Verwaltungsgericht Trier Urteil, 14. März 2018 - 9 K 10507/17.TR

bei uns veröffentlicht am14.03.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windenergieanlagen (WEA) im Windpark Obere Kyll, Teilpark Stadtkyll. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

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Am 23. November 2015 beantragte die ... die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von fünf Windenergieanlagen, Nr. WEA SK 01- WEA SK 05 vom Typ Enercon 115-E TES mit 3000 kW Nennleistung, Nabenhöhe 149,08m, Rotordurchmesser 115,71m und 206,94m Gesamthöhe im Windpark Obere Kyll, Teilpark Stadtkyll (Gemarkung Schönfeld, Flur 4, Flurstück 1 und 2/1 sowie Gemarkung Stadtkyll Flur 18, Flurstücke 1 und 4). Mit Schreiben vom 29. November 2016 teilte die ... mbH mit, dass die Projektrechte der Windkraftanlagen WEA SK 01 - WEA SK 04 an die Beigeladene zu 1. und die Projektrechte der Windkraftanlage WEA SK 05 an die Beigeladene zu 2. übertragen wurden.

3

Neben diesen Anlagen wurden mit separatem Antrag fünf entsprechende weitere Anlagen im Bereich Ormont beantragt. In räumlicher Nähe befinden sich daneben bereits 93 weitere Windenergieanlagen. Parallel zu den streitgegenständlichen Windenergieanlagen verläuft die Bundesstraße B 51, an welche auf der gegenüberliegenden Seite zu den geplanten Anlagen das Gewerbegebiet „Auf Zimmer's“ grenzt.

4

Dem streitgegenständlichen Antrag wurde u. a. neben einem Gutachten der ... Berlin zu Schallimmissionen vom 17. November 2015 (samt Nachtrag vom 27. Juni 2016), einem „avifaunistischen Gutachten mit artenschutzrechtlicher Bewertung“ vom 9. Dezember 2014 (samt Aktualisierung vom 3. Juni 2016), erstellt vom Büro für Ökologie und Landschaftsplanung ... sowie einem „Gutachten zu fledermauskundlichen Untersuchungen zum Bürgerwindpark Obere Kyll“ vom 14. August 2015 von Herrn ... auch eine vom Planungsbüro ... GmbH erstellte Umweltverträglichkeitsstudie mit integriertem Fachbeitrag Naturschutz und Analyse des Landschaftsbildes vom 17. November 2015 (samt Aktualisierung vom Mai 2016) beigefügt.

5

Das Vorhaben wurde am 18. Dezember 2015 im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde Obere Kyll öffentlich bekannt gemacht und die diesbezüglichen Unterlagen in der Zeit vom 4. Januar 2016 bis zum 3. Februar 2016 während der Dienstzeiten bei der Kreisverwaltung Vulkaneifel und der Verbandsgemeindeverwaltung Obere Kyll öffentlich ausgelegt.

6

Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2016 Einwendungen gegen das beantragte Vorhaben. So mangele es an einer zusammenhängenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den gesamten Planbereich des Flächennutzungsplanes. Auch gehe von den geplanten Windkraftanlagen eine nicht kompensierbare Riegelwirkung für den Vogelzug aus. Die aktuellen Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen würden nicht eingehalten. Außerdem fehle eine belastbare Untersuchung oder Beurteilung der Lebensraumsituation des Rotwildes.

7

Mit Bescheid vom 23. August 2016 erteilte der Beklagte unter Zurückweisung der geltend gemachten Bedenken die für sofort vollziehbar erklärte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der oben genannten Anlagen auf der Gemarkung Stadtkyll/Schönfeld. Eine ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfung sei durchgeführt worden. Ferner sei eine Zugverdichtungszone mit Riegelwirkung nicht geschaffen worden. Hinsichtlich des Rotwildes seien keine artenschutzrechtlichen Auswirkungen durch die Windenergienutzung zu erwarten. Im Hinblick auf die übrigen Einwendungen der Verbände und der Forderung der Unteren Naturschutzbehörde habe ferner eine Anpassung insbesondere des Avifauna-Gutachtens in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde stattgefunden.

8

Die Genehmigung wurde mit zahlreichen Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) versehen. Diese teilen sich in folgende Unterpunkte auf:

9

I.    

Immissionsschutz-, Lärm, Schattenwurf, Eiswurf und Betriebssicherheit, immissionsschutzrechtliche Abnahmen und Prüfungen, Arbeitsschutz, Sonstiges, Baustellenverordnung

II.     

Baurecht

III.   

Naturschutz und Landschaftspflege Landschaftsbild

IV.     

Luftverkehrsrecht

V.    

Straßenrecht

VI.     

Wasser-, Abfall- und Bodenrecht

VII.   

Forstwirtschaft

VIII. 

Allgemeine Hinweise

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Dabei wurde u.a. festgehalten:

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III. „Naturschutzrechtliche Nebenbestimmungen

12

5. Es ist ein bioakustisches Gondelmonitoring und zu vereinbarende Abschaltalgorithmen zur Minimierung des erhöhten Kollisionsrisikos für Fledermäuse nach den in der Anlage 6 des naturschutzfachlichen Rahmens zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz vom 13.09.2012 beschriebenen Methoden und Zeiträumen durchzuführen.

13

Die sich daraus ergebenden Abschaltzeiten sind nachträglich zu vereinbaren.“

14

VIII. „Allgemeine Hinweise

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7. Sobald der Betreiber beabsichtigt, den Betrieb der genehmigungsbedürftigen Anlagen einzustellen, ist uns dies unter Angabe des Zeitpunktes der Einstellung unverzüglich anzuzeigen. Der Anzeige sind Unterlagen über die vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus § 5 Abs. 3 BImSchG ergebenden Pflichten beizufügen (§ 15 Abs. 3 BImSchG).“

16

Mit Schriftsatz vom 11. September 2016 legte der Kläger - ohne nähere schriftliche Begründung - Widerspruch gegen die oben genannte Genehmigung ein. In der mündlichen Sitzung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 21. Juni 2017 bezog sich der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen auf die visuell bedrängende Wirkung, welche von Windkraftanlagen, insbesondere mit großen Rotorblättern, ausgehe. Ferner erwähnte er Lärmbelästigungen und eventuelle Unfallgefahren.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2017 wurde der Widerspruch durch den Kreisrechtsausschuss des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass drittschützende Normen nicht verletzt seien. Insbesondere hielten die genehmigten Windkraftanlagen die erforderlichen Abstände zur Bundesstraße B 51 ein. Auch sei nichts dafür ersichtlich, dass die Fortschreibung des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde Obere Kyll unwirksam sein könnte. Die Genehmigung sei mit dem Artenschutzrecht vereinbar.

18

Am 20. August 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass erhebliche rechtliche Belange nicht oder unzureichend berücksichtigt worden seien.

19

So sei der Flächennutzungsplan nicht wirksam. Bei der Aufstellung des Planes sei die Gesamtlärmbelastung aus Windanlagen, der B 51 und des in der Nähe befindlichen Gewerbegebietes "Auf Zimmer's“ nicht berücksichtigt worden. Auch die erforderlichen Abwägungen zwischen dem Nutzen von Windanlagen und deren Folgen für den CO2-Haushalt seien nicht vorgenommen worden. Daneben sei gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen worden. Ferner habe es unzulässige Verstrickungen der Verbandsgemeinde Obere Kyll und der Gemeinde Stadtkyll bei der Aufstellung des Flächennutzungsplanes gegeben. Schließlich habe der Vergabe der Grundstücke für die streitgegenständlichen Windenergieanlagen keine ordnungsgemäße Ausschreibung zugrunde gelegen.

20

Darüber hinaus seien bei der UVP-Prüfung unter anderem Verfahrensvorschriften nicht eingehalten worden. Insbesondere seien Gegenstand der allgemeinen Vorprüfungen und der nachfolgenden Prüfungen nur die mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigten fünf Windenergieanlagen, nicht aber die parallel genehmigten fünf Windkraftanlagen der Windfarm Ormont oder die Bestandsanlagen der Windfarmen der Firma ... gewesen. Die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung habe demnach nicht stattgefunden. Ferner seien die Einwirkungsbereiche der streitgegenständlichen Anlagen auf die Bestandsanlagen und umgekehrt nicht berücksichtigt worden.

21

Fakten zum Artenschutz seien in erheblichem Umfang außer Acht gelassen worden, insbesondere - aber nicht nur - zum Nachteil des Rotmilans, eines Fledermaus- sowie eines Schwarzstorchhabitats. So sei die Brutvogelkartierung unklar und entspreche nicht dem üblichen Standard. Die Genehmigungsbehörde verfüge daher über keine geeignete fachliche Grundlage, um über die artenschutzrechtlichen Betroffenheiten umfassend entscheiden zu können. Ebenfalls nicht ausreichend berücksichtigt worden sei die Möglichkeit betriebsbedingter Tötungen etwa von Fledermäusen, des Rotmilans oder des Schwarzstorchs.

22

Das Vorkommen des Rotmilans sei nicht ausreichend beobachtet und erfasst worden. Die Raumnutzungsanalyse sei mangelhaft. So habe diese nicht den gesamten Teil der Saison umfasst. Auch seien Beobachtungen nur vormittags durchgeführt worden. Schließlich reiche die Raumnutzungsanalyse bereits deshalb nicht aus, da die Beobachtungen verteilt auf den Windpark „Stadtkyll“ und den Windpark „Ormont“ durchgeführt wurden, so dass jeweils nur zwei statt der erforderlichen drei Beobachter im streitgegenständlichen Gebiet vor Ort gewesen seien. Überhaupt sei der Beobachtungszeitraum von 54 Stunden einer Saison bei einer Gesamtbetriebsdauer des Windparks von 25 Jahren völlig unzureichend, da der Zeitraum der Stichprobe nur 0,084% der Gesamtlaufzeit umfasse. Ferner sei ein Mindestabstand der Windenergieanlagen von 1500 m zum Rotmilanhorst zu fordern.

23

Bezüglich der bedrohten Fledermäuse sei insbesondere das Fehlen einer Festlegung von Abschaltzeiten grob rechtswidrig. Daher fehle ein schlüssiges Konzept zur Senkung des Kollisionsrisikos. Auch im Übrigen seien die Belange der Fledermäuse nicht hinreichend berücksichtigt worden, die Vorsorgemaßnahmen (wie etwa das Gondelmonitoring) seien insoweit unzureichend. Dies habe zur Folge, dass die Zahl der Tötungen unvertretbar hoch bleibe.

24

Die erforderlichen Untersuchungen zum Schwarzstorchhabitat seien ebenfalls untauglich. Insbesondere sei keine Untersuchung des Gebietes im Abstand über 6000 m zur Windenergieanlage durchgeführt worden, obwohl es nicht nur eine gelegentliche Beobachtung des Schwarzstorchs im relevanten Gebiet gegeben hätte. Insgesamt fehle auch hier eine ausführliche Raumnutzungsanalyse.

25

Im avifaunistischen Gutachten seien schließlich mehrere Arten nahezu komplett unbeachtet geblieben, wie etwa der Mäuse- und der Wespenbussard. In der Diskussion um den Mäusebussard werde dabei grundsätzlich zu sehr auf den Schutz der Population, nicht hingegen des Individuums abgestellt. Die Möglichkeit einer baubedingten Tötung von Fichtenkreuzschnäbeln sei ebenfalls nicht ausgeschlossen.

26

Auch sei die mögliche Betroffenheit des FFH-Gebietes „Obere Kyll und Kalkmulden der Nordeifel" in der streitgegenständlichen Genehmigung mit keinem Wort erwähnt worden, obwohl mehrere Anlagen des Windparks in nur 300-400 m Entfernung zu diesem Gebiet stünden und einen Sperrriegel zu den nordwestlich gelegenen Teilen desselben Gebietes für hochmobile charakteristische Arten der Lebensraumtypen des FFH-Gebietes bildeten. Es seien insoweit Flächen der FFH-Gebiete in Anspruch genommen worden, da auch ein Umgebungsschutz zu beachten sei, der Einwirkungen von außen auf diese Gebiete zu berücksichtigen habe. Jedenfalls wäre zu prüfen gewesen, ob die streitgegenständlichen Anlagen in Verbindung mit der in der Nähe verlaufenden B 51 zu einer relevanten Störung geführt hätten. Ebenso sei das in unmittelbarer Nachbarschaft auf der anderen Straßenseite der B 51 gelegene Natura 2000-Gebiet fehlerhaft in die Gesamtbeurteilung einbezogen worden.

27

Darüber hinaus seien weder Entsorgung noch Recycling der Rotorblätter sichergestellt, weswegen allein aus diesem Grund die Anlagen nicht genehmigungsfähig seien. Ergänzend führt der Kläger aus, dass durch die genehmigten Windenergieanlagen ein massives Insektensterben drohe.

28

Schließlich würden alle Klimaziele Deutschlands auch erreicht, wenn ein Mindestabstand von 1500 m zur Wohnbebauung eingehalten werde.

29

Der Kläger beantragt,

30

den Bescheid des Beklagten vom 23. August 2016, Aktenzeichen.: 6-5610- Windpark OK Teilpark Stadtkyll in der Form des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Beklagten vom 19. Juli 2017, für fünf Windenergieanlagen vom Typ Enercon E-115 E mit 3000 kW Nennleistung und 206,94 m Gesamthöhe mit der Genehmigungsbezeichnung Nr. WEA SK 01 - WEA SK 05 in Stadtkyll,

31

mit SK 01 Gemarkung Stadtkyll, Flur 18, Flurstück 4

32

mit SK 02 Gemarkung Stadtkyll, Flur 18, Flurstück 1

33

mit SK 03 Gemarkung Schönfeld, Flur 4, Flurstück 2/1

34

mit SK 04 Gemarkung Schönfeld, Flur 4, Flurstück 2/1

35

mit SK 05 Gemarkung Schönfeld, Flur 4, Flurstück 1

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aufzuheben.

37

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

39

Seiner Auffassung nach stehe der Flächennutzungsplan in Übereinstimmung mit dem Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz und sei im Übrigen nicht zu beanstanden. Fehler bei der UVP-Prüfung, insbesondere im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung, lägen nicht vor. Belange des Artenschutzes seien in dem der Genehmigung zugrundeliegenden Gutachten des Diplombiologen F... hinreichend berücksichtigt worden. Gleiches gelte für den aktuellen Stand der Wissenschaft. Insbesondere seien Fledermaus- und Schwarzstorchhabitate ausreichend geschützt und die diesbezüglichen Belange berücksichtigt worden. Auch die angrenzenden FFH- Gebiete „Obere Kyll und Kalkmulden der Nordeifel" sowie „Schneifel" seien im Rahmen der UVP-Prüfung grundsätzlich berücksichtigt worden, wenngleich keine Beeinträchtigung dieser Gebiete zu erwarten stehe.

40

Bei den Ausführungen des Klägers zur Entsorgung der Rotorblätter handele es sich lediglich um eine rechtspolitische Forderung des Klägers.

41

Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, dass sämtliche gesetzlichen Mindestabstände, insbesondere auch zur B 51, eingehalten würden.

42

Befürchtungen zu eventuellen Unfallgefahren führten ebenso wenig dazu, dass die streitgegenständliche Genehmigung aufzuheben wäre.

43

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

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die Klage abzuweisen.

45

Die Beigeladenen ziehen zunächst in Zweifel, ob der Kläger überhaupt rechtlich in der Lage sei, Mängel des Flächennutzungsplans zu rügen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Flächennutzungsplan Belange berühre, die zu den satzungsmäßigen Zielen des Klägers gehörten. Ungeachtet dessen stelle sich der Flächennutzungsplan als rechtmäßig dar. Die Darstellung einer Konzentrationszone im Rahmen des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde sei möglich, auch ohne gleichzeitig eine Befreiung von dem Bauverbot des Landschaftsschutzgebietes „Naturpark Nordeifel" vorzusehen. Außerdem sei die Ausweisung einer Konzentrationszone in einem Flächennutzungsplan kein Freibrief für die Errichtung von Windenergieanlagen. Vielmehr sei im Einzelfall zu prüfen, ob dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Abwägungsfehler seien vorliegend nicht ersichtlich. Hinsichtlich einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes liege es im Planungsermessen der Verbandsgemeinde, bestimmte Bereiche von Windenergieanlagen freizuhalten und an anderen Stellen Konzentrationszonen für diese darzustellen.

46

Bei der UVP-Prüfung seien sämtliche geplanten wie auch bestehenden Windenergieanlagen berücksichtigt worden. Auch habe eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden.

47

Im Hinblick auf den Artenschutz sei an den angewendeten Methodenstandards nichts auszusetzen. Diese entsprächen dem Stand der Wissenschaft. So sei die Raumnutzung des Rotmilans einer ausführlichen Analyse unterzogen worden, die u.a. dazu geführt habe, dass sogar eine ursprünglich geplante weitere Windenergieanlage gestrichen worden sei. Das Tötungsrisiko bezüglich des Rotmilans sei hinreichend berücksichtigt worden. Auch seien die in die Genehmigung implementierten Vermeidungsmaßnahmen hinsichtlich einer potenziellen Störung von Fledermäusen ausreichend. Weitere Tierarten seien nicht in artenschutzrechtlich relevanter Weise vom streitgegenständlichen Vorhaben betroffen. Verstöße gegen die Verbotstatbestände des besonderen Artenschutzrechts lägen nicht vor.

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Schließlich sei der Rückbau der Windenergieanlagen, insbesondere bezüglich der Rotorblätter, durch die Abgabe einer Rückbaubürgschaft vor Baubeginn beim Beklagten sichergestellt worden.

49

Das Verwaltungsgericht Trier hat den Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Verfahren 6 L 6916/16.TR mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 als unbegründet abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017 (Az.: 8 B 11885/16.OVG) ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen.

50

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Gerichtsakten des Eilverfahrens des Verwaltungsgerichts Trier (6 L 6916/16.TR) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (8 B 11885/16.OVG) sowie die vorliegenden Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der

51

mündlichen Verhandlung. Ferner wird auf das diesbezügliche Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig (hierzu A.), aber unbegründet (hierzu B.).

A.

53

Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO.

54

Der Kläger kann sich gemäß § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 des Umweltrechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - darauf berufen, dass vorliegend eine Zulassungsentscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG - nicht rechtmäßig getroffen worden sein könnte. Als eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung kann der Kläger Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen diese Entscheidung einlegen, auch ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen.

55

Nach § 2 Abs. 4 UmwRG sind Rechtsbehelfe nach § 2 Abs. 1 UmwRG begründet, soweit

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1. die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder

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2. die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,

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und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. An der Klagebefugnis des Klägers bestehen vor diesem Hintergrund keine durchgreifenden Zweifel. Ob vorliegend tatsächlich ein Verstoß vorliegt, welcher Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung des Klägers nach dessen Satzung fördert, ist demgegenüber eine Frage der Begründetheit des eingelegten Rechtsbehelfs.

59

Mit Bejahung der Klagebefugnis nach den Vorschriften des Umweltrechtsbehelfsgesetzes ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1/13 -, NVwZ 2014, 669, 670).

B.

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Die mithin zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 23. August 2016 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2017 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu I.) und auch materiell rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (dazu II.).

I.

61

Die Erteilung der streitgegenständlichen Genehmigung ist nicht aufgrund einer nicht durchgeführten oder mangelhaften Umweltverträglichkeitsprüfung und einer daraus resultierenden unvollständigen Öffentlichkeitsbeteiligung rechtsfehlerhaft.

62

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist - entgegen der (insoweit ggfs. missverständlichen) Auffassung des Klägers im Schriftsatz vom 8. März 2018 - durchgeführt worden. Der Hinweis des Klägers darauf, dass in der durchgeführten Prüfung nur die fünf streitgegenständlichen Windenergieanlagen begutachtet worden seien, verfängt nicht.

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a) Bei dem vorliegenden UVP-Gutachten und demjenigen bezüglich des Windparks Ormont handelt es sich zwar dem Titel nach um getrennte Umweltverträglichkeitsprüfungen. Indes wird bei einem Blick in die jeweiligen Gutachten sofort deutlich, dass sich beide UVP inhaltlich mit beiden jeweils gesellschaftsrechtlich eigenständigen Teilen des Windparks auseinandersetzen. Bereits in der Einleitung (Bl. 7) wird Bezug genommen auf die Errichtung von insgesamt zehn Windenergieanlagen, wovon fünf auf den Teilpark Ormont sowie fünf weitere auf den Teilpark Stadtkyll entfallen. Ferner sind die zehn WEA in den Übersichtskarten gemeinschaftlich aufgeführt (vgl. etwa S. 43, 46, 58 der UVP vom 17. November 2015). Auch im Übrigen erfolgte die Begutachtung jeweils gemeinschaftlich, die Gutachten sind - soweit ersichtlich - nahezu vollständig wortgleich.

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b) Auch mit Blick auf die Bestandsanlagen liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften zur UVP-Prüfung vor.

65

Selbst wenn man hier faktisch von einem gemeinsamen Windpark mit den Bestandsanlagen ausgehen wollte, bedarf es im Hinblick auf die bereits bestehenden Windenergieanlagen zunächst grundsätzlich keiner erneuten UVP hinsichtlich des Grundvorhabens (vgl. Sangenstedt, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, § 3e UVPG, Rn. 20). Ausschließlich das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben (hier also die streitgegenständlichen WEA sowie der Teilpark Ormont) bedarf einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Bei dieser sind jedoch nicht nur die durch die Erweiterung selbst ausgelösten Umweltauswirkungen, sondern auch die unverändert fortbestehenden Umwelteffekte des Grundvorhabens zu berücksichtigen. Gefordert ist demnach eine Gesamtbetrachtung aller erforderlichen Umweltauswirkungen, die von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgehen können. Hinsichtlich der Umweltauswirkungen des Grundvorhabens kann die Behörde dabei auf die Ergebnisse früherer Umweltverträglichkeitsprüfungen, die für das Grundvorhaben durchgeführt worden sind, zurückgreifen. Erneute oder zusätzliche Prüfungen müssen insoweit nur eingestellt werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erkenntnisse früherer UVP- Verfahren überholt oder aus sonstigen Gründen fehlerhaft sind (Sangenstedt, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, § 3e UVPG, Rn. 20).

66

Diesen Vorgaben genügt die vorliegende Umweltverträglichkeitsprüfung. In deren Rahmen wurden entgegen der Auffassung des Klägers die bereits existierenden Windenergieanlagen umfassend berücksichtigt. Lediglich beispielhaft sei verwiesen auf Seite 18 („existierende in Berechnung verwendete WA: 93“), Seite 43 („am Goldberg befinden sich bestehende Windenergieanlagen als Vorbelastung des Landschaftsbildes“) oder Seite 45 („Vorbelastungen: Im Untersuchungsgebiet finden sich zahlreiche bestehende Windenergieanlagen oder andere mastartige Bauwerke als Vorbelastung des Landschaftsbildes [...]“) der UVP- Ergänzung vom Mai 2016. Auch die fotorealistischen Visualisierungen für die jeweiligen Wirkbereiche zeigen nicht nur die geplanten WEA, sondern nehmen die Bestandsanlagen in die Visualisierungen auf. Insgesamt zeigt sich, dass die bestehenden Anlagen im Rahmen der UVP sehr wohl einbezogen und berücksichtigt wurden. Die Durchführung einer noch umfänglicheren UVP war nicht erforderlich, zumal der Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür vorträgt, warum die Erkenntnisse der früheren UVP- Verfahren überholt oder aus sonstigen Gründen fehlerhaft sein sollten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger nachträglich angeführten Studie des BDI vom 18. Januar 2018 unter dem Titel “Klimapfade“.

67

Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand des Klägers fehl, dass keine ausreichende Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden habe. Das Vorhaben wurde am 18. Dezember 2015 im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde Obere Kyll öffentlich bekannt gemacht und die diesbezüglichen Unterlagen wurden (mitsamt der dazugehörigen UVP-Studie) in der Zeit vom 4. Januar 2016 bis zum 3. Februar 2016 während der Dienstzeiten bei der Kreisverwaltung Vulkaneifel und der Verbandsgemeindeverwaltung Obere Kyll öffentlich ausgelegt (vgl. Blatt 53 ff. der Verwaltungsakte).

68

c) Soweit der Kläger Verstöße gegen materielles Arten- und Habitatschutzrecht rügt, kann er sich nicht auf eine fehlerhafte UVP-Prüfung oder eine fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung berufen. Denn bei den vom Kläger gerügten Verstößen gegen materielles Arten- und Habitatschutzrecht handelt es sich nicht um Ermittlungs- oder Bewertungsfehler im Rahmen einer UVP, sondern vielmehr um materielle Fehler des Natur- und Artenschutzrechts, die auch nicht von § 4 Abs.1 Nr. 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz - UmwRG - und damit auch nicht von § 4 Abs.1a UmwRG erfasst sind (vgl. Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06. Juli 2016 - 2 L 84/14 -, Rn. 186, juris; instruktiv auch VG Würzburg, Urteil vom 20. Dezember 2016 - W 4 K 14.354 -, Rn. 35 ff., juris). Insoweit ist auch nicht ersichtlich, wie diese Fehler den Kläger in seiner Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess beeinträchtigen könnten, zumal die Unterlagen zur UVP ausgelegt wurden und die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme - spätestens im Erörterungstermin - bestand. Darüber hinaus hat der Kläger nicht dargelegt und ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, wie die angeblich mangelhafte Untersuchung des Vorkommens von Rotmilan, Schwarzstorch, Fledermäusen u.a. ihn in seinen Beteiligungsrechten eingeschränkt haben soll.

II.

69

Die mithin formell rechtmäßige Genehmigung ist auch materiell rechtmäßig.

70

Gemäß der Bestimmung des § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ist ein Rechtsbehelf nach § 2 Abs. 1 UmwRG gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG begründet, soweit die in Rede stehende Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, welche die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert.

71

Von diesem Maßstab ausgehend wurde die streitgegenständliche Genehmigung weder wegen eines Verstoßes gegen das artenschutzrechtliche Zugriffsverbot (dazu 1.) oder einer Beeinträchtigung eines in § 33 Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG - genannten Gebietes (dazu 2.) rechtsfehlerhaft erteilt, noch kann sich der Kläger auf die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplanes (dazu 3.) oder andere Genehmigungshindernisse (dazu 4.) wirksam berufen.

1.

72

Das zugelassene Vorhaben der Beigeladenen verstößt nicht gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.

73

Der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen und verlangt kein absichtliches Handeln. Es genügt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns erweist. Soll das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht zu einem unverhältnismäßigen Hindernis für die Realisierung von Vorhaben werden, so ist zur Erfüllung des Tatbestandes allerdings zu fordern, dass sich das Risiko des Schadenseintritts durch das Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, BeckRS 2008, 38060, Rn. 219). Der Begriff der "Signifikanz" ist dabei als eine deutliche Steigerung des Tötungs- und Verletzungsrisikos zu verstehen. Dazu reicht es regelmäßig nicht aus, dass einzelne Exemplare durch das Vorhaben zu Schaden kommen. Hiernach ist das Tötungs- und Verletzungsverbot grundsätzlich nicht erfüllt, wenn das Vorhaben, jedenfalls aufgrund von Vermeidungsmaßnahmen, kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren verursacht, mithin unter der Gefahrenschwelle in einem Risikobereich verbleibt, der im Naturraum immer gegeben ist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (Oberverwaltungsgericht Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 30. Juli 2009 - 8 A 2357/08 -, Rn. 143, juris).

74

Bei der Beurteilung, ob Vorhaben ein signifikant erhöhtes Risiko insbesondere kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren einer besonders geschützten Art verursachen und deshalb das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG normierte Tötungs- und Verletzungsverbot tatbestandlich verwirklicht wird, steht der Genehmigungsbehörde in aller Regel eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die getroffene Einschätzung der Behörde naturschutzfachlich vertretbar ist und nicht auf einem unzulänglichen oder ungeeigneten Bewertungsverfahren beruht. Das Gericht bleibt mithin verpflichtet zu überprüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht überprüfen zu können. Dies setzt voraus, dass die Behörde eine den wissenschaftlichen Maßstäben und vorhandenen Erkenntnissen entsprechende Sachverhaltsermittlung zur Erfassung eines Bestandes an besonders geschützten Arten vorgenommen hat. Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der danach erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchung zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Schutzgüter im jeweiligen Planungsraum lassen sich mangels normativer Festlegungen nur allgemein beschreiben und sind maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig. In der Regel speisen sich die Untersuchungen aus einer vor Ort durchgeführten Bestandserfassung sowie der ergänzenden Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse einschließlich fachspezifischer Literatur. Eine der Behörde zugestandene naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative bezieht sich dabei sowohl auf die Erfassung des Bestandes geschützter Arten vor Ort als auch auf die daran anknüpfende Bewertung derjenigen Risiken, denen diese Arten bei Realisierung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens voraussichtlich ausgesetzt sein werden. (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14/07 -, NVwZ 2009, 302, 307 ff., Rn. 59ff., 64 ff.; Bay. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2016 - 22 BV 15.2003 -, Rn. 25, juris).

75

Die Kammer nimmt vor diesem Hintergrund zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts Trier im Eilbeschluss vom 7. Dezember 2016 (6 L 6916/16.TR) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 15. März 2017 (Az.: 8 B 11885/16.OVG). Insbesondere weist die Kammer erneut darauf hin, dass die Orientierung des Beklagten an den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens zum Ausbau der Windenergienutzung in Rheinland-Pfalz" vom 13. September 2012 insbesondere im Hinblick auf die oben erwähnte naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative nicht zu beanstanden ist (vgl. Beschluss des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017, aaO, S. 7). Danach stellt diese Untersuchung eine fachlich fundierte Orientierungshilfe dar, die dem Stand der Wissenschaft entspricht und daher im Rahmen der Einzelfallprüfung behördlicherseits und gerichtlich herangezogen werden kann.

76

Gemessen an diesen Anforderungen verstößt das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen, auch unter Beachtung der dem Beklagten zukommenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative, nicht gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Eine Verletzung des artenschutzrechtlichen Zugriffsverbotes liegt zur Überzeugung des Gerichts weder mit Blick auf Rotmilane (dazu a.) noch auf Fledermäuse (dazu b.), Schwarzstörche (dazu c.) oder übrige Arten (dazu d.) vor.

a)

77

Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht.

78

Die Kammer nimmt insoweit zunächst Bezug auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters .... Bereits das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass die für die Raumnutzungsanalyse durchgeführten Untersuchungen nach Zahl, Dauer und Durchführungsmodalitäten den Vorgaben im “Naturschutzfachlichen Rahmen" entsprachen (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. März 2017, aaO, S. 8f.). Die Kammer teilt diese Einschätzung.

79

Bezüglich der vom Kläger unter Bezugnahme auf das ergänzende Gutachten des Herrn ... zusätzlich vorgebrachten Kritikpunkte ist vorab darauf hinzuweisen, dass das vom Kläger nunmehr vorgelegte Gutachten bereits die Grundlage der der Genehmigung zugrundeliegenden Gutachten nicht angreift. Insbesondere wendet sich das ...-Gutachten bereits seiner Ausgangsfrage nach nicht allgemein der Frage einer korrekten Anwendung des „Naturschutzfachlichen Rahmens“. So bestand der Gutachtenauftrag des Büros ... nicht darin, zu untersuchen, ob die Vorgaben dieses Rahmens umgesetzt wurden, sondern ob nach Auffassung des Gutachtenbüros ... die „Belange des Arten- und Habitatschutzes in hinreichender Weise Berücksichtigung“ gefunden haben (vgl. S. 4 des Gutachtens). Auch in der mündlichen Verhandlung hat Dr. ... wiederholt dargelegt, dass seiner Auffassung nach die Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens“ nicht (mehr) den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegeln und somit nicht den relevanten Maßstab darstellen können, sondern dass die Belange des Artenschutzes nach den Vorgaben anderer Untersuchungen zu ermitteln oder zu beurteilen wären. Persönliche Wahrnehmungen und Untersuchungen bezüglich des in Rede stehenden Gebietes konnte Herr Dr. ... dabei nicht in seine Ausführungen einfließen lassen, da er das Gebiet um die streitgegenständlichen Windenergieanlagen bislang nicht be- oder untersucht und damit auch keine eigene Bestandsaufnahme durchgeführt hat.

80

Inhaltliche Kritik dahingehend, dass den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens" bei der Erstellung der Gutachten nicht genügt worden sei, wird vor diesem Hintergrund vom Kläger nur vereinzelt vorgetragen:

81

aa) Vergeblich rügt der Kläger etwa eine nicht ausreichende Raumnutzungsanalyse bezüglich des Rotmilans.

82

Im Hinblick auf die Erfassung des Rotmilans ist im „Naturschutzfachlichen Rahmen" (S. 84) folgendes vorgesehen:

83

„Im Prüfbereich werden über die Beobachtung balzender, Nahrung suchender sowie Beute eintragender Altvögel die konkreten Bruthabitate identifiziert. Darin erfolgt anschließend die Suche nach besetzten Horststandorten. Als obligatorischer Zeitraum der Horstbesetzung ist das laubarme Frühjahr (März) zu empfehlen. Hauptaktivitätsräume (Nahrungshabitate) zur Abgrenzung des Brutreviers (homerange) sind zu dokumentieren. Ferner ist eine obligate Untersuchung der Raumnutzung (Aufenthaltswahrscheinlichkeit in essentiell bedeutenden Habitaten) mittels Funktionsraumanalyse zu empfehlen".

84

Zur Durchführung der empfohlenen Funktionsraumanalyse ist vorliegend in Ergänzung der allgemeinen Vorgaben aus dem „Naturschutzfachlichen Rahmen" - für die Kammer nachvollziehbar - auf die „Aktionsraumanalyse Rotmilan" der „Arbeitsgemeinschaft fachliche Standards der Vogelschutzwarten" vom 30. April 2013 (https://www.yumpu.com/de/document/view/15903124/aktionsraumanalyse-rotmilan, S. 6, zuletzt abgerufen am 26. März 2018) zurückgegriffen worden. Darin wird geraten:

85

„Um methodische Fehler zu vermeiden ist unbedingt zu beachten, dass u.a. die Erfassungstermine für Flugbewegungen zum Nahrungshabitat sowie in Verbindung mit anderen Raumnutzung-Aktivitäten von Mitte März bis Anfang August und angepasst an die verschiedenen Phasen der Brutzeit [...] verteilt stattfinden.

86

Erforderlich sind mindestens 15 Untersuchungstage mit 18 repräsentativen Untersuchungsphasen und jeweils mindestens 3-stündiger Kartierungs-Einheit“.

87

Sowohl den allgemeinen Anforderungen des „Naturschutzfachlichen Rahmen" wie auch den ergänzenden Empfehlungen der (vom „Naturschutzfachlichen Rahmen" nicht verbindlich vorgegebenen) „Aktionsraumanalyse Rotmilan" genügt das vorgelegte „avifaunistische Gutachten mit artenschutzrechtlicher Bewertung" vom 9. Dezember 2014 (samt Aktualisierung vom 3. Juni 2016).

88

Im Hinblick auf die Anzahl der Begehungen hält selbst das vom Kläger vorgelegte ...-Gutachten fest, dass im Rahmen des avifaunistischen Gutachtens des Gutachters ... die für die Raumnutzungsanalyse erforderlichen achtzehn Untersuchungsphasen durchgeführt worden sind (vgl. S. 9 des ...-Gutachtens). Die dennoch vorgetragene Kritik, dass an den jeweiligen Terminen die Raumnutzungsanalyse für zwei Windparks (Stadtkyll und Ormont) gleichzeitig durchgeführt worden wäre, ist für die Kammer diesbezüglich nicht nachzuvollziehen. Denn aus der gleichzeitigen Begehung folgt nicht, dass im streitgegenständlichen Gebiet eine Raumnutzungsanalyse nicht an den vorgeschlagenen achtzehn Terminen durchgeführt worden wäre. Außerdem liegen beide Gebiete räumlich eng zusammen, weshalb die Kammer keinen Zweifel hat, dass die Ergebnisse bei einer Beobachtung aus dem Gebiet des Windparks „Ormont" heraus auch Gültigkeit für das streitgegenständliche Gebiet beanspruchen können. Lösgelöst dessen stellten die Beobachtungspunkte in den beiden Gebieten keine absoluten Fixpunkte bei der Beobachtung dar. Je nach Beobachtung erfolgte nämlich eine Anpassung des Standortes an das Raumnutzungsverhalten des Rotmilans, so dass die jeweiligen Beobachter den Rotmilanen folgten. Bei Beachtung dieser Vorgaben wurden dann sowohl die Zeit als auch soweit möglich die Höhe und der Charakter des Fluges vermerkt. Die Kammer hält ein derartiges Vorgehen für nachvollziehbar und ausreichend.

89

Auch die Dauer der Termine für die Raumnutzungsanalyse ist nicht zu beanstanden. Denn ausweislich Tabelle 1 des avifaunistischen Gutachtens des Gutachters ... vom 9. Dezember 2014 umfasste die Begehung an sämtlichen achtzehn Terminen jeweils drei Stunden.

90

Ebenso wenig greift der Einwand des Klägers durch, wonach die Raumnutzungsanalyse lediglich vormittags stattgefunden habe. So wird aus der vom Gutachter ... vorgelegten Tabelle etwa deutlich, dass am 9. August 2014 auch von 16:00 bis 19:00 Uhr eine Begehung stattgefunden hat. Am 30. Mai und am 27. Juni 2014 erfolgte zudem eine abendliche Begehung zur Kontrolle bettelrufender Jungvögel (Eulen), während welcher signifikante Änderungen hinsichtlich der Raumnutzung durch andere Vogelarten ebenfalls aufgefallen wären. Schließlich ist festzuhalten, dass sich aus dem „Naturschutzfachlichen Rahmen" keine Verpflichtung ergibt, die Raumnutzungsanalysen zu verschiedenen Tageszeiten, also nicht durchgehend vormittags, durchzuführen.

91

Sofern der Kläger kritisiert, dass die Untersuchungen nicht im Zeitraum von Mitte März bis Mitte August, sondern erst ab Anfang April (konkret ab dem 9. April 2014) durchgeführt worden seien und damit drei Wochen zu spät mit der Beobachtung begonnen wurde, stellt auch dies keinen Widerspruch zu den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens" dar. Gutachter ... hat dazu - insoweit vom Kläger unwidersprochen - in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass Rotmilane im untersuchten Brutgebiet in der Regel erst im Zeitraum von Mitte bis Ende März nach der Überwinterung einträfen. Erst ab diesem Zeitpunkt werde die Raumnutzungsanalyse aussagekräftig, so dass erst nach Ankunft der Brutvögel eine Begehung erforderlich sei und eine Begehung ab Anfang April - wie durchgeführt - daher ausreiche. Vor diesem Hintergrund stellt sich der Zeitraum der durchgeführten Raumnutzungsanalyse für die Kammer als nachvollziehbar und schlüssig dar. Konkrete Anhaltspunkte, denen zufolge eine frühere Untersuchung andere Ergebnisse gezeitigt hätte, hat der Kläger nicht vorgetragen.

92

bb) Sofern der Kläger auch in der Klagebegründung unter Bezugnahme auf weitere Fachbeiträge wie etwa die PROGRESS-Studie erneut vorträgt, dass ein höherer Mindestabstand zu Rotmilanhorsten anzusetzen wäre und insoweit ein KO- Kriterium von mindestens 1.500 m zu gelten habe, ist es nicht ersichtlich, dass diesen Fachbeiträgen ein anerkannt höherer fachlicher Wert zukäme als dem „Naturschutzfachlichen Rahmen" (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, aaO, S.8 unter Verweis auf Ruß, NuR, 2016, 803). Bezüglich des vom Gutachter ... angesetzten Mindestabstands von 1.000m hat die Kammer vor diesem Hintergrund keine durchgreifenden Bedenken, so dass für den Beklagten keine

93

Veranlassung bestand, ein eigenes - über das avifaunistische Gutachten des Gutachters ... hinausgehendes - Gutachten einzuholen.

94

cc) Auch die Tatsache, dass im Abstand von 1.240m zur nächstgelegenen Windenergieanlage ein Rotmilanhorst festgestellt wurde, führt im konkreten Fall nicht zu einem erhöhten Tötungsrisiko. Denn ausweislich des „Naturschutzfachlichen Rahmens" (vgl. dort S. 83) ist zwar der „Bereich unter 1.500m um betrachtungsrelevante Brutvorkommen (Fortpflanzungsstätte) grundsätzlich einem sehr hohen Konfliktpotenzial zuzuordnen“. Auf Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen konnte jedoch im vorliegenden Fall verzichtet werden. Denn im Hinblick auf den erwähnten Horst konnten im Rahmen der Raumnutzungsanalyse tatsächlich „nur an einem Tag Flugbewegungen des Rotmilans" (vgl. S. 17 des avifaunistischen Gutachtens vom 7. Dezember 2014) registriert werden. Die Einschätzung des Gutachters ..., dass demnach „nur eine maximal gelegentliche Raumnutzung vor[liegt], so dass kein erhöhtes Kollisionsrisiko zu sehen ist" erachtet die Kammer vor diesem Hintergrund ebenfalls als schlüssig und nachvollziehbar.

b)

95

Von einem erhöhten Tötungsrisiko für Fledermäuse ist ebenfalls nicht auszugehen.

96

Sofern der Kläger die Anlage 6 des „Naturschutzfachlichen Rahmens" (Bioakustisches Gondel- oder Höhenmonitoring und Abschaltalgorithmus (temporäre Betriebszeitbeschränkungen), welche die Minimierung des erhöhten Kollisionsrisikos schlaggefährdeter Fledermausarten zum Ziel hat, als nicht mehr aktuell erachtet, wird erneut darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Kammer die Orientierung an den Vorgaben des Rahmens nicht zu beanstanden ist (vgl. Beschluss des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017, aaO, S. 7).

97

Soweit der Kläger rügt, dass die Erfassung von Fledermausarten in hohem Luftraum durch die bodengestützten Erhebungen nicht möglich war, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. So stellt bereits der Kläger selbst nicht in Abrede, dass etwa der Große Abendsegler, welcher bevorzugt in hohem Luftraum fliegt, im Rahmen der bodengestützten Erfassung (wenngleich nur in Einzelfällen) nachgewiesen wurde. Darüber hinaus sind im „Naturschutzfachlichen Rahmen" keinerlei Vorgaben niedergelegt, welche eine Untersuchung verlangen, die über eine bodengestützte Erfassung hinausgeht.

98

Nachdem bei den vorgenommenen Untersuchungen im Untersuchungsgebiet - vom Kläger insoweit unwidersprochen - und insbesondere in der nahen Umgebung der geplanten WEA-Standorte lediglich die Zwergfledermaus in einem erhöhten Umfang nachgewiesen wurde, ist an der Einschätzung des Gutachters Dr. ..., dass hinsichtlich der übrigen kollisionsgefährdeten Fledermausarten wie Breitflügelfledermaus, Großer Abendsegler und Rauhautfledermaus keine Beeinträchtigung der lokalen Population zu befürchten ist, nichts zu beanstanden.

99

Hinsichtlich der Zwergfledermaus hat die Beklagte zur Minimierung des insoweit erhöhten Kollisionsrisikos im Rahmen der Nebenbestimmungen zur streitgegenständlichen Genehmigung in Ziff. III. 5. ein bioakustisches Gondelmonitoring und zu vereinbarende Abschaltalgorithmen vorgeschrieben. Dieses entspricht den Vorgaben der Anlage 6 des „Naturschutzfachlichen Rahmens" und ist nicht zu beanstanden.

100

Die weitere Kritik des Klägers, wonach dem Individuenschutz der einzelnen Fledermäuse nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei, verfängt vor dem Hintergrund der oben niedergelegten Grundsätze nicht. Wie bereits ausgeführt reicht es regelmäßig nicht aus, dass einzelne Exemplare durch das Vorhaben zu Schaden kommen. Denn das Tötungs- und Verletzungsverbot ist grundsätzlich nicht verletzt, wenn das Vorhaben, jedenfalls aufgrund von Vermeidungsmaßnahmen, kein signifikant erhöhtes Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren verursacht. Im Hinblick auf die eben geschilderten Vermeidungsmaßnahmen sowie die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Beklagten ist die auf dem Gutachten Dr. ... beruhende Einschätzung, wonach es zu keinem signifikant erhöhten Risiko des Verlustes von Einzelexemplaren von Zwergfledermäusen kommt, nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die in Ziff. III. 5. der Nebenbestimmungen vorgesehene Ausrichtung des Abschaltalgorithmus an den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens" nicht zu beanstanden, welcher als Ziel vorgibt, dass im Regelfall die Zahl der verunglückten Fledermäuse bei unter zwei Individuen bei Anlage und Jahr liegt.

101

Die Behauptung des Klägers, wonach die vorgesehenen Schaltzeiten unzureichend seien, um das Tötungsrisiko auf ein nicht mehr signifikantes Maß zu senken, wird auch durch fortwährende Wiederholung nicht stichhaltiger (vgl. insoweit nur Beschlusses des Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017, aaO, S. 11).

102

Soweit der Kläger schließlich vorträgt, dass die Windkraftanlagen durch deren Geräuschentwicklung einige Fledermausarten bei der Nahrungssuche behindern, insbesondere in der letzten Phase zur passiven Ortung durch vorhergehende Eigengeräusche, geht auch dieser Einwand fehl, da die vom Kläger genannten strukturgebundenen, ortstreuen Fledermausarten im störungsempfindlichen Nahbereich der Windenergieanlagen gerade nicht nachgewiesen wurden.

c)

103

Für den Schwarzstorch besteht ebenfalls kein erhöhtes Tötungsrisiko gemäß § 44 Abs.1 Nr.1 BNatSchG.

104

Soweit der Kläger zum wiederholten Male rügt, dass hinsichtlich des Schwarzstorches keine ausführliche Raumnutzungsanalyse stattgefunden habe, verweist das Gericht erneut auf Seite 9 und 10 des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017 im vorausgegangenen Eilverfahren, wonach das Gutachten des Diplom-Biologen F... auch diesbezüglich nicht zu beanstanden und ein signifikant erhöhtes Verletzungs- und Tötungsrisiko für den Schwarzstorch durch den Betrieb der genehmigten Windenergieanlagen auszuschließen ist.

105

Maßgebliche neue Anhaltspunkte hinsichtlich eines erhöhten Tötungsrisikos des Schwarzstorchs wurden vom Kläger im Hauptsacheverfahren nicht vorgebracht, insbesondere liegt den Ausführungen des Klägers hinsichtlich des Schwarzstorches keine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens" zugrunde. Der Hinweis auf eine „Dunkelziffer" bei den Schlagopfern verfängt ebenso wenig wie die Vermutung, dass sich eine Kollisionsgefahr erst mit dem „Vordringen der Windkraftanlagen in den Wald" verdeutlichen werde.

d)

106

Auch im Hinblick auf andere Arten erweist sich die streitgegenständliche Genehmigung nicht als rechtsfehlerhaft.

107

aa) Die Befürchtung des Klägers, durch die in Rede stehenden Anlagen könne der Wespenbussard angelockt werden, überzeugt nicht. Insofern gesteht sogar das Gutachten ... (vgl. S. 37) zu, dass der Wespenbussard im „Naturschutzfachlichen Rahmen" nicht als kollisionsgefährdet geführt wird. Darüber hinaus ist eine Gefährdung des Wespenbussards auch nicht konkret vorgetragen. Die im Gutachten postulierten „Hinweise auf Anlockung von Wespenbussarden" genügen insoweit nicht.

108

bb) Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf den Abschlussbericht des Forschungsvorhabens PROGRESS darauf hinweist, dass ein von ihm angenommenes Kollisionsrisiko hinsichtlich des Mäusebussards die Gefahr hervorrufe, dass es zu einem kontinuierlichen Rückgang dieser Art kommen werde, sieht die Kammer im Hinblick auf die dem Beklagten zustehende naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative keine Veranlassung, das Ergebnis des Gutachtens F... in Zweifel zu ziehen (vgl. auch Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, aaO, S. 8).

109

Losgelöst dessen bedurften vom Kläger behauptete Gefährdungen des Mäusebussards und des Wespenbussards, aber auch des Kolkraben und des Turmfalken, von vornherein keiner intensiveren Überprüfung im Rahmen des avifaunistischen Gutachtens, da es sich bei diesen Tierarten gemäß dem „Naturschutzfachlichen Rahmen" nicht um windenergiesensible Vogelarten handelt. Sofern der Kläger in der mündlichen Verhandlung vortragen ließ, dass der Mäusebussard als Individuum zunehmend bedroht sei und in einem Leitfaden des Landes Thüringen nunmehr als besonders schutzbedürftig ausgewiesen werde, mag dies die derzeit andauernde und vermutlich nie wirklich abgeschlossene wissenschaftliche Diskussion über die konkret erforderlichen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Kollisionsgefährdung des Mäusebussards illustrieren. Widersprüche zwischen dem vorliegenden avifaunistischen Gutachten und dem „Naturschutzfachlichen Rahmen" hat der Kläger dadurch nicht deutlich gemacht.

110

Ergänzend ist noch auszuführen, dass auch die mündliche Verhandlung kein erhöhtes Tötungsrisiko für den Mäusebussard ergeben hat. Der Gutachter ... hat hier vielmehr dargestellt, dass lediglich ein Horst des Mäusebussards in ca. 800 m Entfernung von einer der Anlagen aufgefunden worden sei. Der Mäusebussard verfüge indessen nur über einen kleineren Aktionsradius als der Rotmilan, wobei von einem Schutzbereich von bis zu 500 m auszugehen sei. Aufgrund der Entfernung hat der Gutachter ... das Tötungsrisiko überzeugend als besonders gering angesehen.

111

cc) Eine mögliche Gefährdung des Fichtenkreuzschnabels durch Tötungen während einer Rodung in der Brutzeit sieht das Gericht ebenfalls nicht. Denn bei einer Untersuchung anlässlich von zwei Terminen am 13. Juli 2016 und 9. August 2016 konnte an keinem der untersuchten Standorte und der dazugehörigen Eingriffsbereiche ein Baum mit Vogelbruten oder ernst zu nehmenden Hinweisen auf solche entdeckt werden.

2.

112

Ein Verstoß gegen § 6 Abs.1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 33 BNatSchG liegt ebenfalls nicht vor.

113

Auf die auch im Hauptsacheverfahren neuerlich wiederholte Kritik des Klägers, wonach die angefochtene Genehmigung nicht mit dem Natura-2000-Gebietsschutz vereinbar sei, verweist das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungen des VG Trier und des Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz im Eilverfahren. Weiterhin bestehen aus Sicht der Kammer keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Errichtung oder der Betrieb der genehmigten fünf Windenergieanlagen zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura-2000- Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen könnte. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst keine substantiellen Einwendungen vorbringt, wonach erhebliche Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebietes drohten. Nach Auffassung des Klägers reiche insoweit „die alleinige Möglichkeit [...] schon aus". Dies ist jedoch nicht der Fall. Sofern der Kläger des Weiteren eine „reale, durch tatsächlich bestehende Anhaltspunkte untermauerte Besorgnis" vorträgt, bleibt er einen belastbaren Vortrag schuldig. Insbesondere legt der Kläger auch diesbezüglich nicht dar, inwiefern den Vorgaben des „Naturschutzfachlichen Rahmens" nicht genügt werde.

114

Die vom Kläger kritisierte Nähe der streitgegenständlichen Anlagen zu den FFH- Gebieten „Obere Kyll und Kalkmulden der Nordeifel" und „Schneifel" ändert an diesem Ergebnis nichts. Dass im Eingriffsgebiet Vogel- und Fledermausarten auftreten, deren Vorkommen auch bestimmte Lebensraumtypen des FFH-Gebietes mit einschließt, vermag grundsätzlich nicht zu verwundern und hängt mit der weiten Verbreitung dieser Lebensraumtypen zusammen. Entscheidend ist jedoch, dass sich keiner der geplanten WEA-Standorte innerhalb oder in unmittelbar angrenzender Nähe zu den genannten FFH-Gebieten befindet, so dass auch indirekte Beeinträchtigungen der in diesen Gebieten geschützten Lebensraumtypen durch den Bau oder den Betrieb der genehmigten Anlagen nicht zu erwarten sind (vgl. VG Trier, Beschluss vom 7. Dezember 2016, aaO, S. 11; bestätigt durch Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. März 2017, aaO, S. 12). Die diesbezügliche Untersuchung auf Seite 48 ff. der Umweltverträglichkeitsprüfung vom Mai 2016 wurde vom Kläger oder das Schreiber-Gutachten durch kein konkretes Vorbringen angegriffen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dem FFH-Gebiet „Obere Kyll und Kalkmulden der Nordeifel" ausweislich Seite 49 des „Naturschutzfachlichen Rahmens" nur ein geringes Konfliktpotenzial im Hinblick auf die Windenergienutzung zugeschrieben wird.

3.

a)

115

Der Kläger vermag die streitgegenständliche Genehmigung auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 S. 3 des Baugesetzbuches - BauGB - wegen vermeintlicher Mängel des Flächennutzungsplans oder wegen einer fehlenden Ausschreibung von Gemeindeflächen wirksam anzugreifen.

116

Gemäß § 2 Abs. 4 UmwRG ist der Rechtsbehelf des Klägers nur begründet, sofern ein (theoretischer) Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, welche eine Vereinigung nach ihrer Satzung fördert.

117

In § 2 Abs. 1 der Satzung des Klägers vom 9. Mai 2014 sind insoweit die Ziele und Aufgaben des Klägers festgehalten. Dieser lautet wie folgt:

118

„(1) Der Landesjagdverband verwirklicht als vorrangige Ziele und Aufgaben die nachhaltige Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, der Nutzungsfähigkeit der Naturgüter, der Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft durch

119

- Schutz und Erhaltung der Artenvielfalt durch Sicherung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen,

120

- Erhaltung unbebauter Bereiche als Lebensraum für die frei lebende Tierwelt,

121

- Pflege und Wiederherstellung von Wasserflächen und Feuchtgebieten,

122

- sparsamen und schonenden Umgang mit sich erneuernden und sich nicht erneuernden Naturgütern

123

unter Wahrung der Belange der Landeskultur, der Förderung des Natur- und Umweltschutzes sowie der Landespflege und des Tierschutzes.“

124

Dies vorausgesetzt kann sich der Kläger nicht auf Mängel des Flächennutzungsplans der Verbandsgemeinde berufen. Das allgemeine Ziel „Natur- bzw. Umweltschutz" wird durch den sog. Planvorbehalt in § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB nicht geschützt. Vielmehr soll durch diesen die mit ihm verbundene Aufwertung des Flächennutzungsplans den Gemeinden ein qualifiziertes Instrument der gemeindlichen Standortplanung für privilegierte Außenbereichsvorhaben zur Verfügung stellen. Der Planvorbehalt zielt damit allein auf die städtebauliche Ordnung. Wenn hiermit auch - wenngleich allenfalls mittelbar und reflexweise über die in die planerische Abwägung einzustellenden Belange - ein Schutz der Umwelt verbunden sein mag (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB), führt dies nicht dazu, dass es sich um ein Regelungselement zum Schutz der Umwelt handelt; von einer dem Satzungsziel "Umweltschutz" dienenden Norm kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. VG Aachen, Urteil vom 13. Dezember 2017 - 6 K 2371/15 -, juris Rn. 354 ff.).

125

Konkret gehören damit weder die allgemeine Prüfung der Wirksamkeit des Flächennutzungsplans noch die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Abwägungen zwischen dem Nutzen von Windanlagen und deren Folgen für den CO2-Haushalt oder auch die Prüfung der Ausschreibung von Gemeindeflächen zu den Zielen und Aufgaben, die der Kläger ausweislich seiner Satzung zu schützen und zu sichern hat, womit sich der Kläger auch nicht auf etwaige derartige Verstöße berufen kann.

126

Im Übrigen sind auch Anhaltspunkte dafür, dass die Änderung des Flächennutzungsplans Verbandsgemeinde Obere Kyll in Anpassung an den Zielabweichungsbescheid vom 13. Mai 2015, wodurch die Darstellungen im Flächennutzungsplan geändert wurden, aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen unwirksam ist, nicht ersichtlich. Dies betrifft auch die vom Kläger erwähnte, vermeintlich fehlende, Abwägung der Gesamtlärmbelastung aus Windanlagen, der B 51 und des Gewerbegebietes „Auf Zimmer's“, aufgrund derer der Flächennutzungsplan unwirksam sein soll. Insoweit nimmt das Gericht ergänzend Bezug auf die Beschlüsse des VG Trier vom 7. Dezember 2016 und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. März 2017 im vorangegangenen Eilverfahren.

127

b) Abschließend vermag es die Kammer nicht, aufgrund des vom Kläger vorgetragenen drohenden Insektensterbens einen Rechtsverstoß zu erkennen, welcher der streitgegenständlichen Genehmigung entgegensteht. Wie der Kläger selber zugesteht, sind die Ursachen für ein (unterstelltes) Insektensterben noch nicht erforscht. Auch der Kläger selbst bietet keinerlei Nachweis an, warum die streitgegenständlichen Windenergieanlagen einem Insektensterben Vorschub leisten sollten. Der Kläger postuliert insoweit lediglich allgemeine Behauptungen.

128

Unerheblich ist ferner der vom Kläger vorgebrachte Einwand, dass es nach wie vor keine wirtschaftliche Möglichkeit zur Entsorgung bzw. dem Recycling von Rotorblätter von Windkraftanlagen gäbe. Für die diesbezügliche Behauptung fehlt es ebenfalls an einem plausiblen Vortrag. Die als Beweis angebotenen Zeitungsartikel genügen in jedem Falle nicht. Im Übrigen erschließt sich nicht, inwiefern fehlende Recyclingmöglichkeiten der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegenstehen sollten oder inwiefern der Kläger in seinen eigenen Rechten verletzt sein soll, zumal die Genehmigung in Ziff. VIII. 7 eine Nebenbestimmung zum Nachweis einer § 5 Abs. 3 BImSchG entsprechenden Entsorgung der Blätter enthält und insofern auch eine Rückbaubürgschaft der ursprünglichen Vorhabenträgerin vom 20. November 2015 vorliegt.

129

Aus diesen Gründen ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Im Hinblick auf die Förderung des Verfahrens durch die Beigeladenen erscheint es angemessen, dass der Kläger als unterlegene Partei auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

130

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

131

Die Berufung war durch die Kammer nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat noch ein Fall der Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt.

132

Beschluss

133

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG, vgl. OVG RP, Beschluss vom 3. April 2017 - 8 E 10864/17.OVG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Baugesetzbuch - BBauG | § 35 Bauen im Außenbereich


(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Baugesetzbuch - BBauG | § 1 Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung


(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten. (2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und d

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege


Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG | § 4 Verfahrensfehler


(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn 1. eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 44 Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten


(1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,2. wild lebende Tiere der

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 6 Genehmigungsvoraussetzungen


(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeit

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen: 1. Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach a) dem Gesetz

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG | § 2 Rechtsbehelfe von Vereinigungen


(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1

Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit,2. Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,3. Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,4. kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie5.

Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz - UmwRG | § 3 Anerkennung von Vereinigungen


(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung 1. nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorüber

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 15 Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage ist, sofern eine Genehmigung nicht beantragt wird, der zuständigen Behörde mindestens einen Monat, bevor mit der Änderung begonnen werden soll, schri

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 33 Allgemeine Schutzvorschriften


(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landsc

Referenzen - Urteile

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu tragen. III. Das Urteil ist

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 27. Mai 2016 - 22 BV 15.2003

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Tenor I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 wird geändert. II. Der Bescheid des Landratsamtes Donau-Ries vom 5. März 2015 wird aufgehoben, soweit darin die Erteilung einer immissionssc

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - 4 A 1/13

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Tatbestand 1 Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. -
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Verwaltungsgericht Trier Urteil, 14. März 2018 - 9 K 10029/17.TR

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weitere Fundstellen ... Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die

Referenzen

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage ist, sofern eine Genehmigung nicht beantragt wird, der zuständigen Behörde mindestens einen Monat, bevor mit der Änderung begonnen werden soll, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen, wenn sich die Änderung auf in § 1 genannte Schutzgüter auswirken kann. Der Anzeige sind Unterlagen im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 2 beizufügen, soweit diese für die Prüfung erforderlich sein können, ob das Vorhaben genehmigungsbedürftig ist. Die zuständige Behörde hat dem Träger des Vorhabens den Eingang der Anzeige und der beigefügten Unterlagen unverzüglich schriftlich oder elektronisch zu bestätigen; sie kann bei einer elektronischen Anzeige Mehrausfertigungen sowie die Übermittlung der Unterlagen, die der Anzeige beizufügen sind, auch in schriftlicher Form verlangen. Sie teilt dem Träger des Vorhabens nach Eingang der Anzeige unverzüglich mit, welche zusätzlichen Unterlagen sie zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 16 Absatz 1 und des § 16a benötigt. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für eine Anlage, die nach § 67 Absatz 2 oder § 67a Absatz 1 anzuzeigen ist oder vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § 16 Absatz 4 der Gewerbeordnung anzuzeigen war.

