Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 29. Nov. 2018 - 5 L 1533/18.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:1129.5L1533.18.00
bei uns veröffentlicht am29.11.2018

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. November 2018 gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 27. November 2018 wiederherzustellen, soweit darin in der Nr. 1 der Auflagen für die am Samstag, dem 01. Dezember 2018, geplante Versammlung unter dem Motto „Migrationspolitik, Innere Sicherheit“ als Wegverlauf die Strecke vom Parkplatz am Bahnhofsvorplatz über Bahnhofstraße, Rheinstraße, Raiffeisenstraße, Holbeinstraße über Bahnhofstraße zurück zum Parkplatz am Bahnhofsvorplatz mit Zwischenkundgebungen an der Ecke Bahnhofstraße/Rheinstraße und Ecke Raiffeisenstraße/Holbeinstraße festgelegt wurde, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg.

2

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 der Auflagen des Bescheids vom 27. November 2018 ist sowohl formell (dazu 1.) als auch materiell offensichtlich rechtmäßig (dazu 2.). Ferner besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse (dazu 3.).

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1. An der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids vom 27. November 2018 bestehen keine rechtlichen Bedenken.

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Insbesondere hat der Antragsgegner in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Auflagenbescheids vom 27. November 2018 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat der Antragsgegner ausgeführt, die Anordnung sei im öffentlichen Interesse geboten. Sinn und Zweck dieser beschränkenden Verfügungen sei es, Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu vermeiden. Diese könne hier nur durch eine rechtliche Verpflichtung der sofortigen Beachtung der Auflägen erreicht werden. Würde die Versammlung den durch die Auflagen gesetzten Rahmen überschreiten, entstünde eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Zudem würde die Nichtbeachtung der Auflagen dazu führen, dass die von der Versammlung betroffenen unbeteiligten Dritten zugunsten der Rechte des Veranstalters in ihren Rechten in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wären. Diese Beeinträchtigung wäre durch das Recht der freien Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit nicht mehr gedeckt. Es wäre zu befürchten, dass gerade die Gefahren eintreten, die durch Erteilung der Auflagen verhindert werden sollen. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob die von dem Antragsgegner angeführte Begründung inhaltlich zutreffend ist und die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen vermag, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unbeachtlich; dies ist erst bei der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht eigenständig vorzunehmenden Interessenbewertung zu erörtern (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Juli 2018 – 7 B 10698/18.OVG –).

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2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 der Auflagen des Bescheids vom 27. November 2018 ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2007 – 2 BvR 695/07 –, NVwZ 2007, 1176). Allerdings müssen die Verwaltungsgerichte wegen der Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz – GG – bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlungen in der beabsichtigten Form führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001 – 1 BvQ 13/01 –, NJW 2001, 2069).

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Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend dem öffentlichen Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Auflage gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Nummer 1 der Auflagen des Bescheids vom 27. November 2018 der Vorrang einzuräumen. Denn es spricht Überwiegendes dafür, dass der genannte Bescheid betreffend die allein angefochtene Auflage in Nr. 1 – Verlegung der von dem Antragsteller angemeldeten Wegstrecke am 01. Dezember 2018 – rechtmäßig ist.

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Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller angeordnete Wegstreckenauflage für den 01. Dezember 2018 in Kandel ist die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG –. Danach kann die zuständige Behörde – hier der Antragsgegner – eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

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2.1. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Nr. 1 des Bescheids vom 27. November 2018 bestehen nicht.

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2.1.1. Insbesondere ist der Antragsgegner nach Ansicht der Kammer dem Anhörungserfordernis nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i. V. m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – ausreichend nachgekommen.

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Eine Anhörung war im vorliegenden Fall nicht gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entbehrlich, da keine Gefahr im Verzug vorlag.

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Grundsätzlich wird dem Anhörungserfordernis des § 1 LVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG mit der Durchführung eines Kooperationsgesprächs entsprochen (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 09. August 1996 – 2 EO 669/96 –, NVwZ-RR 1997, 287). Vorliegend kann jedoch in dem Abhalten des Kooperationsgesprächs am 19. November 2018 keine ordnungsgemäße Anhörung gesehen werden, denn in diesem Gespräch wurde die Aufzugsstrecke abweichend von der späteren Auflage Nr. 1 vereinbart, so dass der Antragsteller gerade keine Gelegenheit hatte, sich zu der abweichenden Streckenführung zu äußern. Jedoch wies der Antragsgegner den Antragsteller mit Mail vom 22. November 2018 (s. Blatt 25 der Gerichtsakte) darauf hin, dass die Verbandsgemeinde Kandel inzwischen mitgeteilt habe, dass die Ladengeschäfte in der Hauptstraße wegen des Christkindelmarktes bis 18 Uhr geöffnet seien und hinsichtlich der besprochenen Aufzugsstrecke für den Teilabschnitt Hauptstraße kollidierende Interessen vorlägen. Die Problematik solle im Rahmen eines weiteren Kooperationsgesprächs mit dem Ziel erörtert werden, eine für alle Betroffenen tragbare und den jeweiligen Interessen gerecht werdende Lösung zu finden. Als möglichen Termin bot der Antragsgegner den 26. November 2018 an. Hierauf antwortete der Antragsteller mit Mail vom gleichen Tage (s. Blatt 26 der Gerichtsakte), er sehe für die Geschäfte in der Hauptstraße keinerlei Beeinträchtigung. Ferner könne er auch zeitlich an keinem weiteren Kooperationsgespräch teilnehmen.

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Bei dieser Sachlage sieht die Kammer keinen Verstoß gegen das Anhörungserfordernis. Eine Anhörung ist formfrei möglich und dem Anzuhörenden kann eine unter Umständen sehr kurze Äußerungsfrist gesetzt werden. Die Behörde muss den beabsichtigten Verwaltungsakt – hier die Wegstreckenauflage – nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung, Duldung oder Unterlassung so konkret umschreiben, dass für den Beteiligten hinreichend klar oder erkennbar ist, weshalb und wozu er sich äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung er zu welchem ungefähren Zeitpunkt zu rechnen hat (Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 28 Rn. 35). Dies war hier (noch) der Fall. Dem Antragsteller musste nach Erhalt der Mail vom 22. November 2018 bewusst sein, dass die beim Kooperationsgespräch am 19. November 2018 festgelegte Streckenführung in Bezug auf die Hauptstraße wegen des Weihnachtsmarktes nicht länger Bestand haben sollte. Es stand ihm frei, den neu angebotenen Termin für ein weiteres Kooperationsgespräch kurzfristig wahrzunehmen oder anderweitig darauf zu reagieren. Hiervon machte er Gebrauch, indem er sich dahingehend äußerte, er sehe für die benannten Geschäfte in der Hauptstraße keinerlei Beeinträchtigung. Damit kam er vor der Entscheidung, die seine Rechte betraf, zu Wort, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können (vgl. Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 28 Rn. 37). Der Antragsgegner hat sich mit den Einwänden des Antragstellers inhaltlich auch in der Begründung des Bescheids vom 27. November 2018 auseinandergesetzt.

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2.1.2. Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch kein Verstoß gegen das Begründungserfordernis des § 1 LVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 VwVfG vor. Danach ist ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

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Der Antragsteller moniert, der Antragsgegner habe die Einschränkung der Zugstrecke nicht ausreichend begründet, da er keine Fakten angeführt habe, sondern den Begründungszwang mit nicht nachprüfbaren Behauptungen umgehe. Damit kann der Antragsteller jedoch nicht durchdringen.

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Für die Beachtung des § 39 Abs. 1 VwVfG kommt es nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich zutreffend oder unzutreffend ist. Die Frage nach der sachlichen Richtigkeit der für die Behörde maßgebenden Gründe für den Erlass des Verwaltungsakts ist von der Begründungspflicht i. S. d. § 39 Abs. 1 streng zu unterscheiden, denn die sachliche Richtigkeit der gegebenen Begründung betrifft nicht die Form- bzw. die Verfahrensfehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts, sondern – allenfalls – seine materielle Rechtmäßigkeit (Ruffert, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2014, § 39 Rn. 22). Ausgehend hiervon liegt ein Verstoß gegen § 39 Abs. 1 VwVfG, der zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts aus formellen Gründen führt, nur vor, wenn eine Begründung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts gänzlich fehlt oder mangelhaft, weil i. S. v. § 39 Abs. 1 Satz 2 u. 3 VwVfG unzureichend oder unvollständig, ist. Davon kann vorliegend keine Rede sein, denn der Antragsgegner hat die Auflage Nr. 1 in dem Bescheid vom 27. November 2018 ausführlich begründet. Ob diese Begründung nur nicht nachprüfbaren Behauptungen enthält, wie der Antragsteller meint, und die Streckenverlegung daher nicht rechtfertigt, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Auflage.

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2.2. In materieller Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die hier allein angefochtene und auf § 15 VersG gestützte Auflage in Nr. 1 des Bescheids vom 27. November 2018 rechtmäßig ist.

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2.2.1. Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungsbildungsprozess und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. April 2018 – 7 B 10441/18.OVG –). Angesichts der Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 GG sind Verbote i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG daher nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter zulässig. Das Ermessen der Versammlungsbehörde ist daher grundrechtlich gebunden. Die Versammlungsfreiheit hat nur dann zurückzutreten, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Dabei umfasst der Begriff der öffentlichen Sicherheit den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2011 – 7 B 11118/11.OVG – m.w.N.). Von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist dann auszugehen, wenn der drohende Schadenseintritt so nahe ist, dass er jederzeit, unter Umständen sofort, eintreten kann (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 03. Juli 2017 – 4 Bs 142/17 –, juris; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Juli 2018, § 15 VersG Rn. 5 und 7). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde beim Erlass von einschränkenden Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Erforderlich sind daher zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte, aus denen sich die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ergibt; bloße Vermutungen reichen nicht aus (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. September 2018 – 15 B 1405/18 –, juris m.w.N.).

