Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. März 2018 - 12 BV 17.1765 u.a.

26.03.2018

Tenor

I. Die Verfahren 12 BV 17.1765, 12 BV 17.1766, 12 BV 17.1767, 12 BV 17.1769 und 12 BV 17.1770 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Berufungen werden zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von zweckentfremdungsrechtlichen Negativattesten für fünf Wohnungen in der O. Straße (O.-Straße) in M.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der folgenden, im Jahre 1956 errichteten 2009 käuflich erworbenen fünf Wohnungen: O.-Straße 13, 4. OG rechts, Whg.-Nr. 19 (12 BV 17.1765); O.-Straße 11, 3. OG links, Whg.-Nr. 9 (12 BV 17.1766); O.-Straße 11, 6. OG, Whg.-Nr. 32 (12 BV 17.1767); O.-Straße 11, 4. OG, Whg.-Nr. 16 (12 BV 17.1769) und O.-Straße 11, 3. OG, Whg.-Nr. 8 (12 BV 17.1770). Diese sind zum Teil ganz zur O.-Straße hin situiert (Whg.-Nr. 9 und Nr. 16), im Übrigen verfügen sie über Räume zur O.-Straße sowie zur Hofseite hin (Whg.-Nr. 32, Whg.-Nr. 8 und Whg.-Nr. 19).

In der Nähe zu diesen fünf Wohnungen befinden sich in einem faktischen Kerngebiet am M.platz ... insgesamt fünf Diskotheken, das „P.“ (EG und Zwischengeschoss mit Terrasse), baurechtlich genehmigt am 30. Januar 1985, die „… bar“ (UG und 1.OG), baurechtlich genehmigt am 14. August 2000, die „R. S.“ (1. UG, 2.UG und EG mit „Wirtschaftsgarten“), baurechtlich genehmigt am 10. August 1981, das „…“ (früher „G.“, vormals „M & M …“ (UG), baurechtlich genehmigt erstmals am 16. Juli 1979) und das „C. m. D.“ (früher „B.“, UG, EG mit „Wirtschaftsgarten“ und 1. OG, baurechtlich genehmigt erstmals am 19. Dezember 2006). Die gaststättenrechtlichen Erlaubnisse datieren vom 19. Juni 2006 („P.“), 4. Mai 2007 („… bar“), 23. August 2005 (“R. S.“), 29. November 2007 (nunmehr „S.“) und 29. Mai 2012 und 21. Januar 2013 („C. m. D.“).

Der M.platz liegt parallel zur O.-Straße. Quer zum M.platz und zur O.-Straße verläuft die M-J.-Straße, an welcher sich die Eingänge zu den Diskotheken „C. m. D.“ und „S.“ befinden. Das „C. m. D.“ verfügt zudem über einen Hinterausgang unmittelbar zur O.-Straße. Die Diskotheken sind Teil der (noch) größeren Münchener „Feiermeile“ (auch „F.“ genannt), die an Wochenenden und bei entsprechenden „Events“ (Oktoberfest) von mehreren tausend, teilweise sogar von bis zu zehntausend Besuchern frequentiert wird. Das Fassungsvermögen der 5 Diskotheken liegt bei (mindestens) rund 1900 Personen.

2. Unter dem 17. August 2010 stellte die Klägerin für die Wohnungen Nr. 9 und 19 einen Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Wohnungen seien unvermietbar. Unter dem 15. Januar 2013 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung eines Negativattestes für die Wohnung Nr. 19. Am selben Tag stellte die Klägerin zugleich einen Antrag auf Erteilung eines Negativattestes für die Wohnung Nr. 16. Unter dem 20. Februar 2013 beantragte die Klägerin darüber hinaus die Erteilung von Negativattesten für die Wohnungen Nr. 32 und Nr. 8.

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattestes betreffend die Wohnung Nr. 9 ab (Nr. 1). Gleichzeitig wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „…-Bar- und L. GmbH“ unverzüglich zu beenden (Nr. 2) und die Wohnung nach Beendigung der zweckfremden Nutzung unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbefolgung der Nrn. 2 und 3 wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- Euro (Nrn. 4 und 5) angedroht. Mit Bescheid vom selben Tage lehnte die Beklagte auch den (erneuten) Antrag auf Erteilung eines Negativattestes für die Wohnung Nr. 19 ab.

Mit Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten vom 29. April 2013 ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 mit einem Verpflichtungsantrag hinsichtlich des Negativattestes für die Wohnung Nr. 9 erheben, am selben Tag auch gegen den Bescheid vom 19. April 2013 mit Verpflichtungsantrag hinsichtlich des Negativattestes für die Wohnung Nr. 19. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben im gesamten Bereich O.-Straße 11 und 13 sei es nicht nur zu erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen – vor allem nachts – gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

4. Mit gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 lehnte die Beklagte auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnungen Nr. 32 bzw. Nr. 8 vom 20. Februar 2013 sowie für die Wohnung Nr. 16 vom 15. Januar 2013 ab.

Mit Schreiben ihres damaligen Bevollmächtigten vom 5. August 2013 ließ die Klägerin auch gegen diese Bescheide Klage erheben und Verpflichtungsanträge hinsichtlich der Negativatteste für die Wohnungen Nr. 32, Nr. 16 und Nr. 8 stellen.

5. Mit Urteil vom 19. Mai 2014 gab das Verwaltungsgericht München den erhobenen Klagen statt und verpflichtete die Beklagte zur Erteilung der beantragten Negativatteste. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2014 (12 BV 14.1629, BayVBl 2015, 416) hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und verwies die Sache zur anderweitigen Entscheidung zurück. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2015 (5 B 14/15) ohne Erfolg.

6. Mit Beweisbeschluss vom 2. Mai 2016 ordnete das Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Lärmbelastung an. Der Beschluss sah eine Messung bzw. Berechnung der Innen-Pegel vor und beschloss außerdem Beweiserhebung darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang mit baulichen Maßnahmen eine Reduzierung der Lärm-Immissionen erfolgen könne. Terminabstimmungen des beauftragten Sachverständigen mit den Mietern der Wohnungen der Klägerin erwiesen sich als schwierig und führten letztlich dazu, dass in den Wohnungen nicht gemessen werden konnte, weil die Mieter dem Sachverständigen den Zutritt zu den Wohnungen verweigerten. Die Berechnungen des Sachverständigen stützen sich daher auf Messungen an drei Ersatzorten vor der Fassade der Gebäude und die anschließende rechnerische Übertragung der Messergebnisse auf die Wohnungen (innen und außen, vgl. Gutachten Januar 2017, S. 9). Ferner erhob das Verwaltungsgericht am 15. März 2017 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins.

7. Mit Urteil vom 15. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen als unbegründet ab.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten zweckentfremdungsrechtlichen Negativatteste gemäß § 10 Variante 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung der Beklagten über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550). Die streitgegenständlichen Wohnungen seien nach wie vor Wohnraum, da baurechtlich eine Wohnnutzung (weiterhin) zulässig bzw. genehmigungsfähig sei. Diese seien keinen unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt. Weder der nach der TA-Lärm zu beurteilende Anlagelärm aus der unmittelbaren Umgebung, der nach der 16. BImSchV zu beurteilende Verkehrslärm noch die Nachbarschaft zu Vergnügungsbetrieben als solchen und weitere geltend gemachte Gründe führten zur Unzumutbarkeit der Wohnnutzung. Die vom Sachverständigen berechneten Verkehrslärmpegel lägen jeweils deutlich niedriger als die Richtwerte der 16. BImSchV. Auch die gemessenen Werte lägen mit einer Ausnahme (Whg.-Nr. 19) anlässlich einer Messung Freitag nachts vom 23. auf den 24. September 2016, bei der eine Überschreitung um 1 dB(A) festgestellt wurde, unterhalb der Richtwerte der 16. BImSchV. Insoweit sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass es auf die im Jahresdurchschnitt berechneten Pegel, nicht aber auf die direkt gemessenen Pegel ankomme, da diese nur eine Momentaufnahme darstellten. Eine einmalige Überschreitung bei einer einzelnen Messung – unabhängig davon, dass diese ohnehin mit nur 1 dB(A) gerade die Relevanzschwelle erreiche – könne deshalb die Unzumutbarkeit der Wohnnutzung nicht begründen.

Ebenso wenig habe der bestimmten Anlagen in der Umgebung der Wohnungen zuzuordnende Lärm, der grundsätzlich nach der TA-Lärm zu beurteilen sei, eine Unzumutbarkeit der Wohnnutzung zur Folge. Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten gebe es lediglich zwei Anlagen, die nach der TA-Lärm zu beurteilen seien, nämlich die Hintertür des Clubs „C. m. D.“ sowie die Gastgartennutzung des Clubs an der M-J.-Straße während der Oktoberfestzeit, der jedoch keinen relevanten Einfluss habe. In Bezug auf die Lärmquelle an der Hintertür des „C. m. D.“, die – soweit geöffnet – als Anlage nach der TA-Lärm zu beurteilen sei, ergäben sich nach dem Gutachten zwar Überschreitungen der für ein Kerngebiet geltenden Immissionsrichtwerte von nachts 45 dB(A) hinsichtlich des Beurteilungspegels bzw. von 20 dB(A) zum Beurteilungspegel hinzu addiert bezüglich des Spitzenpegels. Im Einzelnen werde der Immissionsrichtwert nachts um bis zu 5 dB(A) beim Beurteilungspegel (die einzelnen Werte für die 5 Wohnungen betragen 47, 48, 48, 49 und 50 dB(A)) und um bis zu 3 dB(A) beim Spitzenpegel) überschritten. Die Pegelüberschreitungen führten indes ebenfalls nicht zu einer Unzumutbarkeit der Wohnnutzungen im Lichte des Zweckentfremdungsrechts. Nach den Erläuterungen des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung verringerten sich die durch die geöffnete Hintertür des „C. m. D.“ verursachten Pegelüberschreitungen – sofern die Tür kürzer oder gar nicht mehr geöffnet werde – dergestalt, dass keine Überschreitung des anzusetzenden Richtwerts mehr vorliege. Eine kürzere Öffnung könne die Beklagte ohne weiteres durchsetzen, da das beobachtete Verkeilen der Tür während nächtlicher Anlieferungen nicht regelgerecht sei und dazu führe, dass die Tür relativ lange offen stehe, woraus sich wiederum die Richtwertüberschreitung ergebe, die durch ein schlichtes Schließen der Tür vermeidbar sei. Die Beklagte habe bezüglich der verkeilten Tür bauaufsichtliche Maßnahmen in Aussicht gestellt.

Ungeachtet dessen komme es für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Wohnnutzung im Ergebnis auch gar nicht entscheidend auf die Frage nach der Überschreitung der Außenpegel, sondern darauf an, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB (noch) gewahrt seien und ob ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und dem Erfordernis eines ungestörten Schlafs möglich sei. Dabei sei zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden könne, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermögliche. Für die Beurteilung, ob gesunde Wohnverhältnisse gewahrt seien, sei maßgeblich nicht auf den Außen-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innen-Pegel“) abzustellen. Auch wenn eine Messung der Innen-Pegel wegen der fehlenden Mitwirkung sämtlicher Mieter der Klägerin, die dem Sachverständigen keinen Zutritt zu den Wohnungen gewährt hätten, nicht möglich gewesen sei, komme das Sachverständigengutachten – unabhängig von beweisrechtlichen Konsequenzen – aufgrund der auf den Außenmessungen beruhenden Berechnungen zu dem Ergebnis, dass gesunde Wohnverhältnisse in den streitgegenständlichen Wohnungen gewahrt seien. Auch der gerichtliche Augenschein habe bestätigt, dass die Wohnungen an der Rückseite der Clubs liegen, sich dort – den Wohnungen zugewandt – keine Haupteingänge befinden und auch bereits die im innerstädtischen Bereich üblichen Fenster zu erheblichem Schallschutz in den Wohnungen und damit zur Wahrung gesunder Wohnverhältnisse im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB führten. Demzufolge biete die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen. Letzteres bedeute, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Objekten gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB, § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ausnahmefähig sei und die Rechtsfolge des § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS, das Fehlen der Wohnraumeigenschaft, konsequenterweise nicht vorliege, weil es an der Unzulässigkeit der Wohnnutzung fehle (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 Variante 1 ZeS), diese jedenfalls aber ausnahmsweise genehmigungsfähig sei (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 Variante 2 ZeS). Ein Anspruch auf die Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 ZeS bestehe deshalb nicht.

Soweit der Klägerbevollmächtigte unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 einwende, dass es keine Obliegenheit zur Vornahme „architektonischer Selbsthilfe“ durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes gebe, stehe dies ebenfalls nicht entgegen. Die herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe Bauplanungsrecht und damit ein anderes Rechtsgebiet und im Übrigen auch eine ganz andere Konstellation als das streitgegenständliche Verfahren. Für das Zweckentfremdungsrecht sei höchstrichterlich anerkannt, dass die Bewohnbarkeit betreffende Mängel unbeachtlich seien, wenn sie sich mit zumutbaren Mitteln beheben ließen. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass dem Zweckentfremdungsrecht der Vorrang vor dem materiellen Baurecht gebühre, wenn neben der Wohnnutzung auch andere Nutzungen zulässig seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin würden insoweit die Wertungen des Zweckentfremdungsrechts auch nicht durch diejenigen des Bauplanungsrechts verdrängt. Der Einwand eines „aufgedrängten Bestandsschutzes“ könne dem nicht entgegengehalten werden.

Ebenso wenig griffen die von Klägerseite gegen das Sachverständigengutachten bzw. gegen die vom Gutachten getroffenen Annahmen erhobenen Einwände durch. Dass die übrigen Lärmquellen von der Straße keinen nach der TA-Lärm zu beurteilenden anlagebezogenen Lärm, sondern nach der 16. BImSchV zu beurteilenden Verkehrslärm darstellten, ergebe sich daraus, dass diese nicht bestimmten Anlagen zuzurechnen seien. Dies gelte insbesondere hinsichtlich des Lärms, der von den in der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnungen parkenden und anfahrenden Fahrzeugen ausgehe. Dieser rühre von allgemein dem Straßenverkehr unterfallenden „Jedermann“-Parkplätzen an den öffentlichen Straßen her und betreffe nicht den umliegenden Vergnügungsbetrieben zugeordnete Parkplätze. Gleiches gelte für den Hol- und Bringverkehr zu den Diskotheken u. ä. einschließlich von Taxen. Auch insoweit verbiete sich mangels Zuordnung zu einem konkreten Betrieb eine Beurteilung nach der TA-Lärm. Auch die vom Klägerbevollmächtigten genannten verhaltensbezogenen Einzelereignisse, wie „Kommunikation von Personen auf den Gehwegen, Rufen/Schreien, Schritte, Gelächter usw.“ seien eindeutig nicht nach der TA-Lärm zu beurteilen, da es nicht möglich sei, diese einem konkreten Betrieb (oder auch nur mehreren) zuzuordnen.

Dass hinsichtlich der Wohnung Nr. 19 (O.-Straße 13, 4. OG rechts) auch vom Innenhof Lärm ausgehe (Rückkühlsystem, Anlieferung, Freischankfläche), sei ebenfalls berücksichtigt worden. Der Sachverständige habe ausweislich des Gutachtens zahlreiche Messungen an den Immissionsorten durchgeführt; in diesen Messungen seien notwendigerweise alle auftretenden Lärmimmissionen abgegriffen. Dass an der Innenhofseite kein Messpunkt gebildet worden sei, erweise sich ebenfalls als nicht fehlerhaft. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten sei nach den Ergebnissen des Augenscheins zutreffend davon ausgegangen worden, dass dieser Lärm marginal sei und deshalb die Messergebnisse an den Messpunkten, die allesamt zur O.-Straße hin ausgerichtet gewesen seien, höhere Pegel ergäben, als ein Messpunkt auf der Hinterhofseite. Daher könne sich aus einer Messung an der Hinterhofseite und einer entsprechenden Berechnung erst recht keine Unzumutbarkeit der Wohnnutzung ergeben.

Soweit mit der Klage ferner geltend gemacht werde, dass eine Unzumutbarkeit der Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Wohnungen auch aus einer erhöhten Kriminalität, einer entsprechenden Drogenszene und einer massiven Verschmutzung der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Räume folge, sei nichts dafür ersichtlich, dass derartige Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben unmittelbar zuzurechnen seien. Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen fehle es regelmäßig an einer Zurechenbarkeit. Kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst beeinträchtigten das Wohnen nicht.

Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte dafür, dass der streitgegenständliche Wohnraum trotz objektiver Zumutbarkeit wegen des subjektiven Empfindens der Betroffenen nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen werde (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS). Laut den Angaben der Beklagten sei insofern ein Grundmietwert von 13,50 Euro gegebenenfalls einschließlich von Zuschlägen anzusetzen. Berechtigte Zweifel daran, dass unter Zugrundelegung dieser Miethöhe eine Vermietung zu Wohnzwecken in München stattfinden könne, bestünden nicht.

8. Mit Beschluss vom 4. September 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin, den vom Gericht bestellten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zu entbinden, ab. Die hiergegen erhobenen Beschwerden blieben mit Beschlüssen des Senats vom 17. Oktober 201712 C 17.2048, 12 C 17.2049, 12 C 17.2050, 12 C 17. 2051 und 12 C 17.2052 – ohne Erfolg. Auf den Inhalt der Entscheidungen wird verwiesen.

9. Auf eine entsprechende Anfrage des Senats vom 12. September 2017 teilte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Oktober 2017 mit, der Betreiber der Diskothek „C. m. D.“ sei bereits mit Schreiben vom 22. März 2017 aufgefordert worden, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Hintertür des Clubs zur O.-Straße – außer in einer Notsituation – immer wieder geöffnet werde. Hierzu sei vorgeschlagen worden, einen automatischen Türschließer einzubauen und die Anlieferung des Essens über den Eingang in der M-J.-Straße erfolgen zu lassen. Mit E-Mail vom 31. März 2017 habe der Betreiber die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass an der Notausgangstür zur O.-Straße ein Türschließer angebracht werde, der bereits beauftragt worden sei. Darüber hinaus sei die Cateringfirma angewiesen worden, den vorderen Eingang (in der M-J.-Straße) zu benutzen. Dem Personal sei nochmals eingeschärft worden, auf die Türe zu achten. Bereits im Vorfeld sei ein heller Strahler angebracht worden, der bei einem Öffnen der Türe aufleuchte, um dem Sicherheitspersonal zu signalisieren, dass diese unberechtigt geöffnet worden sei. Ferner sei ein Schild angebracht worden, welches die Türe als Notausgang kennzeichne und darauf hinweise, dass bei unberechtigtem Öffnen mit einem Ausschluss aus der Veranstaltung gerechnet werden müsse. Anlässlich einer am 6. Oktober 2017 durchgeführten Kontrolle sei festgestellt worden, dass der automatische Türschließer installiert, aber inzwischen von den Gästen entfernt worden sei. Ersatz sei bereits bestellt und werde zeitnah installiert. Weitere Kontrollen seitens der Beklagten wurden in Aussicht gestellt.

10. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In der Berufungsbegründung vom 2. November 2017 und den ergänzenden Stellungnahmen vom 21. Dezember 2017, vom 7., 19., 23., 28. Februar und vom 2. und 22. März 2018 lässt sie im Wesentlichen ausführen, die zu treffende Entscheidung über die Erteilung der begehrten Negativatteste habe sich ausschließlich nach baurechtlichen Kriterien zu richten. Zweckentfremdungsrechtliche Gesichtspunkte dürften keine Rolle spielen. Letzteres ergebe sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS, wonach Wohnraum nicht vorliege, wenn baurechtlich eine Wohnnutzung nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei. Die bundesrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung könnten durch eine landesrechtliche Zweckentfremdungssatzung schon aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 31 GG) nicht außer Kraft gesetzt werden. Die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet richte sich daher ausschließlich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB und § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO und nicht nach hiervon abweichenden, zumal völlig unbestimmten zweckentfremdungsrechtlichen Kriterien. Es gehe daher nicht an, sich bei der Frage, ob eine bestimmte Wohnnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei, an anderen Immissionsrichtwerten zu orientieren als denjenigen, die von der TALärm vorgegeben würden. Die Verweigerung der Negativatteste stelle daher einen Eingriff in die durch das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Verfügungsbefugnis der Klägerin dar.

Eine Wohnnutzung erweise sich bereits dann als nicht mehr genehmigungsfähig, wenn mit einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts der TA-Lärm für Kerngebiete nachts von 45 dB(A) gerechnet werden müsse. Als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift komme der TA-Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiere, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Insoweit sei der Zustand der maximalen Betriebsauslastung der Diskotheken zugrunde zu legen. Zwar meine der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige, ruhige Innenpegel und damit gesunde Wohnverhältnisse könnten auch durch passive Schallschutzmaßnahmen hergestellt werden. Insoweit werde jedoch übersehen, dass es für die Beurteilung des Anlagenlärms nach der TA-Lärm – im Gegensatz zur Beurteilung des Verkehrslärms nach der 16. BImSchV – nicht auf die Innen-, sondern auf die Außenpegel ankomme und das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO im Anwendungsbereich der TA-Lärm nicht die Möglichkeit eröffne, der durch einen Gewerbebetrieb verursachten Überschreitung der Außenimmissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen. Auf eine „architektonische Selbsthilfe“ dürfe die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 ff.) nicht verwiesen werden.

Vorliegend bestehe bereits keine Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme analog § 31 Abs. 1 BauGB, weil für ein Abweichen von der Regel rechtfertigende Umstände fehlten. Aufgrund der Überschreitung der für ein Kerngebiet maßgeblichen Nachtwerte der TA Lärm seien vielmehr im Gegenteil gerade besondere Umstände gegeben, die eine Ausnahmeerteilung ausschlössen. Eine Ausnahmesituation im Sinne des § 31 Abs. 1 BauGB liege auch deshalb nicht vor, weil eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen städtebauliche Spannungen, insbesondere immissionsschutzrechtliche Abwehransprüche der Inhaber und Nutzer der Wohnungen erwarten lasse, die nur durch eine Beschränkung der Betriebszeit sämtlicher Diskotheken auf die Tageszeit (06.00 Uhr – 22.00 Uhr) gelöst werden könnten, wozu die Beklagte jedoch nicht bereit sei. Die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB für die streitgegenständlichen Räume komme des Weiteren auch deshalb nicht in Frage, weil entsprechende Festsetzungen in einem Bebauungsplan rechtswidrig wären.

Aufgrund der konkreten örtlichen Verhältnisse stünden die streitgegenständlichen Wohnungen ferner auch nach Anzahl, Lage und Zweckbestimmung in Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Dieses werde nicht durch kerngebietstypische Büros und Verwaltungsgebäude, sondern durch eine besonders intensive Diskothekennutzung geprägt, die das Wohnen erheblich störe. Eine Zweckbestimmung der streitgegenständlichen Räume als Wohnräume müsse diese nicht zuletzt aufgrund der besonderen Störanfälligkeit in unmittelbarer Nähe zu den fünf Diskotheken geradezu als Fremdkörper in einem solchen Kerngebiet erscheinen lassen.

Darüber hinaus stelle sich eine weitere Nutzung der streitgegenständlichen Objekte zu Wohnzwecken auch als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) dar, nachdem das Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen zu dem Ergebnis komme, dass die maßgeblichen Nachtwerte der TA Lärm an allen fünf Wohnungen überschritten seien. Zwar gehe das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten davon aus, dass die Überschreitung ursächlich auf eine kurzzeitige, durchschnittlich lediglich zwei Minuten andauernde Öffnung der Hintertür des „C. m. D.“ zu Lieferzwecken zurückzuführen sei, die durch die Beklagte aber bauaufsichtlich unterbunden werden könne. Insoweit sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Betreiberin des „C. m. D.“ das Öffnen der Türen und Fenster nach 22.00 Uhr lediglich grundsätzlich verboten sei und damit auch eine zehnminütige Öffnung der Türe innenhalb von 7 Stunden in Betracht komme, die nach den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu einer Überschreitung des Nachtrichtwerts der TA Lärm an den Wohnungen um bis zu 10 dB (A) führen könne. Ganz abgesehen hiervon könne eine entsprechende Anordnung seitens der Beklagten auch niemals durchgesetzt werden, weil sie den Diskothekenbetrieb letztlich unmöglich mache.

Aber selbst wenn die Hintertür des „C. m. D.“ ständig geschlossen bliebe (was unrealistisch sei), würden die Werte der TA-Lärm an allen fünf Wohnungen gleichwohl überschritten werden, da der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige entgegen der geltenden Rechtslage verhaltensbezogene Einzelereignisse sowie den Parkplatz- und Taxenlärm nicht nach der TA-Lärm beurteilt habe. Die Annahme, das Verhalten der Gäste im öffentlichen Straßen- und Fußgängerbereich, der von diesen hervorgerufene Lärm auf dem Weg von und zu den Gaststätten, anlässlich des Rauchens vor den Diskotheken und während der Zeit bis zum Einlass in die Vergnügungsbetriebe sei diesen nicht unmittelbar zuzurechnen, gehe an der Realität vorbei. Entgegen der Auffassung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen seien auch die Geräusche, die bei der beschleunigten An- und Abfahrt von Gästen, das Hupen bei der An- und Abfahrt zu den Diskotheken (vgl. Sachverständigengutachten S. 15 f., Buchst. a und b), die Geräusche während der Oktoberfestzeit durch Kommunikation und Beschallung durch Fahrradrikschas, die Gäste zu den Diskotheken befördern (vgl. Gutachten S. 17, Buchst. h), sowie die Geräusche durch einen 15-minütigen Polizeieinsatz wegen einer Gruppe von Personen unmittelbar vor dem Gebäude in der M-J.-Straße als Anlagenlärm (vgl. Gutachten S. 17, Buchst. j) und nicht als Verkehrslärm zu beurteilen, sofern es sich bei der Gruppe von Personen um Gäste oder Personal der Diskotheken gehandelt habe, was naheliege, aber durch eine vom Senat anzuordnende Vorlage des vom Sachverständigen angefertigten Ton- und Bildmaterials noch zu verifizieren sei. Darüber hinaus sei das faktische Kerngebiet auch nicht nur durch den Lärm der Discothekenbesucher, sondern zugleich auch durch eine massive Verschmutzung der Umgebung (u.a. durch auf der Straße oder im Fußgängerbereich urinierende und sich übergebende Gäste), erhöhte Kriminalität und eine entsprechende Drogenszene geprägt. Die unstreitige massive Verschmutzung der Umgebung durch urinierende und sich erbrechende Gäste gehöre ebenfalls zu den nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu berücksichtigenden Belästigungen. Das Video „Diskos 12. April 2008“, welches von der Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgenommen worden sei, zeige anschaulich die Störungen und Belästigungen, die der Diskothekenbetrieb für die Wohnnutzung verursache, und belege, dass die an- und abfahrenden Taxis und sonstigen PKW deutlich als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken in Erscheinung treten.

Zum Beweis der Tatsachen,

dass man deutlich den Lärm der von den Diskotheken an- und von den Diskotheken abfahrenden Taxis und sonstigen Fahrzeugen höre, dieser Lärm, ebenso wie der aus den Diskotheken hörbare Musiklärm, jedoch immer wieder durch lautes Rufen, laute Gespräche, Pfiffe, Kreischen, Rufen und Schreie der Diskothekenbesucher übertönt werde, die Gespräche teilweise sogar so laut seien, dass sie trotz des Verkehrslärms wörtlich zu verstehen seien (wie z.B. „Ja genau“), eine Vielzahl von Diskothekenbesuchern vor den Diskotheken im öffentlichen Straßenraum in der M-J.-Straße und am M.platz stünden, um zwischendurch zu rauchen, zu trinken, laute Gespräche zu führen, Betrunkene vor den Diskotheken lägen, Diskothekenbesucher im öffentlichen Straßenraum urinierten, ständig Gäste kämen und gingen, Betrunkene vor den Diskotheken stünden, sich gegenseitig anrempelten und laute Gespräche führten, die den Verkehrslärm übertönten, Taxis und sonstige Fahrzeuge zu den Diskotheken aus der M-J.-Straße kommend anführen und vom M.platz über die M-J.-Straße abführen, teilweise vor dem „M & M.“ in der M-J.-Straße hielten und dann weiterführen, ein Betrunkener im Park vor dem „P.“ neben ca. zwanzig leeren Bierflaschen liege, vor dem Eingang des „M & M.“ auf der M-J.-Straße eine offensichtlich betrunkene Person liege, wobei einige Diskobesucher versuchten, ihr beim Aufstehen zu helfen, laute Gespräche der Besucher im öffentlichen Straßenraum stattfänden, während man im Hintergrund den Lärm der an- und abfahrenden Taxis höre, der allerdings immer wieder durch laute Gespräche, Rufen und Schreien übertönt werde, ein Gast, der im öffentlichen Straßenraum uriniere, von einem Ordner angesprochen werde, ohne dass dies erkennbare Konsequenzen habe, Diskothekenmusik deutlich hörbar nach außen dringe, Taxischlangen mit bis zu 45 Taxen vor den Diskotheken stünden und um 5.45 Uhr immer noch Gäste aus dem „M & M.“ kämen, ständig Taxis dort anführen, hielten und wieder abführen, werde beantragt, das 11 Minuten und 57 Sekunden dauernde, die Zeit von 0.30 Uhr bis 0.41 Uhr sowie den Zeitraum um 5.45 Uhr betreffende Video vom 12.04.2008 in Augenschein zu nehmen (Beweisantrag 1).

Des Weiteren werde beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die Belästigungen und Störungen, die der Diskothekenbetrieb verursache, im Vergleich zu dem Inhalt des Videos vom 12.04.2008 nicht geringer geworden sei, sondern sogar noch zugenommen habe, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 2). Der gerichtliche Augenschein werde zugleich auch belegen, dass die an- und abfahrenden Taxen und sonstigen Pkw erkennbar als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken in Erscheinung treten.

Anders als der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige sei die Beklagte (Referat für G. und U.) anlässlich ihrer eigenen Messung vom 26. Juli 2008 (Samstag) in der Zeit von 00.50 bis 02.00 Uhr richtig verfahren und habe bereits allein aufgrund der Berücksichtigung der verhaltensbezogenen Ereignisse, nämlich der besonderen, im Übrigen zuschlagspflichtigen Ton- und Informationshaltigkeit der Geräusche der Besucher vor den Lokalen und im Straßenbereich, nicht nur eine deutliche Überschreitung des nächtlichen Immissionsrichtwerts für allgemeine Wohngebiete, sondern sogar eine deutliche Überschreitung des für Kerngebiete maßgeblichen Nachtwerts von 45 dB(A) um bis zu 6 dB(A) festgestellt. Im Einzelnen habe sich am Messpunkt O.-straße 13, 6. OG Mitte in der Zeit von 00.52 Uhr bis 01.17 Uhr vor dem geöffneten Schlafzimmerfenster eine Überschreitung des Richtwerts um 2 dB(A) und am Messpunkt O.-straße 13, DG Nord auf dem Balkon in der Zeit von 01.23 Uhr bis 01.50 Uhr eine solche von 6 dB(A) ergeben. Nach den Aufzeichnungen der Beklagten sei dabei der Lärm der an- und abfahrenden Gäste sowie der Besucher vor den Lokalen im Bereich der M-J.-Straße deutlich hervorgetreten, als sehr störend empfunden worden und eindeutig zu messen gewesen. Die Lärmbelästigung am Anwesen O.-straße 13 sei nach den damaligen Feststellungen der Beklagten hauptsächlich durch diese beiden Lärmquellen verursacht worden.

Ob die Hintertür des damaligen Clubs „B.“ (heute „C. m. D.“) bei den Messungen geöffnet oder geschlossen gewesen sei, lasse sich den Aufzeichnungen der Beklagten nicht entnehmen. Aus den Unterlagen der Beklagten ergebe sich jedoch eindeutig, dass etwaiger Lärm, der über diese Hintertür nach außen gedrungen sei, in keiner Weise für die Messergebnisse entscheidend gewesen sei. So habe die Beklagte anlässlich der Messungen am 26. Juli 2008 zwar festgestellt, dass die Musik aus den Diskotheken „P.“ und „…“ an beiden Immissionsorten hörbar gewesen sei, jedoch – anders als der Besucherlärm – nicht aus dem hohen Grundgeräusch des Straßenverkehrs um den K.platz habe herausgemessen werden können. Mit der Messung der Beklagten vom 26. Juli 2008 und entgegen den Feststellungen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen sei der Lärm der Gäste vor den Lokalen sowie im Straßenbereich zwischen M.platz und O.-straße deshalb nicht als Verkehrs-, sondern als Anlagenlärm zu beurteilen. Zum gleichen Ergebnis gelange auch das von dem öffentlich bestellten und vereidigten Dipl.-Ing (FH) S. im Auftrag der Klägerin erstellte Privatgutachten vom 24. Oktober 2017, auf das verwiesen werde.

Es werde deshalb beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass der für Kerngebiete geltende Nachtwert der TA Lärm von 45 dB(A) auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ an den nach der TA-Lärm maßgeblichen Immissionsorten an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen überschritten werde, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 3).

Das Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen sei schon deshalb unverwertbar, weil erhebliche Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestünden. Der Sachverständige habe zuvor im Auftrag und auf Kosten der Betreiber der (früheren) Diskothek „B.“ (jetzt: „C. m. D.“) die schalltechnische Stellungnahme 710-2485-S3 vom 2. Oktober 2009 in seiner Funktion als Mitarbeiter der Firma „M. und P. Ingenieure AG“ erarbeitet, auf deren Seite 4 ausgeführt werde, zusammenfassend zeige sich, dass durch die Betriebserweiterung keine relevante Erhöhung der Gesamtgeräuschemission des „B.“ – als Vergnügungs- und Versammlungsstätte mit 230 Gästen – gegenüber der Bestandssituation zu erwarten sei. Aus Sicht des Schallschutzes sei die vorgesehene Betriebserweiterung im Rahmen der zu Grunde liegenden Randbedingungen ohne zusätzliche Schallschutzmaßnahmen möglich. Darüber hinaus habe der Sachverständige mindestens drei weitere Gutachten im Auftrag der „B.-E. GmbH“ erstellt, wie den Einpegelbericht Nr. 710-2485-N vom Juli 2007, die schalltechnische Untersuchung „L.-Bar B.“ Nr. 710-2485 vom Mai 2007 und die schalltechnische Stellungnahme „L.-Bar B.“ Nr. 710-2485-S1 vom 4. Januar 2008. Die Interessen der Diskothekenbetreiber und die Interessen der Klägerin im vorliegenden Verfahren verhielten sich einander entgegengesetzt. Damit lägen Gründe vor, die ein Misstrauen gegenüber dem Sachverständigen rechtfertigen könnten. Darauf, dass die Diskothekenbetreiber formal nicht an den Streitverfahren beteiligt seien, komme es nicht an. Der Sachverhalt der vorliegenden Streitverfahren und der Sachverhalt des früheren Auftrags des Sachverständigen seien nicht nur gleichartig, sondern hinsichtlich der früheren Diskothek „B.“ (heute „C. m. D.“) sogar (teilweise) identisch. Daher habe der Sachverständige es pflichtwidrig unterlassen, auf seine „Vorbefassung“ hinzuweisen.

Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen ergäben sich ferner auch daraus, dass er die Interessen der Wohnnutzung an ausreichendem Lärmschutz nicht angemessen berücksichtigt und statt dessen in mehrfacher Hinsicht einseitig die Interessen der Diskothekenbetreiber im Auge gehabt habe. So habe er beispielsweise entgegen BVerwGE 145, 145 ff. eine „architektonische Selbsthilfe“ durch passive Schallschutzmaßnahmen für zulässig gehalten, die außerhalb seines Auftrags liegende Spekulation angestellt, es handele sich bei der geöffneten Hintertür des Clubs „C. m. D.“ möglicherweise nicht um einen genehmigungsrechtlich zulässigen Betriebszustand, ferner den Vorschlag gemacht, durch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings Immissionen für die Nachbarschaft effektiv zu verhindern und entgegen der Rechtslage und Gutachtenpraxis eine Reihe von relevanten Lärmquellen aus der Beurteilung nach der TA-Lärm ausgeklammert, wie etwa den Parkplatzlärm und die sog. verhaltensbezogenen Ereignisse. Schon anlässlich der schalltechnischen Stellungnahme 710-2485-S3 vom 2. Oktober 2009 habe der Sachverständige die Lärmbelästigung durch Gäste im Straßen- und Eingangsbereich der Diskotheken verharmlost und den Eindruck erweckt, diese ließen sich durch organisatorische Maßnahmen in den Griff bekommen. Obwohl er von einer Erhöhung der Gastzahlen im Eingangsbereich von 20 auf 24 Personen ausgegangen sei, habe er weiterhin lediglich mit 20 Gästen in diesem Bereich rechnen wollen und damit zugunsten der Diskothekenbetreiber „getrickst“.

Demgegenüber sei die Stellungnahme des Sachverständigen vom 12. August 2017 nicht geeignet, die an seiner Unparteilichkeit bestehenden Zweifel zu beseitigen. Zwar möge es zutreffen, dass der Sachverständige im Zeitraum März 2007 bis Oktober 2009 bereits aus formalen Gründen keine Sachverständigentätigkeiten eigenverantwortlich habe durchführen können. Unstreitig habe der Sachverständige aber in diesem Zeitraum Aufträge der Diskothekenbetreiber bearbeitet. Ebenso wenig könne der Sachverständige bestreiten, dass er jedenfalls nach außen durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für diese Stellungnahme übernommen habe. Er sei damit zum selben Sachverhalt und zur gleichen Beweisfrage tätig gewesen, auch wenn die Diskothekenbetreiber am vorliegenden Rechtsstreit formal nicht beteiligt seien. Darauf, dass der Name und die Betreiber des Clubs inzwischen gewechselt hätten, komme es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Entscheidend sei allein, dass die Interessen der Diskothekenbetreiber denen der Klägerin entgegengesetzt seien und die vom Sachverständigen entfaltete Tätigkeit einen gleichartigen Sachverhalt betreffe.

Unabhängig davon ergebe sich die Unverwertbarkeit des Gutachtens auch aus dessen Unvollständigkeit. So fehle jede Darlegung, weshalb der Sachverständige die sog. verhaltensbezogenen Ereignisse gesondert vom Anlagenlärm beurteilen wolle, obwohl dies im Gegensatz sowohl zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als auch zur allgemeinen Gutachtenpraxis stehe und der Sachverständige selbst diese Geräusche für das damalige „B.“ nicht gesondert vom Anlagenlärm beurteilt habe. Ebenso wenig gebe der Sachverständige eine Erklärung dafür, weshalb er eine Trennung oder Zuordnung dieser Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben für nicht möglich gehalten und diese Geräusche als Verkehrslärm und nicht als Anlagenlärm beurteilt habe. Ferner lege der Sachverständige auch nicht dar, weshalb er nur die durch den Club „C. m. D.“ verursachten Geräusche nach der TA-Lärm und sämtliche anderen Geräusche unabhängig von deren Art, Herkunft und Zuordenbarkeit nach der 16. BImSchV beurteilt habe. Mit den verhaltensbezogenen Ereignissen befasse sich der Sachverständige überhaupt nur, soweit diese auf öffentlichen Verkehrsflächen auftreten. Tatsächlich verfügten jedoch sämtliche fünf Clubs auch über Freiflächen auf privatem Grund, wie etwa der Club „C. m. D.“ über den Wirtsgarten, einschließlich dessen Zugangsbereich und den dazu gehörenden Bereich Garderobe und Kasse.

Ferner sei das Gutachten auch in mehrfacher Hinsicht in sich widersprüchlich. Einerseits behaupte der Sachverständige, eine Trennung oder Zuordnung der verhaltensbezogenen Ereignisse zu einzelnen Vorgängen, Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben sei nicht möglich gewesen, andererseits räume er jedoch im Widerspruch hierzu ein, eine solche Trennung habe durch Befragung oder Beobachtung erfolgen können. Ein weiterer Widerspruch bestehe – wie bereits erwähnt – auch zwischen dem 2009 für die Diskothekenbetreiber erstellten Gutachten und dem nunmehr für das Verwaltungsgericht erstatteten.

Auch aus anderen Gründen erweise sich das Gutachten als nicht überzeugend. So sei die Methode des Sachverständigen, bei der Ermittlung der Beurteilungspegel nach der TA-Lärm ausschließlich die geöffnete Hintertür des „C. m. D.“ und den Biergarten an der M-J.-Straße zu berücksichtigen, die von den anderen Lärmquellen herrührenden Geräusche aber ausnahmslos als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV zu beurteilen, nicht haltbar, wie insbesondere der Umstand zeige, dass der nach der 16. BImSchV vom Sachverständigen berechnete Verkehrslärm um 2 bis 4 dB (A) unter dem gemessenen Gesamtlärm liege. Insoweit gehe der Sachverständige von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, was ebenfalls zur Unverwertbarkeit seines Gutachtens führe. Für die neue Beweisaufnahme werde angeregt, keine Messung, sondern eine Berechnung nach der TA-Lärm vornehmen zu lassen. Messungen hätten stets den Nachteil einer nicht repräsentativen Momentaufnahme.

Aus Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Diskothekenbetreiber lehne die Beklagte die Gewährung von Lärmschutz für die Wohnnutzung durch eine Beschränkung der Betriebszeiten der Diskotheken auf die Tageszeit (06.00 Uhr – 22.00 Uhr) ab. Gleiches gelte hinsichtlich einer Verlegung der beiden Diskothekeneingänge an der M-J.-Straße. Schützende Nebenbestimmungen enthalte keine einzige der baurechtlichen Genehmigungen und gaststättenrechtlichen Erlaubnisse. Stattdessen genehmige die Beklagte immer wieder Betriebserweiterungen der Diskotheken, die zu einer Erhöhung der Besucherzahlen und damit zu einer Verschärfung der Lärmsituation und zu vermehrten Belästigungen und Störungen der Anwohner führten. So sei die ursprünglich auf 190 Personen beschränkte Höchstbesucherzahl des Clubs „B.“ (nunmehr „C. m. D.“) mit Bescheid vom 10. November 2009 um 40 Personen auf 230 Personen erweitert worden. Mit Bescheid vom 29. Mai 2012 habe die Beklagte auch noch die Erlaubnis zum Betrieb eines „Wirtschaftsgartens“ erteilt, dessen Betriebszeitbeschränkung von 06.00 Uhr bis 23.00 Uhr mit weiterem Bescheid vom 21. Januar 2013 ersatzlos aufgehoben worden sei, so dass nunmehr an allen Tagen ein entsprechender Betrieb in der Zeit von 06.00 Uhr – 05.00 Uhr stattfinden könne. Aus dem Video vom 12. April 2008 werde zudem deutlich, dass die Beklagte auch die Einhaltung der Sperrzeit bei den fünf Diskotheken nicht ernsthaft überwache. Anders sei nicht zu erklären, dass selbst um 5.45 Uhr, also eine Dreiviertelstunde nach Beginn der Sperrzeit, noch immer eine Vielzahl von Gästen die Diskothek verlasse. Die maximal zulässige und mögliche Besucherfrequenz der fünf Diskotheken habe sich in den letzten zehn Jahren von ursprünglich 1.280 auf 1.898 Personen erhöht, was einer Steigerung von 50% entspreche. Nach Presseberichten würden die fünf Diskotheken am Wochenende von mehreren tausend Personen besucht. Die Beklagte könne nicht einerseits kontinuierlich Betriebserweiterungen der fünf Diskotheken genehmigen, sämtliche rechtswidrigen Betriebserweiterungen dulden, mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Interessen der Diskothekenbetreiber geforderte Maßnahmen zum Lärmschutz (Betriebsbeschränkungen, Verlegung der Eingänge usw.) ablehnen und andererseits eine Wohnnutzung in unmittelbarer Nachbarschaft der Betriebe in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB weiterhin für genehmigungsfähig erachten. So habe sich die Beklagte auf die Anfrage des Senats vom 12. September 2017 betreffend die tatsächliche Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ und der Erweiterung des mit nur 30 qm genehmigten Wirtschaftsgartens nicht einmal in der Lage gesehen, einen entsprechenden Auflagenbescheid zu erlassen.

Hätte der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige den gesamten Anlagelärm nach der TA-Lärm beurteilt, so wäre er auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ zu einer erheblichen Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an den fünf Wohnungen der Klägerin gekommen. Dabei sei die Feststellung des Sachverständigen, dass die Werte der TA-Lärm nachts an sämtlichen Wohnungen erheblich überschritten seien, als solche zweifellos zutreffend. Soweit der vom Gericht bestellte Sachverständige jedoch meine, die Überschreitung beruhe ausschließlich darauf, dass die Hintertür des Clubs „C. m. D.“ regelmäßig mit zwei Minuten im Zeitraum der lautesten Nachtstunde (in der Regel wegen des Caterings) geöffnet gewesen sei, beruhe dies auf rechtlich und tatsächlich unhaltbaren Fehleinschätzungen und gebe die wahren Verhältnisse nur äußerst verzerrt wieder.

Bereits die Beklagte habe anlässlich ihrer eigenen Messungen vom 26. Juli 2008, völlig unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür festgestellt, dass die Überschreitungen der Immissionswerte zur Nachtzeit um bis zu 6 dB(A) ausschließlich auf den Lärm der ankommenden und gehenden Gäste sowie der Besucher im Außenbereich vor den Lokalen zurückzuführen seien. Soweit der vom Gericht bestellte Sachverständige die Auffassung vertrete, die auch von ihm festgestellten verhaltensbezogenen Ereignisse ließen sich nicht trennen oder einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen, Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben nicht zuordnen, verfüge er entweder nicht über die notwendige Erfahrung und Sachkunde oder er habe sein Gutachten nicht unparteilich erstattet.

Schon die Beklagte (Referat für G. und U.) habe im Jahre 2008 festgestellt, dass diese verhaltensbezogenen Ereignisse, ebenso wie der Lärm des Hol- und Bringverkehrs und der Taxenlärm, als Anlagenlärm nach der TA-Lärm und nicht etwa als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV zu beurteilen sei, wie von dem Sachverständigen des Verwaltungsgerichts offenbar angenommen. Letztere sei für die Erfassung verhaltensbezogener Ereignisse nicht das geeignete Regelwerk. Soweit der Sachverständige sich nicht in der Lage gesehen habe, die Geräusche einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen bzw. Vergnügungsbetrieben zuzuordnen, sei dies im Übrigen auch schon deshalb unerheblich, weil es sich jedenfalls um Anlagenlärm handele, der ausschließlich nach der TA-Lärm zu beurteilen sei. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen sei auch der Parkplatzlärm vor den Diskotheken in die Beurteilung nach der TA-Lärm mit einzubeziehen. Es handele sich insoweit nicht um Verkehrslärm, sondern um Anlagenlärm. Zwar gehe es um öffentliche Parkplätze. Da diese in der maßgeblichen Nachtzeit aber ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend von Besuchern, Kunden und Mitarbeitern der fünf Clubs genutzt würden, seien sie wie private Parkplätze nicht nach der 16. BImSchV, sondern nach der TA-Lärm zu beurteilen. Das Laufenlassen der Motoren und Autoradios auf Parkplätzen sei, ebenso wie andere parkplatztypische Geräusche (Türenschlagen, informationshaltige Geräusche), kein erhöhter Verkehrslärm, sondern Lärm, der sich von den Geräuschen des fließenden Verkehrs charakteristisch unterscheide und daher nicht nach der 16. BImSchV, sondern nach der TA-Lärm zu beurteilen sei. Nichts anderes gelte für den bereits erwähnten Hol- und Bringverkehr, insbesondere durch Taxen, der als Teil des Zu- und Abgangsverkehrs zu den Diskotheken ebenfalls nach der TA-Lärm zu beurteilen sei. Der Lärm der an- und abfahrenden Gäste sei anlässlich der Messungen der Beklagten im Jahre 2008 deutlich hervorgetreten. An Samstagen und Sonntagen fänden zwischen 03.30 Uhr und 05.30 Uhr hunderte von Taxifahrten statt, die ausschließlich der Beförderung von Diskothekenbesuchern dienten.