(2) Die zuständige Behörde hat unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige und der nach Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Unterlagen, zu prüfen, ob die Änderung einer Genehmigung bedarf. Der Träger des Vorhabens darf die Änderung vornehmen, sobald die zuständige Behörde ihm mitteilt, dass die Änderung keiner Genehmigung bedarf, oder sich innerhalb der in Satz 1 bestimmten Frist nicht geäußert hat. Absatz 1 Satz 3 gilt für nachgereichte Unterlagen entsprechend.

(2a) Bei einer störfallrelevanten Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, hat die zuständige Behörde unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Anzeige und der nach Absatz 1 Satz 2 erforderlichen Unterlagen zu prüfen, ob diese Änderung einer Genehmigung bedarf. Soweit es zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands erforderlich ist, kann die zuständige Behörde ein Gutachten zu den Auswirkungen verlangen, die bei schweren Unfällen durch die Anlage hervorgerufen werden können. Der Träger des Vorhabens darf die störfallrelevante Änderung vornehmen, sobald ihm die zuständige Behörde mitteilt, dass sie keiner Genehmigung bedarf.

(3) Beabsichtigt der Betreiber, den Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage einzustellen, so hat er dies unter Angabe des Zeitpunktes der Einstellung der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Der Anzeige sind Unterlagen über die vom Betreiber vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus § 5 Absatz 3 und 4 ergebenden Pflichten beizufügen. Die Sätze 1 und 2 gelten für die in Absatz 1 Satz 5 bezeichneten Anlagen entsprechend.

(4) In der Rechtsverordnung nach § 10 Absatz 10 können die näheren Einzelheiten für das Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 geregelt werden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Schutzgüter im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Menschen, insbesondere die menschliche Gesundheit,
2.
Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt,
3.
Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft,
4.
kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sowie
5.
die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern.

(2) Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind unmittelbare und mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens oder der Durchführung eines Plans oder Programms auf die Schutzgüter. Dies schließt auch solche Auswirkungen des Vorhabens ein, die aufgrund von dessen Anfälligkeit für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, soweit diese schweren Unfälle oder Katastrophen für das Vorhaben relevant sind.

(3) Grenzüberschreitende Umweltauswirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltauswirkungen eines Vorhabens in einem anderen Staat.

(4) Vorhaben im Sinne dieses Gesetzes sind nach Maßgabe der Anlage 1

1.
bei Neuvorhaben
a)
die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage,
b)
der Bau einer sonstigen Anlage,
c)
die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme,
2.
bei Änderungsvorhaben
a)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer technischen Anlage,
b)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Lage oder der Beschaffenheit einer sonstigen Anlage,
c)
die Änderung, einschließlich der Erweiterung, der Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme.

(5) Windfarm im Sinne dieses Gesetzes sind drei oder mehr Windkraftanlagen, deren Einwirkungsbereich sich überschneidet und die in einem funktionalen Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob sie von einem oder mehreren Vorhabenträgern errichtet und betrieben werden. Ein funktionaler Zusammenhang wird insbesondere angenommen, wenn sich die Windkraftanlagen in derselben Konzentrationszone oder in einem Gebiet nach § 7 Absatz 3 des Raumordnungsgesetzes befinden.

(6) Zulassungsentscheidungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
die Bewilligung, die Erlaubnis, die Genehmigung, der Planfeststellungsbeschluss und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren,
2.
Linienbestimmungen und andere Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren nach den §§ 47 und 49,
3.
Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Bebauungsplänen, durch die die Zulässigkeit von bestimmten Vorhaben im Sinne der Anlage 1 begründet werden soll, sowie Beschlüsse nach § 10 des Baugesetzbuchs über Bebauungspläne, die Planfeststellungsbeschlüsse für Vorhaben im Sinne der Anlage 1 ersetzen.

(7) Pläne und Programme im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche bundesrechtlich oder durch Rechtsakte der Europäischen Union vorgesehenen Pläne und Programme, die

1.
von einer Behörde ausgearbeitet und angenommen werden,
2.
von einer Behörde zur Annahme durch eine Regierung oder im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet werden oder
3.
von einem Dritten zur Annahme durch eine Behörde ausgearbeitet werden.
Ausgenommen sind Pläne und Programme, die ausschließlich Zwecken der Verteidigung oder der Bewältigung von Katastrophenfällen dienen, sowie Finanz- und Haushaltspläne und -programme.

(8) Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes sind einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen.

(9) Betroffene Öffentlichkeit im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, deren Belange durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt werden; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich durch eine Zulassungsentscheidung oder einen Plan oder ein Programm berührt wird, darunter auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes.

(10) Umweltprüfungen im Sinne dieses Gesetzes sind Umweltverträglichkeitsprüfungen und Strategische Umweltprüfungen.

(11) Einwirkungsbereich im Sinne dieses Gesetzes ist das geographische Gebiet, in dem Umweltauswirkungen auftreten, die für die Zulassung eines Vorhabens relevant sind.

(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung

1.
nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert,
2.
im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist,
3.
die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen,
4.
gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und
5.
jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt.
In der Anerkennung ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen; dabei sind insbesondere anzugeben, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, sowie der räumliche Bereich, auf den sich die Anerkennung bezieht. Die Anerkennung kann, auch nachträglich, mit der Auflage verbunden werden, dass Satzungsänderungen mitzuteilen sind. Sie ist von der zuständigen Behörde im Internet zu veröffentlichen.

(2) Für eine ausländische Vereinigung sowie für eine Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. Bei der Anerkennung einer Vereinigung nach Satz 1, die im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, ergeht diese Anerkennung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz. Für die Anerkennung werden keine Gebühren und Auslagen erhoben.

(3) Für eine inländische Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen.

(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung

1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und
3.
im Falle eines Verfahrens nach
a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war;
b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.

(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn

1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt,
2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und
3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
Bei einer ausländischen Vereinigung gelten die Voraussetzungen der Nummer 3 als erfüllt. Mit der Bestandskraft einer die Anerkennung versagenden Entscheidung wird der Rechtsbehelf unzulässig.

(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit

1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder
2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Bei Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 4 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Absatz 10 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Punkt F. - Punkt St. T., Bauleitnummer (Bl.) 4571.

2

Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist die Errichtung und der Betrieb einer rund 7,4 km langen 380 kV-Höchstspannungsfreileitung einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Folgemaßnahmen sowie der Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Leitung dient einem Lückenschluss und soll die Energieversorgung der Stadt K. und ihrer Umgebung langfristig sichern. Insgesamt werden 23 Masten unterschiedlichen Bautyps neu errichtet, zugleich 17 Masten demontiert. Die planfestgestellte Trasse beginnt am Punkt F. unter Anschluss an die Höchstspannungsfreileitung Bl. 4123. Sie kreuzt aus südöstlicher Richtung kommend die Bundesautobahn A 44 und wird dann weitgehend parallel zu dieser Bundesautobahn geführt, berührt bei Mast 5 das Gebiet des "Campus F.", kreuzt an der Anschlussstelle F. die Landesstraße L 382 und verläuft weiter in weitgehend westlicher Richtung bis zu einer stillgelegten, nach Norden verlaufenden Eisenbahntrasse. Parallel hierzu wird sie zum Edelstahlwerk geführt. Dort verschwenkt sie leicht nach Westen und führt zum Punkt St. T.. Auf diesem etwa 2,9 km langen Teilstück befindet sich die rückzubauende Freileitung Bl. 2339. Die Trasse verläuft hier am Ortsrand der Klägerin, dem sie sich bis auf knapp 30 m von der Trassenmitte nähert. Über die gesamte Strecke wird die Trasse parallel zur bestehenden Freileitung Bl. 2388 geführt.

3

Im Juni 2007 übersandte eine Rechtsvorgängerin der Beigeladenen dem Beklagten ein Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zur Prüfung, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfe. Das Gutachten verneinte eine solche Pflicht. Für die Umweltauswirkungen legte es eine dreistufige Skala ("erheblich" - "deutlich" - "gering") zu Grunde. Erhebliche Umweltauswirkungen verneinte es durchgängig, deutliche Auswirkungen bejahte es hinsichtlich einzelner Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 2 zum UVPG. Die zu erwartenden Umweltverschmutzungen (Ziff. 1.4 der Anlage 2 zum UVPG) schätzte das Gutachten als gering ein, da die Immissionen durch elektromagnetische Felder die maßgeblichen Grenzwerte einhielten. Nach Beteiligung verschiedener Fachdezernate stellte die Planfeststellungsbehörde des Beklagten in einem Vermerk vom 8. Januar 2008 fest, der Eingriff werde in keinem relevanten Schutzgut zu erheblichen Umweltauswirkungen führen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher nicht erforderlich. Auf Nachfrage teilte der Beklagte dem Beigeladenen unter dem 20. Dezember 2010 mit, es bleibe bei dieser Einschätzung.

4

Zu den im Jahr 2010 eingereichten Planfeststellungsunterlagen beteiligte die Beklagte im März 2011 die Träger der öffentlichen Belange, darunter die Klägerin. Die Unterlagen wurden in der Zeit vom 28. März bis 9. Mai 2011 bei der Stadt K. ausgelegt.

5

Die Klägerin nahm unter dem 5. Mai 2011, beim Beklagten eingegangen am 9. Mai 2011, zu dem Vorhaben Stellung. Die Trasse habe einen zu geringen Abstand zur Wohnbebauung im Bereich des Stadtteils B., es müsse geprüft werden, ob die Leitung negative gesundheitliche Wirkungen für die Bewohner der dortigen Wohngebiete habe. Die Unterlagen ließen die Stärke der elektromagnetischen Felder nicht erkennen. Es bedürfe einer Prüfung von Alternativen, sowohl einer Erdverkabelung als auch einer mindestens teilweisen Verlegung der Trasse. Die Planung berühre beim "Campus F." den Bebauungsplan Nr. 653, dort reiche der Schutzstreifen auf einer Breite von ca. 300 m bis zu 5 m in die festgesetzten Gewerbegebiete hinein. Weiter rügte die Klägerin Mängel hinsichtlich des Landschafts- und Artenschutzes sowie des Grund- und Trinkwasserschutzes während der Bauphase. Schließlich forderte sie, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen.

6

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 legte die Klägerin ein Gutachten zu den Möglichkeiten und Auswirkungen einer 380-kV-Erdkabelverlegung vor. Es beschreibt die technischen, betrieblichen und umweltrelevanten Eigenschaften von Freileitungen und Erdkabeln und vergleicht die Wirtschaftlichkeit. Die Ausführung der Leitung als Freileitung stelle, so das Gutachten, aus technischer, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht eindeutig die zu bevorzugende Variante dar. Die Einwendungen der Klägerin wurden in einem nicht-öffentlichen Erörterungstermin am 28. Februar 2012 erörtert.

7

Der Beklagte stellte den Plan mit Planfeststellungsbeschluss vom 7. November 2012 fest und stellte ihn der Klägerin am 27. November 2012 zu.

8

Die Klägerin ist Eigentümerin zahlreicher Grundstücke, für die der Planfeststellungsbeschluss eine Enteignung für zulässig erklärt. Wegen der bereits bestehenden Leitung (Bl. 2388), aber auch wegen einer 1962 planfestgestellten, aber nicht verwirklichten Leitung ist eine Vielzahl dieser Grundstücke dinglich zugunsten von Rechtsvorgängerinnen der Beigeladenen belastet. Die privatrechtliche Situation weicht im Detail voneinander ab. Von elektromagnetischen Feldern und Lärm sind einzelne Grundstücke im Eigentum der Klägerin betroffen, die auf der Grundlage von Erbbaurechten zu Wohnzwecken genutzt werden.

9

Die Klägerin hat am 20. Dezember 2012 Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung bedurfte das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Landschaftsschutz sei unzutreffend abgearbeitet. Die nur knapp unterschrittenen Grenzwerte der 26. BImSchV seien wissenschaftlich überholt und die entstehenden Immissionen unzumutbar. Die Richtwerte der TA Lärm seien überschritten, die hierzu vorgelegten Unterlagen unvollständig. Der Planfeststellungsbeschluss greife durch eine rechteckige Gestaltung der Schutzstreifen mehr als erforderlich auf ihr Eigentum zu. Den Gefahren durch Mastbrüche werde nicht ausreichend begegnet. Die Alternativenprüfung sei unzureichend. Mindestens teilweise dränge sich die Ausführung als Erdkabel auf, insbesondere im Bereich zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T..

10

Die Klägerin beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 7. November 2012 für den Neubau der 380 kV-Höchstspannungsleitung Punkt F. - Punkt St. T., Bl. 4571 in den Abschnitten Punkt F. - Punkt St. T. aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. November 2012 zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin sei hinsichtlich mehrerer Einwendungen präkludiert. Den Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls habe die Beklagte genügt. Verstöße gegen Vorschriften des Landschaftsschutzes könne die Klägerin nicht rügen. Die Grenzwerte der 26. BImSchV seien gewahrt und in der Sache nicht zu beanstanden. Hinsichtlich des Lärmschutzes mache die Klägerin keine eigenen Belange geltend. Im Übrigen würden die maßgeblichen Werte der TA-Lärm eingehalten. Der Planfeststellungsbeschluss leide nicht an Abwägungsfehlern. Die Alternativenprüfung sei rechtmäßig. Insbesondere sei eine Führung als Erdkabel gesetzlich ausgeschlossen, jedenfalls fehlerfrei abgewogen und abgelehnt worden. Sicherheitsgefahren beständen nicht, weil die Anlage die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachte.

13

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Der Klägerin fehle die Klagebefugnis. Sie sei als Gemeinde nicht Trägerin von Grundrechten und mache sich hinsichtlich einzelner Belange zur Sachwalterin fremder Interessen. Ihre Planungshoheit sei nicht betroffen. Die Klägerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Erdverkabelung. Schließlich sei die Klägerin mit einer Reihe von Einwänden präkludiert, so auch mit der Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Sache hält die Beigeladene die Klage für unbegründet und verteidigt den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss.

15

Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat einen Eilantrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit Beschluss vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 = ER 2013, 119) abgelehnt.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Dem Planfeststellungsbeschluss hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorausgehen müssen. Dieser Mangel führt nicht zur Aufhebung des Beschlusses, aber zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.

17

A. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 3 des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) i.V.m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug, weil das Vorhaben ein Teil des Neubaus der Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath mit einer Nennspannung von 380 kV ist.

18

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Eine Verletzung von Rechten der Klägerin kann nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden (vgl. Urteil vom 22. Februar 1984 - BVerwG 1 C 24.92 - BVerwGE 95, 133 <134> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 202 S. 2).

19

Die Klägerin kann wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die (teilweise) Inanspruchnahme der in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verletze das Gebot einer gerechten Abwägung ihrer eigenen Belange (Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48 S. 125 und Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17). Hiervon ist auch der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 9. Oktober 2012 (BVerwG 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 7) und vom 28. Februar 2013 (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 7) ausgegangen. Anders als die Beigeladene meint, spielt es nur für die Abwägung, nicht aber für die Klagebefugnis eine Rolle, ob die betroffenen Grundstücke der Klägerin einen Bezug zur Erfüllung gemeindlicher Aufgaben haben (vgl. Urteil vom 24. November 1994 - BVerwG 7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 <151 f.> = Buchholz 451.22 § 7 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 9 und Beschluss vom 18. März 2008 - BVerwG 9 VR 5.07 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 197 Rn. 16).

20

Der Klagebefugnis steht nicht entgegen, dass im Bereich der zurückzubauenden Freileitung (Bl. 2339) - also zwischen dem Edelstahlwerk und dem Punkt St. T. - die vorhandenen Schutzstreifen ausreichen (S. 32 des Planfeststellungsbeschlusses) und mindestens zu einem Teil dinglich gesichert sind. Gegenstand der Planfeststellung ist ein Gesamtbauvorhaben, das die Errichtung einer Freileitung bei Rückbau einer bestehenden Freileitung umfasst. Gegenüber diesem Eigentumszugriff ist die Klägerin klagebefugt, da sie ihre Klage mit der Hoffnung verbinden kann, dass eine veränderte Planung bestehende Belastungen entfallen lässt, ohne neue Lasten zu begründen (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 17).

21

Ob die Klagebefugnis auch aus einer möglichen Beeinträchtigung der Planungshoheit nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, kann offen bleiben. Mit Bejahung der Klagebefugnis wegen der Eigentumsbetroffenheit ist die Klage insgesamt zulässig. § 42 Abs. 2 VwGO lässt es nicht zu, die Klage nach unterschiedlichen Klagegründen aufzuspalten mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuschalten und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 52). Gleiches gilt für den Einwand der Beigeladenen, die Klägerin sei mit bestimmten Einwendungen präkludiert. Denn die mögliche Präklusion von einzelnen Einwendungen berührt nicht die Klagebefugnis, sondern betrifft den Umfang der Begründetheitsprüfung.

22

B. Die Klage ist überwiegend begründet. Zwar war der Hauptantrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses abzuweisen, die Klage hat aber mit dem in diesem Antrag als "Minus" enthaltenen Begehren Erfolg, die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses festzustellen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72 <74> = Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 36) (I.). Die übrigen Einwendungen der Klägerin führen nicht auf Rechtsfehler des Planfeststellungsbeschlusses (II.).

23

I. 1. a) Die Klägerin als von der Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf Vollüberprüfung des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <391 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114 S. 123, Beschlüsse vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 10 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 26). Auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu ihren Lasten führt nicht zu dem aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG hergeleiteten Anspruch auf vollumfängliche Prüfung, da die Klägerin nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 f.>).

24

Damit scheidet eine Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses an naturschutzrechtlichen Regelungen von vornherein aus (Beschluss vom 18. März 2008 - a.a.O. Rn. 12). Dies gilt auch, soweit die Klägerin untere Landschaftsbehörde nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft Nordrhein-Westfalen (Landschaftsgesetz - LG NRW) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW S. 568), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16. März 2010 (GV. NRW S. 185) ist. Insoweit nimmt sie zwar Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 LG NRW) wahr, sie wird aber nicht Begünstigte des materiellen Naturschutzrechtes, wenn - wie hier die Planfeststellungsbehörde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) - eine andere Behörde für naturschutzrechtliche Entscheidungen zuständig ist.

25

b) Maßgeblich für die Prüfung des Planfeststellungsbeschlusses ist die Rechtslage bei dessen Erlass am 7. November 2012, soweit nicht spätere Rechtsänderungen einen vormaligen Rechtsverstoß entfallen lassen (Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 52 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 203 Rn. 52).

26

2. Der Einwand der Klägerin, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses habe es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft, ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert (a). Er hat in der Sache Erfolg. Auch unter Berücksichtigung der durch § 3a Satz 4 UVPG eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (b) ist festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, weil es vor seinem Erlass einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurfte (c). Dieser Fehler führt nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, aber nach § 4 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit (d).

27

a) Die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert.

28

Gemäß § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG sind Äußerungen, Einwendungen und Stellungnahmen nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist nach Satz 1 ausgeschlossen. Diese Mitwirkungslast gilt uneingeschränkt auch für eine Gebietskörperschaft, die im Planfeststellungsverfahren als Behörde und damit als Trägerin öffentlicher Belange zur Stellungnahme aufgefordert worden ist (vgl. Urteil vom 9. Februar 2005 - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <815> § 78 vwvfg nr. 10 nicht abgedruckt> zur Mitwirkungslast nach § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Die Einwendungsfrist, über die entsprechend § 43b Satz 3 EnWG belehrt worden ist, lief hier am 9. Mai 2011 ab. Der damit eintretende Einwendungsausschluss erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren (Urteile vom 23. April 1997 - BVerwG 11 A 7.97 - BVerwGE 104, 337 <343> = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 S. 32 und vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NVwZ 2013, 1605 Rn. 65).

29

Der 7. Senat hat dargelegt (Beschluss vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 12), dass das Schreiben der Klägerin vom 5. Mai 2011 den Anforderungen an ein Einwendungsschreiben einer Gebietskörperschaft genügt. Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hat die Klägerin auch substantiiert eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Die Klägerin erhob diese Forderung vor dem Hintergrund, dass nach ihrer Auffassung "dem Antrag für das Planfeststellungsverfahren entscheidungserhebliche Unterlagen fehlen und darüber hinaus weitere Belange und umweltbezogene Auswirkungen geprüft" werden sollten. Welche Umweltbelange die Klägerin im Auge hatte, ergab sich aus dem Schreiben im Übrigen.

30

Anders als die Beigeladene meint, ist die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Folge des Erörterungstermins vom 28. Februar 2012 präkludiert. Allerdings ist es unzulässig, im Klageverfahren auf frühere Einwendungen zurückzukommen, wenn im Anhörungsverfahren eine streitbefriedende Erörterung gelingt (Beschluss vom 17. Februar 1997 - BVerwG 4 VR 17.96 - LKV 1997, 328 § 17 fstrg nr. 127 nicht abgedruckt>). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die auf naturschutzfachliche Erwägungen bezogene Äußerung eines Mitarbeiters der Klägerin in deren Funktion als untere Landschaftsschutzbehörde im Erörterungstermin vom 28. Februar 2012 konnte nicht dahin verstanden werden, für die Klägerin als planbetroffene Gebietskörperschaft solle die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung fallen gelassen werden.

31

Hiervon ausgehend bedarf es weder einer Entscheidung, ob die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung den fachplanungsrechtlichen Regelungen über die Präklusion unterliegt (offengelassen in Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - NVwZ 2007, 84 Rn. 19 § 11 uvpg nr. 4 nicht abgedruckt>; dafür OVG Lüneburg, Urteil vom 19. September 2013 - 7 KS 209/11 - juris Rn. 63; Neumann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 73 Rn. 98), noch, ob - bejahendenfalls - gegen eine solche nationale Regelung unionsrechtliche Bedenken bestehen.

32

b) Gemäß § 3a Satz 4 UVPG unterliegt die aufgrund der Vorprüfung getroffene behördliche Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die behördliche Einschätzung ist im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf die Frage, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 26 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2).

33

Anknüpfend an diese der zuständigen Behörde in § 3a Satz 4 UVP eingeräumte Beurteilungsermächtigung stellt § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG klar, dass die behördliche Entscheidung im gerichtlichen Verfahren unter anderem darauf zu überprüfen ist, ob das anzuwendende Recht verkannt wurde. Das Umweltrechtsbehelfsgesetz findet hier Anwendung, weil infolge der von § 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Ziffer 19.1.3 der Anlage 1 zum UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für den in Rede stehenden Planfeststellungsbeschluss eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG bestehen kann (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 18 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: April 2013, § 1 UmwRG Rn. 29).

34

Der Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG steht nicht entgegen, dass die Vorschrift nach Art. 13 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) erst am 29. Januar 2013 und damit nach Klageerhebung in Kraft getreten ist. Die geänderten Vorschriften des Gesetzes gelten nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG auch für Rechtsbehelfsverfahren nach § 2, die am 12. Mai 2011 anhängig waren oder nach diesem Tag eingeleitet worden sind und die am 29. Januar 2013 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen worden sind. Zwar handelt es sich hier nicht um den Rechtsbehelf einer anerkannten Vereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG, der Gesetzgeber knüpft in § 5 Abs. 4 Satz 1 UmwRG aber an allgemeine Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts an, die gleichfalls eine Anwendung des § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG fordern (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 194 Rn. 1).

35

c) Der Beklagte hat die UVP-Vorprüfung nicht entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt und damit das anzuwendende Recht im Sinne von § 4a Abs. 2 Nr. 3 UmwRG verkannt. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls hätte zu der Annahme führen müssen, dass das Vorhaben unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 zum UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG haben kann, so dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies folgt aus der bei der Vorprüfung absehbaren Belastung der Wohnbevölkerung mit Immissionen durch elektromagnetische Felder.

36

Das von der Beigeladenen vorgelegte Gutachten zur allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls verneint erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen der Sache nach mit dem Hinweis, dass die Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV <1996>) i.d.F. vom 16. Dezember 1996 (BGBl I S. 1966) nicht überschritten werden. Sie setzt damit die Schwelle der erheblichen Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG mit der Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der 26. BImSchV gleich, die durch Abwägung nicht überwindbar ist (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 23). Dieser Sichtweise entspricht es, dass der Gutachter der Beigeladenen die Umweltauswirkungen durch elektromagnetische Felder auf einer dreistufigen Skala als "gering" einschätzt, ohne der Frage nachzugehen, inwieweit sich die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte bereits dem maßgeblichen Grenzwert nähern.

37

Dies verkennt den rechtlichen Maßstab. Nach § 3c Satz 1 UVPG ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 C 9.06 - BVerwGE 130, 83 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 30). Denn die Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Umweltbelange so herausarbeiten, dass sie in die Abwägung in gebündelter Form eingehen (Urteil vom 18. November 2004 - BVerwG 4 CN 11.03 - BVerwGE 122, 207 <211> = Buchholz 406.251 § 17 UVPG Nr. 1 S. 6). Sie ist ein formalisierter Zwischenschritt mit dem Ziel einer zunächst auf die Umweltbelange beschränkten Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens im Rahmen der Abwägung aller Belange und dient als wirkungsvolle Methode, die Umweltbelange in den Abwägungsprozess einzuführen (Urteil vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <247> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 62 f.). Gerade die Abwägungsentscheidung lässt das Planfeststellungsrecht als besonders geeignetes Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung erscheinen (Beckmann, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Aufl. 2012, § 12 UVPG Rn. 83). Hiervon ausgehend muss die Umweltverträglichkeitsprüfung daher grundsätzlich auch die Abwägungsentscheidung vorbereiten, wenn Umweltauswirkungen in die Abwägung eingehen und damit bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge nach § 12 UVPG zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist insoweit das materielle Zulassungsrecht (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O., vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 2 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 - BVerwGE 132, 123 Rn. 32 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 32; vgl. auch BTDrucks 14/4599 S. 95).

38

Im Luftverkehrsrecht hat der Senat angenommen, dass nachteilige betriebsbedingte Auswirkungen bei einer Änderungsgenehmigung zu berücksichtigen und damit grundsätzlich im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG erheblich sind, wenn sie mehr als geringfügig und damit abwägungserheblich sind (Urteile vom 13. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 30 und vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 30). Jedenfalls bei Überschreiten der fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle könne die Erheblichkeit allenfalls verneint werden, wenn bereits der Vorhabenträger Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen habe und diese die nachteiligen Umweltauswirkungen offensichtlich ausschlössen. Auch in der Anordnung von Betriebsbeschränkungen zugunsten von Anwohnern hat der Senat einen Anhaltspunkt für die Abwägungserheblichkeit gesehen (Urteil vom 16. Oktober 2008 a.a.O. Rn. 33). Hiervon ausgehend musste der Beklagte vorliegend ebenfalls erhebliche Umweltauswirkungen annehmen. Denn bei der Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung gehört zu den weiteren erheblichen Belangen in der Abwägung das Interesse an jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern, auch wenn diese die Grenzwerte unterschreiten (Beschlüsse vom 22. Juli 2010 a.a.O. Rn. 35 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 59).

39

Die Rechtsprechung des Senats ist auf Vorbehalte gestoßen. Ihr mag entgegnet werden, dass nach ihren Maßstäben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 1 UVPG im Widerspruch zur Konzeption des Gesetzgebers nahezu zwangsläufig zur Annahme erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen und damit zu einer Umweltverträglichkeitsprüfung führe. Denn es erscheint kaum ein der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls unterliegendes Vorhaben der Fachplanung denkbar, das nicht jedenfalls abwägungserhebliche Umweltauswirkungen hat (zweifelnd daher etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - 5 Bs 24/10 - NordÖR 2010, 206 - juris Rn. 21). Diesen Vorbehalten braucht der Senat hier indes nicht nachzugehen. Zwar sind bei Höchstspannungsfreileitungen regelmäßig Immissionen elektromagnetischer Felder in der Abwägung zu bewältigen. Vorliegend war aber auf einem erheblichen Teilabschnitt eine Belastung der Wohnbevölkerung in einer Stärke zu erwarten, die so nah an einen Grenzwert heranreichte, dass im Zeitpunkt der Vorprüfung ein Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses nicht ausgeschlossen werden konnte. Denn die Abwägung des Schutzes vor elektromagnetischer Strahlung ist ausgehend von den Grenzwerten zu gewichten. Dieser Belang ist umso gewichtiger, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, sein Gewicht ist umso geringer, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt. Insoweit orientiert sich der Senat an dem im Fluglärmschutzrecht entwickelten Ansatz (Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 37). Nach einer Berechnung der Beigeladenen aus dem Mai 2010 - und damit vor der erneuten Vorprüfung (vgl. Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3) - war zwischen Mast 21 und 22 angrenzend an Wohngebiete in B. eine elektrische Feldstärke von 3,8 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 21,0 µT zu erwarten. Die elektrische Feldstärke näherte sich damit deutlich dem Grenzwert von 5,0 kV/m und betraf absehbar auf einer nicht unerheblichen Länge der Trasse Wohnbebauung. Die prognostizierte Belastung warf erkennbar die Frage auf, ob im Rahmen der Abwägung eine Senkung dieser Belastung in Betracht kam. Es wäre Aufgabe einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewesen, diese Abwägung vorzubereiten. Die Möglichkeit erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen im Sinne des § 3c Satz 1 UVPG hätte die Planfeststellungsbehörde deshalb nicht verneinen dürfen.

40

d) Die Fehlerfolge ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 UmwRG i.V.m. § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG. Namentlich ist § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG anzuwenden, der durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) mit Wirkung vom 29. Januar 2013 erlassen worden ist, und der die bisherige Rechtslage klarstellt (BTDrucks 17/10957 S. 17; vgl. bereits Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 33).

41

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein solcher Fall liegt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch vor, wenn - wie hier - eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Vorschrift gilt nach § 4 Abs. 3 UmwRG für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO und damit für die Klägerin entsprechend. Sie wird so auf Rechtsbehelfe erstreckt, deren Zulässigkeit von der Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte abhängt (BTDrucks 16/2495 S. 14). § 4 Abs. 3 UmwRG begründet damit nicht die Klagebefugnis, sondern verändert gegenüber der allgemeinen Regelung des § 46 VwVfG NRW die Begründetheitsprüfung (Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 22). Hat die Behörde eine Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft unterlassen, ist dieser Fehler erheblich, ohne dass es nach nationalem Recht darauf ankommt, ob die verletzten Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob dieser Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensfehler führt damit zur Begründetheit der Klage, unabhängig von den sonst nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltenden einschränkenden Maßgaben (Beschluss vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 37.12 - BauR 2013, 2014 Rn. 10).

42

Ungeachtet des Wortlauts des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG führt der festgestellte Rechtsfehler hier nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Der auf den Regelfall des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugeschnittene Wortlaut ersetzt die spezielle Fehlerfolgenregelung des § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG nicht, vielmehr geht die letztgenannte Regelung als speziellere vor (ebenso Urteil vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 34 = Buchholz 406.251 § 3c UVPG Nr. 3 zu § 17e Abs. 6 Satz 2 FStrG). Vorliegend kann es mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit nach § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG sein Bewenden haben. Denn der eingetretene Verfahrensfehler kann in einem ergänzenden Verfahren behoben werden.

43

Dies begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 20. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 36). Denn die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit stellt sicher, dass die Zulassungsentscheidung nicht ausgeführt werden darf, bevor die unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt und die in ihrem Rahmen getroffenen Feststellungen und Bewertungen der Umweltauswirkungen des Vorhabens in einer erneuten Zulassungsentscheidung gewürdigt worden sind. Diese Würdigung muss ergebnisoffen erfolgen und ist wiederum mit Rechtsbehelfen angreifbar. Eine Umgehung oder Nichtanwendung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung wird dadurch verhindert. Diese können vielmehr ihre volle Wirkkraft entfalten.

44

II. Die weiteren von der Klägerin gerügten Rechtsverletzungen führen schon deshalb nicht zu einem weitergehenden Klageerfolg, weil sie - ihr Vorliegen unterstellt - nicht von einer solchen Art und Schwere wären, dass die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt schiene (vgl. Urteil vom 24. November 2010 - BVerwG 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 83 = Buchholz 406.11 § 7 BauGB Nr. 4). Es bedarf insoweit aber auch weder einer Planergänzung noch der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mangels Rechtsfehlern zu Lasten der Klägerin. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob einzelne Einwendungen nach § 43b Nr. 1 Satz 2 EnWG präkludiert sein könnten und - bejahendenfalls - ob diese Präklusion unionsrechtlichen Bedenken begegnet.

45

1. Die Planrechtfertigung liegt vor. Das Vorhaben ist gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten (Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 60 f. und vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 45 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 27). Die planfestgestellte Trasse ist Teil des Vorhabens Nr. 14 der Anlage zum EnLAG und entspricht damit nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Seine energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf stehen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG fest. Diese Feststellungen sind für die Planfeststellung und die Plangenehmigung nach den §§ 43 bis 43d EnWG gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG verbindlich. Dies gilt auch für das gerichtliche Verfahren (Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 4.12 - NuR 2013, 794 Rn. 35 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).

46

Der Einwand der Klägerin, die Schutzstreifen griffen auf ihre Grundstücke zu umfangreich zu, betrifft nicht die Planrechtfertigung. Für sie reicht aus, dass die mit dem Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen generell geeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu überwinden. Ob das Wohl der Allgemeinheit den Zugriff auf ein einzelnes Grundstück letztlich erfordert, hängt von der weiteren planerischen Konkretisierung des Vorhabens ab und ist eine Frage der fachplanerischen Abwägung (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 183 f. = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23).

47

2. Der Planfeststellungsbeschluss verletzt - abgesehen von dem unter B I. festgestellten Rechtsverstoß - kein zwingendes Recht. Die planfestgestellte Höchstspannungsfreileitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Da sie keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV bedarf, ist sie nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

48

Diese Anforderungen dienen dem allgemeinen öffentlichen Interesse und dem Schutz Betroffener und sind nicht dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet (Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 64). Die Klägerin könnte indes einen Eingriff in ihr Eigentum rügen, wenn Nutzer und Bewohner ihrer Anlagen in rechtswidriger Weise Immissionen ausgesetzt würden (vgl. Urteil vom 26. März 2007 - BVerwG 7 B 73.06 - Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 2 Rn. 10).

49

a) Hinsichtlich elektromagnetischer Felder konkretisiert die 26. BImSchV (1996) die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der 26. BImSchV <1996>).

50

Die planfestgestellte Leitung, eine Niederfrequenzanlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der 26. BImSchV (1996), ist nach § 3 Satz 1 der 26. BImSchV (1996) i.V.m. dem Anhang 2 so zu errichten und zu betreiben, dass in ihrem Einwirkungsbereich in Gebäuden oder auf Grundstücken, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Auslastung unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen der Effektivwert der elektrischen Feldstärke 5 kV/m und der Effektivwert der magnetischen Flussdichte 100 µT nicht überschreitet. Zum Zwecke der Vorsorge haben nach § 4 der 26. BImSchV (1996) bei der Errichtung einer Niederfrequenzanlage in der Nähe von Wohnungen oder Schulen in diesen Gebäuden oder auf diesen Grundstücken auch die maximalen Effektivwerte diesen Anforderungen zu entsprechen. Diese Vorgaben wahrt das streitgegenständliche Vorhaben.

51

Die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden (stRspr, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 4.10 - NVwZ 2010, 1486 Rn. 25, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 20 und vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 33 ff.). Die staatliche Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG fordert nach derzeitigem fachwissenschaftlichen Kenntnisstand keine niedrigeren Grenzwerte. Der Verordnungsgeber verfügt bei der Erfüllung seiner Schutzpflicht für die menschliche Gesundheit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der auch Raum lässt, konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht wird erst verletzt, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen oder erheblich dahinter zurückbleiben. Von einem solchen völlig unzureichenden Schutz kann so lange keine Rede sein, als sich die Eignung und Erforderlichkeit geringerer Grenzwerte mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch gar nicht abschätzen lässt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. November 1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 <202>, vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - NJW 2002, 1638 <1639> sowie Kammerbeschluss vom 24. Januar 2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805 = juris Rn. 18).

52

Gemessen hieran ist davon auszugehen, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV (1996) wirksam akute Beeinträchtigungen der Gesundheit verhindern. Der Verordnungsgeber hat bei der Novelle zur 26. BImSchV (Art. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 - BGBl I S. 3259) an dem Grenzwert für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgehalten (Anhang 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV) und sich dabei auf Empfehlungen der 2010 veröffentlichten Guidelines der International Commission on non-Ionizing radiation protection (ICNIRP) berufen (veröffentlicht in Health Physics 99 <6>: S. 818 <2010>). Auch mögliche Langzeitfolgen lassen nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte. Die zu Langzeitfolgen vorliegende Befundlage erweist sich als "nicht stark genug, um einen Kausalzusammenhang zu belegen, aber ausreichend, um eine Besorgnis zu begründen" (Sachverständiger Matthes, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 17. WP, 92. Sitzung vom 27. Februar 2013, Protokoll 17/92 S. 10). Diese Bewertung entspricht im Kern der Einschätzung der Strahlenschutzkommission (Vergleichende Bewertung der Evidenz von Krebsrisiken durch elektromagnetische Felder und Strahlungen, Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 14./15. April 2011, S. 52 ff.). Die von der Klägerin angeführten wissenschaftlichen Arbeiten ziehen diese Einschätzung nicht in Zweifel. Der Strahlenschutzkommission war der Standpunkt von J. Schütz und A. Ahlborn bekannt, auf die sich die Klägerin beruft (vgl. Stellungnahme, a.a.O. S. 77). Ob die weiter von der Klägerin vorgelegte Tabelle zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen bei Kindern und der Wohnentfernung zu Höchstspannungsfreileitungen eine Risikoerhöhung belegt, mag offen bleiben. Jedenfalls bietet sie keinen Anhalt für die Annahme, dass der Verordnungsgeber seinen Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte.

53

b) Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmtem Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (Urteile vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 und vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18). Den Anforderungen der TA Lärm genügt das Vorhaben.

54

Das vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Gutachten des TÜV Hessen prognostiziert an den am höchsten belasteten Immissionsorten einen nächtlichen Beurteilungspegel von geringfügig mehr als 35 dB(A). Substantiierte Einwendungen dagegen hat die Klägerin nicht erhoben. Insbesondere fehlt ein Anhaltspunkt für den Verdacht, bei den der Prognose zugrunde liegenden Messwerten sei ein Messabschlag nach Ziffer 6.9 TA Lärm in Abzug gebracht worden.

55

Den Anforderungen der TA Lärm ist auch unter der Annahme genügt, dass die am höchsten belasteten Immissionsorte in reinen Wohngebieten liegen. Wegen ihrer Randlage zum Außenbereich gegenüber einem privilegierten Außenbereichsvorhaben (hier: § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) und ihrer Vorbelastung durch die fortbestehende Freileitung Bl. 2388 sind die Grundstücke nur vermindert schutzwürdig (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 7 B 4.10 - BRS 78 Nr. 117 Rn. 32). Daher ist der maßgebliche Immissionsrichtwert nach Ziffer 6.7 der TA Lärm ("Gemengelage") zu ermitteln. Hier reicht der Schutz eines allgemeinen Wohngebiets aus. Der damit nach Ziffer 6.1 Buchst. d TA Lärm einzuhaltende Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für die Nacht wird gewahrt.

56

Diese Einschätzung liegt auf der sicheren Seite. Das Gutachten des TÜV Hessen geht von einem Datenpool aus, dem Messwerte für 4er-Bündel-Seile in der Ausführung 4 * Al/St 265/35 zugrunde liegen (S. 5, 12). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss in dem Abschnitt Edelstahlwerk bis Punkt Sankt T. die Verwendung dickerer Phasenseile (Al/St 550/70) zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm festsetzt (Erläuterungsbericht, S. 30). Diese Phasenseile lassen wegen der geringeren Randfeldstärken eine deutliche Minderung der Emissionen gegenüber den prognostizierten Werten erwarten (Gutachten TÜV Hessen S. 39).

57

3. Nach § 43 Satz 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Abwägungsgebot ist nicht verletzt.

58

Dabei ist die gerichtliche Kontrolle der Auswahl zwischen verschiedenen Planungsalternativen als Abwägungsentscheidung auf erhebliche Abwägungsmängel begrenzt (§ 43 Satz 3, § 43e Abs. 4 Satz 2 EnWG). Ihre Rechtmäßigkeit hängt nicht davon ab, ob für eine andere planerische Lösung einleuchtende Gründe angeführt werden können. Es reicht vielmehr aus, wenn die Behörde ernsthaft in Betracht kommende Alternativen prüft, sich mit dem Für und Wider der jeweiligen Lösung auseinandersetzt und tragfähige Gründe für die gewählte Lösung anführen kann. Die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit sind erst dann überschritten, wenn eine andere als die gewählte Lösung sich unter Berücksichtigung der abwägungserheblichen Belange als die eindeutig bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellt (vgl. Urteile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <249 f.> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107 S. 65 f. und vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41 m.w.N. ).

59

a) Die planfestgestellte rechteckige statt der von der Klägerin geforderten elliptischen Form der Schutzstreifen ist im Ergebnis nicht abwägungsfehlerhaft. Der Beklagte hält die Nutzungsbeschränkungen bei rechteckigen Schutzstreifen für leichter erkennbar; diese Form entspreche der Eintragung im Grundbuch und ermögliche Wartungsarbeiten im Bereich der Masten. Diese Gesichtspunkte können die entgegenstehenden Eigentümerinteressen der Klägerin überwinden, die von der Form der festgelegten Schutzstreifen nur am Rande berührt werden. Dass entsprechende Darlegungen im Planfeststellungsbeschluss fehlen, ist jedenfalls nach § 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG unbeachtlich, weil ein etwaiger Mangel auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen ist.

60

b) Besondere Vorkehrungen gegen die Gefahr von Mastbrüchen brauchte der Planfeststellungsbeschluss nicht zu treffen. Eine Planfeststellungsbehörde hat sich Gewissheit darüber zu verschaffen, dass ein durch das Vorhaben aufgeworfenes tatsächliches Problem bei der Ausführung des Planfeststellungsbeschlusses beherrschbar ist und das hierfür notwendige Instrumentarium bereit steht. Der Planfeststellungsbeschluss kann daher die Bauausführung ausklammern, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Vorgaben gewährleistet ist (Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 97 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 201). Nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Der Erläuterungsbericht nennt die zu beachtenden technischen Regelwerke (S. 16 f.). Der Planfeststellungsbeschluss durfte davon ausgehen, dass diese Regelungen ausreichende Möglichkeiten bereitstellen, um hinreichend vor Mastbrüchen zu schützen.

61

c) Der Planfeststellungsbeschluss verletzt nicht die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Planungshoheit der Klägerin. Der 7. Senat hat dies in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 28. Februar 2013 dargelegt und dabei insbesondere das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 653 in den Blick genommen (BVerwG 7 VR 13.12 - UPR 2013, 345 Rn. 23). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung. Die Klägerin ist ihr in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten.

62

d) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 1 Abs. 1 EnLAG i.V.m. der Anlage sowie § 43 Abs. 1 Nr. 1 EnWG die von der Klägerin geforderte Führung als Erdkabel ausschließt. Der Planfeststellungsbeschluss hat sich jedenfalls ohne Abwägungsfehler gegen diese Alternative ausgesprochen (Beschluss vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 32 f.).

63

Er hat die Vor- und Nachteile einer Freileitung und eines Erdkabels in den Blick genommen, gewürdigt und der Ausführung als Freileitung in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin beauftragten Gutachter den Vorrang eingeräumt. Störungen seien bei Freileitungen besser beherrschbar, der Reparaturaufwand geringer, die zu erwartende Lebensdauer höher und die Kosten erheblich niedriger. Ein Erdkabel entlaste zwar das Landschaftsbild, belaste aber die Schutzgüter Biotope, Boden und Wasser stärker. Das unterschiedliche Emissionsverhalten von Freileitung und Erdkabel sieht der Planfeststellungsbeschluss, misst ihm aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Diese Überlegungen genügen dem Abwägungsgebot.

64

Die Einwände der Klägerin zeigen keinen im Ergebnis erheblichen Abwägungsfehler auf. Ob der Planfeststellungsbeschluss davon ausgehen durfte, dass bei Erdkabeln die technische Sicherheit im Sinne von § 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG nicht gewährleistet ist, kann mangels Ergebnisrelevanz offen bleiben (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG). Denn die Abwägung des Beklagten wird gerade für den Fall angestellt, dass ein Erdkabel grundsätzlich planfeststellungsfähig ist und nicht von vornherein an rechtlichen Grenzen scheitert. Der Planfeststellungsbeschluss durfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - die höhere Übertragungskapazität einer Freileitung berücksichtigen, da er diese nicht begrenzt. Welche Einwände die Klägerin gegen die Bewertung der Kabelübergabestation als nicht ganz unerhebliches Bauwerk erhebt, ist nicht erkennbar.

65

Schließlich kann die Klägerin den Hinweis des Planfeststellungsbeschlusses auf die erheblichen Mehrkosten einer teilweisen Endverkabelung nicht entkräften. Es kommt dem Planfeststellungsbeschluss entscheidend auf die Mehrkosten an, nicht, jedenfalls nicht ergebnisrelevant (§ 43e Abs. 4 Satz 1 EnWG), auf die Frage des Investitionsbudgets. Ob die Mehrkosten ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder zu denjenigen der jeweiligen Teilstrecke gesetzt werden, ist eine Frage der Darstellung, spielt für die Abwägungskontrolle aber keine Rolle (Beschluss vom 26. September 2013 - BVerwG 4 VR 1.13 - NuR 2013, 800 Rn. 44).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b kann verlangt werden, wenn

1.
eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften
a)
erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder
b)
erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist,
2.
eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 18 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder im Sinne von § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder
3.
ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der
a)
nicht geheilt worden ist,
b)
nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und
c)
der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.
Eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit, die nicht dem Maßstab des § 5 Absatz 3 Satz 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung genügt, steht einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gleich.

(1a) Für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, gilt § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet.

(1b) Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nur dann zur Aufhebung der Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b oder 5, wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann. Unberührt bleiben

1.
§ 45 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sowie
2.
§ 75 Absatz 1a des Verwaltungsverfahrensgesetzes und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung.
Auf Antrag kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Heilung von Verfahrensfehlern im Sinne der Absätze 1 und 1a ausgesetzt wird, soweit dies im Sinne der Verfahrenskonzentration sachdienlich ist.

(2) Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Beschlüsse im Sinne des § 2 Absatz 6 Nummer 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sind, gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 1b die §§ 214 und 215 und die diesbezüglichen Überleitungsvorschriften des Baugesetzbuchs sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.

(3) Die Absätze 1 bis 2 gelten für Rechtsbehelfe von

1.
Personen gemäß § 61 Nummer 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und Vereinigungen gemäß § 61 Nummer 2 der Verwaltungsgerichtsordnung sowie
2.
Vereinigungen, die die Anforderungen des § 3 Absatz 1 oder des § 2 Absatz 2 erfüllen.
Auf Rechtsbehelfe von Personen und Vereinigungen nach Satz 1 Nummer 1 ist Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.

(4) Für Rechtsbehelfe von Vereinigungen nach Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 gegen Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 sind die Absätze 1 bis 2 entsprechend anzuwenden. Soweit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung Raumordnungspläne nach dem Raumordnungsgesetz sind, gelten abweichend von Satz 1 die §§ 11 und 27 Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften.

(5) Für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, 5 und 6 gelten bei Verfahrensfehlern die jeweiligen fachrechtlichen Regelungen sowie die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für eine Hähnchenmastanlage.

2

Die Beigeladene beabsichtigt, auf dem Gelände einer ehemaligen Rinderhaltungsanlage im Ortsteil A-Stadt der Gemeinde C. eine Hähnchenmastanlage zu errichten und zu betreiben. Die noch aus DDR-Zeiten stammende Anlage wurde im Jahr 1992 gemäß § 67 Abs. 2 BImSchG bei der zuständigen Behörde angezeigt. Spätestens Ende 2007 wurde der Betrieb der Anlage eingestellt.

3

Der Kläger bewohnt das Grundstück A-Straße in A-Stadt, das etwa 200 bis 250 m von den Abluftkaminen der geplanten Hähnchenmastanlage entfernt ist.

4

Am 30.01.2008 beantragte die K. Agrar KG eine Genehmigung nach dem BImSchG zur Änderung einer Anlage zum Halten von Rindern mit 1.482 Rinderplätzen (Jungrinder) und 200 Kälberplätzen in 6 Ställen in eine Anlage zum Halten von Geflügel mit 347.965 Masthähnchenplätzen in 8 Ställen unter Umnutzung von 4 vorhandenen und Neuerrichtung von 4 zusätzlichen Stallgebäuden, verbunden mit der Stilllegung von 2 vorhandenen Ställen, Stallmistlagerflächen, Horizontalsilos und einer Güllelageranlage sowie Neuerrichtung von Futtermittelsilos und Flüssiggasbehältern. Das Vorhaben wurde am 15.05.2008 in der Mitteldeutschen Zeitung, Ausgabe Naumburg, sowie im Amtsblatt des Beklagten bekannt gemacht. Die Antragsunterlagen wurden vom 22.05.2008 bis zum 23.06.2008 bei der Verwaltungsgemeinschaft (...) und dem Beklagten ausgelegt.

5

Mit Schriftsatz vom 07.07.2008 erhob u.a. der Kläger hiergegen Einwendungen. Am 06. und 07.11.2008 wurde ein Erörterungstermin durchgeführt, an dem auch der Kläger und sein Bevollmächtigter teilnahmen und nochmals Einwendungen erhoben.

6

Am 16.07.2010 beantragte die K. Agrar KG eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Änderung der vorhandenen Rinderanlage in eine Anlage zum Halten von Geflügel mit einer Kapazität von 246.698 Masthähnchenplätzen. Hierzu sollten drei der vorhandenen Ställe umgebaut und drei Ställe neu errichtet werden. Bestandteil der Anlage sollte ein Abluftwäscher sein, mit dem mindestens 30 bis 50 % Staub, Ammoniak und Geruch aus der Abluft des Geflügelstalls abgeschieden werde.

7

In einer Stellungnahme des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (LAU) vom 26.08.2010 hieß es, bei der Errichtung der Anlage zur Haltung von Masthähnchen werde der in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft vorgeschriebene Mindestabstand nicht eingehalten. Dieser betrage ca. 411 m. Die nächste Wohnbebauung sei aber nur ca. 150 bis 310 m von der nächsten Emissionsquelle entfernt. In der Regel werde dann der Einsatz von Abluftreinigungsanlagen erforderlich. Hier sei eine hocheffiziente Abluftreinigung erforderlich, um die unmittelbare Nachbarschaft vor schädlichen Geruchseinwirkungen zu schützen. Diese müsse dauerhaft über einen längeren Zeitraum in der Lage sein, ausreichende Geruchsminderung zu liefern. Abluftreinigung in der Geflügelmast sei äußerst kompliziert. Zurzeit gebe es nur eine DLG-zertifizierte Anlage für die Schadstoffe Staub und Ammoniak. Für die Geruchsminderung bis zu dem Merkmal „kein Rohgasgeruch im Reingas“ gebe es keine zertifizierte Anlage. Die Angaben in den Antragsunterlagen zur Abluftreinigung mit Prallblech und Wasserbad ohne weitere Angaben seien völlig unzureichend. Für die Beschreibung der geplanten Abluftreinigungsanlage seien unter anderem Referenzanlagen/Messberichte notwendig. Besonders in der Zeit der höchsten Emissionen in den letzten Masttagen müssten die Minderungsgrade der Abluftreinigungsanlage sicher eingehalten werden. Das sei mit einer relativ einfachen Abluftreinigung durch Prallblech und Wasserbad eher unwahrscheinlich. Die durchgeführten orientierenden Vergleichsrechnungen hätten ergeben, dass die Berücksichtigung einer mechanischen Abgasfahnenüberhöhung größere Auswirkungen auf die Immissionen habe als eine 30 %-ige Abluftreinigung. Hauptaugenmerk müsse daher auf einer ausreichend dimensionierten und dokumentierten Abluftführung liegen. Im Einzelnen wurden für das Grundstück des Klägers folgende Immissionswerte berechnet:

8

• mit Überhöhung und mit Geruchsminderung = 10,6 %
• mit Überhöhung und ohne Geruchsminderung = 12,0 %
• ohne Überhöhung und mit Geruchsminderung = 17,7 %
• ohne Überhöhung und ohne Geruchsminderung = 18,6 %

9

In einer Stellungnahme des LAU vom 18.02.2011 wurde ausgeführt, in der Immissionsprognose dürfe der mechanische Teil der Abgasfahnenüberhöhung nur berücksichtigt werden, wenn folgende Bedingungen gegeben seien:

10

• freie Abluftströmung ohne Beeinflussung durch Hindernisse
• Kamin mindestens 10 m über Flur und 3 m über First
• Abgasgeschwindigkeit kontinuierlich über 7 m/s senkrecht nach oben gerichtet.

11

In einer E-Mail des LAU an den Beklagten vom 22.02.2011 hieß es, bei eingehausten Abluftschächten könne unter Umständen die Notwendigkeit bestehen, den Schacht selbst als Strömungshindernis darzustellen.

12

In einer Immissionsprognose der Umweltschutzberatung (K.) vom 11.04.2011 wurde für den Immissionspunkt 3, das Wohnhaus des Klägers, eine Wahrnehmungshäufigkeit von Gerüchen von 5 % der Jahresstunden berechnet. Unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors für Geflügel von 1,5 nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) ergab sich ein Wert von 7,5 %. Im Rahmen der Ausbreitungsrechnung wurde von einer Immissionspunkthöhe von 1,5 m ausgegangen. Als meteorologische Daten wurden die Daten der Ausbreitungsklassenzeitreihe (AKTerm) 2004 der Wetterstation O. verwendet.

13

Mit Bescheid vom 20.07.2011 erteilte der Beklagte der K. Agrar KG die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG, die u.a. mit folgenden Nebenbestimmungen verbunden war:

14

5.1.1
An den im Einwirkungsbereich der Masthähnchenanlage liegenden Bebauungen der Gemeinde B., Ortsteil A-Stadt, ist antragsgemäß der Immissionswert für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche an der Erkennungsschwelle (1 GE/m³) von 0,06 (entspricht 6 % der Jahresstunden) nicht zu überschreiten.

15

5.1.2
Die Abluftführung ist antragsgemäß ständig über eine zentrale Abluftreinigungsanlage je Stall in 3 m über der höchsten Stelle des Daches und 10 m über Flur senkrecht nach oben und ohne behindernde Abdeckung abzuleiten. Am Ende jeder Mastperiode ist aus Vorsorgegründen eine Geruchs-, Ammoniak- und Staubminderung aus den Ställen von 40 % einzuhalten.

16

5.2.1
Zur Feststellung der unter 5.1.2 festgelegten Minderungsgrade und der sich daraus ergebenen Emissionsmassenströme ist nach Erreichen des ungestörten Betriebes, jedoch frühestens nach dreimonatigem Betrieb und spätestens sechs Monate nach Inbetriebnahme der jeweiligen Ställe, die Nachweismessungen durchführen zu lassen.

17

5.3.3
Antragsgemäß ist an der Ostseite des Antragsgeländes eine neue Ein- und Ausfahrt zu errichten und bis auf Havarie- und Notfälle ausschließlich diese Verkehrsanbindung zu nutzen.

18

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Erlasslage im Land Sachsen-Anhalt gehe davon aus, dass es sich bei der Änderung der Tierart innerhalb der Nummer 7.1 der 4. BImSchV um eine wesentliche Änderung einer vorhandenen Anlage nach § 16 BImSchG und nicht um eine Neugenehmigung nach § 4 BImSchG handele. Unabhängig davon bestünden in der Art des hier geführten Genehmigungsverfahrens keine Unterschiede zwischen einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG und einer Neugenehmigung nach § 4 BImSchG. Das Verfahren sei nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung geführt worden. Zudem sei eine Umweltverträglichkeitsstudie erarbeitet worden. Bei der immissionsschutzrechtlichen Bewertung und der Festlegung der Immissionsbegrenzungen z.B. für Gerüche sei der Standard für eine Neuanlage herangezogen worden. Auch bei der Bewertung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Anlage bestünden keine Unterschiede zwischen einer wesentlichen Änderung und einer Neugenehmigung.

19

Bei Beachtung der Nebenbestimmungen sei sichergestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 5 und 6 BImSchG erfüllt seien.

20

Das Vorhaben sei planungsrechtlich zulässig. Nach dem Ergebnis der vorgenommenen Ortsbesichtigung sei die vorhandene Stallanlage Bestandteil des im Zusammenhang bebauten Ortsteils, der durch die Gesamtbebauung innerhalb des Gemeindegebietes A-Stadt gebildet werde. Maßgebliche Umgebung sei die gesamte Bebauung des Ortsteils A-Stadt. Angesichts der Art der geplanten Anlage könnten sich deren Auswirkungen auf die gesamte Umgebungsbebauung erstrecken, die ausschließlich aus Wohnhäusern bestehe und die südlich und westlich unmittelbar an das Betriebsgelände angrenze. Die Zulässigkeit des Vorhabens richte sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, da kein Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. den Bestimmungen der BauNVO vorliege; vielmehr handele es sich um eine Großgemengelage, also das Nebeneinander unterschiedlicher baulicher Nutzungen, nämlich Wohnbebauung und emittierende Anlage, die sich gegenseitig beeinträchtigten bzw. behinderten, jedoch räumlich voneinander getrennt seien. Eine Verletzung von Rechten Dritter durch den Anlagenbetrieb habe nicht festgestellt werden können.

21

Es könne davon ausgegangen werden, dass der festgelegte Immissionsgrenzwert für Gerüche im Ortsteil A-Stadt bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Masthähnchenanlage eingehalten werde. Die Geruchsimmissionsprognose vom 11.04.2011 sei in Abstimmung mit dem LAU erarbeitet worden. Ausgehend von einer Geruchsminderung von 40 % werde der Immissionswert für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche von 15 % der Jahresstunden für die Wohnbebauungen im Ortsteil A-Stadt mit 8 % der Jahresstunden eingehalten. Aus Vorsorgegründen sei die Geruchs-, Ammoniak- und Staubminderung aus den Ställen von 40 % und der Immissionswert für die Wahrnehmungshäufigkeit der Gerüche an der Erkennungsschwelle (1 GE/m³) von 6 % der Jahresstunden festgelegt worden. Nach der GIRL sei ein Immissionswert von 15 % an Wohnbebauungen im Dorfgebiet zulässig.

22

Es seien auch keine erheblich belästigenden Einwirkungen durch Lärm zu erwarten. Nach dem schalltechnischen Bericht vom 22.06.2010 würden die einschlägigen Immissionsrichtwerte durch die zu erwartenden Beurteilungspegel an den Immissionsorten unterschritten bzw. eingehalten. Nach Nr. 7.4 der TA Lärm seien auch die Schallimmissionen des anlagenbedingten Verkehrs in der Umgebung der Anlage zu untersuchen, in der Regel bis zu einer Entfernung von 500 m von der Ein- bzw. Ausfahrt. Bei der Nutzung der neuen östlichen Zufahrt werde im Bereich von 500 m jedoch keine Wohnbebauung berührt. Auch Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen seien nicht zu berücksichtigen.

23

Es komme auch nicht zu erheblichen Gesundheits- und Infektionsgefahren für benachbarte Wohn- und Tierhaltungsanlagen durch Stäube und Mikroorganismen (Bioaerosole). Abgesicherte wirkungsbezogene Grenzwerte für Bioaerosole gebe es nicht, weshalb auch keine Aussage über diesbezügliche Mindestabstände getroffen werden könne. Es könne jedoch eingeschätzt werden, dass aufgrund der vorhandenen Abgasreinigung eine Reduzierung der Staubpartikel als Träger der Bioaerosole stattfinde. Durch die zusätzlich stattfindenden Abmangelungsprozesse sei nicht mit einem erhöhten Krankheitsrisiko durch das Auftreten von Bioaerosolen zu rechnen.

