Grenzübergreifende Sanktionen und der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz

originally published: 17/07/2024 14:33, updated: 17/07/2024 14:35
Grenzübergreifende Sanktionen und der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz
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In der heutigen globalisierten Welt gewinnt die Diskussion über die Grenzen nationaler und unionaler Sanktionsmöglichkeiten zunehmend an Bedeutung. Insbesondere der Schutz des verfassungsrechtlich garantierten Eigentums steht dabei im Fokus. Dieser Artikel beleuchtet die Herausforderungen und Spannungsfelder zwischen strafprozessualen Notwendigkeiten und der Unschuldsvermutung, insbesondere bei eigentumsrelevanten Beschlagnahmen und Vermögensarresten. Dabei werden auch über- und zwischenstaatliche Aspekte im Kompetenzbereich der EU betrachtet.

I. Allgemeine Bedeutung des Eigentumsschutzes

Der Schutz des Eigentums ist ein zentrales Element des deutschen Grundgesetzes. Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG garantiert das Recht auf Eigentum und stellt hohe Anforderungen an dessen Einschränkung. Im Strafrecht erlaubt das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Verfügung der Staatsanwaltschaft und Gerichte über das Vermögen von Beschuldigten und Dritten. Besonders grundrechtsintensive Maßnahmen wie die Vermögensabschöpfung nach §§ 73 ff. StGB müssen daher verhältnismäßig und verfassungskonform angewendet werden.

 

II. Beschlagnahme russischer Vermögenswerte

Die aktuelle geopolitische Lage, insbesondere der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, hat neue Fragen zu Sanktionsmaßnahmen aufgeworfen. Eine zentrale Frage ist, ob nach dem Einfrieren russischer Vermögenswerte auch deren Einziehung möglich ist.

1. Das Einfrieren russischer Vermögenswerte

Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 werden sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen bestimmter russischer Personen eingefroren. Diese Maßnahme soll nicht primär bestrafen, sondern ein Verhaltensänderung anstoßen.

2. Weitergehende Sanktionen: Sicherstellung und Einziehung

Die Sicherstellung und Einziehung von Vermögenswerten geht über das bloße Einfrieren hinaus. Das deutsche Strafprozessrecht erlaubt diese Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen auch vor einem rechtskräftigen Schuldspruch (§§ 111b ff. StPO). Hierbei müssen die Verhältnismäßigkeit und die gesetzlichen Voraussetzungen streng beachtet werden.

a) Sicherstellung

Die Beschlagnahme und der Vermögensarrest nach § 111b und § 111e StPO setzen voraus, dass die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung vorliegen und die Maßnahme zur Sicherung der Vollstreckung dient. Relevante Straftatbestände sind unter anderem Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG).

b) Einziehung

Die vollständige Einziehung und Verwertung von Vermögenswerten nach §§ 73 ff. StGB stellt eine noch weitergehende Maßnahme dar. Völkerrechtlich sind hierbei die Staatenimmunität und der Schutz des Eigentums zu beachten. Die Einziehung ohne konkrete Straftat ist derzeit in Deutschland nicht zulässig.

 

III. Rechtsschutz bei Sicherstellungs- und Einziehungsanordnungen aus dem EU-Ausland

Die Verordnung (EU) 2018/1905 regelt die Rechtshilfe zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen. Zentral ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, welches jedoch durch die Pflicht zur Achtung der Grundrechte und Rechtsgrundsätze gemäß Art. 6 EUV eingeschränkt wird.

1. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung

Die Verordnung legt fest, dass Sicherstellungsentscheidungen im Rechtshilfeverfahren grundsätzlich wie innerstaatliche Entscheidungen behandelt werden. Ausnahmen sind nur in bestimmten Fällen vorgesehen.

2. Rechtsschutz

Betroffene haben das Recht, wirksame Rechtsbehelfe gegen Sicherstellungs- und Einziehungsmaßnahmen einzulegen. Dies ist jedoch nur begrenzt möglich, da die Überprüfung des Tatverdachts im Entscheidungsstaat verbleibt.

 

IV. Fazit

Die zunehmende internationale Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung und Sanktionen stellt den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz vor neue Herausforderungen. Trotz des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung müssen rechtsstaatliche Prinzipien wie der Schutz des Eigentums und die Unschuldsvermutung gewahrt bleiben. Betroffenen muss ein wirksamer Rechtsschutz gewährt werden, um unverhältnismäßige Eingriffe in ihr Eigentum zu verhindern.

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Dieser Artikel bietet einen Überblick über die komplexen rechtlichen Fragen im Spannungsfeld zwischen nationalen und unionalen Sanktionsmöglichkeiten und dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Er unterstreicht die Notwendigkeit, hohe rechtliche Standards aufrechtzuerhalten, um die Rechte der Betroffenen zu schützen und die Integrität des Rechtsstaats zu wahren.