Es werde deshalb beantragt,

dem vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen folgende Fragen zur Beantwortung vorzulegen: (1) Welchen Einfluss auf das Ergebnis seines Gutachtens hätte es – unabhängig von einer Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ –, wenn der Sachverständige die in Zi. 4.1 Buchst. f seines Gutachtens (S. 16) genannten „verhaltensbezogenen Ereignisse mit meist informationshaltigen Geräuschen“ als Anlagenlärm (und nicht als Verkehrslärm) nach der TA-Lärm berücksichtigen würde? (2) Wie würden sich die Beurteilungspegel nach TA-Lärm, die der Sachverständige auf S. 25 f. seines Gutachtens für die fünf Wohnungen jeweils angibt, unter dieser Voraussetzung ändern? (3) Wie wären die Fragen (1) und (2) zu beantworten, wenn der Sachverständige – zusätzlich zu den in Zi. 4.1 Buchst. f seines Gutachtens (S. 16) genannten „verhaltensbezogenen Ereignissen“ – auch (a) den in Zi. 4.1 Buchst. c seines Gutachtens (S. 16) genannten Parkplatzlärm, (b) sowohl den in Zi. Buchst. c seines Gutachtens (S. 16) genannten Parkplatzlärm als auch den Lärm, der durch den Hol- und Bringverkehr zu den fünf Diskotheken entsteht (Zi. 4.1 Buchst. d seines Gutachtens (S. 16)), (c) sämtliche in Zi. 4.1 Buchst. c, d, e, h und j, seines Gutachtens (S. 16 f.) genannten Geräusche als Anlagenlärm (und nicht als Verkehrslärm) nach der TA-Lärm berücksichtigen würde? (4) Trifft es zu, dass der Sachverständige in seinem Gutachten bei der Ermittlung der Beurteilungspegel nach TA-Lärm ausschließlich die in Zi. 4.1 Buchst. g genannten Geräusche berücksichtigt, alle anderen Geräusche aber als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV beurteilt hat? (5) Sofern die Frage 4 zu bejahen ist: Dies würde ja bedeuten, dass die gegenüber dem berechneten Verkehrslärmpegel deutlich – um bis zu 4 dB(A) – erhöhten gemessenen Werte auf ein erhöhtes, (mehr als) verdoppeltes Verkehrsaufkommen zurückzuführen sind. Hält der Sachverständige dies für realistisch? (6) Zu welchen Ergebnissen würde der Sachverständige – unabhängig von einer Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – nach der TA-Lärm für die fünf Wohnungen kommen, wenn er so vorgehen würde wie die Beklagte bei ihren Messungen 2008 (d.h. zunächst den Gesamtlärm zu erfassen und dann im Wege einer logarithmischen Substraktion den Fremdgeräuschanteil, also den eigentlichen Verkehrslärm, davon abziehen würde)? (7) War dem Sachverständigen bei Abfassung seines Gutachtens vom Januar 2017 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 – BVerwGE 145, 145 bekannt, wonach „architektonische Selbsthilfe“ durch passive Schallschutzmaßnahmen wie Schallschutzfenster u.a. zur Einhaltung der Immissionswerte nach TA-Lärm nicht zulässig ist? (8) Verfügt der Sachverständige über schriftliche Notizen, Ton- und Bildaufzeichnungen, die anlässlich der Gutachtenerstellung angefallen sind und die er dem Gericht bislang noch nicht vorgelegt hat? (Verfahrensantrag 4)

Mit weiterem Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 beantragt der Bevollmächtigte der Klägerin darüber hinaus auch förmlich,

dem Sachverständigen aufzugeben, sämtliche Unterlagen vorzulegen, die anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom Januar 2017 angefallen und nicht zum Bestandteil dieses Gutachtens geworden sind, einschließlich sämtlicher Messberichte, Messunterlagen, schriftlichen Notizen, Berechnungsunterlagen, Audio- und Videoaufzeichnungen usw. einschließlich der Gewährung von Akteneinsicht in diese Unterlagen (Verfahrensantrag 5).

Diese Unterlagen seien unter anderem für weitere Darlegungen erforderlich, dass sich an den Lärmmessungen der Beklagten aus dem Jahre 2008 nichts Wesentliches geändert habe. Aus den Audio- und Videoaufzeichnungen des Sachverständigen werde sich ergeben, dass der Besucherlärm und die sonstigen im Gutachten des Sachverständigen aufgelisteten Lärmquellen entgegen dessen Darstellung den Verkehrslärm vielfach übertönten und eindeutig zuordenbar seien, ebenso wie bei den Messungen der Beklagten im Jahre 2008. Unter anderem werde sich aus den Audio- und Videoaufzeichnungen auch ergeben, dass die Geräusche durch einen etwa 15-minütigen Polizeieinsatz, die der Sachverständige als Verkehrslärm beurteilt habe, dem Diskothekenbetrieb zuzurechnen und daher als Anlagenlärm zu beurteilen seien.

Mit Schriftsatz vom 7. Februar 2018 lässt die Klägerin ferner darauf hinweisen, dass die Beklagte in Gestalt der Lokalbaukommission (LBK) bislang jegliche Auskunft auf zur Genehmigungs- und Auflagensituation der Diskotheken gestellte Fragen verweigert, sich stattdessen auf die Gewährung von Akteneinsicht in zum Teil unzumutbarer Form in der Zentralregistratur beschränkt und auch keinen Erklärungshelfer zur Verfügung gestellt habe, was einer schuldhaften Beweisvereitelung gleichkomme und zu einer Umkehr der Beweislast führen müsse.

Es werde deshalb beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die Beklagte – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) – der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, „R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher „B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, an den Wohnungen in der O.-straße 11 und 13 bestimmte Immissionswerte einzuhalten, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen Bescheide der Beklagten – LBK – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 6).

Mit weiterem Schriftsatz vom 23. Februar 2018 lässt die Klägerin eine schalltechnische Untersuchung des Büros M. & P. – Bericht Nr. 710-2485 – vom 16. Mai 2007 vorlegen, die neben der Unterschrift des verantwortlichen Dipl.-Ing. M. L. auch die des vom Verwaltungsgericht bestellten, damals noch als Techniker tätigen Sachverständigen trägt. Die im Auftrag der damaligen B.-E. GmbH erstellte Untersuchung betreffe (mit Ausnahme der seit 2007 erfolgten Betriebserweiterungen) die mit der heutigen Diskothek „C. m. D.“ identische damalige Diskothek „B.“. Der Bericht beruhe auf einer in der Nacht von Freitag, den 23. März 2007 auf Samstag, den 24. März 2007 in der Zeit von 23.00 Uhr bis 02.00 Uhr auf der Grundlage der TA-Lärm durchgeführten Schallimmissionsmessung an der Südseite des Wohn- und Geschäftsgebäudes O.-straße 13, in welchem sich die heute streitgegenständliche Wohnung Nr. 19 befinde. Die damalige Untersuchung komme zu dem Ergebnis, dass die Beurteilungspegel an den maßgeblichen Immissionsorten bis zu 43 dB(A) nachts betragen, weshalb der Immissionsrichtwert der TA Lärm für Kerngebiete von nachts 45 dB(A) eingehalten sei. Gleiches habe sich auch hinsichtlich des Spitzenpegelkriteriums ergeben. Die Untersuchung führe insoweit aus, im Rahmen der Schallmessungen sei festgestellt worden, dass sich die Geräusche der B.-Bar im Wesentlichen aus den verhaltensbezogenen Geräuschen der Gäste bei der Ankunft und dem Verlassen der L.-Bar und den Geräuschen aus dem Inneren zusammensetzten. Relevante Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren seien im Bereich des Ein- und Ausgangs – über die häufig geöffnete Tür – an der M-J.-Straße und über den ausschließlich zum Zwecke der Messung zeitweise geöffneten, in der Regel geschlossenen Notausgang festgestellt worden. Bei dem Notausgang handele es sich offensichtlich um den Ausgang, den der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige als „Hintertür“ bezeichne. Immer wieder verließen Gäste das Lokal über diese Tür, um zu rauchen. Auch als Ein- und Ausgang werde diese Tür benutzt. Es komme durchaus vor, dass diese „Hintertür“ zehn Minuten und länger offen stehe, was durch Auflagen auch nicht verboten sei. Bei der in der Untersuchung von 2007 erwähnten, häufig geöffneten Tür an der M-J.-Straße handele es sich um den Haupteingang des Clubs „C. m. D.“. Anders als noch im Jahr 2007 habe der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige diesen Lärm bei seinem Gutachten vom Januar 2017 nicht berücksichtigt. Zu dem für die damaligen Auftraggeber günstigen Ergebnis, dass der Immissionsrichtwert nachts noch eingehalten sei, habe die Untersuchung nur gelangen können, weil 2007 noch kein Biergartenbetrieb stattgefunden habe, die verhaltensbezogenen Geräusche aufgrund des Winters nur von untergeordneter Bedeutung gewesen seien, der pauschale Ansatz von im Mittel 20 Personen, die sich im Eingangsbereich aufhalten, wovon die Hälfte durchgehend „gehoben“ spreche, keineswegs, wie behauptet, auf der sicheren Seite liege, der maßgebende Innenpegel mit 92 dB(A) zu niedrig angesetzt worden und kein Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit vergeben worden sei.

Gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO werde deshalb beantragt,

das Erscheinen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen anzuordnen, damit dieser neben den bereits gestellten Fragen folgende weitere Fragen beantworten könne: (1) Sind die im Bericht vom 16. Mai 2007 betrachteten Immissionsorte mit den Immissionsorten aus dem in den vorliegenden Verfahren erstellten Gutachten vom Januar 2017 vergleichbar? (2) Warum hat der Sachverständige die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek, die er in seinem Bericht vom 16. Mai 2007 noch als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt hat, in seinem Gutachten vom Januar 2017 als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV beurteilt? (3) Warum hat der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des Clubs „C. m. D.“ an der M-J.-Straße als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt? (4) Welcher Beurteilungspegel hätte sich jeweils ergeben, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten vom 16. Mai 2007 statt von 20 jeweils von 40 oder 50 Personen ausgegangen wäre, von denen jeweils die Hälfte oder alle Personen „gehoben“ sprechen? (5) Wie kam der Sachverständige zu dem Ansatz von 20 Personen, von denen die Hälfte „gehoben“ spricht? (6) Wurde der Diskothekenbetreiber über die „Stichprobenmessungen“ im Jahre 2007 vorab informiert? (Verfahrensantrag 7)

Des Weiteren beantragt die Klägerin zum Beweis der Tatsachen, dass

(1) die im Bericht vom 16. Mai 2007 betrachteten Immissionsorte mit den Immissionsorten aus dem in den vorliegenden Verfahren erstellten Gutachten vom Januar 2017 vergleichbar sind, (2) sich eine Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an sämtlichen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer Öffnung oder Schließung der „Hintertür“ des „C. m. D.“ an der O.-straße – schon dann ergibt, wenn man, wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (3) sich eine Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an sämtlichen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer Öffnung oder Schließung der „Hintertür“ des „C. m. D.“ – jedenfalls dann ergibt, wenn man (a) wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (b) wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des Clubs „C. m. D.“ an der M-J.-Straße als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (c) die Geräusche des Biergartens an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße in die Beurteilung nach TA-Lärm einbezieht, (d) davon ausgeht, dass sich an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße in der lautesten Nachtstunde mindestens 50 Personen aufhalten, von denen jeweils die Hälfte „gehoben“ spricht, (e) einen Innenpegel in den Clubs von 99 dB(A) zugrunde legt und (f) einen Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit gemäß Anhang Nr. A 2.5.2 und Anhang A 3.3.5 TA Lärm berücksichtigt, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 8).

Darüber hinaus beantragt die Klägerin zum Beweis der Tatsache, dass

(1) die „Hintertür“ des Clubs „C. m. D.“ (a) durch Gäste, Caterer, Personal usw. als Ein- und Ausgang benutzt wird, (b) dabei auch zehn Minuten und länger offen steht, was durch Auflagen nicht verboten ist, (2) der Haupteingang des Clubs „C. m. D.“, wie schon 2007, auch heute häufig geöffnet ist, (3) sich in der lautesten Nachtstunde bei geschlossenem Biergarten 50 Personen und mehr an der Ecke O.-straße/M-J.-Straße aufhalten und laut unterhalten, schreien, kreischen usw., (4) die „Musikdarbietungen“ und „wahrnehmbaren Gespräche“ entgegen der Vermutung des Sachverständigen auf S. 9 seines Gutachtens vom Mai 2007 sehr wohl „immissionsseitig feststellbar“ sind, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 9).

Ferner beantragt die Klägerin weiter, zum Beweis der Tatsachen,

dass die „Musikdarbietungen“ und „wahrnehmbaren Gespräche“ entgegen der Vermutung des Sachverständigen auf S. 9 seines Gutachtens vom Mai 2007 sehr wohl „immissionsseitig feststellbar“ sind, diesem aufzugeben, sämtliche Unterlagen vorzulegen, die anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom Januar 2017 angefallen und bisher nicht zu den Gerichtsakten gereicht wurden, einschließlich sämtlicher Messberichte, Messunterlagen, schriftlicher Notizen, Berechnungsunterlagen, Audio- und Videoaufzeichnungen usw. (Beweisantrag 10).

Mit weiterem Schriftsatz vom 28. Februar 2018 lässt die Klägerin ein Schreiben des Kreisverwaltungsreferats der Beklagten vom 25. September 2008 an die L. … … … (die Eigentümerin der Grundstücks, auf dem die Diskotheken sich befinden) vorlegen, in dem ausgeführt wird, aufgrund von Anliegerbeschwerden seien vom Referat für G. und U. (am 26. Juli 2008) Schallpegelmessungen durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der zulässige Richtwert zur Nachtzeit durch die Geräusche der Besucher vor den Lokalen „M & M.“ (heute „S.“) und „B.“ (heute „C. m. D.“) überschritten werde. Aus der Sicht des Referates für G. und U. wäre die Einhaltung der Immissionsrichtwerte durch eine Betriebszeitbeschränkung der beiden Lokale auf die Tageszeit (06.00 – 22.00 Uhr) zu erreichen. Da diese Maßnahme mit gravierenden wirtschaftlichen Verlusten der Gaststättenbetreiber verbunden wäre, werde im Gutachten vorgeschlagen, die Eingänge beider Lokale von der M-J.-Straße durch einen entsprechenden Umbau innerhalb des Gebäudes zum M.platz hin zu verlegen. Insoweit werde ergänzend auf den Vermerk der Beklagten über eine Besprechung am 24. Oktober 2008 im Gebäude der L. verwiesen. Bis heute habe die Beklagte weder eine Verlegung der beiden Eingänge zum M.platz hin noch eine ebenfalls diskutierte Überbauung des Eingangs zum Club „C. m. D.“ angeordnet. Erst recht habe die Beklagte keine Betriebszeitbeschränkungen erlassen. Vielmehr seien beim Club „C. m. D.“ bestehende Betriebszeitbeschränkungen für den Wirtsgarten aufgehoben worden.

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen, dass

(1) die Beklagte den fünf Diskotheken „P.“, „… bar“, „R. S.“, „G.“ und „C. m. D.“ – mit Ausnahme der gesetzlichen Sperrzeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr – keinerlei Betriebszeitbeschränkungen auferlegt hat, (2) auch für die Freischankflächen, Terrassen und Wirtsgärten der Diskotheken keinerlei Betriebszeitbeschränkungen – mit Ausnahme der gesetzlichen Sperrzeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr – gelten, wobei die für den Wirtsgarten der Diskothek „C. m. D.“ zunächst geltende Betriebszeitbeschränkung auf die Zeit von 06.00 Uhr – 23.00 Uhr mit Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2013 aufgehoben wurde, (3) die gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten für die fünf Diskotheken „P.“, „… bar“, „R. S.“, „G.“ und „C. m. D.“ keinerlei Beschränkungen der Besucher- oder Gastplatzzahl enthalten, sämtliche diese fünf Diskotheken betreffenden gaststättenrechtlichen Akten der Beklagten – Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zu den vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 11).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache, dass

(1) die bei der Besprechung am 24. Oktober 2008 in den Räumen der L. erwähnte „Überbauung des Eingangs“ des „B.“ (des heutigen „C. m. D.“) bis heute nicht stattgefunden hat, (2) der „Wartebereich“ dieses Clubs nicht in das Innere des Gebäudes verlegt wurde, (3) sich die beiden Diskothekeneingänge zu den Clubs „C. m. D.“ und „S.“ nach wie vor an der M-J.-Straße befinden, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 12).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Beklagte der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung München 1, M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, „R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher „B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, an den Wohnungen in der O.- straße 11 bis 13 bestimmte Immissionswerte einzuhalten, (2) die Beklagte der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, in den Diskotheken bestimmte Innenpegel einzuhalten, (3) die Beklagte bis heute keine „Überbauung des Eingangs“ des „B.“ (des heutigen „C. m. D.“) angeordnet hat, (4) die Beklagte bis heute keine Verlegung des „Wartebereichs“ dieses Clubs in das Innere angeordnet hat (5) die Beklagte bis heute keine Verlegung der beiden Diskothekeneingänge zu den Clubs „C. m. D.“ und „S.“ angeordnet hat, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 13).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Beklagte die Vorschläge, die der Sachverständige in seinem Bericht vom 16. Mai 2007 auf Seite 10 gemacht hat, nicht umgesetzt hat und bis heute gegenüber der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und gegenüber den Betreibern der Diskothek „C. m. D.“ (früher B.) nicht angeordnet hat, (2) den „Seitenausgang“ (der identisch mit der „Hintertür“ im Gutachten von 2017 ist) als reinen Notausgang entsprechend zu kennzeichnen und zu verriegeln (Bruchglas o.ä.), (3) den Ein- und Auslass von Gästen durch diesen „Seitenausgang“ und die dadurch verursachte Ansammlung von Gästen im Bereich der O.-straße zwingend zu unterbinden, (4) die Geräuschabstrahlung durch die geöffnete Tür des Ein- und Ausgangs an der M-J.-Straße baulich zu mindern und durch den Einbau einer inneren Türe oder eines Windfangs mit einem Schalldämm-Maß von mindestens R`w = 20 dB einen lärmreduzierten Vorraum zu schaffen, (5) den Limiter zur Begrenzung der Musikleistung manipulationssicher zu verplomben, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 14).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Beklagte anders als von B. im Gutachten vom 21. Dezember 2012 auf Blatt 21 empfohlen, bis heute gegenüber der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und gegenüber den Betreibern der Diskothek „C. m. D.“ (früher „B.“) nicht angeordnet hat, beim Betrieb des Biergartens nördlich neben den Eingang zur O.-straße hin eine Trennwand mit ca. 2,1 m Höhe und 4 – 5 m Breite aufzustellen, (2) die Beklagte entgegen dem Hinweis von B. (Blatt 24: „Es muss sichergestellt werden,“) bis heute auch nicht angeordnet hat, dass zumindest eine der beiden Türen am Haupteingang geschlossen zu halten ist, (3) die Beklagte anders als vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 4. Januar 2017 auf S. 22 wegen der festgestellten Richtwertüberschreitungen angeregt, bis heute weder den Einbau einer Lärmschleuse an der Hintertür noch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings angeordnet hat, sämtliche derzeit für diese Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 15).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass sich im Gebäude M.platz, Fl. Nr. …0, Gemarkung M., in unmittelbarer Nähe zum Gebäude O.-straße 11 und 13 und den in diesem Gebäude liegenden 5 streitgegenständlichen Wohnungen die fünf Diskotheken „P.“ (EG und Zwischengeschoß mit Terrasse), „… bar“ (UG und 1. OG), „R. S.“ (1. UG, 2. UG und EG), „S.“ (UG) und „C. m. D.“ (UG, EG und 1. OG) befinden, (2) der Eingang der Diskothek „S.“ an der M-J.-Straße (Ecke M.platz) ca. 70 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist. (3) der Eingang der Diskothek „C. m. D.“ an der M-J.-Straße ca. 30 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (4) die Diskothek „C. m. D.“ über einen sog. Wirtschaftsgarten (Biergarten) verfügt, der ca. 25 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (5) die Diskothek „R. S.“ über einen sog. Wirtschaftsgarten verfügt, der ca. 70 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (6) die Besucher sämtlicher fünf Diskotheken Zugang zu den Wirtschaftsgärten und Freischankflächen haben (7) die Anlieferungen für die 5 Diskotheken über die „Hintertür“ des „C. m. D.“ an der O.-straße erfolgen, (8) sich auf dem Dach der Diskothek „P.“ große und lärmintensive Klima- und Entlüftungsanlagen in Richtung O.-straße befinden., einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 16).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass sich von den streitgegenständlichen Wohnungen aus der Blick auf den Dachaufbau des „H. d B. W.“, …-Straße ... (Rückgebäude) eröffnet, wobei es sich bei diesem gut 15 m – 16 m langen Aufbau um ein sog. „Rückkühlsystem“ handelt, das heißt eine sehr groß dimensionierte Klimaanlage, die sehr geräuschvoll arbeitet, (2) dass der zum Gebäude O.-straße 11 und 13 hin gewandte Innenhof des „Hauses der Bayerischen Wirtschaft“ im Sommer bewirtschaftet wird, wobei die Kantine im Erdgeschoss über eine Freischankfläche im Innenhof verfügt, (3) dass die Anlieferungen für das „Haus der Bayerischen Wirtschaft“ über den zum Gebäude O.-straße 11 und 13 gewandten Innenhof erfolgen, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 17).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass in der näheren Umgebung der fünf Diskotheken und des Gebäudes O.-straße 11 und 13 bei den Anwesen O.-straße 9, K. Straße, M.platz, O.-straße 16, M-J.-Straße, M-J.-Straße 2, M-J.-Straße …, M-J.-Straße, M-J.-Straße ... und M.platz ... – mit Ausnahme des streitgegenständlichen Gebäudes O.-straße 11 und 13 selbst – keinerlei Wohnnutzung anzutreffen ist, (2) dass sich vielmehr im Gebäude O.-straße 9 nur gewerbliche und freiberufliche Nutzungen, das Königlich Nepalesische Konsulat sowie im EG ein Nagelstudio befinden, (3) dass das fünfgeschossige Gebäude K. Straße ... Ecke O.-straße/K. Straße) die Fachhochschule für Architektur beherbergt, (4) dass sich im Gebäude O.-straße 16 die Berufsvereinigung von Unternehmern, Angestellten freier Berufe und Selbständigen in Handel und Gewerbe e.V., ferner die Firma „L. D. D.“ befindet, (5) dass das Gebäude M-J.-Straße ... ausschließlich von der Handwerkskammer für München und Oberbayern (HWK) genutzt wird, (6) dass sich im Gebäude M-J.-Straße 2 ausschließlich die Industrie- und Handelskammer (IHK) befindet, (7) dass es sich beim Gebäude M-J.-Straße … um das „H. d. B. W.“ handelt, das rein gewerblich genutzt wird, wobei im EG das Bistro „Conti“ betrieben wird, (8) dass das Gebäude M-J.-Straße ... ausschließlich gewerblich genutzt wird, (9) dass im Gebäude M-J.-Straße ... nur der B. B. untergebracht ist und (10) dass die Gebäude M.platz ... und M.platz ... auch abgesehen von den dort vorhandenen Diskotheken ausschließlich gewerblich und freiberuflich genutzt werden, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 18).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass der Wirtschaftsgarten (Biergarten) der Diskothek „C. m. D.“ nach wie vor, wie im Gutachten des Sachverständigen vom Januar 2017 auf S. 21 angegeben, zu 64 qm genutzt wird, (2) dass der auf Anlage 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 9. Oktober 2017 als „abgesperrter Bereich“ gekennzeichnete Bereich dieses Biergartens tatsächlich nicht abgesperrt ist, sondern im Sommer ebenfalls als Biergarten genutzt wird, (3) dass auch der auf dieser Anlage als „Garderobe und Kasse“ gekennzeichnete Bereich des Biergartens im Sommer ebenfalls als Biergarten genutzt wird, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen im Juli jeweils von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 19).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass man von den fünf streitgegenständlichen Wohnungen und von deren Außenwohnbereichen aus deutlich den Lärm der die Diskotheken an- und von den Diskotheken abfahrenden Taxis und sonstigen Fahrzeugen hört, (2) dass dieser Lärm, ebenso wie der aus den Diskotheken hörbare Musiklärm, jedoch immer wieder durch lautes Rufen, laute Gespräche, Pfiffe, Kreischen, Rufen und Schreie der Diskothekenbetreiber übertönt wird, (3) dass die Gespräche teilweise sogar so laut sind, dass sie trotz des Verkehrslärms wörtlich zu verstehen sind, (4) dass eine Vielzahl von Diskothekenbesuchern vor den Diskotheken im öffentlichen Straßenraum in der M-J.-Straße und am M.platz stehen, um zwischendurch zu rauchen, zu trinken, laute Gespräche zu führen, (5) dass Betrunkene vor den Diskotheken liegen, (6) dass Diskothekenbesucher im öffentlichen Straßenraum urinieren und sich erbrechen, (7) dass ständig Gäste kommen und gehen, (8) dass Gäste vor den Diskotheken stehen, laute Gespräche führen, die den Verkehrslärm übertönen, (9) dass Taxis und sonstige Fahrzeuge zu den Diskotheken aus der M-J.-Straße kommend anfahren und vom M.platz über die M-J.-Straße abfahren, teilweise vor dem „M & M.“ in der M-J.-Straße halten und dann weiterfahren, (10) dass Diskothekenmusik deutlich hörbar nach außen dringt, (11) dass Taxischlangen mit bis zu 45 Taxen vor den Diskotheken stehen, nicht nur am M.platz, sondern auch in der M-J.-Straße in beiden Fahrtrichtungen und an der Ecke O.-straße/M-J.-Straße, (12) dass jede Stunde Hunderte von Taxifahrten stattfinden, die ausschließlich der Beförderung von Diskothekenbesuchern dienen, (13) dass die unmittelbar vor dem Gebäude O.-straße 11 und 13 liegenden Längs- und Querparkplätze (Gutachten vom Januar 2017, S. 16 Buchst. c) von den Diskothekenbesuchern genutzt werden, nicht nur als Parkplätze, sondern auch als Treffpunkt und Wartebereich mit lauten Gesprächen, lautem Aufdrehen von Autoradios und laufendem Motor, (14) dass um 5.45 Uhr immer noch Gäste aus den fünf Diskotheken kommen, ständig Taxis dort anfahren, halten und wieder abfahren, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 20).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass der für Kerngebiete geltende Nachtwert der TA-Lärm von 45 dB (A) auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ an den nach der TA-Lärm maßgeblichen Immissionsorten an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen überschritten wird, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 21).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

dass der Lärm der an- und abfahrenden Gäste, wie die Beklagte bereits bei ihren Messungen 2008 ausgeführt hat, deutlich hervortritt, wobei die zu und von den Diskotheken an- und abfahrenden Taxis und sonstigen Pkw dabei als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken erkennbar sind, (1) das Video vom 12. April 2008 in Augenschein zu nehmen, (2) dem Sachverständigen aufzugeben, seine Tonaufzeichnungen zum Gutachten vom Januar 2017 (vgl. S. 15 des Gutachtens: „Tonspuren“) vorzulegen und diese Tonaufzeichnungen in Augenschein zu nehmen (anzuhören), (3) einen Augenschein vor den fünf Diskotheken an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweis- und Verfahrensantrag 22).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass anders als von B. im Gutachten vom 21. Dezember 2012 auf Blatt 21 empfohlen, bis heute beim Betrieb des Biergartens des „C. m. D.“ nördlich neben dem Eingang zur O.-straße hin keine Trennwand mit ca. 2,1 m Höhe und 4 – 5 m Breite aufgestellt ist, (2) dass entgegen dem Hinweis von B. (Blatt 24: „Es muss sichergestellt werden,“) beide Türen am Haupteingang des „C. m. D.“ geöffnet sind, (3) dass anders als vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 4. Januar 2017 auf S. 22 wegen der festgestellten Richtwertüberschreitungen angeregt, bis heute weder der Einbau einer Lärmschleuse an der Hintertür noch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings erfolgt ist, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 23).

Mit weiterem Schreiben vom 2. März 2018 lässt die Klägerin geltend machen, dass – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen „Hintertür“ des Clubs „C. m. D.“ – auch die für kurzzeitige Geräuschspitzen gemäß Nr. 6.1 Abs. 2 TA-Lärm maximal zulässigen (45 + 20) = 65 dB(A) an keiner der fünf Wohnungen eingehalten werden. Im Gutachten des Sachverständigen vom Januar 2017 seien eine Reihe von Pegelspitzen zu erkennen, die deutlich über 65 dB (A) lägen (Abbildungen A 7 - A 13 der Anlagen 5.4 – 5.7 zum Gutachten). Diese Werte könnten zu gesundheitsgefährdenden Aufwachreaktionen führen, so dass schon aus diesem Grunde gesunde Wohnverhältnisse nicht mehr gegeben seien. Tatsächlich handele es sich jedoch um Anlagenlärm. Eine eindeutige Zuordnung der Pegelspitzen könne nur mit Hilfe der Tonaufzeichnungen erfolgen. Der Sachverständige möge diese vorlegen, damit Stellung genommen werden könne. Es werde sich dann zeigen, dass ein erheblicher Teil der Spitzenpegel über 65 dB (A) auf von den Diskothekenbesuchern verursachte sog. „verhaltensbezogene Einzelereignisse“ zurückzuführen seien und infolgedessen Anlagenlärm darstellten. Insoweit werde auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S. in dessen Gutachten vom 24. Oktober 2017 (S. 9 f.) und 28. April 2008 (S. 9 ff.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt, gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO

das Erscheinen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen anzuordnen, damit dieser die Frage beantworten könne, (1) worauf im Einzelnen die im Gutachten vom Januar 2017 auf den Abbildungen A 7 – A 13 der Anlagen 5.4 – 5.7 ersichtlichen, jeweils die 65 dB (A) überschreitenden Pegelspitzen zurückzuführen seien und (2) dazu Stellung nehmen könne, ob er den Ausführungen des Dipl-Ing. (FH) S. in dessen Gutachten vom 24. Oktober 2017 (S. 9 ff.) zu den Spitzenpegeln zustimme und (3) falls nein, aus welchen Gründen er anderer Auffassung sei als S.? (Verfahrensantrag 24).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass nachts an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – immer wieder kurzzeitige Geräuschspitzen auftreten, die über dem nach Nr. 6.1 Abs. 2 TA-Lärm für Kerngebiete maximal zulässigen Wert von nachts 65 dB (A) liegen und (2) dies bei Bewohnern der Wohnungen zu gesundheitsrelevanten Aufwachreaktionen führen kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 25).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – immer wieder kurzzeitige Geräuschspitzen über dem nach Nr. 6.1 Abs. 2 TA-Lärm für Kerngebiete maximal zulässigen Wert von nachts 65 dB (A) aufgrund sog. „verhaltensbezogener Einzelereignisse“, wie lautes Sprechen, Schreien, Kreischen, Anstoßen mit Glasflaschen usw. auftreten, die von den Besuchern der 5 Diskotheken verursacht werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 26).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

dass ein erheblicher Teil der Pegelspitzen über 65 dB (A), die auf den Abbildungen A 7 - A 13 der Anlagen 5.4 – 5.7 des Gutachtens vom Januar 2017 ersichtlich sind, auf „verhaltensbezogene Einzelereignisse“ zurückzuführen sind, die von den Besuchern der Diskotheken verursacht werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 27).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Beklagte seit ihrer vom Referat für G. und U. durchgeführten Messung im Jahre 2008 keine weiteren Lärmmessungen an den fünf Wohnungen durchgeführt hat, (2) angesichts der seitdem erfolgten mehrfachen Betriebserweiterungen der fünf Diskotheken aber damit zu rechnen ist, dass eine Messung heute noch höhere Beurteilungs- und Spitzenpegel an den Wohnungen in der O.-straße ergeben würden, als dies bereits 2008 der Fall war, (3) der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom Januar 2017, wäre er so verfahren wie das Referat für G. und U. bei seinen Messungen 2008 – also bei Erfassung des Gesamtlärms und anschließendem Abzug des Fremdgeräuschanteils, bei Bewertung der „verhaltensbezogenen Einzelereignisse“ nicht als Verkehrslärm, sondern als Anlagenlärm usw. – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ zu einer Überschreitung sowohl des Beurteilungs- als auch des Spitzenpegel gekommen wäre, die nach TA-Lärm in einem Kerngebiet zulässig sind, (3) der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige, wäre er in seinem Gutachten vom Januar 2017 korrekt verfahren, auch die durch Besucher der Diskotheken verursachten Geräusche als Anlagenlärm nach TA-Lärm – und nicht als Verkehrslärm nach der 16. BImSchVbewerten hätte müssen, die er in seinem Gutachten auf S. 15 f. unter Buchst. a), b), c), d), f), h, und j) nennt, was dann auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ zu einer Überschreitung sowohl der Beurteilungs- als auch Spitzenpegel geführt hätte, die nach der TA-Lärm in einem Kerngebiet zulässig sind, eine amtliche Auskunft des Referats für G. und U. der Beklagten einzuholen (Verfahrensantrag 28).

Die Klägerin beantragt weiter, zum Beweis der Tatsache,

dass keine der 5 Diskotheken über eigene Stellplätze verfügt, einen Augenschein einzunehmen und eine amtliche Auskunft der Lokalbaukommission der Beklagten einzuholen (Beweisantrag 29).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die Beklagte von keiner der fünf Diskotheken den Nachweis von Stellplätzen gefordert hat, eine amtliche Auskunft der Lokalbaukommission einzuholen, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Verfahrensantrag 30).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Besucher der Diskotheken daher die öffentlichen Parkplätze benutzen, die unmittelbar vor dem Gebäude O.-straße 11 und 13 liegen (Gutachten vom Januar 2017, S. 16) und (2) nachts Tausende von Besuchern um den durch die O.-straße, die M-J.-Straße, den M.platz und den Park zwischen M.platz und O.-straße eingerahmten Diskothekenblock von Club zu Club ziehen, also von „S.“ zu „C. m. D.“, von „P.“ zu „C. m. D.“ usw., auch jeweils in gegenläufiger Richtung, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 31).

Mit weiterem Schreiben vom 22. März 2018 lässt die Klägerin unter abrissartiger Wiederholung ihres bisherigen Vortrags ausführen, am … März 2017 habe anstelle des „G.“ das „S.“ mit über 1.000 qm eröffnet. Es handele sich nicht um eine bloße Umbenennung, wie der Vertreter der Beklagten im erstinstanzlichen Augenschein am 15. März 2017 behauptet habe, sondern um eine erhebliche Betriebserweiterung. Damit seien nunmehr über 1.000 Gäste allein im „S.“ möglich und zu erwarten. Der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige habe dies in seinem Gutachten vom Januar 2017, das vor der Neueröffnung erstellt worden sei, naturgemäß nicht berücksichtigen können. Allein deshalb sei ein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich. Ferner lässt die Klägerin eine weitere Stellungnahme 710-2485-S2 des Büros Möhler & Partner vom 10. Juni 2009 vorlegen, bei der es sich um eine von der Beklagten beanstandete Vorgängerfassung der Stellungnahme 710-2485-S3 vom 2. Oktober 2009 handele. Die Beklagte habe die Fassung vom 10. Juni 2009 durchgestrichen, auf der letzten Seite mit einem Fragezeichen und auf Seite 1 mit einem dicken Ausrufezeichen und der Bemerkung: Stimmt so nicht! versehen. Aus dem Inhalt dieser Stellungnahme ergäben sich Konsequenzen für die Verwertbarkeit des Gutachtens des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen. Es zeigten sich erneut erhebliche Zweifel an dessen Unparteilichkeit und Sachkunde. Beides führe, bereits je für sich genommen, zur Unverwertbarkeit des Gutachtens vom Januar 2017.

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass der am … März 2017 neu eröffnete Club „S.“ über eine Fläche von 1.000 qm verfügt, einen Augenschein einzunehmen, eine amtliche Auskunft der Beklagten (KVR, LBK und RGU) einzuholen; die diesbezüglichen Akten der Beklagten zu den vorliegenden Berufungsverfahren beizuziehen, (2) dass die erfolgte Erweiterung auf 1.000 qm dazu führt, dass allein der Club „S.“ über 1.000 Gäste aufnehmen kann, einen Augenschein einzunehmen; ein Sachverständigengutachten einzuholen; eine amtliche Auskunft der Beklagten (KVR, LBK und RGU) einzuholen, (3) dass die erfolgte Erweiterung auf 1.000 qm und die dadurch bedingte Erhöhung der Gästezahl von 300 auf mehr als 1.000 dazu führt, dass sich der an den fünf Wohnungen zu erwartende Lärm um mehr als 5 dB(A) erhöht, ein Sachverständigengutachten einzuholen; eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen (Beweisantrag 32).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen,

dass die Stellungnahme zum Schallschutz 710-2485-S2 vom 10. Juni 2009 von der Beklagten als nicht verwertbar beanstandet wurde, weil sie erhebliche fachliche Fehler enthielt, so beispielsweise (a) das zu beurteilende Vorhaben lediglich als „Gastraumerweiterung im Obergeschoss“ einer „Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Musikdarbietungen“ behandelte, obwohl es tatsächlich um die Erweiterung und Nutzungsänderung einer bestehenden Schank- und Speisewirtschaft in eine Diskothek/einen Nachtclub ging, (b) von einer gleichbleibenden Gästezahl ausging, obwohl selbst nach Auffassung der Beklagten von einer Erhöhung des Betriebsumfangs um ca. 20% und einer Erhöhung der Gästezahl von 190 auf 230 auszugehen war, (c) den Geräuschanteil der Erweiterungsfläche (Zusatzbelastung) an den maßgeblichen Immissionsorten in der Nachbarschaft im Nachtzeitraum (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) mit – viel zu niedrigen – Beurteilungspegelanteilen von angeblich „mindestens 20 dB(A) unter den jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerten“ prognostizierte, eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen (Beweisantrag 33).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die auf Anlage K 49 erkennbaren Parkplätze von den Besuchern der Diskotheken nachts als Warte- oder Treffpunkt mit Musik, mit oder ohne laufenden Motor genutzt werden, wobei die lauten Gespräche, das Schreien, Rufen usw. auf diesen Parkplätzen in den fünf Wohnungen deutlich wahrnehmbar ist, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 34).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die massive Verschmutzung der Umgebung (u.a. durch auf der Straße oder im Fußgängerbereich urinierende und sich erbrechende Gäste), die erhöhte Kriminalität (wie z.B. Sachbeschädigungen), eine Vielzahl betrunkener Diskothekengäste und eine entsprechende Drogenszene nach polizeilicher Erfahrung bei einem Betrieb von 5 Diskotheken in einer Millionenstadt mit Tausenden von Gästen pro Nacht bis in den frühen Morgen typischerweise verbunden und letztlich nicht vermeidbar ist, eine amtliche Auskunft der zuständigen Polizeiinspektion einzuholen (Beweisantrag 35).

Die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass der Biergarten des „C. m. D.“ in den Sommermonaten voll besetzt ist, einen Augenschein an einem Samstag im Juli von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 36).

Die Klägerin beantragt zum Beweis der Tatsache,

dass an den Wochenenden im Sommer, an Fasching, Silvester und bei Events, die das ganze Jahr über in den 5 Diskotheken stattfinden, an den fünf Wohnungen mindestens Lärm in der Höhe auftritt, wie sie der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom Januar 2017 an den Oktoberfesttagen gemessen hat, eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen; ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 37).

Unabhängig hiervon stelle selbst das mangelhafte Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen der Sache nach fest, dass – jedenfalls derzeit – noch keine „gesunden Wohnverhältnisse“ gewährleistet seien. Der Sachverständige halte vielmehr eine ständige Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“, eine Umorganisation des Caterings zur Sicherstellung derselben und – mit Ausnahme der Wohnung Nr. 19 – auch den Einbau von Schalldämmlüftern für erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 15. März 2017 – M 9 K 15.4207, M 9 K 15.4208, M 9 K 15.4209, M 9 K 15.4210 und M 9 K 15.4211 – und der beiden Bescheide vom 19. April 2013 und der drei Bescheide vom 25. Juli 2013 zu verpflichten, die beantragten Negativatteste zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit ihrer Berufungserwiderung vom 6. Dezember 2017 und einer weiteren Stellungnahme vom 15. Januar 2018 verteidigt sie das Urteil des Verwaltungsgerichts. Dieses sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Vorliegend gehe es nicht um die Schaffung neuen, sondern die Erhaltung geschützten Wohnraums. Infolgedessen sei es zulässig, die Klägerin auf die sog. „architektonische Selbsthilfe“ zu verweisen. Von Klägerseite seien keine Tatsachen vorgetragen worden, die geeignet seien, das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten inhaltlich zu erschüttern, auch nicht hinsichtlich seiner Objektivität und Wissenschaftlichkeit. Die urbane Vitalität des Umgriffs der streitgegenständlichen Wohnungen sei nie bestritten worden. Die Ausführungen der Klägerseite zur Kapazität und zum Besucherprofil der sich in der Nähe der streitgegenständlichen Wohnungen befindenden Diskotheken bildeten die Tatsachenbasis des vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachtens. Dessen Feststellungen seien korrekt und die Durchführung eines Augenscheins deshalb überflüssig. Für den Versuch der Klägerseite, den Leumund des Sachverständigen in Abrede zu stellen, bestehe kein Verständnis. Die fachlichen Einschätzungen des Gutachters unterlägen keinem Zweifel. Auf dieser Grundlage habe das Verwaltungsgericht die richtigen Schlüsse gezogen. Demgegenüber erschließe sich nicht, welche Relevanz den einzelnen Gaststättenerlaubnissen und Besucherzahlen zukommen solle. Die Ausführungen der Klägerseite zu Kapazität und Besucherprofil der Diskotheken seien nicht entscheidungserheblich. Der tatsächlich entstehende Lärm sei durch das Gutachten zutreffend erhoben worden. Das von der Klägerin vorgelegte Video vom 12. April 2008 stelle lediglich eine Momentaufnahme der örtlichen Verhältnisse von vor neun Jahren dar. Weshalb dieser Momentaufnahme ein höherer Beweiswert zukommen solle als dem aktuellen Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen, werde von der Klägerin weder dargelegt noch sei dies sonst ersichtlich. Die im Gutachten des Sachverständigen näher beschriebenen Umstände zum Zeitpunkt der Messungen – Öffnung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ und Nutzfläche des Wirtschaftsgartens – seien inzwischen behoben worden. Insoweit werde auf das Schreiben vom 9. Oktober 2017 verwiesen. Die von Klägerseite in Bezug genommenen Zeitungsartikel zu den Besucherzahlen der Diskotheken, die Videoaufnahme aus dem Jahr 2008 und der vorgeschlagene Augenschein zur Nachtzeit seien als Beweismittel untauglich.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten unter Fristsetzung bis 2. März 2018 zu einer beabsichtigten Entscheidung nach § 130a VwGO angehört. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat der beabsichtigten Verfahrensweise nach weiterem Sachvortrag und zusätzlichen Beweisanträgen (vgl. Schreiben vom 19., 23. und 28. Februar 2018) mit Schriftsatz vom 2. März 2018 widersprochen und weitere Beweisanträge gestellt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert. Mit Schreiben vom 8. März 2018 hat der Senat die Klägerin unter Fristsetzung für eine abschließende Stellungnahme bis zum 22. März 2018 darauf hingewiesen, dass an der beabsichtigten Verfahrensweise festgehalten werde. Zwischenzeitlich mit Schreiben vom 19. März 2018 unter Bezugnahme auf ein noch beim Referat für G. und U. der Beklagten anhängiges (außerprozessuales) Auskunfts- und Akteneinsichtsgesuch eingegangenen Anträgen auf Fristverlängerung hat der Senat unter Hinweis auf die seiner Rechtsauffassung nach bestehende Unerheblichkeit dieser Gesuche für die Entscheidungsfindung mit Schreiben vom 20. März 2018 nicht entsprochen. Mit Schreiben vom 22. März 2018 ist die Klägerin der beabsichtigten Verfahrensweise erneut entgegengetreten. Darüber hinaus hat sie (wie dargelegt) weiter zur Sache vorgetragen und zusätzliche Beweisanträge gestellt. Ferner hat sie unter Hinweis auf das noch beim Referat für G. und U. der Beklagten anhängige außerprozessuale Auskunftsersuchen erneut beantragt, die mit Schreiben vom 8. März 2018 eingeräumte Äußerungsfrist zu verlängern.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässigen, zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Berufungen bleiben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständlichen Klagen zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1. Der Senat entscheidet über die Berufungen nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss, da er diese einstimmig für zulässig, aber unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Rechtssache weist nach der ausführlichen Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 –, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 – 10 C 13.09 –, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind – soweit entscheidungserheblich – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641 f.]; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 3 ff.) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl. 2015, 416 ff.) hinreichend geklärt. Der Senat setzt insoweit lediglich seine, auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gründende eigene Rechtsprechung fort.

Das Verfahren wirft weder eine Vielzahl ungewöhnlich schwieriger, umstrittener oder gänzlich neue Materien betreffende (entscheidungserhebliche) Fragen auf noch war ein besonders umfangreicher Streitstoff zu bewältigen (vgl. BVerwG, B.v. 10.6.2008 – 3 B 107/07 – juris, Rn. 5; B.v. 9.12.2010 – 10 C 13/09 – juris, Rn. 24). Soweit die nachfolgende Darstellung der Entscheidungsgründe den durchschnittlichen Rahmen eines Berufungsverfahrens sprengt, beruht dies nicht etwa auf außergewöhnlichen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache, sondern ist lediglich dem weit ausgreifenden Vortrag des Klägerbevollmächtigten und dessen exzessiver Nutzung des Beweisantragsrechts geschuldet. Die 53 Seiten umfassende Berufungsbegründung war der Beklagten gerade einmal eine 3-seitige Erwiderung und eine 1-seitige Ergänzung wert. Zu den nachfolgenden Ausführungen des Klägerbevollmächtigten nahm die Beklagte gar nicht mehr Stellung.

Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Fragen zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welche auf der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gründet (vgl. hierzu U.v. 29.10.1991 – Nr. 22/1990/213/275 –, NJW 1992, 1813 f.), muss in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets und unabhängig von der Art der zu entscheidenden Fragen in der folgenden zweiten Instanz eine weitere mündliche Verhandlung stattfinden (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18). Dies gilt namentlich dann, wenn im Berufungsverfahren – wie hier – im Wesentlichen nur Rechtsfragen zu entscheiden sind und das Berufungsgericht die erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen übernimmt, ohne Beweisergebnisse abweichend von der Beurteilung durch das Ausgangsgericht zum Nachteil eines der Beteiligten zu würdigen (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 –, NVwZ 2004, 108 [110]; B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6; siehe auch Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 130a Rn. 3).