24

Europäische Schutzgebiete des Netzes NATURA 2000 würden von dem Vorhaben nicht berührt. Das nächstgelegene FFH-Gebiet „C.-Nordrand südwestlich Wolmirstedt“ befinde sich ca. 3,5 km nördlich des Vorhabenstandortes. Aufgrund der großen Entfernung könne eine Beeinträchtigung des Schutzzwecks bzw. der Erhaltungsziele des Schutzgebietes ausgeschlossen werden.

25

Der Genehmigungsbescheid wurde nach öffentlicher Bekanntmachung in der Verbandsgemeinde (...) sowie bei dem Beklagten vom 17. bis zum 30.08.2011 ausgelegt.

26

Am 30.09.2011 hat der Kläger gegen den Genehmigungsbescheid Klage erhoben.

27

Mit Schreiben vom 30.07.2012 hat die K. Agrar KG dem Beklagten u.a. angezeigt, dass die Beigeladene neue Bauherrin sei. Die Bezeichnung der Ställe werde geändert. Die Futtermittelsilos würden jetzt zwischen Stall 2 und 3 sowie zwischen Stall 5 und 6 errichtet. Die Ablufttürme hätten sich verändert. Die Ableithöhe der Abluftschächte ändere sich nicht. Es verringere sich lediglich die Höhe des Baukörpers der Abluftschächte. Mit Bescheid vom 15.08.2012 hat der Beklagte festgestellt, dass u.a. der Betreiberwechsel, die Verschiebung der Futtermittelsilos sowie die Änderung der Ablufttürme keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürften. Hinsichtlich der Luftreinhaltung sei festzustellen, dass durch die Änderungen keine schädlichen oder nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien. Die Ableithöhe und die Abluftgeschwindigkeiten aus den Abluftschächten blieben gleich. Die Bestimmungen der TA Luft und der GIRL würden weiterhin eingehalten.

28

Mit Schreiben vom 18.01.2013 hat die Beigeladene dem Beklagten die Teilinbetriebnahme der Mastanlage angezeigt. Am 30.11.2012 seien die ersten 54.000 Küken eingestallt worden. Am 25.02.2013 hat die (...) Umwelt-Biotechnologie GmbH (BUB) an dem in der Anlage eingebauten Wäscher der (S.) Systemtechnik GmbH Emissionsmessungen hinsichtlich Geruch und Ammoniak durchgeführt, wobei sich nach einem Schreiben der BUB vom 26.03.2013 ein Wirkungsgrad des Wäschers hinsichtlich des Geruchs von 62,5 % ergeben habe.

29

In einem Gutachten des Sachverständigen für Immissionsschutz (A. K.) vom 04.11.2013 sind die Geruchsimmissionen im Umfeld der Hähnchenmastanlage A-Stadt im Auftrag der Beigeladenen erneut beurteilt worden. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass am Immissionsort 3, dem Wohnhaus des Klägers, durch den Betrieb der Anlage mit einer relativen Geruchsstundenhäufigkeit unter Berücksichtigung tierartspezifischer Belästigungsfaktoren von 6 % der Jahresstunden zu rechnen sei. Hierbei wird eine Reduzierung der Anzahl der Mastphasen auf 5 pro Jahr bei einer Mastdauer von je 42 Tagen berücksichtigt. Als Emissionsquellen sind die Abluftkamine der Stallgebäude sowie die Entmistung der Ställe berücksichtigt worden. Bei den Emissionen aus den Abluftkaminen sind auf der Grundlage der Geruchsstoffemissionsdaten nach OLDENBURG die Emissionen für die sechs Lebenswochen der Tiere in Abhängigkeit von den lebenswochenbezogenen mittleren Tiergewichten und Geruchsemissionen differenziert angegeben und als Zeitreihen für die Ausbreitungsrechnung verwendet worden. Im Rahmen der Quellenmodellierung sind die Abluftkamine der Ställe als kalte Punktquellen mit dynamischer Abluftfahnenüberhöhung modelliert worden. Lediglich für die Zeitintervalle im Jahr mit Anströmgeschwindigkeiten aus östlichen Richtungen von mehr als 5 m/s seien zusätzlich vertikale Linienquellen modelliert worden. Zur Begründung wird ausgeführt, es sei berücksichtigt worden, dass die Einhausungen der Abluftreinigungsanlagen geeignet sein könnten, die freie Abströmung der Fortluft zu behindern, und dass die Kaminhöhen nicht mindestens 3 m über dem höchsten Punkt der Gebäudeteile liegen, so dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Abluftfahnen-überhöhung nicht von vornherein gegeben seien. Gleichwohl sei bei einer Anströmgeschwin-digkeit bis maximal 5 m/s die gewöhnlich anzusetzende Abluftfahnenüberhöhung angesetzt worden, da durch den Austrittsimpuls die ausgeblasene Abluft bereits eine Sekunde nach Austritt eine Fahnenhöhe von ca. 3,5 m erreiche und damit in ein vom Abluftturm praktisch ungestörtes Windfeld in 13 m Höhe eintrete. Um modellbedingten Unsicherheiten zu begeg-nen, sei der in der Ausbreitungsrechnung eingesetzte Zahlenwert für die Ausström-geschwindigkeit auf 8 m/s begrenzt worden. Für höhere Anströmgeschwindigkeiten seien vertikale Linienquellen (0 m über Grund bis 10 m über Grund) modelliert worden. Ihnen seien die Emissionszeitreihen zugeordnet worden, die sich auf die konkreten Stunden im Jahresverlauf und auf die innerhalb dieser Stunden zu erwartenden stallbezogenen Emis-sionen beziehen. Da alle relevanten Immissionsorte in westlicher Richtung lägen, habe die Betrachtung auf das Anströmen aus östlichen Richtungen (0° bis 180°) beschränkt werden können. Diese Vorgaben für die einzelnen Abluftschächte seien konservativer Natur und führten tendenziell zu einer Überschätzung der Immissionskonzentrationen bei der Ausbrei-tungsrechnung, da bei einer Gruppe von gleichartigen Abluftschächten auf einem Abluftturm – wie hier – eine größere Abluftfahnenüberhöhung durch Überlagerungseffekte zu erwarten sei. Für die Transmissionsbedingungen ist die AKTerm 2004 der Station O. zu Grunde gelegt worden und als Qualitätsfaktor + 1 gewählt worden. Die Rauhigkeitslänge ist mit 1,0 m und die Anemometerhöhe mit 23,9 m berücksichtigt worden. Der Anemometerstandort ist südöstlich des Anlagenortes gewählt worden. Der tierartspezifische Belästigungsfaktor ist mit 1,5 berücksichtigt worden. Es wird mit einer Quellhöhe von 10 m gerechnet.

30

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen: Der Genehmigungsbescheid vom 20.07.2011 sei formell rechtswidrig, weil der Beklagte ohne die nach § 10 Abs. 3 BImSchG vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung entschieden habe. Die K. Agrar KG habe von ihrem ursprünglichen Vorhaben, eine Hähnchenmastanlage mit ca. 350.000 Mastplätzen zu errichten, Abstand genommen und mit dem Antrag vom 22.06.2010 eine Genehmigung für ein völlig neues Vorhaben beantragt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich lediglich um eine Änderung des Vorhabens gehandelt habe, hätte eine erneute Öffentlich-keitsbeteiligung erfolgen müssen. Dies ergebe sich aus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG, wonach bei Änderung der Unterlagen eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig sei. Jedenfalls ergebe sich das Erfordernis einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung aus Art. 6 Abs. 3 Buch-stabe c der UVP-Richtlinie (UVP-RL 2003), wonach der betroffenen Öffentlichkeit auch solche Informationen zugänglich zu machen seien, die entscheidungserheblich seien und erst zugänglich würden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 der UVP-RL 2003 informiert worden sei. Das in § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV geregelte Verfahren der Zugänglichmachung nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen werde diesen Anforderungen nicht gerecht, da dies nur auf Antrag erfolge. Die Öffentlichkeit erfahre aber nach einer einmal durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung gar nicht, ob das Vorhaben geändert und neue entscheidungserhebliche Unterlagen nachgereicht worden seien, sofern dies nicht öffentlich bekannt gemacht werde. Jedenfalls würden die Unterlagen auf diese Weise nicht rechtzeitig im Sinne des Art. 6 Abs. 6 der UVP-RL 2003 zugänglich gemacht. Das Gleiche ergebe sich aus Art. 24 i.V.m. Anhang IV Nr. 2 und 3 der IVU-Richtlinie. Der Verweis auf ein Antragsrecht nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen genüge den Vorgaben der UVP-RL 2003 und der IVU-Richtlinie nicht. Nachgereichte Unterlagen müssten von der Behörden aktiv der Öffentlichkeit bekannt gegeben bzw. zugänglich gemacht werden. Nach Art. 10a der UVP-RL 2003 (bzw. Art. 11 der UVP-RL 2003 n.F.) habe er auch die Befugnis, die rechtswidrig unterlassene Öffentlichkeitsbeteiligung zu rügen, und einen entsprechenden Aufhebungsanspruch. Seine Überprüfungsbefugnis beziehe sich nach Art. 10a der UVP-RL 2003 auch auf die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen. Die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer Entscheidung sei im Rahmen einer zulässigen Klage umfassend zu prüfen. Auch das Kausalitätserfordernis des § 46 VwVfG sei bei der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers im Rahmen einer Klage im Anwendungsbereich des Art. 10a der UVP-RL 2003 nicht anwendbar.

31

Darüber hinaus sei das Verfahren in unzulässiger Weise als Änderungsverfahren nach § 16 Abs. 1 BImSchG durchgeführt worden. Es handele sich nicht um die Änderung einer Rinder-haltungsanlage, sondern um eine Neuerrichtung im Sinne der §§ 4 ff. BImSchG. Die Wahl der falschen Verfahrensart berühre auch drittschützende Rechte, da im Fall der Neuer-richtung sowohl im Rahmen der Schutz- und Vorsorgepflichten als auch im Rahmen des Rücksichtnahmegebots strengere Maßstäbe gälten als bei einer Änderung.

32

Die Genehmigung sei auch materiell rechtswidrig. Das Vorhaben verstoße gegen das bau-planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und verletze seinen Gebietserhaltungsanspruch.

33

Der Anlagenstandort sei dem Innenbereich der Ortslage A-Stadt zuzuordnen. Die Rinder-anlage dürfe bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung nicht berücksichtigt werden, weil der Bestandsschutz im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung bereits ent-fallen gewesen sei. Da der Betrieb der Anlage bereits 2006 eingestellt worden sei, sei gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die gestattende Wirkung der Anzeige nach drei Jahren, also im Jahr 2009, erloschen. Ein sog. nachwirkender Charakter der ehemaligen Rinder-anlage sei im Rahmen der Maßstabsbildung nicht zu berücksichtigen, da nach dem Zeit-modell des Bundesverwaltungsgerichts mehr als zwei Jahre nach der Nutzungsaufgabe nicht mehr mit einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen sei. Zudem sei die Anlage lange Zeit mit nur ca. 600 Jungrindern betrieben worden, so dass im Rahmen der Maßstabsbildung nach § 34 Abs. 1 BauGB allenfalls die Nutzung des Teilbetriebs als relevante Nutzung zu berücksichtigen sei. Die Rinderanlage sei jedenfalls als Fremdkörper im Rahmen der Maß-stabsbildung unbeachtlich, so dass es sich bei dem maßgeblichen Baugebiet um ein all-gemeines oder reines Wohngebiet handele und sein Gebietserhaltungsanspruch verletzt sei.

34

Selbst wenn die ehemalige Rinderhaltungsanlage nicht als Fremdkörper anzusehen und der entsprechende Bereich als Dorfgebiet einzustufen wäre, sei die Anlage unzulässig; denn nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO seien dort nur Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe im Sinne des § 201 BauGB zulässig. Die Beigeladene erfülle aber mangels eigener Flächen-bewirtschaftung nicht die Kriterien einer landwirtschaftlichen Tierhaltung im Sinne von § 201 BauGB. Die K. Agrar KG habe im Genehmigungsverfahren angegeben, sie sei in der Lage, 75 % des Futters für die Masthähnchenanlage auf den ihr gehörenden 1.321,66 ha Anbaufläche zu produzieren. Diese Anbauflächen würden daher von der ursprünglichen Betreiberin der Anlage bewirtschaftet und seien der Beigeladenen nicht zuzuordnen. Da der Betreiberwechsel durch die Teilinbetriebnahme bereits vollzogen worden sei, müsse die neue Betreibersituation für die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigung maßgeblich sein.

35

Auch das Gebot der Rücksichtnahme werde verletzt. Durch die Realisierung des Vorhabens werde die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet und nachteilig in Bewegung gesetzt sowie bewältigungsbedürftige Spannungen ausgelöst. Da die gesamte Ortslage T. im Einwirkungsbereich der von der bisherigen Anlage hervorgerufenen Immissionen, insbesondere der Geruchsimmissionen liege, sei die gesamte Ortslage bzw. der gesamte Innenbereich als nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zu betrachten. Das genehmigte Vorhaben überschreite sowohl hinsichtlich der Art als auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung den vorhandenen Umgebungsrahmen. Das Vorhaben sei rücksichtslos, weil es nicht in eine harmonische Beziehung zur vorhandenen Bebauung trete. Die Immissionen aus der Hähnchenmastanlage würden hinsichtlich der Geruchsbelastung als deutlich belästigender empfunden als die von der Rinderhaltung ausgehenden Gerüche. Darüber hinaus sei die Gesundheitsgefährdung der aus der Hähnchenmast herrührenden Bioaerosole um ein Vielfaches höher als die von der Rinderhaltung hervorgerufenen Bioaerosole. Unabhängig davon liege ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auch deshalb vor, weil die von der Anlage ausgehenden Immissionen mit den immissions-schutzrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren und daher als unzumutbar anzusehen seien. Das gelte selbst dann, wenn man die von Bioaerosolen hervorgerufene Gesundheits-gefährdung nicht dem Schutz-, sondern dem Vorsorgegrundsatz zuordne.

36

Es sei nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sichergestellt, dass die Betreiber-pflichten aus § 5 Abs. 1 BImSchG erfüllt würden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden könnten. Zweifel gingen insoweit zu Lasten der Beigeladenen. Lediglich Risiken, die nur theoretisch denkbar seien, dürften außer Betracht bleiben. Auf Grund dieser Beweislast-regel sei die Schädlichkeit oder Erheblichkeit von Umwelteinwirkungen mittels einer Prognose zu beurteilen, deren Eingangsparameter „auf der sicheren Seite“ liegen müssten. Das sei hier nicht der Fall.

37

Die Immissionsprognose vom 11.04.2011 enthalte einige Fehler, weshalb die durch die Anlage hervorgerufene Geruchsbelastung deutlich unterschätzt werde. Insbesondere bestünden auch Zweifel an der Wirksamkeit der vorgesehenen Abluftreinigungsanlage. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Wirkungsgrad von 40 % bei der Geruchs- und Staubabscheidung dauerhaft erreicht werden könne. Die bei der Ausbreitungsrechnung in Ansatz gebrachten meteorologischen Daten der Station O. seien für den Standort nicht charakteristisch. Die Qualifizierte Prüfung (QPR) der Übertragbarkeit einer Ausbrei-tungszeitreihe bzw. Ausbreitungsklassenstatistik des DWD vom 18.12.2007 enthalte einen fachlichen Fehler. Die Übertragbarkeit der nach der Windrichtungsverteilung am besten mit den erwarteten Verhältnissen am Standort übereinstimmenden Daten der Wetterstation Weimar sei abgelehnt worden, weil die dort gegebene Schwachwindhäufigkeit von mehr als 20 % unakzeptabel hoch sei. Diese Aussage beruhe jedoch auf veralteten Daten, so dass die Sollwertermittlung der mittleren Windgeschwindigkeit am Standort fehlerhaft sei. Nach dem von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) herausgegebenen Witterungs-bericht 2010, der auf den Daten der nur 16 km südwestlich des Anlagenstandortes gelegenen Messtation in Buttelstedt basiere, sei das Jahresmittel der Windgeschwindigkeit im Referenzzeitraum 1982 bis 2010 von 4,3 m/s auf 2,3 m/s zurückgegangen. Da mit der Abnahme des Jahresmittels in der Regel die Schwachwindhäufigkeit zunehme, beruhe die Beurteilung, die für Weimar angegebene Schwachwindhäufigkeit von 21 % sei unakzeptabel hoch, nicht auf einer fundierten fachlichen Bewertung. Vielmehr sei diese Schwachwind-häufigkeit auch für den Anlagenstandort plausibel. Unabhängig davon sprächen auch die geographischen Verhältnisse für eine hohe Schwachwindhäufigkeit, denn A-Stadt liege in einer Niederung des Königsbaches. Gegen die Verwendung der Wetterdaten der Station O. spreche zudem, dass die orographischen Bedingungen am Anlagenstandort nicht mit denen an der Station O. übereinstimmten. Es hätte daher zumindest eine Vergleichsrechnung mit den Daten der Wetterstation Weimar stattfinden müssen. Die QPR sei auch deshalb nicht mehr belastbar gewesen, weil sie im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung bereits vier Jahre alt gewesen sei. Im Übrigen habe der DWD im Jahr 2000 für den nur 2,5 km südöstlich des Anlagenstandortes gelegenen Ort S. die Übertragbarkeit der Wetterdaten Erfurt-Bindersleben ermittelt. In einem Planfeststellungsverfahren für eine in der Nähe befindliche ICE-Strecke sei vom DWD die Übertragbarkeit der Daten der Wetterstation Artern attestiert worden.

38

Es sei auch nicht sichergestellt, dass die Anlage nicht zu schädlichen Lärmeinwirkungen führen könne. Die Lärmprognose vom 22.06.2010 sei bereits deshalb fehlerhaft, weil sie eine zu geringe Schutzwürdigkeit der Ortslage A-Stadt in Ansatz bringe. Sein Wohnhaus liege in einem Wohngebiet, so dass die Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts in Ansatz zu bringen seien. Zudem hätte die Vorbelastung durch die gewerbliche Ansiedlung der K. Agrar KG berücksichtigt werden müssen, die auf dem streitigen Gelände und angrenzend die zu dem Agrarbetrieb zugehörigen Traktoren und Landmaschinen in einer Fahrzeughalle lagere und einen Technikplatz betreibe. Wegen der fehlerhaften Baugebietseinordnung fehle auch der nach Nr. 6.5 der TA Lärm erforderliche Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit. Auch fehle die Berücksichtigung von Verkehrsgeräuschen nach Nr. 7.4 der TA Lärm.

39

Die Genehmigung sei auch deswegen rechtswidrig, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Betrieb der Anlage nicht zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Form einer Gesundheits-gefährdung durch Bioaerosole führen könnte. Von Bioaerosolen gehe ein erhebliches Ge-sundheitsrisiko aus. Bei Stäuben und Mikroorganismen aus der Nutztierhaltung, insbeson-dere aus der Geflügelhaltung, handele es sich um potentiell hoch gefährliche Krankheitser-reger, die in einem Umfeld von mehreren hundert Metern Gesundheitsgefahren auslösen könnten. Die durch Bioaerosole hervorgerufene Gesundheitsgefährdung sei der Schutzpflicht zuzuordnen, da die Schädlichkeit von luftgetragenen Bioaerosolen für die umliegende Bevöl-kerung nicht auf reinen Spekulationen und hypothetischen Schadensmöglichkeiten, sondern nach dem Stand der Wissenschaft auf tatsächlichen Anhaltspunkten basiere. Aufgrund der Schädlichkeit der Bioaerosole drohten Gesundheitsgefahren, die gemäß Nr. 4.8 der TA Luft stets als erheblich anzusehen seien, so dass lediglich geringe Anforderungen an die Wahr-scheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung zu stellen seien. Danach führe jede Erhöhung der Hintergrundkonzentration an Bioaerosolen durch den Zusatzbeitrag einer Anlage zum Vorliegen einer gewissen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, also einer Gesundheitsgefährdung. Nach dem Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 sei eine umwelt-medizinische Prüfung durchzuführen, wenn der Abstand zwischen Wohnorten von Menschen und einer Geflügelhaltungsanlage weniger als 500 m betrage. Sein Wohnhaus liege lediglich 250 m vom Anlagenstandort entfernt. Die Schutzpflicht sei nur dann erfüllt, wenn aufgrund einer sachverständigen Risikoabschätzung sichergestellt sei, dass das durch den emittie-renden Betrieb verursachte Gesundheitsrisiko als irrelevant anzusehen sei. Hierzu müsse durch eine Messung der Hintergrundkonzentration sowie eine Ausbreitungsrechnung fest-gestellt werden, dass es durch den Betrieb der Anlage zu keiner Erhöhung der Bioaerosol-Immissionen an der nächstgelegenen Wohnbebauung komme. Da eine solche Messung nicht vorgenommen worden sei, bestünden erhebliche Zweifel am Ausbleiben einer durch Bioaerosole hervorgerufenen Gesundheitsgefährdung. Die Prüfung einer möglichen Gesund-heitsgefährdung durch Bioaerosole im Genehmigungsbescheid sei völlig unzureichend. Der Hinweis auf Abmangelungsprozesse sei unklar. Auch der Hinweis auf die Abgasreinigung sei nicht geeignet, die vernünftigen Zweifel am Ausbleiben einer Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosol-Immissionen auszuräumen. Aus der Existenz der Abgasreinigung folge keines-wegs, dass der Zusatzbeitrag der Bioaerosole die vorhandene Hintergrundbelastung an den schutzwürdigen Nutzungen nicht überschreite. Diese Aussage könne nur auf der Grundlage von konkreten Messungen getroffen werden.

40

Selbst wenn die von Bioaerosolen ausgehenden Gefahren dem Vorsorgegrundsatz zuzu-ordnen seien, habe der Anlagenbetreiber Maßnahmen zu treffen, die sicherstellten, dass die Gefahrenschwelle nicht erreicht werde. Auch hierzu müsse die Bioaerosol-Hintergrund-belastung ermittelt und die Zusatz- und Gesamtbelastung durch Ausbreitungsrechnung be-stimmt werden. Er sei jedenfalls nach europäischem Recht befugt, eine Verletzung des Vor-sorgegrundsatzes zu rügen, da es sich hierbei um materielles Umweltrecht handele, das aus dem Unionsrecht hervorgegangen sei. Eine Beschränkung der Prüfpflicht des Gerichts auf diejenigen Aspekte, die die Zulässigkeit der Klage in Form der Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung begründen, sei mit den europarechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren.

41

Es fehle auch eine FFH-Vorprüfung bzw. eine FFH-Verträglichkeitsprüfung für das 2,5 km südwestlich der Anlage liegende FFH-Gebiet „Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra“ wegen der zu erwartenden Stickstoffeinträge. Sämtliche Lebensraumtypen befänden sich nach dem Standarddatenbogen in einem ungünstigen Erhaltungszustand. Der Critical Load für die FFH-Lebensraumtypen betrage 10 bis 20 kg N/ha*a. Die Vorbelastung für Laubwald betrage nach dem UBA-Datensatz (2007) 31 kg N/ha*a, so dass grundsätzlich jedweder Zusatzeintrag als erheblich im Sinne der FFH-Richtlinie anzusehen sei. Die Ammoniakprognose ende räumlich in einem Bereich von ca. 400 m östlich bzw. südöstlich des Anlagenstandorts. In diesem Bereich werde eine Konzentration von 1 µg NH3/m³ ausgewiesen, die unter Ansatz einer Depositionsgeschwindigkeit von 2,0 cm/s zu einer Deposition in Höhe von 5,2 kg N/ha*a führen würde. Selbst wenn man den nur in bestimmten Konstellationen und naturschutzfachlich zu begründenden Irrelevanzwert in Höhe von 3 % des CL-Werts in Ansatz bringe, würde die Irrelevanzschwelle bei 0,3 kg N bzw. 0,057 µg NH3/m³ liegen. Auf Grundlage der Entfernung von lediglich 2,5 km in Hauptwindrichtung und dem Umstand, dass in einem Abstand von 400 m zur Anlage noch erhebliche Ammoniak-Immissionen bzw. Stickstoff-Depositionen hervorgerufen werden, sei nicht auszuschließen, dass es auch im FFH-Gebiet zu einem Stickstoffeintrag kommen werde. Es sei auch der Zusatzeintrag einer im Jahr 2007 erweiterten Truthühnermastanlage in Höhe von 0,8 kg N/ha*a und damit die Summationswirkung beider Anlagen von zusammen 0,92 kg N/ha*a zu berücksichtigen. Dies führe zur Fehlerhaftigkeit der UVP und einer Verletzung von unions-rechtlich verankertem Umweltrecht. Er sei nach europäischem Recht über den Wortlaut des § 4 Abs. 1 UmwRG hinaus befugt, die Fehlerhaftigkeit der UVP zu rügen.

42

In der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 hat der Vertreter der Beigeladenen auf die Genehmigung vom 20.07.2011 verzichtet, soweit hierin ein Betrieb der Anlage mit mehr als fünf Mastzyklen pro Jahr zugelassen wird.

43

In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2014 haben der Kläger und der Beklagte das Verfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, als die Beigeladene im Termin vom 13.11.2013 eine Verzichtserklärung abgegeben hat.

44

Der Kläger hat beantragt,

45

den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2011 aufzuheben.

46

hilfsweise,

47

das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

48

1. Ist der Verweis in Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2011/92/EU auf die Richtlinie 2003/4/EG so auszulegen, dass der betroffenen Öffentlichkeit die in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2011/92/EU fallenden Informationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) der Richtlinie 2003/4/EG "aktiv" zugänglich zu machen sind oder aktiv zu verbreiten ist, wo die entsprechenden Informationen beantragt oder gefunden werden können?

49

2. Ist Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) der Richtlinie 2011/92/EU so auszulegen, dass in dem Fall, in dem nach der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung i. S. v. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92/EU die Unterlagen i.S.v. Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) der Richtlinie 2011/92/EU komplett oder im Wesentlichen bei der Behörde neu eingereicht werden, diese Unterlagen nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) der Richtlinie 2011/92/EU "der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens" erneut zugänglich zu machen sind?

50

3. Ist Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92/EU so auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt ist, den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht davon abhängig zu machen, dass die zur Stützung des Rechtsbehelfes vorgetragenen Gründe bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren (Genehmigungsverfahren) vorgetragen wurden?

51

Der Beklagte hat beantragt,

52

die Klage abzuweisen.

53

Er hat ausgeführt: Die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung sei durchgeführt worden. Auf Grund der Einwendungen sei das Vorhaben geändert worden. Die Änderungen seien auf die Minimierung der von der Anlage ausgehenden Risiken gerichtet gewesen. In einem solchen Fall lasse § 8 Abs. 2 der 9. BlmSchV zu, von einer erneuten Bekanntmachung und Auslegung abzusehen. Es liege auch keine Neuerrichtung i.S.v. § 4 BlmSchG vor. Selbst wenn eine Genehmigung nach § 4 BlmSchG erforderlich gewesen sein sollte, könne der Kläger hieraus für sich keine Rechte herleiten, die zur Aufhebung des Bescheides führen. Eine dem Schutz des Klägers dienende Schutzposition werde durch die Wahl des Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 BlmSchG nicht verletzt, denn ihm stünden unabhängig von der Art des Verfahrens dieselben Schutzrechte zu.

54

Es bestünden keine vernünftigen Zweifel an der Wirksamkeit der Abluftreinigungsanlage. Die Beigeladene habe plausible Unterlagen zu dem Abluftreinigungssystem übergeben, die eine Reinigungsleistung von 40 % im Hinblick auf Geruch und Ammoniak und von 70 % für Gesamtstaub auswiesen. Selbst wenn die Abluftreinigungsanlage bei der Ausbreitungsrechnung unberücksichtigt bliebe, würde dies nicht zu 2/3 höheren Geruchsimmissionen führen, da eine Erhöhung der Geruchshäufigkeiten keine linearen Auswirkungen auf die Höhe der errechneten Geruchsimmissionen habe. Für das hier gegebene Dorfgebiet sei nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL ein Immissionswert von 15 % der Jahresstunden festgelegt. Dieser Immissionswert werde durch die Geruchsbelastung von 6 % der Jahresstunden, mit der nach dem Ergebnis der Prognose am Wohnhaus des Klägers zu rechnen sei, deutlich unterschritten. Selbst wenn die prognostizierten Werte um 2/3 zu erhöhen seien, ergäbe sich daraus ein Wert von 12,5 % der Jahresstunden, der immer noch deutlich unter dem maßgeblichen Immissionswert der GIRL liege.

55

Dem Vorsorgegrundsatz komme keine drittschützende Wirkung zu. Zudem erfülle die Genehmigung mit der angeordneten Geruchsstundenhäufigkeit von 6 % der Jahresstunden die Vorsorgepflicht. Das treffe auch auf die Staubimmissionen zu. Hinsichtlich der Einordnung der Problematik der Bioaerosole in die Schutz- und Vorsorgeanforderungen des BlmSchG werde auf die einschlägige Rechtsprechung verwiesen. Da keine zuverlässigen Erkenntnisse darüber vorlägen, bei welcher Entfernung Bioaerosole aus Tierhaltungsbetrieben beeinträchtigend wirkten, und deshalb ungewiss sei, ob überhaupt mit einem Schadenseintritt zu rechnen sei, werde die Schutzpflicht nicht verletzt. Soweit – wie hier – nur potentiell schädliche Umwelteinwirkungen vorlägen, greife die Vorsorgepflicht ein, der jedoch keine nachbarschützende Wirkung zukomme.

56

Das Vorhaben verstoße auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Der überwiegende Teil der Anlage, soweit er die bereits vorhandenen und umzubauenden Gebäude umfasse, liege im Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB. Die maßgebliche nähere Umgebung sei die gesamte Bebauung des Ortsteils A-Stadt. Bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung sei auch die vorhandene Rinderhaltungsanlage mit zu berücksichtigen, da sie zwar ein Unikat, aber aufgrund ihrer Ausdehnung und Ausstrahlungswirkungen (Immissionen) auf die Umgebungsbebauung tonangebend sei. Da ein Betrieb der beantragten Art in der näheren Umgebung nicht vorhanden sei, müsse geprüft werden, ob das rahmenüberschreitende Vorhaben bodenrechtlich relevante Spannungen auslöse oder erhöhe. Bei Immissionen sei auf die Zumutbarkeit abzustellen. Hierbei sei auf die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 BlmSchG zurückzugreifen. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt, da von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgingen.

57

Eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebietes „Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra{}" durch den Betrieb der Anlage könne ausgeschlossen werden. Der der Anlage zuzuordnende Stickstoffeintrag betrage 0,12 kg N/(ha*a). Damit werde die Irrelevanzgrenze von 2 % des Critical Load von 0,2 kg N/(ha*a) unterschritten.

58

Die Beigeladene hat beantragt,

59

die Klage abzuweisen

60

und u.a. vorgetragen: Der Kläger könne sich nicht auf Verfahrensmängel berufen, denn die einschlägigen Verfahrensvorschriften seien nicht drittschützend. Auch lägen die gerügten Verfahrensfehler nicht vor. Das Verfahren zur Änderung der Rinderhaltungsanlage in eine Geflügelhaltungsanlage habe als Änderungsverfahren durchgeführt werden können. Es liege keine Neuerrichtung vor, die einer Genehmigung nach § 4 BlmSchG bedürfe. Der Charakter als Tierhaltungsanlage werde nicht grundlegend verändert. Tierhaltungsanlagen seien sowohl bei der Haltung von Rindern als auch bei der Haltung von Geflügel unter einer einheitlichen Nummer der 4. BlmSchV aufgelistet. Zudem liege die Zahl der Großvieheinheiten der Geflügelhaltungsanlage signifikant unter derjenigen der Rinderhaltungsanlage. Auch habe die Erteilung der Genehmigung nach § 16 BlmSchG nicht zu einer Verkürzung von Verfahrensrechten des Klägers geführt. Von der Befugnis nach § 16 Abs. 2 BlmSchG sei kein Gebrauch gemacht worden. Die materiellen Anforderungen unterschieden sich ebenfalls nicht von denjenigen in einem Verfahren nach § 4 BlmSchG. Es liege auch kein Verstoß gegen § 10 Abs. 3 BlmSchG vor. Das Verfahren sei nach § 10 BlmSchG und der 9. BlmSchV durchgeführt worden. Gemäß § 8 Abs. 2 der 9. BlmSchV sei wegen der Änderung des Vorhabens während des Genehmigungsverfahrens keine zusätzliche Bekanntmachung und Auslegung erforderlich gewesen, weil die Reduzierung der Tierplatzzahl allein dazu geführt habe, dass Dritte weniger belastet würden. Die mit der Änderung zusätzlich vorgelegten Unterlagen seien gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen gewesen.

61

Eine Verletzung materiell-rechtlicher Anforderungen liege ebenfalls nicht vor. Die Genehmigung verletze keine Rechte des Klägers. Ein nachbarliches Abwehrrecht könne nur auf die Verletzung der Schutzpflicht gestützt werden. Die Vorsorgepflicht entfalte grundsätzlich keine Schutzwirkung zu Gunsten Drittbetroffener. Maßnahmen zur Minderung von Bioaerosolen seien der Vorsorgepflicht zuzuordnen. Es gebe weder Emissions- noch Immissionsgrenzwerte für Bioaerosole. Insbesondere die thematisch einschlägige TA Luft enthalte insoweit keine Grenzwerte. In Nr. 5.4.7.1 der TA Luft sei lediglich die Pflicht zur Prüfung etwaiger Möglichkeiten angesprochen, die Emissionen an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr greife jedoch nicht ein, weil ungewiss sei, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen sei. Es fehle an hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen über einen Zusammenhang zwischen Keimen und Gesundheitsrisiken. Die Freisetzung von Bioaerosolen stehe der Genehmigungsfähigkeit von Tierhaltungsanlagen nicht entgegen.

62

Ein nachbarliches Abwehrrecht folge auch nicht aus der vom Kläger behaupteten Geruchsbelastung. Der Ortsteil A-Stadt sei ein Dorfgebiet mit landwirtschaftlicher Nutzung. Nach Tabelle 1 Nr. 3.1 GIRL sei von einem Immissionswert von 15 % der Jahresstunden auszugehen. Die Kritik des Klägers an der Abluftreinigungseinrichtung sei unberechtigt. Der Wirkungsgrad von 40 % werde erreicht. Aus dem Gutachten vom 04.11.2013 ergebe sich, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten seien. Die Einhausungen der Abluftreinigungsanlagen führten zu Korrekturen der Überhöhungsansätze. Die Futtersilos behinderten die freie Abströmung nicht. Das gelte auch für die Baum-Strauch-Hecke, da deren Höhenentwicklung langfristig auf ca. 7 m begrenzt werde. Die QPR des DWD sei nicht zu beanstanden. Die Sollwerte für den Anlagenstandort stammten aus Modellrechnungen (Statistisches Windfeldmodell, 2004) die auf Windauswertungen des Zeitraums 1980/2000 basierten. Die Windgeschwindigkeitsverhältnisse hätten sich in den letzten Jahren nicht oder nur unwesentlich verändert. An der Grenze des nächstgelegenen FFH-Gebietes sei seine N-Deposition von nicht mehr als 0,3 kg N/a zu erwarten. Damit betrage der Eintrag nicht mehr als 3 % des maßgeblichen Critical-Load-Wertes.

63

Der Kläger könne ein Abwehrrecht auch nicht aus einer Verletzung der Vorsorgepflicht ableiten. Die Vorsorgepflicht werde erfüllt. Nr. 5.4.7.1 TA der Luft verlange nur die Behandlung in einer Abgasreinigungseinrichtung, ohne deren Wirkungsgrad vorzuschreiben. Die Abgasreinigungsanlage müsse lediglich eine emissionsmindernde Wirkung haben, die es rechtfertige, auf die Einhaltung des Mindestabstandes zur nächsten Wohnbebauung zu verzichten. Hierbei sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, so dass der Wirkungsgrad der Abgasreinigungsanlage nicht schematisch festgelegt werden dürfe, sondern risikoadäquat und angemessen im Verhältnis zu dem technisch möglichen Aufwand und den Kosten zu bestimmen sei. Es bestehe keine unbegrenzte Minimierungspflicht hinsichtlich der Emissionen. Werde die nächstgelegene Wohnbebauung nach Maßgabe der GIRL – wie hier – hinreichend geschützt, sei eine weitergehende Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche nicht erforderlich. In Ortsrandlage müssten mehr Immissionen aus dem Außenbereich hingenommen werden als im Inneren eines Bebauungszusammenhangs. Es sei auch kein unmittelbarer Nahbereich gegeben, weil sich die Ablufttürme erst am ortsabgewandten Ende des Stalls befänden.

64

Ein Klagerecht in Bezug auf die Vorsorgepflicht gegen Bioaerosole stehe dem Kläger auch nicht nach Art. 10a der UVP-RL 2003 zu. Das in Deutschland bestehende Modell des Individualrechtsschutzes sei weiterhin zulässig. Das Unionsrecht schreibe auch nicht vor, welche Bestimmungen drittschützend seien. Art. 10a der UVP-RL 2003 erfordere keine Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlmSchG dahin, dass dieser Regelung drittschützende Wirkung zukomme. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei nicht erforderlich, da kein Klärungsbedarf bestehe. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich eindeutig, dass es dem nationalen Gesetzgeber freistehe, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 10a der UVP-RL 2003 geltend machen könne, auf subjektiv-öffentliche Rechte zu beschränken. Er sei ferner grundsätzlich frei darin zu bestimmen, was eine Rechtsverletzung darstelle.

65

Die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift des Bauplanungsrechts liege ebenfalls nicht vor. Die vorhandene Rinderhaltungsanlage sei dem Außenbereich zuzuordnen. Die Stallanlagen seien deutlich von der Ortslage abgekehrt. Eine irgendwie geartete Zusammengehörigkeit mit der Ortsbebauung bestehe nicht. Auch die Stallanlagen selbst seien kein im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Die Geflügelhaltungsanlage sei gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässig. Sie betreibe landwirtschaftliche Tierhaltung. Es handele sich nicht um eine gewerbliche Massentierhaltung, sondern um Tierhaltung auf eigener Futtergrundlage. Öffentliche Belange, die zugleich Rechte des Klägers schützen sollten, würden nicht beeinträchtigt. Insbesondere würden von dem Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorgerufen. Selbst wenn die Anlage dem Innenbereich zuzurechnen sein sollte, werde der Kläger nicht durch eine Verletzung des in § 34 BauGB enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme in eigenen Rechten verletzt. Auch ein Gebietserhaltungsanspruch des Klägers sei nicht gegeben, weil sein Grundstück entweder in einem anderen Baugebiet liege als die Anlage oder eine Gemengelage vorliege. Die nähere Umgebung der Anlage sei der Bebauungskomplex der derzeitigen Rinderhaltungsanlage. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil gliedere sich in zwei Baugebiete, nämlich die landwirtschaftlich geprägte Wohnbebauung in A-Stadt und die Stallanlagen der Rinderhaltungsanlage. Diese zwei Baugebiete seien voneinander getrennt und jeweils eigenständig geprägt. Die Geflügelhaltung füge sich in die Eigenart der so abgegrenzten näheren Umgebung ein. Dem Gebot der Rücksichtnahme werde Rechnung getragen, da die Maßstäbe des Immissionsschutzrechts eingehalten würden. Dies gelte auch dann, wenn die Ortslage A-Stadt und die Stallanlagen zusammen als nähere Umgebung angesehen würden. Die Rinderanlage sei bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung mit zu berücksichtigen. Es sei unerheblich, dass die Nutzung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung aufgegeben worden sei, denn angesichts der im Wesentlichen intakten baulichen Anlagen sei jederzeit mit der Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen gewesen. Die Rinderanlage sei auch nicht als „Solitär" aus der Betrachtung auszuklammern, denn sie präge den unterstellt einheitlichen Innenbereich insbesondere durch die von ihr ausgehenden Geruchs- und Geräuschimmissionen, ausgelöst durch den Tierhaltungsbetrieb selbst und die dadurch hervorgerufenen Verkehrsvorgänge.

66

Das Verwaltungsgericht hat zu der Frage, ob die relative Geruchsstundenhäufigkeit am Wohnhaus des Klägers durch den Betreib der mit Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 20.07.2011 genehmigten Anlage zum Halten von Geflügel mit einer Kapazität von 246.698 Masthähnchenplätzen in A-Stadt 15% überschreitet, ein Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Luftreinhaltung Dr. rer. nat. D. vom März 2014 eingeholt. Darin wurde – unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht vorgegebenen Emissionsdaten – eine Geruchsstundenhäufigkeit am Wohnhaus des Klägers von weniger als 15 % der Jahresstunden und als Maximum 11 % der Jahresstunden ermittelt, wenn man von einem Dauerbetrieb über das ganze Jahr und mittleren Emissionen ausgehe.

67

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, und den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 20.07.2011 in der Gestalt, die er durch den Verzicht der Beigeladenen vom 18.11.2013 erhalten hat, aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

68

Die angefochtene Genehmigung sei rechtswidrig und unter Verletzung von drittschützenden Vorschriften erteilt worden.

69

Die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 10 Abs. 3 BlmSchG, die auch im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben stünden, dürften allerdings eingehalten sein. Nach Eingang des Antrags der K. Agrar KG {vom 30.01.2008 sei das Vorhaben öffentlich bekanntgemacht, der Antrag sowie die beigefügten Unterlagen ausgelegt und ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Nach Eingang des Antrags vom 22.06.2010 habe keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nach diesen Vorschriften durchgeführt werden müssen, denn mit diesem Antrag sei keine Genehmigung für ein vollständig neues Vorhaben beantragt, sondern lediglich das ursprüngliche Vorhaben geändert worden, das Gegenstand des Antrags vom 30.01.2008 gewesen sei. Der Antrag vom 22.06.2010 habe sich vollständig innerhalb des durch den Antrag vom 30.01.2008 gezogenen Rahmens bewegt, indem er die gleiche Art von Anlage – eine Hähnchenmastanlage – sowie den gleichen Standort betroffen und sich von dem ursprünglichen Antrag im Wesentlichen durch die verringerte Tierplatzzahl unterschieden habe. Für den Fall der Änderung eines Vorhabens während des Genehmigungsverfahrens – wie hier – lasse es § 8 Abs. 2 der 9. BlmSchV zu, von einer zusätzlichen Bekanntmachung und Auslegung abzusehen, wenn die Änderungen keine nachteiligen Auswirkungen auf Dritte besorgen lassen und – bei UVP-pflichtigen Anlagen – keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Auswirkungen auf in § 1a der 9. BlmSchV genannte Schutzgüter zu besorgen sind. Das sei vorliegend der Fall, denn die Änderung habe in erster Linie aus einer Verringerung der Tierplatzzahl und damit in einer Maßnahme zu Gunsten der Nachbarn sowie der Schutzgüter des § 1a der 9. BlmSchV bestanden.

70

Eine Verpflichtung zur zusätzlichen Bekanntmachung und Auslegung des Antrags vom 22.06.2010 sowie der diesem Antrag beigefügten Unterlagen habe sich auch nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG ergeben. Auch nach dieser Bestimmung könne bei einer Änderung der Unterlagen von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit – wie hier – keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen seien. Der Antrag vom 22.06.2010 sowie die diesem Antrag beigefügten Unterlagen seien vielmehr gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG sowie § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Im vorliegenden Fall sei das Umweltinformationsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (UIG LSA) vom 14.02.2006 einschlägig, wonach die Bestimmungen des UIG des Bundes entsprechende Anwendung finden. Eine Verletzung dieser Vorschriften durch den Beklagten sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

71

Die Bestimmungen über die Zugänglichmachung nach Beginn der Auslegung bis zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag nachgereichter Unterlagen entsprächen europäischem Recht, insbesondere der im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung noch geltenden Vorschrift des Art. 6 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABI. L 175 S. 40) – UVP-RL 2003 – in der Fassung der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABI. L 156 S. 17). Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 schreibe vor, dass der betroffenen Öffentlichkeit auch solche Informationen „zugänglich gemacht" werden, die erst zugänglich werden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003 informiert wurde. Über die Form der Zugänglichmachung nachgereichter Unterlagen in diesem Sinne heiße es, dass dies „in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen" (ABI. L 41 S. 26) zu erfolgen habe. Dieser Richtlinie entsprächen die einschlägigen Bestimmungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG sowie des § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV. Die hierin vorgeschriebene Zugänglichmachung nachgereichter Unterlagen nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen stimme mit europäischem Recht überein. Eine andere Beurteilung sei auch nicht wegen der Anforderungen des Art. 6 Abs. 6 UVP-RL 2003 an den Zeitrahmen, innerhalb dessen (auch) nachgereichte Unterlagen zugänglich zu machen sind, geboten. Denn mit Blick auf die Regelung des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 gehe die UVP-RL 2003 davon aus, dass die Anforderungen des Art. 6 Abs. 6 UVP-RL 2003 auch bei der Zugänglichmachung nachgereichter Unterlagen nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen erfüllt werden können.

72

Aus Art. 24 in Verbindung mit Anhang IV Nr. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung; ABI. L 334 S. 17) – IVU-RL – folge nichts anderes. Danach stellten die Mitgliedstaaten sicher, dass die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit erhalte, sich an folgenden Verfahren zu beteiligten: a) Erteilung einer Genehmigung für neue Anlagen; b) Erteilung einer Genehmigung für wesentliche Änderungen (…); für diese Beteiligung gelte das in Anhang IV genannte Verfahren. Anhang IV Nr. 2 a IVU-RL schreibe dabei lediglich vor, dass nachgereichte Unterlagen der betroffenen Öffentlichkeit in Übereinstimmung mit der Richtlinie 2003/4/EG, also nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen, zugänglich gemacht werden. Dies werde durch die Bestimmungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 BlmSchG sowie des § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BlmSchV gewährleistet.

73

Zwar habe der Beklagte das Vorhaben zu Unrecht als bloße Änderung der bisherigen Rinderzuchtanlage angesehen und damit die falsche Verfahrensart nach § 16 Abs. 1 BImSchG gewählt, weil das Vorhaben der Beigeladenen nach Art und Umfang eine genehmigungsbedürftige Neuerrichtung darstelle. Allein die fehlerhafte Auswahl des durchzuführenden Genehmigungsverfahrens begründe jedoch keinen Abwehranspruch des Klägers. Der durch ein Vorhaben Betroffene habe im Fall der Verwirklichung eines Vorhabens ohne das objektivrechtlich erforderliche Genehmigungsverfahren nur dann einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch, wenn das Vorhaben ihn in seinen materiellen Rechten verletze. Auch aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 07.11.2013 (C-72/12), die sich im Wesentlichen auf den Umfang des Rügerechts beziehe, ergebe sich nicht, dass jeder Beteiligte jeden Verfahrensverstoß mit Erfolg rügen könne. Der Beklagte habe den gleichen Maßstab wie bei einer Neuerrichtung angelegt und insbesondere sei § 6 Abs. 3 BlmSchG nicht herangezogen worden mit der Folge, dass eine Kausalität zwischen Verfahrensfehler und Rechtsverletzung nicht gegeben sei.

74

Die erteilte immissionsrechtliche Genehmigung verletze indes bauplanungsrechtliche Vorschriften, die (auch) dem Schutz des Klägers als Nachbarn dienten.

75

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bestimme sich nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BauGB (a. F.). Die Neufassung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, wonach UVP-pflichtige Tierhaltungsanlagen nicht (mehr) unter die sogenannte unbenannte Privilegierung fallen, sei nicht anwendbar, weil diese Vorschrift (erst) am 20.09.2013 in Kraft getreten sei. Das (gesamte) unbeplante Baugrundstück befinde sich im Außenbereich, weil es nicht mehr an dem Bebauungszusammenhang der geschlossenen Ortslage A-Stadt teilnehme. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Plänen und Lichtbildern sowie aus dem Eindruck, den die Berichterstatterin vor Ort gewonnen und der Kammer nachvollziehbar dargelegt habe. Die geschlossene Ortslage A-Stadt komme danach an der Straße Hinterhäuser zum Abschluss; der Bebauungszusammenhang ende dort. Nach der Verkehrsanschauung beginne östlich dieser (schmalen) Straße etwas Neues. Der Bereich also, der sich nordöstlich des aus den beiden Straßen "Hinterhäuser" und "Am Gutshof" {}bildenden rechten Winkels befinde, mithin die Freifläche und das Anlagengrundstück, nähmen nach der Verkehrsanschauung nicht mehr an dem (Wohn-)Bebauungszusammenhang jenseits der Straße "Hinterhäuser" {teil. Die dortigen Anlagen stellten sich als städtebaulich unerwünschtes „breiartiges Ausufern“ in den Außenbereich, also als Siedlungssplitter im Außenbereich, dar. Die drei Gebäude, die nicht Gegenstand der hier in Rede stehenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seien, jedoch auch zu der Anlage des Geflügelhofes gehörten, seien von der schmalen Straße "Hinterhäuser"{} deutlich abgesetzt. Diese Straße habe auch keine Zufahrt zu diesen Gebäuden. Insoweit stünden sie in keinem Zusammenhang zur Straße und der sich westlich daran anschließenden Wohnbebauung, so dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Eindruck der Geschlossenheit, sondern vielmehr eine deutliche Abgrenzung hierzu ergebe. Sie wirkten beim Entlangschreiten der Straße "Hinterhäuser" {als vom westlichen Bebauungszusammenhang der Wohngebäude abgetrennt. Da auch keine Zufahrten von der Straße "Hinterhäuser" {zu den Stallanlagen führten, wirkten diese erst Recht nicht dazugehörig. Für die trennende Wirkung spreche auch die optisch groß wirkende Freifläche im unmittelbaren Kreuzungsbereich der Straße "Hinterhäuser" {und der Straße "Am Gutshof"}. (Auch) durch diese Freifläche wirkten die Stallungen deutlich abgesetzt von der Wohnbebauung. Diese Anlagen könnten auch keinen Bebauungszusammenhang zwischen den in Rede stehenden Stallanlagen und den Wohnhäusern bilden. Diese Stallungen bildeten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vielmehr optisch mit den hier streitigen Stallanlagen eine Einheit mit der Folge, dass dieser Bereich bereits dem Außenbereich zuzuordnen sei. Die offene Bockscheune ohne Außenwände könne insoweit auch keinen Eindruck der Geschlossenheit zu den Wohnhäusern auf der gegenüber liegenden Straßenseite der Straße "Am Gutshof" {}vermitteln.

76

Das danach im Außenbereich geplante Vorhaben verstoße gegen das (im Außenbereich) aus § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB abgeleitete Gebot der Rücksichtnahme. Die in Rede stehende Anlage führe erhebliche Nachteile und Belästigungen für die in unmittelbarer Nähe befindliche Nachbarschaft herbei und rufe damit schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG zu Lasten des Klägers hervor.

77

Als maßgebliche Vorbelastung durch die ursprüngliche Rinderzuchtanlage seien nur Umfang und Art der seit 2001 betriebenen Tierhaltung zu berücksichtigen, also die reduzierte Jungrindermast: Der im Jahr 1992 nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Rinderbetrieb, der ursprünglich von einer LPG betrieben worden sei und maximal 1.666 Rinder, Färsen und Kälber umfasst habe, sei hingegen nicht als maßgebliche bestehende Nutzung zu Grunde zu legen. Denn dieser Betrieb sei bereits vor seiner Nutzungsaufgabe etwa im Jahr 2007 nicht mit diesen hohen Viehbeständen fortgeführt worden mit der Folge, dass er bauplanungsrechtlich nicht mehr mit dieser Größenordnung als einschlägige Vorbelastung anzusehen sei. Der Betrieb sei vielmehr in den letzten Jahren – jedenfalls offenbar seit dem Jahr 2001 – bis zur Aufgabe der Rinderhaltung lediglich mit etwa 500 bis 700 Jungrindern betrieben worden. Das ergebe sich aus dem Schreiben der „Jungviehaufzucht K. GmbH" vom 19.11.2001, wonach „zurzeit in der Anlage in A-Stadt Jungrinderaufzucht“ betrieben werde und im Durchschnitt zwischen 500 und 700 Kälber/Jungtiere in Aufzucht stünden. Nach einer Auskunft des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Burgenlandkreises hätten sich dort offenbar auch ca. 900 Jungrinder befunden. Der Beklagte habe unter dem 01.11.2013 mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit dem Betreiber die letzten Tiere Ende des Jahres 2007 ausgestallt worden seien. Sei eine Nutzung – wie hier – teilweise aufgegeben worden, verliere sie zwar nicht sogleich ihre prägende Kraft; diese dauere vielmehr fort, solange mit einer Wiederbebauung oder einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen sei. Innerhalb welcher zeitlichen Grenzen Gelegenheit bestehe, an die früheren Verhältnisse wieder anzuknüpfen, richte sich nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Zeitmodells aus § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB. Diese Grundsätze seien bei der Frage, ob schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen und ob einschlägige Vorbelastungen vorhanden sind, sinngemäß anzuwenden. Danach spreche nach der Verkehrsauffassung Überwiegendes dafür, dass sich seit jedenfalls dem Jahr 2001 lediglich deutlich unter 1.000 Jungrinder in der Anlage befanden. Danach sei (nur) eine Jungrinderaufzucht mit deutlich unter 1.000 Jungrindern/-kälbern und entsprechend geringerem Lästigkeitsfaktor anzunehmen. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzung mit dem vormaligen hohen Tierbestand wieder habe aufgenommen werden sollen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

78

Diese Vorbelastungen durch die (überkommene) Jungrinderaufzucht führten jedenfalls nicht zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens mit 246.698 Masthähnchen, insbesondere nicht dazu, dass die von der neu zu errichtenden Geflügelmast ausgehenden (Geruchs-)Emissionen vom Kläger hinzunehmen seien. Unter Geltung des BauGB könne nicht allein deshalb erwartet werden, dass nunmehr ein emittierender Betrieb der gewerblichen/industriellen Tierproduktion im Nahbereich zur Wohnbebauung genehmigt werde. Maßgeblich für den im Jahr 2008 zur Genehmigung gestellten Betrieb seien die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Dabei könnten aber überkommene Strukturen aus der DDR einer an Wohnbebauung heranrückende „industrielle“ Massentierproduktion nicht zur Genehmigung verhelfen. Insoweit lägen auch die Voraussetzungen über die entsprechende Örtlichkeit nach den Anwendungshinweisen der GIRL für das zur Genehmigung gestellte Vorhaben nicht vor. Für Wohnnutzungen am Ortsrand – wie hier – sei zwar ein höheres Maß an Geruchsimmissionen als bei Wohngebieten im Sinne der BauNVO zulässig. Die historische Entwicklung in den neuen Bundesländern, auf die die GIRL in ihren Erläuterungen abstelle, sei hier indes nicht maßgeblich zu Lasten der klägerischen Wohnnutzung zu berücksichtigen. Die in der GIRL geschilderte Entwicklung dürfte zwar auf die hier in Rede stehende Ortslage A-Stadt mit dem (ehemaligen) LPG-Betrieb der Rindermast und Jungrinderaufzucht zutreffen. Hier sei indes zu berücksichtigen, dass die zu DDR-Zeiten ausgeübte Rindermast nicht in dem ursprünglichen Umfang fortgeführt worden sei. Die hier zur Genehmigung gestellte Anlage mit knapp 250.000 Masthähnchen sei weder mit dem ursprünglichen noch mit dem verminderten Rindermastbetrieb hinsichtlich Art und Ausmaß vergleichbar.

79

In diesem Rahmen sei das Bauvorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es zu Lasten der Wohnbebauung schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG hervorrufe.

80

Zwar habe das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten nach der GIRL einen Immissionswert von 11 % der Jahresgeruchsstunden ermittelt. Einen solchen Wert müssten Bewohner in Dorfgebieten nach der GIRL hinnehmen. In einem solchen Baugebiet liege das Wohngrundstück des Klägers aber nicht. Für Wohn- und Mischgebiete werde hingegen ein Wert von 10 % angegeben. Diese Werte seien jedoch im unmittelbaren Nahbereich bei Unterschreitung der Mindestabstände nach der TA Luft nicht schematisch anzuwenden. Zu entscheiden sei vielmehr nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls. Die Ermittlung einer „relativen Häufigkeit der Geruchsstunden“ nach der GIRL beruhe auf Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen, die Richtlinie entfalte für die Behörden und Gerichte aber keine Bindungswirkung, weil der Gesetzgeber sie nicht in seinen Regelungswillen aufgenommen habe. Zwar dürfe sie im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden und ihre Anwendung grundsätzlich eine hinreichend verlässliche Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen darstellen. Allerdings könne diese Prognose im unmittelbaren Nahbereich zur Wohnnutzung nicht allein über die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage in der hier in Rede stehenden Größenordnung entscheiden. In den Blick zu nehmen sei daher zum Einen, dass die Aussagekraft einer „relativen Geruchshäufigkeit“, in der es lediglich um die Wahrnehmung eines Geruchs gehe, nicht hinreichend auch eine Aussage über die Intensität des wahrgenommenen Geruchs umfasse. Zudem wögen die Unsicherheiten, mit denen die nach der GIRL erstellten Gutachten behaftet seien, umso mehr, als die Bewertung von Emissionen „auf der sicheren Seite“ liegen müsse. Dies sei bei einem Betrieb in dieser Größenordnung im Nahbereich der Wohnbebauung aber nicht der Fall. Solche Prognosen könnten allenfalls Anhaltpunkte für die Zumutbarkeit von Geruchsbelastungen bieten, zumal Sachverständigengutachten auf Grundlage der GIRL angesichts der angenommenen Parameter mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet seien, wie nicht zuletzt die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit gegenläufigen Ausführungen zu Rauhigkeitswerten, Windmodellen (Übertragbarkeit, Wirkung und Häufigkeit von Schwachwinden), Abluftfahnenüberhöhung, Anemometerstandorten sowie die fachliche Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten und dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zeigten. Derartige Gutachten stellten lediglich eine rein rechnerische Prognose dar, für deren Einhaltung keine Gewissheit bestehe. Die Werte der GIRL-Prognose beruhten auf Modellen und Annahmen und bildeten im Gegensatz zu einem genau messbaren Mindestabstand von Stallungen zur Wohnbebauung keine verlässliche Tatsachengrundlage. Die GIRL bestimme ihrerseits Grenzen ihrer Aussagekraft; danach reichten nach vorliegenden Erfahrungen ab bestimmten Bestandsgrößen diese Abstände nicht mehr aus (Erläuterungen Nr. 1). Auf keinen Fall sollten daher die in der TA Luft und in den VDI-Richtlinien angegebenen Abstände über die in diesen Regelwerken maximal zu Grunde gelegten Bestandszahlen bzw. Großvieheinheiten (GV) hinaus extrapoliert werden.

81

Selbst wenn die Abstände der VDI-Richtlinien und der TA Luft (lediglich) auf Grund des grundsätzlich nicht nachbarschützenden Vorsorgegrundsatzes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entwickelt worden seien, sei diese Wertung bei einem Vorhaben der hier vorliegenden Dimension im Rahmen des Schutzanspruchs aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Die nächste Wohnbebauung, zu der auch das Wohngrundstück des Klägers gehöre, sei lediglich zwischen 150 bis 310 m entfernt. (Jedenfalls) in derartigen Konstellationen der deutlichen Unterschreitung des gebotenen Mindestabstandes sei nach dem Rechtsgedanken des § 15 BauNVO eine typisierende Betrachtung vorzunehmen und nicht lediglich auf die prognostischen Werte nach der GIRL abzustellen. Die in beplanten und faktischen Baugebieten anwendbare Vorschrift diene dem Schutz der Nachbarschaft vor Störungen durch Bauvorhaben, die zwar grundsätzlich (nach den §§ 2 bis 14 BauNVO) zulässig wären, aber wegen der besonderen Verhältnisse und der Lage des konkreten Bauvorhabens der Eigenart dieses Baugebiets widersprechen oder die Umgebung unzumutbar stören. Danach beantworte sich die Frage der Gebietsunverträglichkeit in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung; dabei sei nicht entscheidend, ob immissionsschutzrechtliche Werte eingehalten werden. Bei unmittelbarer Nähe zwischen Wohnsiedlung und neuem emittierenden Großbetrieb seien die hierzu ergangenen Grundsätze sinngemäß anzuwenden.

