BGH: Verabredung zur versuchten Anstiftung liegt vor, auch wenn noch kein Täter bestimmt wurde

erstmalig veröffentlicht: 07.01.2024, letzte Fassung: 08.01.2024
Zusammenfassung des Autors

Das Bundesgerichtshof (BGH) hob ein Urteil des Landgerichts Magdeburg auf, das zwei Angeklagte freigesprochen hatte. Die Staatsanwaltschaft legte den Angeklagten zur Last, gemeinschaftlich versucht zu haben, einen Dritten zur Begehung eines Mordes zu bestimmen. Der BGH entschied, dass die Angeklagten sich einer verabredeten Anstiftung zum Mord schuldig gemacht hatten. Die Absprachen zwischen den Angeklagten waren konkret und individuell, um einen potenziellen Täter zur Ausführung des Verbrechens zu bestimmen. Der BGH betonte, dass es nicht entscheidend sei, ob zum Zeitpunkt der Verabredung bereits ein konkreter Täter feststand. Der Fall wird zur neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Die strafrechtliche Verfolgung wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen erfolgt, selbst wenn die Person, die das Verbrechen begehen soll, noch nicht konkret feststeht. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. November 2023 (Az.: 6 StR 179/23) hervor, in dem entschieden wurde, dass eine entsprechende Verabredung bereits strafbar ist.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, gemeinschaftlich versucht zu haben, einen anderen zur Begehung eines Mordes zu bestimmen oder anzustiften.

Die Tat

Streitgegenständlich vor dem Gericht war vorliegend der Plan von zwei Männern eine dritte Person zu einem Mord anzustiften. Der Angeklagte L. wollte jemanden finden, der bereit war, gegen Bezahlung seinen verhassten Nachbarn zu töten. Da L. keine Kontakte zu potenziellen Mördern hatte, sprach er den besser vernetzten Angeklagten H. an. Gemeinsam suchten sie nach einem geeigneten Täter und versuchten ihren Plan noch vor Weihnachten 2021 umzusetzen. Das geplante Vorhaben scheiterte, nachdem L dem H mehrere Kanditanten vorstellte, die sich später als ungeeignet erwiesen haben und sie den Hinweis erhalten haben, dass die Polizei in Kenntnis über ihr Vorhaben ist.

LG Megdeburg: Freispruch

Das Landgericht lehnte zunächst die Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB) ab. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da es an einer hinreichenden Konrektisierung der geplanten Anstiftung fehle. Die vage Verabredung zwischen L. und H., irgendeine Person zu finden, bleibt im straflosen Vorbereitungsstadium. Die Absprachen mit den angeblich tatbereiten Personen waren unkonkret, und die Vereinbarung zwischen den Angeklagten war nicht verbindlich genug, um eine zwingende gemeinsame Umsetzung zu gewährleisten. So das Landgericht Magdeburg.

BGH: Verabredete Anstiftung zum Mord auch ohne feststehenden Haupttäter

In dem vorliegenden Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 12. Dezember 2022 aufgehoben. 

Der BGH entschied, dass die Angeklagten sich durchaus einer verabredeten Anstiftung zum Mord bzw. zur schweren Körperverletzung nach § 30 Abs. 2 schuldig gemacht haben. Die Verabredung erfordert laut BGH lediglich eine ernsthafte Einigung von mindestens zwei Personen, gemeinsam einen Dritten zur Ausführung eines bestimmten Verbrechens anzustiften. Dabei müsse die geplante Tat zumindest in ihren grundlegenden Zügen festgelegt sein, jedoch nicht bis ins kleinste Detail. Der BGH betonte ebenfalls, dass Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen offen sein können, solange sie nicht gänzlich unklar bleiben.

Angeklagte haben konkretes Verbreches verabredet

Hier haben L und H ein konkretes Verbrechen verabredetet. Unerheblich ist, dass bei der Vereinbarung zwischen L. und H. nicht klar war, ob zu diesem Zeitpunkt ein potenzieller Täter bereits existierte oder überhaupt gefunden werden konnte. Nach Ansicht des BGH handelt es sich bei diesen Modalitäten um Bedingungen, die für die zeitliche Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB nicht relevant sind.