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Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unterhalb der Schwelle eines Versammlungsverbots zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und auch für die öffentliche Ordnung sind verfassungsrechtlich unbedenklich, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. Zur Art und Weise der Durchführung einer Versammlung können unter anderem die Wahl von Zeit und Ort zählen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 7 A 10821/12.OVG –, esovg, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Geht es – wie vorliegend – um die versammlungsbehördliche Verlegung der Versammlung von dem angemeldeten an einen anderen Ort, so ist zu berücksichtigen, dass von dem Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters nach Art. 8 Abs. 1 GG prinzipiell auch die Auswahl des Orts und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung umfasst ist. Die Wahl von Ort und Streckenverlauf einer Versammlung bzw. eines Aufzuges stellen nämlich genauso einen Teil der Grundrechtsausübung dar wie die Wahl des Versammlungsthemas (vgl. Peters, LKV 2016, 193, 196 m.w.N.). Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen – auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen – am Wirksamsten zur Geltung bringen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2015 – 1 BvQ 25/15 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Dezember 2016 – 15 B 1500/16 –, juris). Bekommt der Veranstalter einer Versammlung von der Versammlungsbehörde eine Versammlung verordnet, die er weder gewollt noch angemeldet hat, so wird die Gestaltungsfreiheit des Veranstalters im Kern getroffen. Kann der Veranstalter seine Versammlung nicht wiedererkennen, sind Auflagen unverhältnismäßig. Insoweit sind Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung eben keine beliebigen Größen. Insbesondere die Wahl von Zeitpunkt und Ort der Versammlung geht oft mit ihrer zentralen Aussage eine untrennbare Wirkungseinheit dergestalt ein, dass z.B. die Verlegung des Ortes der Versammlung ihren Zweck nimmt und deshalb die Auflage zum Verbot wird (Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage 2018, Rn. K 371).

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Hiervon ausgehend dürften die Voraussetzungen für den Erlass der angefochtenen Auflage gegeben sein.

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2.2.2. Die von dem Antragsgegner angeordnete Wegstreckenauflage kommt zunächst keinem Versammlungsverbot gleich.

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Der Antragsteller hatte am 04. März 2018 u.a. eine Demonstration für den 01. Dezember 2018 angemeldet und per Mail vom 07. November 2018 den gewünschten Wegstreckenverlauf wie folgt angegeben: Auftakt und Ende auf dem Bahnhofsvorplatz in Kandel, dazwischen Fußmarsch über die Bismarckstraße, Hauptstraße, Raiffeisenstraße, Bahnhofstraße und Georg-Todt-Straße mit Zwischenkundgebungen. Diese Strecke ist knapp 1.800 m lang (s. die Skizze auf Blatt 104 der Gerichtsakte). Im Kooperationsgespräch vom 19. November 2018 wurde genau diese Strecke vereinbart und ergänzend die Orte für die Zwischenkundgebungen auf die Ecke Bismarckstraße/Hauptstraße und die Ecke Raiffeisenstraße/Holbeinstraße festgelegt. Demgegenüber verläuft nunmehr die abweichende von dem Antragsgegner in der Auflage angeordnete Strecke vom Parkplatz am Bahnhofsvorplatz über die Bahnhofstraße, Rheinstraße, Raiffeisenstraße, Holbeinstraße und Bahnhofstraße zurück zum Parkplatz am Bahnhofsvorplatz mit Zwischenkundgebungen an der Ecke Bahnhofstraße/Rheinstraße und der Ecke Raiffeisenstraße/Holbeinstraße. Diese Strecke ist etwas mehr als 1.400 m lang (s. die Skizze auf Blatt 105 der Gerichtsakte) und damit zwar um etwa 20 % kürzer als die vom Antragsteller geplante Strecke. Jedoch hindert die hier allein angegriffene Auflage den Antragsteller nicht, die geplante Versammlung unter dem vorgesehenen Motto im Zentrum Kandels zur selben Zeit durchzuführen und zwar als Aufzug mit Beginn und Abschlusskundgebung am ursprünglich geplanten Bahnhofsvorplatz. Erfasst sind lediglich Modalitäten der Versammlungsdurchführung in örtlicher Hinsicht. Diese sind nicht so wesentlich, dass die Auflage faktisch einem Verbot gleichkommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2005 – 1 BvR 961/05 –, DVBl 2005, 969; Bay. VGH, Beschluss vom 08. November 2005 – 24 CS 05.2916 –, BayVBl 2006, 185).

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2.2.3. Die vom Antragsgegner zur Begründung seiner versammlungsbeschränkenden Verfügung angegebenen Umstände sind nach summarischer Prüfung geeignet, die Annahme der erforderlichen unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu begründen.

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2.2.3.1. Anlass für die Wegstreckenauflage des Antragsgegners ist der Umstand, dass am 01. Dezember 2018 der Kandeler Weihnachtsmarkt eröffnet wird, der an den vier Adventswochenenden samstags von 14.00 - 21.00 Uhr und sonntags von 12.00 - 21.00 Uhr auf dem Plätzel, rund um die St. Georgskirche sowie auf dem angrenzenden Marktplatz stattfindet (s. https://www.vg-kandel.de/vg_kandel/Tourismus%20&%20Freizeit/M%C3%A4rkte%20&%20Events/M%C3%A4rkte%20Kandel/Christkindelmarkt/, abgerufen am 29. November 2018). Der Antragsgegner hat die Verlegung der Aufzugsstrecke unter Verweis auf den Weihnachtsmarkt damit begründet, im Rahmen der praktischen Konkordanz sei den ebenso geschützten Grundrechten der Besucher des Weihnachtsmarktes und der Gewerbetreibenden in der Hauptstraße – diese halten ihre Geschäfte am 01. Dezember 2018 und den weiteren Samstagen in der Adventszeit bis um 18 Uhr offen – aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 GG und Art. 14 GG gegenüber dem Recht des Antragstellers aus Art. 8 GG auf Selbstbestimmung des Versammlungsortes bzw. der Aufzugsstrecke in der Weihnachtszeit Vorrang einzuräumen. Während der Weihnachtsmarktwochenenden bestehe insofern eine erhöhte Schutzwürdigkeit der benannten Rechtsgüter, da - zusätzlich zum täglichen innerstädtischen Leben - der Kandeler Christkindelmarkt mit 56 Ständen auf dem Marktplatz sowie „Am Plätzel“ und damit zentral in der Innenstadt von Kandel stattfinde. Nach Schätzung des Vereins Handel und Gewerbe in Kandel müsse davon ausgegangen werden, dass während der Hauptgeschäftszeiten von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr im Zusammenhang mit dem Christkindelmarktbesuch im Durchschnitt 650 Besucher im Rhythmus von 2 Stunden den Markt bzw. die Hauptstraße besuchten. Die Weihnachtsmarktbesucher nähmen den verkaufsoffenen Samstag vor allem auch auf Grund der räumlichen Nähe der Hauptstraße zum Weihnachtsmarkt auf dem Marktplatz als eine Einheit wahr. Angesichts des für die 9000-Einwohner-Stadt Kandel hohen Besucheraufkommens sei auch auf die Bedeutung von ungehinderten Zu- und Ausgängen zur Innenstadt nach allen Seiten, insbesondere an einem so stark frequentierten Zugangspunkt durch den hohen Ziel- und Quellverkehr auf der Hauptstraße hinzuweisen. Die Tatsache, dass der Aufzug lediglich innerhalb eines kleinen, überschaubaren Zeitfensters stattfinde, ändere daran nichts. Denn der Aufzug sei in Verbindung mit den sonstigen Einschränkungen in Gestalt von Absperrungen, Halte- und Parkverboten geeignet, den Durchschnittsweihnachtsmarktbesucher und Kunden dazu zu bewegen, die Stadt Kandel zu meiden. Schließlich hat der Antragsgegner den Umstand gewürdigt, dass seit dem 02. Januar 2018 bereits 16 von dem Antragsteller angemeldete Versammlungen größtenteils im unmittelbaren Innenstadtbereich um den Marktplatz und die Marktstraße unter zumindest teilweiser Nutzung der Hauptstraße stattgefunden hätten.

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Ergänzend hat der Antragsgegner in seiner Antragserwiderungsschrift vom 29. November 2018 unter Bezugnahme auf Angaben der Verbandsgemeinde Kandel vom 28. November 2018 und unter Vorlage des Handlungsplans (s. Blatt 103 der Gerichtsakte) noch ausgeführt, dass die vom Antragsteller vorgesehene Wegstreckenführung durch die Hauptstraße nicht mit dem im Jahre 2016 eingeführten Sicherheitskonzept der Stadt Kandel für den Weihnachtsmarkt vereinbar sei. In der diesbezüglichen Mail der Verbandsgemeinde Kandel vom 28. November 2018 heißt es, in dem Sicherheitskonzept sei der Weihnachtsmarkt in drei Zonen aufgeteilt worden, in denen Rettungsgassen festgelegt worden seien. Die Landauer Straße und die Hauptstraße seien der Anfahrtsweg für die Feuerwehren und die Katastrophenschutzeinheiten. Die Innenstadt werde im Einsatzfall für den Verkehr gesperrt, damit die Hauptstraße als Aktions- und Bewegungsfläche der Rettungskräfte und für den Abtransport der Verletzten uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Die Rettungskräfte transportierten unverzüglich die Verletzten über die Hauptstraße ab, da dies der schnellste Weg in Richtung der Kliniken in Germersheim und in Karlsruhe sei. Dieses Sicherheitskonzept liege allen beteiligten Hilfsorganisationen vor und werde im Alarmfall abgerufen. Aus Sicht der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes sei es unbedingt notwendig, die Hauptstraße als Hauptrettungsweg freizuhalten, damit eine gezielte und sofortige Hilfe geleistet werden könne.