82

Das Vorhaben der Beigeladenen sei danach als unzulässig einzustufen, weil Anlagen dieses Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung unzumutbare Belästigungen oder Störungen hervorriefen, insbesondre wenn sie – wie hier – unter deutlicher Unterschreitung des nach der TA-Luft einzuhaltenden Mindestabstandes errichtet werden sollen. Offen bleiben könne daher, ob die klägerische Wohnnutzung mit Blick auf die Vorbelastung durch die Rindermast den Schutz eines Wohngebiets im Sinne des § 4 BauNVO genieße. Die neu zu errichtende und zum Teil bereits in Betrieb genommene Hähnchenmastanlage bedeute jedenfalls hinsichtlich Art und Ausmaß ein deutlich höheres Störungspotential als die vormalige Jungrindermast. Die von diesem Betrieb ausgehenden Belästigungen seien auch mit Blick auf die – geringen – Vorbelastungen nicht mehr hinzunehmen. Denn die Auswirkungen der Rindermast blieben typischerweise hinter denen der Geflügelmast zurück. Dies ergebe sich z.B. aus der 4. BImSchV (a.F.) wonach für Rinder lediglich ein vereinfachtes Verfahren gemäß § 19 BImSchG (ohne Öffentlichkeitsbeteiligung) durchzuführen sei, während bei Mastgeflügel bereits ab einer Größe von 40.000 oder mehr Tieren ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen sei. Ferner handele es sich um eine Anlage nach der Europäischen Industrie-Immissionsrichtlinie. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Schwellenwert von 40.000 Masthühnern bei dem streitgegenständlichen Betrieb um ein Vielfaches überschritten sei. Die Belästigung durch Geflügelmast werde zudem als wesentlich unangenehmer wahrgenommen als bei Rindern.

83

Diese typisierte Betrachtungsweise werde objektiviert dadurch gestützt, dass bereits die Teil-inbetriebnahme der Hähnchenmastanlage regelmäßig unangenehmen Platzgeruch verursache. Dies bestätigen die vom Kläger vorgelegten Protokolle über Geruchsbelästigungen von Anwohnern in einer Entfernung von unter 500 m, die von den übrigen Beteiligten auch in der mündlichen Verhandlung nicht in Frage gestellt worden seien. Es spreche einiges dafür, dass diese regelmäßigen Wahrnehmungen, die offenbar deutlich häufiger festgestellt worden seien als in der rechnerischen Prognose, auch den Tatsachen entsprechen. Die Berichterstatterin habe bei der Ortsbesichtigung am 17.06.2014 am eingenommenen Standort vor dem klägerischen Grundstück leichten Geruch und auf dem Weg südlich des Betriebsgeländes stark unangenehme Gerüche wahrgenommen. Diese dem Vorhaben zuzuordnenden Gerüche unterschieden sich deutlich trennbar von dem Übelkeit erregenden Geruch aus einem außerhalb des Betriebsgeländes befindlichen Graben. Dort münde ein Rohr, aus dem eine übelriechende dunkle Flüssigkeit getropft sei, die – wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – von einem Dritten herrühre.

84

Eine Abweichung von dieser typisierenden – durch die tatsächlichen Geruchswahrnehmungen objektivierte – Betrachtung sei auch nicht mit Blick auf die Nebenbestimmungen der angefochtenen Genehmigung zum Immissionsschutz geboten, weil der konkrete Betrieb nach Art und Betriebsweise nicht von dem Erscheinungsbild seines Betriebstyps abweiche und von daher die sonst üblichen Belästigungen oder Störungen – nach wie vor – befürchten lasse. Die Nebenbestimmungen stellten nicht dauerhaft und zuverlässig sicher, dass das Störungspotential wohnnutzungsverträglich werde. Das Vorhaben könne in der beabsichtigten Größenordnung mithin auch nicht durch Nebenbestimmungen „wohnverträglich gemacht werden“. Die Klage habe insoweit auch unter Berücksichtigung der Nebenbestimmung Nr. 5.1.1 der angehaltenen Genehmigung Erfolg. Denn an die im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung der Einhaltung der Immissionsrichtwerte seien insofern hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall „auf der sicheren Seite“ liegen müsse. Es sei Sache des Anlagenbetreibers, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Anforderungen einhalte. Es reiche nicht aus, dem Anlagebetreiber (lediglich) vorzugeben, dass er mit seiner Anlage bestimmte Immissionswerte nicht überschreiten dürfe. Eine solche Regelung würde den Nachbarn unangemessen benachteiligen, da er im Regelfall die Einhaltung der Immissionsrichtwerte nicht selbst überprüfen könne. Es sei nicht zu erkennen, dass die Nebenbestimmungen eingehalten werden können oder auf der sicheren Seite liegen. Soweit ersichtlich, sei auch eine „primärseitige Maßnahme“ nicht belastbar gegeben. Der Beklagte und die Beigeladene könnten sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die maßgebliche Nebenbestimmung zugunsten der Wohnbebauung eine Geruchswahrnehmung von (nur) 6 % der Jahresstunden zu Grunde lege. Das Gericht gehe nicht davon aus, dass dieser Wert eingehalten werden könne. Daran ändere auch die Betriebseinschränkung auf fünf Mastzyklen im Laufe des Verfahrens nichts. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige habe diesen Verzicht bereits in seinem Gutachten berücksichtigt und gleichwohl einen Wert von 11 % der Jahresstunden ermittelt. Auch die vorgesehene Filtereinrichtung ändere an dieser Bewertung nichts. Denn der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen ausgeführt, dass durch den Einbau von Filtern zwar die Geruchsintensität vermindert werden könne, sich aber an der Wahrnehmungshäufigkeit von 11 % nichts (wesentliches) ändere.

85

Auch habe der Kläger umfangreiche Einwendungen erhoben, die die im Genehmigungsverfahren vorgelegte Immissionsprognose (Geruch-, Staub- und Ammoniak) des (K.) vom 11.04.2011 nachhaltig erschütterten, die, was offenbar auch der Beklagte einräume, mit Fehlern hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Abluftschächte und der Annahme einer Abluftfahnenüberhöhung behaftet gewesen seien.

86

Es führe zu keinem anderen Ergebnis, wenn die nähere Umgebung des Vorhabenstandortes bauplanungsrechtlich (noch) dem Innenbereich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB zugerechnet würde. Die Anlagen des ehemaligen Rinderzuchtbetriebes prägten den maßgeblichen Bereich der Ortslage A-Stadt derart, dass er nicht als unbeachtlicher Fremdkörper außer Acht gelassen werden könne. Dann dürfte die nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks unter Berücksichtigung eines weiteren landwirtschaftlichen Betriebes ohne Tierhaltung als Dorfgebiet im Sinne des § 5 BauNVO einzustufen sein und sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Betriebs der Beigeladenen nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO richten. Dabei berücksichtige das Gericht auch – zu Gunsten der Beigeladenen – den Grundsatz aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen sei. Hier sei aber maßgeblich darauf abzustellen, dass es sich um die erstmalige Errichtung eines industriellen Großbetriebes handele, der in der näheren Umgebung ohne Vorbild sei. Mit Blick auf die neu aufgeworfenen Immissionsfragen sei, selbst wenn es sich um einen „landwirtschaftlichen Betrieb“ handeln sollte, unter Anwendung von § 15 BauNVO eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Sinne dieser Vorschriften nicht gegeben, da unzumutbare Geruchsbelästigungen gegeben seien. Nichts anderes gelte im Ergebnis, wenn sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB richte, weil die nähere Umgebung als „diffus“ einzustufen wäre. Denn der genehmigte Betrieb überschreite den vorgegebenen Rahmen dergestalt, dass er sich nicht in den vorgegebenen Rahmen einfüge und gegen das der Vorschrift innewohnende Gebot der Rücksichtnahme verstoße.

87

Die Klage habe auch deshalb Erfolg, weil die Anlage des Beigeladenen in dieser Größenordnung im Nahbereich zur Wohnnutzung wegen der Emission von Bioaerosolen schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufe und erhebliche Belästigungen der Nachbarschaft herbeiführe. Dabei bedürfe es keiner Entscheidung darüber, ob wegen europarechtlicher Vorgaben ein Drittschutz auch hinsichtlich des Vorsorgegrundsatzes aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gegeben sein könne. Denn es liege wegen der Betriebsgröße im Nahbereich ein Ausnahmefall vor, in dem der Schutz vor Emissionen von Bioaerosolen der Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG unterfalle. Zwar greife die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr.1 BImSchG als Instrument der Gefahrenabwehr nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bestehe. Trotz der generellen Ungewissheit über einen Schadenseintritt durch Bioaerosole seien aber Ausnahmefälle denkbar, in denen gleichwohl eine Verletzung der Schutzpflicht durch Bioaerosole bzw. luftgetragene Krankheitserreger in Betracht komme, insbesondere auch wenn das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zu anderen von Menschen bewohnten Anlagen errichtet werden solle. Nach dem Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 seien bei einem Abstand zwischen Wohnhaus und Geflügelhaltungsanlage von weniger als 500 m – wie hier – Hinweise für eine Prüfung auf Aerosole gegeben. Messtechnische Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Erhöhung bestimmter Parameter sich noch in einer Entfernung bis zu 500 m nachweisen lasse.

88

Im konkreten Fall sei durch die von der streitigen Anlage ausgehenden Bioaerosole auch die drittschützende Schutzpflicht des Betreibers gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in dem unmittelbaren Nahbereich und einem Betrieb in der Größenordnung wie dem des Beigeladenen berührt. Es gebe nach den Unterlagen des Klägers greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die emittierten Bioaerosole dem Betrieb zuzurechnen seien. Die Wohnbebauung liege nicht in einer (völlig) windabgewandten Seite. Mit Blick auf die Nähe der Anlage zur Wohnbebauung sei jedenfalls mit einer hinreichenden Schadenswahrscheinlichkeit zu rechnen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht durch den Einbau von Staubfiltern. Es könne offen bleiben, ob diese Filter „kleineren“ Anlagen zur Massentierhaltung im unmittelbaren Nahbereich einer Anlage zur Genehmigung verhelfen können. Mit Blick auf die Größe des hier zur Genehmigung gestellten Betriebs genügten derartige Filter, deren Wirkungsgrad nicht abschließend geklärt sei, nicht.

89

Die vom Senat zugelassene Berufung hat der Beklagte im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei der Anlage der Beigeladenen handele es sich um keine gewerbliche Massentierhaltung im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, sondern um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne von § 201 BauGB, weil genügend für einen landwirtschaftlichen Betrieb gehörende landwirtschaftliche Fläche vorhanden sei. Der Beigeladenen gehörten 1.321,66 ha Ackerfläche, so dass sie zum Zeitpunkt der Genehmigung in der Lage gewesen sei, 75 % ihres Futters für die von ihr noch betriebene Putenmastanlage und die beantragte Hähnchenmastanlage zu produzieren. Zusammen mit der (K. B.) GbR, mit der sie wirtschaftlich verbunden sei, könne sie auf insgesamt 1.976,57 ha Anbaufläche sogar 100 % des Futters selbst produzieren. Dies sei hier deshalb von Bedeutung, weil die GIRL z.B. für den Außenbereich den ausnahmsweise zulässigen Immissionswert von bis zu 0,25 nur für "landwirtschaftliche Gerüche" vorsehe. Die GIRL, deren technische Normen die Bedeutung von Erfahrungssätzen und antizipierten Sachverständigengutachten haben, könne bei der Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen als Orientierungshilfe herangezogen werden. Für die nach der GIRL maßgebliche Häufigkeit der Geruchsstunden im Jahr liege mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom März 2014 mittlerweile eine "auf der sicheren Seite liegende" Prognose vor. Sofern das Wohngrundstück des Klägers in einem Dorfgebiet liegen sollte, seien die ermittelten 11 % der Jahresstunden nach der GIRL hinzunehmen. Sofern das Wohngrundstück in einem Wohngebiet liegen sollte, hätte der Kläger nur 10 % der Jahresstunden hinzunehmen. Bei dem rechtsverbindlich erklärten Teilverzicht (d.h. der Beschränkung auf nur fünf Mastperioden) ergäben sich je nach Einstallungszeitpunkt Geruchshäufigkeiten von 8 bis 9 % der Jahresstunden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar darin zu folgen, dass die Werte der GIRL nicht schematisch, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten bauplanungsrechtlichen Verhältnisse Anwendung finden könnten. Deshalb könne es aber im Einzelfall durchaus zulässig sein, einem Wohngrundstück, das an der Grenze zu einem landwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich liege, ein höheres Maß an Geruchsimmissionen zuzumuten, als es in Tabelle 1 der GIRL vorgesehen sei. Aber auch die Nähe des Grundstücks des Klägers könne ein Gesichtspunkt für die Zulässigkeit einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte der GIRL sein. In einem solchen Fall sei eine Mittel- bzw. Zwischenwertbildung erforderlich, der wegen der langjährigen Vorprägung durch die frühere Rinderhaltung deutlich über dem ermittelten Wert von 11 % der Jahresstunden im ungünstigsten Fall liege.

90

Die vom Kläger vorgelegte Beschwerdeliste und die eigene Geruchswahrnehmung der Berichterstatterin böten keine verlässliche Entscheidungsgrundlage. Die Geruchsprotokolle belegten nur eine subjektive Wahrnehmung von Gerüchen, bei der nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie auch interessengeleitet sei.

91

Das Verwaltungsgericht hätte bei der Frage des Umfangs der Vorbelastung davon ausgehen müssen, dass die bereits zu DDR-Zeiten bestehende Rindermastanlage jedenfalls mit bis zu "knapp 1.000 Rindern" durchgängig von 1992 bis Ende 2007 betrieben worden sei. Dabei habe es sich um keinen "Scheinbetrieb" gehandelt. Von einem Erlöschen der Genehmigung bzw. der Anzeige nach § 67a BImSchG und des dadurch vermittelten formellen Bestandsschutzes infolge einer endgültigen Aufgabe könne hier – bei Berücksichtigung des sog. Zeitmodells als Orientierungshilfe – nicht ausgegangen werden. Bereits mit dem Genehmigungsantrag vom 30.01.2008 sei erkennbar geworden, dass die baulichen Anlagen in geänderter Form weiter genutzt werden sollten. Der immissionsschutzrechtliche Bestandsschutz für die Rinderanlage sei erst Ende 2010 abgelaufen.

92

Es sei auch nicht feststellbar, dass die von Bioaerosolen potenziell ausgehende Gefährdung den Grad eines generellen Besorgnispotentials überschreite und einen vom Kläger zu erhebenden Schutzanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auslösen könne. Vielmehr sei sie gegenwärtig nur über das – nicht drittschützende – Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu berücksichtigen. Ausnahmen bestünden nach der Rechtsprechung nur dann, wenn das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zu anderen von Menschen bewohnten Anlagen liegen, die zu genehmigende Anlage in der Hauptwindrichtung liege und ungünstige Ableitbedingungen der Stallluft gegeben seien. Die Anlage der Beigeladenen liege jedoch nicht in der Hauptwindrichtung; zudem sei fraglich, ob das Wohngrundstück des Klägers mit einer Entfernung von mindestens 250 m vom Emissionsschwerpunkt der Anlage sich in diesem Sinne in "unmittelbarer Nachbarschaft" zur Anlage befinde.

93

Der Beklagte beantragt,

94

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

95

Die Beigeladene schließt sich zur Begründung ihrer Berufung inhaltlich den Ausführungen des Beklagten an und trägt ergänzend vor: Es sei keine verwaltungsgerichtliche Entscheidung bekannt, nach der der GIRL wegen einer besonderen Nähe eines emittierenden Betriebes zur Wohnbebauung die Aussagekraft abgesprochen worden wäre. Vielmehr erwiesen sich Immissionsprognosen, deren Aussagen nach der GIRL bewertet werden, als verlässliche Grundlagen für Genehmigungsentscheidungen. Zudem führe die Aussagekraft der GIRL dazu, dass der Vorschriftengeber sie in die TA Luft 2017 übernehmen werde; entsprechende Arbeitsentwürfe lägen vor. Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass im Bereich des klägerischen Grundstücks ein Immissionswert von 11 % der Jahresstunden vorliege und dies nicht zumutbar sei. Dies stehe nach dem Sachverständigengutachten nicht fest. Sie könne auch – insbesondere vor dem Hintergrund der Abluftreinigungsanlage – darunter, mithin bei 10 % oder weniger liegen. Aber selbst ein Immissionswert von 11 % der Jahresstunden wäre für den Kläger zumutbar. Gerüche aus Tierhaltungsanlagen mit entsprechend häufigen Geruchsemissionen könnten in diesem Ausmaß in einer solchen Gemengelage bei der gebotenen gegenseitigen Akzeptanz und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Nutzungen im "ländlichen Wohngebiet" als ortsüblich hingenommen werden. Wohngebäude am Rande des Außenbereichs müssten damit höhere landwirtschaftliche Immissionen hinnehmen als in einem durchgängig bebauten Umfeld. Die Ortslage A-Stadt sei durch die ehedem vorhandene Rinderhaltungsanlage vorgeprägt. Bei der Wohnnutzung auf dem Grundstück des Klägers handele es sich um einen kleinräumigen Bereich am Rande des Innenbereichs zum Außenbereich, der an keiner Stelle in ein ausgedehntes Wohngebiet übergehe. Aufgrund der historischen Entwicklung könne die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen könne deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein und in begründeten Einzelfällen könne sogar noch über diesen Wert hinausgegangen werden. Der alteigesessene Betrieb der ehemaligen Rinderhaltungsanlage dominiere den fraglichen Bereich optisch auch heute noch.

96

Die Beigeladene beantragt,

97

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

98

Der Kläger beantragt,

99

die Berufungen zurückzuweisen,

100

hilfsweise,

101

das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

102

1. Ist Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU dahin auszulegen, dass in dem Fall, in dem ca. 2 Jahre nach der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung in Sinne von Art. 6 Abs. 2 RL 2011/92/EU der Antrag im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) und die Unterlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU für ein modifiziertes Vorhaben bei der Genehmigungsbehörde komplett neu eingereicht werden, diese Unterlagen nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU "der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens" zugänglich zu machen sind?

103

2. Ist Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU dahin auszulegen, dass in dem Fall, in dem ein – im Vergleich zu einem ursprünglichen Antrag – modifizierter Antrag im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) und die Unterlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU bei der Genehmigungsbehörde komplett neu eingereicht werden, diese Unterlagen nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU "der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens" zugänglich zu machen sind?

104

3. Ist Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU dahin auszulegen, dass in dem Fall, in dem ein im Vergleich zu einem ursprünglichen Antrag im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) und die Unterlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU bei der Genehmigungsbehörde – teilweise in modifizierter Form, teilweise erstmals – komplett neu eingereicht werden, diese Unterlagen nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU "der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens" erneut zugänglich zu machen sind?

105

4. Verlangen Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) und Buchstabe e) sowie Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) RL 2011/92/EU, dass im Fall der Einreichung eines modifizierten Antrages mit den kompletten Antragsunterlagen – teilweise in modifizierter Form, teilweise erstmals – über den modifizierten Antrag und die Antragsunterlagen die Öffentlichkeit informiert und "der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens" diese Unterlagen erneut zugänglich zu machen sind, auch wenn sich der modifizierte Antrag innerhalb eines durch einen Altantrag gezogenen Rahmens bewegt und die Öffentlichkeit zu dem alten Antrag und den alten Unterlagen, die nicht Bestandteil der Genehmigungsentscheidung werden sollen, bereits beteiligt wurde?

106

5. Ist Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU dahin auszulegen, dass in dem Fall, in dem Unterlagen nach Art. 6 Abs. 2 RL 2011/92/EU, wie der Genehmigungsantrag und die Unterlagen nach Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU, nach der Auslegung nach Art. 6 Abs. 3 UVP-RL 2003 modifiziert und im Wesentlichen neu eingereicht werden, nicht anwendbar ist, da Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU von "anderen als die in Abs. 2" benannten Unterlagen spricht?

107

6. Verlangen Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) und c) RL 2011/92/EU, dass im Falle der Modifizierung des Vorhabens und der Neueinreichung des Genehmigungsantrages im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) RL 2011/92/EU in Verbindung mit der Neueinreichung der wesentlichen Unterlagen gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU die Unterlagen gemäß Art. 6 Abs. 3 RL 2011/92/EU der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens zugänglich zu machen sind?

108

7. Ist der Verweis in Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU auf die RL 2003/4/EG dahin auszulegen, dass der betroffenen Öffentlichkeit die in den Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) RL 2011/92/EU fallenden Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) RL 2003/4/EG "aktiv" zugänglich zu machen sind oder aktiv zu verbreiten ist, wo die entsprechenden Informationen beantragt oder gefunden werden können?

109

Er trägt vor: Die Öffentlichkeitsbeteiligung sei fehlerhaft gewesen, weil es sich bei dem Antrag vom 16.07.2010 um einen neuen Antrag gehandelt habe. Der Beklagte habe richtigerweise eine "Vorprüfung der Vollständigkeit" mit anschließender Behördenbeteiligung vorgenommen, es dann aber unterlassen, den neuen Antrag und die dazugehörigen Unterlagen auszulegen. Es komme nicht darauf an, ob sich das neue Vorhaben von seiner Größe im Rahmen des zuvor beantragten größeren Projektes bewege. Entscheidend sei vielmehr, dass sich die Öffentlichkeitsbeteiligung gerade auf diejenigen Unterlagen beziehe, die der Behörde zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Dies gelte insbesondere für die Immissionsprognose. Anderenfalls erhalte die betroffene Öffentlichkeit nicht die Möglichkeit, sich in effektiver Weise an dem umweltbezogenen Genehmigungsverfahren zu beteiligen, wie es Art. 6 Abs. 4 UVP-RL 2003 verlange. Selbst wenn es sich bei dem Antrag vom 16.07.2010 um keinen neuen Antrag gehandelt habe, hätte wegen der vollständigen Neueinreichung sämtlicher entscheidungserheblicher Unterlagen eine Pflicht zur Durchführung einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung bestanden. Für eine aktive Zugänglichmachungspflicht sprächen nicht nur der Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 UVP-RL 2003 "zugänglich gemacht wird", sondern insbesondere auch rechtspraktische Erwägungen. Ein Antrag auf Einsichtnahme in die Genehmigungsunterlagen setze voraus, dass die betroffene Öffentlichkeit überhaupt Kenntnis davon erhalte, dass neue Unterlagen vorgelegt werden bzw. das Genehmigungsverfahren zwei Jahre nach Durchführung des Erörterungstermins "neu aufgerollt" werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Informationserteilung nach dem UIG mit Kosten verbunden sei. Der betroffenen Öffentlichkeit würde daher eine Kostentragungspflicht für die eigene Beteiligung auferlegt werden, die nach dem Sinn und Zweck der UVP-RL 2003 gerade effektiv und unentgeltlich sicherzustellen sei.

110

Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei unvollständig und fehlerhaft, weil sie keine Prüfgrundlage und Bewertung zur Quantifizierung eines durch Bioaerosole hervorgerufenen Gesundheitsrisikos und dem entsprechend auch keine Prüfung hinsichtlich der Frage enthalte, ob ggf. eine Bestandsreduzierung, größere Sicherheitsabstände oder technische Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Umweltvorsorgeverpflichtung aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sicherzustellen. Dies stelle einen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG dar, dem eine Beachtlichkeit nicht abgesprochen werden könne.

111

Er habe planungsrechtlich einen Gebietserhaltungsanspruch. Der Anlagenstandort befinde sich innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils A-Stadt. Der Ortsteil stelle ein allgemeines Wohngebiet dar. Die Rinderanlage dürfe insoweit als Fremdkörper nicht berücksichtigt werden. Die ehemalige Jungrinderanlage sei von 1992 bis Mai 2005 lediglich mit zwei Ställen mit ca. 500 bis 700 Jungrindern bzw. Kälbern betrieben worden. Seit Juni 2005 sei der Betrieb dieser Anlage eingestellt worden.

112

Die Anlage der Beigeladenen verletze das Rücksichtnahmegebot insbesondere bei Zuordnung zum Innenbereich. Ordne man die Anlage hingegen dem Außenbereich zu, stehe ihr der öffentliche Belang des Planungserfordernisses entgegen. Zudem handele es sich bei den von der Anlage hervorgerufenen Umweltauswirkungen um Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet seien, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Es sei unzulässig, allein auf das Ergebnis einer Ausbreitungsrechnung abzustellen. Die sehr deutliche Unterschreitung des Mindestabstandes nach der Nr. 5.4.7.1 der TA Luft spreche dafür, dass die von der Gesamtanlage hervorgerufenen Geruchsimmissionen grundsätzlich geeignet seien, zu erheblichen Belästigungen der Nachbarschaft zu führen. Es könne auch auf den Rechtsgedanken des § 15 Abs. 1 BauNVO abgestellt werden. Dem Vorhaben der Beigeladenen dürfte aufgrund der mehr als 6-fachen Überschreitung des Schwellenwerts nach der 4. BImSchV für die Verfahrensart "G" und "E" ein Störpotenzial beizumessen sein, das grundsätzlich zur Unverträglichkeit mit benachbarten Wohnnutzungen führe. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass die aus DDR-Zeiten stammende Rinderanlage mit einer Kapazität von durchschnittlich 600 Jungrindern betrieben worden, deren Bestandsschutz im Jahr 2008 entfallen und das Vorhaben der Beigeladenen als Neubauvorhaben anzusehen sei. Die von den Anwohnern detailliert geführten Geruchsprotokolle seien als Indiz zu berücksichtigen. Es handele sich um das Ergebnis einer tatsächlichen Wahrnehmung, während die Prognose auf der Grundlage eines reinen Rechenprogramms und einer standortfernen Wetterstation gefertigt worden sei. Danach betrage die Geruchsstundenhäufigkeit zwischen 17 und 21 % der Jahresstunden, ohne Berücksichtigung der Abluftfahnenüberhöhung und ohne Geruchsminderung durch eine Abluftreinigungsanlage 22,7 % der Jahresstunden. Die QPR des DWD sei fehlerhaft, weil nicht geprüft worden sei, ob die identifizierten Wetterdaten "charakteristisch" im Sinne der Vorgabe der Nr. 8.1 der TA Luft sind, sondern lediglich, welche Wetterdaten von umliegenden DWD-Stationen "am ehesten" mit den erwarteten Windverhältnissen am Anlagenstandort übereinstimmen. Zudem bildeten die Daten der herangezogenen Station O. nicht den Durchschnitt einer 10-Jahresstatistik ab, sondern beträfen lediglich ein einzelnes Jahr. In der Schallprognose sei im Übrigen mit den Daten der Wetterstation Artern gerechnet worden. Nach der fachgutachtlichen Stellungnahme des Herrn (K. H.) vom 27.06.2016 sei nach der Stärkewindrose mit einem Anteil von 18,7 % östlicher Winde zu rechnen. Im Übrigen seien im gerichtlichen Gutachten die vom DWD für übertragbar erachteten Wetterdaten in Bezug auf den Anemometerstandort nicht richtig angewendet worden, so dass mit noch höheren Geruchsstundenhäufigkeiten zu rechnen sei. Das Gutachten leide unter weiteren Fehlern, insbesondere sei die Rauhigkeitslänge unrichtig ermittelt. Zwischen den Abluftkaminen und dem Wohnhaus des Klägers befänden sich mehrere Gebäude, die zu einer Beeinflussung der Ausbreitung der Abluftfahne führten, was im Gutachten jedoch nicht berücksichtigt worden sei.

113

Falls der Berufung stattgegeben werde, seien dem Beigeladenen gemäß § 155 Abs. 4 VwGO die durch die Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten aufzuerlegen. Der Beklagte sei seiner Amtsermittlungspflicht und der Beigeladene seiner Pflicht, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen.

114

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

115

I. Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Genehmigungsbescheid zu Unrecht aufgehoben.

116

1. Die Klage ist zwar zulässig.

117

1.1. Insbesondere ist, wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt hat, die Klagefrist eingehalten.

118

1.2. Der Kläger ist auch nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Er kann geltend machen, durch die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Für die Bejahung der Klagebefugnis genügt es, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen möglich ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.01.1993 – BVerwG 4 B 206.92 –, NVwZ 1993, 884 [885], RdNr. 8 in juris). Daran fehlt es nur, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 07.05.1986 – BVerwG 1 C 10.95 –, BVerwGE 101, 157 [159], RdNr. 22 in juris). Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass der Kläger als Grundstücksnachbar durch die angegriffene Genehmigung in subjektiven Rechten verletzt wird, weil auch seinem Schutz dienende Vorschriften, insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG oder das in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und § 34 Abs. 1 BauGB verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme, verletzt werden.

119

2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung verstößt nicht gegen ihre Aufhebung rechtfertigende Verfahrensvorschriften und auch nicht gegen materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz des Klägers als Nachbar zu dienen bestimmt sind.

120

Dabei ist für die Entscheidung über die Anfechtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1991 – BVerwG 7 B 102.90 –, BayVBl 1991, 375, RdNr. 3 in juris). Nachträgliche Änderungen zu Gunsten des Bauherrn sind allerdings zu berücksichtigten. Dem liegt im Baurecht die Erwägung zugrunde, dass es mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 – BVerwG 4 B 40.98 –, NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris). Diese Grundsätze lassen sich auch auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren übertragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1982 – BVerwG 7 C 42.80 –, BVerwGE 65, 313 [316], RdNr. 14 in juris; Beschl. v. 11.12.2008 – BVerwG 7 C 6.08 –, BVerwGE 132, 372 [379 f.], RdNr. 25 in juris, zur Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid, mit dem eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf den Widerspruch eines Dritten aufgehoben wurde; HessVGH, Beschl. v. 27.09.2004 – 2 TG 1630/04 –, ESVGH 55, 82 [85 f.], RdNr. 19 in juris; a.A. allerdings VGH BW, Urt. v. 14.05.2012 – 10 S 2693/09 –, DVBl 2012, 1181 [1185], RdNr. 62 in juris).

121

2.1. Der Kläger kann die Aufhebung der angefochtenen Genehmigung nicht wegen eines Verfahrensmangels im Genehmigungsverfahren beanspruchen.

122

2.1.1. Die Genehmigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 BImSchG verfahrensfehlerhaft, so dass ein Aufhebungsanspruch, insbesondere auch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 des Umwelt-Rechtsbehelfegesetzes (UmwRG), nicht in Betracht kommt.

123

2.1.1.1. Nach Eingang des geänderten Antrages vom 22.06.2010, mit dem anstelle der ursprünglich beantragten Anlage für 347.965 Masthähnchenplätze eine Anlage mit nur noch 246.698 Masthähnchenplätzen zur Genehmigung gestellt wurde, musste keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BImSchG mit erneuter Bekanntmachung des Vorhabens und Auslegung der von der Beigeladenen nunmehr vorgelegten Unterlagen durchgeführt werden. Die beim Beklagten im Juli 2010 eingereichten Unterlagen waren vielmehr gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG und § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen (UIG und UIG LSA) zugänglich zu machen.

124

a) Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die Unterlagen des Antragstellers vollständig sind, das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG sind der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Die öffentliche Bekanntmachung hat eine Anstoßfunktion (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.09.2010 – BVerwG 7 B 15.10 –, NVwZ 2011, 364 [367], RdNr. 22). Diesen Vorschriften entsprechend wurde das Vorhaben der Beigeladenen im Amtsblatt des Beklagten vom 15.05.2008 und in der Mitteldeutschen Zeitung vom 15.05.2008 bekannt gemacht. Der Antrag mit den dazugehörigen Unterlagen wurde in der Zeit vom 22.05.2008 bis 23.06.2008 im Bauamt der Verwaltungsgemeinschaft "(...)" und in den Räumen des Beklagten ausgelegt.

125

Entgegen der Auffassung des Klägers stellte die Beigeladene mit der Einreichung des neu gefassten Genehmigungsantrages vom 22.06.2010 und den dazugehörigen neuen Genehmigungsunterlagen keinen neuen Antrag im Sinne von § 10 Abs. 1 BImSchG, der eine Pflicht zu einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 BImSchG zur Folge gehabt hätte. Es handelte sich vielmehr um eine Antragsänderung, über die die Öffentlichkeit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG zu informieren war. Gegenstand des Antrages war weiterhin die Errichtung und der Betrieb einer Hähnchenmastanlage am ursprünglich vorgesehenen Standort. Der wesentliche Unterschied zu dem im Antrag von 30.01.2008 dargestellten Vorhaben bestand in einer Reduzierung der Tierplatzzahl, verbunden mit einer Änderung der einzelnen Stallgebäude. Den bereits am 30.01.2008 gestellten Antrag, auf den sich der Genehmigungsbescheid in seinem Tenor bezieht, hatte die Beigeladene auch nicht zurückgenommen.

126

b) Nach der mithin maßgeblichen Bestimmung des § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG sind weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Besteht die "Information" in der Änderung des Genehmigungsantrages, kann zwar eine erneute Auslegung des Antrages und der Genehmigungsunterlagen erforderlich sein (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 10 RdNr. 89a, 105 f.). Wird ein Vorhaben während des Genehmigungsverfahrens geändert, so darf aber die Genehmigungsbehörde gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV dann von einer zusätzlichen Bekanntmachung und Auslegung absehen, wenn in den nach § 10 Abs. 1 auszulegenden Unterlagen keine Umstände darzulegen wären, die nachteilige Auswirkungen für Dritte besorgen lassen. Dies ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV insbesondere dann der Fall, wenn erkennbar ist, dass nachteilige Auswirkungen für Dritte durch die getroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden oder die Nachteile im Verhältnis zu den jeweils vergleichbaren Vorteilen gering sind. Betrifft das Vorhaben eine UVP-pflichtige Anlage, darf gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 der 9. BImSchV von einer zusätzlichen Bekanntmachung und Auslegung nur abgesehen werden, wenn keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Auswirkungen auf in § 1a genannte Schutzgüter zu besorgen sind.

127

Gemessen daran war eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung hier nicht erforderlich. Da die Zahl der Hähnchenmastplätze in dem geänderten Antrag (deutlich) reduziert wurde, ist nicht ersichtlich, dass nach diesem Maßstab die Antragsänderung gegenüber dem im Antrag vom 30.01.2008 dargestellten Vorhaben nachteilige Auswirkungen zur Folge haben könnte.

128

c) Die genannten Bestimmungen über die Zugänglichmachung nach Beginn der Auslegung bis zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag nachgereichter Unterlagen und deren Auslegung durch den Senat widersprechen auch nicht europäischem Recht, insbesondere werden Regelungen in Art. 6 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175 S. 40) in der im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu den Gerichten (ABl. L 156 S. 17) – UVP-RL 2003 – nicht verletzt.

129

Der Senat sieht keinen Anlass, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzuholen, wie der Kläger dies beantragt hat.

130

aa) Der Senat hält die Rechtslage für klar, soweit es um die Frage geht, ob ein – im Vergleich zu dem nach Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) UVP-RL 2003 öffentlich bekannt gegebenen Antrag – modifizierter Genehmigungsantrag und die dazu eingereichten Unterlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 UVP-RL 2003 der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) UVP-RL 2003 zugänglich zu machen ist oder eine Zugänglichmachung gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 genügt.

131

Nach Art. 6 Abs. 3 UVP-RL 2003 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens Folgendes zugänglich gemacht wird:

132

a) alle Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;

133

b) in Übereinstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften die wichtigsten Berichte und Empfehlungen, die der bzw. den zuständigen Behörden zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wird;

134

c) in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen (ABl. L 41 vom 14.02.2003, S. 26) andere als die in Absatz 2 dieses Artikels genannten Informationen, die für die Entscheidung nach Artikel 8 von Bedeutung sind und die erst zugänglich werden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wurde.

135

Nach Art. 5 Abs. 3 UVP-RL 2003 umfassen die vom Projektträger gemäß Absatz 1 vorzulegenden Angaben mindestens folgendes:

136
eine Beschreibung des Projekts nach Standort, Art und Umfang;
137
eine Beschreibung der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen vermieden, verringert und soweit möglich ausgeglichen werden sollen;
138
die notwendigen Angaben zur Feststellung und Beurteilung der Hauptauswirkungen, die das Projekt voraussichtlich auf die Umwelt haben wird;
139
eine Übersicht über die wichtigsten anderweitigen vom Projektträger geprüften Lösungsmöglichkeiten und Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen;
140
eine nichttechnische Zusammenfassung der unter den obenstehenden Gedankenstrichen genannten Angaben.
141

Den Unterlagen, die einem Antrag nach § 10 Abs. 1 BImSchG beizufügen und nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG mit dem Antrag auszulegen sind, sind nach § 4e Abs. 1 der 9. BImSchV bei UVP-pflichtigen Vorhaben – wie dem vorliegenden – eine Beschreibung der Umwelt und ihrer Bestandteile sowie der zu erwartenden erheblichen Auswirkungen des Vorhabens auf die in § 1a genannten Schutzgüter mit Aussagen über die dort erwähnten Wechselwirkungen beizufügen, soweit diese Beschreibung für die Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens erforderlich ist. Die Vorschrift dient auch der Umsetzung des Art. 5 Abs. 1 (i.V.m. Anhang IV) und Abs. 3 der UVP-RL 2003 (vgl. Czajka, in: Feldhaus, Immissionsschutzrecht Bd. 7, B. 2.9, 9. BImSchV, § 4e RdNr. 3). Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 der 9. BImSchV sind, wenn das Vorhaben eine UVP-pflichtige Anlage betrifft, auch die vom Antragsteller zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zusätzlich beigefügten Unterlagen auszulegen; ferner sind der Antrag und die Unterlagen auch in den Gemeinden auszulegen, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Diese Unterlagen sind ausnahmslos auszulegen; dies entspricht der Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a) UVP-RL 2003, wonach der betroffenen Öffentlichkeit alle Informationen, die gemäß Art. 5 eingeholt wurden, innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens zugänglich zu machen sind (Cjaika, a.a.O., 9. BImSchV, § 10 RdNr. 28).

142

Für solche Informationen gilt indes auch Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003, wonach andere als die in Abs. 2 dieses Artikels genannten Informationen, die für die Entscheidung nach Art. 8 von Bedeutung sind und die erst zugänglich werden, nachdem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 dieses Artikels informiert wurde, der betroffenen Öffentlichkeit innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG zugänglich zu machen sind.

143

Die Informationen nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003, die von Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 nicht erfasst werden, sind

144
a) der Genehmigungsantrag,
145
b) die Tatsache, dass das Projekt Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist, und gegebenenfalls die Tatsache, dass Artikel 7 Anwendung findet;
146
c) genaue Angaben zu den jeweiligen Behörden, die für die Entscheidung zuständig sind, bei denen relevante Informationen erhältlich sind bzw. bei denen Stellungnahmen oder Fragen eingereicht werden können, sowie zu vorgesehenen Fristen für die Übermittlung von Stellungnahmen oder Fragen;
147
d) die Art möglicher Entscheidungen, oder, soweit vorhanden, den Entscheidungsentwurf;
148
e) die Angaben über die Verfügbarkeit der Informationen, die gemäß Artikel 5 eingeholt wurden;
149
f) die Angaben, wann, wo und in welcher Weise die relevanten Informationen zugänglich gemacht werden;
150
g) Einzelheiten zu den Vorkehrungen für die Beteiligung der Öffentlichkeit nach Absatz 5 dieses Artikels.
151

Die vor Genehmigungserteilung vom Anlagenbetreiber vorgenommene Veränderung eines bereits bekannt gemachten Genehmigungsantrages in Gestalt einer Reduzierung der Tierplatzzahl einer Intensivtierhaltungsanlage stellt keinen neuen "Genehmigungsantrag" im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a) UVP-RL 2003 dar. Die Informationen, die nach Art. 5 UVP-RL 2003 eingeholt wurden, können indessen, soweit sie erst nach der Information der Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003 vorliegen, gemäß § 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 nach den Bestimmungen über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen zugänglich gemacht werden. Die Richtlinie unterscheidet insoweit nicht danach, in welchem Umfang bereits bei der Information der Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003 Angaben nach Art. 5 Abs. 3 UVP-RL 2003 vorlagen.

152

Dass auch die Unterlagen im Sinne von Art. 5 Abs. 3 UVP-RL 2003, die erst nach Information der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003 vorliegen, nach Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 "in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG" zugänglich gemacht werden, wird durch Folgendes gestützt: Mit der Richtlinie 2003/35/EG sollte nach deren 11. Erwägungsgrund die Richtlinie 85/337/EWG geändert werden, um ihre vollständige Übereinstimmung mit der Bestimmungen des Åarhus-Übereinkommens, insbesondere mit Art. 6 und Art. 9 Absätze 2 und 4, sicherzustellen. Art. 6 des Åarhus-Übereinkommens betrifft die hier in Rede stehende Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten, zu denen nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) i.V.m. Abs. 15 Buchstabe a) des Anhangs I Anlagen zur Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel mit mehr als 40.000 Plätzen für Geflügel gehören. Art. 6 Abs. 6 des Åarhus-Übereinkommens bestimmt, dass jede Vertragspartei die zuständigen Behörden verpflichtet, der betroffenen Öffentlichkeit – auf Antrag, sofern innerstaatliches Recht dies vorschreibt – gebührenfrei und sobald verfügbar Zugang zu allen Informationen zu deren Einsichtnahme zu gewähren, die für die in diesem Artikel genannten Entscheidungsverfahren relevant sind und zum Zeitpunkt des Verfahrens zur Öffentlichkeitsbeteiligung zur Verfügung stehen. Zu den relevanten Informationen gehören zumindest und unbeschadet des Artikels 4

153

a) eine Beschreibung des Standorts sowie der physikalischen und technischen Merkmale der geplanten Tätigkeit, einschließlich einer Schätzung der erwarteten Rückstände und Emissionen;

154

b) eine Beschreibung der erheblichen Auswirkungen der geplanten Tätigkeit auf die Umwelt;

155

c) eine Beschreibung der zur Vermeidung und/oder Verringerung der Auswirkungen, einschließlich der Emissionen, vorgesehenen Maßnahmen;

156

d) eine nichttechnische Zusammenfassung der genannten Informationen;

157

e) ein Überblick über die wichtigsten vom Antragsteller geprüften Alternativen und

158

f) in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften die wichtigsten Berichte und Empfehlungen, die an die Behörde zu dem Zeitpunkt gerichtet wurden, zu dem die betroffene Öffentlichkeit nach Absatz 2 informiert wird.

159

Dies spricht entscheidend dafür, dass die – auch in Art. 5 Abs. 3 UVP-RL 2003 genannten – Unterlagen, die erst nach Information der betroffenen Öffentlichkeit nach Art. 6 Abs. 2 des Åarhus-Übereinkommens und Art. 6 Abs. 2 UVP-RL 2003 vorliegen, nur auf Antrag bzw. nach den Bestimmungen der Richtlinie 2003/4/EG zugänglich gemacht werden müssen.

160

Eine andere Beurteilung ist auch nicht wegen der Anforderungen des Art. 6 Abs. 6 UVP-RL 2003 an den Zeitrahmen, innerhalb dessen (auch) nachgereichte Unterlagen zugänglich zu machen sind, geboten, denn mit Blick auf die Regelung des Art. 6 Abs. 3 Buchst c) UVP-RL 2003 geht die UVP-RL 2003 davon aus, dass die Anforderungen des Art. 6 Abs. 6 UVP-RL 2003 auch bei der Zugänglichmachung nachgereichter Unterlagen nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen erfüllt werden können.

161

bb) Eindeutig verneinen lässt sich nach der Auffassung des Senats auch die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Verweis in Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 in dem Sinne auszulegen ist, dass der betroffenen Öffentlichkeit die in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) UVP-RL 2003 fallenden Informationen im Sinne von Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe g) der Richtlinie 2003/4/EG "aktiv" zugänglich zu machen sind oder aktiv zu verbreiten ist, wo die entsprechenden Informationen beantragt oder gefunden werden können. Wie oben bereits ausgeführt, sollte mit der Richtlinie 2003/35/EG nach dem 11. Erwägungsgrund die Richtlinie 85/337/EWG geändert werden, um ihre vollständige Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Åarhus-Übereinkommens, insbesondere mit Art. 6 und Art. 9 Absätze 2 und 4, sicherzustellen. Nach Art. 6 Abs. 6 des Åarhus-Übereinkommens verpflichtet jede Vertragspartei die zuständigen Behörden, der betroffenen Öffentlichkeit – auf Antrag, sofern innerstaatliches Recht dies vorschreibt – gebührenfrei und sobald verfügbar Zugang zu allen Informationen zu deren Einsichtnahme zu gewähren, die für die in diesem Artikel genannten Entscheidungsverfahren relevant sind und zum Zeitpunkt des Verfahrens zur Öffentlichkeitsbeteiligung zur Verfügung stehen. Auch die Richtlinie 2003/4/EG enthält keine Regelungen, die es nahelegen, dass eine "aktive" Zugänglichmachung etwa im Sinne einer Information der betroffenen Öffentlichkeit durch öffentliche Bekanntmachung über eine Änderung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens oder der Antragsunterlagen zu erfolgen hat.

162

Die Erwägung des Klägers, ein Antrag nach dem UIG setze voraus, dass der Betreffende überhaupt Kenntnis von dem neuen Antrag bzw. den (komplett) neuen Antragsunterlagen hat, verfängt nicht. Den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit, die vom Vorhaben aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung Kenntnis haben und ggf. Einwendungen erhoben haben, ist es zuzumuten, bei der Genehmigungsbehörde den neuen Verfahrensstand zu erfragen und einen Antrag auf Einsicht in neue Unterlagen zu stellen, solange noch keine Entscheidung über den Genehmigungsantrag ergangen oder das Verfahren auf andere Weise, etwa durch Antragsrücknahme, abgeschlossen worden ist. Von einer Entscheidung der Behörde über den Genehmigungsantrag erhalten die Einwender und die Öffentlichkeit durch Zustellung oder öffentliche Bekanntmachung der Entscheidung Kenntnis (§§ 10 Abs. 7, Abs. 8 Satz 1 BImSchG, § 21a der 9. BImSchV); über einen Verfahrensabschluss auf andere Weise werden die Einwender gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 der 9. BImSchV benachrichtigt.

163

Der weitere Einwand des Klägers, mögliche Einwender würden bei einem Antrag nach dem UIG mit Kosten belastet, trifft nicht zu. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 UIG werden zwar für die Übermittlung von Informationen auf Grund dieses Gesetzes Gebühren und Auslagen erhoben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UIG gilt dies aber nicht für die Erteilung mündlicher und einfacher schriftlicher Auskünfte, die Einsichtnahme in Umweltinformationen vor Ort, Maßnahmen und Vorkehrungen nach § 7 Absatz 1 und 2 sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit nach den §§ 10 und 11.

164

2.1.1.2. Die vom Antragsgegner vorgenommene Öffentlichkeitsbeteiligung verstößt auch nicht gegen Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Eine Verpflichtung zur zusätzlichen Bekanntmachung und Auslegung des Antrags vom 22.06.2010 sowie der diesem Antrag beigefügten Unterlagen ergibt sich nicht aus § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG. Auch nach dieser Bestimmung kann bei einer Änderung der Unterlagen von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit – wie hier – keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Im Übrigen bestimmt auch § 9 Abs. 1b Satz 2 UVPG, dass weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn des Beteiligungsverfahrens vorliegen, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen sind.

165

2.1.2. Der Kläger kann die Aufhebung der Genehmigung auch nicht deshalb verlangen, weil eine FFH-Vorprüfung bzw. eine FFH-Verträglichkeitsprüfung für das 2,5 km südwestlich der Anlage liegende FFH-Gebiet „Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra“ wegen der zu erwartenden Stickstoffeinträge fehlt. Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob der Beklagte auf eine FFH-Verträglichkeitsprüfung in Bezug auf dieses FFH-Gebiet verzichten durfte. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf einen solchen Mangel berufen.

166

a) Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL umgesetzt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.2016 – BVerwG 4 A 5.14 –, juris, RdNr. 62), sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Ein Projekt darf grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des jeweiligen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Sind erhebliche Beeinträchtigungen zu besorgen, ist das Projekt gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG vorbehaltlich einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG unzulässig.

167

Die FFH-Richtlinie verleiht einem Einzelnen indes nicht das Recht, einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL und die für den Schutz von Meldegebieten geltenden Grundsätze zu rügen. Das ist derart offenkundig, dass auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.2012 – BVerwG 4 C 12.05 –, BVerwGE 128, 358 [366], RdNr. 33). Dem entsprechend verletzt auch ein Verstoß gegen § 34 BNatSchG einen Drittbetroffenen nicht in eigenen Rechten, da die Vorschriften allein dem Schutz der natürlichen Lebensräume und bestimmter Arten dienen und nicht dazu bestimmt sind, die privaten Belange der Anwohner zu schützen (Meßerschmidt, BNatSchG § 34 RdNr. 256).

168

b) Ein Aufhebungsanspruch des Klägers wegen einer möglicherweise zu Unrecht nicht durchgeführten FFH-Vorprüfung bezüglich des FFH-Gebiets "Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra“ ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften des UmwRG.

169

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 verlangt werden, wenn

170

1. eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften

171

a) erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder

172

b) erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist,

173

2. eine erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9 UVPG oder im Sinne von § 10 BImSchG weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist oder

174

3. ein anderer Verfahrensfehler vorliegt, der

175

a) nicht geheilt worden ist,

176

b) nach seiner Art und Schwere mit den in den Nummern 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar ist und

177

c) der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat; zur Beteiligung am Entscheidungsprozess gehört auch der Zugang zu den Unterlagen, die zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind.

178

Gemäß § 4 Abs. 1a UVPG gilt für Verfahrensfehler, die nicht unter Absatz 1 fallen, § 46 VwVfG; lässt sich durch das Gericht nicht aufklären, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird eine Beeinflussung vermutet. Nach § 4 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UmwRG bleiben § 45 Abs. 2 VwVfG sowie die Möglichkeit der Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens zur Heilung eines Verfahrensfehlers unberührt.

179

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG gelten die Absätze 1 bis 2 auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO, und damit auch für den Kläger. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG ist § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.

180

Diese Regelungen berücksichtigen die Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 07.11.2013 (C-72/12 – NVwZ 2014, 49). Danach steht der Umstand, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, einem Aufhebungsanspruch aus § 4 Abs. 1 UmwRG nicht von vornherein entgegen. Allerdings muss nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einem Anspruch auf deren Aufhebung führen. Insbesondere ist zu prüfen, ob dieser Fehler der betroffenen Öffentlichkeit eine der Garantien genommen hat, die geschaffen wurden, um ihr im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 85/337 Zugang zu Informationen und die Beteiligung am Entscheidungsprozess zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2015 (BVerwG 7 C 15.13 –, NVwZ 2016, 308 [309], RdNr. 22 f.). Die Regelungen sind auch in der aktuellen Fassung anwendbar, obwohl die Gesetzesänderung erst nach Rechtshängigkeit der Klage eingetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.01.2016 – BVerwG 4 A 5.15 –, DVBl 2016, 785 [788], RdNr. 45 f., m.w.N.).

181

In Anwendung dieser – lediglich Unionsrecht umsetzenden – Regelungen kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe wegen der unterlassenen FFH-Vorprüfung hinsichtlich des FFH-Gebiets „Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra“ und einer deshalb fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung einen Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG.

182

aa) Wird im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung eine FFH-Vorprüfung oder eine FFH-Verträglichkeitsprüfung zu Unrecht nicht durchgeführt, stellt dies keinen absoluten Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 UmwRG dar, der unabhängig von der Ergebnisrelevanz einen Aufhebungsanspruch zur Folge hätte.

183

bb) Das Unterlassen der FFH-Vorprüfung fällt auch nicht unter die Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder § 4 Abs. 1a UmwRG. Diese Bestimmungen erfassen nur andere Verfahrensfehler bzw. Verfahrensfehler, die nicht unter § 4 Abs. 1 UmwRG fallen. Unterlässt die Behörde im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zu Unrecht eine erforderliche Vorprüfung, ob das Vorhaben geeignet ist, ein bestimmtes FFH-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, muss darin aber kein Verfahrensfehler liegen.

184

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 12.12.2007 – BVerwG 9 B 2.07 –, juris, RdNr. 11, m.w.N.) ist das UVPG ein reines Verfahrensgesetz. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist nach der UVP-Richtlinie als reines Verfahrensinstrument ausgestaltet. Sie soll gemäß Art. 3 UVP-RL 2003 nach Maßgabe eines jeden Einzelfalls die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Schutzgüter ermitteln, beschreiben und bewerten. Materielle Vorgaben, Prüfungsmaßstäbe oder -methoden werden nicht vorgegeben. Die Richtlinie bestimmt lediglich, in welchen formalen Schritten ein bestimmtes Verfahrensprogramm zur Prüfung der Umweltauswirkungen eines Projekts vor seiner Zulassung zu absolvieren ist. Der Richtlinie liegt daher die Vorstellung zu Grunde, dass schon das bloße Vorhandensein der aufgrund eines verselbständigten Prüfungsprogramms gewonnenen Erkenntnisse von den möglichen Umweltfolgen eines Vorhabens auch eine angemessene Berücksichtigung der Umweltbelange im Rahmen der abschließenden Entscheidung sicherstellt (OVG BBg, Urt. v. 11.12.2014 – OVG 11 A 23.13 –, juris, RdNr. 64; OVG NW, Urt. v. 01.12.2011 – 8 D 58/08.AK –, juris, RdNr. 176, m.w.N.).

185

Besteht die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung, erarbeitet die zuständige Behörde gemäß § 11 UVPG auf der Grundlage der Unterlagen nach § 6, der behördlichen Stellungnahmen nach den §§ 7 und 8 sowie der Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit nach den §§ 9 und 9a eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens sowie der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden, einschließlich der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren, aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft. Die Ergebnisse eigener Ermittlungen sind einzubeziehen. Die zusammenfassende Darstellung ist möglichst innerhalb eines Monats nach Abschluss der Erörterung im Beteiligungsverfahren nach § 9 Abs. 1 Satz 3 zu erarbeiten. Die zusammenfassende Darstellung kann in der Begründung der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens erfolgen. Die Begründung enthält erforderlichenfalls die Darstellung der Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Nach § 12 UVPG bewertet die zuständige Behörde die Umweltauswirkungen des Vorhabens auf der Grundlage der zusammenfassenden Darstellung nach § 11 und berücksichtigt diese Bewertung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 nach Maßgabe der geltenden Gesetze. Da die Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets auf die Bewahrung bzw. Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands (eines Teils) der in diesem Gebiet vorhandenen Fauna und Flora gerichtet ist, hat sich die abschließende Bewertung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch auf die Frage der erheblichen Beeinträchtigung von FFH-Gebieten zu erstrecken (OVG NW, Urt. v. 12.06.2012 – 8 D 38/08.AK –, NuR 2012, 722 [733], RdNr. 304 in juris). Verstößt die Genehmigungsbehörde gegen die im UVPG vorgegebenen Verfahrensschritte, mag ein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG vorliegen. Unterlaufen ihr aber bei der Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens nach § 12 UVPG inhaltliche (materielle) Fehler, stellt dies hingegen keinen Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1a UmwRG dar.

186

Die unterbliebene FFH-Vorprüfung in Bezug auf das FFH-Gebiet „Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra{}" stellt möglicherweise einen materiellen Fehler, aber keinen Verfahrensfehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung dar. Der Beklagte hat sich im Rahmen der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung beim Schutzgut "Tiere und Pflanzen" mit der Frage befasst, inwieweit es durch das Vorhaben der Beigeladenen zu Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt kommen kann. Dabei hat er als Untersuchungsrahmen einen Radius von 1.000 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage festgelegt, und, falls sich am äußeren Bereich dieses Untersuchungsraumes empfindliche Ökosysteme befinden, diese ebenfalls betrachtet (vgl. Abschnitt 1.3 des Berichts zur UVP). Bezüglich des FFH-Gebiets "C.-Nordrand südwestlich Wolmirstedt" ist er dem entsprechend in Abschnitt 2.2 zu der Bewertung gelangt, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung entbehrlich sei, weil sich das Schutzgebiet in ca. 3,5 km Entfernung zum Vorhabenstandort befinde, so dass eine Beeinträchtigung durch vorhabenbedingte Immissionen sowie bauliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden könnten. Ob diese Einschätzung zutrifft, ist eine Frage des materiellen Rechts. Das ca. 2,5 km entfernt liegende FFH-Gebiet "Gutschbachtal und Steinbachtal südwestlich Bad Bibra" hat der Beklagte zwar nicht erwähnt, sondern hat erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, eine erhebliche Beeinträchtigung dieses FFH-Gebiets durch den Betrieb der Hähnchenmastanlage könne ebenfalls ausgeschlossen werden, weil sich der der Anlage zuzuordnende Stickstoffeintrag auf 0,12 kg N/(ha*a) belaufe, so dass die Irrelevanzgrenze von 2 % des Critical Load von 0,2 kg N/(ha*a) unterschritten werde. Ausgehend von der im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zugrunde gelegten Annahme, dass die Festlegung eines Radius von 1.000 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage ausreiche, um eine erhebliche Beeinträchtigung ausschließen zu können, war eine nähere Betrachtung weiter entfernt liegender FFH-Gebiete nach der materiell-rechtlichen Bewertung durch den Beklagten aber entbehrlich. Diese Vorgehensweise mag in materieller Hinsicht Bedenken aufwerfen, begründet aber keinen Verfahrensfehler. Schon Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 34 Abs. 1 BNatSchG verlangen nicht, dass eine Vorprüfung formalisiert durchgeführt wird, sondern regeln nur die Voraussetzungen, unter denen eine Verträglichkeitsprüfung geboten ist (BVerwG, Urt. v. 14.07.2011 – BVerwG 9 A 12.10 –, juris, RdNr. 89). Fehlen diese Voraussetzungen bei Erlass der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens, weil eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Gebiets ohne vertiefte Prüfung ausgeschlossen werden kann, so stellt der Verzicht auf eine Verträglichkeitsprüfung unabhängig davon, auf welche Weise die Behörde sich diese Gewissheit verschafft hat, keinen Rechtsfehler dar (BVerwG, Urt. v. 14.07.2011 a.a.O.). Erweist sich die behördliche Einschätzung, dass vorhabenbedingte Beeinträchtigungen des geschützten Gebiets ohne vorherige Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung ausgeschlossen werden können, hingegen als fehlerhaft, stellt dies einen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und damit gegen materielles Recht dar.

187

2.1.3. Der Kläger kann einen Aufhebungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung deshalb unvollständig und fehlerhaft sei, weil sie keine Prüfgrundlage und Bewertung zur Quantifizierung eines durch Bioaerosole hervorgerufenen Gesundheitsrisikos enthalte. Auch insoweit liegt kein Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG, sondern allenfalls ein materieller Fehler bei der nach § 12 UVPG vorzunehmenden Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens der Beigeladenen vor.

188

a) Der Beklagte hat in seinem Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung nach §§ 11, 12 UVPG in Abschnitt 1.4.1 beim Schutzgut Mensch ausgeführt, dass es beim Betrieb, bei der Lagerung und beim Transport zu Emissionen von Mikroorganismen und Gerüchen unterschiedlicher Art und Konzentration kommen könne. Bei der Bewertung der Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch in Abschnitt 2.2.1 hat er ausgeführt, im Umfeld der Anlage befänden sich keine sensiblen Bereiche oder Nutzungsformen, wie Lebensmittelindustrie, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser oder Altenheime, die durch Verfrachtung von Mikroorganismen gefährdet werden könnten. Damit hat er sich mit der Frage der Umweltauswirkungen durch Bioaerosole befasst. Auf die Frage, ob die von ihm vorgenommene Bewertung zutrifft und deshalb die Genehmigungsentscheidung trägt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Wie oben dargelegt, geben das UVPG und der UVP-RL 2003 als Verfahrensvorschriften keine materiellen Vorgaben, Prüfungsmaßstäbe oder -methoden vor, sondern bestimmen nur, in welchen formalen Schritten ein bestimmtes Verfahrensprogramm zur Prüfung der Umweltauswirkungen eines Projekts vor seiner Zulassung zu absolvieren ist.

189

b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Blick auf das vom Kläger ins Feld geführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.07.2015 (BVerwG 7 C 10.13 –, BVerwGE 152, 319) geboten. Insbesondere lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen, dass für den Beklagten im Genehmigungsverfahren, und speziell im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung, die Pflicht bestand, ein Gutachten über die Bioaerosolbelastung einzuholen, weil sonst keine Prüfung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen von Bioaerosolen auf den Menschen bzw. die menschliche Gesundheit möglich gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Urteil (RdNr. 15) ausgeführt, es sei mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht vereinbar, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Hähnchenmastanlage ohne die Anordnung, eine Abluftbehandlungsanlage zu betreiben, bejaht werde, ohne dass geklärt worden sei, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Betrieb der Anlage auf Wohngrundstücken in der Nachbarschaft der Anlage zu einer relevanten Zusatzbelastung durch Bioaerosole führe.

