Grenzübergreifende Sanktionen und der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz
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I. Allgemeine Bedeutung des Eigentumsschutzes
Der Schutz des Eigentums ist ein zentrales Element des deutschen Grundgesetzes. Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG garantiert das Recht auf Eigentum und stellt hohe Anforderungen an dessen Einschränkung. Im Strafrecht erlaubt das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Verfügung der Staatsanwaltschaft und Gerichte über das Vermögen von Beschuldigten und Dritten. Besonders grundrechtsintensive Maßnahmen wie die Vermögensabschöpfung nach §§ 73 ff. StGB müssen daher verhältnismäßig und verfassungskonform angewendet werden.
II. Beschlagnahme russischer Vermögenswerte
Die aktuelle geopolitische Lage, insbesondere der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, hat neue Fragen zu Sanktionsmaßnahmen aufgeworfen. Eine zentrale Frage ist, ob nach dem Einfrieren russischer Vermögenswerte auch deren Einziehung möglich ist.
1. Das Einfrieren russischer Vermögenswerte
Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter russischer Personen eingefroren. Diese Maßnahme soll nicht primär bestrafen, sondern ein Verhaltensänderung anstoßen.
2. Weitergehende Sanktionen: Sicherstellung und Einziehung
Die Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten geht über das bloße Einfrieren hinaus. Das deutsche Strafprozessrecht erlaubt diese Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen auch vor einem rechtskräftigen Schuldspruch (§§ 111b ff. StPO). Hierbei müssen die Verhältnismäßigkeit und die gesetzlichen Voraussetzungen streng beachtet werden.
a) Sicherstellung
Die Beschlagnahme und der Vermögensarrest nach § 111b und § 111e StPO setzen voraus, dass die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen und die Maßnahme zur Sicherung der Vollstreckung dient. Relevante Straftatbestände sind unter anderem Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG).
b) Einziehung
Die vollständige Einziehung und Verwertung von Vermögenswerten nach §§ 73 ff. StGB stellt eine noch weitergehende Maßnahme dar. Völkerrechtlich sind hierbei die Staatenimmunität und der Schutz des Eigentums zu beachten. Die Einziehung ohne konkrete Straftat ist derzeit in Deutschland nicht zulässig.
III. Rechtsschutz bei Sicherstellungs- und Einziehungsanordnungen aus dem EU-Ausland
Die Verordnung (EU) 2018/1905 regelt die Rechtshilfe zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen. Zentral ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, welches jedoch durch die Pflicht zur Achtung der Grundrechte und Rechtsgrundsätze gemäß Art. 6 EUV eingeschränkt wird.
1. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung
Die Verordnung legt fest, dass Sicherstellungsentscheidungen im Rechtshilfeverfahren grundsätzlich wie innerstaatliche Entscheidungen behandelt werden. Ausnahmen sind nur in bestimmten Fällen vorgesehen.
2. Rechtsschutz
Betroffene haben das Recht, wirksame Rechtsbehelfe gegen Sicherstellungs- und Einziehungsmaßnahmen einzulegen. Dies ist jedoch nur begrenzt möglich, da die Überprüfung des Tatverdachts im Entscheidungsstaat verbleibt.
IV. Fazit
Die zunehmende internationale Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung und Sanktionen stellt den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz vor neue Herausforderungen. Trotz des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung müssen rechtsstaatliche Prinzipien wie der Schutz des Eigentums und die Unschuldsvermutung gewahrt bleiben. Betroffenen muss ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden, um unverhältnismäßige Eingriffe in ihr Eigentum zu verhindern.
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Dieser Artikel bietet einen Überblick über die komplexen rechtlichen Fragen im Spannungsfeld zwischen nationalen und unionalen Sanktionsmöglichkeiten und dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Er unterstreicht die Notwendigkeit, hohe rechtliche Standards aufrechtzuerhalten, um die Rechte der Betroffenen zu schützen und die Integrität des Rechtsstaats zu wahren.
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(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden. § 94 Absatz 3 bleibt unberührt.
(2) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.
(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, so kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden.
(2) Der Vermögensarrest kann auch zur Sicherung der Vollstreckung einer Geldstrafe und der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens angeordnet werden, wenn gegen den Beschuldigten ein Urteil ergangen oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.
(3) Zur Sicherung der Vollstreckungskosten ergeht kein Arrest.
(4) In der Anordnung ist der zu sichernde Anspruch unter Angabe des Geldbetrages zu bezeichnen. Zudem ist in der Anordnung ein Geldbetrag festzusetzen, durch dessen Hinterlegung der Betroffene die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen kann; § 108 Absatz 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(5) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.
(6) Die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 der Abgabenordnung steht einer Anordnung nach Absatz 1 nicht entgegen.