 302 Rn. 47).
8
b) Ein Recht, für den Beschuldigten von dessen Rechtsmittelbefugnis aus § 296 Abs. 1 StPO Gebrauch zu machen, räumt die Strafprozessordnung dem gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten nicht ein. Das Gesetz verleiht dem gesetzlichen Vertreter in § 298 Abs. 1 StPO vielmehr die eigenständige Befugnis, selbst unabhängig vom Willen des Beschuldigten zu dessen Gunsten Rechtsmittel einzulegen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der gesetzliche Vertreter besser im Stande ist, eine den wahren Interessen des unter Vertretungsmacht stehenden Beschuldigten gerecht werdende Entscheidung zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1957 - 2 StR 583/56, BGHSt 10, 174, 176; Jesse aaO § 298 Rn. 1; Frisch aaO § 298 Rn. 1; Radtke aaO § 298 Rn. 1). Die eigenständige Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters lässt das sich aus § 296 Abs. 1 StPO ergebende Recht des Beschuldigten, selbst unabhängig vom Willen des gesetzlichen Vertreters Rechtsmittel einzulegen, indes unberührt (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 6; Radtke aaO § 298 Rn. 1). Die Befugnisse des Beschuldigten aus § 296 Abs. 1 StPO und des gesetzlichen Vertreters aus § 298 Abs. 1 StPO stehen selbständig nebeneinander, so dass Erklärungen des Beschuldigten und des gesetzlichen Vertreters jeweils nur für das eigene Rechtsmittel Wirkungen entfalten (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 7; Frisch aaO § 298 Rn. 8 f.; Radtke aaO § 298 Rn. 12; Plöd in KMR § 298 Rn. 2 [Stand: November 2008]). Aus dem Nebeneinander voneinander unabhängiger Rechtsmittelbefugnisse folgt, dass der gesetzliche Vertreter - von Fällen einer neben § 298 StPO möglichen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch den Beschuldigten abgesehen (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 9; Frisch aaO § 298 Rn. 2; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 298 Rn. 1; Hoch aaO § 298 Rn. 2; Paul in KK-StPO, 7. Aufl., § 298 Rn. 3; Meyer-Goßner aaO § 298 Rn. 4; Plöd aaO) - keine Rechtsmittelerklärungen für den Beschuldigten abgeben kann. Er ist daher weder befugt, ein vom Beschuldigten selbst eingelegtes Rechtsmittel zurückzunehmen , noch kann er die nach § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung für eine Rücknahme durch den Verteidiger des Beschuldigten erteilen (a.A. - nicht tragend - offenbar BGH, Beschluss vom 2. September 2013 - 1 StR 369/13, StraFo 2013, 469).
9
c) Diese aus der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik abzuleitende Beschränkung der Befugnisse des gesetzlichen Vertreters wird zudem dadurch bestätigt, dass der gesetzliche Vertreter seinerseits für die Rücknahme seines Rechtsmittels in entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 1 Satz 3 StPO bzw. gemäß § 55 Abs. 3 JGG der Zustimmung des Beschuldigten bedarf (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 8; Radtke aaO § 298 Rn. 13; Frisch aaO § 298 Rn. 14; Meyer-Goßner aaO § 298 Rn. 3; Paul aaO § 298 Rn. 5; Hoch aaO § 298 Rn. 8; Pfeiffer aaO § 298 Rn. 2; a.A.
Cirener in Graf, StPO, 2. Aufl., § 298 Rn. 2), die dieser nur selbst erteilen kann. Auch die Zustimmung nach § 303 Satz 1 StPO obliegt dem Beschuldigten persönlich (vgl. OLG Koblenz, NJW 1951, 933, 934; OLG Hamm, JZ 1969, 269), nicht dem gesetzlichen Vertreter (vgl. Jesse aaO § 303 Rn. 7). Sost-Scheible Cierniak Franke Mutzbauer Bender

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Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen.