190

aa) Das Bundesverwaltungsgericht hat damit einen Verstoß gegen materielles Recht beanstandet. Dass ein solcher Verstoß zugleich einen Verfahrensfehler im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung darstellen könnte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Eine Bewertung der Umweltauswirkungen und die Berücksichtigung dieser Bewertung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 12 UVPG ist auch ohne die Ermittlung der Zusatzbelastung für die Wohnbevölkerung in einem bestimmten Umkreis um die Anlage möglich, unabhängig davon, ob diese Bewertung und ihre Berücksichtigung bei der Zulassungsentscheidung den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gerecht wird.

191

bb) Im Übrigen musste der Beklagte hier kein Gutachten über die Belastung der Wohnbevölkerung in der Umgebung der Hähnchenmastanlage einholen, weil bei der Anlage der Beigeladene den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entsprechende Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Bioaerosole vorgesehen sind.

192

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen. Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sind vor allem durch Maßnahmen an der Quelle, also durch Emissionsbegrenzungen, zu treffen. Sie sollen unabhängig von geltenden Schädlichkeitsgrenzen das an Umweltqualität durchsetzen, was im Hinblick auf ein vorhandenes Potential an Vermeidungstechnologie realisierbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 – BVerwG 7 C 8.82 –, BVerwGE 69, 37 [42], RdNr. 17 in juris). Dem entsprechend kann eine Maßnahme zur Emissionsbegrenzung eine erforderliche und wirtschaftlich zumutbare Vorsorgemaßnahme sein, und zwar auch dann, wenn sie zur Emissionsminderung praktisch geeignet ist, aber aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht dem Stand der Technik entspricht (BVerwG, Urt. v. 23.07.2015, a.a.O., RdNr. 16). Damit übereinstimmend wird in der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 für den Fall der (möglichen) Überschreitung der Hintergrundkonzentration durch die anlagenbedingte Konzentration von Bioaerosol-Immissionen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Durchführung von Emissionsminderungsmaßnahmen zur Einhaltung der Hintergrundkonzentration für notwendig gehalten, wobei für den Bereich der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung auf die in der VDI-Richtlinie 4255 Blatt 2 beschriebenen Emissionsminderungsmaßnahmen, insbesondere Abluftreinigungsmaßnahmen, verwiesen wird. Dem entspricht auch die Bestimmung in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft a. E., wonach bei Tierhaltungsanlagen die Möglichkeiten, die Emissionen an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern, zu prüfen sind. Vor diesem Hintergrund regelt der nordrhein-westfälische Erlass über die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an Tierhaltungsanlagen vom 19.02.2013 in Abschnitt 4, (http://www.umwelt.nrw.de/landwirtschaft/pdf/erlass_tierhaltungsanlagen.pdf), dass in Fällen, in denen hinreichende Anhaltspunkte für eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung durch Bioaerosole vorliegen, ein Gutachten zur Feststellung, ob die in Anlage 1 dieses Erlasses vorgeschlagenen Orientierungswerte eingehalten sind, zu fordern sei. Hierauf könne verzichtet werden, wenn der Antragsteller für die Tierhaltungsanlage den Einbau einer Abluftreinigungsanlage zur Minderung der Staubemissionen vorgesehen habe und diese verbindlich in der Genehmigung festgeschrieben werde. In der Fachwelt gehe man davon aus, dass Anlagen zur Verminderung von Staubemissionen auch zur Minderung von Bioaerosolen geeignet seien. Nach dem aktuellen Stand seien die Möglichkeiten zur Minderung von Bioaerosolen damit ausgeschöpft. Vergleichbare Regelungen enthalten der Erlass des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein vom 26.06.2014 (Amtsbl. SH 2014, 523) in Abschnitt 3 sowie der niedersächsische Erlass zur Durchführung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren vom 02.05.2013 (veröffentlicht in juris) in Abschnitt 5. Damit werden die nach dem Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sowie des Standes der Technik zu fordernden Vorsorgemaßnahmen gegenüber einer (möglichen) Beeinträchtigung durch Bioaerosole zutreffend konkretisiert.

193

Nach diesen Grundsätzen bedurfte es hier nicht der Einholung eines Gutachtens zur Ermittlung der Zusatzbelastung durch Bioaerosole, weil die Anlage der Beigeladenen mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abluftreinigungsanlage auszustatten ist. Nach der Nebenbestimmung Nr. 5.1.2 ist eine Staubminderung aus den Ställen von 40 % einzuhalten. Nach den Angaben der Herstellerfirma (S.) Systemtechnik GmbH in der Funktionsbeschreibung der Abluftreinigungsanlage kann hiermit ein Wirkungsgrad bei Gesamtstaub von > 70 % erzielt werden. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wirkungsgrad tatsächlich nicht erreicht werden kann, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Damit wurden die nach dem (damaligen) Stand der Technik möglichen Minderungsmaßnahmen im Hinblick auf Bioaerosole ergriffen.

194

Zwar kann bei Errichtung einer neuen Anlage die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG nicht nur dazu zwingen, die Art und Weise des Anlagenbetriebs zu modifizieren; sie kann auch der Genehmigungsfähigkeit der Anlage am gewählten Standort entgegenstehen (BVerwG, Urt. v. 23.07.2015, a.a.O., RdNr. 26 a. E., m.w.N.), im Bereich der raum- und immissionsbezogenen Vorsorge etwa aufgrund von Abstandsregelungen (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 5 RdNr. 55 f.). Daraus folgt aber nicht, dass die Genehmigungsbehörde auch dann, wenn Emissionsminderungsmaßnahmen an der Anlage vorgesehen sind und in der Genehmigung festgeschrieben werden sollen, ein Gutachten über die von der Anlage ausgehende Zusatzbelastung durch Bioaerosole einholen muss. Da für Bioaerosol-Immissionen – insbesondere in der TA Luft – keine Grenzwerte festgelegt sind, könnte das Ergebnis eines Gutachtens über die Zusatzbelastung durch Bio-Aerosole, auch wenn sie die Irrelevanzschwelle überschreitet, der Genehmigungsfähigkeit der mit einer Abluftbehandlung ausgestatteten Anlage nicht entgegen gehalten werden.

195

2.1.4. Der Kläger kann die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auch nicht deshalb beanspruchen, weil nicht nur eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG, sondern die Neuerteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG erforderlich war.

196

2.1.4.1. Der Senat geht allerdings davon aus, dass der Beklagte nicht nur ein Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG, sondern ein Neugenehmigungsverfahren nach § 4 BImSchG hätte durchführen müssen.

197

a) § 16 BImSchG ist nur anwendbar, wenn die zu ändernde Anlage bereits immissionsschutzrechtlich genehmigt und die Genehmigung nicht erloschen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.2005 – BVerwG 7 C 25.04 –, BVerwGE 124, 156 [159], RdNr. 9 in juris; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, § 16 BImSchG RdNr. 35, m.w.N.). Anstelle einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung kommt auch ein anderer Legalisierungsakt gemäß § 67 oder 67a BImSchG in Betracht (BVerwG, Urt. v. 25.08.2005, a.a.O., RdNr. 10; Reidt/Schiller, a.a.O.). Für die zuvor betriebene Rinderanlage lag zwar nach den Angaben des Beklagten und der Beigeladenen eine Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG vor. Diese dürfte aber nach Lage der Dinge vor Erteilung der in Rede stehenden Änderungsgenehmigung bereits erloschen gewesen sein.

198

Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erlischt die Genehmigung nach dem BImSchG, wenn eine Anlage während eines Zeitraums von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden ist. Diese Regelung gilt auch für nach § 67 Abs. 2 BImSchG angezeigte Anlagen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.03.2010 – BVerwG 7 B 38.09 –, NVwZ 2010, 780 [781], RdNr. 6 f.). Der Erlöschenstatbestand setzt mit dem Tatbestandsmerkmal des Nichtbetreibens keine entsprechende Erklärung, sondern den tatsächlichen Vorgang der Betriebseinstellung voraus; hierfür kann neben objektiven Umständen auch eine subjektive Erklärung des Betreibers Indizwirkung haben (BVerwG, Urt. v. 25.08.2005, a.a.O., RdNr. 12). Wann der Betrieb der Rinderanlage eingestellt wurde, lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen. Nach den Angaben des Beklagten im Schriftsatz vom 01.11.2013 (Bl. 706 GA) sollen Ende des Jahres 2007 die letzten Tiere ausgestallt worden sein; nach dem Vortrag des Klägers hingegen soll eine Betriebseinstellung bereits im Juni 2005 erfolgt sein. Ausgehend von diesen Angaben erlosch die Genehmigung damit spätestens Ende 2010 und damit bereits vor Erteilung der Änderungsgenehmigung am 20.07.2011. Auch ist nicht ersichtlich, dass der damalige Betreiber der Anlage vor Erlöschen der Genehmigung einen Verlängerungsantrag nach § 18 Abs. 3 BImSchG stellte und der Beklagte dem entsprach. Den vorgelegten Verwaltungsvorgängen lässt sich nicht entnehmen, dass ein solches Verlängerungsverfahren stattfand, und dem Beklagten war nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung darüber auch nichts bekannt.

199

b) Im Übrigen liegt keine wesentliche Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, sondern eine Neuerrichtung vor, wenn durch die Änderung der Charakter der (Gesamt-)Anlage verändert wird, wenn also die Änderungen derart prägend sind, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss (Jarass, BImSchG, 11 Aufl., § 16 RdNr. 6a, m.w.N.; Urt. d. Senats v. 24.03.2015 – 2 L 184/10 –, juris, RdNr. 58). Ob dies hier der Fall ist, bedarf indessen keiner Vertiefung.

200

2.1.4.2. Auch wenn hier eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG nicht hätte erteilt werden dürfen, sondern ein Genehmigungsverfahren nach § 4 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, kann der Kläger die Aufhebung der Genehmigung nicht beanspruchen. Denn er kann nicht geltend machen, durch die Wahl der falschen Verfahrensart in eigenen Rechten verletzt zu sein.

201

a) Allein der Umstand, dass nicht das richtige Verfahren eingehalten ist, vermittelt keinen vom materiellen Recht unabhängigen Nachbarschutz (vgl. Beschl. d. Senats v.12.02.2003 – 2 M 273/02 –, juris; BayVGH, Beschl. v. 29.03.2004 – 15 CS 03.2891 –, juris, RdNr. 36). Zwar dient das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren gerade auch dazu, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten; das bedeutet aber noch nicht, dass die Einhaltung des Verfahrens um seiner selbst willen dem Schutz potentiell betroffener Nachbarn dient, unabhängig davon, ob konkret materielle Anforderungen zum Schutz der Nachbarn verletzt sind oder nicht. Das Verfahren dient dem Schutz Dritter nur insofern, als es gewährleisten soll, dass die materiell-rechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden. Bei einer auf die Verletzung solcher Verfahrensvorschriften gestützten Klage muss sich für die Klagebefugnis aus dem Vorbringen des Klägers ergeben, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 05.10.1990 – 7 C 55.89, 7 C 56.7 C 56.89 –, BVerwGE 85, 368 [373 f.], RdNr. 20 f. in juris, m.w.N.).

202

Im konkreten Fall ist nicht erkennbar, dass sich die Durchführung des Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 BImSchG anstelle eines Verfahrens nach § 4 BImSchG auf die materiell-rechtliche Position des Klägers ausgewirkt haben könnte. Die Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG setzt ebenso wie die Genehmigung nach § 4 BImSchG grundsätzlich voraus, dass die Anforderungen des § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt sind (vgl. OVG NW, Urt. v. 22.05.2014 – 8 A 3002/11 –, juris, RdNr. 45 f., m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn von den Sonderregelungen des § 6 Abs. 3 BImSchG Gebrauch gemacht, also eine sog. "Verbesserungsgenehmigung" erteilt wird. Nach dieser Vorschrift darf eine beantragte Änderungsgenehmigung auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber (1.) der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Abs. 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, (2.) weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, (3.) der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 zu erreichen, und (4.) die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern. Diese Vorschrift wurde hier aber nicht herangezogen, sondern der gleiche Maßstab wie bei einer Neuerteilung einer Genehmigung nach § 4 BImSchG angelegt.

203

b) Zwar mag den Vorschriften über die Art des Genehmigungsverfahrens unabhängig von der Möglichkeit der Beeinträchtigung materieller Rechte dann drittschützender Charakter zukommen, wenn von der Auswahl des Genehmigungsverfahrens die Öffentlichkeitsbeteiligung abhängt (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Aufl., § 10 RdNr. 136, m.w.N.). Dies kommt auch bei der Durchführung eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 BImSchG anstelle eines Genehmigungsverfahrens nach § 4 BImSchG in Betracht. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG soll die zuständige Behörde von der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens sowie der Auslegung des Antrags und der Unterlagen absehen, wenn der Träger des Vorhabens dies beantragt und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf in § 1 genannte Schutzgüter nicht zu besorgen sind. Nach Satz 2 ist dies insbesondere dann der Fall, wenn erkennbar ist, dass die Auswirkungen durch die getroffenen oder vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden oder die Nachteile im Verhältnis zu den jeweils vergleichbaren Vorteilen gering sind. Ein Dritter kann möglicherweise rügen, der Verzicht auf eine Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG sei fehlerhaft gewesen, etwa mit der Begründung, die Genehmigungsbehörde habe den Begriff „erheblich“ in § 16 Abs. 2 Satz 1 BImSchG falsch auslegt oder die beiden Legalbeispiele in § 16 Abs. 2 Satz 2 BImSchG zu extensiv gehandhabt (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, § 16 BImSchG, RdNr. 192). Ein solcher Verzicht spielt im vorliegenden Genehmigungsverfahren aber keine Rolle, da hier eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurde.

204

c) Ein Aufhebungsanspruch wegen der Wahl der falschen Verfahrensart folgt auch nicht aus den Unionsrecht umsetzenden Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a i.V.m. Abs. 3 UmwRG. Der Fehler unterfällt insbesondere nicht den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 UmwRG, weil die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im Sinne von § 9 UVPG und § 10 BImSchG durchgeführt wurde und durch die Wahl des Änderungsgenehmigungsverfahrens der betroffenen Öffentlichkeit auch nicht die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wurde. Sofern es sich um einen (sonstigen) Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG handeln sollte, gilt § 46 VwVfG; danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Eine solche offensichtlich fehlende Kausalität des Verfahrensfehlers für die Entscheidung des Beklagten über den Genehmigungsantrag der Beigeladenen ist hier gegeben. Wie oben bereits dargelegt, hat der Beklagte bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach Beteiligung der Öffentlichkeit die gleichen rechtlichen Maßstäbe angelegt wie bei einer Entscheidung über eine Neuerteilung der Genehmigung.

205

2.2. Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung verletzt ferner keine dem Schutz des Klägers dienenden materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften.

206

Die Erteilung einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG setzt ebenso wie die Genehmigung nach § 4 BImSchG – von der hier nicht relevanten Erleichterung des § 6 Abs. 3 BImSchG abgesehen – voraus, dass die Anforderungen des § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt sind. Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2).

207

2.2.1. Die angefochtene Genehmigung verletzt nicht die auch dem Nachbarschutz dienende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

208

Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter für die Nachbarschaft schädlichen Umwelteinwirkungen sind alle Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG zu verstehen, die für die Nachbarn nach Art, Ausmaß und Dauer unzumutbar sind, darunter auch Luftverunreinigungen durch Staub und Geruchsstoffe sowie Geräusche (§ 3 Abs. 2 und 4 BImSchG). Was zumutbar ist, richtet sich u.a. nach der durch die bebauungsrechtliche Prägung und tatsächliche oder planerische Vorbelastungen bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der Umgebung, wobei wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend sind (BVerwG, Urt. v. 30.04.1992 – BVerwG 7 C 25.91 –, BVerwGE 90, 163 [165 f.], RdNr. 11 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 – 9 A 2030/12 –, juris, RdNr. 51, m.w.N.). Die Beantwortung der Zumutbarkeitsfrage verlangt eine einzelfallbezogene Interessenbewertung, wobei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist und zur Konkretisierung immissionsschutzrechtlicher Grundanforderungen Verwaltungsvorschriften und technische Regelwerke heranzuziehen sind (HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O.). Dabei sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zugrunde zu legen; ansonsten sind nur etwaige nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 23.04.1998 – BVerwG 4 B 40.98 –, NVwZ 1998, 1179, RdNr. 3 in juris).

209

2.2.1.1. In Bezug auf schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen werden durch die auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene TA Luft sowohl die Grundpflichten des Anlagenbetreibers als auch die aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgenden Abwehrrechte Dritter konkretisiert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.03.1996 – BVerwG 7 B 164.95 –, NVwZ-RR 1996, 498 [499], RdNr. 16 in juris). Bei Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren kann bei Einhaltung des in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft empfohlenen Mindestabstands in der Regel davon ausgegangen werden, dass auf die betroffene Wohnbebauung in der Umgebung einer emittierenden Anlage keine unzumutbaren Geruchs- und sonstigen Immissionen der Anlage einwirken (NdsOVG, Beschl. v. 14.02.2011 – 12 LA 8/09 –, NVwZ-RR 2011, 397). Nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft sollen bei der Errichtung solcher Anlagen die sich aus der Abbildung 1 ergebenden Mindestabstände zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung und unter Berücksichtigung der Einzeltiermasse gemäß Tabelle 10 nicht unterschritten werden. Der Abbildung 1 lässt sich entnehmen, dass bei Zugrundelegung der im gerichtlichen Sachverständigengutachten (S. 17) berechneten Zahl von 493,396 Großvieheinheiten nach der Tabelle 3.1 hier ein Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung von ca. 415 m eingehalten werden müsste, um ohne nähere Prüfung davon ausgehen zu können, dass keine unzumutbaren Immissionen auf das Grundstück des Klägers einwirken. Die Abstände der Emissionsquellen zum Wohnhaus des Klägers liegen jedoch deutlich darunter. Bei den in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft geregelten Mindestabständen handelt es sich allerdings, wie sich aus Nr. 1 und der Überschrift des 5. Abschnitts der TA Luft ergibt, um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen. Die Einhaltung der Mindestabstände der TA Luft ist deshalb zwar ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auftreten. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Betreiber seine Schutzpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erfüllt, wenn die in der Abbildung 1 zu Nr. 5.4.7.1 der TA Luft angegebenen Mindestabstände nicht eingehalten werden.

210

2.2.1.1.1. Das Grundstück des Klägers ist durch die genehmigte Anlage der Beigeladenen insbesondere keinen unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt.

211

a) Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Technische Regelwerke erzeugen für die Behörden und Gerichte zwar keine Bindungswirkung, wenn der Gesetzgeber sie, wie das bei der GIRL der Fall ist, nicht in seinen Regelungswillen aufnimmt. Sie dürfen aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie im jeweiligen Bundesland umgesetzt sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2010 – BVerwG 4 B 29.10 –, BauR 2010, 2083 [2084], RdNr. 3 in juris, m.w.N.). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine – hinreichend verlässliche – Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 95; Beschl. d. Senats v. 01.08.2011 – 2 M 84/11 –, NVwZ 2012, 119 [121], RdNr. 29 in juris, m.w.N.). Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 a.a.O., RdNr. 53, m.w.N.). Berechnungen auf der Basis der GIRL stellen ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „worst-case-Szenario“ dar, und das gefundene Ergebnis liegt „auf der sicheren Seite“ (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 95; OVG RP, Beschl. v. 07.02.2014 – 1 B 11320/13 –, juris, RdNr. 20; BayVGH, Beschl. v. 15.11.2010 – 15 CS 10.2131 –, BauR 2013, 1816 [1817], RdNr. 15 in juris).

212

Vor dem Hintergrund einer bisher fehlenden normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit dieser Immissionen im gerichtlichen Verfahren allerdings auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann. Bei dieser Einzelfallbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Situation an, in die die Grundstücke gestellt sind, und ob prognostisch eine unzumutbare Geruchsimmission für die Nachbarschaft zu erwarten ist. Da der Außenbereich nach § 35 BauGB dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt (Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 96; vgl. auch OVG RP, Urt. v. 07.10.2009 – 1 A 10972/07 –, BauR 2010, 581 [584], RdNr. 84 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O., RdNr. 64 in juris).

213

b) Nach Nr. 3.1 der GIRL sind Geruchsimmissionen in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung IG (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden. Diese Häufigkeit beträgt in Wohn- und Mischgebieten 0,10 sowie in Gewerbe-, Industrie- und Dorfgebieten 0,15 der Jahresstunden. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechtes den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Die Begründung und die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gehen im Abschnitt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich – Ortsüblichkeit“ davon aus, dass aufgrund der historischen Entwicklung auch die Situation in den neuen Bundesländern besondere Anforderungen an die Berücksichtigung der Ortsüblichkeit stellen könne. So hätten in der damaligen DDR die ehemals prägenden Hofstellen innerhalb der Dörfer infolge der Kollektivierung der Landwirtschaft aufgegeben werden müssen. Sie seien durch große Einheiten ersetzt worden, die überwiegend in Ortsnähe, planungsrechtlich im Außenbereich, errichtet worden seien und dort seit Jahrzehnten betrieben würden. Dies habe dazu geführt, dass im Innenbereich der ehemaligen Dorfgebiete nur noch vereinzelt landwirtschaftliche Nutzungen vorzufinden seien, der jeweilige Siedlungsbereich jedoch durch die unmittelbare Nachbarschaft der Tierhaltungsanlagen geprägt werde. Für die im Einwirkungsbereich solcher Tierhaltungsanlagen gelegenen Grundstücksnutzungen könne deshalb die Zuordnung des Immissionswertes für Dorfgebiete gerechtfertigt sein. In begründeten Einzelfällen könne sogar noch über diesen Wert hinausgegangen werden.

214

c) Nach den Ergebnissen des vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Gutachtens des Sachverständigen Dr. D. vom März 2014 führt der Betrieb der Hähnchenmastanlage zu keiner erheblichen Belästigung des klägerischen Grundstücks durch Geruchsimmissionen. Das Gutachten enthält keine Fehler, die zu seiner Unverwertbarkeit führen.

215

aa) Nach Nr. 4.1 der GIRL wird die Geruchsimmission durch einen Wert (Kenngröße) gekennzeichnet, der ihre zeitliche Wahrnehmbarkeit oberhalb einer bestimmten Intensität (Erkennungsschwelle) beschreibt. Die Ausbreitungsrechnung kann insbesondere dann vorgenommen werden, wenn auf Grund vorliegender Messungen oder Schätzungen anzunehmen ist, dass die vorhandene Belastung 70 v.H. des anzuwendenden Immissionswertes nach Tabelle 1 unterschreitet oder wenn die Ermittlung der Belastung durch Begehungen als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss. Wird die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen, so sind alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen. Um in speziellen Fällen auf Emissionen zurückrechnen zu können (nicht zur Bestimmung von Geruchshäufigkeiten), können Fahnenbegehungen nach VDI 3940 Blatt 2 (2006) verwendet werden.

216

Gemäß Nr. 4.2 der GIRL werden bei der Ermittlung im Genehmigungsverfahren die Kenngrößen für die vorhandene Belastung (IV), die zu erwartende Zusatzbelastung (IZ) und die Gesamtbelastung (IG), die für jede Beurteilungsfläche in dem für die Beurteilung der Einwirkung maßgeblichen Gebiet (Beurteilungsgebiet) ermittelt werden, unterschieden. Die vorhandene Belastung ist die von vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Die zu erwartende Zusatzbelastung ist nach Nr. 4.5 zu ermitteln. Die Kenngröße für die Gesamtbelastung ist aus den Kenngrößen für die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung nach Nr. 4.6 zu bilden. In die Ermittlung des Geruchsstoffstroms sind die Emissionen der gesamten Anlage einzubeziehen; bei einer wesentlichen Änderung sind die Emissionen der zu ändernden sowie derjenigen Anlagenteile zu berücksichtigen, auf die sich die Änderung auswirken wird.

217

aaa) Nr. 4.4 der GIRL sieht grundsätzlich vor, dass die Ermittlung der vorhandenen Belastung durch Rasterbegehung oder durch Geruchsausbreitungsrechnung zu erfolgen hat. Nach Nr. 4.4.1 der GIRL ist jedoch von einer vorhandenen Belastung IV = 0 auszugehen, wenn das Vorhandensein anderer geruchsemittierender Anlagen auszuschließen ist. Bereits der von der Beigeladenen beauftragte Sachverständige K. hat in seinem Gutachten vom 04.11.2013 (Bl. 756 ff. GA) angenommen, dass keine relevanten Vorbelastungen bestehen (S. 21 des Gutachten, Bl. 777 GA). Davon ist auch der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. D. in seinem Gutachten ausgegangen. Gegenteiliges ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der im Ortsteil A-Stadt noch vorhandene landwirtschaftliche Betrieb betreibt – soweit ersichtlich – dort keine Tierhaltung

218

bbb) Auch die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgenommene Berechnung der von der geänderten Anlage der Beigeladenen ausgehenden (Zusatz-)Belastung lässt keine Mängel erkennen.

219

(1) Zur Ermittlung der Geruchemissionen aus den sechs Ställen der Anlage hat der Gutachter zunächst eine Berechnung nach der VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1 (2011) "Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen, Haltungsverfahren und Emissionen" vorgenommen. Dem entsprechend hat er die nach der Genehmigung zulässigen Tierplatzzahlen gemäß der in Anhang A der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1 angegebenen Faktoren bei einer Mastdauer von 42 Tagen in Großvieheinheiten umgerechnet (vgl. Seite 17, Tabelle 3.1). Zur Bestimmung der tierartspezifischen Geruchsemissionen im Jahr hat er den in Nr. 6.1 der VDI-Richtlinie 3894, Blatt 1, Tabelle 22, dargestellten Geruchsemissionsfaktor (GE/GV*s) von 60 (Konventionswert) für die Hähnchenmast herangezogen und unter Berücksichtigung von 280 Betriebstagen im Jahr (42 Tage Mast und 14 Tage Service x 5 Mastzyklen) Gesamtemissionen von 716.174 MGE/Jahr ermittelt. Als nächstes hat er Emissionsberechnungen nach Gärtner/Gessner/Müller/Both – Ermittlung der Geruchsemissionen einer Hähnchenmastanlage, Gefahrstoffe-Reinhaltung der Luft 2009 – (LANUV 2009) sowie nach Oldenburg (1989) vorgenommen, mit denen jeweils eine Zeitreihe der Emissionen pro Zyklus und Stall berechnet werden kann. Anschließend hat er die drei verschiedenen Emissionsansätze bewertet. Dabei hat er die Werte der VDI-Richtlinie 3894 zugrunde gelegt. Diese stellten Mittelwerte für typische Betriebsabläufe dar und seien repräsentativ für eine über das Jahr angenommene Emission unter Berücksichtigung von Standardservicezeiten. Den Ansatz von Oldenburg hat er mit dem Begründung verworfen, dass er nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspreche, weil nur über jeweils einen Mastdurchgang, nur im Winter 1987 und nur bis zum 36. Masttag gemessen worden sei. Die Messdaten des LANUV seien aus einer Messkampagne über nur vier Mastdurchgänge (Zyklen) zwischen Mai und November 2008 an einem Stall ermittelt worden. Die Tierplatzzahl habe deutlich niedriger gelegen als etwa bei der hier zu betrachtenden Anlage der Beigeladenen, so dass nicht unbedingt davon ausgegangen werden könne, dass der dort ermittelte Wert von 180 GE/(GV und s) repräsentativ für alle Hähnchenmastställe (große und kleine, unterschiedliches Einstreu, Mast in anderen Monaten etc.) sei. Die Ergebnisse dieser Untersuchung seien bei der Erstellung der VDI-Richtlinie bekannt gewesen, seien aber nicht als Berechnungsgrundlage festgelegt worden.

220

Die Sachverständige stellt im Folgenden auf die in Abschnitt 6.1 der VDI-Richtlinie angegebene Möglichkeit ab, von den Konventionswerten mit plausibler Begründung abzuweichen, wenn Anlagen wesentlich in Bezug auf Zeiträume der Stallbelegung, Emission, Nutzungsrichtung, Aufstallung, Fütterung, Fest- und Flüssigmist sowie Kotlagerung abweichen. In der Literatur (Gallmann 2013) werde ferner u.a. darauf hingewiesen, dass für Haltungsverfahren mit sehr kurzen Produktionszyklen, wie z.B. in der Geflügelmast, abzuwägen sei, ob eine Zeitreihenbetrachtung angemessener sei. Ebenso könnten Messungen, soweit sie methodischen Mindeststandards genügen und über eine Wiederholbarkeit und Repräsentativität verfügen, herangezogen werden. Dies bedeute, so der Sachverständige weiter, dass die Berücksichtigung von zeitabhängigen Emissionsfaktoren und deren Berücksichtigung in Ausbreitungsrechnungen mit Zeitreihen zulässig sei. Ob der LANUV-Wert für alle Ställe und über längere Zeiträume repräsentativ sei und deshalb bei Zeitreihenberechnungen angewendet werden müsse, könne derzeit aus seiner Sicht fachlich nicht festgestellt werden. Dazu wären weitere Emissionsmessungen an weiteren Ställen und über längere und/oder andere Jahreszeiten notwendig.

221

Bei den Emissionen während der Servicezeiten handele es sich maßgeblich um die Entmistung der Ställe; der Emissionsansatz nach der VDI-Richtlinie beinhalte die Emissionen während üblicher Servicezeiten, so dass eine separate Betrachtung dieser Emissionsbestimmung entfallen könne. Demgegenüber enthalte der Ansatz nach LANUV (2009) nur die Emissionen während der Mast selbst.

222

An dieser sachverständigen Bewertung der Emissionsfaktoren ist nichts zu erinnern. Entsprechend dem Gutachtenauftrag des Verwaltungsgerichts ist der Sachverständige weiter von dem für die Beigeladene ungünstigen Fall ausgegangen, dass keine Geruchsminderung durch die Abluftreinigungsanlage stattfindet.

223

(2) Nach Nr. 4.5 der GIRL ist die Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung entsprechend Nr. 1 mit dem in Anhang 3 der TA Luft beschriebenen Ausbreitungsmodell und der speziellen Anpassung für Geruch (Janicke, L. und Janicke, U. 2004) zu ermitteln. Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL (a.E.) wurden die Vorgaben der TA Luft Anhang 3 und die speziellen Anpassungen an die Geruchsausbreitung im Referenzmodell AUSTAL2000 umgesetzt. Um die für die Geruchbeurteilung erforderlichen Wahrnehmungshäufigkeiten zu berechnen, wurde das Modell AUSTAL2000 um ein entsprechendes Modul AUSTAL2000G ergänzt (vgl. Janicke/Janicke, Berichte zur Umweltphysik, März 2007, http://www.janicke.de/data/bzu/bzu-005-02.pdf). Der Gutachter hat seiner Berechnung der Zusatzbelastung durch das Vorhaben der Beigeladenen diese Vorgaben zugrunde gelegt.

224

(2.1) Der Sachverständige ist bei seiner Ausbreitungsrechnung ferner – anderes als der vom Beigeladenen beauftragte Sachverständige K. – von dem für die Beigeladene ungünstigen Fall ausgegangen, dass gemäß der VDI-Richtlinie 3783 Bl. 13 – Qualitätssicherung in der Immissionsprognose vom Januar 2010 – (VDI 2010) eine (reduzierte) Abluftfahnenüberhöhung nicht zulässig ist, weil wegen der Einhausung der Abluftkamine ein ungestörter Abtransport mit der freien Luftströmung nicht sichergestellt sei.

225

(2.2) Auch die übrigen der Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegten Faktoren lassen keine Fehler erkennen, die zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens führen.

226

(2.2.1) Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Rauhigkeitslänge, die nach dem vom Kläger zugezogenen Sachverständigen (K. H.) (Bl. 995 f. GA) nicht – wie im gerichtlichen Sachverständigengutachten angenommen – mit 0,1 anzusetzen sei, sondern im Mittel von 0,2 zu erwarten sei.

227

Nach Nr. 5 des Anhangs 3 zur TA Luft wird die Bodenrauhigkeit durch eine mittlere Rauhigkeitslänge z0 beschrieben, die nach Tabelle 14 des Anhangs 3 der TA Luft aus den Landnutzungsklassen des CORINE-Katasters zu bestimmen ist. Die Tabelle 14 des Anhangs 3 zur TA Luft enthält folgende mittlere Rauhigkeitslängen in Abhängigkeit von den Landnutzungsklassen des CORINE-Katasters:

228

Z0 in m

 CORINE-Klasse

 0.01 

 Strände, Dünen und Sandflächen (331); Wasserflächen (512)

 0,02 

 Deponien und Abraumhalden (132); Wiesen und Weiden (231); Natürliches Grünland (321); Flächen mit spärlicher Vegetation (333); Salzwiesen (421); In der Gezeitenzone liegende Flächen (423); Gewässerläufe (511); Mündungsgebiete (522)

 0,05 

 Abbauflächen (131); Sport- und Freizeitanlagen (142); Nicht bewässertes Ackerland (211); Gletscher und Dauerschneegebiete (335); Lagunen (521)

 0,10 

 Flughäfen (124); Sümpfe (411); Torfmoore (412); Meere und Ozeane (523)

 0,20 

 Straßen, Eisenbahn (122); Städtische Grünflächen (141); Weinbauflächen (221); Komplexe Parzellenstrukturen (242); Landwirtschaft und natürliche Bodenbedeckung (243); Heiden und Moorheiden (322); Felsflächen ohne Vegetation (332)

 0,50 

 Hafengebiete (123); Obst- und Beerenobstbestände (222); Wald-Strauch-Übergangsstadien (324)

 1,00 

 Nicht durchgängig städtische Prägung (112); Industrie- und Gewerbeflächen (121); Baustellen (133); Nadelwälder (312)

 1,50 

 Laubwälder (311); Mischwälder (313)

 2,00 

 Durchgängig städtische Prägung (111)

229

Nr. 5 des Anhangs 3 zur TA Luft bestimmt weiter, dass die Rauhigkeitslänge für ein kreisförmiges Gebiet um die Quelle festzulegen ist, dessen Radius das 10fache der Bauhöhe der Quelle beträgt. Setzt sich dieses Gebiet aus Flächenstücken mit unterschiedlicher Bodenrauhigkeit zusammen, so ist eine mittlere Rauhigkeitslänge durch arithmetische Mittelung mit Wichtung entsprechend dem jeweiligen Flächenanteil zu bestimmen und anschließend auf den nächstgelegenen Tabellenwert zu runden. Es ist zu prüfen, ob sich die Landnutzung seit Erhebung des Katasters wesentlich geändert hat oder eine für die Immissionsprognose wesentliche Änderung zu erwarten ist. Variiert die Bodenrauhigkeit innerhalb des zu betrachtenden Gebiets sehr stark, ist der Einfluss des verwendeten Wertes der Rauhigkeitslänge auf die berechneten Immissionsbeiträge zu prüfen.

230

Der Sachverständige Dr. D. hat bei seiner Ausbreitungsrechnung angenommen, dass sich im Umkreis von 100 m (10-fache Schornsteinhöhe) die Ställe selbst und sonst nur Ackerflächen, Wiesen und Betonflächen befinden (S. 36 des Gutachtens). Die laut Aufgabenstellung zu berücksichtigende Rauhigkeitslänge betrage 1 m; dies bilde die dortige Nutzungsstruktur gut ab. Da nach der VDI-Richtlinie 2010 Gebäude, die in der Ausbreitungsrechnung explizit oder indirekt über eine vertikal ausgedehnte Ersatzquelle berücksichtigt werden, nicht in die Bestimmung der mittleren Rauhigkeitslänge einbezogen werden dürfen, die Gebäude hier aber in o.g. Radius explizit in den Berechnungen berücksichtigt werden, verbleibe eine "Restrauhigkeit" von 0,1 m, die der Ausbreitungsrechnung zugrunde gelegt werde. Der Kläger meint, wegen der Gebäude, Büsche und Bäume auf dem Anlagenareal sei im Mittel eher eine Rauhigkeitslänge von 0,2 anzunehmen. Damit vermag er die Einschätzung des Sachverständigen jedoch nicht in Frage zu stellen. Die Gebäude auf dem Anlagengelände, die bei der Ausbreitungsrechnung explizit berücksichtigt werden, dürfen nach den schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen gerade nicht bei der mittleren Rauhigkeitslänge berücksichtigt werden. Die Büsche und Bäume finden bei der Bestimmung der mittleren Rauhigkeitslänge durchaus Berücksichtigung, da die mittlere Rauhigkeitslänge für Wiesen 0,02 m, für Ackerland 0,05 m, für Straßen und städtische Grünflächen 0,2 m sowie für Wald-Strauch-Übergangsstadien 0,5 m beträgt, so dass bei einer arithmetischen Mittelung dieser Werte mit Wichtung entsprechend dem jeweiligen Flächenanteil der Wert von 0,1 m vertretbar erscheint.

231

(2.2.2) Soweit gerügt wird, dem Gutachten seien lediglich die prognostizierten Geruchsstundenhäufigkeiten zu entnehmen, eine grafische, leicht nachvollziehbare Darstellung der Ergebnisse fehle, ist ein inhaltlicher Fehler des Gutachtens nicht dargetan.

232

(2.2.3) Der Kläger beanstandet ferner, der an der östlichen Grenze des Anlagengeländes, also bei Ostwind direkt vor den Abluftkaminen vorgesehene Gehölzstreifen mit einer Höhe von 10 m beeinflusse die Strömungsverhältnisse an den Ableitpunkten, die im verwendeten Windfeldmodell MISKAM und im Ausbreitungsmodell AUSTAL2000 nicht vorgesehen seien. Der Effekt dieses porösen Strömungshindernisses auf die Berechnungsergebnisse ließe sich durch Aufrasterung als Gebäude entsprechender Höhe absetzen. Auch damit ist ein Mangel des Gutachtens nicht dargetan. Der von der Beigeladenen beauftragte Sachverständige (Bl. 1120 GA) hat hierzu vorgetragen, dass die Wuchshöhe der Baum-Strauch-Hecke durch Pflegemaßnahmen auf 7 m über Grund begrenzt werde, so dass sie kein Hindernis für die freie Ableitung darstelle und bei der Ausbreitungsrechnung nicht zu berücksichtigen sei.

233

(2.2.4) Auch die Einwände des Klägers gegen die Verwendung der meteorologischen Daten der Wetterstation O. verfangen letztlich nicht.

234

Gemäß Anhang 3 Nr. 8.1 der TA Luft sollen die meteorologischen Daten für den Standort der Anlage charakteristisch sein. Liegen keine Messungen am Standort der Anlage vor, sind Daten einer geeigneten Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD) oder einer anderen entsprechend ausgerüsteten Station zu verwenden. Die Übertragbarkeit dieser Daten auf den Standort der Anlage ist zu prüfen.

235

Nach der vom (DWD) erstellten Qualifizierten Prüfung (QPR) der Übertragbarkeit einer Ausbreitungsklassenzeitreihe AKTERM auf den Standort in A-Stadt vom 18.12.2007 kann die Ausbreitungsklassenzeitreihe der Wetterwarte O. „bei hinreichender Genauigkeit der großräumigen Beschreibung der Windverhältnisse“ auf den Standort in A-Stadt übertragen werden. Als repräsentatives Jahr wurde das Jahr 2004 ausgewählt. Die QPR beruhte im Wesentlichen auf einem Vergleich der zu erwartenden Windrichtungsverteilung, der statistischen Sollwerte für die mittlere jährliche Windgeschwindigkeit (3,4 bis 3,7 m/s) und der zu erwartenden Schwachwindhäufigkeit (zwischen 5 und 10 %) am Standort der Anlage mit den entsprechenden Werten der vier Bezugsstationen Artern, Erfurt-Bindersleben, O. und Weimar. Die Stationen Artern und Erfurt-Bindersleben kämen wegen der von Standort abweichenden Windrichtungsverteilung für eine Übertragung nicht in Frage. Die Windrichtungsverteilung von Weimar mit der Hauptwindrichtung aus West (270°) stimme zwar am besten mit den erwarteten Verhältnissen am Standort überein, jedoch sei die Schwachwindhäufigkeit mit mehr als 20 % unakzeptabel hoch. Vor allem wegen der relativ gut passenden mittleren Windgeschwindigkeit von 3,8 m/s und der Schwachwindhäufigkeit von 9 % werde der Station O. der Vorzug eingeräumt.

236

Diese Einschätzung des DWD begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der mittleren jährlichen Windgeschwindigkeit von 3,4 bis 3,7 m/s sowie einer Schwachwindhäufigkeit von 5 bis 10 % < 1,0 m/s. Zur Bestimmung dieser Sollwerte wurden die Ergebnisse des „Statistischen Windfeldmodells des Deutschen Wetterdienstes (SWM)“ verwendet (vgl. J. Hessel / J. Mamyslo, Verfahrensbeschreibung zur Übertragung von Windmessdaten vom Messort auf einen anderen Standort, Stand: 27.07.2007, Seite 4). Nach den Angaben in der QPR, Seite 9, Tabelle 5, wurden dabei Daten aus den Jahren 1981 bis 2000 herangezogen. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese Berechnung statistisch nicht hinreichend abgesichert war, liegen nicht vor. Unbegründet ist der Einwand des Klägers, die Daten des DWD für die Wetterstation O. beträfen lediglich ein Jahr. Es wurde lediglich aus einer 6-jährigen Reihe (Bezugszeitraum 2000 bis 2005) gemäß Nr. 4.6.4.1 (Anhang 3) der TA Luft ein für Ausbreitungszwecke repräsentatives Jahr ausgewählt (vgl. S. 11 des Gutachtens), und zwar das Jahr, das in der Windrichtungs-verteilung der langjährigen Bezugsperiode am nächsten liegt.

237

Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der QPR ergeben sich auch nicht aus den Messergebnissen der Wetterstation Buttelstedt des agrarmeteorologischen Messnetzes Thüringen hinsichtlich der Jahresmittel der Windgeschwindigkeit im Zeitraum 1983 bis 2010, die in dem Witterungsbericht 2010 der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft von September 2011 (http://www.tll.de/ainfo/pdf/wett0911.pdf) enthalten sind. Zwar hat das an dieser Station gemessene Jahresmittel der Windgeschwindigkeit in der Zeit von 1983 bis 2010 von 4,3 m/s auf 2,3 m/s abgenommen. Auch liegt die Station Buttelstedt nach den Angaben des Klägers nur ca. 16 km südwestlich des Anlagenstandortes. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die vom DWD unter Verwendung des SWM für den Anlagenstandort bestimmten Sollwerte, die auf einer deutlich breiteren Datenbasis basieren, die Windverhältnisse am Anlagenstandort nicht hinreichend genau abbilden, denn der für Buttelstedt ermittelte Trend zur Abnahme der Windgeschwindigkeit bezieht sich nur auf eine einzige Wetterstation und kann auf Besonderheiten dieses Standortes zurück-zuführen sein.

238

Auch aus den geographischen Verhältnissen am Standort, insbesondere aus der Lage T.s in einer Niederung des Königsbachs, kann nicht hergeleitet werden, dass der vom DWD unter Verwendung des SWM ermittelte Sollwert der Schwachwindhäufigkeit von 5 bis 10 % fehlerhaft ist. Der DWD hat dazu in der QPR (S. 10) ausgeführt, dass die orografischen Bedingungen am Standort mit denen an der Station O. nur bedingt vergleichbar seien. Deshalb werde für die Berechnungen zur Immissionsprognose ein vom Standort abweichen-der Zielpunkt als Anemometerstandort empfohlen, der möglichst frei angeströmt werde und im Idealfall den höchsten Punkt im Rechengebiet darstelle. Als Anemometerstandort der Ausbreitungsrechnung komme z.B. ein Aufpunkt rund 1,2 km ostsüdöstlich des Standortes in einer Höhe von ca. 306 m NN in Frage.

239

Die Fehlerhaftigkeit der QPR kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass sie im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung älter als 3 ½ Jahre gewesen ist, denn eine signifikante Änderung der Windverhältnisse am Standort ist in diesem Zeitraum nicht zu erwarten.

240

Das gleiche gilt für die vom Kläger angeführten Ergebnisse der Übertragbarkeitsprüfung des DWD für den 2,5 km südöstlich des Anlagenstandortes gelegenen Standort S., für den die Übertragbarkeit der Wetterdaten Erfurt-Bindersleben ermittelt wurde, sowie für eine in der Nähe befindliche ICE-Strecke, für die der DWD die Übertragbarkeit der Daten der Wetterstation Artern attestiert habe. Es ist nicht ersichtlich, dass die Windverhältnisse an diesen Standorten in jeder Hinsicht mit den Windverhältnissen am hier maßgeblichen Standort in A-Stadt übereinstimmen.

241

Nicht durchschlagend ist auch der Einwand des Klägers, im gerichtlichen Gutachten sei der Anemometerstandort nicht, wie in der QPR des DWD empfohlen, ca. 1,2 km ostsüdöstlich des Standortes, sondern unmittelbar südlich des Stalls 1 gewählt worden. Dazu hat der Sachverständige in seinem Gutachten (S. 36) ausgeführt, dass bei Rechnungen für homogenes Gelände eine freie Wahl des Anemometerstandortes möglich sei, da die meteorologischen Profile in diesem Fall standortunabhängig seien. Erfolge die Ausbreitungs-rechnung dagegen unter Berücksichtigung komplexen Geländes, d.h. mit Bebauung und bzw. oder Geländeunebenheiten (digitales Geländemodell), sei die Anemometerposition sorgfältig auszuwählen. In der vorliegenden Untersuchung sei die Anemometerposition südöstlich des Anlagengeländes gelegt worden. Dort sei das Windfeld bei Anströmung in Richtung der zu untersuchenden Immissionsorte unbeeinflusst von den berücksichtigten Gebäuden. Dies erscheint plausibel, da der DWD in der QPR den Anemometerstandort ca. 1,2 km ostsüdöstlich der Anlage nur als Beispiel benannt, im Übrigen aber einen Standort empfohlen hat, der möglichst frei angeströmt wird.

242

Der Kläger vermag die Verwertbarkeit des Gutachtens für die das Grundstück des Klägers treffenden Geruchsimmissionen auch nicht mit dem Einwand in Frage zu stellen, nach der aufgrund sog. synthetischer Ausbreitungsklassenstatistiken berechneten Stärkewindrose sei mit einem Anteil von etwa 18,7 % östlicher Winde zu rechnen sei, während sich der Anteil der Winde aus diesen Richtungen (Sektoren von 50° bis 130°) nach den Daten des Gutachtens auf nur etwa 15,7 % belaufe. Dem Kläger ist zwar darin beizupflichten, dass nach dieser synthetischen Windstatistik der Anteil der Winde von Nordost bis Südost höher ist als nach der vom DWD zugrunde gelegten Windrichtungsverteilung. Nach der insgesamt 36 Sektoren umfassenden Windrose in Abbildung 2.4 der QPR des DWD beträgt der Anteil der Winde aus Nordost bis Südost (Sektoren 45° bis 135°) ca. 15,5 %, während sie nach der synthetischen Windrose bei ca. 19 % liegt. Für die Geruchsbelastung des Grundstücks des Klägers, das westlich bis südwestlich der Mastanlage liegt, sind jedoch – worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – im Wesentlichen die Sektoren in nordöstlicher und östlicher Richtung (45° bis 105°) maßgebend. Der Anteil der Winde aus diesen Sektoren liegt nach der vom DWD zugrunde gelegten Windrose bei ca. 11,2 %. Nach der auf der synthetischen Ausbreitungsklassenstatistik beruhenden, aus 12 Windrichtungssektoren zu 30° bestehenden Windrose beträgt der Anteil der Winde aus diesen Sektoren ca. 12,6 % und liegt damit nur geringfügig höher als nach der vom DWD vorausgesetzten Windrichtungsverteilung.

243

bb) Ausgehend von den Stunden mit Geruchskonzentrationen größer 0 GE/m³ von 634 Stunden hat der Gutachter eine Jahresstundenhäufigkeit von 634/8784 (Summe Jahresstunden im Schaltjahr 2004), also 7,2 % ermittelt. Nach Nr. 4.6 der GIRL wird die Gesamtbelastung (IG) mit dem Faktor f multipliziert, der bei Mastgeflügel 1,5 beträgt. Dies ergibt eine hähnchenmastspezifische Gesamtbelastung von 10,8 % und damit gerundet 11 % der Jahresstunden. Auch wenn der Anteil der Winde aus Ost und Nordost, wie in der Windrose nach der synthetischen Ausbreitungsklassenstatistik dargestellt, höher liegen sollte als in der QPR des DWD angenommen, so dass sich die Häufigkeit der Geruchsstunden auf dem Grundstück des Klägers entsprechend erhöht, schätzt der Senat ein, dass eine Geruchsstundenhäufigkeit nicht überschritten wird, die nach der GIRL als erhebliche Belästigung zu bewerten ist.

244

Das Wohngrundstück des Klägers liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, der von den in Nr. 3.1 der GIRL aufgezählten Gebietstypen am ehesten einem Wohngebiet entspricht.

245

Für die Bestimmung des maßgeblichen Baugebietstyps ist – wie im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB – maßgeblich, welche Arten der baulichen Nutzung sich in der „näheren Umgebung“ des Grundstücks des Klägers befinden. Auch für die Beurteilung eines Bereichs als eines faktischen Baugebietes im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB ist (grundsätzlich) die nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB maßgebend (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.02.2000 – BVerwG 4 B 1.00 –, BRS 63 Nr. 102, RdNr. 18). Maßstabsbildend im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen ist (BVerwG, Beschl. v. 13.05.2014 – BVerwG 4 B 38.13 –, juris, RdNr. 7).

246

Der Senat geht davon aus, dass die zur Tierhaltungsanlage gehörenden Gebäude nicht (mehr) innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils A-Stadt, sondern bereits im Außenbereich nach § 35 BauGB liegen. Mit der „näheren Umgebung" im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB, die sich prägend auf das Grundstück auswirkt und auf die sich das neue Vorhaben prägend auswirken kann, ist ein Bestandteil (nur) des Innenbereichs gemeint. Das, was innerhalb des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils" an Gebäuden in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist, gibt für das zu betrachtende Grundstück den „Rahmen" ab; was jenseits der Grenze des Innenbereichs im Außenbereich an vorhandenen privilegierten oder nicht privilegierten Gebäuden vorhanden ist, bildet dagegen für die benachbarte Innenbereichsbebauung keinen geeigneten Maßstab (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1982 – BVerwG 4 C 28.81 –, DVBl 1983, 349, RdNr. 16 in juris).

247

Ein "Bebauungszusammenhang" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Mögliche Bestandteile eines Bebauungszusammenhangs sind erstens bebaute Grundstücke, soweit die darauf befindliche Bebauung geeignet ist, den Bebauungszusammenhang selbst herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken. Zweitens können auch unbebaute Grundstücke dem Bebauungszusammenhang angehören, wenn es sich um eine Baulücke im engeren Sinne des Wortes handelt, d.h. um ein zwar unbebautes, aber bebauungsfähiges Grundstück, das trotz der fehlenden Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der umgebenden Bebauung nicht stört; dem Fall eines unbebauten Grundstücks gleichzustellen sind Grundstücke mit baulichen Anlagen, die selbst nicht geeignet sind, den Bebauungszusammenhang herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken. Bestandteil des Bebauungszusammenhangs können drittens auch freie Flächen sein, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind (zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.06.2015 – BVerwG 4 C 5.14 –, BVerwGE 152, 275 [277], RdNr. 11 ff., m.w.N.).

248

Für die Beurteilung der Frage, welche vorhandene Bebauung geeignet ist, den Bebauungszusammenhang selbst herzustellen oder an seiner Entstehung mitzuwirken, gelten folgende Kriterien: Maßgeblich ist die tatsächlich vorhandene Bebauung. Die Gründe für deren Genehmigung sind unerheblich (BVerwG, Urt. v. 30.06.2015, a.a.O., S. 279, RdNr. 14, m.w.N.). "Bebauung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist allerdings nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Zur "Bebauung" im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören deshalb grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne "Nebenanlagen" zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 30.06.2015, a.a.O., S. 279, RdNr. 15, m.w.N.).

249

Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (BVerwG, Urt. v. 30.06.2015, a.a.O., S. 279 f., RdNr. 16). Unbebaute Flächen unterbrechen den Bebauungszusammenhang nicht, wenn sie als Bestandteile einer aufgelockerten Bebauung in Erscheinung treten (BVerwG, Beschl. v. 13.09.2012 – BVerwG 4 C 4.12 –, DVBl 2012, 1375 [1376]). Insoweit kommt es auch auf die städtebauliche Eigenart des Ortsteils an, etwa ob es sich um eine ländlich oder eine städtisch geprägte Umgebung handelt (BVerwG, Urt. v. 14.11.1991 – BVerwG 4 C 1.91 –, NVwZ-RR 1992, 227 [228]). Der Bebauungszusammenhang endet in der Regel, sofern nicht besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, am letzten Baukörper (BVerwG, Urt. v. 16.09.2010 – BVerwG 4 C 7.10 –, NVwZ 2011, 436, RdNr. 12 in juris). Ob Straßen geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, eine trennende Funktion erfüllen oder für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ohne jegliche Aussagekraft sind, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (BVerwG, Beschl. v. 10.03.1994 – BVerwG 4 B 50.94 –, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165, RdNr. 3 in juris, m.w.N.).

250

Gemessen daran sind die Anlagen der ehemaligen Rindermastanlage bereits dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen, weil sie nicht zur maßgeblichen "Bebauung" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören. Sie dienen nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen, sondern sind allein auf die landwirtschaftliche Nutzung ausgerichtet. Wegen des besonderen Nutzungszwecks hat der Gesetzgeber Stallungen und Wirtschaftsgebäude im Außenbereich privilegiert (vgl. ThürOVG, Urt. v. 11.12.1997 – 1 KO 674/95 –, BRS 59 Nr. 213, RdNr. 49 in juris). Zwar können auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen (BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007, a.a.O., RdNr. 4). Sie müssen aber, um einen Bebauungszusammenhang herstellen zu können, den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermitteln. Dies ist bei den hier in Rede stehenden landwirtschaftlichen Gebäuden der Beigeladenen nach den vorliegenden Lichtbildern und Luftbildern nicht der Fall. Zwischen der Bebauung westlich der Straße "Hinterhäuser" und südlich des östlichen Abschnitts der Straße "Am Gutshof" besteht eine deutlich erkennbare Zäsur, die sich nicht nur in der deutlich unterschiedlichen Bebauungsstruktur, sondern auch in der Unterbrechung der Bebauung durch die dazwischen liegenden Grünflächen und Straßen zeigt.

251

Sind die Stallanlagen mithin für die Ermittlung des Gebietscharakters außer Betracht zu lassen und ist nur die übrige das klägerische Grundstück umgebende Bebauung in den Blick zu nehmen, kommt die Eigenart der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks von den in Nr. 3.1 genannten Nutzungsgebieten einem Wohngebiet am nächsten.

252

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Umgebung eines (Bau-)Grundstücks in einem nicht beplanten Baugebiet einem der Baugebiete der §§ 2 ff. BauNVO entspricht, ist von maßgeblicher Bedeutung, inwieweit die maßgebliche Umgebung bauliche Elemente enthält, die nur einem der Baugebietstypen der BauNVO zuzuordnen sind, wobei nicht erforderlich ist, dass für die Zweckbestimmung nicht wesentliche einzelne Anlagen auch vorhanden sein müssen. Insoweit ist in erster Linie auf die nach den Bestimmungen der BauNVO in den verschiedenen Baugebieten allgemein zulässigen Nutzungen abzustellen. Nutzungen die in einem Baugebiet nach der BauNVO nur ausnahmsweise zulässig sind, stehen der Einordnung in ein solches Baugebiet entgegen, wenn sie sich nicht auf Ausnahmefälle beschränken und eine prägende Wirkung auf die Umgebung ausüben. Unzulässig ist es hingegen, eine vorhandene Bebauung in Zielrichtung auf eine scharfe Trennung von Gebietscharakter und zulässiger Bebauung geradezu gewaltsam in ein Baugebiet der in den §§ 2 bis 11 BauNVO bezeichneten Art zu pressen; dies schließt allerdings nicht aus, dass bestimmte Arten von Nutzungen außer Betracht bleiben, weil sie entweder nicht wesentlich sind oder so genannte Fremdkörper darstellen (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 14.11.2006 – 2 L 504/02 –, juris, RdNr. 25, m.w.N.).

253

Nach den Feststellungen, die der frühere Berichterstatter bei seiner Ortsbesichtigung am 08.10.2013 getroffen hat (Bl. 608 ff. GA), befindet sich westlich der Straße "Hinterhäuser" im Ortsteil A-Stadt nahezu ausschließlich Wohnbebauung. Dies deckt sich mit den Angaben des Klägers auf Seite 86 des Schriftsatzes vom 22.12.2011 (Bl. 83 GA). Der im Ort vorhandene Elektrobetrieb ohne Produktion (nur Lagerraum und Büro) ist in einem allgemeinen Wohngebiet entweder als der Versorgung des Gebiets dienender nicht störender Handwerksbetrieb nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein oder als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.

254

Zwar befinden sich im Ortsteil A-Stadt auch Wirtschaftsstellen eines landwirtschaftlichen Betriebs. Zu solchen Wirtschaftsstellen gehören auch Scheunen, Lagerplätze und Unterstellräume (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO § 5 RdNr. 28). Nach den Angaben des Klägers befindet sich am südwestlichen Ende des Ortsteils A-Stadt an der Ortsausfahrt Richtung B. die Traktorenhalle eines Landwirts, und nach den Feststellungen des früheren Berichterstatters des Verwaltungsgerichts befinden sich an der Kreuzung der Straßen "Hinterhäuser" und "Am Gutshof" das Getreidelager und ein Maschinenhaus des in A-Stadt angesiedelten Landwirts. Als Hauptnutzung sind Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe in einem reinen und allgemeinen Wohngebiet nach § 3 Abs. 2 und 3 sowie § 4 Abs. 2 und 3 BauNVO weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Diese Anlagen verleihen dem Ortsteil aber nicht den Charakter eines Dorfgebiets. Ein Dorfgebiet dient gemäß § 5 BauNVO der Unterbringung landwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen, der Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben, wobei auf die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. In diesem Rahmen handelt es sich somit um ein „ländliches Mischgebiet", dessen Charakter grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der zulässigen Nutzungsarten abhängt. Eine – sich jedenfalls in gewissen Grenzen haltende – Zunahme der Wohnbebauung in einem Dorfgebiet führt für sich gesehen noch nicht zu einer – rechtlichen – Änderung des Gebietscharakters im Sinne der BauNVO (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 19.01.1996 – BVerwG 4 B 7.96 –, BRS 58 Nr. 67). Auch setzt die Einordnung als faktisches Dorfgebiet nicht voraus, dass den dort vorhandenen Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe ein zahlenmäßiges oder sonstiges Übergewicht zukommt (VGH BW, Urt. v. 18.01.2011 – 8 S 600/09 –, NVwZ-RR 2011, 393 [395], RdNr. 33 in juris). Im Gegensatz zu den Baugebieten nach den §§ 3 und 4 BauNVO, die allein durch die Wohnnutzung geprägt sind, dient das Dorfgebiet aber auch und vor allem der Unterbringung land- und forstwirtschaftlicher Betriebsstellen. Verschwindet die landwirtschaftliche Nutzung aus einem Dorfgebiet völlig und erscheint eine Wiederaufnahme dieser Nutzung als ausgeschlossen, so wandelt sich der Gebietscharakter; je nach der vorhandenen Nutzung kann ein faktisches Wohn- oder auch ein Mischgebiet entstehen (BVerwG, Beschl. v. 29.05. 2001 – BVerwG 4 B 33.01 –, NVwZ 2001, 1055, RdNr. 5 in juris). Einzelne noch vorhandene Wirtschaftsstellen eines landwirtschaftlichen Betriebs genügen aber nicht, um den gesamten Ortsteil A-Stadt als faktisches Dorfgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO zu prägen.

255

cc) Der Umstand, dass der bauliche Charakter des Ortsteils A-Stadt von den in Nr. 3.1 der GIRL genannten Nutzungsgebieten einem Wohngebiet aufgrund der baulichen Entwicklung am nächsten kommt, führt hier aber nicht dazu, dass für das Grundstück des Klägers hinsichtlich der Zumutbarkeit der Geruchsbelästigungen der für Wohngebiete geltende Wert von 10 % der Jahresstunden maßgeblich wäre.