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2.2.3.2. Die von dem Antragsgegner angegebenen Gründe dürften nach summarischer Prüfung in der Sache die Verlegung der Wegstrecke rechtfertigen.

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Zunächst geht die Kammer davon aus, dass die in der Antragserwiderungsschrift vom 29. November 2018 ausführlich dargelegten Sicherheitsbedenken vorliegend Berücksichtigung finden können. Zwar lässt der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 VersG mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) Beschränkungen (oder ein Verbot) einer Versammlung nur für den Fall zu, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung „nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen“ bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 1 BvR 2636/04 –, NVwZ-RR 2010, 625). Dadurch ist klargestellt, dass Grundlage der Gefahrenprognose und damit der Entscheidung der Versammlungsbehörde nur zum Zeitpunkt der behördlichen Verfügung erkennbare tatsächliche Anhaltspunkte sein können. Demgemäß kommt es für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose auf die zu diesem Zeitpunkt der Versammlungsbehörde zur Verfügung stehenden Erkenntnisse an (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – 10 B 17.1996 –, juris). Die Umstände sind erkennbar, wenn sie entweder offen zu Tage treten oder sie der Versammlungsbehörde nach den von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung zu Verfügung stehen (Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Auflage 2016, § 15 VersG Rn. 60). Im letzteren Fall ist es mit Blick auf die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 VersG gebotene Ausübung pflichtgemäßen Ermessens daher grundsätzlich nicht zulässig, wenn die Versammlungsbehörde die von ihr diesbezüglich zu fordernden Bemühungen um Sachaufklärung nicht zum Zeitpunkt ihrer Verfügung, sondern erst nachträglich im Verwaltungsstreitverfahren unternimmt (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – 10 B 17.1996 –, juris). Bei einer nachträglichen Änderung der Sachlage nach Erlass des Verwaltungsaktes ist auf der Grundlage der aktuellen erkennbaren Umstände und Erkenntnisse vielmehr gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu treffen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. September 2016 – 7 A 11077/15 –, juris; Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, a.a.O., § 15 VersG Rn. 60).

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Bei den von dem Antragsgegner in der Antragserwiderungsschrift vom 29. November 2018 geäußerten Sicherheitsbedenken dürfte es sich jedoch nicht um neue Erkenntnisse handeln. Denn bereits im Bescheid vom 27. November 2018 hat der Antragsgegner auf die Bedeutung von ungehinderten Zu- und Ausgängen zur Innenstadt nach allen Seiten, insbesondere an einem so stark frequentierten Zugangspunkt durch den hohen Ziel- und Quellverkehr auf der Hauptstraße hingewiesen. Jedenfalls hält es die Kammer für angezeigt, die nunmehr von der Antragsgegnerin ins Verfahren eingeführten Sicherheitsbedenken entsprechend den in der Rechtsprechung nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gebildeten Grundsätzen zuzulassen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – 10 B 17.1996 –, juris). Denn sie lagen schon bei Erlass der Auflage vor, veränderten diese nicht in ihrem Wesen und der Antragsteller wurde nicht wesentlich in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt. Auch sind die geäußerten Sicherheitsbedenken schlüssig und nachvollziehbar. Der vom Antragsteller geplante Wegverlauf würde an der Ecke Bismarckstraße/Hauptstraße vorbeiführen und damit weniger als 100 m von den ersten Ständen des Weihnachtsmarktes entfernt. Den Weihnachtsmarkt und die Geschäfte in der Hauptstraße besuchen nach den auf Erfahrungen aus den letzten Jahren beruhenden Schätzungen der Verbandsgemeinde Kandel während der Hauptgeschäftszeiten im Durchschnitt etwa 650 Besucher im Rhythmus von zwei Stunden. Das Sicherheitskonzept sieht vor, dass die Landauer Straße und die Hauptstraße als Anfahrtsweg für die Feuerwehren und die Katastrophenschutzeinheiten dienen. Im Einsatzfall wird die Hauptstraße als Aktions- und Bewegungsfläche der Rettungskräfte und für den Abtransport der Verletzten benötigt.

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Diese Gegebenheiten sprechen nicht dafür, dass für den Moment, in dem die Versammlung des Antragstellers durch die Hauptstraße laufen würde – das wären etwas mehr als 270 m – ein bloßes Nebeneinander der Straßenbenutzung durch Versammlungsteilnehmer und Weihnachtsmarktbesuchern bzw. Geschäftskunden unter Sicherheitsgesichtspunkten akzeptabel wäre (vgl. auch VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 25. Juni 2015 – 5 L 546/15.NW – zur Verlegung der Wegstrecke einer Versammlung im Zuge der Veranstaltung des Rheinland-Pfalz-Tages 2015 im Ramstein). Vielmehr ist von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bei Durchführung der Versammlung in der Hauptstraße auszugehen.

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Die Besucher des Weihnachtsmarktes in Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) werden vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst. Zwar ist der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (Erforderlichkeit des Einsatzes der Rettungskräfte) ungewiss, mit ihm muss aber angesichts der heute drohenden Gefahren bei größeren Veranstaltungen jederzeit gerechnet werden. Mithin besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch in dem Zeitraum, in dem die Versammlung des Antragstellers durch die Hauptstraße führen würde, zu jedem Zeitpunkt.

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Zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist auch ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang gegeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 –, juris). Dies folgt daraus, dass wegen des starken Andrangs von Besuchern des Weihnachtsmarktes und Kunden der Geschäfte in der Hauptstraße auf der einen Seite und der besonderen Störanfälligkeit sowie des intensivierten Kollisionspotenzials der nicht gegenüber der Umwelt abgeschlossenen Versammlung des Antragstellers auf der anderen Seite ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotenzial angenommen werden muss (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, NJW 2011, 1201; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. September 2016 – 7 A 11077/15 –, juris). Wenn der Antragsgegner vor diesem Hintergrund den Bereich der Hauptstraße, den der Antragsteller für die Durchführung seiner Versammlung in Anspruch nehmen will, nicht akzeptiert, so ist das nicht zu beanstanden.

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2.2.3.3. Ungeachtet dessen dürften auch die weiteren von dem Antragsgegner bereits im Bescheid vom 27. November 2018 vorgebrachten Gründe die Verlegung der Wegstrecke rechtfertigen. Es bestehen keine rechtlich durchgreifenden Bedenken gegen die Entscheidung des Antragsgegners, im Rahmen der praktischen Konkordanz den Rechtsgütern der Weihnachtsmarktbesucher und der Geschäftsinhaber in der Hauptstraße gegenüber dem Recht des Antragstellers aus Art. 8 GG auf Selbstbestimmung des Versammlungsortes in der Weihnachtszeit den Vorrang zu geben.

33

2.2.3.4. Das Grundrecht des Art. 8 GG kann eine zulässige Einschränkung auch dann erfahren, wenn es zu einer Kollision mit anderen Rechtsgütern kommt. Dies ist etwa dann denkbar, wenn dem Recht auf Ausübung der Versammlungsfreiheit anderweitige Grundrechte Rechte Dritter gegenüberstehen (Peters, LKV 2016, 193, 196). Darunter fallen etwa die grundrechtlich geschützten Rechte Dritter wie z.B. das Recht auf Ausübung der Religionsfreiheit (Art. 4 GG; s. dazu VG Münster, Beschluss vom 09. Mai 2018 – 1 L 507/18 –, juris zum Ausschluss von stationären Kundgebungen anlässlich der Durchführung eines Katholikentages), die Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder das Eigentumsrecht (Art. 14 GG). Die Behörde hat im Regelfall lediglich zu prüfen, ob durch die Wahl des konkreten Versammlungsorts Rechte anderer oder sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Allgemeinheit beeinträchtigt werden. Wird den gegenläufigen Interessen Dritter oder der Allgemeinheit bei der Planung der angemeldeten Versammlung nicht hinreichend Rechnung getragen, kommen versammlungsrechtliche Auflagen in Betracht, um eine praktische Konkordanz beim Rechtsgüterschutz herzustellen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. September 2018 – 15 B 1405/18 –, juris; VG Münster, Beschluss vom 09. Mai 2018 – 1 L 507/18 –, juris). Dem Veranstalter steht hierbei kein Bestimmungsrecht darüber zu, mit welchem Gewicht die Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Es obliegt der Behörde, einerseits die Rechte und Pflichten der Versammlungsteilnehmer zu konkretisieren, andererseits aber auch das Maß dessen zu bestimmen, was Drittbetroffenen infolge der Durchführung der Versammlung an Einschränkungen zugemutet werden muss und welche Beeinträchtigungen sie als Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben und welche nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 2001 – 1 BvQ 9/01 –, juris; VG Leipzig, Beschluss vom 26. November 2015 – 1 L 1384/15 –; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 264). Hieraus ergibt sich zugleich, dass es nicht um eine Maßnahme gegen einen Störer oder Nichtstörer geht, sondern um einen Ausgleich der gegenläufigen und prinzipiell gleichgewichtigen Interessen der Versammlung und etwaiger entgegenstehender Rechtsgüter.