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17/07/2024 13:58

Dieser Artikel richtet sich an Strafverteidiger, Rechtsanwälte, und juristisch Interessierte, die sich mit der komplexen Schnittstelle zwischen internationalen Sanktionen und nationalem Strafrecht befassen. Insbesondere wird ein Fall beleuchtet, bei dem ein russischer Staatsbürger aufgrund von Mietzahlungen für Immobilien, die im formalen Miteigentum seiner geschiedenen Frau stehen, strafrechtlich verfolgt wird. Der Artikel untersucht die strafrechtlichen und verfassungsrechtlichen Implikationen sowie die Zuständigkeitsfragen, die sich in solchen Fällen ergeben.
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07/02/2024 13:55

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in einem heute veröffentlichten Beschluss einer rechtskräftig verurteilten Frau teilweise stattgegeben, die gegen die Ablehnung einer Wiederaufnahme ihres Strafverfahrens geklagt hatte. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte zuvor eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgestellt. Die Beschwerdeführerin war wegen Mordes an ihrem Ehemann zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Ein Richter, der auch am Urteil gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Frau beteiligt war, wirkte ebenfalls an ihrem Verfahren mit. Nach der Feststellung des EGMR, dass dies einen Konventionsverstoß darstellte, beantragte die Frau die Wiederaufnahme ihres Verfahrens. Dies wurde vom Landgericht abgelehnt, und das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde zurück, da die Frau nicht darlegen konnte, dass das Urteil auf dem Konventionsverstoß beruhte. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Oberlandesgericht den Justizgewährungsanspruch der Beschwerdeführerin verletzte. Die Anforderungen an die Darlegung des Konventionsverstoßes seien unerfüllbar und unzumutbar. Das Gericht verkenne, dass der Konventionsverstoß nicht nur einen möglicherweise voreingenommenen Richter betraf, sondern bereits dessen Einflussnahme im Verfahren gegen die Beschwerdeführerin. Die Sache wurde an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die aufgestellten Anforderungen seien sachlich nicht gerechtfertigt und dürften nicht zu einer generellen Ausschließung von Wiederaufnahmen führen, wenn ein Konventionsverstoß festgestellt wurde. Dies würde einen Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen schaffen, die aus einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter resultieren.
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Das Bundesgerichtshof (BGH) hob ein Urteil des Landgerichts Magdeburg auf, das zwei Angeklagte freigesprochen hatte. Die Staatsanwaltschaft legte den Angeklagten zur Last, gemeinschaftlich versucht zu haben, einen Dritten zur Begehung eines Mordes zu bestimmen. Der BGH entschied, dass die Angeklagten sich einer verabredeten Anstiftung zum Mord schuldig gemacht hatten. Die Absprachen zwischen den Angeklagten waren konkret und individuell, um einen potenziellen Täter zur Ausführung des Verbrechens zu bestimmen. Der BGH betonte, dass es nicht entscheidend sei, ob zum Zeitpunkt der Verabredung bereits ein konkreter Täter feststand. Der Fall wird zur neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
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Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Corona-Sonderzahlung gemäß § 63 a NBesG pfändbar ist, selbst wenn ein Insolvenzverfahren läuft. Diese Entscheidung basiert auf dem Fehlen gesetzlicher Anforderungen, die auf besondere pandemiebedingte Belastungen am Arbeitsplatz hinweisen. Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
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(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes vorliegen, so kann er zur Sicherung der Vollstreckung beschlagnahmt werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Beschlagnahme angeordnet werden. § 94 Absatz 3 bleibt unberührt.

(2) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.

(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, so kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll der Vermögensarrest angeordnet werden.

(2) Der Vermögensarrest kann auch zur Sicherung der Vollstreckung einer Geldstrafe und der voraussichtlichen Kosten des Strafverfahrens angeordnet werden, wenn gegen den Beschuldigten ein Urteil ergangen oder ein Strafbefehl erlassen worden ist.

(3) Zur Sicherung der Vollstreckungskosten ergeht kein Arrest.

(4) In der Anordnung ist der zu sichernde Anspruch unter Angabe des Geldbetrages zu bezeichnen. Zudem ist in der Anordnung ein Geldbetrag festzusetzen, durch dessen Hinterlegung der Betroffene die Vollziehung des Arrestes abwenden und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangen kann; § 108 Absatz 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(5) Die §§ 102 bis 110 gelten entsprechend.

(6) Die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 der Abgabenordnung steht einer Anordnung nach Absatz 1 nicht entgegen.