256

Gemäß den Anwendungshinweisen zu Nr. 3.1 und Nr. 1 GIRL können beim Übergang vom Außenbereich zur geschlossenen Wohnbebauung in Abhängigkeit vom Einzelfall Zwischenwerte bis maximal 0,15 der Jahresstunden herangezogen werden (so auch NdsOVG, Beschl. v. 13.01.2016 – 12 LA 217/14 –, RdL 2016, 109, RdNr. 8 in juris). Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 21.12.2010 – BVerwG 7 B 4.10 –, NVwZ 2011, 433 [435], RdNr. 32 in juris), wonach bei städtebaulichen Konflikten in sog. Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert (der Richtwerte der benachbarten Baugebiete) zu bilden ist, der der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte ist, sondern ein "Zwischenwert" für die Bestimmung der Zumutbarkeit. Vor dem Hintergrund einer bisher fehlenden normativen Wirkung der GIRL ist die Frage der Erheblichkeit dieser Immissionen im gerichtlichen Verfahren auch anhand einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten, wobei die GIRL einen wichtigen Orientierungspunkt darstellen kann. Da der Außenbereich dazu dient, privilegierte Vorhaben wie etwa landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, müssen Eigentümer von Wohnhäusern im Randgebiet zum Außenbereich mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen. Insofern ist ihre Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber einer Wohnnutzung, die sich inmitten einer Ortslage befindet, deutlich herabgesetzt (vgl. OVG RP, Urt. v. 07.10.2009 – 1 A 10972/07 –, BauR 2010, 581 [584], RdNr. 84 in juris; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014, a.a.O., RdNr. 64 in juris).

257

Gemessen daran sind die von der Anlage der Beigeladenen ausgehenden Geruchsbelästigungen auf dem am Randgebiet zum Außenbereich liegenden Grundstück des Klägers hinzunehmen, da sich die relative Häufigkeit der Geruchsstunden nach den Ergebnissen des gerichtlichen Sachverständigen, das zu Ungunsten der Beigeladenen davon ausgeht, dass eine Minderung der Geruchsstoffe durch die Abluftreinigungsanlage nicht stattfindet und keine Abluftfahnenüberhöhung – auch in verminderter Form – angesetzt werden darf, im Bereich zwischen 11 und 15 % der Jahresstunden bewegt.

258

dd) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass für das Grundstück des Klägers – in deutlicher Abweichung vom Sachverständigengutachten – mit einer höheren Geruchsstundenhäufigkeit zu rechnen ist, ergeben sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Protokollen über Geruchswahrnehmungen einiger Bewohner an verschiedenen Standorten in A-Stadt in den Jahren 2013 bis 2015 (Bl. 611 ff. 1017 ff. und 1558 ff. GA). Nach dem Vortrag des Klägers soll sich danach eine Geruchsstundenhäufigkeit für das Jahr 2013 von 17,7 %, für das Jahr 2014 von 21,1 % und für das Jahr 2015 von 18,8 % ergeben. Die in den Protokollen getroffenen Feststellungen sind jedoch – insbesondere hinsichtlich der Zeitdauer der Wahrnehmungen – zu einem erheblichen Teil viel zu ungenau, um Geruchsstundenhäufigkeiten für das Grundstück des Klägers auch nur annähernd bestimmen zu können. Darin sind vielfach nur Zeitpunkte genannt, zu denen oder "ab" denen an unterschiedlichen Standorten, u.a. auch auf dem Grundstück des Klägers, Gerüche unterschiedlicher Intensität festgestellt worden seien. Auch die Angabe, dass "ganztägig" Gerüche wahrgenommen worden seien, erscheint zu ungenau bzw. nicht plausibel. Es ist kaum anzunehmen, dass die betreffenden Personen über den gesamten Tag und die gesamte Nacht, also 24 Stunden, ununterbrochen Gerüche erfasst haben.

259

ee) Dadurch dass nach dem Sachverständigengutachten der in Nebenbestimmung Nr. 5.1.1 vorgegebene Immissionswert von 6 % der Jahresstunden voraussichtlich nicht eingehalten werden kann, werden Rechte des Klägers bzw. seinem Schutz dienende Rechtsvorschriften nicht verletzt.

260

2.2.1.1.2. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für das Grundstück des Klägers ergeben sich auch nicht durch Ammoniak- und Stickstoffimmissionen.

261

Soweit nach den Bestimmungen der TA Luft Grenzwerte für Ammoniak- und Stickstoffeinträge einzuhalten sind, dienen diese nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Die TA Luft enthält in Nr. 4 Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. In Nr. 4.2.1 der TA Luft sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Nach Nr. 4.4.2 Abs. 3 der TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Nr. 4.8 der TA Luft enthält Vorgaben bezüglich luftverunreinigender Stoffe, für die Immissionswerte in den Nummern 4.2 bis 4.5 nicht festgelegt sind. Nach Nr. 4.8 Abs. 5 Satz 1 der TA Luft ist bei der Prüfung, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist, Anhang 1 Abbildung 4 heranzuziehen. Liegen ferner Anhaltspunkte dafür vor, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme (z.B. Heide, Moor, Wald) durch Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist, soll dies ergänzend geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 6 Satz 1 der TA Luft). Ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Nachteile durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme auf Grund der Einwirkung von Ammoniak, soll der Einzelfall geprüft werden (Nr. 4.8 Abs. 7 Satz 1 der TA Luft). Dem entsprechend ist zu fragen, an welchen Stellen für gärtnerische, landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Betriebe unzumutbare Vermögenseinbußen durch Pflanzenschäden auftreten könnten und wo das Gemeinwohl beeinträchtigt werden könnte; fehlt es an derartigen Schutzgütern, sind weitere Prüfungen nicht erforderlich. Damit kann sich ein Nachbar – jedenfalls im Grundsatz – nicht auf die Verletzung einer drittschützenden Regelung durch Ammoniak- oder Stickstoffimmissionen berufen. Etwas anderes mag für solche Nachbarn gelten, die Eigentümer von in der Nähe der emittierenden Anlage liegenden Flächen mit empfindlichen Pflanzen oder Ökosystem (etwa Waldflächen) sind (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 130, m.w.N.). Dafür ist hier aber beim Grundstück des Klägers nichts ersichtlich.

262

2.2.1.1.3. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulasten des Klägers ergeben sich ferner nicht aus von der Anlage der Beigeladenen ausgehende Staubemissionen.

263

Nach Nr. 4.3.1 der TA Luft ist der Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen durch Staubniederschlag sichergestellt, wenn die nach Nr. 4.7 ermittelte Gesamtbelastung den in Tabelle 2 bezeichneten Immissionswert an keinem Beurteilungspunkt überschreitet. Der Immissionswert für Staubniederschlag (nicht gefährdender Staub) beträgt hiernach 0,35 g/(m² x d). Für Schwebstaub (PM10) beträgt der Grenzwert nach der Tabelle 1 unter Nr. 4.2.1 der TA Luft 40 µg/m³ im Jahr, 50 µg/m³ in 24 Stunden mit einer zulässigen Überschreitung von 35 µg/m³.

264

Nach der Ausbreitungsrechnung des von der Beigeladeben im Genehmigungsverfahren beauftragten Sachverständigen (K.) vom 11.04.2011 (S. 20, 22) liegt am Grundstück des Klägers (A-Straße) die Staubkonzentration bei 1 µg/m³ und die Staubdeposition bei 0,00040 g/m² x d und damit weit unter dem in Nr. 4.2.1 und 4.3.1 der TA Luft genannten Werten. Auch wenn die Immissionsprognose einen nicht unerheblichen Fehler enthält, weil die zugrunde liegende Ausreitungsrechnung von einer unzutreffenden Quellhöhe (hq = 20 m) ausgeht, kann aufgrund der erheblichen Unterschreitung der Grenzwerte der TA Luft davon ausgegangen werden, dass das Grundstück des Klägers keinen schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Staub ausgesetzt wird.

265

2.2.1.1.4. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass durch andere luftgetragene Schadstoffe wie Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) oder Endotoxine solche schädlichen Umwelteinwirkungen zu befürchten sind.

266

Schädliche Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Hiernach muss nicht jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 – BVerwG 1 C 102.76 –, BVerwGE 55, 250 [254]). Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr greift nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Sie dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. Eine Gefahr liegt nach der klassischen Begriffsdefinition dort vor, wo „aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden“. Daran fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein, sofern diese nach Art und Umfang verhältnismäßig sind. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen erfasst mithin mögliche Schäden, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, weshalb noch keine Gefahr, sondern nur ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential besteht. Gibt es hinreichende Gründe für die Annahme, dass Immissionen möglicherweise zu schädlichen Umwelteinwirkungen führen, ist es Aufgabe der Vorsorge, solche Risiken unterhalb der Gefahrengrenze zu minimieren. Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang zwischen Umwelteinwirkungen und Schäden eine Gefahr oder ein Besorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab. Die Grenze zwischen drittschützender Schutzpflicht und gefahrenunabhängiger Risikovorsorge bei Ungewissheit über die Schädlichkeit von Umweltauswirkungen für die menschliche Gesundheit ist bisher nicht für alle Schadstoffe in einem Verfahren nach § 48 BImSchG festgelegt worden. Bei potentiell gesundheitsgefährdenden Stoffen, für die nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen keine Wirkungsschwelle bestimmt werden kann, jenseits derer Gesundheitsrisiken nicht bestehen, ist der erforderlichen Schutz der menschlichen Gesundheit durch die Verpflichtung des Anlagenbetreibers sicherzustellen, Emissionen solcher Stoffe unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit so weit wie möglich zu begrenzen (BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 – BVerwG 7 C 19.02 –, BVerwGE 119, 329 [332 f.], RdNr. 13).

267

Nach diesen Grundsätzen ist die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch von der Anlage ausgehende Bioaerosole nicht berührt, denn nach gegenwärtigem Erkenntnisstand liegen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Kläger Gefahren in Form von Bioaerosolen zu erwarten hat, nicht vor. Bioaerosole sind nach der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (August 2014) alle im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. diese beinhalten oder bilden; kurz: luftgetragene Partikel biologischer Herkunft. Immissions- oder Emissionswerte, auf deren Einhaltung der Kläger einen Anspruch haben könnte, sieht die TA Luft im Hinblick auf Bioaerosole nicht vor. Darüber hinaus fehlt es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Zwar mögen von Tierhaltungsbetrieben ausgehende luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Mikroorganismen, z. B. Pilzsporen, und Endotoxine, grundsätzlich geeignet sein, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken. Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind aber nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist (vgl. Urt. d. Senats v. 24.03.2015, a.a.O., RdNr. 137 in juris, m.w.N.). Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, lässt der aktuelle Kenntnisstand von Umwelthygiene und Umweltmedizin keine hinreichend sicheren Aussagen über die Gefährlichkeit solcher Immissionen für Menschen zu (vgl. dazu auch: BVerwG, Beschl. v. 20.11.2014 – BVerwG 7 B 27.14 –, NVwZ-RR 2015, 94 [96], RdNr. 16 in juris, m.w.N.). Das Besorgnispotential von Bioaerosolen ist nach wie vor grundsätzlich nur über das (nicht drittschützende) Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu berücksichtigen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 B 1341/15 –, DVBl 2016, 714 [717], RdNr. 95 ff. in juris, m.w.N.; VGH BW, Urt. v. 12.03.2015 – 10 S 1169/13 –, juris, RdNr. 64, m.w.N.; HessVGH, Urt. v. 01.04.2014 – 9 A 2030/12 –, ESVGH 64, 191, RdNr. 82 in juris, m.w.N.). Medizinisch begründete Immissionsgrenzwerte für Bioaerosole existieren nicht. Auch in der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 wird darauf hingewiesen, dass es bis heute weder international noch auf nationaler Ebene gelungen sei, Dosis-Wirkungs-Beziehungen für gesundheitsrelevante Bioaerosole zu erstellen oder allgemeingültige auf die Wirkung am Menschen bezogene Schwellenwerte bzw. Grenzwerte abzuleiten. Die sich verändernde Zusammensetzung der luftgetragenen Bioaerosole und die sich erst in jüngster Zeit durchsetzende Standardisierung der messtechnischen Erfassung erschweren die Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkungen zudem.

268

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 bei einem Abstand zwischen Wohnhaus/Aufenthaltsort und Anlage von weniger als 500 m zu einer Geflügelhaltungsanlage Hinweise für eine Prüfung auf Bioaerosolbelastungen gegeben sind und es als „umweltmedizinisch unerwünscht“ anzusehen ist, wenn die Immissionskonzentration – in Gesamt-KBE/m³ – die lokal gemessene Hintergrundkonzentration bzw. den Aufmerksamkeitswert überschreitet. Wegen der fehlenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über Wirkungszusammenhänge kann auch unter diesen Voraussetzungen nicht davon ausgegangen werden, dass mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist, so dass die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht berührt ist. Die genannten Umstände können allenfalls Anlass für Vorsorgemaßnahmen auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sein.

269

Zwar hat der Senat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 13.06.2013 (2 M 16/13 – juris, RdNr. 17) ausgeführt, dass nach der bisher vorliegenden Rechtsprechung Ausnahmefälle denkbar seien, in denen eine Verletzung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole bzw. luftgetragene Krankheitserreger in Betracht komme, etwa bei einem besonders hohen Infektionsrisiko. Dies möge in Betracht kommen, wenn das Vorhaben in unmittelbarer Nähe zu anderen von Menschen bewohnten Anlagen oder auch anderen Tierhaltungsanlagen errichtet werden solle, die betroffenen Anlagen in der Hauptwindrichtung liegen und zudem ungünstige Ableitbedingungen der Stallluft gegeben seien. Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor. Auch bei dem hier maßgeblichen Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der Anlage von ca. 150 bis 310 m ist die Bestimmung einer Schädlichkeitsgrenze nicht möglich (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 22 ZB 12.149, 22 ZB 122 ZB 12.151 –, juris, RdNr. 19).

270

Die Rechtsauffassung, dass ein Kläger auch in umweltrechtlichen Verfahren nur die Verletzung drittschützender Vorschriften rügen kann und deshalb kein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Einhaltung der sich aus der Vorsorgepflicht ergebenden Anforderungen besteht, ist auch mit europäischem Recht, insbesondere mit Art. 10a UVP-RL 2003 (jetzt: Art. 11 UVP-RL) vereinbar. In seinem Urteil vom 15.10.2015 (C-137/14, NJW 2015, 3495, RdNr. 32 ff.) hat der EuGH entschieden, dass § 113 Abs. 1 VwGO nicht als mit Art. 11 der UVP-Richtlinie (Richtlinie 2011/92) und mit der Richtlinie 2010/75 unvereinbar anzusehen sei.

271

2.2.1.2. Schließlich sind schädliche Umwelteinwirkungen auch nicht im Hinblick auf die der Anlage zuzurechnenden Geräuschimmissionen zu erwarten.

272

Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (BVerwG, Urt. v. 29.08.2007 – BVerwG 4 C 2.07 –, BVerwGE 129, 209 [211], RdNr. 12).

273

Nach Nr. 3.2.1. der TA Lärm (Prüfung der Einhaltung der Schutzpflicht im Regelfall) ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 nicht überschreitet. Die TA Lärm enthält in Nr. 6.1 Immissionsrichtwerte für einzelne Baugebietstypen. Für allgemeine Wohngebiete liegt gemäß Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm der Immissionsrichtwert am Tag bei 55 dB (A) und nachts bei 40 dB (A). Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Nach Nr. 6.6 Satz 1 der TA Lärm ergibt sich die Art der in der Nr. 6.1 bezeichneten Gebiete und Einrichtungen aus den Festlegungen in den Bebauungsplänen. Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Nr. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Dem entsprechend werden Gebiete im Innenbereich, für die kein Bebauungsplan vorliegt, nach § 34 BauGB beurteilt; dabei wird die Eigenart der näheren Umgebung betrachtet und eingeschätzt, welche Baugebietstypen am ehesten der vorhandenen Bebauung und Nutzung entsprechen (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus BImSchG, Band 4, B 3.6 TA Lärm RdNr. 55). Maßstab der Schutzbedürftigkeit gegenüber Lärm im unbeplanten Innenbereich ist die vorhandene Bebauung (§ 34 BauGB), was die Beachtlichkeit von Darstellungen des Flächennutzungsplans ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 23.10.2000 – BVerwG 7 B 71.00 –, DVBl 2001, 642 [643], RdNr. 10 in juris). Im Fall einer sog. Gemengelage oder „diffusen Bebauung" kommt es bei der Heranziehung der Immissionsrichtwerte in Nr. 6.1 der TA Lärm darauf an, welchem Baugebietstyp die vorhandene Bebauung am ehesten entspricht (vgl. Feldhaus/Tegeder, a.a.O.).

274

Wie oben bereits dargelegt, entspricht die Eigenart der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks am ehesten einem Wohngebiet, und zwar einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO. Die im Ort vorhandene Elektrofirma (F. Elektrotechnik) ohne Produktion (nur Lagerraum und Büro) ist in einem allgemeinen Wohngebiet entweder als der Versorgung des Gebiets dienender nicht störender Handwerksbetrieb nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein oder als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig. In einem reinen Wohngebiet wäre er als der Versorgung des Gebiets dienender nicht störender Handwerksbetrieb gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig.

275

Dies hat zur Folge, dass die in Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerte von 55 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts heranzuziehen sind. Die von der Anlage der Beigeladenen ausgehende und auf das Grundstück des Klägers einwirkende Lärmbelastung erreicht nach der von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Untersuchung des Büros für Bauakustik (S.) vom 22.06.2010 in der überarbeiteten Fassung vom 19.07.2012 (Beiakte E Anlage 1) am Immissionsort IO 3 (Wohngebäude des Klägers, 1. OG, Ostseite) Beurteilungspegel von 44,3 dB (A) tags und 38,9 dB (A) nachts. Sie unterschreitet damit die hier maßgeblichen Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 Buchstabe d) der TA Lärm um 10,7 dB (A) tags und 1,1 dB (A) nachts. Der Spitzenpegel erreicht nach dem Gutachten Werte von 69,1 dB am Tag (A) und 53,3 dB (A) in der Nacht und bleibt damit unterhalb der in Nr. 6.1 der TA Lärm vorgeschriebenen Werte von 85 dB (A) tags und 60 dB (A) nachts.

276

Auch soweit man einen Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit gemäß Nr. 6.5 der TA Lärm ansetzt, wird der maßgebliche Immissionsrichtwert für den Tag nicht überschritten. Dabei wird dem Mittelungspegel für die empfindlichen Tageszeiten ein Zuschlag von 6 dB (A) hinzugerechnet; dadurch erhöht sich der Pegel für den gesamten Tag an Werktagen um 1,9 dB und an Sonn- und Feiertagen um 3,6 dB (vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 32, m.w.N.).

277

Mängel des Lärmgutachtens sind nicht ersichtlich. Insbesondere musste der Gutachter eine Vorbelastung durch andere gewerbliche Anlagen nicht berücksichtigen. Nr. 2.4 der TA Lärm bezeichnet die Vorbelastung als die Belastung eines Ortes mit Geräuschimmissionen von allen Anlagen, für die diese Technische Anleitung gilt, ohne den Immissionsbeitrag der zu beurteilenden Anlage. Im Umfeld des geplanten Standortes der Hähnchenmastanlage befinden sich keine weiteren Anlagen, für die die TA Lärm gilt. Sie gilt nach deren Nr. 1 für Anlagen, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen den Anforderungen des Zweiten Teils des BImSchG unterliegen. Nach Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe c) findet sie insbesondere auch keine Anwendung auf nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen, so dass der im Ortsteil A-Stadt befindliche kleinere Landwirtschaftsbetrieb nicht zu berücksichtigen war. Durch die vom Kläger angesprochene Lagerung der Traktoren und Landmaschinen der K. Agrar KG in einer Fahrzeughalle sowie den Betrieb des Technikplatzes sind keine relevanten zusätzlichen Lärmimmissionen zu erwarten.

278

Der der Anlage nicht zurechenbare Verkehrslärm auf den öffentlichen Straßen war nicht zu berücksichtigen, da er gemäß Nr. 2.4 der TA Lärm nicht als Vorbelastung gilt. Nur wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die nach Nr. 2.4 der TA Lärm ausgeklammerten Geräusche wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben, ob eine Anlage im Zusammenwirken mit diesen Geräuschen zum Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen relevant beiträgt, kommt in entsprechender Anwendung von Nr. 3.2.2 der TA Lärm eine Sonderfallprüfung im Genehmigungsverfahren in Betracht (vgl. dazu: Feldhaus, BImSchG, Bd. 3, B 3.6 Nr. 2 RdNr. 40; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 3.1 TA Lärm RdNr. 28, m.w.N.). Solche Anhaltspunkte bestehen hier nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass in A-Stadt, insbesondere an der Straße Hinterhäuser Verkehrsgeräusche entstehen, die wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung haben können.

279

Auch die Berücksichtigung von Geräuschen des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Straßen nach Nr. 7.4 der TA Lärm ist entbehrlich. Nach dieser Bestimmung sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nummer 6.1 Buchstaben c) bis f) durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. In der schalltechnischen Untersuchung ist der Gutachter zu Recht davon ausgegangen, dass im Bereich von 500 m vom Betriebsgrundstück der Beige-ladenen die Wohnbebauung in A-Stadt vom An- und Abfahrtsverkehr der Anlage nicht berührt wird, weil die Zufahrt zur Anlage aus östlicher Richtung von der Verbindungsstraße K. – Kühler Brunnen aus erfolgt und eine Durchfahrung der Ortslage A-Stadt nicht vorgesehen ist. Mit der Nebenbestimmung Nr. 5.3.3 hat der Beklagte der Beigeladenen auferlegt, dass antragsgemäß an der Ostseite des Anlagengeländes eine neue Ein- und Ausfahrt zu errichten und bis auf Havarie- und Notfälle ausschließlich diese Verkehrsanbindung zu nutzen ist.

280

2.2.2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind bei der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung u.a. auch die bauplanungsrechtlichen Bestimmungen zu beachten.

281

Ein Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind, liegt nicht vor. Dabei ist aus den oben bereits dargelegten Gründen davon auszugehen, dass sich der Standort der Anlage der Beigeladenen im Außenbereich befindet.

282

2.2.2.1. Dem entsprechend kann sich der Kläger nicht auf den sog. Gebietserhaltungsanspruch berufen, der den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet oder in einem „faktischen“ Baugebiet liegen, das Recht gibt, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben in diesem Gebiet zur Wehr zu setzen. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses; im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses kann das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindert werden (BVerwG, Beschl. v. 22.12.2011 – BVerwG 4 B 32.11 –, BRS 78 Nr. 171).

283

2.2.2.2. Der Kläger kann auch nicht damit durchdringen, dass die Anlage der Beigeladenen im Außenbereich weder nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB noch nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert sei, dem Vorhaben öffentliche Belange entgegenstehen oder das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtige.

284

Der Vorschrift des § 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu (BVerwG, Beschl. v. 03.04.1995 – BVerwG 4 B 47.95 –, BRS 57 Nr. 224, m.w.N.). Ein Nachbarschutz kommt im Anwendungsbereich des § 35 BauGB nur über das dem § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme in Betracht. Dies würde hier voraussetzen, dass der Kläger durch das Vorhaben der Beigeladenen unzumutbaren Beeinträchtigungen ausgesetzt ist. Gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird. Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht stehen in einer Wechselwirkung zueinander; einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 – BVerwG 4 B 87.99 –, NVwZ 2000, 679, RdNr. 7 in juris). Solche schädlichen Umwelteinwirkungen liegen aus den bereits dargelegten Gründen nicht vor.

285

Der Senat hält es – anders als das Verwaltungsgericht – auch nicht für möglich, bei Unterschreitung der unter Vorsorgegesichtspunkten gebotenen Mindestabstände der TA Luft nach dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 1 BauNVO eine "typisierende Betrachtung" vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. § 15 Abs. 1 BauNVO ist eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots; die Vorschrift ergänzt die §§ 2 bis 14 BauNVO; das gilt nicht nur für durch einen Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete, sondern auch für unbeplante Gebiete, deren Eigenart gemäß § 34 Abs. 2 BauGB einem Plangebiet der BauNVO entspricht (BVerwG, Beschl. v. 16.12.2008 – BVerwG 4 B 68.08 –, BRS 73 Nr. 82, RdNr. 4 in juris, m.w.N). Sie kann hingegen den Außenbereich nicht erfassen; dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BauNVO ("Baugebiete"), sondern auch aus der eingeschränkten Ermächtigung des § 9a BauGB, die für Regelungen des Außenbereichs keine Grundlage gibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.12.1967 – BVerwG IV C 94.66 –, BVerwGE 28, 268 [277], RdNr. 31 in juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., § 15 RdNr. 5; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, § 15 RdNr. 8 a.E.).

286

2.2.2.3. Der Kläger kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dem Vorhaben der Beigeladenen der öffentliche Belang des Planungserfordernisses entgegenstehe.

287

Zwar unterwirft § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB Anlagen der Massentierhaltung nunmehr im Ergebnis einem Planerfordernis. Die Neuregelung nimmt gewerbliche Anlagen zur Tierhaltung, die – wie hier – einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG unterliegen, von der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aus. Solche Anlagen sollen nur nach Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans errichtet werden können (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 17/11468 S. 15). Allerdings ist diese Neuregelung erst am 20.09.2013 und damit nach Erteilung der streitigen Genehmigung in Kraft getreten. Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Genehmigungsbescheides geltenden Rechtslage war die Anlage jedoch noch gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB a.F. oder, sofern es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt haben sollte, nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Planungserfordernis einem im Außenbereich privilegiert zulässigen Einzelvorhaben aber grundsätzlich nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden, weil privilegierte Vorhaben dem Außenbereich vom Gesetzgeber planartig zugewiesen sind (BVerwG, Beschl. v. 27.06.1983 – BVerwG 4 B 206.82 –, NVwZ 1984, 169 [170], RdNr. 6 in juris; Beschl. v. 11.08.2002 – BVerwG 4 B 55.04 –, BRS 67 Nr. 99).

288

Aber selbst wenn objektiv-rechtlich ein Planungserfordernis bestünde, könnte der Kläger hieraus keine eigenen Rechte herleiten. Auch wenn zu den nicht benannten öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB auch das Erfordernis einer förmlichen Planung gehört, bedeutet dies nicht, dass ein Dritter aus dem Planerfordernis einen Abwehranspruch gegen ein Bauvorhaben ableiten kann. Das Planerfordernis steht in engem Zusammenhang mit § 1 Abs. 3, Abs. 6 BauGB. Danach entscheidet die Gemeinde auf der Grundlage des § 1 Abs.3 BauGB, ob sie eine Bauleitplanung durchführt; § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB schließt jeglichen Rechtsanspruch auf Bauleitplanung aus. Daher bietet das Recht des Nachbarn, sich gegen ein Vorhaben im Außenbereich zur Wehr zu setzen, grundsätzlich keine Handhabe, auf die Aufstellung eines Bebauungsplans hinzuwirken; umgekehrt kann einem Außenbereichsvorhaben ein eventuell bestehendes objektiv-rechtliches Planungsgebot grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (vgl. zum Ganzen: VGH BW, Beschl. v. 07.08.2014 – 10 S 1853/13 –, BRS 82 Nr. 190, RdNr. 12 f., m.w.N.).

289

II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

290

Hinsichtlich des im erstinstanzlichen Verfahren für erledigt erklärten Teils entspricht es der Billigkeit im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, die Verfahrenskosten den Beteiligten nach den aus dem Tenor ersichtlichen Anteilen aufzuerlegen. Denn der Ausgang des Verfahrens in Bezug auf die Genehmigungsfähigkeit der Anlage bei Durchführung zweier weiterer Mastzyklen, auf die die Beigeladene im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens verzichtet hat, ist als offen zu bewerten.

291

Der Senat sieht hingegen keinen Anlass, die Kosten für das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten dem Beklagten und/oder der Beigeladenen gemäß § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Diese Kosten sind nicht durch das Verschulden des Beklagten oder der Beigeladenen entstanden. Ein solches Verschulden lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf stützen, dass die von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegte Immissionsprognose vom 11.04.2011 offensichtlich fehlerhaft gewesen sei, weil sie mit einer Quellhöhe von 20 m gerechnet habe.

292

Der Begriff des Verschuldens im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO ist derselbe wie in § 60 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., § 155 RdNr. 19). Danach liegt ein Verschulden vor, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalles zuzumuten war (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 RdNr. 9, m.w.N.). Das Verschulden kann sich sowohl auf prozessuales als auch auf vorprozessuales Verhalten beziehen. Dem entsprechend mögen die Kosten für ein gerichtliches Sachverständigengutachten im Einzelfall der Behörde auferlegt werden können, wenn dieses Gutachten wesentlich der nicht hinreichenden Sachverhaltsermittlung im Verwaltungsverfahren geschuldet war (so BayVGH, Beschl. v. 10.04.2013 – 15 N 11.2513 –, juris RdNr. 3).

293

Eine solche Fallkonstellation, die es rechtfertigen würde, dem Beklagten oder der Beigeladenen die Kosten für das gerichtliche Sachverständigengutachten aufzuerlegen, liegt hier aber nicht vor. Die Beigeladene hatte als Genehmigungsantragstellerin zwar gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV die Obliegenheit, dem schriftlichen Genehmigungsantrag die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen "sonstigen Unterlagen" beizufügen. Zu diesen Unterlagen gehören regelmäßig auch entsprechende Analysen und Prognosen, ggf. in Form von Gutachten (vgl. Urt. d. Senats v. 20.04.2016 – 2 L 64/14 –, juris RdNr. 78, m.w.N.). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV hat die Genehmigungsbehörde nach Eingang des Antrags und der Unterlagen unverzüglich, in der Regel innerhalb eines Monats, zu prüfen, ob der Antrag den Anforderungen des § 3 und die Unterlagen den Anforderungen der §§ 4 bis 4e entsprechen. Die Beigeladene kam – was die hier in Rede stehende Belästigung durch Gerüche anbetrifft – ihrer Vorlagepflicht nach, indem sie den Antragsunterlagen die Immissionsprognose vom 11.04.2011 beifügte, die u.a. die das Grundstück des Klägers treffenden Geruchsimmissionen zu Gegenstand hatte. In der Prognose selbst ist auf Seite 15 auch davon die Rede, dass die Abluft 10 m über Grund und 3 m über First abgeleitet werde. Die dieser Prognose zugrunde liegende Ausbreitungsrechnung (Anlage 1 zur Prognose) weist allerdings einen Fehler auf, weil darin als Quellhöhe jeweils der Wert 20 eingegeben wurde, obwohl die Abluftkamine lediglich eine Höhe von 10 m aufweisen. Es kann dahinstehen, ob der Beigeladenen oder dem Beklagten mangelnde Sorgfalt im Sinne eines Verschuldens vorgehalten werden kann, weil sie den (Eingabe-)Fehler in der Ausbreitungsrechnung nicht erkannten und vor Abschluss des Genehmigungsverfahrens keine neue Immissionsprognose in Auftrag gegeben bzw. angefordert wurde. Auch wenn hiervon auszugehen sein sollte, war dieses (mögliche) Versäumnis letztlich nicht der Grund dafür, dass das Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben hat. Die Beigeladene hat im erstinstanzlichen Verfahren vor Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine neue Immissionsprognose des Sachverständigen K. vom 04.11.2013 vorgelegt, in der die Geruchsimmissionen auf der Grundlage einer Ausbreitungsrechnung mit einer zutreffenden Quellhöhe (hq) von 10 m berechnet wurden. Dass das Verwaltungsgericht (auch) dieses Gutachten insbesondere wegen der Annahme einer Geruchsstoffabscheidung durch die Abluftreinigungsanlage von 40 % und einer reduzierten Abluftfahnenüberhöhung nicht für ausreichend gehalten hat, um die auf das Grundstück des Klägers einwirkenden Geruchsimmissionen zutreffend zu erfassen, kann dem Beklagten und dem Beigeladenen nicht vorgehalten werden.

294

Es entspricht ferner der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Umfang ihres Obsiegens für erstattungsfähig zu erklären, weil sie im erstinstanzlichen Verfahren einen Sachantrag gestellt, neben dem Beklagten das Rechtsmittel eingelegt und sich so jeweils dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

295

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 ZPO.

296

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Aufhebung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windkraftanlage vom 28. Februar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids des Landratsamts Haßberge vom 18. Juli 2014.

Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung K. … (Am … … und …, … R. …, OT K. …).

Das Landratsamt H. erteilte der Beigeladenen zu 1) auf ihren Antrag durch Bescheid vom 28. Februar 2014 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zehn Windkraftanlagen des Typs Vestas V 112-3.0 MW, Nabenhöhe 140 m mit einer Nennleistung von jeweils 3.000 Kilowatt, einem Rotorblattdurchmesser von 112 m und einer Gesamtbauwerkshöhe von 196 m. Die Windkraftanlagen, genehmigt als „B. … S. … W. …“, befinden sich auf den Grundstücken Fl.Nrn. ..., ... und ... der Gemarkung S. …, Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung H. …, Fl.Nrn. ..., ... und ... der Gemarkung K. … sowie Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung Hu. … Die Genehmigung erging nach einer allgemeinen Umweltverträglichkeitsvorprüfung (vom 25. August 2013) mit dem Ergebnis, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) erforderlich sei, nach Durchführung der UVP und u.a. einer speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (vom 13. August 2013) im förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG. Die streitgegenständliche Windenergieanlage 4 (WEA 4) befindet sich auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung H. … Sie ist vom klägerischen Grundstück 1.619 Meter entfernt.

Auf Antrag der Beigeladenen zu 1) erteilte das Landratsamt Haßberge mit Bescheid vom 18. Juli 2014 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 16 BImSchG für die Änderung des Anlagentyps auf den Typ Nordex N 117-2.4 MW mit der Änderung der Nabenhöhe auf 141 m, des Rotorblattdurchmessers auf 117 m und der Gesamthöhe auf 199 m. Eine allgemeine Vorprüfung hatte ergeben, dass keine weitere UVP erforderlich ist. Bezüglich einer der unteren Naturschutzbehörde während des Änderungsverfahrens mitgeteilten Uhu-Sichtung führte das Landratsamt Haßberge im Bescheid vom 18. Juli 2014 unter Ziffer 4.3 (Naturschutzrecht) aus, dass sich hierdurch aus naturschutzfachlicher Sicht keine grundsätzlich geänderte Situation gegenüber der genehmigten Planung ergebe. Ein Brutnachweis in der Beeinträchtigungszone liege nach wie vor nicht vor. Dass der Uhu den Bereich der gerodeten Fläche als Nahrungshabitat mit nutze, sei zwar möglich. Dieser Bereich stelle aber sicher nicht den Schwerpunkt seiner Nahrungshabitate dar. Insofern werde aus naturschutzfachlicher Sicht davon ausgegangen, dass weiterhin kein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für den Uhu vorliege. Unabhängig hiervon sei dem Betreiber empfohlen worden, seinen in die Planung eingebundenen Biologen zu verständigen, um gegebenenfalls entstehende Auswirkungen vorab beurteilen zu können.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 25. August 2014 strich das Landratsamt Haßberge auf Antrag der Beigeladenen zu 1) den unter Nr. V. des Änderungsbescheids vom 18. Juli 2014 enthaltenen allgemeinen Auflagenvorbehalt ersatzlos. Die Beigeladenen haben dem Landratsamt Haßberge jeweils mit Schreiben vom 29. August 2014 angezeigt, dass die Beigeladene zu 2) von der Beigeladenen zu 1) die Rechtsstellung als Genehmigungsinhaberin übernommen hat.

2. Am 11. April 2014 erhoben die Kläger Klage mit dem Antrag, den Genehmigungsbescheid des Landratsamts Haßberge vom 28. Februar 2014 aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2014, eingegangen bei Gericht am 25. August 2014, beantragten die Kläger (ursprünglich im Verfahren W 4 K 14.839, welches durch Beschluss vom 15. September 2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit dem Verfahren W 4 K 14.354 verbunden wurde), den Änderungsgenehmigungsbescheid des Landratsamts Haßberge vom 18. Juli 2014 aufzuheben.

Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt: Die eklatanten Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze seien so schwerwiegend, dass die streitgegenständlichen Genehmigungen rechtswidrig seien und die Kläger einen Anspruch auf deren Aufhebung hätten. Der Grundsatz des fairen Verfahrens sei gravierend verletzt. Das Landratsamt H. sowie verschiedene Mitarbeiter hätten aktiv zusammen mit der Beigeladenen zu 1) gewirkt und den Boden der Neutralität zugunsten der Beigeladenen zu 1) und des Landkreises H. verlassen. Das Landratsamt H. sei institutionell befangen, worin eine eklatante Verletzung des Grundsatzes eines fairen und objektiven Verfahrens zu sehen sei. Die Beigeladene als Antragstellerin im Genehmigungsverfahren sei zwar eine GmbH. Gesellschafter dieser GmbH sei aber unter anderem der Landkreis H. Das Landratsamt sei gleichzeitig Kreisbehörde, aber auch als Gesellschafterin Antragstellerin im Genehmigungsverfahren und damit Partei. Besonders deutlich werde dies in der Person des Landrats, der zum einen oberstes Organ der Kreisbehörde und gleichzeitig der Kreisverwaltungsbehörde in einer Person sei. Aus dieser Gesamtkonstellation ergäben sich Befangenheitsmomente, die die Zuständigkeit des Landratsamts im Genehmigungsverfahren nicht zuließen. Die mit dem Vorgang befassten Beamten hätten nicht unabhängig entschieden, sondern seien dem Druck des Behördenleiters und dem Interessendruck der Beigeladenen ausgesetzt gewesen. Hinzu komme, dass der Landrat gleichzeitig noch Vorsitzender des regionalen Planungsausschusses sei, der über die Fortschreibung des Regionalplans zu entscheiden habe. Darüber hinaus leide das Verfahren an wesentlichen Fehlern. Die Einwendungen privater Einwendungsführer seien nicht beachtet worden. Zudem seien im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren die Antragsunterlagen nur unvollständig ausgelegt worden. Die Vorlage und Auslegung eines Schall-, Schattenwurf- und Bodengutachtens seien aber zwingend erforderlich. Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung sei gravierend fehlerbehaftet. Belange des Naturschutzes stünden dem Vorhaben entgegen. Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung sei in wesentlichen Teilen unvollständig. Eine belastbare Aussage zu §§ 44 ff. BNatSchG könne aufgrund dessen nicht getroffen werden. Diesbezüglich werde eine Stellungnahme des Herrn R. … K. …, Vorsitzender der LBV-Kreisgruppe D. …, vom 30. Oktober 2015 vorgelegt. Es lägen mehrere absolute Verfahrensfehler vor, die einen Aufhebungsanspruch der Kläger begründeten. Unter Berücksichtigung der Gesetzesänderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes stehe den Klägern ein selbständig durchsetzbares absolutes Verfahrensrecht zu. Im Übrigen seien nachbarschützende Vorschriften verletzt. Es sei davon auszugehen, dass erhebliche unzumutbare Belastungen durch Lärm auf die Kläger zukämen. Nach der Inbetriebnahme der Windkraftanlagen sei deutlich geworden, dass die vorgegebenen Immissionswerte trotz Unsicherheitszuschlag überschritten würden. Bezüglich der vom TÜV Süd zugrunde gelegten Schallleistungspegel bestünden Bedenken, da für diesen Anlagentyp noch keine Dreifach-Vermessung vorliege. Auch habe keine Prüfung hinsichtlich einer Vor- bzw. Fremdbelastung stattgefunden. Bezüglich der Ton- und Impulshaltigkeit seien keine aussagefähigen Angaben gemacht worden. Des Weiteren setze sich das Lärmgutachten nicht mit dem Thema „tieffrequenter Schall“ ausreichend auseinander. Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei aufgrund der bedrängenden Wirkung der Anlagen verletzt. Entgegen der Auflage Ziffer 1.4 des Änderungsgenehmigungsbescheids sei die Anlage auch nicht mit einer funktionssicheren technischen Einrichtung ausgestattet, die einen Eisansatz an den Rotorblättern erkenne und die Anlage sicher in den Rotorstillstand oder Trudelbetrieb versetze. Mit der vorliegenden „Gutachtlichen Stellungnahme zur Plausibilitätsprüfung des bordinternen Nordex-Eiserkennungssystems“ des TÜV Nord könne die Auflage nicht erfüllt werden. Es bestehe deshalb für Wanderer und Spaziergänger im Wald akute Lebensgefahr.

Bezüglich der Änderungsgenehmigung vom 18. Juli 2014 führte der Klägerbevollmächtigte zusätzlich aus: Es handele sich bei den zehn Windkraftanlagen des Typs Nordex im Gegensatz zu dem am 28. Februar 2014 genehmigten Vorhaben um ein Aliud, da der Kernbestand der Anlage verändert werde. Es sei deshalb eine Neugenehmigung erforderlich mit allen verfahrensrechtlichen Konsequenzen. Bei der Anlage Nordex handele es sich um einen gänzlich anderen Anlagentyp mit abweichenden technischen Eigenschaften. Wesentlich seien auch die Abweichung der technischen Betriebsweise und die Dimensionierung der Anlage. Darüber hinaus leide das Änderungsgenehmigungsverfahren an gravierenden Verfahrensfehlern. Die Genehmigungsbehörde übersehe, dass aufgrund der Änderung des Kernbestands der Anlage durch Wechsel des Anlagentyps erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Schutzgüter der Umwelt und erhebliche Nachteile und Auswirkungen für die Bürger und Nachbarn zu besorgen seien. Der Verzicht auf die Beteiligung der Öffentlichkeit sei rechtsfehlerhaft und wirke sich auch für die Kläger nachteilig aus. Ein neues Genehmigungsverfahren mit einer umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung und einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätte sehr wohl zu anderen Ergebnissen geführt im Rahmen der Prüfung der schädlichen Umwelteinwirkungen für die Allgemeinheit, die Nachbarschaft und die Umwelt. Auch im Änderungsgenehmigungsverfahren seien keine weiteren vertiefenden Untersuchungen veranlasst worden. Dies gelte vor allem in Bezug auf die geschützten Vogelarten Uhu und Schwarzstorch sowie die zahlreichen nachgewiesenen Fledermausvorkommen. Aus dem jetzt bekannten Sachverhalt - Nachweis der Uhubrut bei WEA 5 - und den Beurteilungen der unteren Naturschutzbehörde hierzu ergebe sich zwingend, dass die Entscheidung über das Vorhaben anders hätte ausfallen müssen. Der Typenwechsel der Anlage führe nicht nur zu einer grundlegenden Änderung in der Bauweise und in der Materialbeschaffenheit der Anlage, sondern auch zu einer Zunahme der Betriebsdauer und damit zu zusätzlichen Lärm- und Schattenemissionen und zu einer Erhöhung des Kollisionsrisikos für Vögel und Fledermäuse. Auch sei die Problematik des Brandschutzes für die neuen Anlagen im Änderungsgenehmigungsverfahren überhaupt nicht geprüft worden. Bei den Rotorblättern komme ein neuer Werkstoff, ein sog. CFK-Werkstoff, zum Einsatz. Im Brandfalle komme es zu gesundheitsschädlichen Emissionen. Eine Prüfung sei diesbezüglich überhaupt nicht erfolgt.

3. Das Landratsamt H. beantragte für den Beklagten, die Klage abzuweisen.

Das Landratsamt H. habe über den Antrag der Beigeladenen zu 1) als untere Immissionsschutzbehörde und damit als untere staatliche Verwaltungsbehörde entschieden. Es bestünden in diesem Zusammenhang weder Abhängigkeiten noch Interessenkollisionen mit der Beigeladenen zu 1) bzw. der sie tragenden Institutionen. Im Übrigen kenne die Rechtsordnung keine „institutionelle Befangenheit“. Es habe auch eine ordnungsgemäße Öffentlichkeitsbeteiligung nach den Vorgaben des § 10 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV stattgefunden. Zur Auslegung der Antragsunterlagen enthalte § 10 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV konkrete Aussagen. Diese seien umgesetzt worden. Alle zu diesem Zeitpunkt der Behörde vorgelegenen und auf Vollständigkeit geprüften Unterlagen seien öffentlich ausgelegt worden. Die Auslegung sei sowohl beim Landratsamt H. wie auch bei den betroffenen Standort- bzw. Nachbargemeinden (Stadt Haßfurt, Stadt Königsberg sowie der VG Hofheim für die Gemeinde Riedbach und der Gemeinde Schonungen) erfolgt. Das Verfahren zur Änderung des Anlagentyps habe im Rahmen des § 16 Abs. 1 BImSchG als Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne erneute Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden können. Insofern werde vollinhaltlich auf die im Genehmigungsbescheid vom 18. Juli 2014 dargelegten Gründe Bezug genommen. Zur Frage einer Fehlerhaftigkeit der durchgeführten UVP sei bezüglich der Belange des Naturschutzes Folgendes festzuhalten: Die Kläger könnten sich auf die Belange des Naturschutzes nicht auf eine unter diesem Aspekt angeblich fehlerhaft durchgeführte UVP berufen. Für Individualkläger bleibe es jenseits von § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG bei dem hergebrachten subjektiv-rechtlich geprägten Rechtsschutzsystem. Unabhängig hiervon weise die im Ausgangsverfahren durchgeführte UVP im Hinblick auf naturschutzfachliche Belange, insbesondere die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP), keine Fehler auf. Es sei darauf hinzuweisen, dass den Naturschutzbehörden bei der Prüfung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- oder Verletzungstatbestand erfüllt sei, ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum einzuräumen sei. Im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidungen seien keine entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt gewesen, die der Erteilung der Genehmigungen aus naturschutzfachlicher Sicht entgegengestanden hätten. Eine Rechtsverletzung könne auch nicht wegen der durch den Anlagenbetrieb hervorgerufenen Lärmimmissionen erkannt werden. Der TÜV Süd habe als akkreditiertes und unabhängiges Prüflabor die Ergebnisse gemäß den geltenden Normen und Richtlinien unparteiisch berechnet und bewertet.

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen des Landratsamts H. vom 9. Oktober 2014, vom 4. Dezember 2014 und vom 18. Dezember 2015 verwiesen.

4. Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) ließen beantragen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klage unbegründet sei, da eine Verletzung drittschützender Rechte der Kläger, insbesondere unzumutbare Beeinträchtigungen durch schädliche Umwelteinwirkungen sowie ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot offensichtlich ausgeschlossen seien. Auch hinsichtlich der vorgebrachten Befangenheit des Landkreises Haßberge sowie des ehemaligen Landrates und des zuständigen Sachgebietsleiters Immissionsschutz fehle es bereits am Vorliegen eines drittschützenden Rechtes. Gleiches gelte für die Geltendmachung naturschutzfachlicher Belange. Darüber hinaus entsprächen die naturschutzfachlichen Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung des Büros für Faunistik und Umweltbildung vom 29. August 2013 vollumfänglich den Vorgaben des bayerischen Windkrafterlasses. Auch hinsichtlich des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens bestünden keine Bedenken. Die ausgelegten Unterlagen hätten den Vorgaben des § 10 Abs. 1 BImSchG entsprochen. Insbesondere sei es nicht erforderlich, ein Schall-, Schatten- und Bodengutachten auszulegen.

Bezüglich der Änderungsgenehmigung wurde dargelegt, dass das durchgeführte Verfahren nach § 16 BImSchG nicht zu beanstanden sei. Im vorliegenden Fall sei sogar eine Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG ausreichend gewesen. Auch handele es sich bei § 16 BImSchG um bloßes Verfahrensrecht, das grundsätzlich keine drittschützende Wirkung entfalte. Im Hinblick auf die vorgebrachten artenschutzrechtlichen Bedenken der Kläger werde nochmals umfassend auf die fehlende drittschützende Wirkung artenschutzrechtlicher Belange sowie die eindeutige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hierzu verwiesen. Die Klage sei in jedem Falle abzuweisen, zum einen, da die Entscheidung hinsichtlich der Nichtdurchführung einer UVP-Prüfung im Änderungsgenehmigungsverfahren inhaltlich nicht zu beanstanden sei, zum anderen, da die Rechtsfolge eines Verstoßes nicht die Aufhebung der Genehmigung nach sich ziehen würde und die Kläger auf die Geltendmachung drittschützender Rechte beschränkt seien. Dies sei nunmehr auch durch den Europäischen Gerichtshof festgestellt worden.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 26. September 2014, vom 12. Dezember 2014, vom 2. März 2015, vom 19. November 2015 sowie vom 19. April 2016 und 5. August 2016 Bezug genommen.

5. Mit Beschluss vom 8. Juni 2015 (Az. 22 CS 15.952) lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 15. April 2015 (Az. W 4 S. 15.286) den Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklagen ab.

6. Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die mit dem Ziel der Aufhebung der Genehmigungsbescheide des Beklagten vom 28. Februar 2014 und vom 18. Juli 2014 betreffend die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung H. … erhobene Klage ist zulässig. Insbesondere besitzen die Kläger die Klagebefugnis i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO, da sie geltend machen können, über § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG möglicherweise als Nachbarn aufgrund ihres Eigentums an den ca. 1.600 Meter entfernt gelegenen Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... in eigenen Rechten verletzt zu sein.

Die Klage ist jedoch unbegründet, da die Kläger durch die Genehmigungen nicht in eigenen Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Aus den behaupteten Verfahrensfehlern (1) sowie den vorgetragenen artenschutzrechtlichen Belangen (2) folgt kein Aufhebungsanspruch der Kläger. Es sind keine der Windkraftanlage zuzurechnenden unzumutbaren Lärm- oder Schatteneinwirkungen auf das Wohnanwesen der Kläger sowie Gefahren durch Eiswurf zu erwarten (3). Von der genehmigten Windkraftanlage geht ferner keine das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzende erdrückende Wirkung aus (4). Ein Verstoß gegen nachbarschützende, brandschutzrechtliche Vorschriften ist nicht erkennbar (5). Unbeachtlich bleiben auch die Einwände im Hinblick auf Art. 82 f. BayBO (6).

Nach § 4 Abs. 1 BImSchG bedarf die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen einer Genehmigung. Nach Ziffer 1.6 des Anhangs zu § 1 der vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG - 4. BImSchV - rechnen hierzu Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern. Mit einer Gesamthöhe von 196 m (Genehmigung vom 28.2.2014) bzw. 199 m (Genehmigung vom 18.7.2014) ist die streitgegenständliche Windkraftanlage der Beigeladenen entsprechend genehmigungspflichtig.

Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Nach § 5 Abs. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (Nr. 1) und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (Nr. 2).

Soweit die genannten rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Windkraftanlage. Gleiches gilt im Rahmen der Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG (Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 16 Rn. 42). Diese gebundene Genehmigungsentscheidung des Beklagten können die Kläger als Nachbarn der genehmigten Anlage nur daraufhin überprüfen lassen, ob die Genehmigung Rechtsvorschriften verletzt, die dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind (nachbarschützende Vorschriften). Hierbei setzt Nachbarschaft nicht voraus, dass das Grundstück des Betroffenen unmittelbar an das Anlagengrundstück angrenzt, sondern es genügt, dass die Grundstücke des Betroffenen im Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage liegen (zum Nachbarbegriff vgl. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 81. EL Sept. 2016, § 5 BImSchG Rn. 87). Eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung im Sinn einer objektiven Rechtskontrolle findet auf eine Nachbarklage hin nicht statt.

1. Das Vorbringen der Kläger ist nicht erfolgreich, soweit sie Fehler im Verwaltungsverfahren rügen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Vorschriften über das Verwaltungsverfahren nicht per se drittschützend, sondern nur im Hinblick auf eine dem Verfahrensrecht zu Grunde liegende materiell-rechtliche Rechtsposition des Betroffenen. Erforderlich ist, dass der gerügte Verfahrensfehler die Sachentscheidung beeinflusst haben kann. Dieser Kausalzusammenhang besteht nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht nur die abstrakte, sondern die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung der Behörde ohne den Verfahrensfehler anders, d.h. für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (BVerwG, U.v. 22.10.1982 - 7 C 50/78 - DVBl. 1983, 183 f.; B.v. 21.1.2008 - 4 B 35/07 - juris Rn. 10; B.v. 6.5.2008 - 9 B 64/07 - juris Rn. 7). Ist ein Verfahrensfehler nicht auch zugleich kausal für eine Verletzung materieller Rechtspositionen, bleibt er prozessual folgenlos (BVerwG, B.v. 5.11.2002 - 9 VR 14/02 - juris Rn. 2).

1.1. Soweit die Kläger eine wegen der wirtschaftlichen und persönlichen Verflechtungen fehlende Objektivität der handelnden Behörde und der für sie tätigen Personen geltend machen, ist schon kein beachtlicher Verfahrensfehler zu verzeichnen. Der von den Klägern behauptete Fall einer sog. institutionellen Befangenheit ist weder von § 20 VwVfG bzw. Art. 20 BayVwVfG (ausgeschlossene Personen) noch von § 21 VwVfG bzw. Art. 21 BayVwVfG (Besorgnis der Befangenheit) erfasst. Die Vorschriften enthalten nur auf das Handeln bestimmter natürlicher Personen oder Amtsträger abzielende individuelle Mitwirkungs- und Betätigungsverbote und kein institutionelles Handlungsverbot (Beck OK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: Okt. 2016, § 20 Rn. 2 m.w.N.). Sie finden auch weder unmittelbar noch analog Anwendung auf die Zuständigkeit von Behörden oder Rechtsträgern, etwa weil diese ein eigenes Sonder- oder Partikularinteresse - auch fiskalischer Art - an einem bestimmten Ausgang eines Verwaltungsverfahrens haben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang betont, dass es legitim ist, wenn sich ein Landkreis auch in Form privatrechtlicher juristischer Personen wirtschaftlich betätigt (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 50). Dass der Landrat für das Landratsamt sowohl als Amtsleiter der staatlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde und der unteren Naturschutzbehörde wie auch als Verwaltungsorgan des Landkreises auftritt, ist der in Bayern geregelten Doppelnatur des Landratsamts geschuldet (vgl. Art. 37 Abs. 1 LKrO). Zudem darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass eine Behörde mit Doppelzuständigkeit als Teil der öffentlichen Verwaltung in beiden ihr übertragenen Funktionen dem Gemeinwohl zu dienen hat. Sie ist an Recht und Gesetz gebunden und untersteht exekutiver Aufsicht (BVerwG, U.v. 18.3.2009 - 9 A 39/07 - NVwZ 2010, 44 f.). Im Verwaltungsverfahren hat die Regierung von Unterfranken auf Anfrage des Landrats (vgl. Verfahrensakte S. 280) besonders auf die Doppelzuständigkeit des Landratsamts als Kommunal- und Staatsbehörde hingewiesen. Dies betrifft denknotwendig auch den Leiter der Behörde. Wie die Regierung von Unterfranken in ihrem Schreiben vom 27.1.2014 (vgl. Verfahrensakte S. 281) ausdrücklich anführt, kann die gebotene Neutralität durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden. Dies betrifft zum einen die Wahrnehmung der Aufgaben durch verschiedene „organisatorisch getrennte Abteilungen“ sowie die Einschaltung eines juristischen Staatsbeamten als der für den Bescheiderlass zuständigen Person. Diese Voraussetzungen waren immer gegeben.

Ein „Neutralitätsgebot“ des Staates folgt allenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip, und zwar als Teil des Gebotes eines fairen Verfahrens (VG Würzburg, B.v. 16.12.2012 - W 4 S. 12.833 - juris Rn. 21). Betroffene sind insofern durch die Möglichkeit geschützt, die nach außen wirksamen Behördenentscheidungen einer gerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 20 Rn. 8 und § 21 Rn. 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 20 Rn. 9 ff.). Von dieser Möglichkeit haben die Kläger Gebrauch gemacht.

1.2. Ein Verfahrensfehler ist nicht darin zu sehen, dass die Änderungsgenehmigung vom 18. Juli 2014 auf § 16 Abs. 1 BImSchG gestützt wurde. Die Kammer geht davon aus, dass der Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 aufgrund des Austauschs des Anlagentyps von Vestas V 112-3.0 MW hin zu Nordex N 117-2.4 MW unter den Voraussetzungen des § 16 BImSchG genehmigt werden konnte und es keiner neuen Genehmigung nach § 4 BImSchG bedurfte. Eine Neuerrichtung liegt vor, wenn durch die Änderung der Charakter der (Gesamt-)Anlage verändert wird, wenn die Änderungen derart prägend sind, dass die gesamte Anlage als eine neue Anlage qualifiziert werden muss, d.h. die Anlage in ihrem Kernbestand grundlegend geändert wird (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 35). Hierzu ist der konkrete Einzelfall im Hinblick auf Standort, Umfang und Abstand zu den Schutzgütern sowie die Art der hervorgerufenen Umwelteinwirkungen zu würdigen. Dabei kommt bei einem Wechsel des Anlagentyps unter bestimmten Umständen sogar eine Änderung der Anlage nach § 15 BImSchG in Betracht (BayVGH, B.v. 14.3.2013 - 22 ZB 13.103 - juris Rn. 8 f.). Vorliegend führen die Änderung des Rotorradius, der Gesamthöhe und die Verringerung der Leistung jedenfalls nicht zu derart erheblichen Änderungen, die eine Neugenehmigung erforderlich machen (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 35).

Soweit der in der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19. Dezember 2016 gestellte Beweisantrag darauf gerichtet war, die unterschiedlichen Bauweisen der verschiedenen Typen von Windkraftanlagen (Vestas und Nordex) nachzuweisen, konnte er abgelehnt werden, da der Nachbar kein subjektives Recht auf die Durchführung des zutreffenden Verfahrens hat. Ferner unterliegt eine Änderungsgenehmigung grundsätzlich den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie eine Erstgenehmigung; insbesondere muss die geänderte Anlage den Anforderungen des § 6 Abs. 1 BlmSchG entsprechen (VGH Baden-Württemberg, B.v. 11.12.2014 - 10 S 473/14 - juris Rn. 12 unter Verweis auf Jarass, BImSchG, 10. Aufl., § 16 Rn. 35). Eine Verletzung materieller Rechtspositionen ist vorliegend daher ausgeschlossen (vgl. oben unter 1.).

1.3. Die von den Klägern erhobenen Einwände gegen die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 führen nicht zum Erfolg der Klage.

1.3.1. Soweit die Kläger geltend machen, die Umweltverträglichkeitsprüfung im Ausgangsbescheid vom 28. Februar 2014 sei unzureichend gewesen, da die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung an offensichtlichen Fehlern leide, können sie damit nicht durchdringen. Im Vorfeld dieser Genehmigung hat die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 1 UVPG i.V.m. Nr. 1.6.2 Spalte 2 der Anlage 1 zum UVPG) ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Die daraufhin erfolgte Umweltverträglichkeitsprüfung enthält jedoch keine Fehler, die zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger führen. Aus den vorgetragenen artenschutzrechtlichen Belangen folgt kein Aufhebungsanspruch der Kläger. Diese machen insoweit Ermittlungs- und Bewertungsfehler im Detailbereich bei der Durchführung der UVP geltend.

(1) Einem Aufhebungsanspruch der Kläger steht zwar nicht von vornherein entgegen, dass die Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Verletzung sie rügen, allein dem Schutz der Umwelt, nicht aber der Gewährleistung eigener materiell-rechtlicher subjektiver Rechte der Kläger dienen (BVerwG, U.v. 22.10.2015 - 7 C 15.13 - juris Rn. 23). Denn die Fehlerfolgeregelung des § 4 Abs. 1 UmwRG, der u.a. die Fehlerfolgen bei der Anwendung von Verfahrensfehlern bei der Umweltverträglichkeitsprüfung regelt, gilt zwar in erster Linie für die umweltrechtliche Verbandsklage, ist aber gem. § 4 Abs. 3 UmwRG auch auf Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO anwendbar. Demnach können Verfahrensfehler im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Klage eines gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugten Dritten unabhängig von den sonst geltenden einschränkenden Maßgaben, insbesondere § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, zur Begründetheit der Klage führen.

Zwar ist es zutreffend, dass der EuGH es den nationalen Gesetzgebern ausdrücklich freistellt, die Rechte, deren Verletzung ein Einzelner im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, Handlung oder Unterlassung i.S.v. Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG geltend machen kann, auf subjektive Rechte zu beschränken, mithin § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausdrücklich als vereinbar mit Unionsrecht ansieht (EuGH, U.v. 15.10.2015 - C-137/14 - Rn. 33 f. und 91; EuGH, U.v. 12.5.2011 - C 115/09 - Rn. 45). Jedoch hat der deutsche Gesetzgeber für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO in § 4 Abs. 3 UmwRG ausdrücklich eine von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO abweichende Regelung getroffen. Insoweit tritt § 4 Abs. 3 UmwRG an die Stelle von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ohne dass es darauf ankommt, ob dieser Verzicht auf eine subjektive Rechtsverletzung unionsrechtlich geboten ist (BVerwG, a.a.O. - juris Rn. 23).