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Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels des Angeklagten beda

Strafprozeßordnung - StPO | § 296 Rechtsmittelberechtigte


(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu. (2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

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(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 563/04
vom
13. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2005 beschlossen
:
Es wird festgestellt, daß die Revision des Angeklagten gegen das
Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 17. Juni 2004 wirksam zurückgenommen
ist.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
Nachdem der Angeklagte zunächst über seinen Verteidiger Revision gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. August 2004 begründet hatte, nahm er das Rechtsmittel mit einem am 20. September 2004 beim Landgericht eingegangenen eigenhändigen Schreiben zurück. In dem Schreiben erklärte der Angeklagte: "Ich möchte meine Revision zurücknehmen, da ich mit mein Urteil 1 Jahr 9 Monate einverstanden bin. Ich bitte sie, schicken sie mir mein Urteil. Ich Danke im voraus“. Auf das Schreiben des Vorsitzenden der Jugendkammer vom 22. September 2004 teilte der Verteidiger mit, daß weder die Eltern des Angeklagten als dessen gesetzliche Vertreter noch er selbst Kenntnis von der Revisionsrücknahme hätten. Auch sei eine entsprechende Absprache mit dem Angeklagten nicht erfolgt, weshalb weder die Eltern des Angeklagten noch er mit der Rücknahme der Revision "einverstanden" seien.
Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten ist eindeutig. Damit ist das Urteil gegen den Angeklagten rechtskräftig geworden. Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten erstreckt sich stets auch auf das Rechtsmittel des Verteidigers. Der jugendliche Angeklagte kann sein Rechtsmittel auch ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zurücknehmen (Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 302 Rdn. 3). Dem steht nicht entgegen, daß die dem Verteidiger erteilte Vollmacht des Angeklagten von dessen Eltern als gesetzliche Vertreter unterschrieben worden war. Zwar stand den Eltern des Angeklagten als gesetzliche Vertreter gemäß § 298 StPO ein eigenes Recht auf Rechtsmitteleinlegung zu. Hiervon haben sie jedoch keinen Gebrauch gemacht. Die vom Verteidiger eingelegte Revision erfolgte ausschließlich namens und in Vollmacht des Angeklagten. Es sind keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, daß der Angeklagte bei Rücknahme des Rechtsmittels verhandlungsunfähig gewesen wäre. Der Angeklagte hatte aktiv an der Verhandlung mitgewirkt und sich, wie den Urteilsgründen entnommen werden kann, umfangreich eingelassen und ein Geständnis abgelegt. Die Rechtsmittelrücknahme führt zum Verlust des Rechtsmittels. Sie kann als Prozeßhandlung nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden. Der nunmehr behauptete Beweggrund, der den Angeklagten zur Abgabe seiner Rücknahmeerklärung veranlaßt haben soll, ist ohne Einfluß auf deren Rechtswirksamkeit (BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 2). Der Senat hat daher ausgesprochen, daß die Revision wirksam zurückgenommen worden ist.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 11. Januar 2005 hat vorgelegen.
Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 691/10
vom
17. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 17. Februar 2011 beschlossen
:
Die Anträge des Angeklagten vom 27. September 2010 und
vom 7. Dezember 2010 werden als unbegründet verworfen.
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen
das Urteil des Landgerichts Halle vom 5. Juli 2010 wirksam
zurückgenommen ist.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 5. Juli 2010 wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten am 8. Juli 2010 Revision eingelegt. Der Angeklagte hat mit einem am 20. September 2010 beim Landgericht eingegangenen Schreiben [Bd. V Bl. 10] mitgeteilt, dass er die Revision nicht durchführen wolle. Nach Kenntnisnahme von diesem Schreiben hat der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 27. September 2010 [Bd. V Bl. 114] die Ansicht vertreten, dass die Revision nicht wirksam zurückgenommen sei, und beantragt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts dazu einzuholen.
2
Mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 hat das Landgericht eine Entscheidung über die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels nach § 473 Abs. 1 StPO getroffen [Bd. V Bl. 126]. Hiergegen hat der Verteidiger fristgerecht Kostenbeschwerde erhoben; zugleich hat er seine Rechtsansicht wiederholt, dass die Revision nicht wirksam zurückgenommen sei [Bd. V Bl. 142 = SH 37]. Das OLG Naumburg hat mit Beschluss vom 2. November 2010 festgestellt, dass eine Entscheidung über die Kostenbeschwerde erst dann veranlasst ist, wenn über die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme entschieden ist [Bd. V Bl. 152154 ]. Daraufhin hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. November 2010 entschieden, dass die Revision vom Angeklagten wirksam zurückgenommen sei [Bd. V Bl. 159, 160]. Hiergegen hat der Angeklagte mit Schreiben seines Verteidigers vom 7. Dezember 2010 "sofortige Beschwerde" eingelegt [Bd. V Bl. 167 = SH 46], die als - erneuter - Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehen ist.
3
Die Anträge auf Entscheidung des Revisionsgerichts vom 27. September 2010 und vom 7. Dezember 2010 sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.
4
1. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Erklärung zu treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. April 1991 - 3 StR 354/90, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8; vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; und vom 20. September 2007 - 4 StR 297/07, NStZ 2009, 51; vgl. auch KK-Paul, StPO, 6. Aufl., § 302 Rn. 14a). Zwar wird die Auffassung vertreten, dass bis zum Eingang der Akten beim Revisionsgericht insoweit die Zuständigkeit des index a quo gegeben ist (Löwe/Rosenberg-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 302 Rn. 76; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 302 Rn. 11a). Ob dies auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen war, mag dahinstehen. Jedenfalls ist nach einer Entscheidung durch den iudex a quo und bei Fortbestehen des Streites das Rechtsmittelgericht zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juli 2004 - 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113; und vom 8. März 2005 - 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211).
5
2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.
6
Dabei ist ohne Bedeutung, dass sie vom Verteidiger des Angeklagten eingelegt worden war, denn auch ein vom Verteidiger eingelegtes Rechtsmittel kann vom Angeklagten zurückgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 1 StR 563/04, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 10; vgl. auch Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 4 m.w.N.).
7
Die Rücknahme konnte durch das im Auftrag des Angeklagten von einem Mitgefangenen geschriebene und von ihm persönlich unterschriebene Schreiben erfolgen, da für die Rücknahme eines Rechtsmittels dieselben Formerfordernisse gelten wie für dessen Einlegung. Eine eigenhändige Abfassung des Schriftstücks ist nicht erforderlich.
8
In diesem an das Landgericht gesandten Schreiben hat der Angeklagte - ungeachtet der ungelenken Wortwahl - klar zum Ausdruck gebracht, dass er sein Rechtsmittel zurücknimmt. Dies hat er gegenüber einem Mitarbeiter der JVA Halle I am 28. September 2010 auch nochmals bekräftigt [SH 36; Bd. V Bl. 130, 131].
9
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte der Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung nicht bewusst war, bestehen nicht. Der Angeklagte ist zwar Analphabet und steht unter umfassender Betreuung [UA 8]. Nach dem vom Landgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S liegt bei ihm zudem eine leichte Intelligenzminderung vor, die zu Defiziten in den sozialen und zwischenmenschlichen Fertigkeiten führt [UA 23]. Er war aber in der Hauptverhandlung in der Lage, sich mündlich verständlich zu machen, auf Fragen adäquat zu antworten und dem Verhandlungsablauf zu folgen [SH 43].
10
Darauf, dass der Angeklagte am 24. September 2010 bei einem Gespräch mit seinem Verteidiger in Gegenwart der Berufsbetreuerin auf Grund der mehrfachen Nachfrage des Verteidigers letztlich seine Zustimmung dazu erklärt hat, dass die Revision durchgeführt werden soll, kommt es nicht an. In diesem Zeitpunkt war das Revisionsverfahren bereits durch die wirksame Rücknahme des Rechtsmittels abgeschlossen. Die Rücknahmeerklärung ist nach ständiger Rechtsprechung unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner aaO § 302 Rn. 9 und 10). Ein Fall, in dem ausnahmsweise die Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung angenommen werden könnte (vgl. KKPaul aaO § 302 Rn. 13 m.w.N.), liegt ersichtlich nicht vor.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 182/06