Fazit

Das BGH-Urteil (Az. 6 StR 179/23) hebt einen Freispruch auf und bestätigt, dass die Angeklagten sich einer verabredeten Anstiftung zum Mord schuldig gemacht haben. Die Entscheidung betont die Bedeutung ernsthafter Einigungen zwischen den Beteiligten, auch wenn zum Zeitpunkt der Absprache kein konkreter Täter feststand. Dies verdeutlicht die strafrechtliche Relevanz von Verabredungen zur versuchten Verbrechensbeteiligung. Der Fall wird zur neuen Verhandlung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

Im Übrigen handelt es sich hier um eine wegweisende BGH-Entscheidung, die examensrelevant werden kann.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 30 Versuch der Beteiligung


(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2023 - 6 StR 179/23

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Urteil vom 29. Nov. 2023 - 6 StR 179/23

 

Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 12. Dezember 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten zur Last, seit August 2021 bis zum 5. April 2022 gemeinschaftlich versucht zu haben, einen anderen zur Begehung eines Mordes zu bestimmen oder hierzu anzustiften.

Das Landgericht hat die Angeklagten vom Anklagevorwurf freigesprochen.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte L. eine Person, die gegen Zahlung von bis zu 10.000 Euro bereit war, seinen Nachbarn Ha. wegen des zwischen ihnen bestehenden Zerwürfnisses, zahlloser Streitigkeiten und aus Rache für dessen Strafanzeigen so schwer zu verletzen, dass jener dauerhaft kein selbstbestimmtes Leben mehr würde führen können und daher als Pflegefall aus dem Nachbarhaus würde ausziehen müssen. L. hielt es für möglich, dass der Täter Ha. unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit töten würde, was er billigend in Kauf nahm. Er bevorzugte eine Brandstiftung, um eine Rückkehr Ha. s in das Nachbarhaus sicher auszuschließen. Da L. nicht die erforderlichen Kontakte hatte, sprach er im Sommer 2021 den Angeklagten H. an, und beide „verabredete(n)“ eine gemeinsame Suche nach einem Täter, wobei H. sich das Anliegen L. s,  Ha. zu „beseitigen“, zu eigen machte, in der Folgezeit Absprachen mit Personen aus seinem Bekanntenkreis traf und den Kontakt zu L. herstellte. L. strebte eine Tatausführung vor Weihnachten 2021 an, weil er wegen der auf die Strafanzeigen Ha. s hin eingeleiteten Strafverfahren befürchtete, alsbald verhaftet zu werden. H. war bewusst, dass gerade durch sein Tätigwerden ein Täter gefunden werden und es nach endgültiger Einigung und Beauftragung durch L. zu der Gewalttat kommen könnte. Es bestand zwischen den Angeklagten keine Abrede dahin, dass L. eine von H. - vermittelte Person auf jeden Fall beauftragen würde. Ferner blieb es L. unbenommen, eigenständig nach einem möglichen Täter zu suchen und diesen ohne Einbindung H. s zu beauftragen. Nachdem H. in Umsetzung der Abrede L. drei Personen vermittelt hatte, erhielt er von einer unbekannt gebliebenen Person den Hinweis, dass die Polizei Kenntnis von der Tatplanung erhalten hatte, und teilte dies L. mit. Dieser stellte daraufhin am 14. November 2021 seine Bemühungen wegen des Entdeckungsrisikos vorerst ein, was er H. mitteilte, hielt sich ein „späteres Wiederaufgreifen der Verhandlungen über eine Beauftragung dritter Personen“ jedoch offen.