(2) Daraus folgt, dass eine Genehmigungsentscheidung, die ohne die hierfür erforderliche UVP oder UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf die Klage eines Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwRG aufzuheben ist. Dies gilt auch, wenn eine UVP zwar durchgeführt worden ist, aber unter einem Verfahrensfehler leidet. Wie der EuGH schon im sog. Altrip-Urteil vom 7. November 2013 festgestellt hat, hat § 4 UmwRG a.F. insoweit gegen Unionsrecht verstoßen, nämlich gegen die Bestimmungen der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG, als die Anwendbarkeit des UmwRG auf den Fall beschränkt wurde, dass eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt wird.

Gleichzeitig hat der EuGH jedoch ausdrücklich festgestellt, dass nicht jeder Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von seinen Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung zu einem Anspruch auf deren Aufhebung führt (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-72/12 - Rn. 49; vgl. auch BVerwG, U.v. 22.10.2015 - 7 C 15.13 - juris Rn. 22). Eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG ist nach den Ausführungen des EuGH insoweit geboten, als Einzelne und Umweltverbände Verfahrensfehler der UVP geltend machen können müssen (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-72/12 - Rn. 48; EuGH, U.v. 15.10.2015 - C-137/14 - Rn. 55).

§ 4 Abs. 1 UmwRG ist daher in unionsrechtskonformer Auslegung auf solche Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung zu erstrecken, die nach ihrer Art und Schwere den in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG a.F. genannten Fehlern vergleichbar sind, insbesondere weil sie der betroffenen Öffentlichkeit die vorgesehene Möglichkeit genommen haben, Zugang zu den auszulegenden Unterlagen zu erhalten und sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-72/12 - Rn. 54; vgl. auch BVerwG a.a.O.). Diese Vorgaben setzt § 4 UmwRG i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) um; die Kammer legt diese Vorschrift der weiteren Beurteilung zugrunde (Anwendbarkeit im vorliegenden Fall aufgrund der Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts, vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 - juris Rn. 68 m.w.N.).

(3) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen können die Kläger vorliegend nicht die Aufhebung des Genehmigungsbescheids vom 28. Februar 2014 und in der Folge auch nicht die des Änderungsgenehmigungsbescheids vom 18. Juli 2014 verlangen, da die geltend gemachten Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung keine Verfahrensfehler i.S.d. Rechtsprechung des EuGH und des § 4 Abs. 1 und 1a UmwRG in der seit dem 26. November 2015 gültigen Fassung darstellen. Was unter dem Begriff des Verfahrensfehlers i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher geregelt. Allerdings zeigt der Wortlaut des § 2 UmwRG und insbesondere § 2 Abs. 5 UmwRG, dass der Gesetzgeber sehr wohl zwischen Verfahrensrechten und materiellem Umweltrecht differenzieren wollte und sich auch des Unterschieds offensichtlich bewusst war. Nach der Begründung des Gesetzes zur Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes kommen als relevante Verfahrensfehler nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG n.F. „ebenso wie bei den Nummern 1 und 2, nur Verstöße gegen Verfahrensvorschriften in Betracht, mit denen der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wird“ (BT-Drs. 18/5927, S. 9). Weiter wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt:

„Verfahrensfehler können nach Nummer 3 nur dann zu einem Aufhebungsanspruch führen, wenn sie in ihrer Art und Schwere mit Verfahrensvorschriften nach Satz 1 Nummer 1 und 2 vergleichbar sind. Dies ist etwa der Fall, wenn in einem Zulassungsverfahren für ein UVP-pflichtiges Vorhaben keine Unterlagen nach § 9 Absatz 1b Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgelegt worden sind, so dass es der Öffentlichkeit unmöglich ist, sich gemäß den gesetzlichen Gewährleistungen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu informieren.“

D.h., dass vorliegend nur Verstöße gegen diejenigen Vorschriften, mit denen der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen wird, absolute Verfahrensfehler darstellen, die die Fehlerfolgenregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG auslösen können und zur Begründetheit der Klage führen. Nicht hingegen fallen unter § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG mögliche Fehleinschätzungen im Bereich des materiellen Umweltrechts (vgl. Fellenberg, NVwZ 2015, 1721/1722). Die Rechtmäßigkeit der Umweltverträglichkeitsprüfung ist nicht mit der Einhaltung des materiellen Umweltrechts gleichzusetzen (dahingehend auch OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 - juris Rn. 80).

Ein anderes Verständnis des Begriffs „Verfahrensfehler“ ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH. Die Urteile des EuGH vom 7. November 2013 und 15. Oktober 2015 enthalten keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass § 4 Abs. 1 UmwRG dahingehend unionsrechtskonform auszulegen ist, dass auch Fehler bei der Ermittlung und Bewertung von Belangen des materiellen Umweltrechts zu einem Aufhebungsanspruch des Einzelnen führen. Die nach dem EuGH gebotene unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 UmwRG hat nämlich die Zielsetzung, entsprechend den Zwecken der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG die Einhaltung der Verfahrensgarantien sicherzustellen und die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess zu gewährleisten. Eine Erstreckung des Aufhebungsanspruchs von Individualklägern nach § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG auf Fehler der UVP, die die Ermittlung und Bewertung von Belangen des materiellen Umweltrechts betreffen, lässt sich durch diese Zwecke nicht begründen.

Der deutsche Gesetzgeber hat somit der Rechtsprechung und den Zielen der Richtlinien 85/337/EWG und 2003/35/EG durch die Änderung des § 4 UmwRG a.F. durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 in der Rechtssache C-72/123 vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) ausreichend Rechnung getragen, indem er § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG um die Nr. 3 erweitert hat, wonach auch „andere Verfahrensfehler“ zu einem Aufhebungsanspruch führen können. Aus dem Urteil des EuGH vom 15. Oktober 2015 ergeben sich zumindest im Hinblick auf § 4 Abs. 1 UmwRG keine zusätzlichen Anforderungen (Fellenberg, NVwZ 2015, 1721/1726; Ludwigs, NJW 2015, 3484/3486).

Bei den von den Klägern geltend gemachten Fehlern der UVP handelt es sich nicht um Verfahrensfehler, sondern um Bewertungs- und Ermittlungsfehler im Rahmen des materiellen Natur- und Artenschutzrechts. Insoweit ist aber nicht ersichtlich, wie diese Fehler die Kläger in ihrer Möglichkeit der Beteiligung am Entscheidungsprozess beeinträchtigen können. Die Kläger haben gerade keine Fehler der UVP geltend gemacht, die das Verfahren betreffen. Die Unterlagen zur UVP wurden ausgelegt (vgl. Verfahrensakte S. 96), es bestand die Möglichkeit zur Einsichtnahme und Stellungnahme (auch im Erörterungstermin, vgl. Verfahrensakte S. 608 ff.). Das Verfahren entsprach § 10 Abs. 1 der neunten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (9. BImSchV). Insbesondere sieht § 10 Abs. 1 Satz 3 der 9. BImSchV die Möglichkeit für die Genehmigungsbehörde vor, dass nachträglich angeforderte Unterlagen nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen nachträglich zugänglich gemacht werden können. Daher können die Kläger nicht mit ihrem Vorbringen durchdringen, das Schall- und Schattengutachten sei ursprünglich nicht vorgelegt und ausgelegt worden.

Darüber hinaus haben die Kläger nicht dargelegt und ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, wie die angeblich mangelhafte Untersuchung des Vorkommens von Uhu, Schwarzstorch, Fledermäusen u.a. sie in ihren Beteiligungsrechten eingeschränkt haben soll.

Aus eben diesen Gründen ist auch kein (relativer) Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG zu verzeichnen. Im Vergleich zu den in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten Verfahrensfehlern kommt es bei den relativen Verfahrensfehlern für einen Aufhebungsanspruch des Klägers gemäß § 46 VwVfG darauf an, ob die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache tatsächlich beeinflusst hat.

(4) Die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung genügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht den Anforderungen der §§ 5 ff. UVPG, 1 ff. der 9. BImSchV.

Der Beklagte hat auf der Grundlage der Umweltverträglichkeitsstudie des Dipl.-Ing. C. … S. …, H., eingegangen beim Landratsamt am 28. Februar 2014, und der „Naturschutzfachlichen Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP)“ des Büros für Faunistik und Umweltbildung, Haßfurt, vom 13. August 2013 zunächst eine Ermittlung und Beschreibung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen einschließlich der menschlichen Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, Kultur- und sonstige Sachgüter, sowie die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern einschließlich der Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die betrachteten Schutzgüter vermieden, vermindert oder ausgeglichen werden, sowie der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft vorgenommen (vgl. §§ 1a der 9. BImSchV, 2 Abs. 1 UVPG). Diese Umweltauswirkungen hat die genehmigende Behörde sodann auf der Grundlage einer zusammenfassenden Darstellung (vgl. S. 30 ff. des Genehmigungsbescheids vom 28.2.2014) bewertet und bei ihrer Genehmigungsentscheidung berücksichtigt (vgl. § 20 Abs. 1a und 1b der 9. BImSchV, §§ 11 und 12 UVPG). Dieses Verfahren entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist nicht zu beanstanden.

Der Einwand der Kläger, die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der möglichen Umweltauswirkungen des Vorhabens seien in vielfacher Hinsicht nur unzureichend ermittelt worden, zielt ebenso nicht auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Denn sollten die Ermittlungen des Landratsamts tatsächlich unzureichend sein, wirkte sich dies vielmehr unmittelbar materiell-rechtlich aus und führte etwa im Fall der gerügten fehlerhaften Ermittlung insbesondere der Aktivitäten des Uhus, des Schwarzstorchs und verschiedener Fledermausarten unmittelbar auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot. Hierauf wird im Zusammenhang mit der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides näher einzugehen sein (unter 2.).

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 8. Juni 2015 (22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 42 ff.) bezüglich der der allgemeinen Vorprüfung vorangegangenen UVP keine durchgreifenden Ermittlungsdefizite insbesondere bezüglich der Erfassung des Uhus gesehen hat und diesbezüglich ausgeführt hat, „dass die Tatsachengrundlage für eine Prognose der Einhaltbarkeit des Tötungsverbots im Sinn eines Ausschlusses eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos bereits jetzt ausreicht“ (vgl. BayVGH, a.a.O. - juris Rn. 47). Darüber hinaus stellt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof fest (BayVGH, a.a.O. - juris Rn. 48):

„Zu berücksichtigen ist bei alledem, dass die Antragsteller hier letztlich Ermittlungsfehler im Detailbereich bei der Durchführung der UVP geltend machen. Dies steht ihnen zwar frei. Es ist aber doch fraglich, ob derartige Fehler zu einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte führen können. Ihre eigenen materiellrechtlichen Belange sind durch etwaige Ermittlungsdefizite nicht tangiert, diese betreffen nur das eindeutig nicht drittschützende Artenschutzrecht. […]“

1.3.2. Auch erweist sich die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls am 16. Juli 2014 (Bl. 133/134 d.A.) im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 nicht in einem Sinne rechtsfehlerhaft, der zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger führen könnte. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG genügt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Ein solcher Fehler steht einer nicht durchgeführten Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) UmwRG gleich und kann zur Aufhebung einer Genehmigungsentscheidung führen.

Vorliegend hat das Landratsamt Haßberge anlässlich der Änderung eines UVP-pflichtigen Vorhabens (Wechsel des Anlagentyps) im Rahmen einer Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c UVPG) geprüft, ob die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG bzw. § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV). Das Landratsamt hat differenziert dargelegt, dass die Änderung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die in § 1a der 9. BImSchV genannten Schutzgüter haben kann. Die dieser Beurteilung zugrunde liegende allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls ist unter dem Datum 16. Juli 2014 in den Behördenakten dokumentiert (Verfahrensordner Bl. 133/134). Sie kommt nachvollziehbar im Sinn von § 3a Satz 4 UVPG zu dem Ergebnis, dass die zu genehmigenden Änderungen der Anlage - im Vergleich zu der bereits am 28. Februar 2014 genehmigten Ausführung - keine erheblichen Auswirkungen auf die genannten Schutzgüter haben werden. Etwaige Auswirkungen der Änderung lägen zumindest deutlich unter der Erheblichkeitsschwelle des § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 36).

Hierbei sind folgende Aspekte, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem o.g. Beschluss (22 CS 15.686 u.a.) zugrunde gelegt hat, nochmals zu betonen: Ausschlaggebend für die allgemeine Vorprüfung im Vorfeld des Bescheids vom 18. Juli 2014 sind lediglich die Auswirkungen der Vorhabensänderung selbst. Soweit Auswirkungen schon dem ursprünglichen Vorhaben zuzurechnen sind - wie eben die Gefährdung bestimmter Tierarten durch den Betrieb einer Windkraftanlage im betreffenden Gebiet - sind diese im Änderungsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich. Ferner kommt es auf den Kenntnisstand der zuständigen Behörde beim Abschluss der Prüfung an (hier der 16.7.2014; vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 39). Später gewonnene Erkenntnisse über das Vorkommen gefährdeter Tierarten im streitgegenständlichen Gebiet, insbesondere hinsichtlich des Uhus, müssen daher im Rahmen der Prüfung durch das Gericht außer Betracht bleiben. Darüber hinaus ist der gerichtliche Prüfungsmaßstab in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat betont, dass sich schon aus § 3e Abs. 1 Nr. 2, § 3c Satz 1 und 3 UVPG und § 1 Abs. 3 der 9. BImSchV ergebe, dass der Behörde ein Beurteilungsspielraum zusteht, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Auch aus § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 3c UVPG folge derselbe Maßstab. Das Verwaltungsgericht ist daher darauf beschränkt, zu prüfen, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, ob sie vom richtigen Verständnis der anzuwendenden Gesetzesbegriffe ausgegangen ist, ob sie den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt, ob sie sich bei der Beurteilung an allgemein gültige Wertmaßstäbe gehalten hat und ob sie schließlich das Willkürverbot nicht verletzt hat (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 40 mit Verweis auf die std. Rspr. des BVerwG, U.v. 16.5.2007 - 3 C 8.06 - BVerwGE 129, 27). Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht der Behörde, d.h. dem Beklagten, bei der Prüfung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, einen naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 27.6.2013 - 4 C 1/12 - juris Rn. 14 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu in dem Urteil vom 27.6.2013 (a.a.O.) aus:

„Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren (vgl. Urteile vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65, 91, vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 38, vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 113 und vom 14. Juli 2011 a.a.O. Rn. 99) gelten auch in Genehmigungsverfahren. Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden.

Grund für die Zuerkennung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um ökologische Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis angewiesen, die sich aber nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweist. Bei zahlreichen Fragestellungen steht - jeweils vertretbar - naturschutzfachliche Einschätzung gegen naturschutzfachliche Einschätzung, ohne dass sich eine gesicherte Erkenntnislage und anerkannte Standards herauskristallisiert hätten. Sind verschiedene Methoden wissenschaftlich vertretbar, bleibt die Wahl der Methode der Behörde überlassen. Eine naturschutzfachliche Meinung ist einer anderen Einschätzung nicht bereits deshalb überlegen oder ihr vorzugswürdig, weil sie umfangreichere oder aufwändigere Ermittlungen oder ‚strengere‘ Anforderungen für richtig hält. Das ist erst dann der Fall, wenn sich diese Auffassung als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat und die gegenteilige Meinung als nicht (mehr) vertretbar angesehen wird (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 66). Die naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative folgt nicht aus einer bestimmten Verfahrensart oder Entscheidungsform, sondern aus der Erkenntnis, dass das Artenschutzrecht außerrechtliche Fragestellungen aufwirft, zu denen es jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine eindeutigen Antworten gibt.

Die Überprüfung behördlicher Einschätzungsprärogativen ist wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz, nämlich bezogen auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums, und genügt damit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 67). Die Einräumung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative führt […] zu einer Rücknahme gerichtlicher Kontrolldichte. […]“

Insgesamt sind daher, unter Berücksichtigung der begrenzten gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. auch § 4a Abs. 2 UmwRG), keine rechtserheblichen Fehler der allgemeinen Vorprüfung zu erkennen. Insbesondere konnte die Genehmigungsbehörde der allgemeinen Vorprüfung die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung erlangten Erkenntnisse zugrunde legen (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 37). Das Landratsamt hat sich auch strikt an den „Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung“, die in der Anlage 2 zum UVPG gelistet sind, orientiert.

1.3.3. Darüber hinaus sind keine nach § 4 Abs. 1 bzw. 1a UmwRG beachtlichen Fehler bei der Anwendung der Verfahrensvorschriften sowohl im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung im Ausgangsverfahren als auch bei der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Änderungsgenehmigungsverfahren ersichtlich. Insbesondere hat jeweils die Öffentlichkeitsbeteiligung i.S.v. § 9 UVPG bzw. § 10 BImSchG stattgefunden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG; vgl. Verfahrensakte Bl. 92 ff. im Ausgangsverfahren bzw. Verfahrensordner Bl. 135, 167, 170 im Änderungsgenehmigungsverfahren). Für anderweitige schwerwiegende Verfahrensfehler im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG oder relative Verfahrensfehler gemäß § 4 Abs. 1a UmwRG bestehen keine Anhaltspunkte.

2. Die Kläger können sich nicht mit Erfolg auf das artenschutzrechtliche Tötungsverbot für besonders geschützte Tierarten (§ 44 BNatSchG) berufen.

Selbst wenn der Vortrag der Kläger hinsichtlich der Gefährdung verschiedener Tierarten zuträfe, wäre dies nicht relevant. Bei den artenschutzrechtlichen Tötungsverboten handelt es sich nicht um drittschützende Vorschriften. Das gleiche gilt, soweit die Kläger eine im Genehmigungsverfahren durchgeführte fehlerhafte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung anführen. Bezüglich des Naturschutzes, insbesondere des Artenschutzes, besteht für Dritte, die im Umkreis der Windkraftanlage wohnen, kein Drittschutz (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - sowie B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 - beide juris). Mangels subjektiv-rechtlichen Kontextes für die Kläger konnte daher der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag zu Fragen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.12.2016) als unbehelflich abgelehnt werden. Die Ausführungen zu Methodik und Inhalten der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung betreffen im Ergebnis Fragen des materiellen Artenschutzrechts, soweit die geschützten Vogelarten betroffen sind. Soweit etwaige Ermittlungsdefizite im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung geltend gemacht worden sind, so hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hierzu im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eindeutig dahingehend geäußert, dass die „Tatsachengrundlage für die Einhaltbarkeit des Tötungsverbots im Sinne des Ausschlusses eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos bereits jetzt ausreicht“ (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 47). Auch unter diesem Gesichtspunkt und unter Berücksichtigung der begrenzten gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. oben unter 1.3.2.) scheidet die Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme zu Fragen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung aus.

3. Durch die Errichtung und den Betrieb der streitgegenständlichen Windkraftanlage werden keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, zumindest erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen.

3.1. Die Geltendmachung unzumutbarer Lärmbelästigungen durch die Kläger bleibt ohne Erfolg.

3.1.1. Für die Beurteilung, ob die von einer Windkraftanlage ausgehenden Lärmimmissionen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG sind, ist die aufgrund § 48 BImSchG als Verwaltungsvorschrift erlassene TA Lärm einschlägig. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Dies entspricht ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.8.2007 - 4 C 2/07 - NVwZ 2008, 76; OVG NW, U.v. 18.11.2002 - 7 A 2127/00 - NVwZ 2003, 756; BayVGH, B.v. 31.10.2008 - 22 CS 08.2369 - juris). Aus den vom Landratsamt H. in Auftrag gegebenen Gutachten des ... Süd Industrie Service GmbH vom 24. Januar 2014 und vom 30. Juni 2014 ist ersichtlich, dass der von den Anlagen insgesamt ausgehende Schall bei dem Anwesen der Kläger unter den zulässigen Immissionsrichtwerten liegt. Die Zumutbarkeit von Immissionen wird durch die konkrete bebauungsrechtliche Situation bestimmt, in der sich die störende und insbesondere die gestörte Nutzung befinden. Die Kläger können den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets beanspruchen; das sind Immissionsrichtwerte von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A). Aus dem Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 (vgl. Verfahrensordner S. 75 Rückseite) ergibt sich eindeutig, dass am nächst gelegenen Immissionsort (Am … …, K* …*) weniger als 40 dB(A) Lärm „ankommen“ werden. Im Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 ist unter IV. Auflagen, 1.1 sichergestellt, das innerhalb des Nachtzeitraums der Immissionsrichtwertanteil von 30 dB(A) für die streitgegenständliche WEA 4 nicht überschritten wird. Sollte es entgegen dieser Auflage dennoch zu höheren Lärmbelastungen für die Kläger kommen, hieße dies, dass die Windkraftanlage nicht in einer der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entsprechenden Form betrieben wird. Am Anwesen der Kläger kann daher eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund der Regelungen in der Genehmigung und der zugrunde liegenden Begutachtung ausgeschlossen werden.

3.1.2. Die Einwendungen gegen das Gutachten vom 30. Juni 2014 greifen nicht durch.

Bei der Untersuchung des TÜV Süd handelt es sich nicht lediglich um ein Parteigutachten. Schall- und Schattenbegutachtungen zählen zu den notwendigen Antragsunterlagen i.S.d. § 4 Abs. 1 der 9. BImSchV und sind daher zwingend vom Antragsteller vorzulegen. Mit der Überprüfung durch die Genehmigungsbehörde wird die Wahrung der Qualitätsanforderungen sichergestellt. Zudem handelt es sich beim TÜV Süd um eine anerkannte Messstelle im Sinne von §§ 26, 29a, 29b BImSchG (vgl. OVG Münster, U.v. 13.5.2002 - 10 B 671/02 - juris; VGH Kassel, U.v. 21.1.2010 - 9 B 2936/09 - juris). Im vorliegenden Fall wurden die TÜV-Berechnungen sogar vom Landratsamt Haßberge in Auftrag gegeben (vgl. Verfahrensordner S. 61).

Soweit die Kläger Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlung des immissionswirksamen Schallleistungspegels von 105 dB(A) erheben, können sie hiermit nicht durchdringen. Der Berechnung des maßgeblichen Beurteilungspegels durch den TÜV Süd wurden die vom Anlagenhersteller zur Verfügung gestellten Anlagendaten und garantierten Emissionsdaten zugrunde gelegt. Der festgesetzte Schallleistungspegel wurde laut Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 bereits durch zweimalige unabhängige Messung überprüft (Verfahrensordner S. 65 mit Verweis auf die entsprechenden Quellen). Zudem haben die Kläger im gerichtlichen Verfahren eine „Bestimmung der Schallleistungspegel“ für den Typ Nordex N117/2400 von Wind Consult (datiert vom 18.11.2014) vorgelegt, in welcher drei Messungen ausgewiesen sind, die bei Zugrundelegung verschiedener Windgeschwindigkeiten einen Mittelwert von höchstens 104,1 dB(A) ergeben (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8.4.2016). Die Messungen kamen somit jeweils zu einer Unterschreitung des der Genehmigung zugrunde gelegten Pegels von 105 dB(A), so dass insoweit ein zusätzlicher Sicherheitszuschlag berücksichtigt wurde. Die Festschreibung des Schallleistungspegels auf 105 dB(A) beruht mithin bereits auf einer worst-case-Betrachtung. Gestützt wird diese Annahme durch eine Herstellerbestätigung im Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014, in welchem ein maximaler Schallleistungspegel von 105 dB(A) garantiert wird (Verfahrensordner S. 91). Neuere gerichtliche Entscheidungen bestätigen diese Annahmen für den streitgegenständlichen Anlagentyp (vgl. VG Bayreuth, U.v. 18.12.2014 - B 2 K 14.299 - juris Rn. 65; VG Bayreuth, U.v. 11.12.2015 - B 2 K 15.253 - juris Rn. 33).

Auch im Übrigen befinden sich die Prognosen des TÜV Süd auf der „sicheren Seite“. So wurde ein Unsicherheitszuschlag von 2,6 dB(A) im Sinne der oberen Vertrauensbereichsgrenze in die Berechnung mit einbezogen. Den Darlegungen der Kläger ist nicht zu entnehmen, weshalb der Sicherheitszuschlag nicht ausreichen soll. Besondere Vorbelastungen waren in die Berechnung nicht einzubeziehen. Wie sowohl der Beklagte wie auch der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zutreffend ausführen, ist Straßenlärm (vgl. Hinweis auf die B 303) nicht als „Vorbelastung“ im Sinne von Ziffer 2.4 Satz 1 der TA Lärm zu qualifizieren. Hierunter fallen per se nur Anlagen, für die die TA Lärm gilt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da es sich bei Verkehrswegen nicht um genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, die den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterfallen (vgl. Ziffer 1. Satz 2 der TA Lärm).

Soweit die Kläger im Rahmen der Schallleistungsprognoseberechnung die Berechnungsmethode aufgrund der „DIN ISO 9613-2“ betreffend die Faktoren der Bodendämpfung kritisieren (vgl. Schriftsatz vom 19.12.2016, übergeben in der mündlichen Verhandlung am 20.12.2016), rechtfertigt dies keine abweichende Einschätzung. Zwar mag es zutreffen, dass eine Änderungsfassung der DIN ISO 9613-2 existiert, die die Berücksichtigung von Bodeneffekten neu beurteilt. Jedoch kommt es im vorliegenden Klageverfahren entscheidend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidung an (BVerwG, B.v. 11.1.1991 - 7 B 164/95 - juris Rn. 3). Jedenfalls in diesem Zeitpunkt - 18. Juli 2014 - entfaltete die Fassung der DIN ISO 9613-2 in ihrer ursprünglich dem Schallgutachten zugrunde liegenden Fassung noch Geltung. Da sich die Bindungswirkung der TA Lärm als gesetzeskonkretisierender Verwaltungsvorschrift über Nr. A.2.3.4 des Anhangs zur TA Lärm auch auf die DIN ISO 9613-2 erstreckt, spricht nichts gegen ihre Anwendung im Rahmen einer schalltechnischen Prognoseuntersuchung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die DIN ISO 9613-2 ein geeignetes Regelwerk darstellt, um die Lärmauswirkungen von Windkraftanlagen zu erfassen (BayVGH, B.v. 10.8.2015 - 22 ZB 15.1113 - juris Rn. 10 ff. sowie B.v. 14.9.2015 - 22 ZB 15.1028 - juris Rn. 26). Diese Bindungswirkung entfällt nur, wenn die in der TA Lärm enthaltenen Aussagen durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind und sie deshalb den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Kläger haben dergleichen im Zusammenhang mit der Anwendung der DIN ISO 9613-2 nicht dargelegt. Hinsichtlich der Bodendämpfung bei hohen Schallquellen im Rahmen von Schallausbreitungsberechnungen bestand jedenfalls im Juli 2014 noch ein wissenschaftlicher Diskurs, so dass die Einwände gegen die Schallimmissionsprognose nicht beachtlich sind (zu dieser Fragestellung vgl. OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2016 - 12 ME 132/16 - juris Rn. 59). Selbst der Windenergie-Erlass vom 19. Juli 2016 (Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen; AllMBl. Nr. 10/2016, S. 1642) geht davon aus, dass eine gesicherte Abklärung dieser akustischen Fragestellung derzeit noch nicht vorliegt (vgl. Ziffer 7.3.1 Lärmschutz).

Das Gericht konnte daher im Ergebnis auch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag des Klägerbevollmächtigten ablehnen, der zum einen die Überschreitung der Immissionsrichtwertanteile am klägerischen Anwesen, zum anderen die rechnerische und technische Fehlerhaftigkeit des Nachtragsberichts der ... Süd Industrie Service GmbH vom 30. Juni 2014 zum Inhalt hatte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Zusammenhang explizit ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, sich die erforderliche Sachkunde hinsichtlich einer entscheidungserheblichen Tatsache durch die Verwertung von im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verschaffen (BayVGH, B.v. 14.9.2015 - 22 ZB 15.1028 - juris Rn. 30). Zur Beauftragung eines eigenen Sachverständigen ist das Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 VwGO nur verpflichtet, wenn die vorgelegten Gutachten an offen erkennbaren Mängeln oder unlösbaren Widersprüchen leiden, sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (BayVGH a.a.O. m.w.N.). Da die Kammer - wie soeben dargelegt - keine derartigen Fehler in der gutachtlichen Stellungnahme des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 erkennen konnte, konnte das Gutachten der rechtlichen Prüfung zugrunde gelegt werden, ohne dass eine weitere Begutachtung angezeigt war.

3.1.3. Das Gericht hält es auch für unbedenklich, dass die Immissionsprognose keine Zuschläge für Tonhaltigkeit oder Impulshaltigkeit enthält (OVG Lüneburg, U.v. 12.7.2013 - 12 LA 174/12 - juris). Die anlagenbezogenen Unterlagen enthalten keinerlei Hinweise auf eine Tonhaltigkeit oder eine Impulshaltigkeit der Anlagen. Zudem geht auch der aktuelle Windenergie-Erlass vom 19. Juli 2016 (Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen; AllMBl. Nr. 10/2016, S. 1642) unter Ziffer 7.6 davon aus, dass Windenergieanlagen in der Regel keine Geräusche hervorrufen, die im Hinblick auf ihre außergewöhnliche Störwirkung die Vergabe eines Zuschlags für Ton- oder Informationshaltigkeit oder eines Impulszuschlags rechtfertigen. Diesen Aussagen kommt eine besondere tatsächliche Bedeutung zu, da der Windenergieerlass auch insoweit als antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität zu werten ist (BayVGH, B.v. 10.8.2015 - 22 ZB 15.1113 - juris Rn. 21). Gründe, dass dies in Bezug auf die streitgegenständliche Windkraftanlage anders sein sollte, haben die Kläger nicht vorgebracht.

3.1.4. Auch die von den Klägern geltend gemachte Problematik des Infraschalls führt nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Genehmigungsbescheide. Das Bayerische Landesamt für Umwelt kommt in einer Untersuchung „Windkraftanlagen „Beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“ (März 2012; Aktualisierung: August 2016) zu dem Ergebnis, dass nach heutigem Stand der Wissenschaft Windkraftanlagen beim Menschen keine schädlichen Infraschallwirkungen hervorrufen, weil die von ihnen erzeugten Infraschallpegel in der Umgebung unterhalb der Hör- und Wahrnehmungsgrenzen liegen. Gesundheitliche Wirkungen von Infraschall (< 21 Hz) seien erst in solchen Fällen nachgewiesen, in denen die Hör- und Wahrnehmbarkeitsschwelle überschritten worden sei. Nachgewiesene Wirkungen von Infraschall unterhalb dieser Schwellen lägen nicht vor. Auch der Windkrafterlass Bayern vom 20. Dezember 2011 geht unter Ziffer 8.2.8 (bestätigt durch die Ausführungen im Windenergie-Erlass vom 19.7.2016 unter Ziffer 7.7) davon aus, dass bei den üblichen Abständen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung (> 500 m) die Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung durch Infraschall nicht erreicht werde. Bereits bei einem Abstand von 250 m von einer Windkraftanlage seien im Allgemeinen keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten. Damit kann davon ausgegangen werden, dass bei dem hier gegebenen Abstand der Windkraftanlage zum Grundstück der Kläger von mehr als 1.000 m keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Infraschall gegeben sind. Die Kläger verweisen hier ohne jegliche Präzisierung auf „aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse“. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und kann den oben geschilderten Erkenntnisstand nicht widerlegen.

3.1.5. Insgesamt erweist sich die Lärmprognose deshalb nach Überzeugung des Gerichts als hinreichend gesichert. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine Umstände, die dem Gericht Anlass geben könnten, die dem Verwaltungsverfahren zugrunde liegende Lärmprognose in Zweifel zu ziehen. Von Seiten der Kläger wurden keine durchgreifenden Einwendungen gegen die Methodik sowie die gefundenen Ergebnisse der Schallprognose des TÜV Süd vorgebracht. Die von den Klägern durchgeführten Stichprobenmessungen (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8. April 2016) führen zu keiner abweichenden Beurteilung, da die Messungen aufgrund fehlender Informationen zu deren wissenschaftlicher Begleitung und zur Methodik in einem auf einen Tag begrenzten Zeitraum nicht geeignet sind, die Feststellungen eines Sachverständigengutachtens zu erschüttern. Zudem ist nach Überzeugung des Gerichts durch die verfügten Auflagen der Schutz des Wohngebäudes der Kläger ausreichend gewährleistet. Das wohl allenfalls theoretisch vorhandene Risiko einer tatsächlichen Überschreitung träfe nach der eingetretenen Bestandskraft der Genehmigungen allein die Beigeladenen.

3.2. Die von den Klägern geltend gemachten Einwände zu fehlenden Auflagen zum Schattenwurf im Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Ausführungen im Gutachten des TÜV Süd vom 30. Juni 2014 (S. 67/68 des Verfahrensordners) zu der abweichenden Rotorblattgeometrie des geänderten Anlagentyps, durch die sich ein geringerer Beschattungsbereich als in der ursprünglichen Genehmigungskonstellation ergibt, sind plausibel. Nach dem Gutachten sind die Werte einer maximal zulässigen Verschattungsdauer eingehalten (S. 67 des Verfahrensordners). Die Aussagen des Gutachtens wurden nicht substantiiert angegriffen.

3.3. Auf eine Gefährdung durch Eiswurf können die Kläger ihren Klageantrag nicht stützen. Zwar zählt die Gefährdung durch Eiswurf zu den sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder Belästigungen für die Nachbarschaft i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (BayVGH, B.v. 31.10.2008 - 22 CS 08.2369; B.v. 9.2.2010 - 22 CS 09.3168 - beide juris; OVG Koblenz, U.v. 12.5.2011 - 1 A 11186/08 - NVwZ-RR 2011, 759). Andererseits ist eine unmittelbare Betroffenheit der Kläger nicht erkennbar, da eine besondere Gefährdungssituation für das etwa 1.600 m entfernte Grundstück der Kläger nicht erkennbar ist (so auch BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 22 CS 15.686 u.a. - juris Rn. 27). Nur auf diesen Aspekt ist abzustellen, nicht hingegen auf eine Gefährdung von Nutzern der Waldwege im unmittelbaren Umfeld der Windkraftanlage. Bei Spaziergängern und sonstigen Nutzern des Waldgebiets für Erholungszwecke handelt es sich nicht um „Nachbarn“ gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, da diese Personen keine besondere persönliche oder sachliche Bindung von hinreichender Dauer zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage aufweisen (Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 80. EL Mai 2016, BImSchG § 5 Rn. 87).

Im Übrigen sind aber auch die erforderlichen Vorkehrungen getroffen. Wann durch Eiswurf von Windkraftanlagen ausgehende sonstige Gefahren als relevant und deshalb als unzumutbar zu qualifizieren sind, ist im BImSchG sowie in den aufgrund des BImSchG erlassenen Verordnungen nicht geregelt. Die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 19. Juli 2016 (Windenergie-Erlass Bayern) haben zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter. Sie sind aber als Verwaltungsvorschriften von den Genehmigungsbehörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Windkraftanlagen zu Grunde zu legen und können auch im gerichtlichen Verfahren bei der Untersuchung der Erheblichkeit von Gefahren herangezogen werden, weil sie auf sachverständigen Erkenntnissen beruhen und von einer entsprechend besetzten Kommission erarbeitet wurden (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 zur Anlage 6 des Windkrafterlasses Bayern und VG Minden, B.v. 13.12.2012 - 11 L 529/12 - beide juris). Eine ausdrücklich auf die von Windkraftanlagen ausgehende Gefährdung durch Eiswurf bezogene Vorgabe enthielt schon Ziffer 8.2.10 des Windkrafterlasses Bayern aus dem Jahr 2011. Ziffer 7.9 des Windenergie-Erlasses 2016 bestätigt dies. Danach sind Windkraftanlagen generell so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu einer Gefährdung durch Eisabwurf kommt. Ferner gelten entsprechend dieser Einschätzung im Windenergie-Erlass 2016 in nicht besonders eisgefährdeten Regionen Abstände größer als das Eineinhalbfache der Summe aus Rotordurchmesser und Nabenhöhe im Allgemeinen als ausreichend. Da vorliegend die Abstände zu gefährdeten Objekten gemäß der Vorgaben des Windkrafterlasses Bayern eingehalten sind, bestehen keine Bedenken gegen die Formulierung der Auflage unter IV. 1.4 im Bescheid vom 18. Juli 2014, wonach die Anlagen mit funktionssicheren technischen Einrichtungen auszustatten sind, die einen Eisansatz an den Rotorblättern erkennen und die Anlage sicher in den Rotorstillstand oder Trudelbetrieb versetzen. Ein entsprechender Nachweis ist vor Inbetriebnahme zu erbringen. Unter Berücksichtigung dessen kann von einem verbleibenden Restrisiko, also von einem Risiko gesprochen werden, welches von der Anlage ausgeht, nachdem sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden und das sinnvoller Weise, nämlich nach dem Maßstabe praktischer Vernunft nicht mehr minimierbar ist (vgl. hierzu ausführlich OVG Koblenz, U.v. 12.5.2011 - 1 A 11186/08 - NVwZ-RR 2011, 759). Ein solches - durch geeignete Sicherungsmaßnahmen vermindertes - Restrisiko ist jedoch hinzunehmen (vgl. Windenergie-Erlass 2016 unter Ziffer 7.9 a.E.).

Die Beweisanträge, die der Klägerbevollmächtigte hierzu in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, waren zum einen deshalb abzulehnen, weil es sich bezüglich der technischen Realisierbarkeit der Installation des vom Klägerbevollmächtigten in seinem Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 beschriebenen Eiserkennungssystems um einen unzulässigen Beweisermittlungs-, d.h. Ausforschungsantrag handelt. Zum anderen ist die Beweistatsache nicht entscheidungserheblich, da - wie soeben dargelegt - durch die Verfügung entsprechender Auflagen im Genehmigungsbescheid das Risiko von Schäden aufgrund Eiswurfs auf ein hinzunehmendes Restrisiko begrenzt wurde. Die Durchsetzung der Auflagen ist eine Frage des Vollzugs des Bescheids, welcher von der zuständigen Behörde in der Folgezeit überwacht werden muss. Soweit der Klägerbevollmächtigte Zeugen für die Tatsache benannt hat, die einen tatsächlich erfolgten Eiswurf im näheren Umfeld der streitgegenständlichen Windenergieanlage bestätigen, kann diese Tatsache als wahr unterstellt werden. Für die Frage einer Rechtsverletzung der Kläger sowie für die Frage, ob die Auflagen im Bescheid vom 18.7.2014 unter Nr. IV.1.4 zum Eiswurf ausreichend sind, ergeben sich hieraus keine Auswirkungen.

4. Die erteilte Genehmigung verletzt die Kläger auch nicht bezüglich des im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Gemäß § 13 BImSchG schließt die immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die erforderliche Baugenehmigung ein (Ziffer I.1. des Tenors des Bescheides vom 18.7.2014).

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Windkraftanlage auf Grund ihrer Höhe sowie der ständigen Drehbewegung ihres Rotors eine optisch bedrängende Wirkung entfalten und damit gegen das in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme verstoßen kann; dabei kommt es für die Frage der optisch bedrängenden Wirkung entscheidend nicht auf die Baumasse des Turms der Anlage, sondern die in der Höhe wahrzunehmende Drehbewegung des Rotors an (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2014 - 22 ZB 14.680 - juris Rn. 20 f.). Dabei wird nach der Rechtsprechung bei einem Abstand zwischen Wohnhaus und Windkraftanlage von mindestens dem Dreifachen der Gesamthöhe (Nabenhöhe + halber Rotordurchmesser) der geplanten Anlage die Einzelfallprüfung überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass von der Anlage keine optisch bedrängende Wirkung zu Lasten der Wohnnutzung ausgeht (BayVGH, U.v. 29.5.2009 a.a.O.; B.v. 6.10.2011 - 22 ZB 11.1585 - juris Rn. 12 f.). Allein die Sichtbarkeit vieler Anlagen führt noch nicht zu einer bedrängenden Wirkung. Das Gebot der Rücksichtnahme vermittelt dem Nachbarn keinen Anspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Aussicht (VG Düsseldorf, U.v. 21.7.2011 - 11 K 8105/09 - juris Rn. 88). Die streitgegenständliche Windkraftanlage (WEA 4) hat eine Höhe von 199 m (Nabenhöhe 140,6 m sowie halber Rotordurchmesser = 58,4 m). Damit kann bei einem Abstand der Anlage von ca. 1.600 m zum Anwesen der Kläger - auch bei einer Berücksichtigung der weiteren Anlagen des „B* … S* … W* …“ - nicht mehr von einer bedrängenden Wirkung ausgegangen werden, auch wenn die Anlage geringfügig höher als das Grundstück der Kläger liegt. Dieser Geländeanstieg kann bei der angegebenen Entfernung nicht zu einer bedrängenden Wirkung führen. Zwar ist immer eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen, die etwa auch die Häufung von Windkraftanlagen und die erhöhte Lage der Anlagen beachtet (BayVGH, B.v. 20.11.2014 - 22 ZB 14.1829 - juris Rn. 24). Neben der Höhe der Windkraftanlage und dem Rotordurchmesser sind darüber hinaus die örtlichen Verhältnisse in die Einzelfallbewertung einzustellen. So ist u.a. die Lage bestimmter Räumlichkeiten und deren Fenster sowie von Terrassen u.ä. zur Windkraftanlage von Bedeutung. Weitere Gesichtspunkte, die für die Frage der Zumutbarkeit eine Rolle spielen, sind bestehende Abschirmungen, der Blickwinkel auf die Anlage, die Hauptwindrichtung, eine etwaige Vorbelastung sowie die Existenz möglicher und zumutbarer Ausweich- und/oder Abschirmungsmaßnahmen (VG Düsseldorf, U.v. 21.7.2011 - 11 K 8105/09 - juris Rn. 76). Inwiefern die Belange der Kläger in einer das Rücksichtnahmegebot verletzenden Weise beeinträchtigt werden, wird vom Bevollmächtigten der Kläger hier jedoch nicht qualifiziert vorgebracht und ist auch sonst angesichts der Entfernung der Anlagen nicht ersichtlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kläger nahe am Rand zum Außenbereich als dem geeigneten Aufstellungsort für Windkraftanlagen leben, wobei dies im Rahmen der zu fordernden „gegenseitigen Rücksichtnahme“ zu Lasten der Kläger zu Buche schlägt.

5. Von der Windenergieanlage gehen keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausreichenden Brandgefahren aus. Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind den sonstigen Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions- und Brandgefahren (VGH Baden-Württemberg, U.v. 12.3.2015 - 10 S 1169/13 - juris). Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht. Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2014 - 7 B 27.14 - BRS 82 Nr. 83; VGH Baden-Württemberg, U.v. 12.3.2015 - 10 S 1169/13 - juris). Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist vorliegend nicht zu erkennen. Die hier zugrunde zu legenden, als Risikoakzeptanzschwelle anzunehmenden, jeder Person zumutbaren Risiken sind vergleichbar mit dem Risiko, einen Verkehrs- oder sonstigen Unfall zu erleiden und werden grundsätzlich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 33.300 Jahren angenommen (vgl. VGH Kassel, U.v. 26.9.2013 - 9 B 1674/13 - juris Rn. 24). Die Kläger haben nicht dargelegt, dass dieses Risiko im Fall der von der streitgegenständlichen Windenergieanlage ausgehenden Gefahren erreicht wird oder gar signifikant erhöht ist und es aus diesem Grund eines weitergehenden Schutzkonzeptes bedürfte, das über die getroffenen Vorkehrungen und die in den Nebenbestimmungen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verankerten Anforderungen (vgl. Auflagen unter Ziffern 2.9, 2.12 bis 2.22 des Bescheids vom 18.7.2014) hinausginge. Die Umsetzung dieser Auflagen wird überwiegend auch dadurch sichergestellt, dass der Kreisbrandrat im Vorfeld der Inbetriebnahme der Anlage in Kenntnis gesetzt wird (vgl. insbesondere Ziffer 2.16 und 2.17).

Auch die angeführte Gefahr infolge der Verwendung eines sog. CFK-Werkstoffs (Bildung krebserregender Stoffe im Brandfall) bei den im Änderungsgenehmigungsverfahren genehmigten Anlagen des Typs Nordex leidet unter der mangelnden Darlegung einer erhöhten Eintrittswahrscheinlichkeit der behaupteten Brandgefahr und führt schon deshalb nicht zum Erfolg. Der diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisantrag zu den Fragen des Brandschutzes (Verwendung des CFK-Werkstoffes, davon ausgehende Gefahren sowie unzureichende Brandschutzvorrichtungen; vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.12.2016) war daher abzulehnen. Es handelt sich im Übrigen um einen unzulässigen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag. Ein Beweisantrag ist unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungsantrag insoweit handelt, als er lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen (vgl. etwa BVerwG, B.v. 22.10.2014 - 8 B 99/13 - juris Rn. 40). Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten zu einer möglichen unzumutbaren Belastung infolge einer Verwendung des CFK-Werkstoffes ist zu unsubstantiiert, d.h. so unbestimmt, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen (Verwendung des CFK-Werkstoffes bei Anlagen des Typs Nordex und Schädlichkeit im Brandfall) aufdecken kann. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte im gerichtlichen Verfahren auf diese Aspekte hingewiesen und das Brandschutzkonzept für alle Nordex-Windenergieanlagen sowie einen Bericht des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)/Forschungsstelle für Brandschutztechnik zum Thema „Eigenschaften und Abbrandverhalten von Faserverbundwerkstoffen, speziell Kohlefaserverbundwerkstoffen (CFK), sowie erforderliche Maßnahmen“ (März 2015) vorgelegt (Anlage zum Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 8.8.2016). Aus diesen allgemeinen Ausführungen und Unterlagen, die im Übrigen in keinem direkten Zusammenhang stehen, ergibt sich jedoch kein konkreter Hinweis auf eine potentielle Gefährdung der Kläger in der Situation des Brandfalles. Aus der Begründung des Beweisantrags haben sich für das Gericht keine greifbaren Anhaltspunkte für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsachen ergeben (vgl. BVerwG a.a.O.).

6. Die Kläger können keinen Verstoß gegen die sog. 10 H-Regelung aus Art. 82 Abs. 1 BayBO geltend machen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich klargestellt, dass Art. 82 Abs. 1 BayBO lediglich die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB entfallen lässt, aber die Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen gem. § 35 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umwelteinwirkungen, Gebot der Rücksichtnahme auch im Hinblick auf optisch bedrängende Wirkungen) unberührt lässt (BayVGH, B.v. 20.7.2016 - 22 ZB 16.11 - juris Rn. 9).

Unabhängig davon, dass sich die Kläger als Nachbarn auf die Einhaltung dieser Vorschrift nicht berufen können (kein Schutz des Nachbarn - Schutznormtheorie), ist die Regelung auf den vorliegenden Fall auch nicht anwendbar (BayVGH a.a.O. - juris Rn. 10 f.). Da sie erst zum 21. November 2014 in Kraft getreten ist (vgl. § 3 des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung u.a. vom 17.11.2014, GVBl. S. 178), kann sie für die vor diesem Zeitpunkt erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 28. Februar 2014 und 18. Juli 2014 keine Geltung beanspruchen. Art. 82 BayBO sieht keine Rückwirkung für bereits abgeschlossene Genehmigungsverfahren vor. Die in Art. 83 Abs. 1 BayBO enthaltene Altfall-Regelung betrifft Fälle, in denen - anders als hier - ein Genehmigungsbescheid erst nach Inkrafttreten der Neuregelung ergeht; lediglich insoweit ist auf den Zeitpunkt des Eingangs der vollständigen Antragsunterlagen bei der zuständigen Behörde abzustellen.

7. Die unbegründete Klage war mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Nachdem die Beigeladenen zu 1) und 2) mit der Stellung eines Sachantrages nach § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen sind, entspricht es nach § 162 Abs. 3 VwGO der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung

1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und
3.
im Falle eines Verfahrens nach
a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war;
b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.

(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn

1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt,
2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und
3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
Bei einer ausländischen Vereinigung gelten die Voraussetzungen der Nummer 3 als erfüllt. Mit der Bestandskraft einer die Anerkennung versagenden Entscheidung wird der Rechtsbehelf unzulässig.

(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit

1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder
2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Bei Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 4 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Absatz 10 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen.

(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen folgende Entscheidungen:

1.
Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach
a)
dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung,
b)
der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder
c)
landesrechtlichen Vorschriften
eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bestehen kann;
2.
Genehmigungen für Anlagen, die in Spalte c des Anhangs 1 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen mit dem Buchstaben G gekennzeichnet sind, gegen Entscheidungen nach § 17 Absatz 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, gegen Erlaubnisse nach § 8 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für Gewässerbenutzungen, die mit einem Vorhaben im Sinne der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) verbunden sind, sowie gegen Planfeststellungsbeschlüsse für Deponien nach § 35 Absatz 2 des Kreislaufwirtschaftgesetzes;
2a.
Genehmigungen für Anlagen nach § 23b Absatz 1 Satz 1 oder § 19 Absatz 4 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder Zulassungen für Betriebspläne nach § 57d Absatz 1 des Bundesberggesetzes;
2b.
Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die benachbarte Schutzobjekte im Sinne des § 3 Absatz 5d des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darstellen und die innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zu einem Betriebsbereich nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verwirklicht werden sollen und einer Zulassung nach landesrechtlichen Vorschriften bedürfen;
3.
Entscheidungen nach dem Umweltschadensgesetz;
4.
Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen im Sinne von § 2 Absatz 7 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und im Sinne der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, für die nach
a)
Anlage 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder
b)
landesrechtlichen Vorschriften
eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann; ausgenommen hiervon sind Pläne und Programme, über deren Annahme durch formelles Gesetz entschieden wird;
5.
Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden, und
6.
Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach den Nummern 1 bis 5, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen.
Dieses Gesetz findet auch Anwendung, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach Satz 1 getroffen worden ist. Unberührt bleiben
1.
§ 44a der Verwaltungsgerichtsordnung,
2.
§ 17 Absatz 3 Satz 3 bis 5 und § 19 Absatz 2 Satz 5 bis 7 des Standortauswahlgesetzes sowie
3.
§ 15 Absatz 3 Satz 2 des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes Übertragungsnetz, § 17a Absatz 5 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 6 Absatz 9 Satz 1 des Windenergie-auf-See-Gesetzes, § 47 Absatz 4 und § 49 Absatz 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und andere entsprechende Rechtsvorschriften.
Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn eine Entscheidung im Sinne dieses Absatzes auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist.

(2) Dieses Gesetz gilt auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone oder des Festlandsockels im Rahmen der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799, 1995 II S. 602).

(3) Soweit in Planfeststellungsverfahren, die Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 5 unterfallen, Rechtsbehelfe nach diesem Gesetz eröffnet sind, wird § 64 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes nicht angewendet.

(4) Umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne dieses Gesetzes sind Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf

1.
den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 1 des Umweltinformationsgesetzes oder
2.
Faktoren im Sinne von § 2 Absatz 3 Nummer 2 des Umweltinformationsgesetzes
beziehen.

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

Tenor

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 wird geändert.

II.

Der Bescheid des Landratsamtes Donau-Ries vom 5. März 2015 wird aufgehoben, soweit darin die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windkraftanlagen auf dem Grundstück Fl.Nr. 200 der Gemarkung W. (sog. WEA 1 und WEA 2) abgelehnt wurde. Der Beklagte wird verpflichtet, insoweit über den Genehmigungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Klägerin zu 2/3, der Beklagte und die Beigeladene zu je 1/6.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windkraftanlagen.

Mit am 18. Mai 2012 beim Landratsamt Donau-Ries eingegangenem Schreiben stellte die Klägerin einen Genehmigungsantrag betreffend drei Windkraftanlagen (im Verfahren als „Windpark W.“ mit den Anlagen WEA 1, 2 und 3 bezeichnet) mit jeweils einer Nabenhöhe von 140 m, einem Rotordurchmesser von 112 m und einer Gesamthöhe von 196 m, die auf den Grundstücken Fl.Nrn. 189 und 200 der Gemarkung W. im Gemeindegebiet der Beigeladenen errichtet werden sollten.

Die Klägerin legte dem Landratsamt ein Gutachten vom 30. Januar 2014 unter dem Titel „Horstsuche“, ein „Gutachten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) - Neufassung“ vom 27. Februar 2014 sowie eine „Raumnutzungsanalyse kollisionsgefährdeter Vogelarten“ vom 29. August 2014 vor.

In einer Stellungnahme des Landratsamtes Donau-Ries - untere Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014 wird u. a. ausgeführt, im Gebiet der geplanten Windkraftanlagenstandorte würden kollisionsrelevante Arten als stabile Brutvögel vorkommen, speziell Rotmilan, Wespenbussard und Baumfalke. Die sicher gefundenen Horste von Baumfalke und Wespenbussard und die höchstwahrscheinlichen Brutplätze von Rotmilan und Schwarzmilan würden im Nahbereich von Anlagenstandorten des geplanten Windparks liegen. Beim Rotmilan sei trotz eindeutiger revieranzeigender Aktivitäten kein Horst nachgewiesen worden. Aufgrund eindeutiger Indizien werde jedoch von einem Rotmilan-Traditionsrevier ausgegangen. Es bestehe weiter der begründete Verdacht eines Schwarzmilanhorstes östlich von Pessenburgheim. Erkenntnislücken in den klägerischen Gutachten würden durch Beobachtungen von W. Bürgern ergänzt. Aufgrund der sehr hohen Qualität der von diesen Bürgern vorgelegten Dokumentationen sei von einer prägnanten Aussagekraft dieser Beobachtungen auszugehen. Es sei aller Wahrscheinlichkeit durchschnittlich mit insgesamt ca. 250 Durchflügen des Rotmilans pro Jahr bezogen auf alle im Untersuchungsraum geplanten Windkraftanlagen zu rechnen. Der Untersuchungsraum sei als Nahrungsraum grundsätzlich geeignet, wenn auch die Nahrungshabitate nicht gleichmäßig ausgeprägt seien. Die Nahrungssuchflüge würden über den ganzen Untersuchungsraum verteilt erfolgen. In der Stellungnahme wird weiter von einer „Regelvermutung“ im Windkrafterlass vom 20. Dezember 2011 ausgegangen, wonach Anlagen in einem Umkreis von einem Kilometer um „Revierzentren“ nicht „mit den Artenschutzanforderungen in Einklang“ stünden, es sei denn, es werde nachgewiesen, dass die Flugaktivitäten in diesem Radius so seien, dass die Vögel mit den Windkraftanlagen nicht in Kontakt kämen. Es sei im vorliegenden Fall bei allen drei Arten (Rotmilan, Wespenbussard, Baumfalke) davon auszugehen, dass es keine festen Flugkorridore mit weitgehender Meidung der „WEA-Bereiche“ gebe, weil die Wald-Offenland-Verteilung und die „diffuse“ Verteilung von Restgrünlandzonen über die gesamten Randlagen des Gebietes in erhöhtem Maße Waldrandflüge und Gebietsquerungen vermuten ließen. Somit stünden solche Standorte, bei denen sich im Umkreis von einem Kilometer ein „Revierzentrum“ einer der „vier Arten“ befinde, nicht im Einklang mit den Artenschutzvorschriften. Da Baumfalke und Wespenbussard störungsempfindlich hinsichtlich Veränderungen in ihrem Lebensraum seien, werde nach dem Vorsorgeprinzip ein Radius von einem Kilometer um den jeweiligen Horst gezogen, um negative Auswirkungen auszuschließen. Im Ergebnis sei von mehr als nur vereinzelten Durchflügen und bei allen drei geplanten Standorten für mindestens jeweils eine Art (Rotmilan, Schwarzmilan, Baumfalke oder Wespenbussard) von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen.

Mit Bescheid vom 5. März 2015 lehnte das Landratsamt Donau-Ries den Antrag der Klägerin vom 18. Mai 2012 auf Errichtung und Betrieb eines Windparks bestehend aus drei Windkraftanlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. 200 und 189 der Gemarkung W. ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die unter Zugrundelegung des Windkrafterlasses vom 20. Dezember 2011 gewonnene Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde Bezug genommen, wonach der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bei Verwirklichung des Vorhabens als erfüllt anzusehen sei. Das Tötungsrisiko für die besonders geschützten Arten Rotmilan, Schwarzmilan, Wespenbussard und Baumfalke sei danach signifikant erhöht. Die Standorte der geplanten Anlagen befänden sich nachweislich im Bereich von Nahrungshabitaten und Bruträumen geschützter kollisionsgefährdeter Arten. Die der Einschätzung zugrunde liegenden dokumentierten Flugbewegungen würden sich eindeutig der vom Vorhaben betroffenen Flur zuordnen lassen und seien aussagekräftig. Die Genehmigungsbehörde mache sich infolgedessen die Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde zu Eigen.

In Reaktion auf die vorgenannte Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 legte die Klägerin eine Ausarbeitung vom 24. März 2015 unter dem Titel „Abwägung Stellungnahme untere Naturschutzbehörde, Landratsamt Donau-Ries“ vor. Darin werden vermeintliche fachliche und methodische Defizite in der Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 aufgeführt. Die untere Naturschutzbehörde ging in einer weiteren Stellungnahme vom 17. Juni 2015 auf das von der Klägerin eingeholte Gutachten vom 24. März 2015 ein.

Mit Urteil vom 2. Juli 2015 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage der Klägerin ab, mit der diese einen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Erlaubnis entsprechend ihrem Antrag vom 18. Mai 2012 geltend gemacht hatte. Der Erteilung der begehrten Erlaubnis stünden Belange des Naturschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen, da das Vorhaben der Klägerin gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstoße. Die Beurteilung des Beklagten betreffend ein durch die geplanten Windkraftanlagen signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für besonders kollisionsgefährdete Vogelarten bewege sich im Rahmen der ihm zustehenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative.

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gegen das Urteil vom 2. Juli 2015 beantragt die Klägerin zuletzt:

1. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 (Az. Au 4 K 14.795) wird festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid der Klägerin vom 5. März 2015, soweit er sich auf die Windenergieanlage des Typs V112 - 3.0 MW mit einer Nabenhöhe von 140 m und einer Gesamthöhe von 196 m über Grund auf dem Grundstück Flurstück 189 (WEA 3) der Gemarkung W. bezieht, rechtswidrig ist und bis zum 31. Januar 2016 ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bestand.

2. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 (Az. Au 4 K 14.795) wird der Beklagte im Übrigen verpflichtet, unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 der Klägerin die mit Datum vom 15. Mai 2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs V112 - 3.0 MW mit einer Nabenhöhe von je 140 m und einer Gesamthöhe von je 196 m über Grund auf dem Grundstück Flurstück 200 (WEA 1 und 2) der Gemarkung W. zu erteilen.