Tatsachenfragen, die eine erneute oder auch nur weitere Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich vorliegend entscheidungserheblich nicht gestellt. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die nach der Rechtsauffassung des Senats selbständig entscheidungstragend zugrunde zu legende „Innen“-Pegelbetrachtung (vgl. hierzu näher 2.), der die Klägerin lediglich aus rechtlichen, nicht aber aus tatsachlichen Gründen entgegengetreten ist. Soweit sich der Senat zugleich – gleichsam hilfsweise – auch zu dem weiteren Vorbringen der Klägerin zur (vom Senat verneinten) Maßgeblichkeit einer „Außen“-Pegelbetrachtung (vgl. 3. – 4.) verhält und die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Beweis- und Verfahrensanträgen gestellt hat, ist eine öffentliche mündliche Verhandlung ebenfalls nicht erforderlich, weil sich die insoweit aufgeworfenen, lediglich vermeintlich entscheidungserheblichen Tatsachen- und Rechtsfragen bereits alleine aufgrund der Aktenlage angemessen beurteilen lassen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18; siehe auch Rudisile, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 130a Rn. 3), ohne dass es insoweit einer (weiteren) Beweiserhebung bedurft hätte.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat der beabsichtigten Verfahrensweise im Rahmen der Anhörung gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO zwar widersprochen; dies gibt dem Senat nach Kenntnisnahme seines weiteren Vorbringens und der zusätzlich gestellten Beweis- und Verfahrensanträge auch nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Durchführung einer Berufungsverhandlung sprechenden Gründe gleichwohl keinen Anlass, in Ausübung des durch § 130a VwGO eingeräumten Ermessens von seiner beabsichtigten Verfahrensweise abzuweichen. Dies wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 8. März 2018 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 22. März 2018 hat die Klägerin erneut Einwendungen gegen die beabsichtigte Verfahrensweise erhoben. Auch diese geben dem Senat nach nochmaliger Prüfung keinen Anlass, von der angekündigten Verfahrensweise abzuweichen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8). Der Umstand, dass die Klägerin einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersprochen hat, macht das Verfahren nach § 130a VwGO nicht fehlerhaft (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 6 B 17/17 – juris, Rn. 14 f.). Mithin kann der Senat in Ausübung des nach § 130a Satz 1 VwGO eingeräumten Ermessens durch Beschluss entscheiden. Von einer erneuten (nunmehr dritten) Anhörung wird abgesehen, da das Vorbringen vom 22. März 2018 nach der insoweit allein maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Senats unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8). Dies gilt auch hinsichtlich der mit Schreiben vom 22. März 2018 angebrachten weiteren Beweisanträge. Auch diese sind unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats nicht entscheidungserheblich (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 130a Rn. 5). Ebenso wenig war über den am letzten Tag der Frist zum dritten Mal gestellten und bereits mehrfach ablehnend entschiedenen Antrag auf erneute Fristverlängerung vor Entscheidung in der Hauptsache erneut (ablehnend) zu entscheiden (vgl. BVerfG, B.v. 29.9.2006 – 1 BvR 2026/06 – juris, Rn. 13 m.w.N.; siehe auch Burkiczak, NVwZ 2016, 806 [811]).

2. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten zweckentfremdungsrechtlichen Negativatteste (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 1, 2 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum v. 10.12.2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.6.2017, GVBl. 182 [Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG], § 10 Variante 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 der Satzung der Beklagten über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum [ZeS] vom 11. Dezember 2017 [MüAbl S. 494]).

Gemäß § 10 Variante 1 ZeS besteht auf Antrag ein Anspruch auf Ausstellung eines Negativattests bei einer Maßnahme, für die eine Genehmigung nicht erforderlich ist, weil Wohnraum nicht vorhanden ist. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liegt ein solcher nicht vor, wenn baurechtlich eine Nutzung nicht (mehr) zulässig ist (Variante 1) und auch nicht genehmigungsfähig ist (Variante 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die streitgegenständlichen Wohnungen sind nach wie vor Wohnraum im Sinne des Zweckentfremdungsrechts, da eine Wohnnutzung auch weiterhin baurechtlich zulässig bzw. genehmigungsfähig ist, wie sich im Einzelnen aus folgendem ergibt:

a) Bei der näheren Umgebung, in der sich die streitgegenständlichen Wohnungen befinden, handelt es sich nach zutreffender Auffassung aller Beteiligten um ein faktisches Kerngebiet (§ 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB i.V.m. § 7 BauNVO), so dass eine Wohnnutzung gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2 Variante 1 BauGB i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO jedenfalls ausnahmsweise in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann (vgl. zu dieser Problemlage auch bereits BVerwG, U.v. 1.10.1986 – 8 C 53/85 –, NJW 1987, 969 [970]; U.v. 2.12.1983 – 8 C 155/81 –, NJW 1984, 2901 [2902]; siehe im Übrigen auch Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 7). Anhaltspunkte dafür, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 34 Abs. 2 Halbs. 2 Variante 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 BauGB durch eine Zulassung der streitgegenständlichen Wohnnutzung vorliegend in sein Gegenteil verkehrt werden könnte und damit gleichsam zur Regel würde, statt auf Einzelfälle beschränkt zu bleiben (vgl. hierzu näher Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, 6. Aufl. 2010, § 31 Rn. 10; Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 31), sind entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist die Zulassung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB (i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB) von einer atypischen (Sonder-) Situation abhängig (vgl. BayVGH, B.v. 22.02.2007 – 15 ZB 06.1638 –, BayVBl. 2007, 661). Es bedarf deshalb – anders als der Klägerbevollmächtigte offenbar meint – auch keiner besonderen, das Abweichen von der Regel rechtfertigenden Umstände (vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 1.10.1986 – 8 C 53/85 –, NJW 1987, 969 [970]). Bleibt die Wohnnutzung unter Beachtung des Grundsatzes der Wahrung des Gebietscharakters – hier dem eines (faktischen) Kerngebiets – auf Einzelfälle beschränkt, ohne dass sich durch eine entsprechende Zulassung das Wesen des Gebiets verändert und hält das jeweilige Vorhaben selbst die Voraussetzungen des § 15 BauNVO (siehe hierzu sogleich) ein, so bleibt für eine ablehnende Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 17 m.w.N.) und gegen die Annahme einer Genehmigungsfähigkeit nach § 31 Abs. 1 BauGB (i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB) nichts zu erinnern (so auch Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 15), auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG).

Da eine Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet vorbehaltlich der konkreten Umstände des Einzelfalls als Ausnahme grundsätzlich zulässig und damit genehmigungsfähig ist, liegt – vorbehaltlich einer nachfolgend zu erörternden Unzulässigkeit im Einzelfall – kein Fall des § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS vor; unter welche der beiden Varianten von § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS die ausnahmsweise zulässige Nutzung zu subsumieren ist, kann insoweit dahinstehen. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Frage, ob nicht zugleich auch ein Fall des § 3 Abs. 3 Nr. 5 ZeS gegeben ist. Nach dieser Vorschrift liegt Wohnraum nicht vor, wenn ein dauerndes Bewohnen unzulässig oder unzumutbar ist, weil der Raum einen schweren Mangel bzw. Missstand aufweist oder unerträglichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist und die Wiederbewohnbarkeit nicht mit einem objektiv wirtschaftlichen und zumutbaren Aufwand hergestellt werden kann. Dieser Tatbestand reicht nicht weiter als die baurechtliche Beurteilung nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat.

Bei der planungsrechtlichen Beurteilung der Wohnnutzung nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS ist mithin – wovon das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist – die Vorschrift des § 15 Abs. 1 BauNVO maßgeblich zu berücksichtigen (vgl. auch bereits BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 [417] Rn. 27). Nach dieser Norm sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets entsteht aber nicht bereits dadurch, dass das Vorhaben der Eigenart lediglich nicht entspricht. Das Vorhaben muss vielmehr in einem deutlichen Gegensatz zu der mit der Planung verfolgten Zielsetzung stehen (vgl. Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 31 Rn. 15 a.E.). Von Bedeutung sind deshalb nur solche Abweichungen, die sich in Bezug auf die einzelnen Merkmale des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Verhältnis zu den nach dem im faktischen Plangebiet zulässigen, die Eigenart des Gebiets bestimmenden Vorhaben als Missgriff darstellen (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.1984 – 4 B 244/84 –, NVwZ 1985, 653; siehe im Einzelnen auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 15 m.w.N.; Pützenbacher, in: Bönker/Bischopnik, BauNVO, 2014, § 15 Rn. 53).

Hieran gemessen steht der baurechtlichen Zulässigkeit der Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Objekten – anders als der Bevollmächtigte der Klägerin meint – § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht entgegen. Der Bevollmächtigte verkennt, dass im Wege der Prüfung, ob ein Vorhaben der Eigenart des Baugebiets widerspricht, die nach §§ 2 bis 14 BauNVO allgemein zulässigen oder – wie hier – ausnahmsweise zulässigen und zugelassenen Anlagen und Nutzungen weder generell in Frage gestellt noch bestimmte Arten von Nutzungen allgemein für unzulässig erklärt werden können (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 16). Die mit dem Ausnahmeermessen eingeräumte planerische Gestaltungsfreiheit kann nicht dazu benutzt werden, die Zulässigkeit eines Vorhabens, das nach den Festsetzungen des Bebauungsplans bzw. den Regelungen der Baunutzungsverordnung ausdrücklich für ausnahmsweise zulässig erklärt worden ist, im Baugebiet aus generellen Erwägungen abzulehnen (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1339 –, BayVBl. 2008, 473 [476]). Die Annahme eines Missgriffs in dem oben erwähnten Sinne ist deshalb regelmäßig ausgeschlossen, wenn ein Vorhaben lediglich die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässigen Möglichkeiten oder die entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 2 i.Vm. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen ausschöpft (vgl. Pützenbacher, in: Bönker/Bischopnik, BauNVO, 2014, § 15 Rn. 53). Allein die Anzahl der Wohnungen und ihre Lage im unmittelbaren Einzugsbereich von Vergnügungsbetrieben begründet, wovon das Verwaltungsgericht im Ergebnis ebenfalls zutreffend ausgegangen ist, im Innenbereich einer Metropole wie der Landeshauptstadt noch keinen Missgriff in bauplanungsrechtlicher Hinsicht. Die Frage, ob die streitgegenständlichen Wohnungen in der unmittelbaren Nähe der fünf Diskotheken im konkreten Einzelfall ausnahmsweise zulässig sind, beurteilt sich deshalb vorliegend allein nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Halten die auf die streitgegenständlichen Wohnungen einwirkenden Belästigungen und Störungen den Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauNVO ein, so ist gegen die baurechtliche Zulässigkeit des Wohnens in den streitgegenständlichen Objekten nichts zu erinnern.

Unzulässig sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten Anlagen im Einzelfall (auch) dann, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall – etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart – unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drs. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart – wie hier das faktische Kerngebiet – gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.1990 – 4 B 240/89 –, NVwZ 1990, 557 [558]; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 –, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 –, BVerwGE 52, 122 [126]; U.v. 5.8.1983 – 4 C 96.79 –, BVerwGE 67, 334 [339]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m.w.N.).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist deshalb regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidungen und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 –, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, ist mit anderen Worten ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 –, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrückl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 –, BVerwGE 98, 235 [246]; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 [417] Rn. 31).

Ist ein Innenbereichsgrundstück Lärm ausgesetzt, der die festgesetzten Richtoder Grenzwerte überschreitet, so folgt daraus im Lichte des Zweckentfremdungsrechts noch nicht notwendigerweise, dass die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse nicht (mehr) gewahrt wären. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB bezeichnet mit dem Erfordernis der Wahrung gesunder Wohnverhältnisse – als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) – lediglich eine äußerste Grenze der zulässigen Bebauung von Grundstücken im Innenbereich (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 –, NVwZ 1990, 879 [881]). Für die Wahrung gesunder Wohnverhältnisse ist im Lichte des Zweckentfremdungsrechts nicht auf den Schutz von Außenwohnbereichen abzustellen. Das liegt mit Blick auf allgemein anzutreffende innerstädtische Wohnbedingungen auf der Hand (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22 m.w.N.) und wird auch vom erkennenden Senat – nachdem das Zweckentfremdungsrecht mit der Föderalismusreform I im Jahre 2006 in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder überführt wurde (vgl. hierzu Degenhart, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 74 Rn. 81), der Freistaat Bayern von dieser Kompetenz mit dem Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017, GVBl. 182 Gebrauch gemacht hat (vgl. auch Lt-Drucks. 15/8369, S. 1 u. 6) und dieses Rechtsgebiet deshalb nunmehr irrevisibles Landesrecht darstellt – weiterhin in gleicher Weise beurteilt.

Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen aus dem Vorhandensein einer Immissionsbelastung die Unzumutbarkeit eines dauernden Bewohnens folgt, lässt sich nicht generell festlegen; insbesondere kann eine Grenze insoweit nicht zahlenmäßig fixiert werden (so auch bereits BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12). Wann die Schwelle der Unzumutbarkeit erreicht ist, hängt vielmehr von einer Würdigung der jeweiligen Sachlage des Einzelfalls ab (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 3). Diese ist von Rechts wegen dahin intendiert, dass an die zur Freistellung vom Zweckentfremdungsverbot führende Unzumutbarkeit des Bewohnens eher hohe als geringe Anforderungen gestellt werden müssen (so ausdrückl. auch bereits BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12). Letzteres ergibt sich nicht nur aus der vom Zweckentfremdungsverbot angestrebten Erhaltung des Wohnraumbestands in Verbindung mit der Indizkraft der Tatsache, dass es sich typischerweise um langjährig bewohnte Räume handelt, sondern wird überdies zugleich auch durch das Nebeneinander von zwei Feststellungsalternativen gerechtfertigt. Denn ein Eigentümer, dem zwar die Unbewohnbarkeit der von ihm für eine Zweckentfremdung vorgesehenen Räume nicht zugestanden werden kann, braucht sich gleichwohl des Zweckentfremdungsverbot nicht entgegenhalten zu lassen, wenn die Räume vom Markt als Wohnung nicht mehr angenommen werden (vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; siehe auch § 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS a.F. – nunmehr unmittelbar Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2, 2. Alt. ZES). An dieser vom Bundesverwaltungsgericht begründeten Rechtsauffassung hält der Senat auch nach dem Übergang der Rechtsmaterie in irrevisibles Landesrecht fest.

Überschritten ist die Grenze des Zumutbaren aber jedenfalls dann, wenn die Belastung so stark ist, dass sie als „schwer und unerträglich“ im eigentumsrechtlich-verfassungsrechtlichen Sinne angesehen werden muss (so auch bereits BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 3). Letzteres ist nur (aber eben auch stets) dann anzunehmen, wenn eine Wohnung über keinen Aufenthaltsraum auf der dem Lärm abgewandten Seite verfügt und die Wohnung deshalb nicht angemessen gelüftet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [642]) bzw. auch der Einbau von Schallschutzfenstern mit Schalldämmlüftern zur fensterunabhängigen Belüftung keine wirksame Abhilfe zu schaffen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 6). Diese, zum früheren Zweckentfremdungsrecht des Bundes begründete Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts macht sich der Senat auch weiterhin zu eigen und hält an ihr auch nach dem Übergang der Rechtsmaterie in irrevisibles Landesrecht (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 9.8.2002 – 9 B 35/02 –, NVwZ 2002, 1505; siehe auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 82) weiter fest. Insoweit ergibt sich zum früheren Rechtszustand keine Änderung.

Irrevisibles Landesrecht liegt insbesondere (auch) dann vor, wenn – wie hier – Landesrecht in der Gestalt kommunalen Satzungsrechts (vgl. Art. 1, 2 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS) auf bundesrechtliche Vorschriften (des Bauplanungsrechts) verweist, die Normen des Bundesrechts aber nicht kraft eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers Geltung beanspruchen, sondern kraft Bezugnahme im Landesrecht, d.h. infolge eines Anwendungsbefehls des Landesgesetzgebers bzw. des kommunalen Satzungsgebers zu beachten sind (vgl. BVerwG, B.v. 2.7.2009 – 7 B 9/08 –, NVwZ 2009, 1037; B.v. 28.03.2007 – 10 B 43.06 –, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 50). Sind die Normen des Landes- und des Bundesrechts – wie hier – durch Bezugnahmen miteinander verschränkt, liegt revisibeles Bundesrecht nur dann vor, wenn die Anwendung der Norm des Bundesrechts auf den konkret geregelten Sachverhalt auf dem Gesetzesbefehl eines Rechtssetzungsorgans des Bundes beruht. Kommt die Norm des Bundesrechts hingegen aufgrund eines Normsetzungsbefehls des Landesgesetzgebers bzw. eines kommunalen Satzungsgebers zur Anwendung, so ist sie nicht revisibel (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.2013 – 7 C 4/12 –, NVwZ-RR 2013, 462 [463] Rn. 14).

Die bundesrechtlichen Regelungen des Bauplanungsrechts finden auf den vorliegend streitgegenständlichen, ausschließlich zweckentfremdungsrechtlich zu beurteilenden Sachverhalt allein aufgrund des Gesetzgebungsbefehls des Landesgesetzgebers bzw. des kommunalen Satzungsgebers Anwendung. Mit Art. 1, 2 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS wird der Geltungsbereich des bundesrechtlich geregelten Bauplanungsrechts erweitert, nämlich auf einen von ihm nicht erfassten Tatbestand, den des Zweckentfremdungsrechts, erstreckt. Die in Art. 1, 2 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS in Bezug genommen Vorschriften des Bauplanungsrechts werden im Umfang ihrer Inbezugnahme ebenso als Landesrecht angewendet, wie wenn das Landesrecht (Art. 1, 2 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS) statt lediglich auf die bauplanungsrechtlichen Normen des Bundesrechts zu verweisen, deren Wortlaut ausdrücklich wiedergeben würde (vgl. BVerwG, B.v. 16.4.2003 – 9 B 81/02 –, NVwZ 2003, 995 [996]; siehe auch Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 76 m.w.N.). Ob in diesem Sinne – wie hier – eine inhaltliche Rezeption des Bundesrechts mit der Folge einer Einordnung als irrevisibles Landesrecht vorliegt oder eine bloße Anknüpfung an Bundesrecht mit der Konsequenz der Annahme revisibelen Bundesrechts gegeben ist, wurzelt als Frage der Auslegung des Landesrechts in erster Linie in der Entscheidungskompetenz des (Landes-) Berufungsgerichts (so ausdrücklich BVerwG, U.v. 21.2.2013 – 7 C 4/12 –, NVwZ-RR 2013, 462 [463] Rn. 14 a.E.).

Der Senat ist deshalb in den durch höherrangiges Recht, namentlich dem Schutz des Eigentums aus Art. 14 GG, gezogenen Grenzen berechtigt und zugleich auch verpflichtet, die Anforderungen, die im Rahmen des Zweckentfremdungsrechts an die Gewährleistung gesunder Wohnverhältnisse zu stellen sind, auf der Grundlage des Gesetzeszwecks, nämlich der Erhaltung des Wohnraumangebots in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (vgl. LT-Drucks. 17/15781, S. 1 u. 4; siehe auch bereits LT-Drucks. 15/8369, S. 1), eigenständig und letztverbindlich zu konkretisieren. Dies schließt die ausdrückliche Befugnis ein, die Anforderungen nach dem Zweckentfremdungsrecht in anderer Art und Weise zu bestimmen als nach dem Bauplanungsrecht. Von dieser Kompetenz macht der Senat in Übereinstimmung mit der zum früheren Zweckentfremdungsrecht des Bundes ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Gebrauch, die aufgrund der Besonderheiten innerstädtischer Wohnbedingungen ebenfalls nicht auf den Schutz von Außenwohnbereichen abhob, sondern in gleicher Weise wie auch der erkennende Senat ausschließlich auf die Einhaltung sog. „Innen“-Pegel abstellte (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22 m.w.N.; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 [417] Rn. 31). Auf die Maßgeblichkeit der „Innen“-Pegel hat der Senat auch in seiner Entscheidung vom 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 (417 f.) Rn. 31 a.E. ausdrücklich hingewiesen. Die Rechtsauffassung des Senats ist daher für die Klägerin keineswegs „überraschend“; sie begründet deshalb auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Vielmehr oblag es dem Bevollmächtigten der Klägerin, sowohl sich selbst, als auch seine Mandantin hierauf rechtzeitig einzustellen.

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der dem lärmabgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, s. insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BauNVO 1994) – gegebenenfalls auch nachträglich – gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m.w.N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum (auch nicht nach dem Einbau sog. Schalldämmlüfter) gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein mit der Folge, dass ein weiteres Festhalten des Eigentümers am Verbot der Zweckentfremdung unzulässig wäre.

Werden indes die – hier nicht (unmittelbar) geltenden – Grenzwerte der 16. BImSchV – Verkehrslärmschutzverordnung – von 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036, zuletzt geändert durch Gesetz v. 19.9.2006, BGBl I S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 –, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Emissionen kann auf die Werte der TA-Lärm vom 26. August 1998 (GMBl 1998, 503), zuletzt geändert durch ÄndVwV v. 1.6.2017 (BAnz AT 08.06.2017 B5), zurückgegriffen werden (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 und 39). Dabei ist für den Bereich des Zweckentfremdungsrechts – wie bereits erwähnt – maßgeblich indes nicht auf den „Außen“-Wohn-, sondern auf den „Innen“-Wohnbereich“ (sog. „Innenpegel“) abzustellen (so auch bereits BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 –, NVwZ 1991, 879 [881]). Dies liegt mit Blick auf die allgemein anzutreffenden innerstädtischen Wohnbedingungen auf der Hand (so ausdrückl. BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22 m.w.N.) und gilt nicht etwa nur hinsichtlich des Verkehrslärms, sondern auch mit Blick auf andere Immissionsbelastungen, insbesondere solche anlagebezogenen Lärms. Letzteres lässt sich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, da die Immissionsquelle Verkehrslärm dort lediglich beispielhaft („namentlich“) erwähnt wird (ebenso bereits zuvor BVerwG, U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12 und später erneut bestätigt durch BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5: [„insbesondere“]). Wird deshalb im Innenwohnbereich ein („Innen“)-Pegel von 40 dB(A) in Wohnräumen und ein solcher von 30 bis 35 dB(A) in Schlafräumen nicht überschritten, so ist – (auch) nach der Auffassung des erkennenden Senats – die zweckentfremdungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze der Belastung mit Lärm regelmäßig (noch) als gewahrt zu betrachten (vgl. auch BVerwG, U. v. 23.04.1997 – 11 A 17.96 –, Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13, S. 9 f.; U.v. 17.4.2000 – 11 A 18/98 –, NVwZ 2001, 82 [88] m.w.N.), auch wenn sich eine zahlenmäßige Fixierung grundsätzlich verbietet und es sich insoweit lediglich um einen Orientierungsrahmen handelt.

b) Nach dem Ergebnis des vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens, dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls selbstverantwortlich überprüft und nachvollzogen – siehe hierzu später – und sich erst auf der Grundlage dieser Prüfung und Bewertung zu eigen gemacht hat (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, U.v. 2.4.1969 – VI C 76.65 –, Buchholz 232 § 139 BBG Nr. 9), werden hinsichtlich des Verkehrslärms die (Außen-)immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten (vgl. zusammenfassendes Ergebnis im Gutachten aus S. 20; vgl. außerdem Nr. 4.2 des Gutachtens auf den S. 17 - 20). Insoweit ergibt sich von vornherein kein Nutzungskonflikt.

Hinsichtlich des von den Vergnügungsbetrieben ausgehenden Anlagenlärms kommt das Gutachten aufgrund der auf den Außenmessungen beruhenden Berechnungen – dem Sachverständigen wurde kein Zutritt für Messungen in den Wohnungen gewährt – zu dem in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass in den streitgegenständlichen Objekten die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse unter allen Umständen eingehalten werden können (sog. „Innen-Pegel-Betrachtung“). Wörtlich führt das Gutachten hierzu auf Seite 25 aus:

„Bereits die Inaugenscheinnahme des Gebäudes von außen lässt eine Schalldämmung von R´w,res > 35 dB erwarten (Kunststofffenster mit Isolierverglasung).

Eine Schalldämmung von R´w,res = 40 dB ist bei dem Fensterflächenanteil der Wohnungen von etwa 0,3 bis 0,6 mit einem Schallschutzfenster der oberen Schallschutzklasse 4 nach VDI 2719 [..] herstellbar.

Eine natürliche Belüftung der Wohnungen ist im Fall der durchgesteckten Wohnung (1, W Nr. 19) von der lärmabgewandten Innenhofseite möglich. Die übrigen Wohnungen sind einseitig zur O.-Straße hin orientiert. Für diese Wohnungen kann ein Mindestluftwechsel auch bei geschlossenen Fenstern durch den Einbau eines Schalldämmlüfters oder einer technisch gleichwertigen Einrichtung zur fensterunabhängigen Belüftung sichergestellt werden.

Auf die festgestellte Lärmsituation kann durch baulich-technische Maßnahmen hinreichend reagiert werden, die nicht über den gewöhnlichen Umfang im Wohnungsbau in vergleichbarer innerstädtischer Lage hinausgehen (Schallschutzfenster und ggfs. Schalldämmlüfter), sofern die Wohnungen nicht bereits heute mit dem erforderlichen Mindestschallschutz ausgestattet sind. Die Außenwohnbereiche der Wohnungen (2, W Nr. 9, 3, W Nr. 32, 4, W Nr. 16, 5, W Nr. 8) sind uneingeschränkt nutzbar, da im Tageszeitraum keine Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV festgestellt wurden und diese Nutzungen nur am Tage ausgeübt werden.

Zusammenfassend sind aus schallschutzfachlicher Sicht gesunde Wohnverhältnisse in der festgestellten Immissionssituation mit einfachen baulichen Maßnahmen gewährleistet, sofern die vorhandenen Wohnungen diese nicht bereits ohnehin aufweisen.“

Danach steht der Klägerin kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste zu. Der im Verfahren erster Instanz bestellte Sachverständige beziffert den Schalldämmwert der Fenster an den Wohnungen der Klägerin (Kunststofffenster mit Isolierverglasung) in seinem Gutachten mit 35 dB(A). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei Räumen üblicher Größe mit Fenstern üblicher Größe und Konstruktion in massiven Außenwänden selbst bei einem geschlossenem Einfachfenster bereits ein Unterschied von 20 bis 25 dB(A) zwischen den Mittelungspegeln außen und innen angenommen werden (vgl. U.v. 5.3.1997 – 11 A 25.95 –, BVerwGE 104, 123 [130 f.]; U.v. 12.4.2000 – 11 A 18/98 –, NVwZ 2001, 82 [88]). Damit wären selbst im Falle einer Überschreitung des in einem faktischen Kerngebiet nach Ziff. 6.1 Satz 1 d) der TA-Lärm zulässigen Außenpegels von 45 dB(A) nachts um bis zu 5 dB(A) infolge einer wider Erwarten nicht ständig geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ die Innenraumpegel von 40 dB(A) in den Wohnräumen und von 30 bis 35 dB(A) in den Schlafräumen der streitgegenständlichen Objekte auch dann noch eingehalten, wenn die streitgegenständlichen Wohnungen lediglich über Einfachfenster verfügen würden (50 dB(A) – 20 dB(A) = 30 dB(A)) zur Nachtzeit maximal). Gleiches gilt hinsichtlich einer Überschreitung der Spitzenpegel nachts um bis zu 3 dB(A). Aufgrund der Schalldämmleistung der Fenster an den streitgegenständlichen Wohnungen von 35 dB(A) ergibt sich insoweit ein Wert von (68 dB(A) – 35 dB (A) = 33 dB(A). Nach dem Gutachten ließe sich durch den Einsatz von Schallschutzfenstern der Klasse 4 eine noch höhere Schalldämmung (40 dB(A)) herstellen. Zwar bedürfte es – jedenfalls bei den ausschließlich zur O.-Straße hin orientierten Wohnungen – möglicherweise des Einsatzes sog. Schalldämmlüfter, um sicherzustellen, dass diese Wohnungen auch bei geschlossenen Fenstern, insbesondere zur Nachtzeit, ausreichend belüftet werden können. Allerdings wäre der Klägerin ein – auch nachträglicher – Einbau derartiger Einrichtungen im Lichte des Zweckentfremdungsrechts zuzumuten (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5). Ein die Bewohnbarkeit ausschließender Mangel bzw. Missstand ist regelmäßig unbeachtlich, wenn er nicht auf Dauer besteht, sondern sich mit zumutbaren Mitteln und vertretbarem Aufwand beheben lässt (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [642]; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5). Die Gefahr gesundheitsgefährdender Aufwachreaktionen liegt daher erkennbar fern.

Vorliegend hat die Klägerin in Kenntnis des Gutachtens des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen im Berufungsverfahren weder geltend machen lassen, dass ihr der Einbau von Schalldämmlüftern (und gegebenenfalls von Schallschutzfenstern der Klasse 4) unzumutbar sei, noch ist dies sonst ersichtlich. Der Einbau von Schalldämmlüftern und Schallschutzfenstern reicht nach den Feststellungen des oben auszugsweise wiedergegebenen Gutachtens, die der Senat sich zu eigen macht, nicht über dasjenige hinaus, was dem gewöhnlichen Umfang von Schallschutzmaßnahmen im Wohnungsbau in vergleichbarer innerstädtischer Lage entspricht.

Zu keinem anderen Ergebnis könnte es in diesem Zusammenhang führen, wenn man mit der Klägerin annähme, die vom Sachverständigen des Verwaltungsgerichts gemessenen Außenpegelüberschreitungen nach der TA-Lärm zur Nachtzeit um bis zu 5 dB(A) (vgl. S. Gutachten, S. 22) gründeten nicht auf der aus Anlass des Caterings kurzzeitig geöffneten Hintertür des Clubs „C. m. D.“, sondern auf den den Diskothekenbetrieben als Anlagenlärm zuzuordnenden Geräuschen der Besucher vor den Lokalen, dem Parkplatzlärm und dem Lärm des Hol- und Bringverkehrs, insbesondere durch Taxen (vgl. hierzu näher unter 4.). Denn auch in diesem Fall wären die nach der Rechtsauffassung des Senats im Anwendungsbereich des Zweckentfremdungsrechts allein maßgeblichen „Innen-Pegel“ eingehalten und eine Belüftung der streitgegenständlichen Wohnungen ließe sich auch in diesem Fall durch eine der Klägerin zumutbare Ausstattung der Wohnungen mit Schalldämmlüftern sicherstellen. Ungeachtet dessen wäre insoweit zugleich auch zu berücksichtigten, dass die Klägerin sich als Eigentümerin der Wohnungen gegen diese Lärmbelästigung nach § 906 BGB zur Wehr setzen könnte (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5) und müsste. Der Klägerin ist es – zweckentfremdungsrechtlich – zuzumuten, auf die Beseitigung eines solchen Missstandes – notfalls auch unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe – hinzuwirken (so namentlich BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5), bevor sie die Freistellung ihrer Wohnungen vom Verbot der Zweckentfremdung begehrt (vgl. hierzu auch unter 4 f.).

Vorliegend hat die Klägerin im Berufungsverfahren jedoch weder vortragen lassen, dass sie die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen festgestellten Überschreitungen der Außenpegel der TA-Lärm zur Nachtzeit um bis zu 5 dB(A) zum Anlass genommen hat, in vorgenanntem Sinne tätig zu werden, noch ist dies sonst ersichtlich. Ebenso wenig wie die Beklagte es – bau- und gaststättenrechtlich – dulden darf, dass die Betreiber der Diskotheken die Richtwerte der TA-Lärm insbesondere zur Nachtzeit nicht einhalten, kann es der Klägerin – zweckentfremdungsrechtlich – gestattet werden, die durch eine widerrechtlich herbeigeführte Überschreitung der Richtwerte der TA-Lärm entstehende Lärmbeeinträchtigung zu ihren Gunsten zu nutzen und nunmehr ihrerseits die zweckentfremdungsrechtliche Freistellung der streitgegenständlichen Wohnungen zu begehren. Der Klägerin steht daher nach der gemäß der Rechtsauffassung des Senats im Zweckentfremdungsrecht allein maßgeblichen (reinen) „Innen“-Pegelbetrachtung ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste nicht zu.

Die von Seiten der Klägerin gegen das Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen erhobenen Einwände können demgegenüber nicht verfangen. Eine Verpflichtung des erkennenden Senats, zusätzlich zu dem vorliegenden Gutachten weitere gutachterliche Stellungnahmen einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisherigen Erkenntnisquellen für unzureichend oder unzutreffend hält (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2008 – 2 B 122/07 –, NVwZ-RR 2008, 477 [479] Rn. 29 m.w.N.). Vielmehr hat das Berufungsgericht – sofern es den maßgeblichen Sachverhalt auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Auffassung für entscheidungserheblich erachtet – auch für seine eigene tatrichterliche Würdigung von einem erstinstanzlichen Beweisergebnis auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1 – 11/92 –, NVwZ 1993, 572 [577]). Die von einem vorinstanzlichen Gericht durchgeführte Beweiserhebung ist Teil des Prozessstoffes, den es nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Gesamtergebnis des Verfahrens zu beachten und zu würdigen gilt. Das trifft insbesondere für ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen zu. Ein Gericht darf sich nach gefestigter Rechtsprechung über ein derartiges Gutachten nur unter eingeschränkten Voraussetzungen hinwegsetzen. Diese Bindung besteht auch für das zweitinstanzliche Tatsachengericht, wenn bereits eine erstinstanzliche Beweisaufnahme stattgefunden hat (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1 – 11/92 –, NVwZ 1993, 572 [577]). Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme ist vom Rechtsmittelgericht auch grundsätzlich nicht zu wiederholen (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6).

Unzulässig ist die Verwertung eines (erstinstanzlichen) Sachverständigengutachtens (nur) dann, wenn – erstens – das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, wenn – zweitens – das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn – drittens – der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, wenn – viertens – sich durch neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert, wenn – fünftens – ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt oder wenn – sechstens – das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1 – 11/92 –, NVwZ 1993, 572 [578]).

Vorliegend ist keiner dieser Gründe gegeben. Insbesondere liegen keine Zweifel hinsichtlich der Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit des Sachverständigen vor. Allein der Umstand, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige im Jahr 2009, also vor über 8 Jahren, zunächst in seinem damaligen Beruf als Techniker – und nicht etwa als allein verantwortlicher Sachverständiger – an einer (mehrteiligen) schalltechnischen Stellungnahme seines damaligen Arbeitgebers betreffend die – frühere – Diskothek „B.“, die seit Ende des Jahres 2011 nicht mehr existiert, bei der Einpegelung der elektroakustischen Beschallungsanlage der damals in der Nachbarschaft der Wohnungen der Klägerin begutachteten Diskothek mitgewirkt, als Zuarbeiter weitere Hilfstätigkeiten (wie Schriftwechsel und Vorbereitung von Stellungnahmen) durchgeführt und das vom damals zuständigen Projektleiter alleinverantwortlich erstellte Gutachten im Rahmen des vom Arbeitgeber vorgegebenen Vier-Augen-Prinzips lediglich mit unterzeichnet hat (vgl. zu den Umständen im Einzelnen die Stellungnahme des Sachverständigen vom 12. August 2017), vermag nach der Überzeugung des Senats eine solche Annahme nicht zu begründen. Selbst der Bevollmächtigte der Klägerin muss einräumen, dass der Sachverständige trotz einer gewissen Verantwortungsmitübernahme aufgrund seiner damaligen Unterschrift nach außen im Innenverhältnis bereits aus rein formalen Gründen keine Sachverständigentätigkeiten eigenverantwortlich hat durchführen können (vgl. Schriftsatz vom 21. Dezember 2017, S. 20: „Das mag […] sein.“)

Im Auftrag der heutigen Diskotheken in der Nachbarschaft der streitgegenständlichen Wohnungen der Klägerin war der Sachverständige zu keinem Zeitpunkt tätig. Ungeachtet dessen hatte der Sachverständige vorliegend auch nicht etwa die Diskotheken, sondern lediglich die Lärmbelastung an den Wohnungen der Klägerin durch Schallpegeleinmessungen festzustellen und zu beurteilen. Die Betreiber der Diskotheken sind am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt. Ebenso wenig verhalten sich deren Interessen und diejenigen der Klägerin entgegengesetzt, wie der Bevollmächtigte der Klägerin glauben machen will. Letztere möchte eine Freistellung ihrer Räume vom Zweckentfremdungsverbot und damit letztlich die Ermöglichung einer gewerblichen Büronutzung erreichen. Gerade eine solche käme jedoch auch den Betreibern der Diskotheken zu statten, da diese – insbesondere zur Nachtzeit – deutlich weniger an Rücksichtnahme beanspruchen würde. Von einer entgegengesetzten Interessenlage zwischen den am Verfahren nicht beteiligten Diskothekenbetreibern und der den Sachverständigen ablehnenden Klägerin (vgl. zu einer solchen Konfliktlage näher Rudisile, in: Schoch/Schneider/ Bier, VwGO, Stand: Juni 2011, § 98 Rn. 140 m.w.N.) kann daher keine Rede sein. Ungeachtet dessen betraf die damalige Tätigkeit des Sachverständigen auch keinen gleichartigen Sachverhalt und vor allem nicht dieselbe Beweisfrage (vgl. hierzu ebenfalls Rudisile, a.a.O., § 98 Rn. 140). Dem Sachverständigen oblag im vorliegenden Verfahren nicht etwa die bau-, gaststätten- und immissionsschutzrechtliche Beurteilung des Diskothekenlärms, sondern (lediglich) die Beurteilung der Lärmbelastung an den Wohnungen der Klägerin im Lichte der Vorgaben des Zweckentfremdungsrechts. Die Annahme einer Sachverhaltsidentität liegt daher von vorneherein fern. Demzufolge kann dem vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen – anders als der Klägerbevollmächtigte meint – nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, er habe es pflichtwidrig unterlassen, auf seine (angebliche) „Vorbefassung“ hinzuweisen.

Ebenso wenig kann – erst recht nicht im Rahmen einer reinen „Innen-Pegelbetrachtung – der Vorwurf verfangen, der Sachverständige habe eine Reihe von relevanten Lärmquellen, namentlich den „Parkplatzlärm“ und die sog. „verhaltensbezogenen Ereignisse“, entgegen der Rechtslage und Gutachtenpraxis aus der Beurteilung nach der TA-Lärm ausgeklammert. Insoweit wird seitens der Klägerin verkannt, dass die Beurteilung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen auf konkreten Messungen an der Außenfassade der Wohnungen der Klägerin gründet und die festgestellten Überschreitungen nach der messtechnischen Beurteilung auf der zeitweiligen Öffnung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ beruhen (vgl. Gutachten, S. 22 f.). Diesbezüglich hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf Nachfrage der Kammer jedoch ergänzend ausgeführt, dass dann, wenn die (mit maximal zwei Minuten anzusetzenden) Öffnungszeiten der Hintertür (bedingt durch die Zulieferung durch den Caterer) entfielen, sich auch der nach der TA-Lärm ermittelte Wert um 7,8 dB(A) reduziere mit der Folge, dass sich im Bereich der betroffenen Wohnungen kein Lärm mehr ergebe, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führe (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 4). Dem ist die Klägerin – soweit es die Betrachtung der „Innen“-Pegel betrifft – nicht substantiiert entgegengetreten. Es handelt sich – nachdem der Anlieferungsbereich (Catering) verlegt wurde – lediglich um einen „Notausgang“, der nach Nr. 7.1 TA-Lärm zu qualifizieren ist. Eine notfallbedingte Überschreitung der Immissionswerte ist damit unbeachtlich. Ungeachtet dessen entbehrt die von der Klägerin in den Raum gestellte längere Öffnungszeit der Hintertür des „C. m. D.“ verbunden mit einer dadurch bedingten Erhöhung des Immissionspotentials auf bis zu 10 dB(A) auch jeder tatsächlichen Grundlage (vgl. hierzu auch noch nachfolgend unter 4a). Die vom Sachverständigen beobachtete und zugrunde gelegte Öffnungszeit betrug lediglich bis zu zwei Minuten und nicht deren zehn.

Darüber hinaus bleiben – angesichts abweichender Messpunkte – zugleich auch die von Klägerseite angestellten Vergleiche mit Messungen der Beklagten (Referat für G. und U.) vom 26. Juli 2008, welche der Bevollmächtigte der Klägerin auf eine Einbeziehung sog. „verhaltensbezogener Ereignisse“ sowie des „Parkplatzlärms“ zurückführen möchte, rein spekulativ. Die damals gewählten Messorte O.-straße 13, 6. OG Mitte und O.-straße 13, DG Nord auf dem Balkon betreffen beide nicht die streitgegenständlichen Wohnungen der Klägerin; diese besitzen deshalb für das vorliegende Verfahren keinerlei Relevanz. Dass die vom Sachverständigen festgelegten Messpunkte sachwidrig gewählt worden oder die dadurch gewonnenen Messergebnisse unzutreffend wären, hat der Klägerbevollmächtigte weder behauptet noch ist dies sonst ersichtlich.

Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige einseitig die Interessen der Beklagten im Auge gehabt hätte, etwa dadurch, dass er entgegen BVerwGE 145, 145 ff. eine sog. „architektonische Selbsthilfe“ für zulässig erachtet, außerhalb seines Auftrags liegende Spekulationen über den genehmigungsrechtlich zulässigen Betriebszustand der geöffneten Hintertür des Clubs „C. m. D.“ angestellt und den Vorschlag gemacht habe, durch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings Immissionen für die Nachbarschaft effektiv zu verhindern, lassen sich vorliegend ebenfalls nicht feststellen. Diese Ausführungen bewegen sich sämtlich innerhalb des Gutachtensauftrags und entsprechen – wie noch näher darzulegen sein wird – der geltenden Rechtslage. Gründe für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen sind ausschließlich dann gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen darf, der Sachverständige habe sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet (vgl. BVerwG, B.v. 6.10.1998 – 3 B 35.98 –, DÖV 1999, 342 [443]; B.v. 10.3.1977 – VI B 38.76 –, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 17; siehe auch Lang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 98 Rn. 173a u. 179 m.w.N.). Hierfür reicht indes alleine die rein subjektive Besorgnis der Befangenheit, für die – wie hier – bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise keinerlei Grund ersichtlich ist, nicht aus (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1974 – III C 81.70 –, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 13; B.v. 10.3.1977 – VI B 38.76 –, Buchholz 310 § 86 Nr. 3 VwGO Nr. 21; siehe auch Lang, a.a.O., § 98 Rn. 179 m.w.N.). Objektive Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen, die den Beweiswert seines Gutachtens beinträchtigen würden und dem Senat deshalb hätten Anlass geben müssen, dies bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. hierzu BGH, U.v. 12.3.1981 – IVa ZR 108/80 –, NJW 1981, 2009 [2010]), sind nach allem nicht ersichtlich. Das Gutachten konnte deshalb, insbesondere im Hinblick auf die nach der Rechtsauffassung des Senats alleinige Maßgeblichkeit der „Innen“-Pegel-Betrachtung, uneingeschränkt berücksichtigt und der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden.

Vor dem Hintergrund der nach dem Zweckentfremdungsrecht ausschließlich maßgeblichen Betrachtung der Innenpegel war der Senat entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten auch nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen bzw. in neue Ermittlungen einzutreten. Über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten hat das erkennende Tatsachengericht nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu bestimmen (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Verfahrensfehlerhaft ausgeübt wird dieses Ermessen nur dann, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit einer solchen Beweiserhebung sich von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1985 – 8 C 15/84 –, BVerwGE 71, 38 [41 f.]; U.v. 6.10.1987 – 9 C 12/87 –, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31). Letzteres indes ist nur dann der Fall, wenn bereits vorhandene (entscheidungserhebliche) Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unauflösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters ergeben oder sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2011 – 2 B 87/11 – juris, Rn. 6).

Für das Vorliegen entsprechender Umstände bestehen vorliegend, insbesondere im Rahmen der nach der Rechtsauffassung des Senats allein maßgeblichen Innen-Pegel-Betrachtung keinerlei Anhaltspunkte. Eine Verpflichtung des Tatsachengerichts, zusätzlich zu den bereits vorliegenden Gutachten weitere gutachterliche Stellungnahmen einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten existiert – wie bereits erwähnt – nicht schon allein deshalb, weil ein Beteiligter – wie hier – die bisherigen Erkenntnisquellen im Ergebnis lediglich für unzureichend oder unzutreffend hält (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2008 – 2 B 122/07 –, NVwZ-RR 2008, 477 [479] Rn. 29 m.w.N.), ohne hierfür streitende objektive Umstände in der Sache nachvollziehbar aufzuzeigen. Nach dem Ergebnis des in ersten Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens, dessen Ausführungen und Feststellungen sich der Senat nach eingehender Prüfung zu eigen macht, steht der Klägerin – auf der Grundlage einer (reinen) „Innen“-Pegelbetrachtung – ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste nicht zu.

3. Dem vermag die Klägerin nicht unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 ff. mit Erfolg entgegenzuhalten, sie habe hinsichtlich des von den Vergnügungsstätten ausgehenden anlagebezogenen Lärms (auch) Anspruch auf Einhaltung der Außen-Immissionsrichtwerte der TA-Lärm und müsse sich nicht auf Maßnahmen der „architektonischen Selbsthilfe“, also passiven Lärmschutz durch Schallschutzfenster und dergleichen mehr, mit anderen Worten auf die Einhaltung bloßer „Innen“-Pegel verweisen lassen.

In der Tat ist der vorgenannten Entscheidung des für das Baurecht (nicht aber das Zweckentfremdungsrecht) zuständigen 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts mit unmissverständlicher Deutlichkeit zu entnehmen, dass das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO im Anwendungsbereich der TA-Lärm nicht (mehr) die Möglichkeit eröffnet, der durch einen Gewerbebetrieb verursachten Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte bei einem Wohnbauvorhaben durch Anordnung von (lediglich) passivem Lärmschutz zu begegnen (BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [150] Rn. 20 f). Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen durch die TA-Lärm ist nach dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgericht jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräusch-Immissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA-Lärm nach Auffassung des 4. Senats nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet (so BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [148 f.] Rn. 18; U.v. 29.8.2007 –, BVerwGE 129, 209 [211] Rn. 12 m.w.N.). Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA-Lärm hingegen nicht vor. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung sind außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen nicht beeinflusst werden, weshalb auf – durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare – Innen-Immissionswerte nicht abgestellt werden kann (so ausdrücklich BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [150] Rn. 20). Die Möglichkeit, einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste vielmehr das Schutzziel der TA-Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionswerte und der Definition des maßgeblichen Immissionsorts vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes ergibt sich nach Auffassung des 4. Senats vielmehr, dass dieses Regelwerk den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-)Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schallschutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA-Lärm von vorneherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können (so BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [151] Rn. 24).

Allerdings verkennt die Klägerin, dass der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Bindungswirkung der TA-Lärm für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot erfordert, ausdrücklich auf „das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs“ beschränkt hat (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [149] Rn. 19). Die Entscheidung ist daher auf das hier streitgegenständliche Zweckentfremdungsrecht nicht übertragbar. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht für diesen Rechtsbereich bereits abschließend entschieden, dass für die Wahrung gesunder Wohnverhältnisse (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BauGB) mit Blick auf die allgemein anzutreffenden innerstädtischen Wohnbedingungen nicht auf den Schutz von Außenwohnbereichen abgestellt werden kann (so ausdrückl. BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22 m.w.N.). Das Zweckentfremdungsrecht geht dem materiellen Baurecht vor (so namentlich BVerwG, B.v. 6.11.1996 – 4 B 213/96 –, NJW 1997, 1085). An eine zur Freistellung vom Verbot der Zweckentfremdung führende Unzumutbarkeit des Bewohnens sind im Lichte der Zwecksetzung dieses Rechtsinstituts, nämlich der Erhaltung typischerweise langjährig genutzten Wohnraumbestandes gerade auch im Innenbereich, tendenziell hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22; U.v. 23.8.1991 – 8 C 101.89 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 12). Dies schließt es aus, die Freistellung von Wohnraum vom Zweckentfremdungsverbot bereits dann zu gestatten, wenn die Außen-Immissionsrichtwerte der TA-Lärm situationsbezogen nicht (mehr) eingehalten werden können, die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch durch Einbau passiver Lärmschutzmaßnahmen und damit die Einhaltung von „Innen-Pegeln“ gewahrt werden können.

Der Senat macht sich diese Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts – auch nachdem die Materie mit der Föderalismusreform I im Jahre 2006 in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder überführt wurde – weiterhin zu eigen. Demgegenüber vermag die Klägerin nicht mit Erfolg einzuwenden, sie habe nach dem höherrangigen Bauplanungsrecht (vgl. Art. 31 GG) Anspruch auf Beachtung der Außen-Immissionsrichtwerte der TA-Lärm auch in zweckentfremdungsrechtlicher Hinsicht. Vielmehr ist der Senat – wie bereits dargelegt – in den durch höherrangiges Recht, namentlich dem Schutz des Eigentums aus Art. 14 GG gezogenen Grenzen berechtigt und zugleich auch verpflichtet, die Anforderungen, die im Rahmen des Zweckentfremdungsrechts an die Gewährleistung gesunder Wohnverhältnisse zu stellen sind, auf der Grundlage des Gesetzeszwecks, nämlich der Erhaltung des Wohnraumangebots in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (vgl. Lt-Drucks. 17/15781, S. 1 u. 4; siehe auch bereits LT-Drucks. 15/8369, S. 1), eigenständig und letztverbindlich zu konkretisieren.