2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB) aus Rechtsgründen verneint. Die Angeklagten hätten sich lediglich der allgemeinen Tatbereitschaft der angesprochenen Personen versichert. Die Voraussetzungen für eine Verabredung der Angeklagten, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB), seien ebenfalls nicht erfüllt. Denn es fehle an einer hinreichenden Konkretisierung der vorgesehenen Anstiftung. Zwar müsse der Anstifter keine detaillierten Vorgaben machen, wenn ihm die Art der Tatausführung gleichgültig sei. Erforderlich sei jedoch eine hinreichend konkretisierte Anstiftungshandlung. Die allgemeine Verabredung, irgendeine Person zu finden, sei vage und liege lediglich im straflosen Vorbereitungsstadium. Die Absprachen mit den aus Sicht der Angeklagten tatbereiten Personen seien inhaltlich nicht konkret gewesen. Ferner habe es an der hinreichenden Verbindlichkeit der Abrede zwischen den Angeklagten gefehlt; die Übereinkunft sei nicht auf eine zwingende gemeinsame Umsetzung gerichtet gewesen. Mangels Eigeninteresses des Angeklagten H. - habe der Angeklagte L. jederzeit eigenständig eine Person suchen und beauftragen oder davon Abstand nehmen können. Für eine Strafbarkeit wegen Sich-Bereiterklärens zur gemeinschaftlichen Anstiftung zu einem Verbrechen beziehungsweise Annahme dieses Erbietens (§ 30 Abs. 2 Varianten 1 und 2 StGB) fehle es ebenfalls an der hinreichend konkretisierten Anstiftungshandlung.

II.

1. Die Freisprüche halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand; die Urteilsgründe belegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer verabredeten Anstiftung im Sinne von § 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB.

a) Diese setzt eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 – 3 StR 437/81, NStZ 1982, 244; Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, NStZ 2019, 655, 656; vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 8). Die in Aussicht genommene Tat muss zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, nicht aber bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, aaO; vom 9. Februar 1994 – 2 StR 557/93; Roxin, Strafrecht AT Bd. II, S. 307 Rn. 56). Daher können – entsprechend der Absprache eines Tatplans zwischen Mittätern – Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen noch offen sein (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697), solange sie nicht völlig im Vagen bleiben, weil dann die Strafbarkeit zu weit ins Vorfeld der eigentlichen Tat vorverlagert würde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, aaO). Darüber hinaus muss der Übereinkunft der Täter das Versprechen mittäterschaftlicher Tatbeiträge zugrundeliegen (vgl. RG, Urteile vom 27. November 1924 – II 754/24, RGSt 58, 392, 393; vom 26. Oktober 1925 – II 503/25, RGSt 59, 376, 379); unzureichend ist es, wenn ein Beteiligter lediglich als Gehilfe tätig werden will (vgl. BGH, Urteile vom 4. Mai 1988 – 2 StR 82/88, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 3; vom 13. Oktober 1992 – 1 StR 517/92, NStZ 1993, 137, 138; Beschluss vom 10. Dezember 1987 – 1 StR 623/87).

b) Daran gemessen tragen die Urteilsgründe eine verabredete Anstiftung.

aa) Die erstrebte Tat wurde anhand der sie kennzeichnenden Merkmale als konkret-individualisierbares Geschehen ernstlich verabredet. Dies gilt sowohl für das Bestimmen eines präsumtiven Täters als auch für die von diesem zu begehende Haupttat. Fest standen nach der Abrede weiter das Tatopfer, die in Betracht gezogene Begehungsweise bei der Bestimmung des präsumtiven Täters und das Tatmotiv. Dies gilt gleichermaßen für den Tatzeitraum. Denn die Tat sollte möglichst vor Weihnachten 2021 und ausgeführt werden, wenn die beiden Angeklagten ortsabwesend wären.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übereinkunft die Person des präsumtiven Täters nicht feststand und unklar war, ob überhaupt ein solcher gefunden und bestimmt werden kann. Hierbei handelt es sich um vom Willen der Beteiligten losgelöste Bedingungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1958 – 2 StR 500/58, BGHSt 12, 306, 309; LK-StGB/Schünemann/Greco, 13. Aufl., § 30 Rn. 63; MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 30 Rn. 66; Maurach JZ 1961, 137, 139), denen mit Blick auf den Zweck der zeitlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zukommt (vgl. etwa zur Kettenanstiftung BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 – 3 StR 796/53,BGHSt 6, 359, 361; Beschluss vom 2. November 2021 – 3 StR 259/21, NStZ-RR 2022, 49, 50; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 26 Rn. 15; jeweils mwN). Die Angeklagten waren fest entschlossen, nach erfolgreicher Suche die tatgeneigte Person anzustiften. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass nach den Feststellungen keine der von H. vermittelten Personen beauftragt wurde. Denn diese erwiesen sich mangels Neigung, die Tat selbst auszuführen, als ungeeignet.