3. Hilfsantrag zum Antrag unter Ziffer 2.: Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2015 (Az.: Au 4 K 14.795) wird der Beklagte im Übrigen verpflichtet, unter teilweiser Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 über den Antrag vom 15. Mai 2012 auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs V112 - 3,0 MW mit einer Nabenhöhe von je 140 m und einer Gesamthöhe von je 196 m über Grund auf dem Grundstück Flurstück 200 (WEA 1 und 2) der Gemarkung W. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Zur Begründung machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Beklagte habe im Rahmen seiner Einschätzung vom 7. Oktober 2014 die Grenzen seines Beurteilungsspielraums in mehrerlei Hinsicht massiv überschritten. Bereits auf der Ebene der Erfassung der Rohdaten sei die untere Naturschutzbehörde nicht fachmethodisch nachvollziehbar vorgegangen. Bei der Bestandserfassung zum Rotmilan und zum Baumfalken sei gegen das Willkürverbot verstoßen worden. Die Gutachten der Klägerin würden einheitlich zeigen, dass im Vorhabengebiet das Bestehen eines Rotmilanhorstes ausgeschlossen werden könne. Der Baumfalkenhorst sei inzwischen unstreitig nicht mehr existent. Selbst bei Unterstellung einer Reviertreue des Baumfalken sei nicht anzunehmen, dass er sich wieder in dem Gebiet ansiedeln werde bzw. mit dessen häufigem Aufenthalt im Gefahrenbereich des Vorhabens zu rechnen sei. Im Jahr 2015 habe der Baumfalke im Umfeld des ehemaligen Horststandortes nicht mehr gebrütet. Auf der Ebene der Auswertung habe die Behörde die Rohdaten mit einer aus der Luft gegriffenen Berechnungsmethode ausgewertet. Das von W. Bürgern vorgelegte 25-stündige Videomaterial sei nur stichprobenartig untersucht, nicht dagegen wie erforderlich umfassend geprüft worden. Auch auf der Ebene der Bewertung greife die Behörde zu Maßstäben, die aus fachlicher Sicht keine Rechtfertigung fänden. Die Ergebnisse des Gutachters würden durch den angewandten Korrekturfaktor verfälscht. Die angenommene Signifikanzschwelle von 15 jährlichen Überflügen für die Annahme eines relevanten Tötungsrisikos sei nicht nachvollziehbar und gehe von einer falschen Beurteilungsgrundlage aus. Die Signifikanz sei stets in Abgrenzung zum allgemeinen Tötungsrisiko im jeweiligen Naturraum sowie vorhabenspezifisch zu bestimmen. Das angenommene relevante Tötungsrisiko könne jedenfalls durch Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen ausgeschlossen werden, welche bei der Behördenentscheidung hätten berücksichtigt werden müssen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die untere Naturschutzbehörde habe weder auf der Ebene der Bestandserfassung oder der Auswertung, noch auf der Ebene der Bewertung die Grenzen des bestehenden Beurteilungsspielraums überschritten. Die von W. Bürgern an diese Behörde herangetragenen Daten seien nur als ergänzende Hinweise zu den klägerischen Gutachten berücksichtigt worden. Diese Daten seien zweifellos hinreichend substantiiert. Es seien ein besetzter Wespenbussardhorst nachgewiesen und Indizien für ein Rotmilan-Revier im Vorhabengebiet vorgelegt worden. Außerdem seien im Umfeld der geplanten Anlagen geeignete Nahrungshabitate für den Rotmilan dokumentiert worden. Zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „signifikant erhöhten Tötungsrisikos“ könne sich die Behörde als Hilfsmittel bei der Erstellung der Prognose Hochrechnungen bedienen. Da es keine Untersuchungen bzw. verlässlichen Angaben darüber gebe, wie viele Gefahrenbereichsdurchflüge statistisch zu einer Kollision führen würden, sei man hier auf Annahmen angewiesen, die nach dem Erfahrungswissen der Fachbehörde plausibel seien. Die Unterlagen des Gutachters, ergänzt durch die Daten der W. Bürger, würden nicht ergeben, dass die Standorte der Windkraftanlagen gemieden oder selten überflogen würden, so dass von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen sei. Es sei eine ortsspezifische Prüfung durch die Betrachtung der jeweiligen Anlagenstandorte und eine vorhabenspezifische Prüfung anhand der Risikomerkmale einer Windkraftanlage erfolgt. Im Genehmigungsverfahren seien keine ausreichend prüffähigen Unterlagen zu Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen vorgelegt worden. Am 18. Juli 2015 sei von W. Bürgern ein neuer Baumfalkenhorst in ca. 220 m Entfernung zum Althorst nachgewiesen worden; ein erfolgreicher Brutnachweis sei am 16. August 2015 gelungen. Das Traditionsrevier des Rotmilans sei 2015 wieder besetzt worden, was durch einen beobachteten Balzflug und einen Jungmilan nachgewiesen sei. Mitte August 2015 seien sowohl Alt- wie auch Jungvögel der Wespenbussard-Art festgestellt worden. Die Beteiligung der höheren Naturschutzbehörde sei im Wesentlichen in Form von Besprechungsterminen sowie Telefonaten mit Mitarbeitern des Landratsamtes Donau-Ries erfolgt.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Genehmigungsbehörde sei verpflichtet gewesen, die Erkenntnisse der W. Bürger in ihre Beurteilung einzubeziehen. Die Genehmigungsbehörde habe von der ihr zustehenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Die artenschutzfachlichen Untersuchungen hätten sowohl in ihrem methodischen Vorgehen, als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausgereicht, um die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen. Die Behörde sei dabei nicht vom Windenergieerlass abgewichen. Die Klägerin setze mit ihren Einwänden in unzulässiger Weise ihre naturschutzfachliche Bewertung anstelle derjenigen der Behörde.

Unter Vorlage naturschutzfachlicher Gutachten vom 28. April und 18. Mai 2016 führte die Klägerin weiter aus, am 19. April 2016 sei ein bisher nicht existenter Rotmilanhorst festgestellt worden. Entsprechend der fachlichen Empfehlung des Gutachters werde die Projektierung der Windkraftanlage WEA 3 nicht mehr weiter verfolgt und insoweit auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Durch die beiden südlich gelegenen Anlagenstandorte WEA 1 und WEA 2 werde das Tötungsverbot dagegen nicht verletzt. Aus der Unterschreitung des Prüfbereichs von 1.000 m könne kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko hergeleitet werden. Die bisherigen Beobachtungen des klägerischen Gutachters würden eine deutliche Tendenz dafür zeigen, dass die Flüge des neuangesiedelten Rotmilans außerhalb der Standorte der zwei weiterhin geplanten Anlagen erfolgten. Gegenteilige Beobachtungen durch die untere Naturschutzbehörde und von W. Bürgern würden nicht die tatsächliche Nutzung des hier maßgeblichen Vorhabengebietes wiedergeben. Es könne auf Grundlage solcher Beobachtungen auch nicht die Aussage getroffen werden, dass das Vorhabengebiet ständig oder regelmäßig durch vier Rotmilane genutzt werde. Es bedürfe vielmehr einer dem bayerischen Windkrafterlass entsprechenden Raumnutzungsuntersuchung. Die Raumnutzung durch den Rotmilan habe durch die neuerlichen Untersuchungen - wenn auch noch nicht abschließend - festgestellt werden können. Verbleibende Restrisiken wegen naturbedingt bislang nur drei Begehungen des Gutachters könnten durch die Umsetzung des von diesem vorgeschlagenen Maßnahmenkonzepts ausgeschlossen werden. Diese Maßnahmen würden u. a. die Gestaltung des Mastfußbereichs und des direkten Anlagenumfelds, die Abschaltung der Windkraftanlagen zur Bodenbearbeitung, Ernte oder Mahd und die Schaffung von Ablenkungsflächen durch für Greifvögel attraktive Bewirtschaftung umfassen. Soweit im Hinblick auf die Annahme eines neuen Baumfalkenhorstes die Raumnutzungsuntersuchungen noch nicht abgeschlossen seien und noch Restzweifel bestehen sollten, werde ebenfalls auf das Maßnahmenkonzept verwiesen, mit dem auch für den Baumfalken das vermeintliche Tötungsrisiko unter die Signifikanzschwelle abgesenkt werde. Für die konkrete Ausgestaltung der vorgeschlagenen Maßnahmen würden verschiedene Alternativen existieren. Hinsichtlich der Art und Weise der Ausgestaltung dieser Maßnahmen würde sich die Klägerin den Wünschen des Beklagten anpassen, soweit sie fachlich und rechtlich vertretbar seien. Durch die neue Ansiedlung des Rotmilans in der Nähe der Windkraftanlage WEA 3 sei ein erledigendes Ereignis eingetreten. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse liege wegen einer Wiederholungsgefahr bezogen auf ein in der Nachbargemeinde von der Klägerin verfolgtes Windenergieprojekt vor. In diesem Genehmigungsverfahren habe sich bereits gezeigt, dass der Beklagte wie im vorliegenden Fall von einer Bürgerinitiative gesammelte Daten bei der Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit dieser Anlagen heranziehe. Es bestehe die Gefahr, dass derartige Daten auch in diesem Fall nur stichprobenartig geprüft und dennoch insgesamt als „verwertbar und entscheidungserheblich“ bewertet und vollständig einbezogen würden.

Der Beklagte führte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2016 unter Vorlage einer Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Mai 2016 im Wesentlichen aus, das von der Klägerin vorgelegte Maßnahmenkonzept sei nicht geeignet, die Absenkung des Tötungsrisikos unter die Signifikanzschwelle hinreichend darzulegen. Es gebe zudem auf dem Gebiet der Vermeidungsmaßnahmen bei Greifvögeln keine gängige bzw. etablierte Praxis mit anerkannten Maßnahmen und Vorgaben. Die Existenz des vermeintlich neuen Rotmilanhorstes sei bereits vor 2016 bekannt gewesen. Der Bildnachweis sei am 16. August 2015 erbracht wurden, mithin nach der Brutsaison 2015, was dafür spreche, dass es sich hierbei um einen traditionellen Horst handle.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 22 BV 15.1959 sowie auf die von Seiten des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs beigezogenen Vorgänge des Landratsamtes in beiden Verfahren Bezug genommen.

Gründe

Hinsichtlich des mit dem Hauptantrag Nr. 2 geltend gemachten Anspruchs auf Genehmigungserteilung zur Errichtung und zum Betrieb der zwei streitgegenständlichen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 ist die Berufung zurückzuweisen (I.). Die Berufung hat lediglich hinsichtlich des diesbezüglichen Hilfsantrags (Antrag Nr. 3) Erfolg, so dass der Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Ablehnung zu verpflichten war, über den Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs erneut zu entscheiden (II.). Bezüglich des Fortsetzungsfeststellungsantrags Nr. 1 betreffend die Windkraftanlage WEA 3 ist die Klage bereits unzulässig, so dass die Berufung auch insofern zurückzuweisen ist (III.).

I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zu, die beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Aufgrund der naturschutzfachlichen Beurteilung des Beklagten ist nicht auszuschließen, dass dem Vorhaben der Klägerin das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG entgegensteht. Obwohl der Beklagte derzeit in rechtlich fehlerhafter Weise vom Entgegenstehen des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots ausgeht, steht nicht fest, dass eine fehlerfreie Ausübung der artenschutzfachlichen Einschätzungsprärogative durch die Genehmigungsbehörde zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen wird. Der Verwaltungsgerichtshof kann die insofern fehlende Spruchreife nicht selbst herbeiführen (vgl. auch BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - NuR 2014, 736 Rn. 42).

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in seinemUrteil vom 29. März 2016 - 22 B 14.1875 und 1876 u. a. folgendes ausgeführt (Rn. 38 und 39):

Das in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG statuierte Verbot, Tiere einer besonders geschützten Art zu töten, wird verletzt, wenn sich das Risiko, dass ein solcher Erfolg eintritt, durch das zu beurteilende Vorhaben in signifikanter Weise erhöht (BVerwG, U. v. 12.3.2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 219; U. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 90; U. v. 27.6.2013 - 4 C 1.12 - BVerwGE 147, 118 Rn. 11). Nicht erfüllt ist dieser Verbotstatbestand, wenn die den geschützten Tieren drohende Gefahr in einem Bereich verbleibt, der mit dem stets bestehenden Risiko vergleichbar ist, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden (BVerwG, U. v. 9.7.2008 a. a. O. Rn. 91). Bei der Prüfung der Frage, ob der artenschutzrechtliche Tötungstatbestand erfüllt ist, steht der öffentlichen Verwaltung auch in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einschließlich solcher, die die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen zum Gegenstand haben, ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 - 7 C 40.11 - NVwZ 2014, 524 Rn. 14). Diese Einschätzungsprärogative bezieht sich sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare dieser Art bei einer Verwirklichung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden (BVerwG, U. v. 27.6.2013 a. a. O. Rn. 14; U. v. 21.11.2013 a. a. O. Rn. 19).

2. Der Beklagte ist hier aufgrund seiner naturschutzfachlichen Bewertung zur Einschätzung gelangt, dass durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlagen der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verwirklicht würde.

In seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 (dort S. 21) führt das Landratsamt Donau-Ries - untere Naturschutzbehörde aus, die geplanten Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 hätten hinsichtlich der Arten des Rotmilans und des Wespenbussards ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zur Folge. Diese Einschätzung wurde nach Einwendungen der Klägerin in einer weiteren Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Juni 2015 aufrechterhalten und im vorliegenden Verfahren vom Beklagten aufgrund des aktuellen Erkenntnisstands bestätigt (vgl. Aktenvermerk der unteren Naturschutzbehörde vom 14. April 2016). In der mündlichen Verhandlung führten die Vertreter der Naturschutzbehörden ebenfalls aus, dass im vorliegenden Fall die festgestellten Flugbewegungen sowie Gelände- und Habitat-Strukturen die Feststellung von durch den Rotmilan gemiedenen oder nur selten überflogenen Bereichen innerhalb des sogenannten Prüfbereichs 1 nicht zulassen würden. Damit wurde auf die „Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA)“ (im Folgenden „Windkrafterlass Bayern“) vom 20.12.2011 (AllMBl 2012, S. 34), Bezug genommen, wonach in diesem Prüfbereich nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses um eine geplante Windkraftanlage von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko auszugehen ist, wenn eine Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten bezüglich der Individuen der betreffenden Arten nicht ergibt, dass der vorgesehene Windkraftanlagenstandort gemieden oder selten überflogen wird (S. 42). In einem Schreiben der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Mai 2016 heißt es zu einem von der Klägerin vorgelegten Maßnahmenkonzept zur Minimierung des Kollisionsrisikos für den Rotmilan zusammenfassend, für eine abschließende Beurteilung sei dieses Konzept entschieden zu unkonkret. Nach einer ersten groben Einschätzung sei nicht erkennbar, ob und wie ein Ausmaß an Vermeidungswirkung erzielt werden könne, welche das Tötungsrisiko unter die Erheblichkeitsschwelle absenken könne. Bezüglich einer von der Klägerin aktualisierten Konzeptfassung vom 22./23. Mai 2016 erklärte der Vertreter der Regierung von Schwaben in der mündlichen Verhandlung, es sei sehr schwierig, in einem Fall wie dem vorliegenden mithilfe eines Ablenkungsflächenkonzepts Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Ein Vertreter des Landesamtes für Umwelt führte aus, die im Konzept vorgeschlagenen Ablenkungsflächen lägen zu nahe an den Standorten der strittigen Windkraftanlagen, dies erscheine ihm zu riskant. Die Fachbeistände der Klägerin hätten nach seiner Einschätzung nicht aufgezeigt, wie gleichwohl eine Unterschreitung der Signifikanzschwelle bei der Gefährdung im Hinblick auf das Tötungsrisiko um einen besetzten Brutplatz erreicht werden könne.

3. Diese naturschutzfachlichen Beurteilungen begegnen zwar rechtlichen Bedenken (vgl. unten II.1.). Im Hinblick auf diese naturschutzfachlichen Beurteilungen der Naturschutzbehörden kann aber nicht festgestellt werden, dass durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 insbesondere in Bezug auf den Rotmilan kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verursacht würde. Der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG war daher als Genehmigungshindernis (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG) im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt. Eine weitergehende Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof im Wege der Amtsermittlung zu den naturschutzfachlichen Entscheidungsgrundlagen scheidet aus, da hierdurch keine Spruchreife der Streitsache im Sinne von § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herbeigeführt werden könnte. Die Bewertung zur Frage, ob der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist, setzt die Bewertung der zuständigen Naturschutzbehörden unter Inanspruchnahme ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative voraus. Dem Verwaltungsgerichtshof ist es im Hinblick auf diesen Beurteilungsspielraum verwehrt, seine eigene Bewertung an die Stelle der fachbehördlichen Einschätzung zu setzen (vgl. auch BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - NuR 2014, 736 Rn. 37).

4. Der gegebenenfalls eingreifende artenschutzrechtliche Verbotstatbestand kann hier allerdings nicht durch Erteilung einer Ausnahme (§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG) überwunden werden. Der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass aus seiner Sicht jedenfalls diejenige Voraussetzung des Ausnahmetatbestands, wonach sich durch das Vorhaben der Klägerin der Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Arten nicht verschlechtern darf (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG), aus seiner Sicht nicht vorliegt. Die Prüfung der naturschutzfachlichen Voraussetzungen einer Ausnahmeerteilung unterliegt wiederum der behördlichen Einschätzungsprärogative (BVerwG, U. v. 23.4.2014 - 9 A 25/12 - BVerwGE 149, 289 Rn. 116). Die vorgenommene Bewertung durch die Naturschutzbehörden begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. dazu näher unter II.3.).

II. Die Klägerin kann jedoch beanspruchen, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs über den Genehmigungsantrag betreffend die geplanten Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). In diesem Zusammenhang sind die naturschutzfachlichen Grundlagen zur Prüfung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG weiter aufzuklären und zu bewerten.

1. Unter Beachtung der oben (I.1.) genannten rechtlichen und fachlichen Vorgaben begegnet die Bejahung des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG durch den Beklagten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Bedenken. Somit steht nicht fest, dass dem Vorhaben der Klägerin (WEA 1 und WEA 2) ein artenschutzrechtliches Verbot nach § 44 Abs.1 Nr. 1 BNatSchG entgegensteht.

a) Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 29. März 2016 - 22 B 14.1875 und 1876 näher dargelegt hat (Rn. 40 und 41) lassen sich Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten erforderlichen Maßnahmen mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben; sie hängen wesentlich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (BVerwG, B. v. 18.6.2007 - 9 VR 13.06 - Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 2 Rn. 20; U. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 59). Der „Windkrafterlass Bayern“ konkretisiert Art und Weise der insoweit gebotenen Erhebungen näher. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden (BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - NuR 2014, 736/738).

b) Es ergibt sich nicht bereits aufgrund bisher vorliegender Erkenntnisse und naturschutzfachlicher Bewertungen, dass ein erhebliches Tötungsrisiko für die Art des Rotmilans wegen zu geringen Abstands zwischen dem lokalisierten Horst und den strittigen geplanten Windkraftanlagen gegeben wäre.

aa) Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war gegenüber dem Sachstand des die Genehmigungserteilung ablehnenden Bescheides vom 5. März 2015 insoweit eine neue Sachlage eingetreten, als mittlerweile ein Rotmilan-Horst lokalisiert worden war. Mit Schriftsatz vom 26. April 2016 legte der Beklagte einen Aktenvermerk des Landratsamtes Donau-Ries vom 14. April 2016 vor, demzufolge das Revierzentrum eines Rotmilans aufgrund weiterer Beobachtungen lokalisiert werden konnte; es liege nunmehr ein eindeutiger Beweis für einen besetzten Horst vor. Die gleichzeitige Anwesenheit von mindestens vier verschiedenen Rotmilanen im Bereich westlich bzw. nordwestlich von W. bedeute ferner, dass sich in der Nachbarschaft entweder ein weiteres Rotmilan-Revier befinde oder zumindest weitere Rotmilane den Raum nutzten. Zwar sind die Naturschutzbehörden bereits vor diesem Horstfund von einem Vorkommen des Rotmilans als Brutvogel im Untersuchungsgebiet ausgegangen. Trotz aus behördlicher Sicht eindeutiger revieranzeigender Aktivitäten konnte jedoch kein Horst nachgewiesen werden (vgl. Stellungnahme des Landratsamtes Donau-Ries - untere Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014, dort unter C., S. 4). Nach Angaben der unteren Naturschutzbehörde (Stellungnahme vom 17. Juni 2015, Nr. 9, Seite 4 unten/Seite 5 oben) war die Lage des Revierzentrums zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt; es sei lediglich aufgrund der verschiedenen vorliegenden Indizien ein Bereich abgegrenzt worden, innerhalb dessen sich das Revierzentrum mutmaßlich befinden dürfte.

Diese Feststellungen stimmen mit Zwischenergebnissen einer aktuellen Raumnutzungsanalyse des klägerischen Gutachters überein, die mit Stand vom 28. April und vom 18. Mai 2016 vorgelegt wurde. Danach wurde im Untersuchungsgebiet ein besetzter Rotmilanhorst festgestellt, der sich in einem Abstand von 300 m zum Anlagenstandort Nr. 5 (entspricht der Standortbezeichnung WEA 3 im Genehmigungsverfahren) sowie in einer Entfernung von 820 bzw. 860 m zu den Standorten Nr. 7 (Standort WEA 1) und Nr. 8 (Standort WEA 2) befinde (vgl. Tabelle unter Nr. 2.2, S. 3 des Gutachtens vom 28.4.2016).

bb) Dem Windkrafterlass Bayern 2011 (dort S. 42) zufolge ist bei der Prüfung der Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG grundlegend zwischen Prüfbereichen bei Brutplätzen einerseits (Anlage 2 zum Windkrafterlass, dort Spalte 2) und Prüfbereichen zur Untersuchung von Nahrungshabitaten andererseits (Anlage 2, Spalte 3) zu unterscheiden. Ergibt die Untersuchung der Aufenthaltswahrscheinlichkeiten bezüglich der Individuen der betreffenden Art in dem in Anlage 2 Spalte 2 angegebenen Prüfbereich nicht, dass die Windkraftanlage gemieden oder selten überflogen wird, ist in diesem Bereich von einem erhöhten Tötungsrisiko auszugehen. Außerhalb der in Anlage 2 Spalte 2 genannten Abstände führt eine großräumige und diffuse Verteilung der Nahrungshabitate in der Regel nicht zu erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich einer Anlage. Vielmehr müssen die Nahrungshabitate eine räumlich gut abgrenzbare kleinere Teilmenge innerhalb der Prüfkulisse nach Anlage 2 Spalte 3 darstellen, die regelmäßig über die Anlage angeflogen werden.

In der aktuell geltenden Fassung vom 20. Dezember 2011 sieht der Windkrafterlass Bayern in Anlage 2 in Spalte 2 (Abstand Brutvorkommen zur WKA) für den Rotmilan einen Prüfbereich von 1.000 m, in Spalte 3 (Abstand für regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate) einen Prüfbereich von 6.000 m vor. Es ist davon auszugehen, dass sich mittlerweile ein von der derzeit geltenden Festlegung im Windkrafterlass abweichender allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durch die Festlegung eines Mindestabstands von 1.500 m für den Rotmilan durch die „Abstandsempfehlungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Stand April 2015)“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW) durchgesetzt hat (BayVGH, U. v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 und 1876 - Rn. 45). Im vorliegenden Fall liegen die zwei streitgegenständlichen Windkraftanlagenstandorte allerdings bereits innerhalb des in der bisherigen Fassung des Windkrafterlasses festgelegten engeren Prüfbereichs von 1.000 m zum Rotmilanhorst.

Aus dem Wortlaut des Windkrafterlasses ergibt sich zwar, dass innerhalb des engeren Prüfbereichs nach Anlage 2 Spalte 2 in der Regel mit höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten zu rechnen ist, die ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko zur Folge haben. Andererseits ist diese Vermutung schon nach dem Wortlaut des Windkrafterlasses 2011 einem Gegenbeweis zugänglich, wenn stichhaltige Anhaltspunkte für eine Meidung oder einen seltenen Überflug einer Windkraftanlage vorliegen. Eine entsprechende substantiierte Darlegung stellt die dem Windkrafterlass zugrunde liegende allgemeine naturschutzfachliche Bewertung bei Unterschreitung des engeren Prüfbereichs in Frage. Es entspricht dann grundsätzlich pflichtgemäßem Ermessen (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG), den Sachverhalt unter Beachtung des Windkrafterlasses und der Abstandsempfehlungen der LAG VSW weiter aufzuklären.

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich gegenüber dem Windkrafterlass Bayern vom 20. Dezember 2011 inzwischen teilweise ein abweichender, allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft durchgesetzt hat, was die Abstandsempfehlungen angeht (BayVGH, U. v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 und 1876 - Rn. 45). In den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (Stand April 2015) wird der engere Prüfabstand im Sinne von Anlage 2 Spalte 2 zum Windkrafterlass zwar als „Mindestabstand“ bezeichnet. Aus den Hinweisen zur Anwendung der Abstandsempfehlungen der LAG VSW (dort unter Nr. 2) geht aber hervor, dass diese das „grundsätzlich gebotene Minimum zum Erhalt der biologischen Vielfalt“ berücksichtigen. Dabei könne eine sorgfältige und hinreichende Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange zur notwendigen Rechtssicherheit führen und dadurch auch verfahrensbeschleunigende Wirkung entfalten. Die naturräumlichen Gegebenheiten, die Flächennutzung sowie das vorkommende Artenspektrum in den Bundesländern könnten jedoch unterschiedlich sein, weshalb eine Anpassung der Empfehlungen an landesspezifische Gegebenheiten erforderlich sein könne. Diese Hinweise sprechen dafür, dass die neuen Abstandsempfehlungen zwar allgemeinen naturschutzfachlichen Erfahrungswerten entsprechen und einer vereinfachten Verwaltungs- und Genehmigungspraxis dienen, welche aber eine Prüfung aufgrund besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls oder landesspezifischer Rahmenbedingungen unberührt lässt. Insofern muss stichhaltigen Anhaltspunkten für eine Meidung oder einen seltenen Überflug einer Windkraftanlage auch weiterhin nachgegangen werden. Abgesehen davon könnte eine „Mindestabstandsregelung“ in einer Verwaltungsvorschrift in eindeutig atypischen Fällen schwerlich Geltung beanspruchen (BayVGH, U. v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 und 1876 - Rn. 48).

cc) Im vorliegenden Fall sind stichhaltige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass ein Ausnahmefall vom grundsätzlichen Erfordernis der Einhaltung des regelmäßigen Mindestabstands von 1.500 m zwischen Rotmilanhorst und den geplanten Windkraftanlagen gegeben sein könnte. Eine Klärung der demnach maßgeblichen naturschutzfachlichen Frage einer Meidung und Überflughäufigkeit setzt eine Raumnutzungsuntersuchung entsprechend Anlage 6 zum Windkrafterlass voraus, die danach den Zeitraum von Mitte März bis Ende August umfassen soll (oder aus artenschutzfachlichem Grund den Einsatz einer gleichwertigen Ermittlungsmethode - vgl. BayVGH, U. v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - NuR 2014, 736 Rn. 45 -).

Die von der Klägerin bislang vorgelegten Zwischenergebnisse einer Raumnutzungsuntersuchung (Stand 28.4. und 18.5.2016) sind zwar noch nicht zur abschließenden Klärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geeignet. Entsprechend empfiehlt auch der von der Klägerin beauftragte Gutachter zur abschließenden Bewertung des Tötungsrisikos für den Rotmilan, die Raumnutzung im Laufe der Brutzeit 2016 nach den Vorgaben des bayerischen Windkrafterlasses zu erfassen (vgl. Gutachten vom 28.4.2016, S. 4). Erst auf Grundlage einer solchen vollständigen Untersuchung kann die naturschutzfachliche Bewertung der Naturschutzbehörden erfolgen.

Aus den bislang vorliegenden Erkenntnissen aus der Raumnutzungsanalyse ergeben sich jedoch zumindest stichhaltige Hinweise auf eine mögliche Meidung des Bereichs um die streitgegenständlichen Windkraftanlagen bei den Flugbewegungen von bzw. zu dem festgestellten Rotmilanhorst. Diese Flugbewegungen des Brutpaares erfolgten im Wesentlichen um den unmittelbaren Horststandort sowie von dort Richtung Norden, Osten und Südosten sowie Westen. An insgesamt sechs Beobachtungstagen wurde kein Überflug des Rotmilans im Bereich des Standortes WEA 1 und lediglich ein Überflug nahe des Standortes WEA 2 erfasst (Gutachten vom 18.5.2016, dort Tabelle auf Seite 2).

Die naturschutzfachlichen Untersuchungen aus der Zeit vor Ortung des Rotmilanhorstes sind nicht geeignet, die vorgenannten Anhaltspunkte schlüssig zu entkräften. Zwar wurde dort festgestellt, dass es unter anderem bei dem Rotmilan „keine festen Flugkorridore mit weitgehender Meidung der WEA-Bereiche“ gebe, weil die Wald-Offenland-Verteilung und die „diffuse“ Verteilung von Restgrünlandzonen über die gesamten Randlagen des Gebietes in erhöhtem Maße Waldrandflüge und Gebietsquerungen vermuten lassen würden (vgl. Stellungnahme vom 7.10.2014, dort unter V., S. 10). Der zu beurteilende Untersuchungsraum sei als Nahrungsraum grundsätzlich geeignet, wenn auch die Nahrungshabitate nicht gleichmäßig ausgeprägt seien. Dadurch bedingt würden die Nahrungssuchflüge über den ganzen Untersuchungsraum, „sozusagen kreuz und quer“ verteilt erfolgen (a. a. O. S. 9). Weiter hat die untere Naturschutzbehörde angenommen, dass die in der Raumnutzungsanalyse 2014 festgestellte Nutzung des gesamten Untersuchungsraums durch den Rotmilan mit den ermittelten Indizien für ein Rotmilan-Revier im Bereich der geplanten Windkraftanlagen übereinstimme (a. a. O., S. 18). Diese Aussagen passen in der Tat nicht zu der von der Klägerin vorgelegten Raumnutzungsanalyse vom April und Mai 2016. Der Verwaltungsgerichtshof kann hierfür keine schlüssige Erklärung finden, jedenfalls nicht in dem Sinn, dass die von der Klägerin genannten Anhaltspunkte schlüssig entkräftet wären.

Insbesondere werfen die Beobachtungen von 2014 Zweifel an ihrer Aktualität auf. Die im Rahmen dieser Untersuchungen im Jahr 2014 festgestellten Flugbewegungen sind zum einen hinsichtlich der festgestellten Dichte von Flugbewegungen im Bereich des nunmehr festgestellten Horstes offensichtlich nicht vergleichbar. Zum anderen ergibt sich aus der Raumnutzungsanalyse 2014 gerade kein räumlicher Schwerpunkt der Flugaktivitäten. Insbesondere konnte keine Raumnutzung mit einem deutlichen Aktivitätszentrum rund um den nun festgestellten Horst nachgewiesen werden; dies ist im Hinblick darauf, dass mehr als 50% der Flugaktivitäten zur Brutzeit im Bereich um den Neststandort stattfinden (vgl. Abstandsempfehlungen der LAG VSW, dort unter Nr. 3), im Hinblick auf die aktuellen Untersuchungsergebnisse nicht (mehr) schlüssig. Gegenstand der Raumnutzungsanalyse 2014 und der dazu erfolgten naturschutzfachlichen Bewertungen waren Flugbewegungen des Rotmilans insgesamt; eine Beurteilung zur Frage einer Meidung oder eines seltenen Überflugs bei Flugaktivitäten im 1.500 m-Radius rund um ein konkretes Brutvorkommen konnte damals nicht angestellt werden. Den Zwischenergebnissen der Raumnutzungsanalyse 2016 zum Stand 18. Mai 2016 ist dagegen ein markantes Aktivitätszentrum rund um den festgestellten Horst und eine Konzentration der Flüge in einem Raumsegment westlich, nördlich, östlich und südöstlich hiervon zu entnehmen. Gegen eine Meidung des Gebiets der zwei strittigen Windkraftanlagen spricht zwar auch, dass nach den bisherigen Feststellungen gerade auch der klägerischen Gutachter der gesamte Untersuchungsraum von Rotmilanen ohne erkennbare Schwerpunkte genutzt wurde. Die klägerischen Gutachter haben angenommen, dass in der Zeit von Mai bis Juli das Untersuchungsgebiet keine ausreichende Nahrung biete und das Tal der Kleinen Paar im Westen sowie das Haselbach-/Krebsbachtal im Nordosten mit einem höheren Grünlandanteil offenbar intensiver genutzte Nahrungsräume seien (vgl. Raumnutzungsanalyse kollisionsgefährdeter Vogelarten vom 29.8.2014, dort unter 3.2, S. 6). Weiter wurde auch das Rößbachtal im Süden der geplanten Windkraftanlagen-Standorte als einer der nächsten großen Lebensraumkomplexe mit potenziell wichtiger Funktion als Nahrungsgebiet für den Rotmilan eingestuft (vgl. saP-Neufassung vom 27.2.2014, dort Erläuterung zur Abbildung 11, S. 64). Dies könnte es zwar erklären, wenn nach Abschluss der begonnenen Raumnutzungsanalyse 2016 von dem nun bekannten Horst ausgehend auch Flüge in die südliche Richtung des Rößbachtals festgestellt würden. Eine derartige Mutmaßung allein ohne jegliche tatsächliche Ermittlungsergebnisse würde indes die Grenzen der artenschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative überschreiten. Gerade vor diesem Hintergrund ist grundsätzlich eine den Anforderungen des Windkrafterlasses unmittelbar oder sinngemäß entsprechende Raumnutzungsanalyse geboten, um den aktuell entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln.

c) Für den Fall, dass die Vermutung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos wegen der Lage des Brutvorkommens innerhalb des Prüfabstands nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses und den neueren Abstandsempfehlungen widerlegt würde, wäre weiter zu prüfen, ob innerhalb des Prüfradius nach Anlage 2 Spalte 3 und auch diesbezüglich den neuen Abstandsempfehlungen regelmäßig aufgesuchte, räumlich abgrenzbare Nahrungshabitate liegen und inwieweit sich die geplanten Windkraftanlagen gegebenenfalls in betreffenden Flugkorridoren befinden. Diese Prüfung erfordert zunächst auch die Klärung, welche Horste im Umkreis aktuell bestehen, worauf der Vertreter der höheren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat.

d) Auf der Grundlage einer den vorstehenden Ausführungen Rechnung tragenden Tatsachenermittlung hätte weiter eine naturschutzfachliche Würdigung des Sachverhalts durch die hierzu berufenen Naturschutzbehörden zu erfolgen.

e) Weiter ist der Sachverhalt in Bezug auf ein möglicherweise signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bezüglich der Arten des Baumfalken, des Wespenbussards und des Schwarzmilans nicht hinreichend geklärt.

aa) Im klägerischen Gutachten vom 28. April 2016 wird ausgeführt (dort Ziffer 2.1, S. 2 und 3), dass davon auszugehen sei, dass es sich bei im April 2016 beobachteten Exemplaren des Baumfalken um ein Brutpaar handle. Es sei nun ein neuer Horststandort anzunehmen, so dass eine neu zu bewertende Situation entstanden sei. Es werde empfohlen, die weitere Entwicklung am angenommenen Horststandort sowie die Raumnutzung im Laufe der Brutzeit 2016 entsprechend dem bayerischen Windkrafterlass weiter zu beobachten. In der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. Oktober 2014 (dort S. 21) wurde davon ausgegangen, dass in Bezug auf den Baumfalken bei den geplanten Windkraftanlagenstandorten 7 und 8 kein erhöhtes Tötungsrisiko vorliege und daher eine Ablehnung insoweit lediglich nach dem „Vorsorgeprinzip“ erfolgen könne. Dies entspricht aber nicht § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG in der Auslegung, die er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gefunden hat. Das Landratsamt muss also auch insofern eine neue Ermittlung und Bewertung entsprechend dem Windkrafterlass 2011 unter Berücksichtigung der neuen Abstandsempfehlungen vornehmen oder veranlassen.

bb) Von den klägerischen Gutachtern wurde in Bezug auf den Wespenbussard ausgeführt, dass sich derzeit nicht aktuell beurteilen lasse, ob sich im Planungsgebiet ein Brutrevier befinde (Gutachten vom 18.5.2016, S. 2). Der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014 zufolge befinden sich die strittigen Windkraftanlagenstandorte WEA 1 und WEA 2 im Prüfradius von 1.000 m nach Anlage 2 Spalte 2 zu einem Brutvorkommen des Wespenbussards. Auch wird dort davon ausgegangen, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko in Bezug auf den Wespenbussard im Falle der Windkraftanlage WEA 1 durch den Gutachter der Klägerin festgestellt worden sei (S. 20, Grafik unter IX.). Allerdings hat die Behörde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass ungeklärt bleibe, ob ein Zusammenhang zwischen dem nachgewiesenen Horst des Wespenbussards im Süden des Untersuchungsgebiets und den aufgezeichneten Flugbewegungen bestehe. Aufgrund des vorliegenden Datenmaterials könne nicht ausgeschlossen werden, dass weiter nördlich von diesem Horst ein zweites Revier liege (Stellungnahme vom 17.6.2015, S. 4). Diese Überlegungen sind angesichts der Kartierung der Flugbewegungen des Wespenbussards (Stellungnahme vom 7.10.2014, S. 19 unter VII.B.) nachvollziehbar; es sind dort keine Flugbeziehungen zwischen dem Vorhabengebiet und dem südlich davon angenommenen Horst verzeichnet. Damit liegen aber stichhaltige Anhaltspunkte (vgl. oben 1. b) bb)) dafür vor, dass ausgehend von dem südlich gelegenen Brutplatz die Windkraftanlagenstandorte im Sinne des Windkrafterlasses gemieden werden könnten und gegebenenfalls ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht bereits wegen der Unterschreitung des Prüfradius von 1.000 m anzunehmen wäre. Diese Prüfung kann nicht dadurch abgekürzt werden, dass auch im Falle des Wespenbussards ein „Vorsorgeabstand“ von 1.000 m angenommen wird. Sollte der Ausnahmefall bezüglich des Tötungsrisikos im engeren Prüfbereich nach Anlage 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses tatsächlich vorliegen, so wäre weiter zu prüfen, ob es unabhängig hiervon im Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte zu höheren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten kommt oder der Nahbereich der Anlage, z. B. bei Nahrungsflügen, signifikant häufiger überfolgen wird (vgl. Windkrafterlass Bayern, S. 42).

cc) Bezüglich des Schwarzmilans fehlen bislang konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verbotstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt sein könnte. In ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 (dort Tabelle unter IX., S. 20) ist die untere Naturschutzbehörde davon ausgegangen, dass die Errichtung und der Betrieb der strittigen Windkraftanlagen WEA 1 und WEA 2 mit keinem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Schwarzmilan verbunden wäre. Allerdings könnten die zugrunde liegenden Erkenntnisse im Falle einer erneuten Entscheidung über den Genehmigungsantrag der Beigeladenen nicht mehr als hinreichend aussagekräftig gelten. Insoweit erscheint es nahe liegend, die von der Klägerin beauftragte Raumnutzungsuntersuchung auch auf den Schwarzmilan zu erstrecken.

2. Der Klägerin könnte ein Genehmigungsanspruch auch dann zustehen, wenn die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos wegen bestimmter Vermeidungsmaßnahmen ausgeschlossen werden könnte.

a) Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass es Sache des Anlagenbetreibers ist, zur Verwirklichung seines Vorhabens ein prüffähiges und erfolgversprechendes Vermeidungskonzept vorzulegen, und Sache der Genehmigungsbehörde, dieses unter Inanspruchnahme ihrer Einschätzungsprärogative zu bewerten. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 9. BImSchV sind dem Antrag (auf Genehmigung) die Unterlagen beizufügen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV sind, falls wie hier die Zulässigkeit des Vorhabens nach Vorschriften über Naturschutz zu prüfen ist, die hierfür erforderlichen Unterlagen beizufügen. Diese Unterlagen müssen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV insbesondere Angaben über Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Natur enthalten. Die naturschutzfachliche Bewertung derartiger Unterlagen ist bisher noch nicht in rechtlich ausreichendem Umfang geschehen.

Die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative der Naturschutzbehörden bei der Beurteilung der Betroffenheit von Arten bezieht sich auch auf die Wirksamkeit vorgeschlagener Vermeidungsmaßnahmen, da sich insoweit noch kein auf die Untersuchungssituation bezogener anerkannter Standard der Fachwissenschaft herausgebildet hat (BVerwG, B. v. 29.10.2014 - 7 VR 4/13 - ZUR 2015, 163 Rn. 15; B. v.28.11.2013 - 9 B 14/13 - UPR 2014, 141 Rn. 26). Standardisierte Vorgaben für den Regelfall existieren insofern nicht. Im Windkrafterlass 2011 (Nr. 9.4.3, S. 46 bis 48) wird allgemein ausgeführt, dass mithilfe geeigneter Maßnahmen in manchen Fällen die Erfüllung des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes abgewendet werden kann. Auch in den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (dort S. 21) wird lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass Minderungsmaßnahmen von der zeitweiligen Abschaltung von Anlagen über die Verringerung der Habitat-Attraktivität bis hin zum Rückbau von besonders gefährlichen Anlagen reichen. Ferner sehen auch die von der Klägerin zitierten „Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 (dort Nr. 5.2.3.1) vor, dass eine Beurteilung der Wirksamkeit der in sogenannten „Artensteckbriefen“ zu den einzelnen Arten genannten Vermeidungsmaßnahmen zumindest eine Prognose voraussetzt, welche die Annahme einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit ergeben muss. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Realisierung bestimmter standardisierter Vermeidungsmaßnahmen generell der Eintritt eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos ausgeschlossen werden kann. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob und gegebenenfalls aufgrund welcher Maßnahmen in einer konkreten Ausgestaltung dieses Ziel voraussichtlich erreicht werden kann.

b) Die Klägerin hat ein hinreichend konkretes Vermeidungskonzept vorgelegt, das eine fachliche Bewertung durch die Naturschutzbehörden erlaubt. Ungeachtet dessen müsste das Konzept - falls es von den Naturschutzbehörden grundsätzlich als tauglich angesehen werden sollte - voraussichtlich weiter konkretisiert werden.

Die Vermeidungsmaßnahmen wurden unter der Annahme entwickelt, dass die strittigen Windkraftanlagenstandorte WEA 1 und WEA 2 außerhalb des Bereichs der hauptsächlichen Raumnutzung durch den Rotmilan liegen und dazu dienen können, den Eintritt des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG auszuschließen (Gutachten vom 28.4.2016, dort S. 4). Wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist die Anlage bestimmter Ablenkungsflächen. Die Eignung der dafür vorgesehenen Flächen setzt u. a. voraus, dass diese langfristig für diesen Zweck gesichert sind. Entsprechendes gilt für Flächen im Umgriff der geplanten Windkraftanlagen, um eine für den Rotmilan unattraktive Gestaltung dieses Bereichs umzusetzen, wie sie im Maßnahmenkonzept enthalten ist. Die Klägerin hat zumindest konkret vorgetragen, dass entsprechende Verträge bezüglich der Flächen im Umgriff der von ihr geplanten Windkraftanlagenstandorte bestehen und zum anderen die Klägerin über einen Flächenpool für die vorgesehenen Ablenkungsflächen verfügt. Diese Flächen seien ebenfalls komplett in Bewirtschaftung von Vertragspartnern der Klägerin, so dass auch der Umsetzung von Optimierungsmaßnahmen keine Gründe entgegenstünden (Schriftsatz vom 3.5.2016, S. 37 f.). Auch ist die gewählte Lage der Ablenkungsflächen zu den geplanten Windkraftanlagenstandorten grundsätzlich plausibel. Der klägerische Gutachter geht davon aus, dass Ablenkungsflächen möglichst außerhalb eines 1.000 m-Radius um die Windkraftanlage liegen sollten (Stellungnahme vom 28.4.2016, dort S.6). Gleichzeitig haben die Fachbeistände der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erläutert, weshalb aus ihrer Sicht im Nordosten des Rotmilanhorstes möglichst nahe bei diesem ein für den Rotmilan attraktives Nahrungshabitat geschaffen werden solle. Diese fachlichen Kriterien für die Flächenauswahl orientieren sich an den „Hinweisen zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 (dort Nr. 9.17.2. - „Hinweise zur Bemessung von Vermeidungsmaßnahmen für den Rotmilan“). Danach sollen Ablenkungsflächen außerhalb eines 1 km-Radius um die Windkraftanlage und möglichst so lokalisiert werden, dass die Tiere auf dem Weg vom Horst zu den Ablenkungsflächen die geplanten Windkraftanlagen nicht überfliegen. Im vorliegenden Fall befinden sich die geplanten Windkraftanlagenstandorte in einer Distanz von zumindest ca. 750 m bis 800 m zum südlichen Rand der vorgeschlagenen Ablenkungsflächen (vgl. Karte „Maßnahmenkonzept Rotmilan“ vom 28.4.2016). Ob das - gerade angesichts der nunmehr nach gesicherter wissenschaftlicher Auffassung gebotenen Erweiterung der um einen Rotmilan-Horst zu ziehenden „engeren Prüfzone“ von 1.000 m auf 1.500 m - ausreicht, bedarf der naturschutzfachlichen Bewertung. Auch liegen die Ablenkungsflächen vom Rotmilan-Horst aus gesehen in nordwestlicher bis östlicher Richtung, die Windkraftanlagenstandorte dagegen in entgegengesetzter Richtung (Standort WEA 1 im Südwesten, Standort WEA 2 im Süden).

c) Die Naturschutzbehörden haben hier aufgrund einer vorläufigen fachlichen Bewertung die Einschätzung geäußert, dass das von der Klägerin bislang vorgelegte Konzept für Vermeidungsmaßnahmen noch nicht die Prognose zulässt, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko insbesondere für Exemplare des Rotmilans ausgeschlossen wäre (vgl. oben zu I.2.). Diese Beurteilung wurde zunächst mit Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Mai 2016 auf Grundlage des damaligen Konzeptstandes vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung - unter Einbeziehung der bis dahin kurzfristig erfolgten Konkretisierungen bestimmter Vermeidungsmaßnahmen - zumindest aufgrund einer kursorischen Bewertung bestätigt. Die in der mündlichen Verhandlung von Seiten des Beklagten vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Konzeptvorschläge sind zwar nicht von vornherein unbeachtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Aussage des Vertreters des Landesamtes für Umwelt, die Ablenkungsflächen würden im vorliegenden Fall zu nahe an den Standorten der strittigen Windkraftanlagen liegen.

Andererseits steht eine eingehendere, im Einzelnen nachvollziehbare naturschutzfachliche Bewertung von Vermeidungsmaßnahmen in Bezug auf das klägerische Vorhaben noch aus. Es erscheint derzeit zumindest nicht als bereits von vornherein ausgeschlossen, dass ein eventuell signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch geeignete Vermeidungsmaßnahmen unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden könnte. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Behörde ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko aufgrund ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative rechtsfehlerfrei bejahen sollte, die Überschreitung der Signifikanzschwelle aber vergleichsweise gering ist. Die Vertreter der Naturschutzbehörden haben sich in der mündlichen Verhandlung lediglich dahingehend geäußert, dass es sehr schwierig sei, in einem Fall wie dem vorliegenden mithilfe eines Ablenkungsflächenkonzepts Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Aufgrund einer Raumnutzungsuntersuchung entsprechend dem Windkrafterlass hätte daher die untere Naturschutzbehörde im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu prüfen, inwieweit ein von der Klägerin vorgelegtes Vermeidungskonzept geeignet wäre, ein gegebenenfalls festgestelltes Tötungsrisiko für Exemplare bestimmter Arten unter die Signifikanzschwelle zu senken.

3. Der Ausnahmetatbestand nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG ist hier allerdings nicht erfüllt. Sollte das Landratsamt ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko rechtsfehlerfrei bejahen, bestünden für die Behörde diesbezüglich keine weiteren Verpflichtungen. Die Naturschutzbehörden haben nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls die Voraussetzung, dass sich durch das Vorhaben der Klägerin der Erhaltungszustand der betreffenden Population des Rotmilans nicht verschlechtern darf (§ 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG), nicht erfüllt ist. Die Grenzen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative wurden dabei nicht überschritten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Regierung von Schwaben - höhere Naturschutzbehörde ausgeführt, es sei zu befürchten, dass im Falle einer Tötung des Rotmilan-Brutpaares, das den neu aufgefundenen Horst besiedelt habe, ein weiteres Brutpaar den dann verwaisten Horst in Besitz nehmen würde, so dass es in der Folge zu weiteren Opfern kommen würde. Es sei darauf hinzuweisen, dass im 6 Kilometer-Umkreis um die strittigen Windkraftanlagen vier weitere Rotmilan-Horste nachgewiesen seien; dies ergebe sich aus der Artenschutzkartierung Bayern sowie aus Erkenntnissen im Zusammenhang mit einem weiteren Genehmigungsverfahren. Diese Horststandorte waren auch bereits in der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 7. Oktober 2014 (dort Grafik auf S. 10) zugrunde gelegt worden. Die bei einer Ortseinsicht durch einen Mitarbeiter des Landratsamtes Donau-Ries gemachten Beobachtungen würden zudem einen ausreichenden Brutnachweis für den Rotmilan in einem weiteren Bereich ergeben. In der Artenschutzkartierung seien allerdings möglicherweise Horste verzeichnet, die vor etwa 10 bis 15 Jahren festgestellt worden sein. Wenn es darauf ankomme, müsse das Bestehen dieser Horste sicherlich überprüft werden. Es könne aber auch genügen, dass lediglich der Nachweis eines Rotmilan-Reviers geführt werde. Bei genauerer Überprüfung würde man allerdings mit Sicherheit den bisher aktenkundigen Zustand verifizieren, eher noch einen zusätzlichen Rotmilan-Horst bzw. ein zusätzliches Rotmilan-Revier feststellen können.

Diese Bewertung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zwar als sachlich nicht begründbar bezeichnet. Sie ist jedoch gerade auch im Hinblick auf die „Arteninformationen zu saP-relevanten Arten“ des Landesamtes für Umwelt, auf die der Windkrafterlass Bayern auf Seite 39 unter Angabe der Fundstelle im Internet (http://www.lfu.bayern.de/natur/sap/index.htm) verweist, schlüssig. Danach sind reich strukturierte Landschaften wie die Rhön oder die Iller-Lech-Schotterplatten in Bayern Schwerpunkte der Ansiedlung des Rotmilans. Der Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte gehört zum zweitgenannten Landschaftsraum. Entsprechend ist in den vorgenannten Arteninformationen in der Fundkarte zum Rotmilan unter anderem in dieser Region eine erhöhte Zahl von Nachweisen des Rotmilans verzeichnet (Zeitraum ab 1980 bis zum letzten Daten-Import am 23.2.2016). Auch nach dem Windkrafterlass Bayern 2011 (S. 41) sind diese Verbreitungsdaten in der Arbeitshilfe des Landesamtes für Umwelt Grundlage zur Feststellung der aktuell im Gebiet vorkommenden relevanten Arten. Dem ist zu entnehmen, dass in einer Region über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnene Funde eine Einschätzung zu Siedlungsschwerpunkten erlauben, trotz einer möglicherweise gewissen Schwankungsbreite in der Anzahl der genutzten Horste. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass die höhere Naturschutzbehörde bei ihrer Einschätzung zu einer Mehrzahl von Rotmilan-Revieren im Bereich der strittigen Windkraftanlagenstandorte auch Angaben aus der Artenschutzkartierung herangezogen hat. Im Übrigen betrifft die zur Prüfung des Ausnahmetatbestandes erforderliche Prognose über eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands der betreffenden Population der Art durch das Vorhaben einen längerfristigen Zeithorizont. Es ist daher einleuchtend, wenn die Naturschutzbehörden hierbei nicht allein auf einen momentanen Sachstand, sondern auch auf über einen längeren Zeitraum hinweg gewonnene Erkenntnisse abstellen, denen aus ihrer Sicht eine Aussagekraft für eine längerfristige Prognose zukommt.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist die Bewertung der Naturschutzbehörden nachvollziehbar, wonach infolge der Realisierung des klägerischen Vorhabens - wenn es denn zur Verwirklichung des Tatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG käme - eine Beeinträchtigung der Population des Rotmilans zu erwarten wäre. Aufgrund der Mehrzahl von Rotmilan-Horsten in der näheren Umgebung der Vorhabenstandorte ist von einer hohen Verlustquote auszugehen, da bei Tötung des am neu lokalisierten Horst-Standort brütenden Paares weitere Rotmilane auf diesen Standort nachrücken würden und damit gleichermaßen gefährdet wären. Derartige kumulierende Effekte können sich auch nach den Feststellungen der LAG VSW (vgl. Abstandsempfehlungen vom April 2015, dort Nr. 4) mittelfristig großräumig und damit auf der Ebene von Populationen auszuwirken (vgl. hierzu auch BayVGH, U. v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 und 1876 - Rn. 75). Zudem haben junge Brutvögel einen geringeren Bruterfolg als ältere, weshalb Neuverpaarungen nach dem Verlust von erfahrenen Altvögeln mit reduziertem Bruterfolg einhergehen. Der Verlust eines Partners kann über mehrere Jahre den Bruterfolg eines Reviers absenken (vgl. Abstandsempfehlungen vom April 2015, dort Nr. 5 zum Rotmilan). Es liegt im Rahmen der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative, wenn die höhere Naturschutzbehörde bei der Bewertung der Gefahr des Nachrückens weiterer Brutpaare Horststandorte in einem Radius von 5 km mit berücksichtigt.

Die besondere Relevanz von Verlusten aufgrund einer relativen Dichte von Brutplätzen wird im Übrigen auch in den vom klägerischen Gutachter wiederholt zitierten „Hinweisen zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg vom 1.7.2015 naturschutzfachlich begründet. In diesem Leitfaden (Nr. 5.2.2, S. 25) wird davon ausgegangen, dass die Erhaltung eines günstigen Erhaltungszustands möglich ist, wenn der Schutz der betreffenden Quellpopulationen im Land (Gebiete mit hoher Siedlungsdichte, „Dichtezentren“) gewährleistet wird und dadurch Individuenverluste ausgeglichen werden, die außerhalb der Dichtezentren eintreten. In den Dichtezentren dürfen diesem Leitfaden zufolge dagegen Ausnahmen vom Tötungsverbot nicht zugelassen werden. Auch in den Abstandsempfehlungen der LAG VSW (Nr. 4) wird empfohlen, dass Kerngebiete einer überdurchschnittlichen Siedlungsdichte (Dichtezentren) der relevanten Vögel von Windkraftanlagen freigehalten werden sollten. Die in den Dichtezentren lebenden Bestände sollten ihre Funktion als Quellpopulationen, in denen in der Regel ein Überschuss an Nachwuchs produziert wird, erhalten können. Ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall naturschutzfachlich ein solches Dichtezentrum angenommen werden könnte, spricht dieser Gesichtspunkt angesichts der Mehrzahl von Horsten im Vorhabengebiet zumindest zusätzlich für eine Gefährdung einer Population.

III. Der Feststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog betreffend eine etwaige Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 im Hinblick auf einen bis zum 31. Januar 2016 bestehenden Genehmigungsanspruch für die geplante Windkraftanlage WEA 3 ist bereits unzulässig.

Eine Wiederholungsgefahr ist im Hinblick auf das noch anhängige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren betreffend weitere von der Klägerin geplante Windkraftanlagen im Umfeld der streitgegenständlichen Vorhaben nicht ersichtlich. Dies würde voraussetzen, dass für dieses weitere Genehmigungsverfahren im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ausschlaggebend wären wie in dem für die Beurteilung des erledigten Genehmigungsantrags maßgeblichen Zeitpunkt (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 86a m. w. N.). Der für die Entscheidung über den noch anhängigen Genehmigungsantrag maßgebliche Sachverhalt unterscheidet sich jedoch von demjenigen zum 31. Januar 2016. Im Hinblick auf den neu lokalisierten Rotmilanhorst innerhalb des Prüfabstands nach Anhang 2 Spalte 2 des Windkrafterlasses wurde eine aktuelle Raumnutzungsuntersuchung begonnen. Eine künftige Entscheidung des Beklagten über den noch anhängigen Genehmigungsantrag der Klägerin für weitere zwei Anlagen innerhalb des engeren Prüfbereichs betreffend den Rotmilan bis 1.500 m (vgl. Gutachten vom 28.4.2016, dort Tabelle unter Nr. 2.2, S. 3 zu Standorten WEA 4 und WEA 6) kann nicht im Schwerpunkt auf die naturschutzfachlichen Erkenntnisse und Bewertungen vor dieser Sachverhaltsänderung gestützt werden. Vielmehr bedarf es zunächst, wie oben ausgeführt, auch bezüglich dieser geplanten Windkraftanlagenstandorte einer Ermittlung des nunmehr aktuellen Sachstands entsprechend den Anforderungen des Windkrafterlasses bzw. der neuen Abstandsempfehlungen und einer darauf bezogenen naturschutzfachlichen Bewertung.

Ferner kommt ein Feststellungsinteresse auch nicht im Hinblick auf mögliche Amtshaftungsansprüche der Klägerin in Betracht. Derartige Ansprüche sind bereits deshalb offensichtlich ohne Erfolgsaussichten, da das Verwaltungsgericht in erster Instanz als Kollegialgericht das Bestehen des geltend gemachten Genehmigungsanspruchs aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung verneint hat (BVerwG, U. v. 16.05.2013 - 8 C 14/12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 47).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 635.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG).

(1) Es ist verboten,

1.
wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
2.
wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert,
3.
Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
4.
wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören
(Zugriffsverbote).

(2) Es ist ferner verboten,

1.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten in Besitz oder Gewahrsam zu nehmen, in Besitz oder Gewahrsam zu haben oder zu be- oder verarbeiten(Besitzverbote),
2.
Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten im Sinne des § 7 Absatz 2 Nummer 13 Buchstabe b und c
a)
zu verkaufen, zu kaufen, zum Verkauf oder Kauf anzubieten, zum Verkauf vorrätig zu halten oder zu befördern, zu tauschen oder entgeltlich zum Gebrauch oder zur Nutzung zu überlassen,
b)
zu kommerziellen Zwecken zu erwerben, zur Schau zu stellen oder auf andere Weise zu verwenden
(Vermarktungsverbote).
Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 bleibt unberührt.

(3) Die Besitz- und Vermarktungsverbote gelten auch für Waren im Sinne des Anhangs der Richtlinie 83/129/EWG, die entgegen den Artikeln 1 und 3 dieser Richtlinie nach dem 30. September 1983 in die Gemeinschaft gelangt sind.

(4) Entspricht die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung und die Verwertung der dabei gewonnenen Erzeugnisse den in § 5 Absatz 2 bis 4 dieses Gesetzes genannten Anforderungen sowie den sich aus § 17 Absatz 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes und dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft ergebenden Anforderungen an die gute fachliche Praxis, verstößt sie nicht gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote. Sind in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Arten, europäische Vogelarten oder solche Arten, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, betroffen, gilt dies nur, soweit sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Soweit dies nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen, insbesondere durch Maßnahmen des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen oder gezielte Aufklärung sichergestellt ist, ordnet die zuständige Behörde gegenüber den verursachenden Land-, Forst- oder Fischwirten die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben an. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben unberührt.

(5) Für nach § 15 Absatz 1 unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft, die nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassen oder von einer Behörde durchgeführt werden, sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

1.
das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann,
2.
das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Verletzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unvermeidbar sind,
3.
das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.
Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgelegt werden. Für Standorte wild lebender Pflanzen der in Anhang IV Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Arten gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Sind andere besonders geschützte Arten betroffen, liegt bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor.

(6) Die Zugriffs- und Besitzverbote gelten nicht für Handlungen zur Vorbereitung gesetzlich vorgeschriebener Prüfungen, die von fachkundigen Personen unter größtmöglicher Schonung der untersuchten Exemplare und der übrigen Tier- und Pflanzenwelt im notwendigen Umfang vorgenommen werden. Die Anzahl der verletzten oder getöteten Exemplare von europäischen Vogelarten und Arten der in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Tierarten ist von der fachkundigen Person der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde jährlich mitzuteilen.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

(1) Alle Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind unzulässig. Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde kann unter den Voraussetzungen des § 34 Absatz 3 bis 5 Ausnahmen von dem Verbot des Satzes 1 sowie von Verboten im Sinne des § 32 Absatz 3 zulassen.

(1a) In Natura 2000-Gebieten ist die Errichtung von Anlagen zu folgenden Zwecken verboten:

1.
zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas,
2.
zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt.
§ 34 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Bei einem Gebiet im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG gilt während der Konzertierungsphase bis zur Beschlussfassung des Rates Absatz 1 Satz 1 im Hinblick auf die in ihm vorkommenden prioritären natürlichen Lebensraumtypen und prioritären Arten entsprechend. Die §§ 34 und 36 finden keine Anwendung.

(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn

1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und
2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.

(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber

1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird,
2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden,
3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und
4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.

(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung

1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht,
2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und
3.
im Falle eines Verfahrens nach
a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war;
b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen muss die Vereinigung zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.

(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn

1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt,
2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und
3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
Bei einer ausländischen Vereinigung gelten die Voraussetzungen der Nummer 3 als erfüllt. Mit der Bestandskraft einer die Anerkennung versagenden Entscheidung wird der Rechtsbehelf unzulässig.

(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit

1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder
2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert. Bei Entscheidungen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 4 muss zudem eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung im Sinne von § 2 Absatz 10 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.

(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).

(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.

(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.

(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung,
2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung,
3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung,
4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche,
5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes,
6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge,
7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere
a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,
b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,
c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,
d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter,
e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern,
f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,
g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,
h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden,
i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d,
j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
8.
die Belange
a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung,
b)
der Land- und Forstwirtschaft,
c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen,
d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus,
e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit,
f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung,
10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften,
11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung,
12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden,
13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung,
14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.

(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.