Dies schließt die ausdrückliche Befugnis ein, die Anforderungen nach dem Zweckentfremdungsrecht in anderer Art und Weise zu bestimmen als nach dem Bauplanungsrecht. Von dieser Kompetenz macht der Senat in Übereinstimmung mit der zum früheren Zweckentfremdungsrecht des Bundes ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Gebrauch, die aufgrund der Besonderheiten innerstädtischer Wohnbedingungen ebenfalls nicht auf den Schutz von Außenwohnbereichen abhob, sondern in gleicher Weise wie auch der erkennende Senat ausschließlich auf die Einhaltung sog. „Innen“-Pegel abstellte (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19, S. 22 m.w.N.; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl. 2015, 416 [417] Rn. 31).

Der erkennende Senat sieht sich in dieser Auffassung auch durch das Urteil des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 [149] Rn. 19 selbst bestätigt, der den Geltungsanspruch seiner Entscheidung ausdrücklich auf „das Baurecht im Umfang seines Anwendungsbereichs“ beschränkt hat. Hierzu gehört das vorliegend streitgegenständliche Zweckentfremdungsrecht, welches in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder (und nicht des Bundes) fällt, erkennbar nicht. Es macht in der Tat einen erheblichen Unterschied, ob ein Gebäude in einer absehbaren Lärmkonfliktsituation erstmals neu errichtet werden soll oder aber bereits seit Jahrzehnten besteht und sich die ursprünglichen Verhältnisse lediglich zum Nachteil einer bestimmten Nutzung verändert haben, nunmehr aber eine Freistellung in zweckentfremdungsrechtlicher Hinsicht begehrt wird. Diesem erheblichen Unterschied ist in den durch den Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) gezogenen Grenzen, die hier nicht berührt werden, Rechnung zu tragen. Gegen eine etwaige Nichteinhaltung der Außen-Immissionsrichtwerte der TA-Lärm muss sich der Eigentümer vielmehr mit den Mitteln des Bau-, Immissionsschutz- und Gaststättenrechts, gegebenenfalls auch denen des Zivilrechts zur Wehr setzen und die genehmigte Wohnnutzung verteidigen.

Der Eigentümer der vom Zweckentfremdungsrecht (auch weiterhin) erfassten Räume wird durch Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2, 2. Alt. ZES (früher ausdrücklich in § 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS a.F. geregelt) hinreichend geschützt. Nach diesen Vorschriften kann er die Freistellung vom Zweckentfremdungsverbot verlangen, wenn der Raum aufgrund der Umstände des Einzelfalls nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschriften vor, besteht kein Grund, den Eigentümer an einer anderweitigen (gewerblichen) Nutzung zu hindern – aber eben auch erst dann! Allein dies entspricht zugleich auch dem Verfassungsgebot des Art. 14 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

4. Ungeachtet dessen könnte vorliegend jedoch auch eine Erstreckung der in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 ff. – entfalteten Maßstäbe und Grundsätze auf das Zweckentfremdungsrecht und die behauptete Konfliktlage (sog. „Außen“-Pegelbetrachtung) zu keiner anderen Beurteilung in der Sache führen, wie die nachfolgenden – lediglich hilfsweise anzustellenden – Erwägungen ergeben:

a) Nach dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten, dessen Feststellungen und Schlussfolgerungen der Senat auch insoweit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls selbstverantwortlich überprüft und nachvollzogen hat – siehe hierzu nachfolgend unter d) – und sich erst auf der Grundlage dieser Prüfung und Bewertung zu eigen macht (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, U.v. 2.4.1969 – VI C 76.65 –, Buchholz 232 § 139 BBG Nr. 9), gibt es lediglich zwei nach der TA-Lärm zu beurteilende Anlagen, nämlich die Hintertür des Clubs „C. m. D.“ sowie die Gastgartennutzung des Clubs an der M-J.-Straße während der Oktoberfestzeit. Auf letztere kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an, weil bei den Messungen aufgrund der Überlagerung durch den Verkehrslärm insoweit keine zurechenbaren Pegelanteile ermittelt werden konnten (vgl. Sachverständigengutachten, S. 20 f.):

„Für die Geräusche des Gastgartens konnten aus den immissionsseitigen Messungen keine zurechenbaren Pegelanteile ermittelt werden, da die Pegel vom Verkehrslärm dominiert und überdeckt werden. […]. Der Betrieb des Gastgartens hat keinen Einfluss auf die gemessenen Schallpegel.“

Damit bleibt lediglich die Hintertür des Clubs „C. m. D.“ als nach der TA-Lärm zu berücksichtigende Anlage übrig (vgl. Gutachten, S. 16 Buchst. g):

„Den Vergnügungsbetrieben eindeutig zurechenbare Geräusche, daher nach der TA-Lärm [...] zu beurteilende Anlagengeräusche, wurden ausschließlich durch den Betrieb des Clubs „C. m. D.“ (M.platz ...) festgestellt:

– […]

– Während des Betriebs der Vergnügungsstätte wurden regelmäßig kurzzeitig aus dem Inneren ausdringende Musikgeräusche durch die Öffnung der Hintertür an der O.-straße (vgl. Foto 7 Anlage 3) gemessen. Die Wirkzeit betrug dabei regelmäßig bis zu ca. 2 Minuten in der maßgebenden Nachtstunde.“

Zwar hat das Sachverständigengutachten insoweit Überschreitungen der für ein Kerngebiet geltenden Immissionsrichtwerte von nachts 45 dB(A) hinsichtlich des Beurteilungspegels und des Spitzenpegels ergeben. Im Einzelnen wurde der Immissionsrichtwert nachts um bis zu 5 dB(A) (die Werte der 5 Wohnungen betragen 47, 48, 48, 49 und 50 dB(A)) und um bis zu 3 dB(A) beim Spitzenpegel überschritten (vgl. hierzu näher Gutachten, S. 22):

„Die gemessenen Beurteilungspegel und die kurzzeitigen Geräuschspitzen nach TA Lärm [...] wurden rechnerisch auf die maßgeblichen Immissionsorte übertragen (siehe Anlage 2.9). An den Wohnungen ergeben sich folgende Beurteilungspegel nach TA Lärm (Außenlärmpegel):

1. O.-straße 13, 4. OG, W 19 Lr = <44/50 db(A) Tag/Nacht, LAFmax = 68 dB(A)

2. O.-straße 11, 3. OG, W 9 Lr = <43/49 db(A) Tag/Nacht, LAFmax = 67 dB(A)

3. O.-straße 11, 6. OG, W 32 Lr = <42/48 db(A) Tag/Nacht, LAFmax = 66 dB(A)

4. O.-straße 11, 4. OG, W 16 Lr = <41/47 db(A) Tag/Nacht, LAFmax = 65 dB(A)

5. O.-straße 11, 3. OG, W 8 Lr = <42/48 db(A) Tag/Nacht, LAFmax = 66 dB(A)

Die Immissionsrichtwerte nach Ziff. 6.1 der TA Lärm [..] für die Geräuschübertragung außerhalb von Gebäuden betragen L r,zul = 55/40 dB(A) Tag/Nacht in allgemeinen Wohngebieten bzw. 60/45 dB(A) Tag/Nacht in Misch- und Kerngebieten. Damit werden im Tagzeitraum (06.00 bis 22.00 Uhr) die Immissionswerte zuverlässig eingehalten. Im Nachtzeitraum (lauteste volle Nachtstunde zwischen 22.00 und 06.00 Uhr) wurden Überschreitungen des Immissionsrichtwertes sowie des Spitzenpegelkriteriums gemessen. Die Überschreitungen der Außenlärmpegel nach TA Lärm betragen für Misch- und Kerngebiete beim Beurteilungspegel bis zu 5 dB(A) und beim Spitzenpegel bis zu 3 dB(A) nachts.

Ursächlich für die Überschreitung ist die Nutzung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ an der O.-straße während der Veranstaltungen im Nachtzeitraum. Es kann nicht beurteilt werden, ob diese Lärmquelle genehmigungsrechtlich einen zulässigen Betriebszustand darstellt; beispielsweise könnte eine Lärmschleuse an der Hintertür oder eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings diese Immissionen für die Nachbarschaft effektiv verhindern.“ …

Nach den ergänzenden Erläuterungen des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verringern sich die durch die geöffnete Hintertür des Clubs „C. m. D.“ verursachten Pegelüberschreitungen jedoch dann, wenn die Tür kürzer oder gar nicht geöffnet wird mit der Folge, dass eine Überschreitung des anzusetzenden Richtwerts nicht mehr zu besorgen ist. Insoweit hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf Nachfrage der Kammer zusätzlich ausgeführt, dass dann, wenn die (mit maximal zwei Minuten anzusetzenden) Öffnungszeiten der Hintertür (bedingt durch die Zulieferung durch den Caterer) entfielen, sich auch der nach der TA-Lärm ermittelte Wert um 7,8 dB(A) reduziere mit der Folge, dass sich im Bereich der betroffenen Wohnungen kein Lärm mehr ergebe, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führe (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 4). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beurteilungs- als auch der Spitzenpegel. Anhaltspunkte dafür, dass die Wirkzeit von bis zu 2 Minuten für das Öffnen der Hintertür des „C. m. D.“ unrealistisch kurz bemessen sein könnte (so das von der Klägerin beauftragte Privatgutachten des Dipl.-Ing (FH) S. vom 24.10.2017, S. 6) bestehen nicht. Der Zeitraum von ca. 2 Minuten entspricht der konkreten Wahrnehmung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen anlässlich der an sieben verschiedenen Tagen durchgeführten Messungen. Die von der Klägerin in den Raum gestellte längere Öffnungszeit, etwa bis zu 10 Minuten, und eine damit einhergehende Überschreitung des Nachtrichtwerts der TA-Lärm um bis zu 10 dB (A), bleibt demgegenüber ohne tatsachliche Grundlage.

Die Beklagte hat – gemeinsam mit dem Betreiber – die insoweit erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), so dass die Außen-Immissionswerte der TA-Lärm eingehalten werden können. Die Annahme der Klägerin, die Beklagte könne eine Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ nicht durchsetzen, entbehrt deshalb jeder Grundlage. Damit steht der Klägerin auch im Rahmen der von ihr eingeforderten „Außen“-Pegelbetrachtung ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste nicht zu.

b) Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten sind in die Beurteilung keine weiteren Lärmquellen einzubeziehen. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Parkplatzlärms im Straßenbereich vor den Vergnügungsbetrieben, dem Hol- und Bringverkehr, insbesondere durch Taxen, und den verhaltensbezogenen Einzelereignissen durch ankommende und gehende Gäste der Betriebe, einschließlich der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 nachgeschobenen Geräusche beschleunigten An- und Abfahrens von Kraftfahrzeugen und deren Hupen, der Kommunikation und Beschallung durch Fahrradrikschas während der Oktoberfestzeit und der durch einen etwa 15-minütigen Polizeieinsatz wegen einer Gruppe von Personen in der M-J.-Straße an einem Abend während des Oktoberfestes verursachten Geräusche.

aa) Die Neufassung der TA-Lärm 1998 knüpft in Ziffer 7.4 zwar an den bereits zuvor in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz an, dass der von einer gewerblichen Anlage veranlasste Verkehrslärm bei der Beurteilung ihrer Zulässigkeit ebenfalls zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98 –, NVwZ 1999, 523 [527]; U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; siehe auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: Dez. 2006, TA-Lärm Nr. 7 Rn. 36; Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 35). Unterschieden wird aber nunmehr zwischen den verkehrsbedingten Fahrzeuggeräuschen auf dem Betriebsgrundstück selbst sowie bei der Ein- und Ausfahrt, der zusammen mit den übrigen Anlagengeräuschen zu erfassen und zu beurteilen ist (Ziff. 7.4 Abs. 1), den Geräuschen des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand bis zu 500 m vom Betriebsgrundstück, die, auch soweit noch keine Vermischung mit dem übrigen Straßenverkehr erfolgt ist, gesondert zu ermitteln und (anders als Geräusche auf dem Betriebsgrundstück, nicht nach der TA-Lärm, sondern) nach den Grundsätzen der Verkehrslärmschutzverordnung zu beurteilen sind (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 47 u. 50 a.E.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: Dez. 2006, TA-Lärm Nr. 7 Rn. 55) und nur einem Minimierungsgebot unterliegen (Ziff. 7.4 Abs. 2), und dem sonstigen Straßenverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen, auf den das Regelwerk der TA-Lärm keine Anwendung findet. Auch innerhalb der in dieser Form neu geschaffenen „Kappungsgrenze“ von 500 m wird der Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs außerhalb des Betriebsgeländes (einschl. der Ein- und Ausfahrt) den eigentlichen Anlagegeräuschen nicht mehr ohne weiteres zugerechnet. Geräusche dieser Art, zu denen auch die Geräusche des Parkverkehrs außerhalb des Betriebsgrundstücks rechnen, sind vielmehr gesondert zu ermitteln, nach den für Verkehrsgeräusche geltenden höheren Grenzwerten der 16. BImSchV zu beurteilen und unterliegen selbst bei Überschreitung der Richtwerte nur einem Minimierungsgebot. Derartige Geräusche gehen damit – entgegen der rechtsirrigen Auffassung des Klägerbevollmächtigten – nicht (!) in die nach der TA-Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwerte ein (vgl. hierzu ausführl. VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]; das Urteil des VG Augsburg vom 30.3.2012 – Au 4 K 11.809 – juris, Rn. 60 steht dem – anders als der Klägerbevollmächtigte meint – nicht entgegen; diese Entscheidung befasst sich lediglich mit der Überlagerung von Anlagenlärm durch Verkehrslärm, nicht aber mit dessen Privilegierung durch Nr. 7.4 TA-Lärm).

bb) Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die übrigen Lärmquellen von der Straße keinen nach der TA-Lärm zu beurteilenden anlagebezogenen Lärm, sondern nach der 16. BImSchV zu beurteilenden Verkehrslärm darstellen, wovon auch das Sachverständigengutachten ausgegangen ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des „Parkplatzlärms“. Dieser rührt von allgemein dem Straßenverkehr unterfallenden „Jedermann“-Parkplätzen an den öffentlichen Straßen her und betrifft deshalb nicht den umliegenden Vergnügungsbetrieben zugeordnete Parkplätze (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 41). Anders läge es lediglich dann, wenn diese Parkplätze ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend von den Besuchern und Kunden der Diskotheken und damit gleichsam wie ein privater Parkplatz der Clubs genutzt würde (vgl. hierzu Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 41). Letzteres hat der vom Verwaltungsgericht bestellte Gutachter jedoch gerade nicht feststellen können. Das Gutachten kommt auf S. 16, Buchst. c) lediglich zu der Feststellung, dass die sich vor dem Gebäude O.-straße 11/13 befindenden Parkplätze öffentliche Parkplätze sind und „auch“ als Warte- oder Treffpunkt von Personen mit Musik (Autoradio) und laufendem Motor genutzt würden. Damit scheidet eine Zurechnung des Parkplatzlärms – ungeachtet der Frage einer adäquaten Erfassbarkeit von Parkplatzlärm durch die 16. BImSchV überhaupt (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 14.11.2000 – 4 BN 44/00 –, NVwZ 2001, 433; U.v. 2.10.1998 – 4 B 72/98 –, NVwZ 1999, 523 [527]; BayVGH, U.v. 30.4.1993 – 22 B 92.936 –, BayVBl. 1993, 627 [628]; OVG NRW, B.v. 27.4.2009 – 10 B 459/09 –, NVwZ-RR 2009, 799 [800]) – aus.

Gleiches gilt für den Hol- und Bringverkehr zu den Diskotheken und Vergnügungsbetrieben einschließlich von Taxen. Auch insoweit verbietet sich – wie bereits erwähnt – eine Beurteilung nach der TA-Lärm. Die Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m vom Betriebsgrundstück, sind zwar, auch soweit noch keine Vermischung mit dem übrigen Straßenverkehr erfolgt ist, gesondert zu ermitteln, jedoch (anders als Geräusche auf dem Betriebsgrundstück, nicht nach der TA-Lärm, sondern) nach den Grundsätzen der Verkehrslärmschutzverordnung zu beurteilen (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 47 u. 50 a.E.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: Dez. 2006, TA-Lärm Nr. 7 Rn. 55) und nur einem Minimierungsgebot (Ziff. 7.4 Abs. 2) unterworfen (so auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; OVG NRW, B.v. 24.10. 2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]), welches hier mangels Vorliegens der weiteren Voraussetzungen der Ziff. 7.4 Abs. 2 TA-Lärm allerdings nicht zum Tragen kommt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat und von der Klägerin auch nicht bestritten wurde. Hinsichtlich der mit Schreiben vom 21. Dezember 2017 nachgeschobenen weiteren Lärmquellen gilt nichts anderes.

Auch nach der vor Inkrafttreten der TA-Lärm 1998 geltenden Rechtslage, auf welche der Klägerbevollmächtigte offenbar abheben möchte, konnte der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer Anlage nur dann zugerechnet werden, wenn er sich innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegte und vom übrigen Verkehr unterscheidbar war (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98 –, NVwZ 1999, 523 [527]; U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; siehe auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: Dez. 2006, TA-Lärm Nr. 7 Rn. 36 u. 50; Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 43), also mit anderen Worten noch als Ziel- und Quellverkehr der Anlage in Erscheinung trat und noch nicht im allgemeinen Straßenverkehr aufgegangen war (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1990 – 4 B 121/90 –, NVwZ 1991, 267; siehe auch Kutscheidt, NVwZ 1999, 577 [581]; Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 35 m.w.N. in Fn. 52).

Gerade an einer solchen Unterscheidbarkeit würde es – allerdings ohne dass es nach der gegenwärtigen Rechtslage hierauf noch entscheidungserheblich ankäme – aber im vorliegenden Fall fehlen: Die Diskothekenbetriebe verfügen, wie aus den Akten, namentlich den zahlreich vorhandenen Lageplänen, ohne weiteres ersichtlich ist, insbesondere an der den Wohnungen der Klägerin gegenüber liegenden Ecke O.-Straße/M-J.-Straße mit Ausnahme des wenige Quadratmeter umfassenden Wirtschaftsgartens des „C. m. D.“ mit Garderobe und Kassenbereich über keinen nennenswerten Vorraum; ihr Ein- und Ausgangsbereich beginnt und endet unmittelbar auf dem öffentlichen Gehweg bzw. dem sich anschließenden öffentlichen Straßenraum. Angesichts dieser baulichen Situation liegt es auf der Hand, dass eine Trennung des Ziel- und Quellverkehrs vom allgemeinen Straßenverkehr mangels ausreichender Unterscheidbarkeit nicht möglich ist. So bewegen sich beispielsweise die vom Bevollmächtigten der Klägerin in Bezug genommen und als solche beschriebenen Taxischlangen auf den Zufahrtsstraßen zu den Clubs denknotwendig ausschließlich im öffentlichen Verkehrsraum. Ob Gäste der Diskotheken deren Angebot in Anspruch nehmen oder nicht, entscheidet sich naturgemäß binnen weniger Sekunden. Steigt der Fahrgast ein und nimmt das Taxi seine Fahrt auf, so tritt damit unmittelbar eine Vermischung mit dem öffentlichen Verkehr ein, so dass es angesichts der sich im öffentlichen Verkehrsraum bewegenden Menschenmassen und Fahrzeuge (nach der Darstellung der Klägerin in den Stoßzeiten mehrere tausend Personen und eine Vielzahl von Taxen und sonstigen Kraftfahrzeugen) an der erforderlichen Unterscheidbarkeit und damit zugleich auch an der Zurechenbarkeit, jedenfalls aber an deren hinreichender Feststellbarkeit fehlt. Wird das Taxi dagegen erst gar nicht in Anspruch genommen, wartet dessen Fahrer also umsonst, ohne dass es zu einem Kontakt von Diskothekenbesucher und Taxi kommt, verbleibt dieses ausschließlich im öffentlichen Raum und kann schon allein deshalb dem Betrieb nicht zugerechnet werden. Aufgrund der baulich bedingten, weitgehend übergangslosen Nähe des Ein- und Ausgangsbereich der Diskotheken einerseits und des öffentlichen Verkehrsraums andererseits kann der Zu- und Abgangsverkehr vorliegend nicht in einer hinreichend deutlich unterscheidbaren und damit zugleich auch feststellbaren Art und Weise hervortreten. Aufgrund der bereits aus der Aktenlage (Lagepläne) ersichtlichen örtlichen Verhältnisse tritt die Vermischung beider Verkehre vielmehr denknotwendig nahezu zeitgleich mit ihrer Entstehung ein oder anders gewendet, die Vermischung folgt der Entstehung auf dem Fuße. Infolge dessen könnte selbst nach der vor Inkrafttreten der TA-Lärm 1998 geltenden (früheren) Rechtslage eine Zurechnung des Hol- und Bringverkehrs mangels hinreichender Trennbarkeit und Unterscheidbarkeit nicht erfolgen. Nicht anders kann es sich hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 nachgeschobenen beschleunigten An- und Abfahrens von Kraftfahrzeugen und deren Hupen auf der M-J.-Straße in Fahrtrichtung M.platz (vgl. Sachverständigengutachten S. 15 f., Buchst. a und b), der Kommunikation und Beschallung durch Fahrradrikschas während der Oktoberfestzeit (vgl. Sachverständigengutachten S. 17, Buchst. h) und der durch einen etwa 15-minütigen Polizeieinsatz wegen einer Gruppe von Personen in der M-J.-Straße an einem Abend während des Oktoberfests erzeugten (Fahr-) Geräusche (vgl. Sachverständigengutachten S. 17, Buchst. j) verhalten. Auch insoweit fehlt es, ungeachtet des Umstandes, dass es sich jeweils um singuläre Ereignisse handelt, die das Gesamtimmissionsgeschehen kaum erheblich prägen, aufgrund der aus der Aktenlage (Lagepläne) ersichtlichen örtlichen Verhältnisse denknotwendig an der erforderlichen Zurechenbarkeit mangels hinreichender Trenn- und Unterscheidbarkeit vom allgemeinen Verkehr. Infolgedessen ist zugleich auch dem von der Klägerin beauftragten und vorgelegten Privatgutachten des Dipl.-Ing.(FH) S. vom 24. Oktober 2017 die Beurteilungsgrundlage entzogen, welches die Zurechenbarkeit ohne jede Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen stillschweigend unterstellt (vgl. S. 6) und auf dieser Grundlage in eine von vornherein unzulässige, tatsachen- und rechtsgrundlagenfreie Prüfung eintritt. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Gutachten ist deshalb auch im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BGH (vgl. B.v. 17.5.2017 – VII ZR 36/15 –, NJW 2017, 3661 Rn.11) nicht veranlasst.

cc) Zu Recht weist der Klägerbevollmächtigte allerdings darauf hin, dass die in Ziffer 7.4 TA-Lärm 1998 getroffene Sonderreglung nur die Geräusche des Fahrzeugverkehrs betrifft. Lärm, den Besucher auf dem Fußweg zur Gaststätte verursachen, ist Teil der Betriebsgeräusche und wie diese nach der TA-Lärm zu würdigen. Die in Ziffer 7.4 TA-Lärm dem Fahrzeugverkehr zugedachte Privilegierung bleibt auf Geräusche dieser Art beschränkt und findet weder mittelbar noch unmittelbar auf Geräusche von Fußgängern Anwendung (vgl. VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750 f.] m.w.N.; siehe auch Feldhaus/Tegeder, TA-Lärm, Sonderdruck, 2014, Nr. 7.4 Rn. 40 a.E.). Voraussetzung einer Zurechnung nach der TA-Lärm ist allerdings auch insoweit stets, dass das Geschehen noch erkennbar als Zielbzw. Quellverkehr der Gewerbebetriebe in Erscheinung tritt; es muss mit anderen Worten „feststehen“, dass die von Fußgängern verursachten Geräusche von den Besuchern dieser Betriebe stammen. Nur dann können sie diesen als Folgen der Betriebsführung zugerechnet werden (so ausdrückl. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; B.v. 9.4.2003 – 6 B 12/03 – juris, Rn. 10; VGH BW, B.v. 5.3.1996 – 10 S 2830/95 –, NVwZ 1997, 401 [404]; OVG NRW, B.v. 25.01.1994 – 4 B 2746/93 –, NVwZ-RR 1995, 27; BayVGH, U.v. 16.9.2010 – 22 B 10.289 – juris, Rn. 19; B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 756 [757]; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris, Rn. 4).

Dies indes ist nach den Feststellungen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen vorliegend aber gerade nicht der Fall. Nach dessen Ausführungen war während des gesamten Messzyklus eine Trennung oder Zuordnung solcher Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben nicht möglich (vgl. Gutachten, S. 16, Buchst. f):

„Verhaltensbezogene Einzelereignisse mit meist informationshaltigen Geräuschen durch die Kommunikation von Personen auf den Gehwegen, Rufen/Schreien, Schritte, Gelächter usw. wurden an den Wochenenden insbesondere während des Oktoberfestes festgestellt.

Eine Trennung oder Zuordnung dieser Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen/Vergnügungsbetrieben war nicht möglich.“

Letzteres liegt angesichts der bereits beschriebenen örtlichen Verhältnisse auch ohne weiteres auf der Hand (vgl. zur Maßgeblichkeit der Erschließungssituation näher BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]), ohne dass es insoweit weiterer Erhebungen bedürfte. Die Diskothekenbetriebe verfügen – wie bereits dargelegt – im Nahbereich der Wohnungen der Klägerin (mit Ausnahme des wenige Quadratmeter umfassenden Wirtschaftsgartens des „C. m. D.“ mit Garderobe und Kassenbereich) über keinen nennenswerten Vorraum; ihr Ein- und Ausgangsbereich beginnt und endet unmittelbar im öffentlichen Raum. Insoweit gehen die in den Stoßzeiten von den Gästen auf dem Weg von und zu und rund um die Diskotheken in einem – wie der Bevollmächtigte der Klägerin selbst vorträgt (vgl. Schreiben vom 23.02.2018, S. 6) – Umfeld von mehreren tausend auf dem M.platz und der „M. F.“ flanierenden Personen hervorgerufenen Geräusche – anders als möglicherweise bei einem einzelnen Betrieb ohne regen Passantenstrom im Umfeld (vgl. hierzu etwa OVG NRW, U.v. 12.12.2012 – 10 D 85/10.NE –, NVwZ-RR 2013, 455 [457]; BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 756 [757]; BayVGH, B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris, Rn. 4) – denknotwendig unmittelbar im öffentlichen Verkehrsraum auf, ohne dass sie als Ziel- und Quellverkehr der Anlagen unterscheid- und damit zugleich auch (als solche der Anlagen) wahrnehmbar würden. Dies gilt gerade auch für sich an den Eingangsbereichen der Betriebe möglicherweise bildende „Menschentrauben“, gleichviel ob die diese bildenden Personen „Rauchen“ oder nicht. Auch insoweit lässt sich nämlich regelmäßig nicht ohne weiteres mit der erforderlichen Bestimmtheit feststellen, ob die Betreffenden dort lediglich aus Neugier verweilen oder ob es sich tatsächlich um potentielle Gäste der Betriebe handelt, die noch keinen Einlass finden konnten oder die Betriebe zum Zwecke des Rauchens mit Rückkehrwillen verlassen haben und deshalb als den Anlagen zuzurechnender Zielverkehr zu erfassen wären. Mithin tritt auch insoweit denknotwendig eine Vermischung beider Geräuschkulissen, die der Gäste einerseits und die der Fußgänger und Besucher des öffentlichen Verkehrsraums des M.platzes und der „F.“ andererseits nahezu zeitgleich mit ihrer Entstehung ein. Die erstere folgt der letzteren auch insoweit gleichsam auf dem Fuße. Infolge dessen kann – wie der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige in in jeder Hinsicht nachvollziehbarer Weise dargelegt hat – eine Zurechnung zu den Anlagen mangels Trennbarkeit und Zuordenbarkeit beider Personengruppen nicht erfolgen. Letzteres liegt angesichts der schieren Zahl der Feier- und Schaulustigen – die Beteiligten gehen während der Spitzenzeiten letztlich übereinstimmend von mehreren tausend Personen aus – auch offen zu Tage.

Insoweit ist zugleich auch dem von der Klägerin beauftragten und vorgelegten Privatgutachten des Dipl.-Ing. (FH) S. vom 24. Oktober 2017, welches eine entsprechende Zurechenbarkeit ohne jede Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen einfach stillschweigend unterstellt (vgl. S. 6), die Grundlage entzogen – ebenso wie bereits hinsichtlich des Fahrzeugverkehrs. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Gutachten ist deshalb auch im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BGH (vgl. B.v. 17.5.2017 – VII ZR 36/15 –, NJW 2017, 3661 Rn.11) nicht geboten. Dies gilt zugleich auch bezüglich der Ausführungen des Privatgutachtens zum Spitzenpegelkriterium (vgl. S. 9). Soweit es dort weiter heißt, „bei realistischer Betrachtung ist anzunehmen, dass … diese Spitzen durch … den Besucherlärm verursacht werden“, bewegen sich diese Aussagen ausschließlich im Bereich der Spekulation. Noch in seinem Gutachten vom 28. April 2008 (Anlage 2 u. 3) hat derselbe Sachverständige die von ihm selbst am Wohnhaus O.-straße 11 gemessenen Spitzenpegel „sprechenden und grölenden Passanten“ zugeordnet, was einer Einordnung als Besucherlärm gerade entgegensteht; nunmehr soll es sich gleichwohl um solchen handeln, obwohl der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige eine solche Zuordnung anlässlich seines mehrere Tage währenden Messzyklus gerade nicht vorzunehmen vermochte (vgl. Gutachten S. 16, Buchst. f). Den lediglich spekulativen Annahmen des Privatgutachtens ist daher nicht weiter nachzugehen. Mangels Zuordenbarkeit der Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben kommen entgegen der Auffassung der Klägerin auch Zuschläge für Ton- und Informationshaltigkeit (vgl. hierzu OVG NRW, U.v. 12.12.2012 – 10 D 85/10.NE –, NVwZ-RR 2013, 455 [458]) nicht in Betracht.

dd) Soweit der Klägerbevollmächtigte ferner auf die Messungen des Referats G. und U. der Beklagten vom 26. Juli 2008 und die auf dieser Grundlage erstellte schalltechnische Beurteilung vom 8. September 2008 verweist, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Geräusche der Besucher vor den Lokalen und im Straßenbereich zu einer Überschreitung des zulässigen Richtwerts der TA-Lärm zur Nachtzeit um bis zu 6 dB(A) führe, vermag auch dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Vergleiche mit den Messungen der Beklagten aus dem Jahre 2008 bleiben aufgrund abweichender Messpunkte rein spekulativ. Die damals gewählten Orte O.-straße 13, 6. OG Mitte und O.-straße 13, DG Nord auf dem Balkon betreffen beide nicht die streitgegenständlichen Wohnungen der Klägerin. Es liegt infolge der allgemein bekannten Unterschiedlichkeit der Schallausbreitung und – abschirmung auch ohne weiteres auf der Hand, dass andere Messpunkte regelmäßig auch zu anderen Messergebnissen führen. Die damaligen, zudem lediglich den Zeitraum einer einzigen Nacht umfassenden, nahezu zehn Jahre zurückliegenden, nicht die aktuellen Clubs „S.“ und „C. m. D.“, sondern das ehemalige „M & M.“ und das „B.“ betreffenden, nicht an den Wohnungen der Klägerin vorgenommenen Messungen der Beklagten besitzen für das streitgegenständliche Verfahren keinerlei Relevanz.

Ungeachtet dessen lässt die Beurteilung der Beklagten (Referat für G. und U.) vom 8. September 2008 auch weder erkennen, dass die Ziel- und Quellverkehre der Anlagen erhoben und dokumentiert wurden noch wird deutlich, dass eine Trennung vom allgemeinen Fußgänger- und Straßenverkehr in der Umgebung der Anlagen, namentlich in der M-J.-Straße, auf dem M.platz und der sog. F. insgesamt vorgenommen worden wäre. Es wurde lediglich stillschweigend unterstellt, dass es sich bei den Emittenten der festgestellten Geräusche auch tatsächlich um Gäste der Clubs handelte. Vor dem Hintergrund der örtlichen Verhältnisse und angesichts eines vom Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 (S. 6) selbst ins Feld geführten Aufkommens von mehreren tausend Personen auf dem M.platz und der „F.“ am Wochenende liegt dies jedoch alles andere als ohne weiteres auf der Hand. Auch dieser Mangel entzieht allen weiteren Vergleichen die Grundlage. Die Klägerin kann demzufolge auch mit ihrer Hypothese, etwaiger Lärm, der anlässlich der Messung der Beklagten am 26. Juli 2008 aus der Hintertür des Clubs „B.“ (heute „C. m. D.“) hinaus gedrungen sein möge, könne für die damaligen Messergebnisse nicht entscheidend gewesen sein, kein Gehör finden. Die damaligen Messergebnisse sind für die aktuell zu beurteilende Situation schon allein deshalb ohne jede Bedeutung, weil sie sich – anders als die vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Werte – nicht auf die streitgegenständlichen Wohnungen beziehen.

c) Ebenso wenig trifft der (ausschließlich im Klageverfahren erhobene) Einwand des Klägerbevollmächtigten zu, hinsichtlich der Wohnung Nr. 19, O.-Straße 13, 4. OG rechts sei der vom Innenhof ausgehende Lärm (Rückkühlsystem, Anlieferung, Freischankfläche) nicht berücksichtigt worden. Der vom Gericht bestellte Sachverständige hat ausweislich des Gutachtens zahlreiche Messungen an den Immissionsorten durchgeführt; in diesen Messungen sind – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – notwendigerweise alle auftretenden Lärm-Immissionen abgegriffen. Dass an der Innenhofseite kein zusätzlicher Messpunkt gebildet wurde, begründet deshalb keinen Beurteilungsfehler.

d) Die demgegenüber von Seiten der Klägerin gegen das Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen erhobenen Einwendungen können auch im Rahmen der „Außen“-Pegelbetrachtung nicht verfangen. Eine Verpflichtung des erkennenden Senats, zusätzlich zu dem vorliegenden Gutachten weitere gutachterliche Stellungnahmen einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, besteht auch insoweit nicht allein schon deshalb, weil ein Beteiligter die bisherigen Erkenntnisquellen für unzureichend oder unzutreffend hält (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2008 – 2 B 122/07 –, NVwZ-RR 2008, 477 [479] Rn. 29 m.w.N.). Vielmehr hat das Berufungsgericht auch für seine eigene tatrichterliche Würdigung von einem erstinstanzlichen Beweisergebnis auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1 – 11/92 –, NVwZ 1993, 572 [577]). Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme ist vom Rechtsmittelgericht auch grundsätzlich nicht zu wiederholen (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6).

Unzulässig ist die Verwertung eines (erstinstanzlichen) Sachverständigengutachtens deshalb auch insoweit nur dann, wenn – erstens – das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, wenn – zweitens – das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn – drittens – der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, wenn – viertens – sich durch neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert, wenn – fünftens – ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt oder wenn – sechstens – das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1 – 11/92 –, NVwZ 1993, 572 [578]).

Vorliegend ist – auch mit Blick auf eine lediglich hilfsweise anzustellende „Außen“-Pegelbetrachtung – keiner dieser Gründe gegeben. Insbesondere liegen keine Zweifel hinsichtlich der Unparteilichkeit oder Unvoreingenommenheit des Sachverständigen vor. Allein der Umstand, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige im Jahr 2009, also vor über 8 Jahren, zunächst in seinem damaligen Beruf als Techniker – und nicht etwa als allein verantwortlicher Sachverständiger – an einer (mehrteiligen) schalltechnischen Stellungnahme seines damaligen Arbeitgebers betreffend die – frühere – Diskothek „B.“, die seit Ende des Jahres 2011 nicht mehr existiert, bei der Einpegelung der elektroakustischen Beschallungsanlage der damals in der Nachbarschaft der Wohnungen der Klägerin begutachteten Diskothek mitgewirkt, als Zuarbeiter weitere Hilfstätigkeiten (wie Schriftwechsel und Vorbereitung von Stellungnahmen) durchgeführt und das vom damals verantwortlichen Projektleiter alleinverantwortlich erstellte Gutachten im Rahmen des vom Arbeitgeber vorgegebenen Vier-Augen-Prinzips lediglich mit unterzeichnet hat (vgl. zu den Umständen im Einzelnen die Stellungnahme des Sachverständigen vom 12. August 2017), vermag eine solche Annahme nach der Überzeugung des Senats auch im Rahmen der Betrachtung der „Außen“-Pegel nicht zu begründen (vgl. im Übrigen bereits oben 2 b).

Im Auftrag der heutigen Diskotheken in der Nachbarschaft der streitgegenständlichen Objekte der Klägerin war der Sachverständige zu keinem Zeitpunkt tätig. Ungeachtet dessen hatte der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige vorliegend auch nicht etwa die Diskotheken, sondern lediglich die Lärmbelastung an den Wohnungen der Klägerin durch Schallpegeleinmessungen festzustellen und zu beurteilen. Die Betreiber der Diskotheken sind am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt. Ebenso wenig verhalten sich deren Interessen und diejenigen der Klägerin entgegengesetzt, wie der Bevollmächtigte der Klägerin glauben machen möchte, noch betreffen die frühere und die jetzige Tätigkeit des Sachverständigen einen gleichartigen Sachverhalt oder gar dieselbe Beweisfrage. Mangels Sachverhaltsidentität traf den Sachverständigen auch im Rahmen der „Außen“-Pegelbetrachtung keine Verpflichtung, auf seine angebliche „Vorbefassung“ hinzuweisen (vgl. hierzu bereits oben unter 2 b).

Auch der Vorwurf, der Sachverständige habe eine Reihe von relevanten Lärmquellen, namentlich den „Zu- und Abgangsverkehr“, den „Parkplatzlärm“ und die sog. „verhaltensbezogenen Ereignisse“, entgegen der Rechtslage und Gutachtenpraxis aus der Beurteilung nach der TA-Lärm ausgeklammert, kann nicht überzeugen. Die Nichtberücksichtigung ist – wie ausführlich dargelegt – in voller Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage erfolgt. Die vom Bevollmächtigten der Klägerin insoweit angezogenen Vergleiche mit der Messung der Beklagten aus dem Jahre 2008 bleiben vor dem Hintergrund abweichender Messpunkte rein spekulativ. Die Klägerin hat die Feststellung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen, eine Trennung und Zuordnung der verhaltensbezogenen Ereignisse sei anlässlich der Gutachtenerstellung nicht möglich gewesen, nicht unter Beweisantritt substantiiert bestritten; sie hat insoweit lediglich geltend machen lassen, diese Ausführungen zeigten, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige entweder nicht über die notwendige Erfahrung und Sachkunde verfüge oder sein Gutachten nicht unparteilich erstattet habe. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 (S. 27 f.) hat sie in diesem Zusammenhang weiter ausführen lassen, der Sachverständige gebe für seine Annahme keine Erklärung und verhalte sich insoweit widersprüchlich (vgl. hierzu auch noch im Folgenden gesondert).

All dies entbehrt jedoch jeder Grundlage. Angesichts der vom Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 (S. 6) selbst ins Feld geführten örtlichen Verhältnisse, insbesondere eines Passanten-Aufkommens von mehreren tausend Personen auf dem M.platz und der „F.“ insgesamt, ist die Feststellung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen vielmehr in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Auch soweit die Klägerin behauptet, die an- und abfahrenden Taxis seien anlässlich der Messungen der Beklagten 2008 erkennbar als Ziel- und Quellverkehr der Anlagen in Erscheinung getreten und ein gerichtlicher Augenschein werde ergeben, dass es sich auch jetzt nicht anders verhalte, folgt daraus nichts Gegenteiliges. Denn auf diesen Gesichtspunkt kommt es – wie bereits oben (vgl. 4b) ausführlich dargelegt – gemäß Nr. 7.4 TA-Lärm nicht an. Dass die vom Sachverständigen festgelegten Messpunkte an der Hausfassade – ein Betreten der Wohnungen wurde nicht gestattet – sachwidrig gewählt und die durch Umrechnung auf die maßgeblichen Immissionspunkte an den Wohnungen der Klägerin gewonnenen Ergebnisse unzutreffend wären, hat der Klägerbevollmächtigte weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich.

Ebenso wenig ist die Klägerin der ergänzenden Feststellung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Sitzungsprotokoll 15. März 2017, S. 4), der nach der TA-Lärm ermittelte Wert reduziere sich um 7,8 dB(A), wenn die Öffnungszeiten der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ (bedingt durch die Zulieferung des Caterers) entfielen, so dass sich im Bereich der betroffenen Wohnungen kein Lärm mehr ergebe, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führe, im Rahmen des Berufungsverfahrens substantiiert entgegengetreten. Sie hat lediglich geltend machen lassen, der Sachverständige habe weitere relevante Lärmquellen, namentlich den „Zu- und Abgangsverkehr“, den „Parkplatzlärm“ und die sog. „verhaltensbezogenen Ereignisse“ nicht einbezogen. Dass die Annahme einer Reduzierung des nach der TA-Lärm ermittelten Wertes um 7,8 dB(A) im Falle einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ unzutreffend wäre, hat die Klägerin damit jedoch nicht aufgezeigt. Gleiches gilt auch insoweit als eine längere Öffnungszeit der Hintertür und damit zugleich auch eine höhere Lärmexposition von bis zu 10 dB(A) in den Raum gestellt wurde. Für eine solche fehlt – insbesondere nach der Verlegung des Anlieferungsbereichs – die erforderliche tatsächliche Grundlage. Auch die Berücksichtigung weiterer relevanter Lärmquellen scheidet – wie ausführlich dargelegt – aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen aus. Der Senat sieht deshalb für eine weitere Sachverhaltsaufklärung keinen Anlass.

Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige einseitig die Interessen der Beklagten im Auge gehabt hätte, lassen sich auch im Rahmen der „Außen“-Pegelbetrachtung nicht feststellen (vgl. im Übrigen bereits oben 2 b). Objektive Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen, die den Beweiswert seines Gutachtens beinträchtigen würden und dem Senat deshalb hätten Anlass geben müssen, dies bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. hierzu BGH, U.v. 12.3.1981 – IVa ZR 108/80 –, NJW 1981, 2009 [2010]), sind nach allem nicht ersichtlich. Das Gutachten konnte deshalb auch im Rahmen der Betrachtung der „Außen“-Pegel uneingeschränkt berücksichtigt und der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegt werden.

Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten war der Senat auch insoweit nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen bzw. in neue (weitere) Ermittlungen einzutreten. Über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten hat das erkennende Tatsachengericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Verfahrensfehlerhaft ausgeübt wird dieses Ermessen nur dann, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen absieht, obwohl die Notwendigkeit einer solchen Beweiserhebung sich von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1985 – 8 C 15/84 –, BVerwGE 71, 38 [41 f.]; U.v. 6.10.1987 – 9 C 12/87 –, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31). Letzteres wiederum ist nur dann der Fall, wenn bereits vorhandene (entscheidungserhebliche) Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen offen erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unauflösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters ergeben oder sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei dem bisherigen Gutachter nicht vorhanden ist (vgl. BVerwG, B.v.22.12.2011 – 2 B 87/11 – juris, Rn. 6).

Für das Vorliegen solcher Umstände bestehen indes keinerlei Anhaltspunkte. Weder fehlt dem vom Verwaltungsgericht beauftragten Gutachten – mit der vom Klägerbevollmächtigten unterstellten Folge seiner Unvollständigkeit und Unverwertbarkeit – eine schlüssige Darlegung, weshalb der Sachverständige die sog. verhaltensbezogenen Ereignisse gesondert vom Anlagenlärm beurteilt hat noch mangelt es an einer Erklärung dafür, weshalb der Sachverständige eine Trennung oder Zuordnung dieser Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben für nicht möglich gehalten hat. Die von der Klägerseite vermisste Erläuterung folgt unmittelbar aus dem Umstand der objektiven Unmöglichkeit der Zurechnung selbst. Nur wenn feststünde, dass die von Fußgängern und Passanten verursachten Geräusche von den Besuchern der Betriebe stammen, käme eine Zurechnung und damit eine Anwendung der TA-Lärm überhaupt in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; B.v. 9.4.2003 – 6 B 12/03 – juris, Rn. 10; VGH BW, B.v. 5.3.1996 – 10 S 2830/95 –, NVwZ 1997, 401 [404]; OVG NRW, B.v. 25.01.1994 – 4 B 2746/93 –, NVwZ-RR 1995, 27; BayVGH, U.v. 16.9.2010 – 22 B 10.289 – juris, Rn. 19; B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 756 [757]; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris, Rn. 4). Gerade daran fehlt es nach den Feststellungen des Sachverständigen jedoch. Dessen Gutachten steht daher entgegen der irrigen Annahme des Klägerbevollmächtigten nicht im Gegensatz zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung oder zur allgemeinen Gutachtenpraxis; es trägt diesen vielmehr in vollem Umfang Rechnung, wie sich nicht zuletzt aus dem oben Gesagten ergibt.

Anders als der Bevollmächtigte der Klägerin meint, kann dem Sachverständigen auch nicht entgegengehalten werden, dass er für das damalige „B.“ die Geräusche der Gäste beim Betreten und Verlassen des Betriebes und deren dauerhaften Aufenthalt vor dem Eingang noch nach der TA-Lärm beurteilt habe, während er im laufenden Verfahren eine solche Betrachtung ablehne. Insoweit wird verkannt, dass es sich vorliegend um konkrete Lärmmessungen handelt, die eine ausdrückliche Zuordnung zu bestimmten, identifizierbaren Lärmquellen erfordern, um überhaupt eine Aussage über die Lärmbelastung treffen zu können (vgl. TA-Lärm, Anhang A. 3.4.4). Bei der schalltechnischen Beurteilung des damaligen „B.“ ging es hingegen lediglich um eine Lärmprognose, die unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Bestätigung durch die tatsächlichen Verhältnisse („schalltechnische Abnahme“) stand (vgl. schalltechnische Stellungnahme vom 2.10.2009, S. 4 a.E.). Die vom Bevollmächtigten der Klägerin angestellten Rückschlüsse entbehren daher jeder Grundlage. Gleiches gilt für die Behauptung, der Sachverständige habe die Lärmbelästigung durch Gäste im Straßen- und Eingangsbereich der Diskotheken bereits anlässlich der schalltechnischen Stellungnahme vom 2. Oktober 2009 verharmlost und zugunsten der Diskothekenbetreiber „getrickst“. Die TA-Lärm unterscheidet deutlich zwischen der Ermittlung von Geräuschimmissionen durch Prognose (vgl. TA-Lärm, Anhang A. 2) und durch Messung (TA-Lärm, Anhang A. 3). Es liegt in der Natur von Prognosen, dass ihre Annahmen in der Praxis zu überprüfen sind. Gerade deshalb verweist die schalltechnische Stellungnahme vom 2. Oktober 2009 (vgl. S. 4 a.E.). auf eine schalltechnische Abnahme (Stichprobenmessung, Zählung der Gäste am Eingang usw.) nach Umsetzung der Maßnahme. Ebenso wenig hat der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige den Besucherlärm auf den Freiflächen auf privatem Grund unberücksichtigt gelassen, wie der Bevollmächtigte der Klägerin irrtümlich meint; soweit entsprechende Feststellungen und Zuordnungen überhaupt möglich waren, wie etwa beim Wirtsgarten des „C. m. D.“ mit Bereich Garderobe und Kasse, hat er vielmehr eine Überdeckung durch den Verkehrslärm angenommen (vgl. Sachverständigengutachten S. 20 f.), der der Bevollmächtigte im Berufungsverfahren allerdings nicht entgegengetreten ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gutachten des Sachverständigen auch nicht in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich. Ein solcher Widerspruch folgt namentlich nicht aus der Feststellung des Sachverständigen, eine Trennung oder Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse zu einzelnen Vorgängen, Veranstaltungen und Vergnügungsbetrieben sei nicht möglich gewesen (vgl. Sachverständigengutachten S. 16, Buchst. f.) und der – im Übrigen lediglich hypothetisch angestellten – Überlegung des Sachverständigen, selbst wenn eine Trennung und Zuordnung durch eine Befragung oder Beobachtung möglich gewesen wäre, würden diese Geräusche auf den öffentlichen Verkehrsflächen jedenfalls gesondert vom Anlagenlärm zu beurteilen sein. Allein aus dieser Hypothese kann jedoch – gleichviel, ob sie zuträfe oder nicht – ein Widerspruch nicht erwachsen. Vielmehr liegt es, wie bereits mehrfach dargelegt, aufgrund der örtlichen Verhältnisse, namentlich des vom Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 23. Februar 2018 (S. 6) selbst ins Spiel gebrachten Passanten-Aufkommens von mehreren tausend Personen um den M.platz und auf der „F.“ zu den Stoßzeiten, auf der Hand, dass eine Trennung und Zuordnung von verhaltensbezogenen Einzelereignissen objektiv unmöglich ist. So müsste während eines zuvor festgelegten Messzyklus zeitgleich nicht nur jede einzelne menschliche Lärmquelle im Zugangsbereich der Betriebe befragt werden, ob sie soeben als Passant oder als Besucher der Diskotheken Geräusche von sich gegeben hat; es müssten darüber hinaus in einem Umfeld von mehreren tausend Personen auch tatsächlich alle Lärmemittenten bereit sein, entsprechende Fragen freiwillig – eine entsprechende Mitwirkungsverpflichtung besteht nicht – zu beantworten, um eine einigermaßen repräsentative Aussage treffen zu können. Dass dies schon aus technischen Gründen – für jeden Lärmemittenten müsste zeitgleich ein Befrager aufgeboten werden – nicht in Betracht kommen kann, bedarf keiner näheren Darlegung. Wohl nicht zuletzt deshalb hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch von einem entsprechenden Beweisantrag abgesehen. Auch aus der schalltechnischen Stellungnahme vom 2. Oktober 2009 betreffend die damalige Diskothek „B.“ und dem Gutachten des Sachverständigen im vorliegenden Verfahren ergibt sich kein Widerspruch. Bei ersterer handelt es sich – wie schon ausgeführt – um eine bloße Prognose, bei letzterer um eine Ermittlung von Geräuschimmissionen durch Messung. Beide Verfahren stehen selbständig nebeneinander. Rückschlüsse von dem einen auf das andere sind daher nicht möglich.