cc) Unerheblich ist ferner, dass es nach der getroffenen Abrede dem präsumtiven Täter überlassen bleiben sollte, bei welcher geeigneten Gelegenheit und auf welche Weise er die Tat ausführen würde. Es genügt vielmehr, dass die Angeklagten diese Umstände billigend in Kauf nahmen; denn bedingten Vorsatz in diesem Sinn hat ein Straftäter auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 – 2 StR 229/04, NJW 2005, 996, 997; vom 10. Juni 1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102).

dd) Die Urteilsgründe belegen auch ein gemeinschaftliches Vorgehen der Angeklagten. Dabei sollte H. , der sich das Interesse L. s an der Tötung Ha. s „zu eigen gemacht“ hatte, ein wesentlicher Tatbeitrag zukommen. Er verfügte über Beziehungen ins kriminelle Milieu, die er absprachegemäß nutzen sollte, um geeignete Personen anzusprechen; L. verfügte über solche Verbindungen nicht. Entgegen der Annahme des Landgerichts ist vor diesem Hintergrund auch der Umstand ohne Bedeutung, dass Gegenstand der Abrede nicht war, in jedem Fall gemeinsam auf mögliche Täter zuzugehen. Vielmehr begründete schon die Willensbindung der Beteiligten eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstiftungsversuch und die Begehung der Haupttat wahrscheinlicher macht (vgl. BT-Drucks. I/3713, S. 32; IV/650, S. 154; BGH, Urteile vom 4. Oktober 1957 – 2 StR 366/57, BGHSt 10, 388, 389; vom 13. Januar 2010 – 2 StR 439/09, BGHR StGB § 30 Abs. 2, Konkurrenzen 1; Beschluss vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10, aaO; NK-StGB/Engländer, 6. Aufl., § 30 Rn. 38).

2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können nicht bestehen bleiben, weil die Angeklagten sie mangels Beschwer nicht mit der Revision angreifen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2020 – 5 StR 390/19, Rn. 12).

(1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.

BUNDESGERICHTSHOF


Urteil vom 29. Nov. 2023 - 6 StR 179/23

 

Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 12. Dezember 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft legt den Angeklagten zur Last, seit August 2021 bis zum 5. April 2022 gemeinschaftlich versucht zu haben, einen anderen zur Begehung eines Mordes zu bestimmen oder hierzu anzustiften.

Das Landgericht hat die Angeklagten vom Anklagevorwurf freigesprochen.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte L. eine Person, die gegen Zahlung von bis zu 10.000 Euro bereit war, seinen Nachbarn Ha. wegen des zwischen ihnen bestehenden Zerwürfnisses, zahlloser Streitigkeiten und aus Rache für dessen Strafanzeigen so schwer zu verletzen, dass jener dauerhaft kein selbstbestimmtes Leben mehr würde führen können und daher als Pflegefall aus dem Nachbarhaus würde ausziehen müssen. L. hielt es für möglich, dass der Täter Ha. unter Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit töten würde, was er billigend in Kauf nahm. Er bevorzugte eine Brandstiftung, um eine Rückkehr Ha. s in das Nachbarhaus sicher auszuschließen. Da L. nicht die erforderlichen Kontakte hatte, sprach er im Sommer 2021 den Angeklagten H. an, und beide „verabredete(n)“ eine gemeinsame Suche nach einem Täter, wobei H. sich das Anliegen L. s,  Ha. zu „beseitigen“, zu eigen machte, in der Folgezeit Absprachen mit Personen aus seinem Bekanntenkreis traf und den Kontakt zu L. herstellte. L. strebte eine Tatausführung vor Weihnachten 2021 an, weil er wegen der auf die Strafanzeigen Ha. s hin eingeleiteten Strafverfahren befürchtete, alsbald verhaftet zu werden. H. war bewusst, dass gerade durch sein Tätigwerden ein Täter gefunden werden und es nach endgültiger Einigung und Beauftragung durch L. zu der Gewalttat kommen könnte. Es bestand zwischen den Angeklagten keine Abrede dahin, dass L. eine von H. - vermittelte Person auf jeden Fall beauftragen würde. Ferner blieb es L. unbenommen, eigenständig nach einem möglichen Täter zu suchen und diesen ohne Einbindung H. s zu beauftragen. Nachdem H. in Umsetzung der Abrede L. drei Personen vermittelt hatte, erhielt er von einer unbekannt gebliebenen Person den Hinweis, dass die Polizei Kenntnis von der Tatplanung erhalten hatte, und teilte dies L. mit. Dieser stellte daraufhin am 14. November 2021 seine Bemühungen wegen des Entdeckungsrisikos vorerst ein, was er H. mitteilte, hielt sich ein „späteres Wiederaufgreifen der Verhandlungen über eine Beauftragung dritter Personen“ jedoch offen.