34

2.2.3.5. Gemessen an diesen Maßstäben ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der geplanten Versammlung des Antragstellers am 01. Dezember 2018 nicht um ein einmaliges Ereignis handelt, sondern der Antragsteller seit Januar 2018 bisher insgesamt 16mal überwiegend samstags eine Versammlung durchgeführt hat. An 12 Versammlungstagen (Samstage und sonstige Wochentage) führten die Versammlungen bzw. Aufzüge zu kurzfristigen oder vollständigen Sperrungen der Hauptstraße (s. die Aufstellung des Antragsgegners auf Blatt 76 der Gerichtsakte). Für das Jahr 2019 hat der Antragsteller ebenfalls mit Ausnahme des 05. Januar 2019 für jeden ersten Samstag im Monat eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel in Kandel angemeldet, deren Aufzug laut Anmeldung wiederum jeweils über die Hauptstraße führen soll. Die bisherigen Versammlungen im Jahre 2018 führten meistens zu zahlreichen Gegenversammlungen. Ausweislich des Artikels „178 Strafanzeigen bei Demonstrationen in Kandel“ in der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ vom 22. November 2018 gab es im Zusammenhang mit den Demonstrationen in Kandel, zu denen es nach dem gewaltsamen Tod der 15-jährigen Schülerin Mia kam, 178 Strafanzeigen gegen Teilnehmer. Insgesamt waren es an 17 Tagen 39 Kundgebungen mit rund 13.700 Demonstranten sowohl des rechten als auch des linken Spektrums.

35

Die aufgezählten Versammlungen waren auch jeweils mit erheblichen Einschränkungen Dritter verbunden. Dies sowohl im Hinblick auf die Bewegungsfreiheit, erheblichen Einschränkungen im Straßenverkehr und öffentlichen Verkehr, als auch mit Geschäftseinbußen von Händlern, Restaurantbesitzern usw. im Innenstadtbereich von Kandel. Nach Angaben des Innenministeriums Rheinland-Pfalz leistete die Polizei aufgrund der Ereignisse in Kandel etwa 41.000 Einsatzstunden (s. den bereits zitierten Artikel aus der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ vom 22. November 2018).

36

Der Antragsgegner hat in der Begründung des Auflagenbescheids schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass am Samstag, dem 01. Dezember 2018 wegen des Weihnachtsmarktes hinsichtlich des vom Antragsteller angemeldeten Termins insofern eine erhöhte Schutzwürdigkeit der oben benannten Rechtsgüter besteht, da – zusätzlich zum täglichen innerstädtischen Leben – der Kandeler Weihnachtsmarkt mit 56 Ständen auf dem Marktplatz sowie „Am Plätzel“ und damit im näheren Umkreis der Hauptstraße stattfindet. Der Antragsgegner hat angegeben, nach Schätzung des Vereins Handel und Gewerbe in Kandel müsse davon ausgegangen werden, dass während der Hauptgeschäftszeiten von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr im Zusammenhang mit dem Christkindelmarktbesuch im Durchschnitt 650 Besucher im Rhythmus von 2 Stunden den Markt bzw. die Hauptstraße besuchten. Die in Rede stehenden Rechtsgüter Dritter, vorliegend insbesondere das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) sowie der Verkehr würden gerade im Verlauf des Weihnachtsmarktes in einer nicht zu gerechtfertigten Art und Weise beeinträchtigt werden.

37

Die Kammer teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass die genannten Beeinträchtigungen nicht nur eine nicht hinzunehmende „Lästigkeit“ darstellen, sondern eine erhebliche Beeinträchtigung und Einschränkung unbeteiligter Dritter. Deren Rechte sind in der Interessenabwägung ebenfalls zu berücksichtigen. Dabei wurde seitens des Antragsgegners angesichts des erhöhten Besucheraufkommens in der Kleinstadt Kandel insbesondere auch auf die Bedeutung von ungehinderten Zu- und Ausgängen zur Innenstadt nach allen Seiten, insbesondere an einem stark frequentierten Zugangspunkt durch den hohen Ziel- und Quellverkehr auf der Hauptstraße hingewiesen.

38

Angesichts des nach wie vor aufgeheizten Klimas anlässlich der seit Monaten in Kandel stattfindenden Demonstrationen sowohl des rechten als auch des linken Spektrums (s. Beschluss der Kammer vom 05. Oktober 2018 – 5 L 1338/18.NW –, juris; vgl. auch Süddeutsche Zeitung vom 07. Oktober 2018 „Stimmung bei Demonstrationen in Kandel aufgeheizt“, abgerufen am 29. November 2018 unter https://www.sueddeutsche.de/news/politik/demonstrationen---kandel-stimmung-bei-demonstrationen-in-kandel-aufgeheizt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-181006-99-258787) hat die Kammer keine rechtlich durchgreifenden Bedenken, dass der Antragsgegner unmittelbaren Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gerade am Samstag, dem 01. Dezember 2018, an dem in der Innenstadt wegen des Beginns der Adventzeit und der Eröffnung des Weihnachtsmarktes mit weit mehr Personen als sonst üblich gerechnet werden muss, vorbeugend mittels einschränkenden Verfügungen, zu denen für den Samstag, den 01. Dezember 2018 insbesondere eine Wegstreckenänderung der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung gehört, begegnet. Die von dem Antragsgegner gewählte Wegstreckenänderung wird nach Auffassung der Kammer einerseits dem Interesse des Antragstellers an einer möglichst wirksamen Durchsetzung seines Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG und andererseits auch den Interessen der Weihnachtsmarktbesucher und der Geschäftsinhaber in der Hauptstraße gerecht.

39

Es ist allgemein bekannt, dass die Weihnachtszeit gerade für den stationären Handel die wichtigste und umsatzstärkste Zeit im Jahr ist (s. nur https://www.handelsdaten.de/handelsthemen/weihnachten, abgerufen am 29. November 2018). Sowohl die Geschäftsinhaber in der Hauptstraße als auch die Händler auf dem Weihnachtsmarkt sind auf Kunden angewiesen; für so manchen dieser Händler stellt die vierwöchige Zeit auf dem Weihnachtsmarkt die maßgebliche Einnahmequelle im Jahr dar. Insofern sind gerade diese Händler auf Kundschaft an jedem Tag, mithin auch am Samstag, dem 01. Dezember 2018, angewiesen (vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 26. November 2015 – 1 L 1384/15 –). Besonders fällt ins Gewicht, dass an diesem Tag der Weihnachtsmarkt eröffnet wird, weshalb die Geschäfte in der Hauptstraße ihre Läden – ebenso wie an den weiteren Adventssamstagen – abweichend von ihren sonstigen Öffnungszeiten – bis 18 Uhr offenhalten.

40

Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner bzw. die Vertreter der Verbandsgemeinde Kandel beim Kooperationsgespräch am 19. November 2018 keine Bedenken gegen die vom Antragsteller ausgewählte Streckenführung geäußert hatten, kann der Antragsteller nichts zu seinen Gunsten herleiten. Denn maßgebend ist alleine, ob die Wegstreckenänderung materiell-rechtlich zu beanstanden ist.

41

Mit der Verlegung der Wegstrecke einschließlich der dadurch notwendig werdenden Änderung des Ortes für die Zwischenkundgebung von der Ecke Bismarckstraße/Hauptstraße in Ecke Bahnhofstraße/Rheinstraße wird die Versammlungsfreiheit des Antragstellers aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Der Antragsgegner hat die Versammlung nicht verboten, sondern als milderes Mittel eine den Versammlungsort modifizierende Auflage gewählt. Der Antragsteller ist für sein mit der Anmeldung zum Ausdruck gebrachtes Anliegen – Migrationspolitik, Innere Sicherheit – nicht zwingend auf den 270 m langen Streckenabschnitt in der Hauptstraße angewiesen. Die Veranstaltung findet nach wie vor im Bereich der Kandeler Innenstadt statt. Eine wesentliche Veränderung des Ablaufs oder des Inhalts der Versammlung ist mit der Auflage nicht verbunden. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sowohl die Bahnhofstraße als auch die Rheinstraße ebenfalls Hauptverkehrsstraßen und als solche dicht besiedelt sind, so dass der Aufzug des Antragstellers von Passanten genauso gut wahrgenommen werden kann wie in der Hauptstraße. Vor dem Hintergrund der Häufung an Versammlungen des Antragstellers im Jahre 2018 und bereits für das Jahr 2019 angekündigten Demonstrationen hat sein Recht auf Versammlungsfreiheit vorliegend zumindest für die Zeit des Weihnachtsmarktes gegenüber den Grundrechten Dritter zurückzutreten.

42

3. Bestehen daher im Ergebnis keine rechtlich durchgreifenden Bedenken gegen die streitgegenständliche Entscheidung des Antragsgegners, so ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Wegstreckenverlegung höheres Gewicht eingeräumt hat als dem Interesse des Antragstellers an der Abhaltung seiner Versammlung an exakt den von ihm gewählten Orten.