Ebenso wenig erweist sich das Gutachten des Sachverständigen aus anderen Gründen als nicht überzeugend. Selbst wenn – wie der Bevollmächtigte der Klägerin unter Bezugnahme auf das von ihm eingeholte Privatgutachten des Dipl.-Ing. (FH) S. vom 24. Oktober 2017 (S. 7) behauptet – der berechnete Verkehrslärm tatsächlich um 2 bis 4 dB (A) unter dem gemessenen Gesamtlärm liegen sollte, ließe sich dies ohne Weiteres damit erklären, dass – wie auch von dem vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen festgestellt – weitere Lärmquellen zwar möglicherweise vorhanden sind, aber den Anlagen eben gerade nicht zugerechnet werden können. Anhaltspunkte dafür, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige mit der Folge der Unverwertbarkeit seines Gutachtens von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen wäre, sind daher nicht ersichtlich.

e) Der Senat war deshalb vorliegend auch nicht gehalten, den ausdrücklich gestellten Beweisanträgen und weiteren Beweisanregungen der Klägerin zu entsprechen. Hierauf wurde in den Anhörungsmitteilungen nach § 130a VwGO hingewiesen. Die Ablehnung der Beweisanträge und weiteren Beweisanregungen der Klägerin (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 19.4.1999 – 8 B 150/98 –, NVwZ-RR 1999, 537 f.; B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 7 f.) beruht im Einzelnen auf folgenden Erwägungen:

aa) Soweit die Klägerin beantragt,

zum Beweis der Tatsachen, dass (a) man deutlich den Lärm der Diskotheken an- und von den Diskotheken abfahrenden Taxis und sonstigen Fahrzeugen hört, (b) dieser Lärm, ebenso wie der aus den Diskotheken hörbare Musiklärm, jedoch immer wieder durch lautes Rufen, laute Gespräche, Pfiffe, Kreischen, Rufen und Schreie der Diskothekenbesucher übertönt wird, (c) die Gespräche teilweise sogar so laut sind, dass sie trotz des Verkehrslärms wörtlich zu verstehen sind (wie z.B. „Ja genau“), (d) eine Vielzahl von Diskothekenbesuchern vor den Diskotheken im öffentlichen Straßenraum in der M-J.-Straße und am M.platz steht, um zwischendurch zu rauchen, zu trinken, laute Gespräche zu führen,

(e) Betrunkene vor den Diskotheken liegen, (f) Diskothekenbesucher im öffentlichen Straßenraum urinieren, (g) ständig Gäste kommen und gehen, (h) Betrunkene vor den Diskotheken stehen, sich gegenseitig anrempeln und laute Gespräche führen, die den Verkehrslärm übertönen, (i) Taxis und sonstige Fahrzeuge zu den Diskotheken aus der M-J.-Straße kommend anfahren und vom M.platz über die M-J.-Straße abfahren, teilweise vor dem „M & M.“ in der M-J.-Straße halten und dann weiterfahren,

(j) ein Betrunkener im Park vor dem „P.“ neben ca. zwanzig leeren Bierflaschen liegt,

(k) vor dem Eingang des „M & M.“ auf der M-J.-Straße eine offensichtlich betrunkene Person liegt, wobei einige Diskobesucher versuchen, ihr beim Aufstehen zu helfen, laute Gespräche der Besucher im öffentlichen Straßenraum stattfinden, während man im Hintergrund den Lärm der an- und abfahrenden Taxis hört, der allerdings immer wieder durch laute Gespräche, Rufen und Schreien übertönt wird, (l) ein Gast, der im öffentlichen Straßenraum uriniert, von einem Ordner angesprochen wird, ohne dass dies erkennbare Konsequenzen hat, (m) Diskothekenmusik deutlich hörbar nach außen dringt, (n) Taxischlangen mit bis zu 45 Taxen vor den Diskotheken stehen (o) um 5.45 Uhr immer noch Gäste aus dem „M & M.“ kommen, ständig Taxis dort anfahren, halten und wieder abfahren, das Video vom 12.04.2008 in Augenschein zu nehmen (Beweisantrag 1),

hat der Senat zwar – colorandi causa – in den übersandten Datenträger Einsicht genommen; der Beweisantrag ist jedoch gleichwohl wegen Unerheblichkeit der Beweistatsachen abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die am Tag der Aufnahme des Videos am 12. April 2008 im Umfeld der streitgegenständlichen Wohnungen herrschenden Verhältnisse sind für die Entscheidung des Senats über die im vorliegenden Verfahren erhobenen Verpflichtungsklagen angesichts des insoweit allein maßgeblichen Entscheidungszeitpunkts der Beschlussfassung des Senats (vgl. hierzu näher Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 102) ohne jede Bedeutung. Gleiches gilt insoweit, als die Inaugenscheinnahme des Videos als Beweis dafür angeboten wird, dass die damals an- und abfahrenden Taxis und sonstigen Pkw erkennbar als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken in Erscheinung getreten seien. Zum einen kommt es auf diesen Gesichtspunkt nicht entscheidungserheblich an, weil diese Geräusche nach der Rechtsauffassung des Senats nach Ziffer 7.4 TA-Lärm nicht in die insoweit maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehen (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]). Zum anderen mag das Video zwar einen – allerdings mehr oder weniger zufälligen – Eindruck der Verhältnisse am 12. April 2008 geben, für die heutige Sachlage nahezu zehn Jahre später ist es indes ohne jede Relevanz, da insoweit allenfalls die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich sein können, zu welchen sich das Video naturgemäß nicht verhalten kann. Insoweit ist das Beweismittel zugleich auch subsidiär wegen Untauglichkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 4 StPO analog) abzulehnen.

bb) Soweit die Klägerin beantragt,

zum Beweis der Tatsache, dass die Belästigungen und Störungen, die der Diskothekenbetrieb verursacht, im Vergleich zu dem Inhalt des Videos vom 12.04.2008 […] nicht geringer geworden sind, sondern sogar noch zugenommen hat, und die an- und abfahrenden Taxis und sonstigen Pkw als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken in Erscheinung treten, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 2),

ist der Beweisantrag sowohl wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog) als auch wegen Untauglichkeit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 4 StPO analog) abzulehnen. Ein Vergleich zwischen den Verhältnissen am 12. April 2008 und jenen, die in einem oder auch mehreren Augenscheinterminen zu gewinnen wären, erweist sich von vornherein als unerheblich, weil es in rechtlicher Hinsicht ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, nicht aber auf einen Vergleich mit einem früheren Geschehen, nämlich dem vom 12. April 2008, ankommen kann. Ebenso wenig ist das Beweismittel Augenschein geeignet, einen solchen Vergleich anzustellen. Weder ist das menschliche Auge zu beurteilen in der Lage, ob die angeblichen Belästigungen und Störungen im Video vom 12. April 2008 eine objektivierbare Zunahme erfahren haben, noch ist das menschliche Ohr imstande, einen Lärmpegel vom 12. April 2008 mit einem solchen während eines Augenscheins messbar zu vergleichen.

Gleiches gilt insoweit, als die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass die an- und abfahrenden Taxis und sonstigen Pkw als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken in Erscheinung treten, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen. Diese Beweistatsache ist bereits deshalb unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog), weil diese Geräusche nach der Rechtsauffassung des Senats nach Ziffer 7.4 TA-Lärm nicht in die insoweit maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehen (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]).

cc) Soweit die Klägerin beantragt,

zum Beweis der Tatsache, dass der für Kerngebiete geltende Nachtwert der TA Lärm von 45 dB(A) auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ an den nach der TA-Lärm maßgeblichen Immissionsorten an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen überschritten wird, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 3),

ist der Antrag ebenfalls mangels Erheblichkeit der Beweistatsachen abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die Einholung eines solchen Gutachtens setzte in rechtlicher Hinsicht die Zurechenbarkeit weiterer Lärmquellen, insbesondere des „Zu- und Abgangsverkehrs“, des „Parkplatzlärms“ und der sog. „verhaltensbezogenen Ereignisse“ voraus, die nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats vorliegend aber gerade nicht gegeben ist.

Der ergänzenden Feststellung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 15. März 2017 (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 4), der nach der TA-Lärm ermittelte Wert reduziere sich um 7,8 dB(A), wenn die Öffnungszeiten der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ (bedingt durch die Zulieferung des Caterers) entfielen, so dass sich im Bereich der betroffenen Wohnungen kein Lärm mehr ergebe, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führe, ist die Klägerin im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht substantiiert entgegengetreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme einer Reduzierung um 7,8 dB(A) im Falle der dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ unzutreffend wären, sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin ist vielmehr lediglich der Auffassung, der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige habe noch weitere Lärmquellen in seine Beurteilung mit einbeziehen müssen. Dem steht indes schon die nach der Auffassung des Senats aus Rechtsgründen abzulehnende Zurechenbarkeit dieser Lärmquellen auf die Diskotheken entgegen. Eine Erfassung und Bewertung weiterer Lärmquellen im Rahmen einer erneuten oder weiteren Beweiserhebung ist unerheblich und damit letztlich sogar unzulässig, sofern nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats bereits feststeht, dass sie nicht zu einer Zurechnung führen könnte.

Ungeachtet dessen setzt die Klägerin sich insoweit auch nicht mit der Feststellung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen auseinander, eine Trennbarkeit und Zuordenbarkeit verhaltensbezogener Einzelereignisse zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen/Vergnügungsbetrieben sei nicht möglich gewesen (vgl. Gutachten, S. 16 Buchst. f). Vor diesem Hintergrund hätte es der Benennung greifbarer Anhaltspunkte dafür bedurft, dass es sich entgegen den Feststellungen des Sachverständigen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anders verhält und eine mit der Beweisantragstellung stillschweigend unterstellte Zurechenbarkeit gleichwohl denkbar und möglich ist. Gerade an einer solchen Darlegung fehlt es jedoch. Vielmehr spricht der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schreiben vom 23. Februar 2018 (S. 6) im Gegenteil von Tausenden von Personen, die nachts um den durch die O.-straße, die M-J.-Straße, den M.platz und den Park zwischen M.platz und O.-Straße eingerahmten Diskothekenblock ziehen und bestätigt damit inzident die angesichts der geschilderten Umstände in jeder Hinsicht nachvollziehbare Feststellung des Sachverständigen, eine Trennung und Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse sei nicht möglich gewesen. Der Beweisantrag ist damit zugleich als unzulässiger Beweisermittlungsantrag (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO) abzulehnen. Impliziten Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

dd) Soweit die Klägerin beantragt,

dem vom Verwaltungsgericht beauftragten Sachverständigen folgende Fragen zur Beantwortung vorzulegen: (1) Welchen Einfluss auf das Ergebnis seines Gutachtens hätte es – unabhängig von einer Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ –, wenn der Sachverständige die in Zi. 4.1 Buchst. f seines Gutachtens (S. 16) genannten „verhaltensbezogenen Ereignisse mit meist informationshaltigen Geräuschen“ als Anlagenlärm (und nicht als Verkehrslärm) nach der TA-Lärm berücksichtigen würde? (2) Wie würden sich die Beurteilungspegel nach TA-Lärm, die der Sachverständige auf S. 25 f. seines Gutachtens für die fünf Wohnungen jeweils angibt, unter dieser Voraussetzung ändern? (3) Wie wären die Fragen (1) und (2) zu beantworten, wenn der Sachverständige – zusätzlich zu den in Zi. 4.1 Buchst. f seines Gutachtens (S. 16) genannten „verhaltensbezogenen Ereignissen“ – auch (a) den in Zi. 4.1 Buchst. c seines Gutachtens (S. 16) genannten Parkplatzlärm, (b) sowohl den in Zi. Buchst. c seines Gutachtens (S. 16) genannten Parkplatzlärm als auch den Lärm, der durch den Hol- und Bringverkehr zu den fünf Diskotheken entsteht [Zi. 4.1 Buchst. d seines Gutachtens (S. 16) ], (c) sämtliche in Zi. 4.1 Buchst. c, d, e, h und j, seines Gutachtens (S. 16 f.) genannten Geräusche als Anlagenlärm (und nicht als Verkehrslärm) nach der TA-Lärm berücksichtigen würde? (4) Trifft es zu, dass der Sachverständige in seinem Gutachten bei der Ermittlung der Beurteilungspegel nach TA-Lärm ausschließlich die in Zi. 4.1 Buchst. g genannten Geräusche berücksichtigt, alle anderen Geräusche aber als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV beurteilt hat? (5) Sofern die Frage 4 zu bejahen ist: Dies würde ja bedeuten, dass die gegenüber dem berechneten Verkehrslärmpegel deutlich – um bis zu 4 dB(A) – erhöhten gemessenen Werte auf ein erhöhtes, (mehr als) verdoppeltes Verkehrsaufkommen zurückzuführen sind. Hält der Sachverständige dies für realistisch? (6) Zu welchen Ergebnissen würde der Sachverständige – unabhängig von einer Schließung der Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – nach der TA-Lärm für die fünf Wohnungen kommen, wenn er so vorgehen würde wie die Beklagte bei ihren Messungen 2008 (d.h. zunächst den Gesamtlärm zu erfassen und dann im Wege einer logarithmischen Subtraktion den Fremdgeräuschanteil, also den eigentlichen Verkehrslärm, davon abziehen würde)? (7) War dem Sachverständigen bei Abfassung seines Gutachtens vom Januar 2017 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 – BVerwGE 145, 145 bekannt, wonach „architektonische Selbsthilfe“ durch passive Schallschutzmaßnahmen wie Schallschutzfenster u.a. zur Einhaltung der Immissionswerte nach TA-Lärm nicht zulässig ist? (8) Verfügt der Sachverständige über schriftliche Notizen, Ton- und Bildaufzeichnungen, die anlässlich der Gutachtenerstellung angefallen sind und die er dem Gericht bislang noch nicht vorgelegt hat? (Verfahrensantrag 4),

war diesen Anregungen mangels Entscheidungserheblichkeit ebenfalls nicht zu entsprechen. Die Fragen (1) und (2) stellen sich nicht, da es hierfür nach der Rechtsauffassung des Senats an den rechtlichen Voraussetzungen einer Zurechnung der entsprechenden Lärmquellen als Anlagenlärm fehlt. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage (3). Als nicht entscheidungserheblich erweist sich desgleichen auch eine Beantwortung der Frage (4), da die entsprechenden Geräusche jedenfalls nicht als Anlagenlärm erfasst und die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten sind. Ebenso wenig erheblich sind die Fragestellungen (5) und (6), da es nach der Rechtsauffassung des Senats insoweit bereits an der rechtlichen Voraussetzung einer Zurechenbarkeit fehlt. Die Beantwortung der Frage (7) überschreitet die Kompetenz des Sachverständigen. Insoweit handelt es sich um eine allein vom Senat zu beantwortende Rechtsfrage. Frage (8) ist, da ausschließlich auf eine weitere Ausforschung gerichtet, nicht statthaft. Die maßgeblichen Erkenntnisquellen liegen dem Gutachten als Anlagen bei. Auf eine Vorlage von Entwürfen, Gedächtnisstützen oder Handakten des Sachverständigen besteht ohne nähere Darlegung und Konkretisierung sowohl des Aufklärungsgegenstandes als auch des Aufklärungszwecks kein Anspruch. Ungeachtet dessen ist das Fragerecht aus § 98 VwGO i.V.m. §§ 402, 397 ZPO auf die jeweilige Instanz beschränkt. Die Beweisaufnahme 1. Instanz ist abgeschlossen und die Voraussetzungen für eine weitere Beweisaufnahme liegen – wie bereits dargelegt – nicht vor. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6).

ee) Soweit die Klägerin beantragt,

dem Sachverständigen aufzugeben, sämtliche Unterlagen vorzulegen, die anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom Januar 2017 angefallen und nicht zum Bestandteil dieses Gutachtens geworden sind, einschließlich sämtlicher Messberichte, Messunterlagen, schriftlicher Notizen, Berechnungsunterlagen, Audio- und Videoaufzeichnungen usw. sowie Akteneinsicht in diese Unterlagen zu gewähren (Verfahrensantrag 5),

ist dem nicht zu entsprechen. Der Bevollmächtigte der Klägerin legt bereits nicht nachvollziehbar dar, dass solche Unterlagen und Aufzeichnungen überhaupt existieren. Der Antrag ist daher auf bloße Ausforschung gerichtet und aufs Geratewohl gestellt, so dass ihm nicht Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2007 – 7 BN 3/07 – juris, Rn. 5). Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin weiter meint, aus diesen Unterlagen und Aufzeichnungen werde sich ergeben, dass der Besucherlärm entgegen der Darstellung des Sachverständigen den Verkehrslärm vielfach klar übertöne und eindeutig zuordenbar sei, ist dies rein spekulativ. Selbst wenn auf den Audio- und Videoaufzeichnungen – unterstellt, sie würden tatsächlich existieren – lärmende Personen zu erkennen wären, bliebe – ohne ausdrückliche Befragung – doch gleichwohl ungeklärt, ob diese als bloße Passanten oder als Gäste der Diskotheken lärmten. Nur wenn letzteres der Fall gewesen wäre, käme eine Zuordnung überhaupt in Frage. Die dem Senat angesonnene Beweiserhebung erweist sich daher – mangels Möglichkeit einer retrospektiven Befragung eventuell erkennbarer Lärmemittenten – letztlich als untauglich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 4 StPO analog). Auch deshalb kann ihr nicht näher getreten werden.

Nichts anderes gilt insoweit, als der Klägerbevollmächtigte die durch keinerlei greifbaren Anhaltspunkte begründete Vermutung in den Raum stellt, aus den Audio- und Videoaufzeichnungen werde sich ergeben, dass die Geräusche eines 15-minütigen Polizeieinsatzes anlässlich der Messungen des Sachverständigen nicht als Verkehrslärm, sondern als Anlagenlärm zu beurteilen seien. Selbst wenn dies zutreffen würde, wäre dieser Umstand – da ausschließlich ein singuläres Ereignis betreffend – nach der Rechtsauffassung des Senats nicht maßstabsbildend und damit unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Gleiches gilt insoweit, als die – vermeintlichen weiteren – Unterlagen des Sachverständigen die Auffassung der Klägerin stützen sollen, an den Ergebnissen der Lärmmessung der Beklagten aus dem Jahre 2008 habe sich nichts Wesentliches geändert. Auf diese Messungen kommt es nach der – bereits ausführlich dargelegten – Rechtsauffassung des Senats nicht an (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog).

ff) Soweit die Klägerin beantragt,

zum Beweis der Tatsache, dass die Beklagte – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) – der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, „R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher „B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, an den Wohnungen in der O.-straße 11 und 13 bestimmte Immissionswerte einzuhalten, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen Bescheide der Beklagten – LBK – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 6),

ist auch dieser Antrag mangels Erheblichkeit der Beweistatsache abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Entscheidungserheblich ist allein, welches Maß an Lärmbelästigung bei der Klägerin tatsächlich ankommt, nicht aber welche Maßnahmen die Beklagte den Betreibern der Diskotheken auferlegt hat. Das Maß der Lärmbelästigung ist durch die Messungen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen vollständig erfasst worden.

GG) Soweit die Klägerin gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO beantragt, das Erscheinen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen anzuordnen, damit dieser folgende weitere Fragen beantworten könne:

(1) Sind die im Bericht vom 16. Mai 2007 betrachteten Immissionsorte mit den Immissionsorten aus dem in den vorliegenden Verfahren erstellten Gutachten vom Januar 2017 vergleichbar? (2) Warum hat der Sachverständige die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek, die er in seinem Bericht vom 16. Mai 2007 noch als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt hat, in seinem Gutachten vom Januar 2017 als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV beurteilt? (3) Warum hat der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des Clubs „C. m. D.“ an der M-J.-Straße als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt? (4) Welcher Beurteilungspegel hätte sich jeweils ergeben, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten vom 16. Mai 2007 statt von 20 jeweils von 40 oder 50 Personen ausgegangen wäre, von denen jeweils die Hälfte oder alle Personen „gehoben“ sprechen? (5) Wie kam der Sachverständige zu dem Ansatz von 20 Personen, von denen die Hälfte „gehoben“ spricht? (6) Wurde der Diskothekenbetreiber über die „Stichprobenmessungen“ im Jahre 2007 vorab informiert? (Verfahrensantrag 7),

ist auch diesem Antrag mangels Erheblichkeit der gestellten Fragen für die Entscheidungsfindung nicht zu entsprechen. Auf die Vergleichbarkeit der Immissionsorte vom Mai 2007 und den im Gutachten des Sachverständigen 2017 zugrunde gelegten (Frage 1) kommt es schon deshalb nicht an, weil für die Entscheidung über die im vorliegenden Verfahren erhobenen Verpflichtungsklagen allein die anlässlich der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht gegebenen, durch das Sachverständigengutachten erfassten, aktuellen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats (vgl. hierzu näher Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 102) maßgeblich sein können, nicht aber irgendwelche Messpunkte aus dem Jahr 2007 in einem ganz anderen (ausschließlich gaststätten-, nicht aber zweckentfremdungsrechtlichen) Zusammenhang. Frage (2) hat der Sachverständige bereits auf Seite 16, Buchst. f) seines Gutachtens vom Januar 2017 beantwortet: eine Trennung oder Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse mit informationshaltigen Geräuschen zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen/Vergnügungsbetrieben war nicht möglich. Letzteres liegt auch ohne weiteres auf der Hand. Der Bevollmächtigte der Klägerin selbst spricht im Schreiben vom 23. Februar 2018 (S. 6) von Tausenden von Personen, die nachts um den durch die O.-straße, die M-J.-Straße, den M.platz und den Park zwischen M.platz und O.-Straße eingerahmten Diskothekenblock ziehen. Dies steht, wie der Sachverständige in jeder Hinsicht nachvollziehbar ausgeführt hat, einer Trennung und Zuordnung entgegen. Auch Frage (3) hat der Sachverständige auf Seite 16, Buchst. g) seines Gutachtens vom Januar 2017 bereits beantwortet. Den Vergnügungsbetrieben zurechenbare, nach der TA Lärm zu beurteilende Anlagengeräusche, wurden ausschließlich durch den Betrieb des Clubs „C. m. D.“ festgestellt, nämlich durch dessen Biergarten während des Oktoberfestes und die bis zu zwei Minuten geöffnete Hintertür während des Caterings. Von „Geräuschabstrahlungen“ ist im Gutachten des Sachverständigen vom Jahr 2017 keine Rede. Für die von der Klägerin angestellten, rein spekulativen Rückschlüsse aus den Umständen des Jahres 2007 auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens im Jahre 2017 ist daher kein Raum; ebenso wenig für weitere spekulative Fragen, wie etwa jene, welcher Beurteilungspegel sich ergeben hätte, wenn der Sachverständige im Mai 2007 statt von 20 jeweils von 40 oder 50 Personen ausgegangen wäre, von denen jeweils die Hälfte oder alle Personen „gehoben“ sprechen (Frage 4). Die Verhältnisse des Jahres 2007 sind für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens aus dem Jahre 2017 vollkommen irrelevant. Gleiches gilt für rein spekulative Weiterungen auf der Grundlage der damaligen Umstände. Für das vorliegende Verfahren unerheblich sind deshalb auch die Fragen (5) und (6). Wie die Untersuchung im Jahr 2007 zu dem Ansatz von 20 Personen, von denen die Hälfte „gehoben“ spricht, gelangte, spielt für den vorliegenden Rechtsstreit ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob der damalige Diskothekenbetreiber über irgendwelche „Stichprobenmessungen“ im Jahre 2007 vorab informiert wurde. Ungeachtet dessen trifft der Eindruck, den der Klägerbevollmächtigte mit seinen Anträgen zu vermitteln versucht, der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige sei bereits anlässlich der Untersuchung im Jahr 2007 als verantwortlicher Sachverständiger tätig gewesen, nicht zu. Der Sachverständige war, wie sich aus der Untersuchung zweifelsfrei ergibt (vgl. S. 2), lediglich in untergeordneter Funktion als Techniker beteiligt. Unabhängig hiervon ist das Fragerecht aus § 98 VwGO i.V.m. §§ 402, 397 ZPO auf die jeweilige Instanz beschränkt. Die Beweisaufnahme 1. Instanz ist abgeschlossen und die Voraussetzungen für eine weitere Beweisaufnahme liegen – wie bereits dargelegt – nicht vor. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6).

hh) Soweit die Klägerin beantragen lässt, zum Beweis der Tatsachen, dass

(1) die im Bericht vom 16. Mai 2007 betrachteten Immissionsorte mit den Immissionsorten aus dem in den vorliegenden Verfahren erstellten Gutachten vom Januar 2017 vergleichbar sind, (2) sich eine Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an sämtlichen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer Öffnung oder Schließung der „Hintertür“ des „C. m. D.“ an der O.-straße – schon dann ergibt, wenn man, wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (3) sich eine Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an sämtlichen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer Öffnung oder Schließung der „Hintertür“ des „C. m. D.“ – jedenfalls dann ergibt, wenn man (a) wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (b) wie der Sachverständige noch in seinem Bericht vom 16. Mai 2007, dann aber nicht mehr in seinem Gutachten vom Januar 2017, die Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des Clubs „C. m. D.“ an der M-J.-Straße als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt, (c) die Geräusche des Biergartens an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße in die Beurteilung nach TA-Lärm einbezieht, (d) davon ausgeht, dass sich an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße in der lautesten Nachtstunde mindestens 50 Personen aufhalten, von denen jeweils die Hälfte „gehoben“ spricht, (e) einen Innenpegel in den Clubs von 99 dB(A) zugrunde legt und (f) einen Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit gemäß Anhang Nr. A 2.5.2 und Anhang A 3.3.5 TA Lärm berücksichtigt, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 8),

ist diesen Anträgen ebenfalls nicht zu entsprechen. Antrag (1) ist mangels Erheblichkeit der Beweistatsache abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die Frage der Vergleichbarkeit der dem Bericht vom 16. Mai 2007 zugrunde liegenden Immissionsorte mit den Immissionsorten aus dem in den vorliegenden Verfahren erstellten Gutachten besitzt für den vorliegenden Rechtsstreit keinerlei Relevanz. Maßgeblich für die Entscheidung über die im vorliegenden Verfahren erhobenen Verpflichtungsklagen sind allein die anlässlich der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht gegebenen, aktuellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senats (vgl. hierzu näher Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 102), nicht hingegen diejenigen von vor über 10 Jahren. Die Anträge 2 und 3 a –f) sind als unzulässige Beweisermittlungsanträge abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Der Bevollmächtigte der Klägerin stellt insoweit die durch keinerlei greifbare Anhaltspunkte begründete Vermutung auf, eine Überschreitung des Nachtwerts von 45 dB(A) an sämtlichen fünf streitgegenständlichen Wohnungen der Klägerin werde sich – entsprechend der Vorgehensweise anlässlich der schalltechnischen Untersuchung im Jahr 2007 und unabhängig von der Öffnung oder Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ – schon oder jedenfalls dann ergeben, wenn die „verhaltensbezogenen“ Geräusche der Gäste bei der Ankunft und beim Verlassen der Diskothek, die Geräuschabstrahlungen aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des Clubs „C. m. D.“ an der M-J.-Straße sowie die Geräusche des Biergartens an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße jeweils als Anlagenlärm nach der TA-Lärm beurteilt und einbezogen würden und man darüber hinaus davon ausgehe, dass sich an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße in der lautesten Nachtstunde mindestens 50 Personen aufhalten, von denen jeweils die Hälfte „gehoben“ spreche, weiterhin einen Innenpegel in den Clubs von 99 dB(A) zugrunde lege und darüber hinaus einen Zuschlag für Ton- und Informationshaltigkeit gemäß Anhang Nr. 2.5.2 und Anhang Nr. 3.3.5 TA Lärm berücksichtige. Indes findet sich, bezogen auf den Zeitpunkt der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht, für das Vorhandensein keines einzigen dieser Beurteilungsparameter irgendeine tatsächliche Grundlage. Verhaltensbezogene Geräusche können – wie bereits mehrfach dargelegt – nur dann als Anlagenlärm beurteilt werden, wenn ihre Zurechenbarkeit zum jeweiligen Betrieb „feststeht“ (so ausdrückl. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; B.v. 9.4.2003 – 6 B 12/03 – juris, Rn. 10; VGH BW, B.v. 5.3.1996 – 10 S 2830/95 –, NVwZ 1997, 401 [404]; OVG NRW, B.v. 25.01.1994 – 4 B 2746/93 –, NVwZ-RR 1995, 27; BayVGH, U.v. 16.9.2010 – 22 B 10.289 – juris, Rn. 19; B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 756 [757]; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris, Rn. 4). Dafür, dass dem tatsächlich so sein könnte, liefert der Klägerbevollmächtigte vor dem Hintergrund, dass der vom Gericht bestellte Sachverständige eine solche Zurechnung gerade nicht vorzunehmen vermochte, jedoch keine greifbaren Anhaltspunkte. Vielmehr spricht gerade die vom ihm im Schreiben vom 23. Februar 2018 (vgl. dort S. 6) getroffene Feststellung, nachts zögen Tausende von Personen um den durch die O.-straße, die M-J.-Straße, den M.platz und den Park zwischen M.platz und O.-straße eingerahmten Diskothekenblock, entscheidend gegen eine solche Möglichkeit der Trennung und Zurechnung. Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der lediglich unter Rückgriff auf die Verhältnisse des Jahres 2007 aufgestellten Behauptung des Vorliegens von „Geräuschabstrahlungen“ aus dem Inneren im Bereich des Ein- und Ausgangs des „C. m. D.“. Auch insoweit fehlen vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gutachtens des Sachverständigen vom Januar 2017, in dem von solchen Abstrahlungen im Eingangsbereich keine Rede ist, jegliche greifbaren Anhaltspunkte. Soweit die Geräusche des Biergartens mit einbezogen werden sollen, setzt der Klägerbevollmächtigte sich nicht mit der im Gutachten des Sachverständigen ausdrücklich festgestellten „Überdeckung“ durch den Verkehrslärm auseinander (vgl. Gutachten, S. 20 f.). Die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten bleiben daher auch insoweit rein spekulativ. Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.). Gleiches gilt hinsichtlich der weiteren Annahmen, in der lautesten Nachtstunde hielten sich an der Ecke M-J.-Straße/O.-straße mindestens 50 Personen auf, von denen die Hälfte „gehoben“ spreche. Auch für diese Mutmaßung fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt, ungeachtet des Umstandes, dass sich auch diese Behauptung nicht zum eigentlichen Problem der Zurechnung eines solchen Personenkreises zum Betrieb der Anlage verhält. Als ebenso spekulativ erweist sich die weitere Behauptung, bei der Beurteilung müsse ein Innenpegel von 99 dB(A) zugrunde gelegt werden. Der Klägerbevollmächtigte vermag nicht einmal als gesichert darzustellen, dass von den vermuteten 99 dB(A) überhaupt irgendetwas nach außen dringt. Schließlich entbehrt auch die Behauptung der Erforderlichkeit eines Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit jeder Wahrscheinlichkeit, denn auch insoweit bedürfte es einer Zurechenbarkeit der verhaltensbezogenen Einzelereignisse auf die Betriebe, für deren Bestehen der Klägerbevollmächtigte – außer Spekulationen und Mutmaßungen – keine greifbaren Anhaltspunkte benennt. Die aufs Geratewohl aufgestellten Behauptungen vermögen deshalb eine weitere Beweisaufnahme durch ein neues (weiteres) Sachverständigengutachten nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet dessen verkennt der Klägerbevollmächtigte auch insoweit, dass es sich bei den Feststellungen im Bericht vom 16. Mai 2007 lediglich um eine tatsachengestützte Prognose (vgl. TA-Lärm, Anhang A. 2), beim Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen von 2017 jedoch um konkrete Messungen (TA-Lärm, Anhang A. 3) handelt. Beide Verfahren stehen selbständig nebeneinander. Rückschlüsse von dem einen auf das andere sind daher nicht statthaft.

ii) Soweit die Klägerin weiterhin beantragen lässt, zum Beweis der Tatsache, dass

(1) die „Hintertür“ des Clubs „C. m. D.“ (a) durch Gäste, Caterer, Personal usw. als Ein- und Ausgang benutzt wird, (b) dabei auch zehn Minuten und länger offen steht, was durch Auflagen nicht verboten sei, (2) der Haupteingang des Clubs „C. m. D.“, wie schon 2007, auch heute häufig geöffnet ist, (3) sich in der lautesten Nachtstunde bei geschlossenem Biergarten 50 Personen und mehr an der Ecke O.-straße/Max Joseph Straße aufhalten und laut unterhalten, schreien, kreischen usw., (4) die „Musikdarbietungen“ und wahrnehmbaren Gespräche“ entgegen der Vermutung des Sachverständigen auf S. 9 seines Gutachtens vom Mai 2007 sehr wohl „immissionsseitig feststellbar“ sind, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 9),

sind auch diese Anträge als unzulässige Beweisermittlungsanträge abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Für die insoweit aufgestellten Vermutungen finden sich im gesamten Prozessstoff keine greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Beklagte hat – gemeinsam mit dem Betreiber – die zu einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), so dass die Mutmaßungen des Klägerbevollmächtigten, die Hintertür des Clubs werde auch weiterhin durch Gäste, Caterer, Personal usw. als Ein- und Ausgang benutzt, ohne konkrete Schilderung entsprechender Vorkommnisse nach Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen jedes greifbaren tatsächlichen Anhaltspunktes entbehren (Antrag 1). Gleiches gilt hinsichtlich der „ins Blaue hinein“ aufgestellten Behauptung, die Hintertür des „C. m. D.“ stehe bis zu zehn Minuten oder gar noch länger offen und der weiteren Behauptung, auch der Haupteingang des Clubs „C. m. D.“ sei, wie schon 2007, auch heute häufig geöffnet. Auch insoweit fehlt es vor dem Hintergrund, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige entsprechende Umstände nicht festzustellen vermochte, an der Darlegung konkreter und vor allem auch aktueller Beobachtungen, die eine entsprechende Annahme als denkbar und möglich erscheinen lassen würden, um eine weitere Beweiserhebung zu rechtfertigen (Antrag 2). Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.). Als für die Entscheidungsfindung unerheblich erweist sich des Weiteren die von der Klägerin aufgestellte Behauptung, in der lautesten Nachstunde hielten sich bei geschlossenem Biergarten 50 Personen und mehr an der Ecke O.-straße/M-J.-Straße auf und unterhielten sich laut, würden schreien und kreischen usw. (Antrag 3). Denn diese Feststellung alleine würde – wie bereits mehrfach dargelegt – über die rechtliche Zuordenbarkeit dieser Lärmquelle als Anlagenlärm noch nicht das Geringste aussagen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Verhaltensbezogene Geräusche können – wie bereits mehrfach erwähnt – nur dann als Anlagenlärm beurteilt werden, wenn ihre Zurechenbarkeit zum jeweiligen Betrieb „feststeht“ (so ausdrückl. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [165 f.]; B.v. 9.4.2003 – 6 B 12/03 – juris, Rn. 10; VGH BW, B.v. 5.3.1996 – 10 S 2830/95 –, NVwZ 1997, 401 [404]; OVG NRW, B.v. 25.01.1994 – 4 B 2746/93 –, NVwZ-RR 1995, 27; BayVGH, U.v. 16.9.2010 – 22 B 10.289 – juris, Rn. 19; B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 756 [757]; B.v. 2.10.2012 – 2 ZB 12.1898 – juris, Rn. 4). Selbst die im Wege eines gerichtlichen Augenscheins zu gewinnende Erkenntnis, dass 50 Personen und mehr sich zur fraglichen Zeit an der Ecke O.-straße/M-J.-Straße laut unterhalten, schreien, kreischen usw. könnte deshalb ohne gleichzeitige Befragung dieser Personen, ob sie in einem Umfeld von, wie der Klägerbevollmächtigte selbst ausführt, Tausenden von Personen, die um den Diskothekenblock ziehen, nunmehr als bloße Passanten oder als Besucher der Gaststätten lärmen, zu keinem weiteren Erkenntnisgewinn führen. Eine solche Befragung ist, ungeachtet des Umstandes, dass sie in einem solchen Umfeld tatsächlich undurchführbar wäre, vom Klägerbevollmächtigten auch nicht beantragt worden. Vielmehr lassen diese Umstände im Gegenteil die Feststellung des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen, eine Trennung oder Zuordnung der verhaltensbezogenen Geräusche zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen/Vergnügungsbetrieben sei nicht möglich gewesen, in besonderer Weise nachvollziehbar erscheinen. Ungeachtet dessen dient jedoch auch die insoweit aufgestellte Behauptung allein der Ausforschung. Insbesondere die Annahme, dass es sich um 50 Personen und mehr handeln solle, ist rein willkürlich und in hohem Maße spekulativ. Eine entsprechende Beweiserhebung ist deshalb zugleich auch als unzulässig abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Soweit die Klägerin schließlich die Behauptung aufstellen lässt, die „Musikdarbietungen“ und „wahrnehmbaren Gespräche“ seien entgegen der Vermutung im Gutachten vom Mai 2007 sehr wohl „immissionsseitig feststellbar“ (Antrag 4), besitzt dieser Umstand für das vorliegende Verfahren keinerlei Erheblichkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die Verhältnisse des Jahres 2007 sind für die Entscheidung des Senats sowohl vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die damals betriebene Diskothek „B.“ nicht mehr existiert, als auch der rechtlichen Vorgabe, dass für die Entscheidung des Senats die aktuellen Verhältnisse zugrunde zu legen sind, ohne jede Bedeutung. Ungeachtet dessen wurde ein gerichtlicher Augenschein im Jahre 2018 zur Feststellung von Immissionen im Jahre 2007 auch jeder Beweiseignung entbehren. Antrag (4) ist deshalb auch wegen Untauglichkeit des Beweismittels abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 4 StPO analog). Sollte sich der Antrag entgegen seinem Wortlaut auf die aktuellen Verhältnisse beziehen, wäre er als unzulässiger Beweisermittlungsantrag abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Vor dem Hintergrund, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige andere als die durch den Betrieb des Biergartens und der Öffnung der Hintertür des „C. m. D.“ hervorgerufene, den Vergnügungsbetrieben eindeutig zurechenbare Geräusche nicht festzustellen vermochte (vgl. Gutachten S. 16, Buchst. g), hätte es insoweit einer dezidierten Darlegung bedurft, weshalb entsprechende Lärmquellen zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht bzw. im Entscheidungszeitpunkt des Senats und nicht lediglich im Jahre 2007 gleichwohl vorhanden waren bzw. auch weiterhin vorhanden sein sollen und woraus sich hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergeben. Stattdessen ergeht der Klägerbevollmächtigte sich auch insoweit in Behauptungen aufs Geratewohl. Dies ist nicht statthaft. Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

jj) Soweit die Klägerin beantragen lässt, zum Beweis der Tatsachen,

dass die „Musikdarbietungen“ und „wahrnehmbaren Gespräche“ entgegen der Vermutung des Sachverständigen auf S. 9 seines Gutachtens vom Mai 2007 sehr wohl „immissionsseitig feststellbar“ sind, diesem aufzugeben, sämtliche Unterlagen vorzulegen, die anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom Januar 2017 angefallen und bisher nicht zu den Gerichtsakten gereicht wurden, einschließlich sämtlicher Messberichte, Messunterlagen, schriftlicher Notizen, Berechnungsunterlagen, Audio- und Videoaufzeichnungen usw. (Beweisantrag 10),

kann dem ebenfalls nicht entsprochen werden. Es bestehen keinerlei greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass solche „Musikdarbietungen“ und „wahrnehmbare Gespräche“ nicht nur bezogen auf das Jahr 2007, sondern auch zum Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens bzw. der Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht oder der Entscheidung des Senats mit wenigstens einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestanden (vgl. bereits oben Antrag 9/4). Ebenso wenig zeigt der Bevollmächtigte der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit auf, dass der Sachverständige über solche Unterlagen und Aufzeichnungen überhaupt verfügt. Auch dieser Antrag ist daher auf bloße Ausforschung gerichtet und aufs Geratewohl gestellt, so dass ihm nicht Rechnung getragen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.2007 – 7 BN 3/07 – juris, Rn. 5). Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter ee) zum letztlich inhaltsgleichen (Verfahrensantrag 5) verwiesen.

kk) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass die Beklagte den fünf Diskotheken „P.“, „… bar“, „R. S.“, „G.“ und „Call me Drella“ – mit Ausnahme der gesetzlichen Sperrzeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr – keinerlei Betriebszeitbeschränkungen auferlegt hat, (2) auch für die Freischankflächen, Terrassen und Wirtsgärten der Diskotheken keinerlei Betriebszeitbeschränkungen – mit Ausnahme der gesetzlichen Sperrzeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr – gelten, wobei die für den Wirtsgarten der Diskothek „C. m. D.“ zunächst geltende Betriebszeitbeschränkung auf die Zeit von 06.00 Uhr – 23.00 Uhr mit Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2013 aufgehoben wurde, (3) die gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten für die fünf Diskotheken „P.“, „… bar“, „R. S.“, „G.“ und „C. m. D.“ keinerlei Beschränkungen der Besucher- oder Gastplatzzahl enthalten, sämtliche diese fünf Diskotheken betreffenden gaststättenrechtlichen Akten der Beklagten – Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zu den vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 11),

zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass die bei der Besprechung am 24. Oktober 2008 in den Räumen der Lebensversicherung von 1871 a.G. erwähnte „Überbauung des Eingangs“ des „B.“ (des heutigen „C. m. D.“) bis heute nicht stattgefunden hat, (2) der „Wartebereich“ dieses Clubs nicht in das Innere des Gebäudes verlegt wurde, (3) sich die beiden Diskothekeneingänge zu den Clubs „C. m. D.“ und „S.“ nach wie vor an der M-J.-Straße befinden, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 12),

zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass die Beklagte der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, „R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher „B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, an den Wohnungen in der O.-straße 11 bis 13 bestimmte Immissionswerte einzuhalten, (2) die Beklagte der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und den Betreibern der 5 Diskotheken auf diesem Grundstück „P.“, „… bar“, R. S.“, „S.“ (früher „G.“, vormals „M & M.“) und „C. m. D.“ (früher B.“) keinerlei Auflagen gemacht hat, in den Diskotheken bestimmte Innenpegel einzuhalten, (3) die Beklagte bis heute keine „Überbauung des Eingangs“ des „B.“ (des heutigen „C. m. D.“) angeordnet hat, (4) die Beklagte bis heute keine Verlegung des „Wartebereichs“ dieses Clubs in das innere angeordnet hat, (5) die Beklagte bis heute keine Verlegung der beiden Diskothekeneingänge zu den Clubs „C. m. D.“ und „S.“ angeordnet hat, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 13),

zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass die Beklagte die Vorschläge, die der Sachverständige in seinem Bericht vom 16. Mai 2007 auf Seite 10 gemacht hat, nicht umgesetzt hat und bis heute gegenüber der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und gegenüber den Betreibern der Diskothek „C. m. D.“ (früher B.) nicht angeordnet hat, (2) den „Seitenausgang“ (der identisch mit der „Hintertür“ im Gutachten von 2017 ist) als reinen Notausgang entsprechend zu kennzeichnen und zu verriegeln (Bruchglas o.ä.), (3) den Ein- und Auslass von Gästen durch diesen „Seitenausgang“ und die dadurch verursachte Ansammlung von Gästen im Bereich der O.-straße zwingend zu unterbinden, (4) die Geräuschabstrahlung durch die geöffnete Tür des Ein- und Ausgangs an der M-J.-Straße baulich zu mindern und durch den Einbau einer inneren Türe oder eines Windfangs mit einem Schalldämm-Maß von mindestens R`w = 20 dB einen lärmreduzierten Vorraum zu schaffen, (5) den Limiter zur Begrenzung der Musikleistung manipulationssicher zu verplomben, sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 14),

zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass die Beklagte anders als von B. im Gutachten vom 21. Dezember 2012 auf Blatt 21 empfohlen, bis heute gegenüber der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz, und gegenüber den Betreibern der Diskothek „C. m. D.“ (früher „B.“) nicht angeordnet hat, beim Betrieb des Biergartens nördlich neben den Eingang zur O.-straße hin eine Trennwand mit ca. 2,1 m Höhe und 4 – 5 m Breite aufzustellen, (2) die Beklagte entgegen dem Hinweis von B. (Blatt 24: „Es muss sichergestellt werden,“) bis heute auch nicht angeordnet hat, dass zumindest eine der beiden Türen am Haupteingang geschlossen zu halten ist, (3) die Beklagte anders als vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 4. Januar 2017 auf S. 22 wegen der festgestellten Richtwertüberschreitungen angeregt, bis heute weder den Einbau einer Lärmschleuse an der Hintertür noch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings angeordnet hat, sämtliche derzeit für diese Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten – Referat für Stadtplanung und Bauordnung (LBK) und Kreisverwaltungsreferat (KVR) – zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Beweisantrag 15),

kann dem mangels Erheblichkeit der Beweistatsachen nicht Rechnung getragen werden (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Entscheidungserheblich ist vorliegend allein, welches Maß an Lärm bei der Klägerin tatsächlich ankommt, nicht aber welche Maßnahmen die Beklagte der Eigentümerin des Grundstücks Fl. Nr. …0, Gemarkung M., M.platz ... und den Betreibern der Diskotheken auferlegt hat. Das Maß der Lärmbelästigung ist durch die Messungen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen vollständig erfasst worden.