2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zu einem Verbrechen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB) aus Rechtsgründen verneint. Die Angeklagten hätten sich lediglich der allgemeinen Tatbereitschaft der angesprochenen Personen versichert. Die Voraussetzungen für eine Verabredung der Angeklagten, zu einem Verbrechen anzustiften (§ 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB), seien ebenfalls nicht erfüllt. Denn es fehle an einer hinreichenden Konkretisierung der vorgesehenen Anstiftung. Zwar müsse der Anstifter keine detaillierten Vorgaben machen, wenn ihm die Art der Tatausführung gleichgültig sei. Erforderlich sei jedoch eine hinreichend konkretisierte Anstiftungshandlung. Die allgemeine Verabredung, irgendeine Person zu finden, sei vage und liege lediglich im straflosen Vorbereitungsstadium. Die Absprachen mit den aus Sicht der Angeklagten tatbereiten Personen seien inhaltlich nicht konkret gewesen. Ferner habe es an der hinreichenden Verbindlichkeit der Abrede zwischen den Angeklagten gefehlt; die Übereinkunft sei nicht auf eine zwingende gemeinsame Umsetzung gerichtet gewesen. Mangels Eigeninteresses des Angeklagten H. - habe der Angeklagte L. jederzeit eigenständig eine Person suchen und beauftragen oder davon Abstand nehmen können. Für eine Strafbarkeit wegen Sich-Bereiterklärens zur gemeinschaftlichen Anstiftung zu einem Verbrechen beziehungsweise Annahme dieses Erbietens (§ 30 Abs. 2 Varianten 1 und 2 StGB) fehle es ebenfalls an der hinreichend konkretisierten Anstiftungshandlung.

II.

1. Die Freisprüche halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand; die Urteilsgründe belegen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer verabredeten Anstiftung im Sinne von § 30 Abs. 2 Variante 3 Alt. 2 StGB.

a) Diese setzt eine vom ernstlichen Willen getragene Einigung von mindestens zwei Personen voraus, gemeinschaftlich einen Dritten zur Begehung eines bestimmten Verbrechens anzustiften (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 – 3 StR 437/81, NStZ 1982, 244; Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, NStZ 2019, 655, 656; vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 8). Die in Aussicht genommene Tat muss zumindest in ihren wesentlichen Grundzügen, nicht aber bereits in allen Einzelheiten festgelegt sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, aaO; vom 9. Februar 1994 – 2 StR 557/93; Roxin, Strafrecht AT Bd. II, S. 307 Rn. 56). Daher können – entsprechend der Absprache eines Tatplans zwischen Mittätern – Zeit, Ort und Modalitäten der Ausführung im Einzelnen noch offen sein (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 140/07, NStZ 2007, 697), solange sie nicht völlig im Vagen bleiben, weil dann die Strafbarkeit zu weit ins Vorfeld der eigentlichen Tat vorverlagert würde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – 1 StR 506/18, aaO). Darüber hinaus muss der Übereinkunft der Täter das Versprechen mittäterschaftlicher Tatbeiträge zugrundeliegen (vgl. RG, Urteile vom 27. November 1924 – II 754/24, RGSt 58, 392, 393; vom 26. Oktober 1925 – II 503/25, RGSt 59, 376, 379); unzureichend ist es, wenn ein Beteiligter lediglich als Gehilfe tätig werden will (vgl. BGH, Urteile vom 4. Mai 1988 – 2 StR 82/88, BGHR StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 3; vom 13. Oktober 1992 – 1 StR 517/92, NStZ 1993, 137, 138; Beschluss vom 10. Dezember 1987 – 1 StR 623/87).