Ohne die sofortige Vollziehbarkeit könnte aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die Versammlung wie angemeldet durchgeführt werden, da eine rechtskräftige Entscheidung über den Rechtsbehelf des Antragstellers bis zum Abschluss der Veranstaltung ausgeschlossen ist. Damit könnte den Gefahren für die öffentliche Sicherheit nicht wirksam begegnet werden, deren Abwehr der voraussichtlich rechtmäßige Bescheid vom 27. November 2018 dient.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei versammlungsrechtlichen Auflagen wegen Vorwegnahme der Hauptsache regelmäßig kein Abschlag gegenüber dem im Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwert vorzunehmen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 7 E 10074/14.OVG; Beschluss vom 09. Oktober 2012 – 7 E 11034/12.OVG –).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 28 Anhörung Beteiligter


(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach de

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(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 39 Begründung des Verwaltungsaktes


(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behör

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Tenor Der Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben, folgenden Hinweis des Antragstellers „Frauenbündnis Kandel e.V. Das Frauenbündnis Kandel lädt ein zu seiner nächsten Kundgebung im neuen Jahr zum Thema „in

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift;
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist;
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist;
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt;
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine versammlungsrechtliche Verbotsverfügung.

2

Der Antragsteller ist Vorstandsmitglied des Vereins G. e.V. Er meldete für diesen Verein im März 2017 für den Zeitraum vom Dienstag, 4. Juli 2017, 18:00 Uhr bis zum Samstag, 8. Juli 2017, 22:00 Uhr eine Dauerkundgebung in der S. Passage in Höhe des V. in Hamburg an. Die S. Passage ist ein öffentlich zugänglicher Fußgängerweg zwischen dem V. und der S. Straße. Die Kundgebung unter dem Motto „Solidarische Oase G. Viertel – für grenzenlose Bewegungsfreiheit“ steht im Zusammenhang mit dem in Hamburg am 7. und 8. Juli 2017 in den Messehallen stattfinden Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (im Folgenden: G20-Gipfel). Ausweislich der Anmeldung rechnet der Antragsteller mit 5 bis 100 Teilnehmern. Das sog. G. Viertel ist ein am V. gelegener Häuserkomplex mit altem Baubestand, den die Freie und Hansestadt Hamburg im Dezember 2009 erwarb und dem Verein G. e.V. als Arbeits-, Kunst- und Kulturstätte zur Verfügung stellte. Nach dem Versammlungskonzept des Antragstellers soll es während der Dauerkundgebung ein vielfältiges Programm mit Redebeiträgen zur Kunstfreiheit und dessen Einschränkung in anderen G20-Staaten, zur Historie des G. Viertels und zur Bedeutung öffentlich zugänglicher Räume geben. Geplant sind ferner eine Kleinkunstbühne, auf der verschiedene Künstler auftreten sollen, sowie Informationsstände.

3

Im Rahmen eines am 18. Mai 2017 durchgeführten Kooperationsgesprächs teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller erstmals mit, dass es während des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017 eine sog. „blaue Zone“ geben werde, in der Versammlungen nicht stattfinden könnten. Die Antragsgegnerin verwies den Antragsteller auf die Durchführung der Versammlung außerhalb der von ihr geplanten „blauen Zone“. Der Antragsteller machte in diesem Zusammenhang geltend, dass er eine enge Verbindung zwischen dem Motto seiner Versammlung und dem G. Viertel als Versammlungsort sehe.

4

Am 9. Juni 2017 machte die Antragsgegnerin im Amtlichen Anzeiger Nr. 45, Seite 869, eine versammlungsrechtliche Verfügung in Form der Allgemeinverfügung für die Zeit vom 7. Juli 2017 ab 06:00 Uhr bis 8. Juli 2017, 17:00 Uhr für Teile des Hamburger Stadtgebietes vom 1. Juni 2017 (im Folgenden: Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017) bekannt. In dieser ist unter Ziffer I. u. a. geregelt, dass in der Zeit vom 7. Juli 2017 ab 06:00 Uhr bis 8. Juli 2017, 17:00 Uhr innerhalb eines nachfolgend dargestellten Bereichs das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel gemäß Artikel 8 Absatz 2 Grundgesetz (GG) i. V. m. § 15 Absatz 1 Versammlungsgesetz (VersG) und § 35 Satz 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HmbVwVfG) dahingehend eingeschränkt wird, dass angemeldete und nicht angemeldete Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel nur außerhalb dieses Bereiches durchgeführt werden dürfen (1.). Unter Ziffer II. ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Unter Ziffer V. ist ausgeführt, dass die Allgemeinverfügung, die Begründung sowie der Lageplan im Foyer des Polizeipräsidiums Hamburg, Bruno-Georges-Platz 1, 22297 Hamburg sowie auf der Internetseite www.polizei.hamburg.de eingesehen werden können. Für den Inhalt der Begründung der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 wird auf die Sachakte der Antragsgegnerin, Band 1, Fach 2 Bezug genommen. Die von dem Antragsteller geplante Versammlung liegt in der Zeit von 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, im räumlichen Geltungsbereich der Anordnung der Allgemeinverfügung unter Ziffer I. 1.

5

Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juni 2017 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde.

6

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 27. Juni 2017 den am 16. Juni 2017 vom Antragsteller gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt:

7

Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2017 dürfte rechtmäßig sein. Mit ihr werde ein zeitlich und räumlich begrenztes Versammlungsverbot geregelt. Dieses finde seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 VersG i. V. m. § 35 Satz 2 HmbVwVfG. Es sei nicht zu beanstanden, ein Versammlungsverbot bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Wege der Allgemeinverfügung zu erlassen, anstatt einzelfallbezogene Versammlungsverbote auszusprechen. Die Allgemeinverfügung sei formell-rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sei ordnungsgemäß im Amtlichen Anzeiger der Antragsgegnerin bekannt gemacht worden, ohne dass es des Abdrucks der Begründung bedurft habe. Eine Unterschrift sei nicht erforderlich.

8

Die Allgemeinverfügung sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Tatbestandliche Voraussetzung sei nach § 15 Abs. 1 VersG eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Es könne offen bleiben, ob von der Versammlung des Antragstellers selbst eine unmittelbare Gefahr für das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ausgehe. Denn die Verfügung betreffe nicht nur den Antragsteller, sondern alle potentiellen Versammlungsteilnehmer in dem 38 km² großen Gebiet, also eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten. Es komme daher auf eine Gesamtbetrachtung an. Gemessen an diesem Maßstab sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ohne das in der Allgemeinverfügung geregelte zeitlich und räumlich begrenzte Versammlungsverbot zu unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit in dem Geltungsbereich der Verfügung kommen werde. Nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten und aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlichen Informationen sei in dem von der Allgemeinverfügung räumlich erfassten Gebiet und in dem von ihr erfassten Zeitraum eine durch den Austragungsort und die Besonderheiten des G20-Gipfels bedingte außerordentliche Situation gegeben, die ohne die verfahrensgegenständliche Beschränkung der Versammlungsfreiheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die körperliche Unversehrtheit und das Leben der Teilnehmer des G20-Gipfels als auch der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter und darüber hinaus auch zu einem Schaden für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland führen würde. Diese Gefahren würden durch eine außerordentliche Gesamtgefahrenlage anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg erhöht, die sich von bisherigen versammlungsrechtlichen Lagen erheblich unterscheide.

9

Die zu erwartenden Gefahren für die genannten Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit rechtfertigten vor dem Hintergrund des vorliegenden polizeilichen Notstandes den Erlass des mit der Allgemeinverfügung verfügten räumlich und zeitlich beschränkten präventiven Versammlungsverbots unter Einbeziehung sämtlicher Versammlungen, auch wenn von diesen keine Gefahr ausgehe. Voraussetzung des Einschreitens gegen eine friedliche Versammlung unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstands seien eine hohe Wahrscheinlichkeit in der Gefahrenprognose sowie die vorherige Ausschöpfung aller anwendbaren Mittel, um eine Grundrechtsverwirklichung der friedlichen Demonstranten zu ermöglichen. Dabei ließen sich die in der Rechtsprechung dargelegten Grundsätze zum Nachweis eines polizeilichen Notstandes nicht auf die von der Antragsgegnerin zu bewältigende außerordentliche Gefahrenlage anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg übertragen. Der Antragsgegnerin obliege der Schutz der zahlreichen Gipfelteilnehmer. Zugleich habe sie die Sicherheit von angemeldeten Versammlungen mit über 100.000 Teilnehmern zu gewährleisten. Hinzu kämen weitere (spontane) Versammlungen. Insbesondere seien für sie die Marschrouten, Versammlungsorte und der genaue Zeitrahmen nicht sicher prognostizierbar und erforderten daher einen flexiblen Einsatz der Polizeikräfte. Es liege in der Natur eines solchen komplexen und zugleich nur beschränkt vorhersehbaren Geschehensablaufs einerseits und den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begrenzten Erkenntnismöglichkeiten andererseits, dass die tatsächlichen Darlegungen und die Gefahrenprognose der Antragstellerin nur einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden könnten. Danach habe die Antragsgegnerin einen polizeilichen Notstand schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Sie habe bereits in der Allgemeinverfügung allgemein dargelegt, dass sie die außerordentliche Gefahrenlage ohne die Regelung der Allgemeinverfügung selbst unter Heranziehung aller denkbar verfügbaren Polizeikräfte nicht zureichend adressieren könne. Zudem habe sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ihre Einschätzung konkretisiert und substantiiert. Danach seien die erforderlichen Polizeikräfte bei etwa 8.000 zu erwartenden gewaltbereiten Personen tatsächlich nicht erreichbar. Die Antragsgegnerin habe einen Bedarf von 104 Hundertschaften und 48 Wasserwerfern festgelegt und auf die verschiedenen Einsatzabschnitte, zu denen auch besondere Einsatzabschnitte ohne direkten Bezug zur Versammlung gehörten, entsprechend der zu leistenden Aufgaben verteilt. Zur Kräfteausstattung habe die Antragsgegnerin dargelegt, dass sie mehrfach Kräfte in den anderen Bundesländern sowie bei der Bundespolizei im Wege des Amtshilfeersuchens angefordert habe. Zwischen Bedarf und zur Verfügung gestellten Kräften bestehe eine Unterdeckung.