ll) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass sich im Gebäude M.platz, Fl. Nr. …0, Gemarkung M., in unmittelbarer Nähe zum Gebäude O.-straße 11 und 13 und den in diesem Gebäude liegenden 5 streitgegenständlichen Wohnungen die fünf Diskotheken „P.“ (EG und Zwischengeschoß mit Terrasse), „… bar“ (UG und 1. OG), „R. S.“ (1. UG, 2. UG und EG), „S.“ (UG) und „C. m. D.“ (UG, EG und 1. OG) befinden, (2) der Eingang der Diskothek „S.“ an der M-J.-Straße (Ecke M.platz) ca. 70 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist. (3) der Eingang der Diskothek „C. m. D.“ an der M-J.-Straße ca. 30 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (4) die Diskothek „C. m. D.“ über einen sog. Wirtschaftsgarten (Biergarten) verfügt, der ca. 25 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (5) die Diskothek „R. S.“ über einen sog. Wirtschaftsgarten verfügt, der ca. 70 m von den 5 streitgegenständlichen Wohnungen im Gebäude O.-straße 11 und 13 entfernt ist, (6) die Besucher sämtlicher fünf Diskotheken Zugang zu den Wirtschaftsgärten und Freischankflächen haben (7) die Anlieferungen für die 5 Diskotheken über die „Hintertür“ des „C. m. D.“ an der O.-straße erfolgen, (8) sich auf dem Dach der Diskothek „P.“ große und lärmintensive Klima- und Entlüftungsanlagen in Richtung O.-straße befinden, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 16),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Die Anträge (1) – (6) und (8) sind unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Maßgeblich ist allein die bei der Klägerin ankommende Lärmbelastung. Diese wurde durch die Messungen zutreffend erfasst. Im Übrigen lassen sich die einzelnen unter Beweis gestellten Tatsachen, insbesondere die behaupteten Entfernungen, bereits den in den Akten zahlreich enthaltenen, mit einem Maßstab versehenen Lageplänen entnehmen. Über die örtlichen Verhältnisse hat auch das Verwaltungsgericht bereits durch einen Augenschein Beweis erhoben (vgl. Niederschrift, S. 9 ff.). Dass die dort getroffenen und in der Niederschrift dokumentierten Feststellungen unzutreffend wären, zeigt der Klägerbevollmächtigte nicht auf. Antrag (7) ist als unzulässiger Beweisermittlungsantrag abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Für die insoweit aufgestellte Behauptung finden sich im gesamten Prozessstoff keine greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Beklagte hat – gemeinsam mit dem Betreiber – die zu einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), so dass die Mutmaßung des Klägerbevollmächtigten, die Hintertür des Clubs werde zur Nachtzeit auch weiterhin für Anlieferungen genutzt, ohne konkrete Schilderung entsprechender Vorkommnisse nach Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen jedes greifbaren tatsächlichen Anhaltspunktes entbehrt. Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

mm) Soweit die Klägerin zum Beweis der Tatsache,

(1) dass sich von den streitgegenständlichen Wohnungen aus der Blick auf den Dachaufbau des „H. d. B. W.“, M-J.-Straße ... (Rückgebäude) eröffnet, wobei es sich bei diesem gut 15 m – 16 m langen Aufbau um ein sog. „Rückkühlsystem“ handelt, das heißt eine sehr groß dimensionierte Klimaanlage, die sehr geräuschvoll arbeitet, (2) dass der zum Gebäude O.-straße 11 und 13 hin gewandte Innenhof des „H. d. B. W.“ im Sommer bewirtschaftet wird, wobei die Kantine im Erdgeschoss über eine Freischankfläche im Innenhof verfügt, (3) dass die Anlieferungen für das „H. d. B. W.“ über den zum Gebäude O.-straße 11 und 13 gewandten Innenhof erfolgen, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 17),

ist auch diesem Sammelantrag nicht zu entsprechen. Die Beweistatsachen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutungslos (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die Messungen des Sachverständigen an den streitgegenständlichen Wohnungen erfassen alle relevanten Lärmquellen. Über die örtlichen Verhältnisse hat auch das Verwaltungsgericht bereits durch einen Augenschein Beweis erhoben (vgl. Niederschrift, S. 9 ff.). Dass die dort getroffenen und in der Niederschrift dokumentierten Feststellungen unzutreffend wären, zeigt der Klägerbevollmächtigte nicht auf.

nn) Soweit die Klägerin zum Beweis der Tatsache,

(1) dass in der näheren Umgebung der fünf Diskotheken und des Gebäudes O.-straße 11 und 13 bei den Anwesen O.-straße 9, K.straße, M.platz, O.-straße 16, M-J.-Straße, M-J.-Straße, M-J.-Straße …, M-J.-Straße, M-J.-Straße ... und M.platz ... – mit Ausnahme des streitgegenständlichen Gebäudes O.-straße 11 und 13 selbst – keinerlei Wohnnutzung anzutreffen ist, (2) dass sich vielmehr im Gebäude O.-straße 9 nur gewerbliche und freiberufliche Nutzungen, das K. N. K. sowie im EG ein Nagelstudio befinden, (3) dass das fünfgeschossige Gebäude K.straße ... (Ecke O.-straße/K.straße) die F. f. A. beherbergt, (4) dass sich im Gebäude O.-straße 16 die B. von U., A. f. B. und S. in H. und G. …, ferner die Firma „L. D. D.“ befindet, (5) dass das Gebäude M-J.-Straße ... ausschließlich von der H. für M. und O. (...) genutzt wird, (6) dass sich im Gebäude M-J.-Straße ... ausschließlich die I.- und H. (...) befindet, (7) dass es sich beim Gebäude M-J.-Straße … um das „H. d. B. W.“ handelt, das rein gewerblich genutzt wird, wobei im EG das Bistro „C.“ betrieben wird, (8) dass das Gebäude M-J.-Straße ... ausschließlich gewerblich genutzt wird, (9) dass im Gebäude M-J.-Straße ... nur der B. B. untergebracht ist und (10) dass die Gebäude M.platz ... und M.platz ... auch abgesehen von den dort vorhandenen Diskotheken ausschließlich gewerblich und freiberuflich genutzt werden, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 18),

zum Beweis der Tatsache,

(1) dass der Wirtschaftsgarten (Biergarten) der Diskothek „C. m. D.“ nach wie vor, wie im Gutachten des Sachverständigen vom Januar 2017 auf S. 21 angegeben, zu 64 qm genutzt wird, (2) dass der auf Anlage 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 9. Oktober 2017 als „abgesperrter Bereich“ gekennzeichnete Bereich dieses Biergartens tatsächlich nicht abgesperrt ist, sondern im Sommer ebenfalls als Biergarten genutzt wird, (3) dass auch der auf dieser Anlage als „Garderobe und Kasse“ gekennzeichnete Bereich des Biergartens im Sommer ebenfalls als Biergarten genutzt wird, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen im Juli jeweils von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 19),

kann dem ebenfalls nicht Rechnung getragen werden. Diese Beweistatsachen sind für die Entscheidung des streitgegenständlichen Verfahrens nicht erheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Maßgebend ist die an den streitgegenständlichen Wohnungen der Klägerin auftretende Lärmbelastung. Diese wurde der Höhe nach durch die Messungen des Sachverständigen zutreffend erfasst.

oo) Soweit die Klägerin zum Beweis der Tatsache,

(1) dass man von den fünf streitgegenständlichen Wohnungen und von deren Außenwohnbereichen aus deutlich den Lärm der die Diskotheken an- und von den Diskotheken abfahrenden Taxis und sonstigen Fahrzeugen hört, (2) dass dieser Lärm, ebenso wie der aus den Diskotheken hörbare Musiklärm, jedoch immer wieder durch lautes Rufen, laute Gespräche, Pfiffe, Kreischen, Rufen und Schreie der Diskothekenbetreiber übertönt wird, (3) dass die Gespräche teilweise sogar so laut sind, dass sie trotz des Verkehrslärms wörtlich zu verstehen sind, (4) dass eine Vielzahl von Diskothekenbesuchern vor den Diskotheken im öffentlichen Straßenraum in der M-J.-Straße und am M.platz stehen, um zwischendurch zu rauchen, zu trinken, laute Gespräche zu führen, (5) dass Betrunkene vor den Diskotheken liegen, (6) dass Diskothekenbesucher im öffentlichen Straßenraum urinieren und sich erbrechen, (7) dass ständig Gäste kommen und gehen, (8) dass Gäste vor den Diskotheken stehen, laute Gespräche führen, die den Verkehrslärm übertönen, (9) dass Taxis und sonstige Fahrzeuge zu den Diskotheken aus der M-J.-Straße kommend anfahren und vom M.platz über die M-J.-Straße abfahren, teilweise vor dem „M & M.“ in der M-J.-Straße halten und dann weiterfahren, (10) dass Diskothekenmusik deutlich hörbar nach außen dringt, (11) dass Taxischlangen mit bis zu 45 Taxen vor den Diskotheken stehen, nicht nur am M.platz, sondern auch in der M-J.-Straße in beiden Fahrtrichtungen und an der Ecke O.-straße/M-J.-Straße, (12) dass jede Stunde Hunderte von Taxifahrten stattfinden, die ausschließlich der Beförderung von Diskothekenbesuchern dienen, (13) dass die unmittelbar vor dem Gebäude O.-straße 11 und 13 liegenden Längs- und Querparkplätze (Gutachten vom Januar 2017, S. 16 Buchst. c) von den Diskothekenbesuchern genutzt werden, nicht nur als Parkplätze, sondern auch als Treffpunkt und Wartebereich mit lauten Gesprächen, lautem Aufdrehen von Autoradios und laufendem Motor, (14) dass um 5.45 Uhr immer noch Gäste aus den fünf Diskotheken kommen, ständig Taxis dort anfahren, halten und wieder abfahren, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 20),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Der Antrag übernimmt nahezu wörtlich den Inhalt des Beweisantrages 1 betreffend das Video vom 12. April 2008 und projiziert diesen in das Jahr 2018, ohne dass insoweit durch die Benennung konkreter, zeitnaher tatsächlicher Vorkommnisse und Umstände in der Sache nachvollziehbar aufgezeigt würde, dass es sich nahezu 10 Jahre später mit hinreichender Wahrscheinlichkeit genau so und nicht anders verhält. Dabei geht dem Klägerbevollmächtigten nicht einmal auf, dass das in seinem Antrag bezeichnete „M & M.“ gar nicht mehr existiert. Der Klägerbevollmächtigte stellt damit aufs Geratewohl Behauptungen „ins Blaue hinein“ auf; dies ist nicht statthaft. Der Antrag ist daher bereits insgesamt als unzulässiger Beweisermittlungsantrag abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Ungeachtet dessen sind die unter Beweis gestellten Tatsachen auch nicht entscheidungserheblich. Die Anträge (1, 9, 14, 12, 13 und 14) sind bereits deshalb unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog), weil die insoweit verursachten Geräusche nach der Rechtsauffassung des Senats gemäß Ziffer 7.4 TA-Lärm nicht in die insoweit maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehen (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]) und daher einer Inaugenscheinnahme nicht bedürfen. Ebenfalls unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog) sind die Anträge (2, 3, 4 und 8), weil die allein entscheidungserhebliche Frage der Trennung und Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse in einem Umfeld von bis zu mehreren tausend Personen nicht durch eine Inaugenscheinnahme, sondern nur durch eine Befragung nach dem Zweck des Aufenthalts zu klären wäre, was angesichts der vom Klägerbevollmächtigten selbst zugrunde gelegten Umstände – Tausende Personen, die um den Diskothekenblock ziehen – ein unmögliches Unterfangen wäre. Die in den Anträgen (5, 6 und 7) benannten Beweistatsachen begründen für sich alleine keinen Lärm, beeinträchtigen deshalb das Wohnen nicht (vgl. hierzu nachfolgend unter 5.) und bedürfen insoweit auch keiner Inaugenscheinnahme (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Soweit die Klägerin die Einnahme eines Augenscheins zum Beweis der Tatsache begehrt, dass Diskothekenmusik deutlich hörbar nach außer dringe, setzt sie sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Beklagte – gemeinsam mit dem Betreiber – die zu einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen hat (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), die nach den Feststellungen des Sachverständigengutachtens vom Januar 2017 dazu führen, dass sich im Bereich der streitgegenständlichen Wohnungen kein Lärm mehr ergibt, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führt. Deshalb hätte es nachvollziehbarer Ausführungen dazu bedurft, dass entsprechender Lärm auch nach Umsetzung dieser Maßnahmen gleichwohl noch nach außen tritt, um die Einnahme eines Augenscheins zu rechtfertigen. Solche liegen indes nicht vor. Damit ist auch insoweit ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag gegeben (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

pp) Soweit die Klägerin weiter beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass der für Kerngebiete geltende Nachtwert der TA-Lärm von 45 dB (A) auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ an den nach der TA-Lärm maßgeblichen Immissionsorten an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen überschritten wird, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 21),

liegt eine vollständige Übereinstimmung mit Beweisantrag 3 vor. Es gilt das dort Gesagte.

qq) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass der Lärm der an- und abfahrenden Gäste, wie die Beklagte bereits bei ihren Messungen 2008 ausgeführt hat, deutlich hervortritt, wobei die zu und von den Diskotheken an- und abfahrenden Taxis und sonstigen Pkw dabei als Ziel- und Quellverkehr der Diskotheken erkennbar sind,

(1) das Video vom 12. April 2008 in Augenschein zu nehmen, (2) dem Sachverständigen aufzugeben, seine Tonaufzeichnungen zum Gutachten vom Januar 2017 (vgl. S. 15 des Gutachtens: „Tonspuren“) vorzulegen und diese Tonaufzeichnungen in Augenschein zu nehmen (anzuhören), (3) einen Augenschein vor den fünf Diskotheken an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweis- und Verfahrensantrag 22),

ist dem schon deshalb nicht zu entsprechen, weil die insoweit verursachten Geräusche nach der Rechtsauffassung des Senats gemäß Ziffer 7.4 TA-Lärm nicht in die insoweit maßgeblichen Immissionsrichtwerte eingehen (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]) und deshalb einer Inaugenscheinnahme nicht bedürfen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog).

rr) Soweit die Klägerin weiter beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass anders als von B. im Gutachten vom 21. Dezember 2012 auf Blatt 21 empfohlen, bis heute beim Betrieb des Biergartens des „C. m. D.“ nördlich neben dem Eingang zur O.-straße hin keine Trennwand mit ca. 2,1 m Höhe und 4 – 5 m Breite aufgestellt ist, (2) dass entgegen dem Hinweis von B. (Blatt 24: „Es muss sichergestellt werden,“) beide Türen am Haupteingang des „C. m. D.“ geöffnet sind, (3) dass anders als vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 4. Januar 2017 auf S. 22 wegen der festgestellten Richtwertüberschreitungen angeregt, bis heute weder der Einbau einer Lärmschleuse an der Hintertür noch eine Umorganisation der Anlieferung des Caterings erfolgt ist, einen Augenschein einzunehmen (Beweisantrag 23),

ist dem ebenfalls nicht Rechnung zu tragen. Die Beweistatsachen (1) und (2) sind bedeutungslos (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog), weil es ausschließlich auf das Maß der Lärmbeeinträchtigung an den Wohnungen der Klägerin, nicht aber auf die Umsetzung oder Nichtumsetzung der beschriebenen Maßnahmen ankommt. Die Lärmbelastungen sind durch die Messergebnisse dokumentiert. Antrag (3) setzt sich nicht mit dem Umstand auseinander, dass die Beklagte – gemeinsam mit dem Betreiber – die zu einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen hat (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), die nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zur Folge haben, dass sich im Bereich der streitgegenständlichen Wohnungen kein Lärm mehr ergibt, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führt. Deshalb hätte es nachvollziehbarer Ausführungen dazu bedurft, dass auch nach Umsetzung dieser Maßnahmen gleichwohl immer noch Lärm nach außen tritt, um die Einnahme eines Augenscheins zu rechtfertigen. Solche liegen indes nicht vor. Damit ist auch insoweit ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag gegeben (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

ss) Soweit die Klägerin beantragt, gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO das Erscheinen des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen anzuordnen, damit dieser die Frage beantworten könne,

(1) worauf im Einzelnen die im Gutachten vom Januar 2017 auf den Abbildungen A 7 – A 13 der Anlagen 5.4 – 5.7 ersichtlichen, jeweils die 65 dB (A) überschreitenden Pegelspitzen zurückzuführen seien und (2) dazu Stellung nehmen könne, ob er den Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) S. in dessen Gutachten vom 24. Oktober 2017 (S. 9 ff.) zu den Spitzenpegeln zustimme und (3) falls nein, aus welchen Gründen er anderer Auffassung sei als S.? (Verfahrensantrag 24),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Der Sachverständige hat die Frage (1) bereits beantwortet. Die erwähnten Abbildungen benennen die einzelnen Ereignisse (z.B. „beschleunigte Vorbeifahrt“, „Frau läuft gegen Stativ“, „Hupen“, „beschleunigte Vorbeifahrt mit Hupen“). Fragen 2 und 3 betreffen nicht das Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen und sind daher von § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO nicht umfasst. Unabhängig hiervon bewegen sich die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S. im Gutachten vom 24. Oktober 2017 (S. 9 ff.) auch ausschließlich im Bereich der Spekulation („bei realistischer Betrachtung ist anzunehmen, dass … diese Spitzen durch … den Besucherlärm verursacht werden“). In seinem Gutachten vom 28. April 2008 (Anlage 2 u. 3) hat derselbe Sachverständige die am Wohnhaus O.-straße 11 von ihm gemessenen Spitzenpegel noch „sprechenden und grölenden Passanten“ zugeordnet, was einer Einordnung als Besucherbzw. Anlagenlärm gerade entgegensteht. Ungeachtet dessen ist das Fragerecht aus § 98 VwGO i.V.m. §§ 402, 397 ZPO auf die jeweilige Instanz beschränkt. Die Beweisaufnahme 1. Instanz ist abgeschlossen und die Voraussetzungen für eine weitere Beweisaufnahme liegen – wie bereits dargelegt – nicht vor. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6).

tt) Soweit die Klägerin weiter beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass nachts an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – immer wieder kurzzeitige Geräuschspitzen auftreten, die über dem nach Nr. 6.1 Abs. 2 TA-Lärm für Kerngebiete maximal zulässigen Wert von nachts 65 dB (A) liegen und (2) dies bei Bewohnern der Wohnungen zu gesundheitsrelevanten Aufwachreaktionen führen kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 25),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Die im Gutachten des vom Verwaltungsgericht bestellten Sachverständigen festgestellten Überschreitungen des Spitzenpegels rührten gerade von der Nutzung der geöffneten Hintertür des Clubs „C. m. D.“ her (vgl. Gutachten S. 22). Inzwischen hat die Beklagte jedoch – gemeinsam mit dem Betreiber – die zu einer dauerhaften Schließung der Hintertür des „C. m. D.“ erforderlichen Maßnahmen (Einbau eines automatischen Türschließers, Verlegung der Anlieferungen des Caterers an den Eingang an der M-J.-Straße, Beschilderung als Notausgang und Sensibilisierung des Personals) ergriffen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 22. März 2017 und E-Mail des Betreibers vom 31. März 2017), die nach den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht dazu führen, dass sich im Bereich der streitgegenständlichen Wohnungen kein Lärm mehr ergibt, welcher nach der TA-Lärm zu einer relevanten Überschreitung führt. Deshalb bedürfte es nachvollziehbarer Ausführungen dazu, dass entsprechender Lärm auch nach Umsetzung dieser Maßnahmen gleichwohl noch nach außen tritt, um eine weitere Beweiserhebung zu rechtfertigen. Solche liegen indes nicht vor. Damit handelt es sich auch insoweit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Gleiches gilt hinsichtlich der vollkommen „ins Blaue hinein“ getroffenen Annahme, es könne zu gesundheitsgefährdenden Aufwachreaktionen kommen. Diese Ausführungen des Klägerbevollmächtigten bewegen sich erkennbar im Bereich der bloßen Spekulation. Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.). Soweit der Klägerbevollmächtigte (gleichsam stillschweigend) unterstellt, entsprechende Geräuschspitzen beruhten auf den Diskotheken als Anlagenlärm zuzurechnendem Zu- und Abgangsverkehr, fehlt es hierfür nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Senats an der erforderlichen rechtlichen Grundlage. Die insoweit verursachten Geräusche gehen gemäß Ziffer 7.4 TA-Lärm nicht in die maßgeblichen Immissionsrichtwerte ein (vgl. hierzu auch VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 –, NVwZ-RR 2003, 745 [750] m.w.N.; siehe auch OVG NRW, B.v. 24.10.2003 – 21 A 2723/01 –, NVwZ 2004, 366 [367]).

uu) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass an allen fünf streitgegenständlichen Wohnungen – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ – immer wieder kurzzeitige Geräuschspitzen über dem nach Nr. 6.1 Abs. 2 TA-Lärm für Kerngebiete maximal zulässigen Wert von nachts 65 dB (A) aufgrund sog. „verhaltensbezogener Einzelereignisse“, wie lautes Sprechen, Schreien, Kreischen, Anstoßen mit Glasflaschen usw. auftreten, die von den Besuchern der 5 Diskotheken verursacht werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 26),

ist dem ebenfalls nicht Rechnung zu tragen. Diese Behauptungen gründen ganz offensichtlich auf den rein spekulativen Annahmen des Dipl.-Ing. (FH) S. im Gutachten vom 24. Oktober 2017 (S. 9 ff.: „bei realistischer Betrachtung ist anzunehmen, dass … diese Spitzen durch … den Besucherlärm verursacht werden“). Wie bereits ausgeführt, hat derselbe Sachverständige in seinem Gutachten vom 28. April 2008 (Anlage 2 u. 3) die am Wohnhaus O.-straße 11 gemessenen Spitzenpegel noch „sprechenden und grölenden Passanten“ zugeordnet, was einer Einordnung als Besucherbzw. Anlagenlärm gerade entgegensteht. Darüber hinaus lässt die Klägerin in diesem Zusammenhang auch unberücksichtigt, dass der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige eine Trennung und Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen/Vergnügungsbetrieben gerade nicht vorzunehmen vermochte (vgl. Gutachten S. 16, Buchst. f). Einer – wie hier – ohne jede Auseinandersetzung mit den bekannten Gegenargumenten „ins Blaue hinein“ aufgestellten Behauptung ist nicht weiter nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.). Der Antrag ist infolgedessen als unzulässiger Ausforschungsbeweis abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog).

vv) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass ein erheblicher Teil der Pegelspitzen über 65 dB (A), die auf den Abbildungen A 7 - A 13 der Anlagen 5.4 – 5.7 des Gutachtens vom Januar 2017 ersichtlich sind, auf „verhaltensbezogene Einzelereignisse“ zurückzuführen sind, die von den Besuchern der Diskotheken verursacht werden, ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 27),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Die erwähnten Abbildungen sind jeweils mit den Überschriften der einzelnen, ausschließlich straßenverkehrsbezogenen Spitzenpegelereignisse versehen (z.B. „beschleunigte Vorbeifahrt“, „Frau läuft gegen Stativ“, „Hupen“, „beschleunigte Vorbeifahrt mit Hupen“). Die Behauptung, es würde sich gleichwohl, nicht um Verkehrslärm, sondern um „verhaltensbezogene Einzelereignisse“ und damit um Anlagenlärm handeln, liegt ohne Benennung entsprechender Anknüpfungstatsachen erkennbar fern. Der Antrag ist deshalb ebenfalls als unzulässiger Ausforschungsbeweis abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Gleiches gilt hinsichtlich der Forderung, eventuelle Tonaufzeichnungen des Sachverständigen beizuziehen.

ww) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Beklagte seit ihrer vom Referat für G. und U. durchgeführten Messung im Jahre 2008 keine weiteren Lärmmessungen an den fünf Wohnungen durchgeführt hat, (2) angesichts der seitdem erfolgten mehrfachen Betriebserweiterungen der fünf Diskotheken aber damit zu rechnen ist, dass eine Messung heute noch höhere Beurteilungs- und Spitzenpegel an den Wohnungen in der O.-straße ergeben würden, als dies bereits 2008 der Fall war, (3) der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom Januar 2017, wäre er so verfahren wie das Referat für G. und U. bei seinen Messungen 2008 – also bei Erfassung des Gesamtlärms und anschließendem Abzug des Fremdgeräuschanteils, bei Bewertung der „verhaltensbezogenen Einzelereignisse“ nicht als Verkehrslärm, sondern als Anlagenlärm usw. – unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ zu einer Überschreitung sowohl der Beurteilungs- als auch Spitzenpegel gekommen wäre, die nach TA-Lärm in einem Kerngebiet zulässig sind, (4) der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige, wäre er in seinem Gutachten vom Januar 2017 korrekt verfahren, auch die durch Besucher der Diskotheken verursachten Geräusche als Anlagenlärm nach TA-Lärm – und nicht als Verkehrslärm nach der 16. BImSchV – bewerten hätte müssen, die er in seinem Gutachten auf S. 15 f. unter Buchst. a), b), c), d), f), h, und j) nennt, was dann auch unabhängig von einer geöffneten oder geschlossenen Hintertür des Clubs „C. m. D.“ zu einer Überschreitung sowohl der Beurteilungs- als auch Spitzenpegel geführt hätte, die nach der TA-Lärm in einem Kerngebiet zulässig sind, eine amtliche Auskunft des Referats für G. und U. der Beklagten einzuholen (Verfahrensantrag 28),

kann dem schon deshalb nicht entsprochen werden, weil das Referat G. und U. Teil der Beklagten, die Beklagte Partei (!) des vorliegenden Verfahrens und das Referat für G. und U. deshalb nicht ein am Rechtsstreit unbeteiligter Dritter ist. Eine sachverständige Begutachtung durch dieses Referat kommt deshalb nicht in Frage. Der Antrag ist daher als unzulässig abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog). Ungeachtet dessen sind die behaupteten Tatsachen nach der Rechtsauffassung des Senats nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog) bzw. auf unzulässige Ausforschung gerichtet (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog).

xx) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass keine der 5 Diskotheken über eigene Stellplätze verfügt, einen Augenschein einzunehmen und eine amtliche Auskunft der Lokalbaukommission der Beklagten einzuholen (Beweisantrag 29),

sowie zum Beweis der Tatsache,

dass die Beklagte von keiner der fünf Diskotheken den Nachweis von Stellplätzen gefordert hat, eine amtliche Auskunft der Lokalbaukommission einzuholen und sämtliche derzeit für diese 5 Diskotheken geltenden baurechtlichen und gaststättenrechtlichen Bescheide der Beklagten zum vorliegenden Verfahren beizuziehen (Verfahrensantrag 30),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Diese Beweistatsachen sind für die Beurteilung der Frage, ob die Wohnungen der Klägerin einer unzumutbaren Lärmbelastung unterworfen sind, ohne Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Maßgeblich ist allein die bei der Klägerin ankommende Lärmbelastung. Diese wurde durch die Messungen zutreffend erfasst.

yy) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

(1) dass die Besucher der Diskotheken (daher) die öffentlichen Parkplätze benutzen, die unmittelbar vor dem Gebäude O.-straße 11 und 13 liegen (Gutachten vom Januar 2017, S. 16) und (2) nachts Tausende von Besuchern um den durch die O.-straße, die M-J.-Straße, den M.platz und den Park zwischen M.platz und O.-straße eingerahmten Diskothekenblock von Club zu Club ziehen, also von „S.“ zu „C. m. D.“, von „P.“ zu „C. m. D.“ usw., auch jeweils in gegenläufiger Richtung, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 31),

ist dem ebenfalls nicht Rechnung zu tragen. Das von der Klägerin zum Beweis dieser Tatsachen vorgesehene Beweismittel der Einnahme eines Augenscheins ist hierfür untauglich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 4 StPO analog). In einem – wie der Bevollmächtigte der Klägerin selbst ausführt – Umfeld von Tausenden von Passanten, die rund um besagten Diskothekenblock ziehen oder öffentliche Parkplätze nutzen, diejenigen zu identifizieren, die tatsächlich als „Besucher“ bzw. Gäste der Clubs bezeichnet und eingestuft werden können, und nicht lediglich neugierige Fußgänger und Passanten sind, ist allein mittels einer Inaugenscheinnahme schlechthin ausgeschlossen. Hierfür bedürfte es entweder der im Wesentlichen zeitgleichen Befragung Tausender von Personen durch eine ebensolche Vielzahl von Kräften oder aber der Einrichtung von Lichtschranken an den Eingangstüren der Clubs nebst einer Infrarot-Markierung der Gäste und einer sich anschließenden digitalen Erfassung und Auswertung. Die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens hat der Klägerbevollmächtigte nicht beantragt; es würde auch am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der zu Befragenden bzw. zu Erfassenden scheitern. Unabhängig hiervon setzt der Klägerbevollmächtigt sich auch insoweit nicht mit der Argumentation des Sachverständigengutachtens von 2017 auseinander, das eine Trennbarkeit und Zuordenbarkeit verhaltensbezogener Einzelereignisse gerade nicht vorzunehmen vermochte. Behauptungen, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben und ohne jedes Eingehen auf sie entkräftende Gegenargumente aufrechterhalten werden, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

zz) Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen,

(1) dass der am … März 2017 neu eröffnete Club „S.“ über eine Fläche von 1.000 qm verfügt, einen Augenschein einzunehmen, eine amtliche Auskunft der Beklagten (KVR, LBK und RGU) einzuholen; die diesbezüglichen Akten der Beklagten zu den vorliegenden Berufungsverfahren beizuziehen, (2) dass die erfolgte Erweiterung auf 1.000 qm dazu führt, dass allein der Club „S.“ über 1.000 Gäste aufnehmen kann, einen Augenschein einzunehmen; ein Sachverständigengutachten einzuholen; eine amtliche Auskunft der Beklagten (KVR, LBK und RGU) einzuholen, (3) dass die erfolgte Erweiterung auf 1.000 qm und die dadurch bedingte Erhöhung der Gästezahl von 300 auf mehr als 1.000 dazu führt, dass sich der an den fünf Wohnungen zu erwartende Lärm um mehr als 5 dB(A) erhöht, ein Sachverständigengutachten einzuholen; eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen (Beweisantrag 32),

ist dem ebenfalls nicht zu entsprechen. (1) Die Größe der Fläche des „S.“ ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Maßgeblich ist allein der an den Wohnungen der Klägerin ankommende Lärm. Beweisbehauptung (2) ist ausschließlich spekulativer Natur. Die Klägerin schließt von einer Fläche von 1.000 qm auf eine Kapazität von 1.000 Personen, ohne hierfür greifbare tatsächliche Anhaltspunkte zu benennen. Ebenso wenig setzt sie sich in der gebotenen Tiefe mit der bereits im Verfahren 1. Instanz erfolgten Einlassung der Beklagten auseinander, es handele sich lediglich um eine bloße Umbenennung des (früheren) „G.“ in „S.“, nicht aber um eine Betriebserweiterung. Einer – wie hier – ohne die gebotene Auseinandersetzung mit den bekannten Gegenargumenten „ins Blaue hinein“ aufgestellten Behauptung ist, ungeachtet des Umstandes, dass es entscheidungserheblich nicht auf die Kapazität der Anlagen, sondern auf eine etwaige Lärmentwicklung ankommt, nicht weiter nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.). Gleiches gilt hinsichtlich der aufs Geratewohl aufgestellten Behauptung, (3) der an den fünf Wohnungen der Klägerin zu erwartende Lärm erhöhe sich infolge der (vermeintlichen) Kapazitätserweiterung um mehr als 5 dB(A). Die Klägerin benennt keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sich die von den Messungen des Sachverständigen erfasste Lärmentwicklung an ihren Wohnungen infolge des Namenswechsels nachteilig verändert haben könnte. Insoweit hätte es konkreter und vor allem auch nachvollziehbar belegter Ausführungen dazu bedurft, dass nach der Namensänderung und damit anders als noch zu den Zeiten des (früheren) „G.“, für welches der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige weder hinsichtlich des Musiklärms noch bezüglich etwaiger verhaltensbezogener Einzelereignisse eine Lärmrelevanz festzustellen vermochte, nunmehr doch Lärm nach außen tritt und an den Wohnungen der Klägerin wirksam wird. Solche Ausführungen fehlen. Der (rein spekulative) Antrag ist deshalb als unzulässiger Ausforschungsbeweis abzulehnen (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO analog).

Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsachen,

dass die Stellungnahme zum Schallschutz 710-2485-S2 vom 10. Juni 2009 von der Beklagten als nicht verwertbar beanstandet wurde, weil sie erhebliche fachliche Fehler enthielt, so beispielsweise (a) das zu beurteilende Vorhaben lediglich als „Gastraumerweiterung im Obergeschoss“ einer „Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Musikdarbietungen“ behandelte, obwohl es tatsächlich um die Erweiterung und Nutzungsänderung einer bestehenden Schank- und Speisewirtschaft in eine Diskothek/einen Nachtclub ging, (b) von einer gleichbleibenden Gästezahl ausging, obwohl selbst nach Auffassung der Beklagten von einer Erhöhung des Betriebsumfangs um ca. 20% und einer Erhöhung der Gästezahl von 190 auf 230 auszugehen war, (c) den Geräuschanteil der Erweiterungsfläche (Zusatzbelastung) an den maßgeblichen Immissionsorten in der Nachbarschaft im Nachtzeitraum (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) mit – viel zu niedrigen – Beurteilungspegelanteilen von angeblich „mindestens 20 dB(A) unter den jeweils maßgeblichen Immissionsrichtwerten“ prognostizierte, eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen (Beweisantrag 33),

kann auch diesem Antrag kein Erfolg beschieden sein. Unterschiedliche Auffassungen des Büros M. & P. anlässlich des Inhalts einer Vorgängerfassung (!) der Stellungnahme 710-2485-S3 vom 2. Oktober 2009 einerseits und der Beklagten andererseits besitzen für die Verwertbarkeit des Gutachtens des Sachverständigen vom Januar 2017 ebenso wenig eine Bedeutung wie die spätere Stellungnahme vom 2. Oktober 2009 selbst (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog).

Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die auf Anlage K 49 erkennbaren Parkplätze von den Besuchern der Diskotheken nachts als Warte- oder Treffpunkt mit Musik, mit oder ohne laufenden Motor genutzt werden, wobei die lauten Gespräche, das Schreien, Rufen usw. auf diesen Parkplätzen in den fünf Wohnungen deutlich wahrnehmbar ist, einen Augenschein an mindestens vier aufeinanderfolgenden Samstagen jeweils von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 34),

wiederholt dieser Antrag im Wesentlichen lediglich die bereits in Beweisantrag 31/(1) unter Beweis gestellten Behauptungen. Es gilt zunächst das dort Gesagte. Ungeachtet dessen setzt sich die Klägerin auch insoweit nicht mit den Ausführungen des Sachverständigengutachtens auseinander, das lediglich festzustellen vermochte, dass diese Parkplätze „auch“ als Warte- oder Treffpunkt von Personen mit Musik (Autoradio) und laufendem Motor genutzt werden (vgl. Gutachten S. 16, Buchst. c) und eine Trennung und Zuordnung verhaltensbezogener Einzelereignisse zu einzelnen Vorgängen, Wegebeziehungen oder auch Veranstaltungen bzw. Vergnügungsbetrieben nicht möglich war (vgl. Gutachten, S. 16, Buchst f). Einer ohne jede Auseinandersetzung mit den bekannten Gegenargumenten „ins Blaue hinein“ aufgestellten Behauptung ist nicht weiter nachzugehen (vgl. BVerwG, Bv. 25.1.1988 – 7 CB 81/87 –, NJW 1988, 1746; B.v. 26.6.2017 – 6 B 54/16 –, NVwZ 2017, 1388 [1389] Rn. 7 a.E.).

Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass die massive Verschmutzung der Umgebung (u.a. durch auf der Straße oder im Fußgängerbereich urinierende und sich erbrechende Gäste), die erhöhte Kriminalität (wie z.B. Sachbeschädigungen), eine Vielzahl betrunkener Diskothekengäste und eine entsprechende Drogenszene nach polizeilicher Erfahrung bei einem Betrieb von 5 Diskotheken in einer Millionenstadt mit Tausenden von Gästen pro Nacht bis in den frühen Morgen typischerweise verbunden und letztlich nicht vermeidbar ist, eine amtliche Auskunft der zuständigen Polizeiinspektion einzuholen (Beweisantrag 35),

ist auch diesem Begehren nicht zu entsprechen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Diese Beweistatsachen sind nach der Rechtsauffassung des Senats für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich (vgl. hierzu näher nachfolgend unter 5).

Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass der Biergarten des „C. m. D.“ in den Sommermonaten voll besetzt ist, einen Augenschein an einem Samstag im Juli von 0.00 Uhr bis 06.00 Uhr durchzuführen (Beweisantrag 36),

ist diesem Beweisbegehren ebenfalls nicht Rechnung zu tragen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Maßgeblich ist allein der an den Wohnungen der Klägerin ankommende Lärm. Dieser wird durch das Sachverständigengutachten zutreffend erfasst.

Soweit die Klägerin beantragt, zum Beweis der Tatsache,

dass an den Wochenenden im Sommer, an Fasching, Silvester und bei Events, die das ganze Jahr über in den 5 Diskotheken stattfinden, an den fünf Wohnungen mindestens Lärm in der Höhe auftritt, wie sie der vom Verwaltungsgericht bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom Januar 2017 an den Oktoberfesttagen gemessen hat, eine amtliche Auskunft der Beklagten (RGU) einzuholen; ein Sachverständigengutachten einzuholen (Beweisantrag 37),

ist diesem Beweisbegehren ebenfalls nicht zu entsprechen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Der an den Wohnungen der Klägerin ankommende Lärm ist – wie auch die Klägerin nicht bestreitet – durch die Messungen des Sachverständigen zutreffend erfasst.

Soweit die Klägerin schließlich beantragt, die mit Schreiben vom 8. März 2018 eingeräumte Äußerungsfrist auf vier Wochen nach erteilter Auskunft und abgeschlossener Akteneinsicht durch das Referat für G. und U. der Beklagten zu verlängern, war dem ebenfalls nicht zu entsprechen. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2018 beim Referat für G. und U. der Beklagten außerprozessual beantragte Auskunft und Akteneinsicht besitzt – wie der Klägerin bereits mit Schreiben vom 20. März 2018 mitgeteilt – nach der Rechtsauffassung des Senats für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 StPO analog). Die Messungen des Referats für G. und U. aus dem Jahr 2008 und die Beurteilung der schalltechnischen Stellungnahme des Büros M. & P. vom 2. Oktober 2009 durch eben dieses Referat sind für die Entscheidung der streitgegenständlichen Rechtsfragen nach der insoweit allein maßgeblichen und wiederholt dargelegten Auffassung des Senats ohne jede Bedeutung.

f) Ungeachtet aller bisherigen und weiteren Erwägungen gilt: Selbst dann, wenn man entgegen der Rechtsauffassung des Senats zugunsten der Klägerin unterstellen würde, dass sich bei Übertragung der vom 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 –, BVerwGE 145, 145 ff. – entfalteten Maßstäbe und Grundsätze auch auf das Zweckentfremdungsrecht und der Einbeziehung weiterer Lärmquellen, insbesondere des „Zu- und Abgangsverkehrs“, des „Parkplatzlärms“ und der sog. „verhaltensbezogenen Ereignisse“, vorliegend tatsächlich eine signifikante Überschreitung der Richtwerte der TA-Lärm ergäbe, könnte dies ebenfalls zu keiner anderen Entscheidung in der Sache führen, wie sich im Einzelnen aus folgendem ergibt:

Der zweckentfremdungsrechtliche Wohnraumbegriff (vgl. hierzu auch § 3 ZeS) setzt die Eignung der Räumlichkeiten voraus, auf Dauer bewohnt zu werden; diese Eignung fehlt Räumen, deren dauerndes Bewohnen unzulässig oder unzumutbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5). Letzteres kann zwar auch Folge einer erheblichen Immissionsbelastung sein (siehe BVerwG, B.v. 11.5.1994 – 8 B 50.94 –, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19 und B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5). Ein die Bewohnbarkeit ausschließender Mangel bzw. Missstand ist jedoch von vornherein unbeachtlich, wenn er nicht auf Dauer besteht, sondern sich mit zumutbaren Mitteln beheben lässt (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1982 – 8 C 15/80 –, NJW 1983, 640 [641]; B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine Lärmbelästigung zwar zur Zeit unzumutbar ist, der Eigentümer sich gegen sie aber nach § 906 BGB zur Wehr setzen kann. Dann ist es ihm zweckentfremdungsrechtlich zuzumuten, (zunächst) auf die Beseitigung des Missstandes – notfalls auch unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe – hinzuwirken (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5).

Vorliegend hat die Klägerin weder aufgezeigt, dass sie dies – eine (hier nicht feststellbare) unzumutbare Lärmbelastung unterstellt – bereits erfolglos versucht hätte noch ist dies sonst ersichtlich. Entsprechende Bemühungen haben offensichtlich nur durch die Voreigentümerin stattgefunden (vgl. Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 28. Februar 2018, S. 2 ff.). Auch aus diesem Grunde war den Beweisanträgen und weiteren Beweisanregungen der Klägerin nicht zu entsprechen. Der Klägerin steht unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf die begehrten Negativatteste zu.

5. Auch soweit die Klägerin geltend macht, eine Unzumutbarkeit der Wohnnutzung folge aus einer erhöhten Kriminalität, einer entsprechenden Drogenszene und einer massiven Verschmutzung der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Wohnungen, kann dem nicht gefolgt werden. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m.w.N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen fehlt es deshalb an einer – jedenfalls zweckentfremdungsrechtlichen – Zurechenbarkeit und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst beeinträchtigen das Wohnen nicht. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht angesprochen (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 [418] Rn. 34; OVG NRW, B.v. 18.3.2011 – 2 A 2579/09 – juris, Rn. 53: „Nutzerexzess“). Auch hiervon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

Soweit die Klägerin demgegenüber auf die gaststättenrechtliche Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verweisen lässt, nach der Anwohner und Passanten sich durch von Gästen verursachte Verunreinigungen wie Urin, Essensreste und Erbrochenes (mit der Folge entsprechender gaststättenrechtlicher Maßnahmen) unangenehm berührt und belästigt fühlen können und gegebenenfalls auch dürfen, insbesondere dann, wenn Schuhe und Kleider beim Hineintreten in solches „Material“ verschmutzt werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 –, NVwZ-RR 2012, 750 [758]), verliert sie den Gegenstand des Rechtsstreits aus dem Auge. Anders als in der zitierten Entscheidung ist nicht die Erteilung gaststättenrechtlicher Auflagen oder sonstiger gaststättenrechtlicher Maßnahmen Verfahrensgegenstand, sondern eine zweckentfremdungsrechtliche Beurteilung in der Nachbarschaft der Betriebe gelegener Wohnungen nach der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS, die lediglich auf das Baurecht, nicht aber auch auf das Gaststättenrecht verweist. Gleichwohl führt gerade diese Einlassung der Klägerin auf des „Pudels Kern“. Die Klägerin muss die Beklagte zunächst auf Beseitigung etwaiger Missstände in Anspruch nehmen, bevor sie mit Aussicht auf Erfolg eine Freistellung ihrer Wohnungen vom Verbot der Zweckentfremdung begehren kann (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2001 – 5 B 15/01 – juris, Rn. 5).

Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht mögliche Gefahren für die Nachbarschaft einer diplomatischen Einrichtung durch terroristische Anschläge als städtebaulich bedeutsame Auswirkungen angesehen hat, die bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben das Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) verletzt, zu berücksichtigen seien (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2007 – 4 C 1/06 –, BVerwGE 128, 118 [121] Rn. 12 ff.). Das Risiko terroristischer Anschläge einerseits und die Gefahr der Verwirklichung von Alltagskriminalität andererseits stehen von vorneherein nicht auf einer Stufe, so dass es an der erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt. Ungeachtet dessen hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 25. Januar 2007 – 4 C 1/06 –, BVerwGE 128, 118 [125] Rn. 20 – auf die Beherrschbarkeit der Gefahrenlage durch zusätzliche Maßnahmen hingewiesen. Selbst wenn man also entgegen der hier vertretenen Auffassung auch Fälle der Alltagskriminalität als städtebaulich bedeutsame Auswirkungen einordnen wollte, könnte dies vorliegend nicht zu einer Freistellung der Wohnungen vom Zweckentfremdungsverbot führen. Dass die aufgezeigte Gefahrenlage durch Maßnahmen des Polizei- und Sicherheitsrechts nicht mehr beherrschbar wäre oder die Beklagte – gegebenenfalls auch gerichtlich – bereits erfolglos auf ein entsprechendes Einschreiten in Anspruch genommen worden wäre, trägt die Klägerin weder vor noch ist dies sonst ersichtlich.

6. Anhaltspunkte dafür, dass die streitgegenständlichen Wohnungen – trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärm-Immissionen – nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen werden (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS a.F.; nunmehr unmittelbar Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Alt. ZwEWG i.V.m. § 5 Abs. 2, 2. Alt. ZES) hat das Verwaltungsgericht nicht feststellen können. Sie sind auch vom Klägerbevollmächtigten nicht geltend gemacht worden. Insoweit wäre zugleich zu berücksichtigen – wovon das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist –, dass in diesem Zusammenhang auch der geforderte Mietzins von Bedeutung ist. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann (vgl. bereits BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 –, BayVBl 2015, 416 [418] Rn. 36).

Der Klägerin steht daher unter keinem Gesichtspunkt – weder im Rahmen einer „Innen“-Pegelbetrachtung noch auf der Grundlage einer Betrachtung der „Außen“-Pegel – ein Anspruch auf die begehrten Negativatteste zu. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen deshalb zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen bleiben ohne Erfolg und sind deshalb zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und ist vorläufig vollstreckbar (§ 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO).

8. Gründe, nach § 132 VwGO die Revision gegen die vorliegende Entscheidung zuzulassen, sind nicht gegeben.

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Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (1.), der Divergenz (2.) und eines Verfahrensmangels (3.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Beschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt die Beschwerde nicht.

4

a) Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob das Bundesverwaltungsgericht die im Urteil vom 1. Oktober 1986 noch vorgenommene Unterscheidung zwischen qualifiziert beplanten Gebieten und unbeplanten Innenbereichen angesichts der inzwischen veränderten Rechtslage auch heute noch genauso treffen würde (vgl. Urteil v. 01.10.1986 - 8 C 155/81 - juris Rn. 16 a.E. unter Hinweis auf Urteil v. 02.12.1983)" (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 7).

5

Mit dieser Frage und ihrem weiteren Vorbringen wird die Beschwerde den Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge nicht gerecht. Damit wird nicht die Auslegung einer konkreten Rechtsnorm des revisiblen Rechts angesprochen, wie dies für die Grundsatzrüge erforderlich ist. Vielmehr ist die Beschwerde darauf gerichtet, in Erfahrung zu bringen, ob das Bundesverwaltungsgericht an der im Urteil vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - (Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 14) vertretenen, von der Beschwerde nicht näher dargelegten Rechtsauffassung festhält. Die höchstrichterliche Rechtsprechung als solche gehört indessen nicht zum revisiblen Recht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 137 Abs. 1 VwGO.

6

b) Das Vorbringen der Klägerin,

"Abgesehen davon begegnet die vom Verwaltungsgerichtshof - unausgesprochen unterstellte - generelle Zulässigkeit nicht akzessorischer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet grundsätzlichen Bedenken. Vielmehr wäre in Anbetracht der konkreten Umgebung (Feiermeile, verdichtete Ansiedlung von Diskos, Kneipen, Amüsierbetrieben) zu prüfen, ob eine Ausnahme (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) hier nicht schon prinzipiell ausscheidet, ohne dass es noch auf eine Einzelfallbeurteilung anhand § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ankommt" (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 8),

genügt ebenfalls schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn damit wird keine konkrete Rechtsfrage formuliert.

7

Der Sache nach rügt die Klägerin in der Art einer Revisionsbegründung die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs und setzt dieser ihre eigene, zu einem anderen Ergebnis führende Rechtsmeinung entgegen. Eine solche Kritik der vorinstanzlichen Entscheidung kann in der Regel und so auch hier die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen.

8

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

9

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung der Rechtssätze, die das betreffende übergeordnete Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, BVerwG, vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26, vom 22. Februar 2011 - 2 B 72.10 - juris Rn. 4 und vom 5. Juni 2013 - 5 B 7.13 - juris Rn. 2 m.w.N.). Gemessen daran ist die Beschwerde nicht ausreichend begründet.