b) Daran gemessen tragen die Urteilsgründe eine verabredete Anstiftung.

aa) Die erstrebte Tat wurde anhand der sie kennzeichnenden Merkmale als konkret-individualisierbares Geschehen ernstlich verabredet. Dies gilt sowohl für das Bestimmen eines präsumtiven Täters als auch für die von diesem zu begehende Haupttat. Fest standen nach der Abrede weiter das Tatopfer, die in Betracht gezogene Begehungsweise bei der Bestimmung des präsumtiven Täters und das Tatmotiv. Dies gilt gleichermaßen für den Tatzeitraum. Denn die Tat sollte möglichst vor Weihnachten 2021 und ausgeführt werden, wenn die beiden Angeklagten ortsabwesend wären.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Übereinkunft die Person des präsumtiven Täters nicht feststand und unklar war, ob überhaupt ein solcher gefunden und bestimmt werden kann. Hierbei handelt es sich um vom Willen der Beteiligten losgelöste Bedingungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1958 – 2 StR 500/58, BGHSt 12, 306, 309; LK-StGB/Schünemann/Greco, 13. Aufl., § 30 Rn. 63; MüKo-StGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl., § 30 Rn. 66; Maurach JZ 1961, 137, 139), denen mit Blick auf den Zweck der zeitlichen Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 Abs. 2 StGB keine Bedeutung zukommt (vgl. etwa zur Kettenanstiftung BGH, Urteil vom 8. Juli 1954 – 3 StR 796/53,BGHSt 6, 359, 361; Beschluss vom 2. November 2021 – 3 StR 259/21, NStZ-RR 2022, 49, 50; Heine/Weißer in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 26 Rn. 15; jeweils mwN). Die Angeklagten waren fest entschlossen, nach erfolgreicher Suche die tatgeneigte Person anzustiften. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass nach den Feststellungen keine der von H. vermittelten Personen beauftragt wurde. Denn diese erwiesen sich mangels Neigung, die Tat selbst auszuführen, als ungeeignet.

cc) Unerheblich ist ferner, dass es nach der getroffenen Abrede dem präsumtiven Täter überlassen bleiben sollte, bei welcher geeigneten Gelegenheit und auf welche Weise er die Tat ausführen würde. Es genügt vielmehr, dass die Angeklagten diese Umstände billigend in Kauf nahmen; denn bedingten Vorsatz in diesem Sinn hat ein Straftäter auch dann, wenn er aus Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2005 – 2 StR 229/04, NJW 2005, 996, 997; vom 10. Juni 1998 – 3 StR 113/98, BGHSt 44, 99, 102).

dd) Die Urteilsgründe belegen auch ein gemeinschaftliches Vorgehen der Angeklagten. Dabei sollte H. , der sich das Interesse L. s an der Tötung Ha. s „zu eigen gemacht“ hatte, ein wesentlicher Tatbeitrag zukommen. Er verfügte über Beziehungen ins kriminelle Milieu, die er absprachegemäß nutzen sollte, um geeignete Personen anzusprechen; L. verfügte über solche Verbindungen nicht. Entgegen der Annahme des Landgerichts ist vor diesem Hintergrund auch der Umstand ohne Bedeutung, dass Gegenstand der Abrede nicht war, in jedem Fall gemeinsam auf mögliche Täter zuzugehen. Vielmehr begründete schon die Willensbindung der Beteiligten eine Gefahr für das durch die vorgestellte Tat bedrohte Rechtsgut, weil bereits die wechselseitige psychische Bindung den Anstiftungsversuch und die Begehung der Haupttat wahrscheinlicher macht (vgl. BT-Drucks. I/3713, S. 32; IV/650, S. 154; BGH, Urteile vom 4. Oktober 1957 – 2 StR 366/57, BGHSt 10, 388, 389; vom 13. Januar 2010 – 2 StR 439/09, BGHR StGB § 30 Abs. 2, Konkurrenzen 1; Beschluss vom 16. März 2011 – 5 StR 581/10, aaO; NK-StGB/Engländer, 6. Aufl., § 30 Rn. 38).

2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können nicht bestehen bleiben, weil die Angeklagten sie mangels Beschwer nicht mit der Revision angreifen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2020 – 5 StR 390/19, Rn. 12).