10

Das mit der Allgemeinverfügung verfügte räumlich und zeitlich befristete Versammlungsverbot erweise sich schließlich als verhältnismäßig. Die Allgemeinverfügung sei geeignet, die zuvor bezeichneten Gefahren für die genannten Schutzpersonen erheblich zu reduzieren. Es würden Transportstrecken freigehalten und weitere Gefahren, die durch Versammlungen verursacht werden könnten, vermieden. Das Versammlungsverbot sei auch erforderlich. Es gebe kein milderes, aber zugleich geeignetes Mittel, um die unmittelbaren Gefahren für die Gipfelteilnehmer, Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte abzuwehren. In zeitlicher Hinsicht sei der Geltungsbereich erkennbar an der zeitlichen Abfolge der Gipfelveranstaltung orientiert und werde durch diese angemessen begrenzt. Auch den räumlichen Geltungsbereich habe die Antragsgegnerin nachvollziehbar auf das räumlich für die sichere Durchführung der anstehenden Transportfahrten Notwendige beschränkt. Es stünden im ausgewählten Bereich nur eine begrenzte Anzahl von Straßen bereit, die sich für den Transport eigneten. Auch müssten bei einem Heranrücken von Versammlungsteilnehmern geeignete technische und taktische Maßnahmen ergriffen werden können, für die geeignete Flächen sowie ein geeigneter Aktionsraum zu Verfügung stehen müsse. Das Konzept des Erlasses von beschränkenden Einzelverfügungen gegenüber einzelnen angemeldeten Versammlungen sei weder gleich geeignet noch weniger belastend. Dass die Antragsgegnerin ferner das Konzept einer einzelnen, von vornherein feststehenden Transportstrecke, die durch umfangreiche bauliche und polizeiliche Maßnahmen abzusichern wäre, verworfen habe, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Innerhalb der von der Antragsgegnerin definierten Bereiche könnten Freiflächenversammlungen zwischen den Transport- und Evakuierungsstrecke nicht bereitgestellt werden. Im Hinblick auf die Vielzahl der durchzuführenden Transporte der Gipfelteilnehmer und die zahlreichen angekündigten Blockadeteilnehmer dürfte es der Antragsgegnerin auch nicht möglich sein, erst vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Blockaden vorzugehen, insbesondere weil durch jede einzelne Blockade einer Transportkolonne erhebliche unmittelbare Gefahren für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer sowie der Störer und unbeteiligten Versammlungsteilnehmer entstehen würden. Im Falle der Auflösung einzelner Blockaden bestehe zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass zugleich anderenorts neue Blockaden entstehen würden. Das Versammlungsverbot dürfte auch angemessen sein. Der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Versammlungsteilnehmer stehe vorliegend der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Gipfelteilnehmer, der Versammlungsteilnehmer und sonstiger Dritter sowie der Schutz der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes gegenüber. Die Antragsgegnerin habe in ihrem Gesamtkonzept unter Beachtung der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit berücksichtigt, dass an anderer Stelle im Hamburger Stadtgebiet für Versammlungen und Aufzüge attraktive und öffentlichkeitswirksame Plätze zur Verfügung gestellt werden müssten. Sie habe sämtliche Strecken und Plätze in unmittelbarer Nähe zum Versammlungsort in Bezug auf die dortige Durchführbarkeit von Versammlungen geprüft und in Kooperationsgesprächen mit den Versammlungsanmeldern alternative Versammlungsorte bzw. -routen aufgezeigt.

11

Schließlich bestehe auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung.

12

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

13

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

14

Es kann offen bleiben, ob sich der Antragsteller hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt und deren tragende Erwägungen erschüttert hat. Das Beschwerdegericht geht zu seinen Gunsten hiervon aus, da die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre, wollte man in extrem eilbedürftigen und zugleich komplexen Verfahren der vorliegenden Art die formalen gesetzlichen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO konsequent anwenden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, juris Rn. 7). Die hiernach grundsätzlich zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt allerdings im Ergebnis zu keiner Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

15

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag führt in der Sache nicht zum Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Versammlungsverbots ist formell ordnungsgemäß (hierzu unter 1.). Auch überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (hierzu unter 2.). Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hätte auch dann keinen Erfolg, wenn vorliegend auf eine Folgenabwägung abzustellen wäre (hierzu unter 3.)

16

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet, indem sie in der Begründung darauf abstellt, dass auch während eines anhängigen Widerspruchverfahrens die Durchführung von Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten Gebiet zu erheblichen Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit führen würde. Nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung könnten diese Gefahren auch schon im Zeitraum der Entscheidung über die Rechtsbehelfe abgewehrt werden.

17

2. Die im Rahmen eines Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durchzuführende Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2017 gegenüber dem Interesse des Antragstellers, deren Vollzug auszusetzen und die angemeldete Dauerkundgebung auch in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr durchführen zu können, überwiegt.

18

Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.4.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 25). Da die Folgen von Anordnungen, die die Durchführung einer Versammlung beschränken, regelmäßig nicht reversibel sind, muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren hier zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvR 461/03, juris Rn. 33). Die Verwaltungsgerichte müssen daher schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvR 461/03, juris Rn. 33). Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht daher nicht nur summarisch zu prüfen. Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, juris Rn. 18).

19

Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die angefochtene Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 als rechtmäßig (hierzu unter a]). Zudem besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung (hierzu unter b]).

20

a) Die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2017 erweist sich als rechtmäßig.

21

Mit der Allgemeinverfügung wird ein zeitlich und räumlich begrenztes Versammlungsverbot verfügt. Zwar wird mit der Allgemeinverfügung nicht explizit ein Versammlungsverbot ausgesprochen, sondern es heißt dort nur, dass Versammlungen in dem maßgeblichen Zeitraum nur außerhalb des umschriebenen Bereichs stattfinden dürfen (vgl. S. 2 und 3 der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem Veranstalter ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung zusteht (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, 1 BvR 31 BvR 341/81, juris Rn. 61), und Art. 8 Abs. 1 GG auch das Interesse des Veranstalters an einem Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen, etwa durch eine möglichst große Nähe zu dem symbolhaltigen Ort – hier: des G20-Gipfels und des G. Viertels – schützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 23), ist die hier vorliegende zeitliche und räumliche Beschränkung jedoch einem Verbot gleichzusetzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 30; VGH Mannheim, Urt. v. 6.11.2013, 1 S 1640/12, juris Rn. 54). Von diesem Verbot ist auch die vom Antragsteller angemeldete Versammlung in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, erfasst, wobei das Gericht davon ausgeht, dass es sich bei der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung um eine solche unter freiem Himmel handelt. In der Zeit vom 4. Juli 2017, 18:00 Uhr bis zum Beginn der Geltung des Versammlungsverbots am 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, ist die geplante Dauerkundgebung demgegenüber zeitlich nicht von der Allgemeinverfügung betroffen.

22

aa) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, ein räumlich und zeitlich beschränktes Versammlungsverbot in Form einer Allgemeinverfügung nach § 15 Abs. 1 VersG i. V. m. § 35 Satz 2 HmbVwVfG zu erlassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 17 ff.; Beschl. v. 26.3.2001, 1 BvQ 15/01, juris Rn. 15 ff; VGH Mannheim, Urt. v. 6.11.2013, 1 S 1640/12, juris Rn. 44 ff.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 6.11.2004, 11 ME 322/04, juris Rn. 13 ff.). Denn als Allgemeinverfügung kann ein Verwaltungsakt gemäß § 35 Satz 2 HmbVwVfG unter anderem dann ergehen, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Dies ist bei versammlungsbeschränkenden Maßnahmen gegeben, wenn sich die Maßnahmen vor dem Hintergrund eines bestimmten Ereignisses oder Anlasses an alle Personen wenden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines näher bezeichneten räumlichen Bereichs zu Versammlungen zusammenzukommen beabsichtigen. Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 untersagt die Durchführung von öffentlichen Versammlungen innerhalb eines bestimmten – durch Straßenzüge definierten – räumlichen Bereichs innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

23

bb) Die Allgemeinverfügung ist auch formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Sie wurde ordnungsgemäß im Amtlichen Anzeiger der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2017 (S. 869) bekannt gemacht, ohne dass es des Abdrucks der Begründung bedurfte. Dass die Allgemeinverfügung nicht die Unterschrift des Leiters der Versammlungsbehörde trägt, sondern lediglich dessen Namenswiedergabe, ist nach § 37 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG ausreichend (VG Hamburg, Beschl. v. 20.6.2017, 19 E 6258/17, n. v.). Der Umstand, dass anlässlich des G20-Gipfels Versammlungsteilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland zu erwarten sind, begründet keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Allgemeinverfügung überregional oder bundesweit bekanntzumachen. Da sich der Schwerpunkt der Versammlungen auf das von der Allgemeinverfügung räumlich betroffene Stadtgebiet der Antragsgegnerin bezieht und von dort aus organisiert werden wird, ist die erfolgte Veröffentlichung der Allgemeinverfügung im Amtlichen Anzeiger vom 9. Juni 2017 sowie die Bekanntgabe des Inhalts der Verfügung in einer Pressekonferenz der Antragsgegnerin am 9. Juni 2017 mit einer sich anschließenden Medienberichterstattung ausreichend (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29.5.2008, 11 LC 138/06, juris, Rn. 42). Im Übrigen ist die Allgemeinverfügung über das Internetangebot der Antragsgegnerin abrufbar.