vom
13. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 13. Juni 2006 beschlossen
:
Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen
das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 27. Oktober 2005
wirksam zurückgenommen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
1. Das Landgericht hat den inzwischen 81jährigen Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten Revision eingelegt und diese am 27. Oktober 2005 und am 9. März 2006 begründet. Mit seinem am 23. Dezember 2005 beim Landgericht eingegangenen eigenhändigen Schreiben vom 15. Dezember 2005 hat der Angeklagte erklärt: "Hiermit möchte ich vom 15.12.05 die Revision zurückziehen. im Rechtsstreit A. /B. ". Das Schreiben war unter Angabe des vollständigen Aktenzeichens des Schwurgerichtsverfahrens an "die Geschäftsstelle des Landgerichts Dortmund" gerichtet. Als Betreff war angegeben "Revision GeschäftsNr. 30668/05 - Lübeckerstr. 21".
2
Der Verteidiger vertritt in seinem Schriftsatz vom 19. Januar 2006 und in seiner Revisionsbegründung vom 9. März 2006 die Auffassung, dass die Revision nicht rechtswirksam zurückgenommen wurde, weil der Wortlaut der Erklä- rung nicht eindeutig sei. Außerdem ist er der Ansicht, dass ein vom Verteidiger eingelegtes Rechtsmittel auch nur - nach Abstimmung mit dem Angeklagten - durch diesen zurückgenommen werden könne. Hilfsweise widerrufe er die Rücknahme oder fechte sie an, weil sich der Angeklagte über die Tragweite und die Rechtsfolgen der Rücknahmeerklärung nicht im Klaren gewesen sei und ihm nach Erörterung der Rechtsansicht des Landgerichts mitgeteilt habe, das Rechtsmittel "solle aufrecht erhalten bleiben".
3
2. Der Angeklagte hat die Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, ist für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ohne Belang, da der erklärte Wille des Angeklagten stets vorgeht (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7 m.w.N.; vgl. auch MeyerGoßner StPO 48. Aufl. § 302 Rdn. 4 m.w.N.). Die Rücknahmeerklärung des Angeklagten wahrt die für die Zurücknahme des Rechtsmittels erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 7) und ist eindeutig und zweifelsfrei. Soweit darin auch ein Rechtsstreit A. ./. B. erwähnt wird, handelt es sich dabei um ein zivilrechtliches Verfahren, in dem noch keine Entscheidung ergangen ist; eine Revision war nur im vorliegenden Verfahren eingelegt.
4
Eine Rücknahmeerklärung ist allerdings nur dann wirksam, wenn der Erklärende bei deren Abgabe verhandlungsfähig war. Dies ist gegebenenfalls vom Revisionsgericht im Freibeweisverfahren zu klären (vgl. BGH NStZ 1983, 280; bei Kusch NStZ 1997, 378; Meyer-Goßner aaO Rdn. 8 a). Die Verhandlungsfähigkeit ist hier indes zu bejahen:
5
Das Landgericht ist in dem angefochtenen Urteil in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen von der uneingeschränkten strafrechtlichen Verantwort- lichkeit des Angeklagten für die Tat vom 18. Februar 2005 ausgegangen [UA 47 f.]. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem hoch betagten Angeklagten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesshandlung und deren Tragweite gefehlt hätte. Zur Klärung dieser Frage war von dem Vorsitzenden des Schwurgerichts eine Begutachtung des Angeklagten durch den Sachverständigen Dr. R. veranlasst worden. Diesem gegenüber hat der Angeklagte erklärt, er habe mit seinem Brief auf jeden Fall die Revision in seinem Strafverfahren zurücknehmen wollen; später habe ihm sein Verteidiger geraten, die Revision doch durchzuführen. In seinem ausführlichen Gutachten vom 9. Februar 2006 hat der Sachverständige keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung in irgendeiner Weise psychisch beeinträchtigt gewesen wäre.
6
Nach alledem hat der Senat keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme. Diese ist unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. Meyer-Goßner aaO Rdn. 9 m.w.N.).
7
Da der Verteidiger des Angeklagten die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme in Zweifel zieht, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge förmlich fest.
8
Nach wirksamer Rücknahme der Revision hat der Angeklagte die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

