BGH-Entscheidung zur Pfändbarkeit der Corona-Sonderzahlung: Klarstellung und rechtliche Auswirkungen
Im jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wurde eine wichtige rechtliche Frage im Zusammenhang mit der Corona-Sonderzahlung gemäß § 63 a des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) geklärt. Das Gericht entschied, dass diese Zahlung nicht als unpfändbare Erschwerniszulage angesehen werden kann. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf einen bestimmten Fall, der einen beamteten Lehrer in Niedersachsen betrifft, der Insolvenz angemeldet hat und die Pfändbarkeit dieser Sonderzahlung in Frage stellte.
Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin
Der Fall: Insolvenz und Restschuldbefreiung
Um den Fall zu verstehen, müssen wir zunächst auf die Hintergründe eingehen. Der Schuldner in diesem Fall war ein beamteter Lehrer im Land Niedersachsen. Im Mai 2018 stellte er einen Insolvenzantrag und beantragte gleichzeitig die Erteilung der Restschuldbefreiung. Infolgedessen wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet, und der Schuldner trat seine pfändbaren Forderungen aus seinem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht bestimmten Treuhänder ab, wie es in § 287 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) vorgesehen ist. Das Insolvenzverfahren wurde schließlich im Mai 2019 aufgehoben.
Die Corona-Sonderzahlung gemäß § 63 a NBesG
Im März 2022 erhielt der Schuldner eine Corona-Sonderzahlung gemäß § 63 a NBesG in Höhe von 1.300 €. Angesichts seiner finanziellen Situation beantragte er beim Amtsgericht (Insolvenzgericht), dass ihm diese Sonderzahlung als unpfändbare Erschwerniszulage gemäß § 850 a Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) vollständig pfändungsfrei belassen wird und nicht den Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen unterfällt.
Die Entscheidungen der Gerichte
Die gerichtliche Auseinandersetzung begann, als das Amtsgericht (Insolvenzgericht) den Antrag des Schuldners ablehnte. Doch das Beschwerdegericht sah die Dinge anders und stufte die Corona-Sonderzahlung als unpfändbar ein. Das Gericht argumentierte, dass der Landesgesetzgeber mit § 63 a NBesG eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass diese Zahlung dazu diene, die zusätzliche Belastung aufgrund der COVID-19-Pandemie abzumildern, und sie somit als Erschwerniszulage gemäß § 850 a Nr. 3 ZPO anzusehen sei.
Die BGH-Entscheidung und ihre Begründung
Die BGH-Entscheidung hat jedoch die vorherigen Urteile aufgehoben und den Fall zur erneuten Prüfung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Richter argumentierten, dass die Corona-Sonderzahlung gemäß § 63 a NBesG nicht die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage erfüllt. Diese Zulage ist normalerweise dann pfändungsfrei nach § 850 a Nr. 3 ZPO, wenn der Schuldner bei seiner Arbeit besonderen Belastungen ausgesetzt ist.
Fehlende besondere Belastungen durch die Pandemie
Die BGH-Richter betonten jedoch, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Corona-Sonderzahlung unabhängig davon erfüllt sind, ob der Empfänger besonderen Belastungen durch die Pandemie ausgesetzt war. Insbesondere machte der Landesgesetzgeber keine Anforderungen an die Arbeitnehmer, um den Anspruch auf diese Zahlung geltend zu machen, die auf besonderen pandemiebedingten Belastungen bei der Dienstausübung beruhen. Die beiden Hauptanforderungen für den Anspruch waren das Bestehen eines Dienstverhältnisses am 29. November 2021 und der Anspruch auf Dienstbezüge an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 29. November 2021.
Allgemeine Auswirkungen der Pandemie berücksichtigt
Die Entscheidung des BGH unterstreicht, dass die allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie keinen direkten Bezug zur Dienstausübung und den spezifischen Belastungen der Arbeitnehmer haben. Diese Tatsache rechtfertigt aus rechtlicher Sicht keine Behandlung der Corona-Sonderzahlung als unpfändbare Erschwerniszulage gemäß § 850 a Nr. 3 ZPO. Die Entscheidung des BGH hat somit erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung der Pfändbarkeit solcher Sonderzahlungen und wirft wichtige rechtliche Fragen auf.
Haben Sie noch Fragen zum Thema Insolvenzrecht, Corona-Pandemie oder Arbeitsrecht? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
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(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.
(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.
(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.
(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.