24

cc) Es liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines räumlich und zeitlich beschränkten Versammlungsverbots vor.

25

Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Dabei sind die Tatbestandsvoraussetzungen unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen (BVerfG, Beschl. v. 21.4.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 27). Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001,1 BvR 1190/90, juris Rn. 41). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, juris Rn. 63; Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, juris Rn. 101) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.11.2009, 1 BvR 2150/08, juris Rn. 67). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, juris Rn. 16, m. w. N.).

26

Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung nach § 15 Abs. 1 VersG ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, juris Rn. 77). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2793/04, juris Rn. 20; Beschl. v. 21.4.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 27). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2793/04, juris R. 20 m. w. N.).

27

Diesen Anforderungen wird die Allgemeinverfügung der Antragstellerin vom 1. Juni 2017 gerecht. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Beschluss insoweit zutreffend ausgeführt:

28

„Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob von der verfahrensgegenständlichen Versammlung des Antragstellers selbst eine unmittelbare Gefahr für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ausgeht. Denn die Allgemeinverfügung betrifft nicht nur den Antragsteller, sondern alle potentiellen Versammlungsteilnehmer in dem 38 km² großen Gebiet, also eine unbestimmte Vielzahl potentieller Adressaten. Es kommt daher auf eine Gesamtbetrachtung an. Im Rahmen einer solchen ist zu prüfen, ob aus dem Kreis der potentiellen Teilnehmer von Versammlungen im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erwarten ist (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 6.11.2013, 1 S 1640/12, juris, Rn. 52; VG Hamburg, Beschl. v. 20.6.2017, 19 E 6258/17, n.v.).

29

Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es ohne das in der Allgemeinverfügung geregelte, zeitlich und räumlich begrenzte Versammlungsverbot zu unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit in dem Geltungsbereich der Verfügung kommen wird. Nach den von der Antragstellerin vorgelegten und aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlichen Informationen ist in dem von der Allgemeinverfügung räumlich erfassten Gebiet und in dem von ihr erfassten Zeitraum eine durch den Austragungsort und die Besonderheiten des G20-Gipfels bedingte außerordentliche Situation gegeben, die ohne die verfahrensgegenständliche Beschränkung der Versammlungsfreiheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die körperliche Unversehrtheit und das Leben sowohl der Teilnehmer des G20-Gipfels [hierzu unter (1)] als auch der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter [hierzu unter (2)] und darüber hinaus auch zu einem Schaden für die auswärtigen Beziehung der Bundesrepublik Deutschland [hierzu unter: (3)] führen würde. Diese Gefahren werden durch eine außerordentliche Gesamtgefahrenlage anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg erhöht, die sich von bisherigen versammlungsrechtlichen Lagen erheblich unterscheidet [hierzu unter (4)].

30

(1) Es besteht eine durch die Antragsgegnerin abzuwehrende unmittelbare Gefahr für die körperliche Integrität der Teilnehmer des G20-Gipfels, die durch Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten Gebiet unmittelbar und wesentlich erhöht würde.

31

(a) Die Bundesrepublik und die Antragsgegnerin sind verfassungsrechtlich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 1 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.2007, 1 BvR 1423/07, juris, Rn. 29) und völkerrechtlich (vgl. Art. 29 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, [BGBl. 1964 II S. 957], vgl. hierzu: Prauß, Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland, 2014, S. 79 ff)] zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Teilnehmer des G20-Gipfels verpflichtet und sie müssen geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Gäste treffen. Wie die Antragsgegnerin dargelegt hat (vgl. Seite 8 der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017), werden 42 Teilnehmer des G20-Gipfels, zu denen die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrienationen rechnen, eine relevante Sicherheitseinstufung gemäß der dafür einschlägigen Polizeidienstvorschriften haben. Vier Personen sind in die Gefährdungsstufe 1, drei Personen in die Gefährdungsstufe 2 und 35 Personen in die Gefährdungsstufe 3 eingestuft. Dabei bedeutet die Annahme der Gefährdungsstufe 1, dass die Person erheblich gefährdet ist und mit einem Anschlag zu rechnen ist. Der Antragsgegnerin obliegt die Aufgabe, diese Gipfelteilnehmer bei ihrem Transport von dem im Norden Hamburgs gelegenen Flughafen zu den Veranstaltungsorten auf dem Messegelände und zu den Hotels, in denen sie untergebracht sind, sowie bei den Transporten zwischen diesen Orten vor Angriffen Dritter zu schützen. Der Transport der Gipfelteilnehmer wird nach den Plänen der Antragsgegnerin durch zu schützende Fahrzeugkolonnen mit mindestens 6-8 Fahrzeugen durchgeführt, wobei die Anzahl der Kolonnenfahrzeuge nach oben nicht begrenzt ist (vgl. Seite 8 der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017). Dabei ist es ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitskonzepts der Transportfahrten, dass insbesondere im Fall der sogenannten „Schleusung“ der Fahrzeugkolonnen, der Fahrzeugverband mit einer möglichst konstanten Geschwindigkeit ohne Anhalten vom Hamburger Flughafen durch das Stadtgebiet zu den Veranstaltungsorten geführt werden soll (Seite 8 Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017). Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin sind insgesamt 87 Fahrzeugkolonnen durch das innere Stadtgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg polizeilich zu begleiten und zu schützen (Seite 9 Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017). Neben diesen von der Antragsgegnerin auch als „Protokollstrecken“ bezeichneten Transportrouten beabsichtigt die Antragsgegnerin auch Rettungs- und Evakuierungswege bereitzuhalten. Zur Gewährleistung der Sicherheit der Gipfelteilnehmer plant die Antragsgegnerin, jeweils erst kurz vor dem Beginn einer Fahrt die konkrete Transportstrecke auszuwählen und diese vom allgemeinen Fahrzeugverkehr freizuhalten. Nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Antragsgegnerin wird ferner jeweils sehr kurzfristig bekannt werden, wann welche Schutzperson anreist und welche konkreten Protokollstrecken genutzt werden sollen.

32

Nachvollziehbar erscheint ferner, dass die Antragsgegnerin auch aufgrund spontaner An- und Abreisen der Gipfelteilnehmer oder spontan angesetzter bilateraler Gespräche auch kurzfristig mit einem geringen zeitlichen Vorlauf Transportstrecken bereitstellen und absichern muss. Es ist auch plausibel, dass die Antragsgegnerin bei der Auswahl der Transportstrecken spontan und flexibel auf Verkehrsstockungen, Notfall-einsätze oder eine Belegung der Transportstrecke durch andere Gipfelteilnehmer reagieren muss. Aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Übersichtskarte, in die das von der Allgemeinverfügung erfasste Gebiet eingezeichnet worden ist, ist unter Berücksichtigung der räumlichen Verhältnisse der Straßen, die den Mitgliedern der Kammer aus eigener Anschauung als Teilnehmer im Straßenverkehr des Hamburger Stadtgebiets bekannt sind, ersichtlich, dass insbesondere in der Nord-Süd-Richtung des Stadtgebiets zwischen Flughafen und Veranstaltungsort in den Messehallen sowie zu den Hotels der Unterbringung eine insgesamt nur begrenzte Anzahl von Straßenrouten vorhanden ist, die nach ihrer baulichen Struktur für eine Führung der zum Teil erheblich langen Fahrzeugkolonnen nebst polizeilichen Begleitfahrzeugen geeignet erscheint.

33

(b) Es liegen nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen und nach den aus allgemein zugänglichen Quellen erhältlichen Informationen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass es während der Durchführung der Transportfahrten der Gipfelteilnehmer – neben zahlreichen friedlichen Versammlungen und Aufzügen im Stadtgebiet, die die weit überwiegende Mehrheit des öffentlichen Protests gegen den G20-Gipfel darstellen dürften – strategische Blockaden der Transportfahrten geplant sind und vorbereitet werden, die geeignet sind, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Gipfelteilnehmer, der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter [hierzu im Folgenden unter: (2)] zu gefährden. Die Antragsgegnerin stützt diese Gefahrprognose in der Begründung ihrer Allgemeinverfügung unter anderem auf zahlreiche im Internet veröffentlichte Ankündigungen und Interviewauszüge (Seite 28 ff der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017), die die Antragsgegnerin in dem Band 2 der dem Gericht vorgelegten Sachakte dokumentiert hat und die das Gericht nach eigener Prüfung für glaubhaft erachtet, auch wenn diese mittlerweile zum Teil nicht mehr im Internet abrufbar sind (Hervorhebungen durch das Gericht):