(1) Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten kann binnen der für den Beschuldigten laufenden Frist selbständig von den zulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen.

(2) Auf ein solches Rechtsmittel und auf das Verfahren sind die für die Rechtsmittel des Beschuldigten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen.

(1) Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten kann binnen der für den Beschuldigten laufenden Frist selbständig von den zulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen.

(2) Auf ein solches Rechtsmittel und auf das Verfahren sind die für die Rechtsmittel des Beschuldigten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 369/13
vom
2. September 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. September 2013 gemäß
§ 346 Abs. 2, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 19. April 2013 wird aufgehoben. 2. Die Revision der Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 31. Januar 2013 wird als unzulässig verworfen. 3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

1
Das in ihrer Abwesenheit verkündete Urteil vom 31. Januar 2013 wurde der Beschuldigten am 22. Februar 2013 zugestellt. Ihre Revision ging fristgerecht am 27. Februar 2013 ein. Mit Schriftsatz vom 18. März 2013 nahm der Pflichtverteidiger die Revision zurück.
2
Das Landgericht forderte den Verteidiger auf, die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung zur Revisionsrücknahme vorzulegen. Dieser übersandte ein Schreiben des Betreuers der Beschuldigten, in dem um Rücknahme der Revision gebeten wird.
3
Nach dem Betreuerausweis vom 20. Oktober 2011 (Blatt 17 der Sachakten ) vertritt der Betreuer die Betroffene im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere die Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensvorsorge, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten.
4
Durch Beschluss vom 19. April 2013 hat das Landgericht gemäß § 346 Abs. 1 StPO die Revision als unzulässig verworfen, da eine wirksame Revisionsrücknahme nicht vorliege und die Revisionsanträge und ihre Begründung nicht in der Frist des § 345 Abs. 1 StPO angebracht worden seien.
5
Dieser Beschluss wurde am 26. April 2013 dem Verteidiger zugestellt. Am 30. April 2013 legte der Verteidiger gegen diesen Beschluss "Beschwerde" ein. Mit weiterem Schriftsatz stellte er klar, dass damit eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) begehrt wird.

II.

6
Der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) zu wertende Schriftsatz vom 30. April 2013 hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zwar ist der Beschluss des Landgerichts vom 19. April 2013 aufzuheben; doch war die Revision vom Senat als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO).
7
1. Der zulässige Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts führt zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Für diese Entscheidung war das Landgericht nicht zuständig.
8
Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt , in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 2008 - 3 StR 23/08, vom 17. Juli 2007 - 1 StR 271/07, vom 5. Oktober 2006 - 4 StR 375/06, vom 8. November 2000 - 2 StR 426/00 jeweils mwN).
9
Da im vorliegenden Fall auch die vorgreifliche Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme zu prüfen war, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Rn. 2 zu § 346 StPO).
10
2. Die Rechtsmittelrücknahme war nicht wirksam, da der (Pflicht-)Verteidiger nicht gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme ausdrücklich ermächtigt war. Die Zustimmung des Betreuers stellt hier keine ausdrückliche Ermächtigung dar; denn sein Aufgabenbereich umfasst nicht auch die Vertretung in Strafsachen (vgl. u.a. Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, Rn. 4 zu § 298 StPO; Meyer-Goßner, aaO, Rn. 3 zu § 302 i.V.m. Rn. 1 zu § 298; vgl. auch OLG Hamm, NStZ 2008, 119).
11
Die Beschuldigte selbst hat keine Ermächtigung zur Revisionsrücknahme erteilt.
12
3. Die Revision ist vom Senat als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§ 349 Abs. 1 StPO). Die für den Fristbeginn maßgebliche Urteilszustellung (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) ist am 22. Februar 2013 erfolgt.
13
Innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO ist eine Revisionsbegründung nicht abgegeben worden. Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen worden sind. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn der Richter angeordnet hat, Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 in Anspruch zu nehmen.

(2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der Revision zu.

(3) Der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter kann das von ihm eingelegte Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen.

(4) Soweit ein Beteiligter nach Absatz 1 Satz 1 an der Anfechtung einer Entscheidung gehindert ist oder nach Absatz 2 kein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung einlegen kann, gilt § 356a der Strafprozessordnung entsprechend.

Wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Die Zurücknahme eines Rechtsmittels des Angeklagten bedarf jedoch nicht der Zustimmung des Nebenklägers.