10

a) Dies gilt zunächst, soweit die Beschwerde geltend macht, die angefochtene Entscheidung weiche mit den Ausführungen zum "Postulat nach architektonischer Selbsthilfe (RdNr 31 des Urteils)" sowohl vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - (Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 14) als auch vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - (BVerwGE 145, 145) ab. Die Ausführungen im angegriffenen Beschluss stünden im Widerspruch zu dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht dadurch gewahrt werde, dass der Bauherr im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen habe (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 3 f.). Dies genügt schon deshalb nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz, weil die Beschwerde dieser Rechtsansicht keinen vom Verwaltungsgerichtshof in dem angefochtenen Beschluss aufgestellten, abweichenden abstrakten Rechtssatz gegenüberstellt. Ein solcher Rechtssatz ist insbesondere den weiteren Ausführungen der Beschwerde, "[g]erade das verlangt aber der BayVGH im Rahmen seiner Ausführungen zur Zulässigkeit der Ausnahme nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO vom Eigentümer für den Fall, dass bei der geforderten Beweisaufnahme die Überschreitung der Grenzwerte festgestellt werden sollte" (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 4), nicht zu entnehmen. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde auf, inwiefern der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs auf der behaupteten Abweichung beruht, zumal sie selbst davon ausgeht, dass die Forderung nach architektonischer Selbsthilfe nur für den Fall erhoben wird, dass bei der erst noch vom Verwaltungsgericht durchzuführenden Beweisaufnahme die Überschreitung der Grenzwerte festgestellt werden sollte. Des Weiteren ist dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 1986 - 8 C 53.85 - (Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 14) der ihm von der Beschwerde zugeschriebene Rechtssatz nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - (BVerwGE 145, 145). Soweit in diesem Urteil ausgeführt wird, "das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat" (BVerwGE 145, 145 Rn. 14), handelt es sich um das Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter die nachfolgend formulierten Rechtssätze, das nicht in einen eigenständigen allgemeinen Rechtssatz umgedeutet werden kann.

11

b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang bemängelt, "[d]ie Forderung nach architektonischer Selbsthilfe [...] beinhaltet darüber hinaus einen zusätzlichen Eingriff in die eigentumsrechtliche Position" und "ist in keiner Weise mehr verfassungsrechtlich vertretbar" (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 4), benennt sie keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von der abgewichen wird.

12

c) Soweit die Beschwerde eine Abweichung von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 2012 (NJW-RR 2012, 1207) beanstandet (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 6), erfüllt dies die Begründungsanforderungen bereits deshalb nicht, weil Entscheidungen jenes Gerichts im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Nichtzulassungsbeschwerde nicht divergenzfähig sind.

13

3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

14

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil bzw. Beschluss und die Art und Weise des Urteils- bzw. Beschlusserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteils- bzw. Beschlussinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2015 - 5 B 28.14 - juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. März 2014 - 5 B 48.13 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 62 Rn. 12 m.w.N.). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

15

Die Beschwerde sieht einen Verfahrensmangel darin, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Verkennung der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen habe. Denn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hätten nicht vorgelegen. Das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht verletzt. Es sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht verpflichtet gewesen, zur Klärung der Frage, ob die Wohnnutzung im Einzelfall vor allem unter Lärmgesichtspunkten ausnahmsweise baurechtlich zulässig sei, Beweis zu erheben, und könne hierzu auch in dem angefochtenen Beschluss nicht verpflichtet werden. Die Beklagte hätte entsprechende Ermittlungen durchführen müssen. Sie trage die Beweislast für die Zumutbarkeit der Wohnnutzung unter Lärmgesichtspunkten. Da sie derartige Ermittlungen unterlassen habe, hätte sie unter Aufhebung ihrer Bescheide zur Neubescheidung verpflichtet werden müssen (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. Dezember 2014 S. 5 f.). Hiermit zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensfehler auf, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht selbstständig tragend auch auf eine entsprechende Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützt, weil das Verwaltungsgericht aufgrund der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht in der Sache selbst entschieden habe (vgl. BA Rn. 25 und 30). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann bei einer solchen Mehrfachbegründung die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2015 - 3 B 6.14 - juris Rn. 6 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs zur entsprechenden Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, insbesondere zur Notwendigkeit, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbs. BauNVO eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, hat die Beschwerde keine durchgreifenden Zulassungsgründe erhoben.

16

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

17

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Die 1985 in Teheran geborene Klägerin reiste im Juli 2001 zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. August 2001 ab. Die Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig ab.

3

Im Dezember 2004 stellte die Klägerin einen Asylfolgeantrag. Zur Begründung berief sie sich auf Nachfluchtaktivitäten für die Arbeiterkommunistische Partei Irans. Mit Bescheid vom 11. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab.

4

Während des Klageverfahrens teilten ihre neuen Verfahrensbevollmächtigten am 30. März 2007 mit, dass die Klägerin bereits am 23. März 2003 zum christlichen Glauben konvertiert sei. Sie habe sich zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde taufen lassen, besuche Gottesdienste und nehme wöchentlich an einem Bibelkreis teil. Da sie in Abkehr vom Islam ihren christlichen Glauben öffentlich praktiziere, müsse sie bei einer Rückkehr in den Iran mit einer Verfolgung aus religiösen Gründen rechnen. Von der Änderung der Rechtslage durch die Richtlinie 2004/83/EG - sog. Qualifikationsrichtlinie - habe sie erst jetzt erfahren.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Glaubensübertritt näher befragt und die Klage sodann abgewiesen. Es hat in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 letztlich offengelassen, ob der Glaubensübertritt der Klägerin und ihre kirchlichen Aktivitäten lediglich asyltaktische Hintergründe hätten oder auf einer wirklichen religiösen Überzeugung beruhten. Selbst wenn man Letzteres unterstelle, sei eine religiöse Verfolgung der Klägerin, die sich weder in herausgehobener Position für ihren Glauben eingesetzt noch missionarische Aktivitäten entfaltet habe, im Iran nicht wahrscheinlich.

6

Nach Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Oberverwaltungsgericht die Beteiligten unter näherer Darlegung seiner Einschätzung der Sach- und Rechtslage darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden. Es erachte die Berufung einstimmig für begründet und halte eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Daraufhin hat die Beklagte angeregt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, damit das Oberverwaltungsgericht sich einen persönlichen Eindruck von der Klägerin und deren Glaubwürdigkeit verschaffen könne. Das Berufungsgericht ist dem nicht gefolgt, sondern hat den Beteiligten mitgeteilt, dass es weiterhin beabsichtige, durch Beschluss zu entscheiden.

7

Mit Beschluss vom 30. Juli 2009 hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung der Klägerin verpflichtet. Es hat das Vorliegen der Wiederaufgreifensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bejaht und darauf abgestellt, dass sich mit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG am 10. Oktober 2006 die Rechtslage zugunsten der Klägerin geändert habe. Die Antragsfrist sei gewahrt, da die Klägerin erst durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten von der Rechtsänderung erfahren habe. Unschädlich sei, dass sie die im März 2003 erfolgte Taufe nicht schon im ersten Asylverfahren geltend gemacht habe, da dieses Vorbringen unter der damaligen Rechtslage nicht zum Erfolg hätte führen können. Zudem habe sich die Sachlage durch den Beschluss des iranischen Parlaments zum Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes im September 2008 zugunsten der Klägerin geändert.

8

Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG erweitere den Schutzbereich des Flüchtlingsrechts um die Religionsausübung in der Öffentlichkeit. Allerdings stelle nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit eine Verfolgung dar. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie sei es einem Glaubenswechsler aber nicht mehr zuzumuten, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft wie Gottesdiensten oder Prozessionen fernzubleiben, um staatliche Sanktionen zu vermeiden. Der Glaubensangehörige sei auch verfolgt, wenn er aus Furcht vor staatlicher Repression zu unzumutbaren Ausweichhandlungen genötigt sei. Berufe sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung wegen Konversion zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion, müsse festgestellt werden, dass die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruhe. Erst wenn der neue Glauben die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland aus Angst vor Sanktionen auf die Religionsausübung zu verzichten.

9

Moslemische Apostaten, die sich dem Christentum zugewandt hätten, unterlägen im Iran einer Verfolgungsgefahr bereits dann, wenn sie ihre Abkehr vom Islam dadurch nach außen sichtbar werden ließen, dass sie in Ausübung ihres neu gewonnenen Glaubens an öffentlichen Riten wie Gottesdiensten und Prozessionen teilnehmen wollten. Einem besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage eines vom Islam zum Christentum übergetretenen Iraners sei die Rückkehr in den Iran unzumutbar, wenn er dort seinen christlichen Glauben auch außerhalb von Hausgemeinden praktizieren wolle. Die Lage habe sich durch das am 9. September 2008 vom iranischen Parlament in erster Lesung beschlossene strafbewehrte Apostasieverbot verschärft.

10

Hiernach drohe der Klägerin im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung. Denn sie sei aufgrund einer echten Glaubensentscheidung zum Christentum konvertiert und der christliche Glaube präge nunmehr ihre religiöse Identität. Sie habe eine Taufurkunde sowie Bescheinigungen vorgelegt, dass sie Mitglied einer christlich-iranischen Gemeinde sei und dort regelmäßig Gottesdienste und Bibelstunden besuche. Ihrer gleichzeitig getauften Mutter und Schwester sei aufgrund von deren Konversion Flüchtlingsschutz zuerkannt worden. Bei ihrer Befragung durch das Verwaltungsgericht habe sie ihren persönlichen Weg zum christlichen Glauben nachvollziehbar geschildert und hinreichende Kenntnisse über die christliche Religion offenbart. Die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts werde nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass sie sich für die strikt antireligiöse Arbeiterkommunistische Partei Irans betätigt habe. Dazu habe sie vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar ausgeführt, dass ihr Glaube in der Partei als Privatsache respektiert worden sei und sie sich als Sozialistin von den religionsfeindlich eingestellten Kommunisten abgrenze. Aufgrund ihrer Charakterisierung der Partei erscheine die Formulierung ihres früheren Prozessbevollmächtigten, sie habe sich bei der Anhörung vor dem Bundesamt als überzeugte Kommunistin gezeigt, nicht als Widerspruch zu ihren persönlichen Einlassungen, sondern als missverständliche Bewertung. Der Sachverhalt sei ausreichend geklärt und es bestehe kein Anlass, die Klägerin erneut zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören.

11

Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG stehe der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen, weil die Klägerin bereits vor Abschluss des Ausgangsverfahrens getauft worden sei. Abgesehen davon habe sie sich aufgrund einer ernstlichen Gewissensentscheidung und nicht lediglich aus asyltaktischen Gründen vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt.

12

Die Beklagte hat die vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen wie sachlichen Rechts. Sie macht im Hinblick auf die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Konversion einen Verfahrensfehler wegen der Entscheidung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung geltend. Sachlich sei die Klägerin mit dem Vorbringen der Konversion gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert, da sie diesen Umstand schon in dem im August abgeschlossenen Erstverfahren hätte geltend machen können. Ob dieses Vorbringen möglicherweise nicht ausgereicht hätte, die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung zu tragen, sei unerheblich. Zudem sei die Konversion nicht fristgerecht gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG geltend gemacht worden.

13

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

14

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er rügt, das Berufungsgericht habe § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht angewendet.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet, da die von der Beklagten angebrachten Verfahrensrügen durchgreifen. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt, da es die Klägerin nicht persönlich angehört hat (1.). Zudem hat es über die Berufung unter Verstoß gegen § 130a Satz 1 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entschieden (2.). Auf diesen Verfahrensmängeln beruht die angegriffene Entscheidung, so dass der Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

16

1. Das Berufungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO) verletzt. Denn es hat die gebotene Aufklärungsmaßnahme nicht ergriffen, die Klägerin persönlich zur Ernsthaftigkeit ihres Glaubenswechsels anzuhören und sich zu dieser inneren Tatsache einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Um diese Aufklärung zu erreichen, hatte die Beklagte nach der ersten Anhörungsmitteilung auf der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren bestanden.

17

a) Die Ernsthaftigkeit der Konversion erweist sich nach dem materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts, der bei der Prüfung auf Verfahrensfehler selbst dann zugrunde zu legen ist, wenn er verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>), als entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Flüchtlingsanerkennung wegen der Gefahr religiöser Verfolgung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - nur dann in Betracht kommt, wenn die Hinwendung zu dem angenommenen Glauben auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht nur auf Opportunitätserwägungen beruht. Nur wenn die Konversion die religiöse Identität des Schutzsuchenden in dieser Weise präge, könne ihm nicht angesonnen werden, in seinem Heimatland auf die Religionsausübung zu verzichten, um staatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen (BA S. 9 f.).

18

b) Auf der Grundlage dieses materiellrechtlichen Ansatzes lag es nahe und hätte sich dem Berufungsgericht in der hier vorliegenden Prozesssituation aufdrängen müssen, die Klägerin persönlich anzuhören, um sich für die gerichtliche Beweiswürdigung einen unmittelbaren Eindruck von ihr zu verschaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt es zwar grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es einen im ersten Rechtszug gehörten Zeugen oder Beteiligten erneut vernimmt. Es kann dessen schriftlich festgehaltene Aussage auch ohne nochmalige Vernehmung zu dem unverändert gebliebenen Beweisthema selbstständig würdigen. Von der erneuten Anhörung des Zeugen oder Beteiligten darf das Berufungsgericht jedoch dann nicht absehen, wenn es die Glaubwürdigkeit des in erster Instanz Vernommenen abweichend vom Erstrichter beurteilen will und es für diese Beurteilung auf den persönlichen Eindruck von dem Zeugen oder Beteiligten ankommt (vgl. etwa Beschlüsse vom 20. November 2001 - BVerwG 1 B 297.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 251 und vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B 137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235). Diese Ausnahme greift - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat (BA S. 22 f.) - nicht, da das Verwaltungsgericht nach Anhörung der Klägerin zwar erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Konversion geäußert hatte, diese Frage aber letztlich offengelassen hat.

19

Damit hat es aber nicht sein Bewenden, denn im Berufungsverfahren ist eine persönliche Anhörung des Asylbewerbers im Wege der "informatorischen Befragung" (§ 103 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO) oder der Parteivernehmung (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 98 VwGO i.V.m. §§ 450 ff. ZPO) auch dann geboten, wenn die Vorinstanz - wie hier - hinsichtlich eines zentralen Punkts seines tatsächlichen Vorbringens keine Feststellungen getroffen, sondern seine Glaubwürdigkeit insoweit offengelassen hat. Denn der Ausländer, der politische Verfolgung geltend macht, befindet sich hinsichtlich seines individuellen Verfolgungsschicksals typischerweise in Beweisnot und ist als "Zeuge in eigener Sache" zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an, so dass seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung maßgebliche Bedeutung zuzumessen ist (Urteil vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 <182>). Soweit die tatrichterliche Würdigung des individuellen Vorbringens des Asylbewerbers wesentlich von seiner Glaubwürdigkeit abhängt, wird vom Gericht hierüber in aller Regel nur nach einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers entschieden werden können (Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259 = NVwZ 2002, 1381 m.w.N. auch zu Ausnahmen). Das gilt nicht nur hinsichtlich der Würdigung seiner Angaben zum Vorfluchtschicksal, sondern in gleicher Weise für die innere Tatsache der ernsthaften, die Persönlichkeit des Asylbewerbers prägenden Glaubensüberzeugung. Stellt das Berufungsgericht diese nach seinem materiellrechtlichen Ansatz zentrale anspruchsbegründende Tatsache der Flüchtlingsanerkennung, zu der das Verwaltungsgericht sich nicht abschließend verhalten hat und über die das Bundesamt noch nicht zu entscheiden hatte, im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung allein aufgrund der Aktenlage fest, verletzt es in aller Regel - und so auch hier - die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO).

20

c) Der angefochtene Beschluss beruht auf den festgestellten Verfahrensverstößen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer persönlichen Anhörung der Klägerin deren Vorbringen zur Ernsthaftigkeit ihrer Konversion zum Christentum in anderer Weise gewürdigt und daraus geschlossen hätte, dass ihr eine Verfolgung aus religiösen Gründen nicht mit der notwendigen beachtlichen Wahrscheinlichkeit droht.

21

2. Das Oberverwaltungsgericht hat mit seiner Verfahrensweise darüber hinaus § 130a Satz 1 VwGO verletzt. Da die Beteiligten nicht gemäß § 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, hätte es wegen der außergewöhnlich großen Schwierigkeit der Sache über die Berufung nicht durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO entscheiden dürfen.

22

a) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über eine Berufung grundsätzlich durch Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung ergeht (§ 125 i.V.m. § 101 VwGO). Ist eine Berufung unzulässig, kann sie nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss verworfen werden (§ 125 Abs. 2 VwGO). Nach der Vorschrift des § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht auch dann über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ist das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung beziehende Einstimmigkeitserfordernis (vgl. Beschluss vom 20. Januar 1998 - BVerwG 3 B 1.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 19 S. 12 f.) erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, im Ermessen des Gerichts. Die Vorschrift enthält keine expliziten materiellen Vorgaben für die richterliche Entscheidung, ob von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen wird oder nicht. Die Grenzen des dem Berufungsgerichts eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Beschlüsse vom 12. März 1999 - BVerwG 4 B 112.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 35 S. 5 m.w.N. und vom 25. September 2003 - BVerwG 4 B 68.03 - NVwZ 2004, 108 <109>). Ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung ist seitens des Revisionsgerichts nur zu beanstanden, wenn es auf sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung des Berufungsgerichts beruht (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 S. 2 m.w.N.).

23

Auch wenn § 130a VwGO keine ausdrücklichen Einschränkungen enthält, hat das Berufungsgericht bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Ausnahmen davon bedürfen gesonderter gesetzlicher Regelung. Diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis liegt die Vorstellung zugrunde, dass die gerichtliche Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis eines diskursiven Prozesses zwischen Gericht und Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung sein soll. Davon geht auch § 104 Abs. 1 VwGO aus, der dem Vorsitzenden des Gerichts die Pflicht auferlegt, in der mündlichen Verhandlung die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern. Das Rechtsgespräch erfüllt zudem den Zweck, die Ergebnisrichtigkeit der gerichtlichen Entscheidung zu fördern. Das ergibt sich nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, der aus dieser Verfahrensgarantie im Einzelfall die Notwendigkeit herleitet, auch in der zweiten Instanz mündlich zu verhandeln. Der Gerichtshof stellt bei Verfahrensordnungen, in denen im Berufungsrechtszug auch Tatfragen zu entscheiden sind, darauf ab, ob im konkreten Fall zentrale strittige Tatfragen zur Entscheidung anstehen und ob für die tatsächliche Feststellung die Entscheidungsfindung allein aufgrund der Aktenlage sachgerecht möglich ist (EGMR, Urteile vom 29. Oktober 1991 - Nr. 22/1990/213/275 - Helmers - NJW 1992, 1813 Nr. 36 unter Rückgriff auf das Urteil vom 26. Mai 1988 - Ekbatani, Serie A Nr. 134 Tz. 27; vom 29. Oktober 1991 - Nr. 35/1990/226/290 - Andersson - EuGRZ 1991, 419 und vom 29. Oktober 1991 - Nr. 36/1990/227/291 - Fejde - EuGRZ 1991, 420). Diese vom Gerichtshof zu Art. 6 Abs. 1 EMRK entwickelten Anforderungen sind bei konventionskonformer Anwendung im Rahmen der Ermessensausübung nach § 130a VwGO vom Berufungsgericht zu berücksichtigten und gestatten es in diesen Fällen nicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen (Beschluss vom 12. März 1999 a.a.O.). Das gilt auch in der vorliegenden asylrechtlichen Streitigkeit, da der deutsche Gesetzgeber das Verfahrensprinzip der öffentlichen mündlichen Verhandlung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK allgemein und ohne Rücksicht auf die Anwendbarkeit der auf "zivilrechtliche Ansprüche" beschränkten Vorschrift im Einzelfall gewahrt wissen wollte (Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <127 f.>).

24

Bei der Ermessensentscheidung gemäß § 130a Satz 1 VwGO dürfen die Funktionen der mündlichen Verhandlung und ihre daraus erwachsende Bedeutung für den Rechtsschutz nicht aus dem Blick geraten. Das Gebot, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die Rechtssache auch im Interesse der Ergebnisrichtigkeit mit den Beteiligten zu erörtern, wird umso stärker, je schwieriger die vom Gericht zu treffende Entscheidung ist. Mit dem Grad der Schwierigkeit der Rechtssache wächst daher zugleich auch das Gewicht der Gründe, die gegen die Anwendung des § 130a VwGO und für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sprechen (vgl. dazu Urteile vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <214> und vom 21. März 2000 - BVerwG 9 C 39.99 - BVerwGE 111, 69 <74>). Die Grenzen des von § 130a Satz 1 VwGO eröffneten Ermessens werden überschritten, wenn im vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, obwohl die Sache - das Maß des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO übersteigend - in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht außergewöhnlich große Schwierigkeiten aufweist (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 213); abzustellen ist insoweit auf die Gesamtumstände des Einzelfalles. Die Notwendigkeit, eine Rechtsnorm nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen, begründet für sich genommen noch keine außergewöhnlich große Schwierigkeit einer Rechtssache, insbesondere wenn das Berufungsgericht sich mit der Auslegung der Norm bereits befasst hat und seine Rechtsprechung lediglich fortführt (Beschluss vom 10. Juni 2008 - BVerwG 3 B 107.07 - juris Rn. 4). Stellt sich aber in einem Berufungsverfahren eine Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen und damit ein vielschichtiger Streitstoff, über den erstmalig zu befinden ist, spricht das für eine außergewöhnlich große Schwierigkeit (Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 218; Beschluss vom 10. Juni 2008 a.a.O. Rn. 5). In einem Asylprozess kann sich die besondere Komplexität des Streitstoffs in tatsächlicher Hinsicht auch daraus ergeben, dass aufgrund veränderter Umstände erstmals eine neue Beurteilung der allgemeinen Lage im Heimatstaat des Betroffenen geboten ist.

25

b) Auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung erweist sich die Vorgehensweise des Berufungsgerichts hier als fehlerhaft, denn der vorliegende Fall weist sowohl in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht einen außergewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad auf. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich das u.a. aus der auch in der Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht abschließend geklärten flüchtlingsrechtlichen Beurteilung einer religiöser Verfolgung (vgl. dazu die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 10 C 19.09 und 10 C 21.09) insbesondere aufgrund eines Glaubenswechsels in einem Asylfolgeverfahren (§ 28 Abs. 2 AsylVfG). Zudem bestand eine hohe Komplexität in tatsächlicher Hinsicht, denn das Berufungsgericht hatte - soweit ersichtlich erstmals - die Verfolgungsgefahr für nicht exponiert tätige, zum Christentum konvertierte Muslime im Iran zu beurteilen, u.a. mit Blick auf den Beschluss des Iranischen Parlaments zur Strafbewehrung des Apostasieverbots vom September 2008 (BA S. 11 - 21). Jedenfalls hat es dazu in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht auf ältere eigene Entscheidungen verwiesen. Im Übrigen legte auch der Umstand, dass das Berufungsgericht eine abschließende Entscheidung nicht allein aufgrund der Aktenlage fällen durfte, sondern noch eine persönliche Anhörung der Klägerin erforderlich war (vgl. oben Rn. 18), die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Blick auf die oben genannten Anforderungen des Gerichtshofs zu Art. 6 EMRK nahe.

26

c) Da das Berufungsgericht sich im Rahmen seines Ermessens nach § 130a VwGO unter den gegebenen Umständen nicht für Durchführung eines vereinfachten Berufungsverfahrens entscheiden durfte, verstößt der angefochtene Beschluss gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Eine unter Verstoß gegen § 101 Abs. 1 VwGO ergangene Entscheidung verletzt zugleich den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und stellt damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO dar (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.).

27

d) Die auf dem Verstoß gegen § 130a, § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO beruhende Gehörsverletzung erfasst die Berufungsentscheidung in ihrer Gesamtheit und lässt sich nicht auf einzelne Tatsachenfeststellungen eingrenzen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 a.a.O. S. 221 m.w.N.). Daher fehlen dem Revisionsgericht die für eine eigene abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

28

3. Sollte sich in dem erneuten Berufungsverfahren die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachlage und insbesondere die Ernsthaftigkeit der Konversion - wie in der angefochtenen Entscheidung angenommen - bestätigen, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens erfüllt sein dürften. Allerdings hat der Wiederaufgreifensgrund der nachträglichen Änderung der Sachlage (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 VwVfG) nicht vorgelegen. Denn der durch die Taufe am 23. März 2003 dokumentierte Wechsel der Klägerin zum christlichen Glauben ist nicht nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Erstverfahren am 24. Juni 2003 eingetreten. Auf den vom Berufungsgericht als Wiederaufgreifensgrund zusätzlich hervorgehobenen Beschluss des Iranischen Parlaments vom 9. September 2008 über den Entwurf eines Apostasiestrafgesetzes und die dadurch eingetretene Verschärfung der Verfolgungsgefahr (BA S. 6) hat sich die Klägerin nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG berufen, so dass auch dieser Umstand nicht die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens rechtfertigt. Denn weder das Bundesamt noch die Verwaltungsgerichte sind befugt, ihrer Entscheidung über die Wiederaufnahme andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe zugrunde zu legen (Urteile vom 30. August 1988 - BVerwG 9 C 47.87 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 8 und vom 13. Mai 1993 - BVerwG 9 C 49.92 - InfAuslR 1993, 357 - insoweit in BVerwGE 92, 278 nicht abgedruckt). Die dreimonatige Ausschlussfrist gilt auch für im gerichtlichen Verfahren neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe (Urteil vom 10. Februar 1998 - BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <176 f.>).

29

Jedenfalls mit Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) am 28. August 2007 lag jedoch der Wiederaufgreifensgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage vor (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG). Es ist zwar noch nicht abschließend geklärt, ob sich durch Umsetzung der Art. 9 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Rechtslage mit Blick auf die Verfolgung aus religiösen Gründen zugunsten der Betroffenen geändert hat. Aber die durch die Zweifel über die Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben bewirkte Unsicherheit reicht aus, um ein Asylverfahren wiederaufzugreifen und diese Frage prüfen zu lassen. Auf die Änderung der Rechtslage hat sich die Klägerin auch rechtzeitig berufen. Denn jedenfalls im Flüchtlingsrecht ist aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit hier für den Beginn der Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht auf den Ablauf der Umsetzungsfrist (Art. 38 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG), sondern auf die Bekanntmachung im Gesetzblatt dokumentierte Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber abzustellen.

30

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klägerin insoweit mit ihrem Vorbringen der Taufe und der Glaubensausübung nicht gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Denn ein grobes Verschulden liegt nicht vor, wenn ein Asylbewerber Umstände im vorangegangenen Verfahren nicht vorgebracht hat, die mit Blick auf die damals geltende Rechtslage oder die damals gegebene Sachlage vorzutragen kein Anlass bestand. Allein aufgrund der Taufe hätte sich die unverfolgt ausgereiste Klägerin nach damaliger Sach- und Rechtslage nicht mit Erfolg auf eine ihr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende religiöse Verfolgung berufen können. Dann kann ihr die mangelnde Geltendmachung der Taufe im Erstverfahren auch nicht entgegengehalten werden. Denn in Fällen evident fehlender Relevanz eines nicht vorgetragenen Umstands für den Ausgang des Erstverfahrens kann dem Betreffenden nicht der Vorwurf gemacht werden, die ihm gebotene Sorgfalt in schwerwiegender Weise außer Acht gelassen zu haben (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, II-§ 71 Rn. 204, Stand Dezember 2007).

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide, durch die der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Monate Januar bis August 2013 nebst Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 159,84 € festgesetzt hat. Die Anfechtungsklage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO zurückgewiesen und die Revision gegen den Beschluss nicht zugelassen.

II

2

Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Zwar rechtfertigt sie nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.). Die Beschwerde macht jedoch mit Erfolg einen absoluten Verfahrensmangel geltend (2.). Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht (3.).

3

1. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt.

4

Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob

die im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) geregelte Beitragspflicht verfassungswidrig ist.

5

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht für eine bundesgerichtlich bereits beantwortete Rechtsfrage nur, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 1992 - 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224).

6

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben: Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:180316U6C6.15.0] - (BVerwGE 154, 275) und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:150616U6C35.15.0] - geklärt. In den Gründen dieser Urteile hat das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsfrage abgehandelt und die Gründe für ihre Beantwortung dargelegt. Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelungen der §§ 2 ff. des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags (RBStV) über die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich mit dem Grundgesetz und mit Unionsrecht vereinbar sind. Soweit es überhaupt nachvollziehbar ist, enthält das Beschwerdevorbringen des Klägers keine neuen, bislang nicht bedachten Gesichtspunkte. Vielmehr setzt der Kläger den Rechtsauffassungen des Bundesverwaltungsgerichts jeweils seine eigenen abweichenden Rechtsauffassungen entgegen. Der Umstand, dass er mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einverstanden ist, ist aber nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung seiner Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu begründen.

7

Insbesondere ist das Bundesverwaltungsgericht in den erwähnten Entscheidungen auch bereits auf den Einwand des Klägers eingegangen, es fehle bei der Erhebung des Rundfunkbeitrags an der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung. Der Rundfunkbeitrag ist als Vorzugslast ausgestaltet, die die Gegenleistung für die Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt. Ob zwischen Leistung und Gegenleistung eine normative Verknüpfung besteht, ist durch Auslegung der abgabenrechtlichen Regelungen nach den herkömmlichen Methoden zu ermitteln. Zwar ist der durch den Rundfunkbeitrag abgegoltene Vorteil, die Möglichkeit der Nutzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme, im Wortlaut der §§ 2 ff. RBStV nicht ausdrücklich genannt. Er ergibt sich aber aus dem Normzweck dieser Regelungen. Auch der Rundfunkgebührenstaatsvertrag führte die Rundfunkempfangsmöglichkeit als Rechtfertigung für die Erhebung der Rundfunkgebühr nicht wörtlich auf. Das Gegenleistungsverhältnis und damit der Charakter der Rundfunkgebühr als Vorzugslast wurden dennoch allgemein bejaht, weil die Rundfunkgebührenpflicht an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts geknüpft war. Aus dem gesetzlichen Gebührentatbestand des Bereithaltens wurde geschlossen, dass die Rundfunkgebühr den Vorteil der Empfangsmöglichkeit abgalt. Die Ersetzung der Rundfunkgebühr durch den Rundfunkbeitrag sollte an der Rechtsnatur der Abgabe als Vorzugslast nichts ändern. Dass jemand den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit hat, wird nun nicht mehr aus dem Bereithalten eines Empfangsgeräts, sondern aus dem Innehaben einer Wohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 RBStV geschlossen. Der Zweck dieses neuen Beitragstatbestands besteht wie der Zweck des früheren Gebührentatbestands des Gerätebesitzes darin, den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit normativ zu erfassen (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 27).

8

Auch soweit der Kläger geltend macht, die Einführung des Rundfunkbeitrags hätte als Änderung einer Beihilfe nach dem Unionsrecht notifiziert werden müssen, handelt es sich nicht um einen neuen Gesichtspunkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in den erwähnten Entscheidungen ausgeführt, dass die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebühr durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag nicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 und 3 AEUV der vorherigen Zustimmung der Kommission der Europäischen Union bedurfte, weil diese Änderung die maßgebenden Faktoren der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht verändert hat. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen Personen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Geändert hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Abgabenpflicht. Der Umstand, dass der abgegoltene Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit nicht mehr durch den Besitz eines Empfangsgeräts, sondern durch das Innehaben einer Wohnung erfasst wird, stellt keine grundlegende, die Zustimmungspflicht auslösende Änderung der Finanzierung dar (BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f. und vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 53 f.; vgl. nunmehr auch Urteil vom 25. Januar 2017 - 6 C 7.16 [ECLI:DE:BVerwG:2017:250117U6C7.16.0] - juris Rn. 53 f.).

9

2. Die Beschwerde hat jedoch deshalb Erfolg, weil ein von ihr geltend gemachter Verfahrensmangel vorliegt, auf dem der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es über die Berufung des Klägers verfahrensfehlerhaft durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO entschieden hat, gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und damit gleichzeitig das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) verletzt.

10

Nach § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 130a Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat zwar den Kläger zu der beabsichtigten Verfahrensweise, ggf. nach § 130a VwGO zu entscheiden, angehört, seinen Widerspruch gegen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung aber nicht zur Kenntnis genommen und damit nicht erwogen. Infolgedessen hat es das ihm bei der Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt (a). Das führt auf den absoluten Revisionsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) (b).

11

a) Nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO sind die Beteiligten vorher zu hören, wenn das Oberverwaltungsgericht beabsichtigt, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. An die Anhörungsmitteilung sind in formeller und inhaltlicher Hinsicht strenge Anforderungen zu stellen, da das damit eingeleitete Verfahren es dem Berufungsgericht ermöglicht, ohne die auch im Berufungsverfahren grundsätzlich vorgesehene mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 1 VwGO) zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 22. April 1999 - 9 B 1037.98 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 38 S. 16). Die nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO erforderliche Anhörungsmitteilung muss nicht nur erkennen lassen, dass ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden soll und ob das Gericht die Berufung für begründet oder für unbegründet hält, sondern auch den Hinweis enthalten, dass sich die Beteiligten zu dem beabsichtigten Verfahren äußern können (BVerwG, Beschluss vom 13. August 2015 - 4 B 15.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:130815B4B15.15.0] - juris Rn. 5 m.w.N.). Machen die Beteiligten von der ihnen einzuräumenden Äußerungsbefugnis Gebrauch, muss das Gericht ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dadurch Rechnung tragen, dass es das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. allgemein: BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1086/74 - BVerfGE 40, 101 <104 f.>).

12

Das Oberverwaltungsgericht hat zwar die formellen und inhaltlichen Anforderungen für die Anhörungsmitteilung nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO beachtet. Es hat die Beteiligten mit Schreiben vom 12. September 2016 darauf hingewiesen, dass es für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens eine Anwendung des § 130a Satz 1 VwGO in Betracht ziehe, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt ebenso wie die einschlägigen rechtlichen Fragestellungen durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Vorentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts als geklärt erschienen. Hierzu hat das Oberverwaltungsgericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Aus den Gründen der Berufungsentscheidung ergibt sich jedoch deutlich, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers in dessen Stellungnahme überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und in Folge dessen bei seiner Entscheidung, nach § 130a Satz 1 VwGO zu verfahren, ersichtlich auch nicht erwogen hat. Denn obwohl der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2016 ausdrücklich erklärt hatte, dass kein Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung bestehe, und damit zumindest sinngemäß auch einer auf § 130a Satz 1 VwGO gestützten Entscheidung widersprochen hatte, führt das Oberverwaltungsgericht aus, dass der Kläger der beabsichtigten Vorgehensweise nicht entgegengetreten sei.

13

Der Verstoß gegen das Anhörungserfordernis gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO hat zur Folge, dass das Oberverwaltungsgericht das ihm bei der Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Ist das Einstimmigkeitserfordernis, das sich auf die Begründetheit oder Unbegründetheit der Berufung bezieht, erfüllt, steht die Entscheidung, ob ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss befunden wird, ausweislich des Wortlauts des § 130a Satz 1 VwGO ("kann") im Ermessen des Gerichts. Die Grenzen des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessens sind weit gezogen. Das Revisionsgericht kann die Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Berufungsverfahrens nur darauf überprüfen, ob das Oberverwaltungsgericht von seinem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213> m.w.N.). Ein Ermessensfehler ist nach den allgemeinen Grundsätzen unter anderem dann anzunehmen, wenn das Oberverwaltungsgericht nicht alle maßgebenden Gesichtspunkte ermittelt und in seine Entscheidung einbezogen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 1992 - 7 C 21.91 - BVerwGE 90, 296 <300> und vom 24. September 1996 - 1 C 9.94 - BVerwGE 102, 63 <69 f.>, jeweils bezogen auf die Maßstäbe für behördliche Ermessensentscheidungen nach § 114 Satz 1 VwGO), oder wenn es bei seiner Entscheidung von in Wahrheit nicht vorliegenden Tatsachen ausgeht (vgl. hierzu - ebenfalls bezogen auf § 114 Satz 1 VwGO - BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:170816U6C24.15.0] - DVBl 2017, 42 Rn. 33).

14

Ein derartiges Ermessensdefizit liegt hier vor. Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Ausübung seines Ermessens von der Annahme ausgegangen, der Kläger sei der beabsichtigten Vorgehensweise nicht entgegengetreten. Diese Annahme ist offensichtlich unzutreffend, weil der Kläger im Rahmen der Anhörung nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mitgeteilt hatte, es bestehe kein Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung. Zumindest sinngemäß hatte der Kläger damit nicht nur sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO verweigert, sondern auch einem - zum gleichen Ergebnis führenden - Verfahren des Gerichts nach § 130a Satz 1 VwGO widersprochen. Damit hat das Oberverwaltungsgericht einen maßgebenden Gesichtspunkt nicht in seine Entscheidung einbezogen. Widerspricht ein Beteiligter im Rahmen der Anhörung gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO der beabsichtigten Verfahrensweise, muss das Oberverwaltungsgericht diesen Umstand zur Kenntnis nehmen und bei der Ausübung seines Ermessens, ob es nach § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss entscheidet, in Erwägung ziehen.

15

Zwar hat das Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Vorgehensweise weiter ausgeführt, dass es nur noch über - in seiner Rechtsprechung und in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Übrigen bereits geklärte - Rechtsfragen entscheide und das Verfahren auch keine außerordentlich großen Schwierigkeiten oder mit Blick auf die bereits entschiedenen Fallkonstellationen noch nicht erörterte Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise, die einer Entscheidung durch Beschluss entgegenstehen könnten. Ebenso wenig sei - auch unter Berücksichtigung des umfangreichen Vortrags in der Berufungsbegründung ersichtlich, was die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Entscheidungsfindung noch beitragen könnte. Unabhängig davon, ob diese Erwägungen plausibel sind und das Absehen von der mündlichen Verhandlung rechtfertigen können, hätte das Oberverwaltungsgericht bei der Ausübung des Ermessens jedoch auch die Stellungnahme des Klägers zu dem beabsichtigten Verfahren beachten, gewichten und abwägen müssen. Denn der Umstand, dass der Kläger einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung widersprochen hat, macht das Verfahren nach § 130a VwGO zwar nicht fehlerhaft (BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 1997 - 2 B 117.97 - juris Rn. 1 m.w.N.). Wegen des Ausnahmecharakters des vereinfachten Verfahrens nach § 130a VwGO ist jedoch zu fordern, dass die Entscheidungsgründe zumindest erkennen lassen, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Umstand in seine Ermessenserwägungen eingestellt und ihn in der Abwägung mit den gegen die Erforderlichkeit einer Berufungsverhandlung sprechenden Gründen zurückgestellt hat. Diese Abwägung ist hier unterblieben.

16

b) Der hier vorliegende Fehler bei der Ausübung des dem Berufungsgericht eröffneten Verfahrensermessens führt auf den absoluten Revisionsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO). Darauf, ob der angefochtene Beschluss auch tatsächlich auf diesem Verfahrensfehler beruht, kommt es deswegen nicht an.

17

3. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO den angefochtenen Beschluss aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. Da die Grundsatzrüge des Klägers nicht durchgreift, macht der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch.

18

4. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Durch die Planfeststellung wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt.

(1a) Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 bleiben unberührt.

(2) Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sie sind dem Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Werden Vorkehrungen oder Anlagen im Sinne des Satzes 2 notwendig, weil nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auf einem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind, so hat die hierdurch entstehenden Kosten der Eigentümer des benachbarten Grundstücks zu tragen, es sei denn, dass die Veränderungen durch natürliche Ereignisse oder höhere Gewalt verursacht worden sind; Satz 4 ist nicht anzuwenden.

(3) Anträge, mit denen Ansprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder auf angemessene Entschädigung nach Absatz 2 Satz 2 und 4 geltend gemacht werden, sind schriftlich an die Planfeststellungsbehörde zu richten. Sie sind nur innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt zulässig, zu dem der Betroffene von den nachteiligen Wirkungen des dem unanfechtbar festgestellten Plan entsprechenden Vorhabens oder der Anlage Kenntnis erhalten hat; sie sind ausgeschlossen, wenn nach Herstellung des dem Plan entsprechenden Zustands 30 Jahre verstrichen sind.

(4) Wird mit der Durchführung des Plans nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen, so tritt er außer Kraft. Als Beginn der Durchführung des Plans gilt jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens; eine spätere Unterbrechung der Verwirklichung des Vorhabens berührt den Beginn der Durchführung nicht.

(1) Beamtinnen und Beamte können für Zwecke der Verteidigung auch ohne ihre Zustimmung zu einem anderen Dienstherrn abgeordnet oder zur Dienstleistung bei über- oder zwischenstaatlichen zivilen Dienststellen verpflichtet werden.

(2) Beamtinnen und Beamten können für Zwecke der Verteidigung auch Aufgaben übertragen werden, die nicht ihrem Amt oder ihrer Laufbahnbefähigung entsprechen, sofern ihnen die Übernahme nach ihrer Vor- und Ausbildung und im Hinblick auf die Ausnahmesituation zumutbar ist. Aufgaben einer Laufbahn mit geringeren Zugangsvoraussetzungen dürfen ihnen nur übertragen werden, wenn dies aus dienstlichen Gründen unabweisbar ist.

(3) Beamtinnen und Beamte haben bei der Erfüllung der ihnen für Zwecke der Verteidigung übertragenen Aufgaben Gefahren und Erschwernisse auf sich zu nehmen, soweit diese ihnen nach den Umständen und den persönlichen Verhältnissen zugemutet werden können.

(4) Beamtinnen und Beamte sind bei einer Verlegung ihrer Behörde oder Dienststelle auch in das Ausland zur Dienstleistung am neuen Dienstort verpflichtet.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Gründe

1

1. Der Kläger, ein Oberstudienrat im Dienst des Beklagten, begehrt die Verpflichtung des Beklagten, das bei ihm bestehende Krankheitsbild als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG bzw. als Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen. Der Kläger macht geltend, der bei ihm festgestellte Zustand nach Schadstoffbelastung mit Gleichgewichtsstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Ekzemen, Schwindelgefühlen, Sehkraftschwankungen, Ermüdbarkeit, Leistungsminderung, erheblichem Erschöpfungssyndrom und toxischer Polyneuropathie sei darauf zurückzuführen, dass er sich in der Zeit vom 7. bis 16. November 2005 mehrfach jeweils für 3 bis 10 Minuten in Klassenräumen aufgehalten habe, in denen die Raumluft wegen unsachgemäß verarbeiteter Silikonfugen beeinträchtigt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Zurückverweisung und Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers erneut mit der Begründung zurückgewiesen, es stehe nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit fest, dass die beim Aushärten der Silikonfugen in die Raumluft abgegebenen Schadstoffe beim Kläger einen dienstunfallrechtlich erheblichen Körperschaden verursacht hätten. Zwar hätten die in der Raumluft im Schulgebäude enthaltenen Schadstoffe die beim Kläger aufgetretenen Schleimhautirritationen und ggf. auch kurzfristige weitere Beschwerden wie Schwindel und Übelkeit verursacht, nicht jedoch die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen, unter denen er leide. Der Anerkennung als Berufskrankheit nach § 31 Abs. 3 BeamtVG stehe zum einen entgegen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Krankheitsbild des Klägers und der Schadstoffexposition nicht gegeben sei. Zum anderen zählten die beim Kläger festgestellten Erkrankungen nicht zu den Berufskrankheiten.

2

2. Die allein auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat keinen Erfolg.

3

a) Soweit der Kläger den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2011 unmittelbar angreift, mit dem es sein Ablehnungsgesuch gegen den vom Gericht bestellten Sachverständigen erneut abgelehnt hat, ist die Verfahrensrüge unzulässig (Beschluss vom 16. Februar 1988 - BVerwG 5 B 13.88 - Buchholz 303 § 548 ZPO Nr. 4). Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts könnte insoweit einer Überprüfung im Revisionsverfahren nicht unterzogen werden. Nach § 557 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts, wenn sie unanfechtbar sind. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Oberverwaltungsgericht nach § 98 VwGO i.V.m. § 406 ZPO die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt. Denn eine solche Vorentscheidung kann nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

4

b) Unbegründet ist die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es seinem Urteil lediglich das Gutachten und die mündlichen Erläuterungen des von ihm bestellten Gutachters zugrunde gelegt und kein weiteres Gutachten eingeholt hat.

5

In der Berufungsverhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Kläger nicht den Antrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt, seinen behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen zu hören oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Der dort von ihm hilfsweise gestellte Antrag, zu den entscheidungserheblichen medizinischen Fragestellungen ein weiteres Gutachten einzuholen, regt lediglich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO an.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet das Tatsachengericht über die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten nach seinem Ermessen (z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Das gilt auch dann, wenn eine solche Maßnahme der Sachverhaltsermittlung von einer der Parteien angeregt worden ist. Die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten und die mündlichen Erläuterungen durch den Gutachter in der mündlichen Verhandlung ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht ( vgl. u.a. Urteile vom 19. Dezember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> und vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N. sowie Beschluss vom 19. Februar 2007 - BVerwG 2 B 19.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49). Danach musste sich hier dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung eines weiteren Gutachtens nicht aufdrängen.

7

Das Gericht hat dem von ihm bestellten Gutachter die Stellungnahme des den Kläger behandelnden Arztes vom 2. Februar 2011 übermittelt und ihn aufgefordert, die dort angesprochenen Gesichtspunkte bei seiner Vorbereitung für die erneute Berufungsverhandlung zu berücksichtigen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Sachverständige bei der Erläuterung seiner Gutachten auch die von dem behandelnden Arzt diskutierten Aspekte erörtert. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung hatten die Vertreter der Beteiligten im Anschluss an die Darlegungen des Gutachters keine weiteren Fragen.

8

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu dem vom Kläger gegen den Sachverständigen gestellten Befangenheitsantrag geben keinen Anlass, an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln. Die Behauptung, der Sachverständige sei ein langjähriger Gegner des den Kläger behandelnden Arztes und habe diesem gegenüber eine negative Grundeinstellung, reicht hierfür nicht aus. Auch begründen die Behauptungen, vor mehr als zehn Jahren hätten mehr als 20 Personen Strafanzeigen gegen den Gutachter wegen Erstellung von Falschgutachten erstattet und es habe der Vorwurf im Raum gestanden, Gutachten seien "am Fließband" und ohne sachliche Beschäftigung mit dem Thema erstellt worden, keine Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, die die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 86 Abs. 1 VwGO hätten erforderlich erscheinen lassen.

9

Im Übrigen ist das Tatsachengericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung vorzunehmen, die eine anwaltlich vertretene Partei - entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts - nicht beantragt hat (z.B. Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4). Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der anwaltlich vertretene Kläger entsprechende Beweisanträge nicht gestellt. Gründe, aus denen sich hier die von der Beschwerde vermisste Beweiserhebung dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung - auf die es hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht ankommt - von sich aus hätten aufdrängen müssen, sind von der Beschwerde nicht vorgetragen.

10

c) Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO). Denn das Oberverwaltungsgericht hat die vom Kläger gegen die Gutachten des Sachverständigen erhobenen Einwände zur Kenntnis genommen. Die vom Kläger gegen das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 16. Dezember 2010 erhobenen Bedenken wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörtert und in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils eingehend gewürdigt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

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Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

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Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Beamtinnen und Beamte können für Zwecke der Verteidigung auch ohne ihre Zustimmung zu einem anderen Dienstherrn abgeordnet oder zur Dienstleistung bei über- oder zwischenstaatlichen zivilen Dienststellen verpflichtet werden.

(2) Beamtinnen und Beamten können für Zwecke der Verteidigung auch Aufgaben übertragen werden, die nicht ihrem Amt oder ihrer Laufbahnbefähigung entsprechen, sofern ihnen die Übernahme nach ihrer Vor- und Ausbildung und im Hinblick auf die Ausnahmesituation zumutbar ist. Aufgaben einer Laufbahn mit geringeren Zugangsvoraussetzungen dürfen ihnen nur übertragen werden, wenn dies aus dienstlichen Gründen unabweisbar ist.

(3) Beamtinnen und Beamte haben bei der Erfüllung der ihnen für Zwecke der Verteidigung übertragenen Aufgaben Gefahren und Erschwernisse auf sich zu nehmen, soweit diese ihnen nach den Umständen und den persönlichen Verhältnissen zugemutet werden können.

(4) Beamtinnen und Beamte sind bei einer Verlegung ihrer Behörde oder Dienststelle auch in das Ausland zur Dienstleistung am neuen Dienstort verpflichtet.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Gründe

1

1. Der Kläger, ein Oberstudienrat im Dienst des Beklagten, begehrt die Verpflichtung des Beklagten, das bei ihm bestehende Krankheitsbild als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 1 BeamtVG bzw. als Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG anzuerkennen. Der Kläger macht geltend, der bei ihm festgestellte Zustand nach Schadstoffbelastung mit Gleichgewichtsstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Ekzemen, Schwindelgefühlen, Sehkraftschwankungen, Ermüdbarkeit, Leistungsminderung, erheblichem Erschöpfungssyndrom und toxischer Polyneuropathie sei darauf zurückzuführen, dass er sich in der Zeit vom 7. bis 16. November 2005 mehrfach jeweils für 3 bis 10 Minuten in Klassenräumen aufgehalten habe, in denen die Raumluft wegen unsachgemäß verarbeiteter Silikonfugen beeinträchtigt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Zurückverweisung und Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Klägers erneut mit der Begründung zurückgewiesen, es stehe nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit fest, dass die beim Aushärten der Silikonfugen in die Raumluft abgegebenen Schadstoffe beim Kläger einen dienstunfallrechtlich erheblichen Körperschaden verursacht hätten. Zwar hätten die in der Raumluft im Schulgebäude enthaltenen Schadstoffe die beim Kläger aufgetretenen Schleimhautirritationen und ggf. auch kurzfristige weitere Beschwerden wie Schwindel und Übelkeit verursacht, nicht jedoch die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen, unter denen er leide. Der Anerkennung als Berufskrankheit nach § 31 Abs. 3 BeamtVG stehe zum einen entgegen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Krankheitsbild des Klägers und der Schadstoffexposition nicht gegeben sei. Zum anderen zählten die beim Kläger festgestellten Erkrankungen nicht zu den Berufskrankheiten.

2

2. Die allein auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat keinen Erfolg.

3

a) Soweit der Kläger den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2011 unmittelbar angreift, mit dem es sein Ablehnungsgesuch gegen den vom Gericht bestellten Sachverständigen erneut abgelehnt hat, ist die Verfahrensrüge unzulässig (Beschluss vom 16. Februar 1988 - BVerwG 5 B 13.88 - Buchholz 303 § 548 ZPO Nr. 4). Denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts könnte insoweit einer Überprüfung im Revisionsverfahren nicht unterzogen werden. Nach § 557 Abs. 2 ZPO, der nach § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts, wenn sie unanfechtbar sind. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Oberverwaltungsgericht nach § 98 VwGO i.V.m. § 406 ZPO die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt. Denn eine solche Vorentscheidung kann nach § 152 Abs. 1 VwGO nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

4

b) Unbegründet ist die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es seinem Urteil lediglich das Gutachten und die mündlichen Erläuterungen des von ihm bestellten Gutachters zugrunde gelegt und kein weiteres Gutachten eingeholt hat.

5

In der Berufungsverhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Kläger nicht den Antrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt, seinen behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen zu hören oder ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Der dort von ihm hilfsweise gestellte Antrag, zu den entscheidungserheblichen medizinischen Fragestellungen ein weiteres Gutachten einzuholen, regt lediglich eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO an.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet das Tatsachengericht über die Einholung eines weiteren Gutachtens oder die Ergänzung vorhandener Gutachten nach seinem Ermessen (z.B. Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31; Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Das gilt auch dann, wenn eine solche Maßnahme der Sachverhaltsermittlung von einer der Parteien angeregt worden ist. Die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Das ist wiederum nur dann der Fall, wenn die vorliegenden Gutachten und die mündlichen Erläuterungen durch den Gutachter in der mündlichen Verhandlung ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die dem Gericht vorliegenden Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht ( vgl. u.a. Urteile vom 19. Dezember 1968 - BVerwG 8 C 29.67 - BVerwGE 31, 149 <156> und vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N. sowie Beschluss vom 19. Februar 2007 - BVerwG 2 B 19.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 49). Danach musste sich hier dem Oberverwaltungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch Einholung eines weiteren Gutachtens nicht aufdrängen.

7

Das Gericht hat dem von ihm bestellten Gutachter die Stellungnahme des den Kläger behandelnden Arztes vom 2. Februar 2011 übermittelt und ihn aufgefordert, die dort angesprochenen Gesichtspunkte bei seiner Vorbereitung für die erneute Berufungsverhandlung zu berücksichtigen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2011 hat der Sachverständige bei der Erläuterung seiner Gutachten auch die von dem behandelnden Arzt diskutierten Aspekte erörtert. Nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung hatten die Vertreter der Beteiligten im Anschluss an die Darlegungen des Gutachters keine weiteren Fragen.

8

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu dem vom Kläger gegen den Sachverständigen gestellten Befangenheitsantrag geben keinen Anlass, an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln. Die Behauptung, der Sachverständige sei ein langjähriger Gegner des den Kläger behandelnden Arztes und habe diesem gegenüber eine negative Grundeinstellung, reicht hierfür nicht aus. Auch begründen die Behauptungen, vor mehr als zehn Jahren hätten mehr als 20 Personen Strafanzeigen gegen den Gutachter wegen Erstellung von Falschgutachten erstattet und es habe der Vorwurf im Raum gestanden, Gutachten seien "am Fließband" und ohne sachliche Beschäftigung mit dem Thema erstellt worden, keine Zweifel an der Sachkunde des Gutachters, die die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 86 Abs. 1 VwGO hätten erforderlich erscheinen lassen.

9

Im Übrigen ist das Tatsachengericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz seiner Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung vorzunehmen, die eine anwaltlich vertretene Partei - entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts - nicht beantragt hat (z.B. Urteil vom 22. Februar 1996 - BVerwG 2 C 12.94 - Buchholz 237.6 § 86 NdsLBG Nr. 4). Nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der anwaltlich vertretene Kläger entsprechende Beweisanträge nicht gestellt. Gründe, aus denen sich hier die von der Beschwerde vermisste Beweiserhebung dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung - auf die es hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aufklärungspflicht ankommt - von sich aus hätten aufdrängen müssen, sind von der Beschwerde nicht vorgetragen.

10

c) Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO). Denn das Oberverwaltungsgericht hat die vom Kläger gegen die Gutachten des Sachverständigen erhobenen Einwände zur Kenntnis genommen. Die vom Kläger gegen das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 16. Dezember 2010 erhobenen Bedenken wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörtert und in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils eingehend gewürdigt.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

(1) Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, setzt das Gericht dem Sachverständigen eine Frist, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.

(2) Versäumt ein zur Erstattung des Gutachtens verpflichteter Sachverständiger die Frist, so soll gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt werden. Das Ordnungsgeld muss vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden. Im Falle wiederholter Fristversäumnis kann das Ordnungsgeld in der gleichen Weise noch einmal festgesetzt werden. Das einzelne Ordnungsgeld darf 3 000 Euro nicht übersteigen. § 409 Abs. 2 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit er das schriftliche Gutachten erläutere. Das Gericht kann auch eine schriftliche Erläuterung oder Ergänzung des Gutachtens anordnen.

(4) Die Parteien haben dem Gericht innerhalb eines angemessenen Zeitraums ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Das Gericht kann ihnen hierfür eine Frist setzen; § 296 Abs. 1, 4 gilt entsprechend.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass die angefochtene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

a) Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil der Verwaltungsgerichtshof, nachdem er die Beteiligten hierzu angehört hat, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung im vereinfachten Verfahren gemäß § 130a VwGO entschieden hat.

4

Ob ein Berufungsgericht den ihm gemäß § 130a VwGO eröffneten Weg einer Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das grundsätzlich nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist; dabei ist insbesondere die Schwierigkeit der Sache ein im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigender wesentlicher Gesichtspunkt (stRspr, vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 - BVerwG 6 C 28.03 - BVerwGE 121, 211 <213 f.> = Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 52 f. und Beschluss vom 27. Januar 2011 - BVerwG 3 B 63.10 - NJW 2011, 1830 Rn. 8). Hiernach erweist sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO nicht als sachfremd oder grob fehlerhaft, insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Streitfall einen außergewöhnlichen Schwierigkeitsgrad aufwies. Dass der Kläger einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich.

5

Der Verwaltungsgerichtshof war - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht deshalb an einem Vorgehen gemäß § 130a VwGO gehindert, weil er die Frage der Verjährung der streitgegenständlichen Straßenbeitragsforderung ohne erneute Anhörung der vom Verwaltungsgericht zur Frage der Abnahme der Baumaßnahme gehörten Zeugen beurteilt hat, und zwar mit gegenteiligem Ergebnis als das Verwaltungsgericht. Darin liegt insbesondere kein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO).

6

Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 6. Januar 2011 - BVerwG 4 B 51.10- juris Rn. 16; Geiger, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 96 Rn. 8). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch die Glaubwürdigkeit der Zeugen angezweifelt, sondern ist von der im erstinstanzlichen Urteil niedergelegten Tatsachengrundlage ausgegangen, namentlich von den vom Verwaltungsgericht im Ortstermin vom 7. November 2008 protokollierten Feststellungen und Bekundungen sowie von den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2008 vernommenen (sachverständigen) Zeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber dahin erkannt, dass diese Tatsachenfeststellungen nicht die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schlussfolgerung tragen. Er hat bei gleicher Tatsachengrundlage diese lediglich rechtlich anders beurteilt.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat entscheidungstragend angenommen, dass die Beitragsforderung der Beklagten bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht verjährt war. Die streitgegenständliche Straße sei nicht bereits im Dezember 2001 fertiggestellt gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die im Dezember 2001 erfolgte Begehung der Baustelle noch keine förmliche Abnahme im Rechtsinne gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies eingehend und u.a. damit begründet (BA S. 10 ff.), dass es bereits an den entsprechenden formellen Voraussetzungen fehle, namentlich an einem schriftlichen Abnahmebefund, dass die bei der erwähnten Begehung besprochenen Punkte (u.a. betreffend die noch ausstehenden Arbeiten am Straßenbegleitgrün) im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2002 erledigt und im Wesentlichen durch Rechnung des Bauunternehmers vom 30. August 2002 besonders berechnet worden seien. Dieses Ergebnis sei - ungeachtet von Unterschieden im Detail - auch von den vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen bestätigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Baumaßnahme schon abgeschlossen sein sollte und die im Dezember 2001 übersandte Rechnung des Bauunternehmers bereits die Schlussrechnung darstellen sollte, ergäben sich aus keiner der Aussagen; vielmehr hätten die Zeugen übereinstimmend bekundet, dass diese Rechnung wegen der zum Jahresende anstehenden Währungsumstellung von DM auf Euro erteilt worden sei. Der maßgebliche Unterschied zwischen den Entscheidungen von Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof liegt - bei gleicher Tatsachengrundlage - mithin darin, dass Letzterer die Begehung der Baustelle im Dezember 2001 rechtlich als bloße Teilabnahme gewertet hat, weil das, was bei dieser Begehung als für eine vollständige Fertigstellung gemäß Bauprogramm noch fehlend festgestellt wurde, nicht abgenommen sein könne. Diese allein in rechtlicher Hinsicht abweichende Beurteilung der Zeugenaussagen und der vorliegenden Rechnungen durch den Verwaltungsgerichtshof liegt - noch - innerhalb der nach den dargestellten Maßstäben einem Berufungsgericht gezogenen verfahrensrechtlichen Grenzen. Daher liegt in der fehlenden Vernehmung der von der Beschwerde genannten Zeugen durch den Verwaltungsgerichtshof auch keine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO).

8

b) Ein Verfahrensfehler durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.

9

aa) Da der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung zur Frage der Verjährung den Beteiligten bereits im Beschluss vom 18. August 2009 über die Zulassung der Berufung dargelegt hat, stellt die Berufungsentscheidung auch unter dem Gesichtspunkt des Verbots einer Überraschungsentscheidung keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör dar (vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - NJW 2003, 2524).

10

bb) Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in beigezogene bzw. noch beizuziehende Verwaltungs- und Gerichtsakten nicht entsprochen hätte. Dieser Vorwurf ist nach Aktenlage unzutreffend. Nachdem sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestellt und mit Schriftsatz vom 15. Februar 2011 um Zurverfügungstellung näher bezeichneter Unterlagen gebeten hatte, sind ihm im Parallelverfahren 5 A 2499/09 auf richterliche Anordnung vom 16. Februar 2011 unter demselben Datum sämtliche zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge und eine weitere Gerichtsakte übersandt worden; gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass der Senat für eine Beiziehung weiterer Unterlagen derzeit keinen Anlass sehe. Selbst wenn hiernach der Umfang der Aktenüberlassung bzw. -beiziehung dem Wunsch des Klägers nicht vollständig entsprach, wäre es Sache des Klägers gewesen, substantiiert darzutun, dass und warum er die Beiziehung weiterer Unterlagen für erforderlich hielt, und dies beim Verwaltungsgerichtshof einzufordern. Dies hat der Kläger indes nicht getan; weder bei der Rückübersendung der übersandten Akten (Schriftsatz vom 17. März 2011) noch in dem weiteren Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof vom 29. April 2011 ist er hierauf zurückgekommen. Ein Gehörsverstoß bzw. eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts nach § 100 VwGO liegt nicht vor, wenn der Betroffene es im vorinstanzlichen Verfahren selbst in der Hand hatte, den nunmehr behaupteten Verfahrensmangel zu vermeiden.

11

cc) Der wesentliche Gehalt der klägerischen Ausführungen im Schriftsatz vom 29. April 2011 zu weiteren Einwänden gegen die Beitragserhebung, ist im angefochtenen Beschluss unter I. der Gründe (BA ab S. 4 unten) aufgeführt, vom Verwaltungsgerichtshof also zur Kenntnis genommen und unter II. der Gründe beschieden worden, soweit der Verwaltungsgerichtshof sie für entscheidungserheblich gehalten hat. Eine weitergehende Befassung mit Einzelaspekten der Grundstücke der zur Beitragszahlung herangezogenen Straßenanlieger hat er aufgrund seiner rechtlichen Beurteilung nicht für erforderlich gehalten. Auch insoweit ist für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts ersichtlich. Denn dieser verpflichtet ein Gericht nicht, in der zu treffenden Entscheidung auf jedwedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich einzugehen und dieses im Einzelnen zu bescheiden, namentlich wenn es das Vorbringen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen durfte (stRspr, vgl. etwa die Beschlüsse vom 22. Mai 2006 - BVerwG 10 B 9.06 - NJW 2006, 2648 <2650> und vom 23. Juni 2008 - BVerwG 9 VR 13.08 - NVwZ 2008, 1027 <1028>, jeweils m.w.N.).

12

dd) Entgegen der Ansicht der Beschwerde war der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu weiteren rechtlichen Hinweisen (§ 86 Abs. 3 VwGO) an den Kläger verpflichtet. Angesichts der rechtlichen Ausführungen im Beschluss über die Zulassung der Berufung vom 18. August 2009 und im Vergleichsvorschlag des Berichterstatters vom 29. November 2010, ferner angesichts des Anhörungsschreibens gemäß § 130a VwGO vom 28. März 2011 sowie der Mitteilung vom 2. Mai 2011, dass auch in Ansehung des klägerischen Schriftsatzes vom 29. April 2011 an der Absicht festgehalten werde, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, bestand für weitere Hinweise kein Anlass.

13

2. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

14

Insoweit genügt das Beschwerdevorbringen trotz seines Umfangs nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil es sich in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels in Angriffen gegen die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Streitfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erschöpft, ohne bestimmte, höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu formulieren (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dafür genügt nicht der bloße Hinweis, dass "die Frage der Verjährung und der Verwirkung sowie die Kompensation, Treu und Glauben und Unbilligkeit (...) straßenbeitragsrechtlich nicht ausreichend durch die Rechtsprechung geklärt" seien, was durch die Ausführungen der Beschwerde verdeutlicht werde (Beschwerdebegründung S. 32 unten). Einer Befassung mit den genannten Fragen in einem Revisionsverfahren steht im Übrigen entgegen, dass sie nicht revisibles Recht betreffen, weil sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Straßenbeitragsbescheids nach hessischem Landesrecht (§ 11 HessKAG) richtet. Dies gilt auch für die durch den Rechtsanwendungsbefehl in § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b HessKAG in Bezug genommenen Verjährungsvorschriften der Abgabenordnung sowie für die in Ergänzung des Landesrechts angewandten allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben und der Verwirkung; sie alle werden dadurch Teil des irrevisiblen Landesrechts (stRspr, vgl. Urteil vom 19. März 2009 - BVerwG 9 C 10.08 - Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 135 S. 8 und Beschluss vom 1. April 2004 - BVerwG 4 B 17.04 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21 S. 6). Sie können daher nicht Maßstab revisionsgerichtlicher Prüfung sein (§ 137 Abs. 1 VwGO).

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch.

2

Ihre Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf entsprechende Behauptungen der Klägerin das Landesjustizprüfungsamt am 7. Juli 2016 unter Bezug auf eine Zeugenaussage in einem Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes aufgefordert mitzuteilen, in welchem Zeitraum die in verschiedenen Unterlagen erwähnte "Sonderarbeitsgemeinschaft/Zusatzunterricht" von Herrn M. stattgefunden habe, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe. Hierauf hat der Beklagte mitgeteilt, durch eine Anzeige von Referendaren an das Landesjustizprüfungsamt sei im Juli 2010 bekannt geworden, dass der Prüfer M. damals einige Zusatzunterricht-Veranstaltungen mit einigen wenigen Referendaren durchgeführt habe. Herr M. sei zu diesem Zeitpunkt Prüfer und Leiter einer Arbeitsgemeinschaft für die dritte Pflichtstation gewesen. Das Landesjustizprüfungsamt habe hinsichtlich des Einsatzes als Prüfer sofort reagiert und Herrn M. im Rahmen eines Gesprächs zu dem Sachverhalt befragt. Dabei sei festgestellt worden, dass der Prüfer nur allgemein für die Ausbildung bestimmte Klausuren für die Arbeitsgemeinschaft und den Zusatzunterricht verwendet und keinen Zugang zu anderen Materialien gehabt habe. Vorsorglich sei er aber zunächst von der weiteren Durchführung von Prüfungen ausgenommen und erst ab Januar 2011 wieder als Prüfer in der ersten Prüfung und ab Oktober 2011 wieder als Prüfer für das zweite Staatsexamen eingesetzt worden.

3

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin beantragt, über die Behauptung der Tatsache, dass der Prüfer M. in dem Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 1. Juli 2013 Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften mit einigen Referendarinnen und Referendaren durchgeführt habe, diesen Zusatzunterricht nicht allen Referendarinnen und Referendaren angeboten habe, die sich in dem genannten Zeitraum in der Ausbildung zur Abnahme der großen juristischen Staatsprüfung befanden, und in diesem Zusatzunterricht Wissen vermittelt habe, das über das in den von ihm geführten Arbeitsgemeinschaften der dritten Pflichtstation vermittelte Wissen hinausging oder dieses vertiefte, Beweis durch Vernehmung des Herrn M. zu erheben. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. In den Gründen des die Berufung der Klägerin zurückweisenden Urteils vom 14. Juli 2016 hat es dazu ausgeführt, die Klägerin habe keine plausiblen Anhaltspunkte für die Behauptung benannt, Herr M. sei ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden. Derartiges lasse sich auch nicht den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde.

II

4

Die auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln gestützte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerin macht mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies führt gemäß § 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht.

5

1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das Oberverwaltungsgericht hat dadurch, dass es den Antrag auf Einvernahme von Herrn M. zu dem als erheblich erachteten Beweisthema "Zusatzunterricht/Sonderarbeitsgemeinschaften" als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bewertet und abgelehnt hat, § 86 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 StPO (analog) verletzt.

6

a) Bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteile vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>; stRspr).

7

b) Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag, der als unzulässig abgelehnt werden kann, liegt nur in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2000 - 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60, vom 30. Januar 2002 - 1 B 326.01 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 und vom 22. Oktober 2014 - 8 B 99.13 [ECLI:DE:BVerwG:2014:221014B8B99.13.0] - juris Rn. 40; stRspr). Eine Behauptung kann nicht schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Einer Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

8

An diesem Maßstab gemessen findet die Ablehnung des o.g. Beweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Prozessrecht keine Stütze. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - als selbständige Rüge geltend gemacht, der Grundsatz der Chancengleichheit sei bereits in der Ausbildung verletzt worden, da eine von Herrn M., Erstgutachter der von ihr verfassten VA-Klausur, durchgeführte Sonderarbeitsgemeinschaft nicht allen Referendaren offengestanden habe. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Vortrag nach seinem materiellrechtlichen Ansatz unter dem Aspekt einer selbständigen Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit als erheblich angesehen. Das ergibt sich daraus, dass es diesem Vortrag der Klägerin durch eine an den Beklagten gerichtete Aufklärungsverfügung der Berichterstatterin vom 7. Juli 2016 (GA Bl. 674) nachgegangen ist. Zudem hat es den Beweisantrag der Klägerin nicht als unerheblich, sondern als bloßen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Schließlich hat es diesen Themenkomplex in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils getrennt von der seitens der Klägerin in den Raum gestellten Möglichkeit der Informationsverschaffung über Prüfungsaufgaben abgehandelt (UA S. 15 f.: "Zum anderen ..."). Das detailarme Schreiben des Beklagten vom 11. Juli 2016 (GA Bl. 679 f.) hatte den Vortrag der Klägerin jedoch nicht in einer Weise entkräftet, dass die Beweisbehauptung der Klägerin nunmehr als unsubstantiiert anzusehen wäre. Denn zu den nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für den hier vorliegenden Fall relevanten Fragen, in welchem Zeitraum der Zusatzunterricht stattgefunden habe, womit der für die Ausbildung der Klägerin maßgebliche Zeitraum von Dezember 2012 bis Juli 2013 im Fokus stand, wie es dazu gekommen sei und welchen Inhalt der Zusatzunterricht gehabt habe, verhält sich die Einlassung des Beklagten in dem Schreiben vom 11. Juli 2016 nicht. Damit hat der Beklagte nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass Herr M. ab Dezember 2012 in vergleichbarer Weise wie im Sommer 2010 tätig geworden ist und Zusatzunterricht nur für einige Referendare erteilt hat.

9

c) Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Entscheidungsausspruch beurteilt sich aus der Perspektive des Berufungsgerichts; dabei reicht die Möglichkeit aus, dass ohne den Verfahrensmangel anders entschieden worden wäre (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 41 ff. m.w.N.).

10

Das Oberverwaltungsgericht hat den Maßstab für einen "generelle[n] Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit" (UA S. 11 ff.) fallbezogen dahingehend konkretisiert, dass es nicht nur entscheidungserheblich darauf ankommt, ob einzelne Prüfungsteilnehmer "in vorwerfbarer Weise Kenntnis von den Prüfungsaufgaben erlangt" haben (UA S. 11). Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen (UA S. 15 f.) lassen vielmehr erkennen, dass es nach seinem materiellrechtlichen Ansatz eine Verletzung des prüfungsrechtlichen Grundsatzes der Chancengleichheit grundsätzlich auch durch eine unterschiedlich intensive Wissensvermittlung in der Ausbildung für möglich erachtet, jedenfalls wenn Prüfer als Ausbilder fungiert haben. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, woran der beschließende Senat erhebliche Zweifel hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1984 - 7 B 169.83 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 189; VGH München, Urteil vom 16. Mai 2012 - 7 B 11.2645 - juris), ist für das Beruhenserfordernis ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ist auf die materiellrechtliche Rechtsauffassung der Vorinstanz abzustellen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte.

11

2. Liegen damit die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, kann das Bundesverwaltungsgericht nach § 133 Abs. 6 VwGO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

12

3. Die Entscheidung über die Kosten ist der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 - M 8 K 13.1911, M 8 K 13.1912, M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3412 und M 8 K 13.3413 - wird aufgehoben und die Streitsache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.

II.

Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung vorbehalten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung von Negativattesten nach der Wohnraumzweckentfremdungssatzung (ZeS) der Beklagten.

1. Die Klägerin ist Eigentümerin der Wohnungen ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts, Wohnung Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und im Anwesen ...-straße ... der Wohnungen im 3. Obergeschoss Nr. 9 (M 8 K 13.1912), im 6. Obergeschoss Nr. 32 (M 8 K 13.3411), im 4. Obergeschoss Nr. 16 (M 8 K 13.3412) sowie im 3. Obergeschoss Nr. 8 (M 8 K 13.3413). Die genannten Wohnungen sind zum Teil ganz zur ...-straße hin situiert (M 8 K 13.1912 u. M 8 K 13.3412), im Übrigen verfügen sie über Räume zur ...-straße sowie zur Hofseite hin (M 8 K 13.3411, M 8 K 13.3413 u. M 8 K 13.1911).

2. Für die Wohnung ...-straße ... im 3. Obergeschoss (Nr. 9) wurde zusammen mit der Wohnung Nr. 19 im Anwesen ...-straße ... am 17. August 2010 ein Antrag auf Erteilung von entsprechenden Negativattesten mit der Begründung der Unvermietbarkeit der Wohnungen gestellt. Mit Schriftsatz vom 5. März 2013 erhoben die Be[9] [8] vollmächtigten der Klägerin Untätigkeitsklage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss links, Nr. 9, das am 17. August 2010 beantragte Negativattest zu erteilen (M 8 K 13.951).

3. Mit Bescheid vom 19. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag vom 17. August 2010 auf Erteilung eines Negativattests wegen Unvermietbarkeit der Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links (Wohneinheit Nr. 9) und wegen Unbewohnbarkeit ab (Ziff. I). Weiterhin wurde der Klägerin aufgegeben, die Überlassung der Wohnung zu gewerblichen Zwecken an die „089-Bar- und Lounge-GmbH“ unverzüglich zu beenden (Ziff. II), die Wohnung unverzüglich nach Beendigung der zweckfremden Nutzung wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziff. III); für den Fall der Nichtbefolgung der Ziffern II und III wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,-- Euro (Ziff. IV u. V) angedroht.

Ein weiterer Antrag vom 15. Januar 2013 auf Erteilung eines Negativattests für die Wohnung im Gebäude ...-straße ... im 4. Obergeschoss rechts (Nr. 19) wurde mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 ebenfalls abgelehnt.

Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 25. Juli 2013 wurden auch die Anträge der Klägerin auf Erteilung von Negativattesten für die Wohnung ...-straße ... im 6. Obergeschoss Mitte links Nr. 32, vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3411) für die Wohnung ...-straße ... im 4. Obergeschoss Nr. 16, vom 15. Januar 2013 (M 8 K 13.3412) für die Wohnung im 4. Obergeschoss Nr. 16 und für die Wohnung im 3. Obergeschoss der ...-straße ... Nr. 8 vom 20. Februar 2013 (M 8 K 13.3413) abgelehnt.

4. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin gegen den Bescheid vom 19. April 2013 (M 8 K 13.1912) Klage und beantragten, die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 3. Obergeschoss Mitte links Nr. 9, ein Negativattest zu erteilen und den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin ferner Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 betreffend die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 (M 8 K 13.1911) und beantragten, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 19 ein Negativattest zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund der Ansiedlung einer Reihe von Vergnügungs- und Amüsierbetrieben sei es im genannten Bereich ...-straße ... und ... nicht nur zur erheblichen Verwahrlosungstendenzen und Lärmproblemen, sondern insbesondere auch zu massiven Sicherheitsproblemen - insbesondere nachts - gekommen. Die in einem faktischen Kerngebiet gelegenen Wohnungen seien zu einem angemessenen Preis nicht mehr vermietbar.

Mit weiteren Schriftsätzen vom 5. August 2013 erhoben die Bevollmächtigen der Klägerin auch gegen die Bescheide vom 25. Juli 2013 - M 8 K 13.3411, Wohnung ...-straße ..., 6. Obergeschoss Nr. 32, M 8 K 13.3412, Wohnung ...-straße ..., 4. Obergeschoss Nr. 16 und M 8 K 13.3413, ...-straße ..., 3. Obergeschoss Nr. 8 - Klage mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, auch insoweit Negativatteste zu erteilen.

5. Nachdem das Verfahren M 8 K 13.951 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt wurde, gab das Verwaltungsgericht den erhobenen Klagen nach vorheriger Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung mit Urteil vom 19. Mai 2014 statt. Die Klägerin habe Anspruch auf Erteilung der begehrten Negativatteste gemäß § 10 der Zweckentfremdungssatzung der Landeshauptstadt München (ZeS) vom 30. Dezember 2013 (MüABl S. 550), die auf der Grundlage des Zweckentfremdungsgesetzes (ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl S. 864), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. März 2013 (in Kraft getreten am 30.6.2013), erlassen worden sei.

Die Beklagte habe von der in Art. 2 ZwEWG enthaltenen Ermächtigung, nach der Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf, Gebrauch gemacht und in § 3 Abs. 1 ZeS festgelegt, dass Wohnraum im Sinne dieser Satzung sämtliche Räume seien, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt seien. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS liege Wohnraum indes dann nicht vor, wenn eine Wohnungsnutzung baurechtlich nicht zulässig und auch nicht genehmigungsfähig sei.

Vorliegend beurteile sich die baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB). Die prägende nähere Umgebung der streitgegenständlichen Räume entspreche einem faktischen Kerngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Neben zahlreichen gewerblichen und freiberuflichen Nutzungen fänden sich ein Konsulat und vor allem Einrichtungen der Wirtschaft mit überregionaler Bedeutung in einer nur für den Kernbereich einer Großstadt typischen Häufung. Das gleiche gelte für die hohe Anzahl an Vergnügungsstätten in Form von Discotheken und Nachtlokalen. Die Prägung des Gebiets durch die genannten Einrichtungen und Betriebe werde durch die noch vorhandene Wohnnutzung nicht relativiert. Diese sei nur noch marginal vorhanden. Selbst die Beklagte gehe von einem Anteil von lediglich 9% aus.

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO seien Wohnungen nur nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans allgemein zulässig mit der Folge, dass es eine allgemeine Zulässigkeit einer Wohnnutzung im faktischen Kerngebiet nicht geben könne. Eine planungsrechtliche Zulässigkeit komme daher nur nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift könnten Wohnungen ausnahmsweise zugelassen werden. Für die hier maßgebliche Zulässigkeit im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei es nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ausreichend, dass - unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 BauNVO - eine Ausnahme nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden könne.

Allerdings sei Letzteres vorliegend nicht der Fall. Bei der Frage nach der ausnahmsweisen Zulassungsfähigkeit einer Wohnnutzung im Kerngebiet müsse - ähnlich wie bei Festsetzungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO - auf die Kompatibilität mit den Nutzungen der Umgebung abgestellt werden. Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen (nur) ausnahmsweise zulasse, komme § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO besondere Bedeutung zu. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO seien die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen (auch) dann unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt würden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien.

So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Einschränkung der Zumutbarkeit „nach der Eigenart des Gebiets“, so dass für eine Wohnnutzung im Kerngebiet andere Zumutbarkeitskriterien anzusetzen seien als etwa in Wohn- oder auch Mischgebieten. Dennoch könne eine ausnahmsweise Zulassung in unmittelbarer Nähe zu einer Ansammlung von hochgradig störungsintensiven Vergnügungsstätten keinen Bestand haben. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem auch die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt. Die im Umfeld der streitgegenständlichen Räume beklagten Belästigungen und Störungen - nicht nur in Form von Lärm, sondern auch massiver Verschmutzung, erhöhter Kriminalität und einer entsprechenden Drogenszene - seien insoweit typisch und würden letztlich auch von der Beklagten nicht bestritten. Eine Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen könne deshalb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden, weshalb im Sinne des Zweckentfremdungsrechts kein Wohnraum (mehr) vorliege (§ 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS). Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen Bestandsschutz genieße. Diese verfassungsrechtliche Abschirmung habe bei der zweckentfremdungsrechtlichen Würdigung außer Betracht zu bleiben.

6. Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, weil es seinen Rechtsausführungen unzutreffende Tatsachen zugrunde lege und gegen den Grundsatz der Amtsermittlung (§ 86 VwGO) verstoße, indem es sich allein auf das Vorbringen der Klägerin und die von ihr vorgelegten Presseauszüge stütze, ohne eigene Ermittlungen anzustellen. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, einen Augenschein zur Abend- und Nachtzeit durchzuführen und den Parteivortrag der Klägerin durch Einvernahme von Vertreterinnen und Vertretern sachkundiger Behörden zu überprüfen. Vor allem habe sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit von Ermittlungen bei der örtlich zuständigen Sicherheits- und Ordnungsbehörde, dem Kreisverwaltungsreferat der Beklagten, aufdrängen müssen. Im Hinblick auf die für die Entscheidungsfindung erkennbar gewichtige Lärmsituation vor Ort, wären zudem auch Ermittlungen des Verwaltungsgerichts bei der hierfür zuständigen Dienststelle, dem Referat für Gesundheit und Umwelt, angezeigt gewesen. Hieraus resultiere eine fehlerhafte Bewertung des Konflikt- und Störungspotenzials am betroffenen Standort. So sei beispielsweise in der ersten Quartalsauswertung 2014 ein Rückgang der Gesamtdelikte von 201 auf 174 zu verzeichnen. Die Rauschgiftdelikte seien zwar von 46 auf 66 Delikte angestiegen; eine Drogenszene sei nach Einschätzung der Polizei aber in keiner Weise gegeben. Auch im Rahmen nächtlicher Jugendschutzkontrollen sei der Bereich in und um die ...-straße nicht auffällig in Erscheinung getreten. Eine ausufernde Lautstärke habe bisher nicht festgestellt werden können. Die Lärmbelästigung vor Ort liege gemäß den Grundlagendaten für den Lärmaktionsplan 2012 nachts niedriger als am Tage (...-straße ...: Peg-Lden 35,9 - 48,6 dB (A) u. Peg-Ln 26,7 - 39,4 dB (A); ...-straße ...: Peg-Lden 38,1 - 52,4 dB (A) u. Peg-Ln 29,0 - 43,1 dB (A)). Eine Erteilung von Negativattesten komme danach nicht in Betracht. Ungeachtet dessen sei eine Unvermietbarkeit der Wohnungen nach wie vor nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Mai 2014 aufzuheben und das Verfahren zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Antrag der Beklagten, die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, abzulehnen und die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Wohnnutzungen korrekt am Maßstab des § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 BauNVO gemessen und zu Recht festgestellt, dass sich deren Unzulässigkeit aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebe. Dass in einem Bereich, in dem auf engem Raum mehr als ein Dutzend Discos und Amüsierbetriebe angesiedelt seien, die Nachtruhe durch die typischen Begleiterscheinungen wie Lärm durch Discobesucher, Parksuchverkehr, lautstarke Streitigkeiten auf öffentlichem Verkehrsgrund, Polizeieinsätze usw. permanent empfindlich gestört werde, ergebe sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Die Behauptung der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, sei deshalb abwegig. Vielmehr liefere die Beklagte, gestützt auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, selbst die Argumente für die Unbewohnbarkeit der in diesem Bereich liegenden Immobilien. Einzelne Momentaufnahmen durch irgendwelche Messergebnisse führten nicht weiter. Auch ein einzelner Ortstermin am Abend, wie von der Beklagten vermisst, könne keine Klarheit schaffen. Um überhaupt ein belastbares Ergebnis zu erhalten, müsse über einen mehrwöchigen Zeitraum täglich und vor allem bei unterschiedlichen Witterungslagen gemessen werden. Eine Wohnung in einem Umfeld wie dem vorliegenden zu einem angemessenen Preis zu vermieten, sei nahezu unmöglich und bedürfe keiner weiteren Beweisführung. Mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren bestehe kein Einverständnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Verfahrensbeteiligten in entsprechender Anwendung des § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12 und § 130 Rn. 16) über die Berufung der Beklagten. Die Streitsache wird gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 VwGO zur anderweitigen Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurückverwiesen, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach der übereinstimmenden Auffassung aller Mitglieder des Senats an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgrund dessen eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig ist und die Beklagte die Zurückverweisung beantragt hat. Ferner hat das Verwaltungsgericht mittels der Annahme, im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO komme es lediglich auf eine typisierende Betrachtung an, zugleich die Weichen seiner Entscheidung falsch gestellt und damit im Ergebnis nicht zur Sache selbst entschieden. Damit liegen auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vor (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

2. Das Verwaltungsgericht ist unter zutreffender Darlegung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Negativattests (vgl. § 10 ZeS i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), zunächst mit Recht davon ausgegangen, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung sich in dem hier nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten vorliegenden faktischen Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 7 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO richtet und eine solche deshalb nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Auch wenn es insoweit an einer allgemeinen Zulässigkeit im Sinne von § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB fehlt, kann eine Wohnbebauung im faktischen Kerngebiet doch gleichwohl gemäß § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob auch eine lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung als zulässige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. ZeS anzusehen ist, der Begriff der Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschrift also nicht nur die allgemein, sondern auch die lediglich ausnahmsweise zulässige Nutzung mit umfasst; jedenfalls handelt es sich insoweit unzweifelhaft um eine nach § 34 Abs. 2 Halbs. 2, 1. Alt. BauGB i. V. m. § 31 Abs. 1 BauGB ausnahmsweise genehmigungsfähige Nutzung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS.

Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass insoweit - gleichviel, ob man nun § 3 Abs. 3 Nr. 4, 1. Alt. oder § 3 Abs. 3 Nr. 4, 2. Alt. ZeS Anwendung finden lässt - zugleich auch § 15 Abs. 1 BauNVO zu berücksichtigen ist. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 4 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO). Sie sind auch dann unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Die Regelung ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO soll sicherstellen, dass eine an sich im Baugebiet zulässige, schutzwürdige Nutzung im Einzelfall - etwa an bestimmten Standorten oder wegen ihrer baulichen Eigenart - unzulässig ist, wenn sie unzumutbaren Belästigungen oder Störungen anderer zulässiger Anlagen ausgesetzt ist (vgl. BR-Drucks. 354/89, S. 58). Dies gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart - wie hier das faktische Kerngebiet - gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Gebiet der Baunutzungsverordnung (vorliegend § 7 BauNVO) entspricht (vgl. BVerwG, B. v. 12.2.1990 - 4 B 240/89 -, NVwZ 1990, 557 [558]; B. v. 16.12.2008 - 4 B 68/08 -, ZfBR 2009, 376 f.). Da das Kerngebiet wohnunverträgliche Nutzungen allgemein und wohnverträgliche Nutzungen nur ausnahmsweise zulässt, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO vorliegend besondere Bedeutung zu. Die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauwerbers und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, müssen gegeneinander abgewogen werden (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Insoweit entsprechen die Annahmen des Verwaltungsgerichts der allgemein anerkannten bau- und zweckentfremdungsrechtlichen Praxis, ohne Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen.

3. Ohne die hierfür erforderlichen Feststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu treffen, hat das Verwaltungsgericht sodann jedoch angenommen, die Wohnnutzung in den streitgegenständlichen Räumen sei, bedingt durch die Nachbarschaft zu störungsintensiven Vergnügungsbetrieben, nicht mehr zumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt. Das Störungspotenzial der benachbarten Vergnügungsbetriebe sei durch die vorgelegten Unterlagen und vor allem die mehrjährigen Pressedokumentationen hinreichend belegt.

Diese - ohne jede Beweiserhebung - gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen, [12] mit der Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), nicht mehr in Einklang stehenden Feststellungen können die Annahme, in den streitgegenständlichen Räumen sei unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO eine Wohnnutzung auch nicht ausnahmsweise zulässig mit der Folge, dass die begehrten Negativatteste zu erteilen seien (§ 10 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 4 ZeS), nicht tragen.

Darüber hinaus verkennt das Verwaltungsgericht zugleich auch, dass es im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO auf eine den konkreten Einzelfall in den Blick nehmende situationsbezogene, nicht aber auf eine, auf die abstrakte Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung abstellende typisierende Betrachtung ankommt (so ausdr. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [245 f.]; siehe auch Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 25 u. 32). Insoweit hat das Verwaltungsgericht die Weichen der streitbefangenen Entscheidung falsch gestellt, so dass es an einer Entscheidung zur Sache selbst fehlt und insoweit zugleich auch die Voraussetzungen analog § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für eine Zurückverweisung vorliegen (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 13).

Bei der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist regelmäßig zu prüfen, ob durch dem Bauwerber zumutbare bauliche Maßnahmen der Immissionsvermeidung und -minderung ein Zustand erreicht werden kann, der ein Wohnen ohne Gesundheitsgefahren (noch) ermöglicht. Gesunde Wohnverhältnisse (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 6 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB) müssen allerdings stets gewahrt bleiben (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Die Grenze der Wohnunverträglichkeit macht insoweit deutlich, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO nicht mehr erteilt werden darf. Werden die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse jedoch eingehalten, so bietet § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keine Handhabe, eine baurechtlich zulässige Nutzung zu untersagen (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 -, BVerwGE 98, 235 [246]). Dabei ist maßgeblich nicht auf den Außenwohn-, sondern auf den Innenwohnbereich (sog. „Innenpegel“) abzustellen (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881]).

Erfahrungsgemäß können Lärmkonflikte in der Regel durch entsprechende bauliche Maßnahmen (Anordnung der Aufenthaltsräume überwiegend auf der vom [Verkehrs-]Lärm abgewandten Seite des Gebäudes und zusätzliche Lüftungseinrichtungen, siehe insoweit auch Art. 49 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 BayBO 1994) - gegebenenfalls auch nachträglich - gelöst werden (sog. „architektonische Selbsthilfe“, vgl. hierzu Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 43 m. w. N.). Nur in extremen Ausnahmefällen, etwa wenn kein einziger Aufenthaltsraum gelüftet werden kann, dürften die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht mehr gewahrt sein und ein entsprechendes Wohnbauvorhaben wäre unzulässig. Werden indes die - hier nicht (unmittelbar) geltenden - Grenzwerte der 16. BImSchV - VerkehrslärmschutzVO - vom 12.6.1990 (BGBl. I, S. 1036, zuletzt geändert durch G. v. 19.9.20062006, BGBl. I, S. 2146) im Außenwohnbereich eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (noch) gewahrt sind (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung an der 16. BImSchV erfolgen, bezüglich der von den Vergnügungsbetrieben herrührenden Immissionen sind die Werte der TA Lärm vom 26.8.1998 (GMBl. 1998, 503) zugrunde zulegen (vgl. hierzu näher Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 35 u. 39).

4. Hiervon ausgehend wird das Verwaltungsgericht durch Einholung eines - gegebenenfalls auch längere Zeiträume umfassenden - Lärmschutzgutachtens für jede einzelne der streitgegenständlichen Wohnungen zu klären haben, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse noch gewahrt sind und ein Wohnen ohne Preisgabe des nach § 15 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbs. BauNVO gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholungsbedürfnis und ungestörtem Schlaf (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 12.12.1990 - 4 C 40/87 -, NVwZ 1991, 879 [881] a.E.) möglich ist. Die von der Beklagten ohne nähere Erläuterung in das Verfahren eingeführten Grundlagendaten aus dem Lärmaktionsplan 2012 können ein Lärmschutzgutachten nicht ersetzen, da sie weder die rechtlichen Grundlagen ihrer Entstehung noch die Art und Weise ihrer Ermittlung erkennen lassen. Ungeachtet dessen dürfte zugleich auch ein weiterer Augenscheintermin zur störungsrelevanten Abend- und Nachtzeit, sinnvollerweise am Sonnabend, erforderlich werden. Dies macht eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der das Verwaltungsgericht unter Verletzung von § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht nachgekommen ist. Dieser Verfahrensmangel im Bereich der Beweiserhebung ist vorliegend auch wesentlich, weil er sich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts maßgeblich ausgewirkt hat und die von ihm ohne jede Grundlage gleichsam „ins Blaue hinein“ getroffenen Feststellungen keine ordnungsgemäße Basis für eine instanzbeendende Entscheidung bilden können (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 9), zumal die Annahme - Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse seien nicht mehr gewahrt - nur in extremen Ausnahmefällen überhaupt in Betracht kommt.

Soweit das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung zugleich auch auf eine erhöhte Kriminalität, eine entsprechende Drogenszene und eine massive Verschmutzung der Umgebung der streitgegenständlichen Wohnräume bezogen hat, wird zu klären sein, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Belästigungen und Störungen den benachbarten Vergnügungsbetrieben überhaupt unmittelbar zuzurechnen sind. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können nur solche Störungen und Belästigungen berücksichtigt werden, die von baulichen oder sonstigen Anlagen ausgehen (vgl. Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 15 Rn. 26 m. w. N.). Für auf den Straßen der Umgebung begangene Straftaten und etwaige Verschmutzungen wird es daher wohl regelmäßig an einer Zurechenbarkeit fehlen und kriminelle Handlungen in den Vergnügungsstätten selbst dürften das Wohnen wohl kaum beeinträchtigen. Insoweit ist das Sicherheits- und Ordnungsrecht, nicht aber das Bau- und Zweckentfremdungsrecht gefragt.

5. Der Senat hebt das angefochtene Urteil vom 19. Mai 2014 in Ausübung des ihm durch § 130 Abs. 2 und § 130a VwGO eingeräumten Ermessens (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 15 u. § 130a Rn. 14) ohne vorherige mündliche Verhandlung auf und verweist das Verfahren zur Durchführung einer Beweisaufnahme an das Verwaltungsgericht zurück. Für eine Zurückverweisung spricht hier vor allem, dass das Verwaltungsgericht eine gebotene umfangreiche Beweiserhebung unterlassen hat. Den Beteiligten würde eine Tatsacheninstanz genommen, wenn der Verwaltungsgerichtshof die Beweisaufnahme selbst durchführen würde. Eine Verfahrensverzögerung tritt durch die zeitnahe Entscheidung und Zurückverweisung durch den Senat nicht ein. Die Kammer kann - sofern die Klagen aufrechterhalten werden sollten - unmittelbar nach Eingang der Akten die erforderlichen Beweisbeschlüsse erlassen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, nur um über die Aufhebung des Urteils unter Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ist nach der einstimmigen Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung des fehlenden - aber im Rahmen des § 130a VwGO in keiner Weise notwendigen - Einverständnisses der Klägerin nicht erforderlich. Dieser entsteht dadurch kein Nachteil, da eine Entscheidung in der Sache selbst erst auf der Grundlage einer vom Verwaltungsgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme erfolgen kann. Auf die Aufrechterhaltung eines unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO ergangenen Urteils besteht kein Anspruch.

6. Sollte es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Erteilung der beantragten Negativatteste darauf ankommen, ob der streitgegenständliche Wohnraum -trotz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbarer, aufgrund des subjektiven Empfindens der Betroffenen aber gleichwohl als inakzeptabel erscheinender Lärmimmissionen - nachweislich nicht mehr vom Markt angenommen wird (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 ZeS), so wird das Verwaltungsgericht zu berücksichtigen haben, dass dies gegebenenfalls auch vom geforderten Mietzins abhängt. Dieser muss die negative Vorbelastung der Lage der Wohnungen im faktischen Kerngebiet in unmittelbarer Nähe störungsintensiver Vergnügungsbetriebe angemessen widerspiegeln. Die Klägerin hat es im Rahmen der durch das Zweckentfremdungsrecht konkretisierten Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinzunehmen, dass in negativer Weise vorbelasteter Wohnraum gegebenenfalls nur noch deutlich unter der (auch immissionsgeschütztere Lagen mit einbeziehenden) „ortsüblichen Vergleichsmiete“ vermietet werden kann.

7. Die Kostenentscheidung bleibt der neuen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorbehalten, auch eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst.

[27] 8. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.