34

„Auf der Internetseite www.neues-deutschland.de/artkel/1041045.hoffnung-entsteht-aus-rebellion teilt die Interventionistische Linke zudem Folgendes mit: „Zwischen Gegengipfel unter der Woche und Großdemonstration am Wochenende liegt ein Tag des massenhaften Ungehorsams am 07.07.2017. Wir wollen mit Tausenden die Stadt erobern und an die Rote Zone vordringen, (…) Wir werden wichtige neuralgische Punkte besetzen und Zufahrtswege blockieren, die Zufahrtswege blockieren, die Straßen verstopfen und die Infrastruktur und Mobilität der Staatsgäste und Gipfelteilnehmer empfindlich stören. Gemeinsam mit Anwohner*innen zeigen wir an den Blockadepunkten unsere gesellschaftlichen Gegenentwürfe auf: (…).“

35

Im Interview mit der „Zeit Online“ vom 06.05.2017 (http://www.zeit.de/2017/18/g20-gipfel-gegner-protest-debatte-linke/komplettansicht) äußerte Emily Laquer von der Interventionistischen Linken: „Wir wollen, (…), dass dieser G20-Gipfel nicht erwähnt werden kann ohne die Hinweise, alle Zufahrtswege waren verstopft, (…).Die Autonomen gehören zu uns – schwarz ist ein Teil von bunt.(…) Wir planen Massenblockaden, da muss man auch mal durch eine Polizeikette flutschen.“ Thomas Eberhardt-Köster von Attac sagt: „(…) Wir wollen (…) mit zivilem Ungehorsam ihre Machtinszenierung durchkreuzen (…).Und da finde ich es durchaus legitim, an bestimmten Stellen Formen zivilen Ungehorsams einzusetzen. (…) Wenn wir zivilem Ungehorsam ankündigen, etwa eine Blockade, dann machen wir das auch. (…) Es ist in einer bestimmten Situation auch legitim und richtig, Regeln zu übertreten. (…)“.

36

Auf http://www.attac.de/neuigkeiten/detailansicht/news/-0e95f13b42/?no_cache=1 heißt es vom Bündnispartner Attac der Großdemonstration am 08.07.2017: „Am Sonntag fanden neben weiteren Arbeitsgruppentreffen auch Aktionstrainings statt, in denen vermittelt wurde, wie bei Aktionen zivilen Ungehorsams gemeinsam und solidarisch agiert werden kann.“ "Die Aktionstrainings sind ein wichtiger Teil der Vorbereitung unserer Aktionen, da den Menschen hier vermittelt werden kann, dass es trotz eines gigantischen Polizeiaufgebots möglich sein wird, unseren Protest auf die Strasse zu tragen und den Gipfel effektiv zu behindern," erklärt Nico Berg. "Es wird immer deutlicher, dass der geplante G20-Gipfel auf massiven Widerstand stoßen wird. In den Tagen vor dem 8. Juli wird Hamburg voll sein mit Gegnerinnen und Gegnern des Gipfels, die mit zahlreichen Aktionen, Blockaden, Demonstrationen, Paraden etc. den reibungslosen Ablauf des Gipfels stören werden," ergänzt Michael Martin.“

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Im Newsletter #01 zur Aktionskonferenz II gegen den G 20-Gipfel Hamburg auf der Internetseite https://www.g20hamburg.org/de/newsletter/newsletter-01-zur-aktionskonferenz-ii-gegen-den-g20-gipfel-hamburg sowie im Newsletter #02 (https://linksunten.indymedia.org.de/node/205989) wird mitgeteilt: „Fr 7. Juli: Aktionstag. Massenblockaden an den Veranstaltungsorten des G20-Gipfels; Lahmlegen der kapitalistischen Infrastruktur und Klimaaktionen südlich der Elbe“. Im Newsletter #02 heißt es weiter: „Auf zwei Treffen der Aktions-AG zu denMassenblockaden an den Veranstaltungsorten des G20-Gipfels wurde unter Beteiligung zahlreicher Gruppen und Strömungen ein Aktionsbild entworfen und im Konsens beschlossen.“

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Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/de/node/207518 wird im Newsletter #3 zur Aktionskonferenz II gegen den G20-Gipfel wie folgt berichtet:„5. Bericht aus der AG Block G20 - Auf dem letzten Treffen der AG Innenstadt/ Rote Zone haben sich die Beteiligten auf den Namen “Block G20 – colour the red zone” geeinigt. Unter diesem Namen werden wir zu tausenden am Freitag, dem 7. Juli 2017, die Stadt zurückerobern und den G20-Gipfel empfindlich stören. Es soll eine Aktion des massenhaften zivilen Ungehorsams werden, als eine Aktion unter vielen an dem Tag. Wie die Aktion aussehen soll beschreibt das Anfang März veröffentlichte Aktionsbild. Ein Aufruf folgt in Kürze. (…) 9. NO-G20 – Infoabend - Im Gängeviertel finden seit Februar regelmäßige NO-G20-Infoabende zur Vernetzung, Bildung von Bezugsgruppen, und dem Austausch von aktuellen Informationen (aus den AGs) statt. Außerdem werden Filme zu vergangenen Gipfelprotesten angeschaut, um aus den Erfahrungen anderer Proteste zu lernen. Termine: 6.4. / 4.5. / 1.6. jeweils 19 Uhr / Gängeviertel. Infos unter: www.interventionistische-linke.org“

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Der Bündnispartner Attac der Großdemonstration am 08.07.2017 veröffentlicht auf seiner Internetseite ebenfalls die Newsletter zur Aktionskonferenz II gegen den G 20-Gipfel: http://www.attac-netzwerk.de /fileadmin/user_upload/Gruppen/Hamburg/G20_2017/newsletter/NEWSLETTER_04_ZUR_AKTIONSKONFERENZ.pdf: „Am Sonntag Mittag findet ein eigenes Aktionstraining für die Presse statt. (…) Am Sonntag wird es dann mit gemeinsamen Aktions- und Blockadetrainings praktischer. (…) *4. Aufruf: Block G20 - colour the red zone!* Kurz vor der Aktionskonferenz II wurde der Aufruf zur Aktion »Block G20 – colour the red zone!« veröffentlicht. Am Freitag, den 7.7.2017, soll in Hamburg mit dem mutigen und rebellischen Geist der Vielen das Spektakel der Mächtigen blockiert werden. Mehr dazu auf www.blockg20.org“

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Das Programm der Aktionskonferenz II ist auf https://g20hamburg.org/de/programm-ak2 veröffentlicht. Das Programm lautete wie folgt: „SONNTAG 9. April 10:00 Uhr Beginn 10:15 - 12:45 Uhr Workshops Aktions- und Blockadetraining (Skills 4 Action) Die Inszenierung der Macht brechen – den Gipfel stören. Aber wie? Was passiert im Aktionstraining? Im Training werden wir mit Erfahrenen Aktionstrainer*innen die Kernelemente einer erfolgreichen Blockade vermitteln und einüben. Das Aktionstraining berücksichtigt die speziellen Gegebenheiten in der Stadt und speist sich aus den Erfahrungen vergangener Aktionen zivilen Ungehorsams Wir trainieren unter Zeitdruck Entscheidungen in Bezugsgruppen und Großgruppen zu treffen, wie sich Räumungen widersetzt werden kann und wie wir erfolgreich und elegant Polizeiketten durchfließen. Da mit einer hohen Teilnehmer*innenzahl gerechnet wird, werden mehrere Aktionstrainings parallel stattfinden. Antirepression: Was tun wenn‘s brennt - Tipps und Tricks im Umgang mit den staatlichen Repressionsorganen (Rote Hilfe Hamburg)
[ ... ]

41

Der Bündnispartner Attac der Großdemonstration am 08.07.2017 stellt auf der Internetseite http://www.attac.de/kampagnen/g20-in-hamburg/aktionstag-77/ dar: „Wir wollen eine angekündigte, regelüberschreitende Aktion vorbereiten und durchführen. Was wir tun werden, ist nicht unbedingt und immer legal, (…) Wir werden uns gemeinsam mit Zehntausenden die Straßen im Herzen Hamburgs wieder aneignen. Anwohner*innen werden zusammen mit Aktivist*innen aus vielen verschiedenen Ländern das Gipfeltreffen blockieren. Wir werden uns in mehreren Fingern oder vergleichbaren Strukturen organisieren, autonom handelnd und doch koordiniert. Wir werden aus allen Richtungen auf die Orte des Gipfeltreffens zuströmen, auf die Messehallen, auf das Rathaus und die Elbphilharmonie, kurz: auf die rote Zone, die für das Treffen abgeriegelt wird. Wo uns die Polizei daran hindern will, finden wir andere Wege zu unserem Ziel. Wo es nötig sein wird, werden wir Hindernisse überwinden und ggf. Polizeiketten durchfließen. Wir gehen so weit wir kommen. Schon auf unserem Weg zeigen wir unsere linken, gesellschaftlichen Gegenentwürfe auf, mit vielfältigen und kreativen Formen wie Raves, Versammlungen und der Aneignung von öffentlichem Raum und Leerstand. Wir behalten uns vor, über Nacht zu bleiben. Viele von uns werden sich in zahlreich stattfindenden Aktionstrainings auf diese Aktion vorbereiten. Unser Ziel ist es, den reibungslosen Ablauf des Gipfels spürbar zu stören. Gemeinsam erobern wir uns die Stadt zurück, zusammen umzingeln, stören und blockieren wir ihre selbstgerechte Inszenierung als Forum der Weltenretter. Denn sie sind die Brandstifter. Wir setzen sie fest, weil ihre Grenzen Millionen Menschen und ihre Hamburger Gitter einer ganzen Stadt die Bewegungsfreiheit nehmen. Das Wort »Zufahrtswege« wird es an diesem Tag nur in Verbindung mit dem Wort »verstopft« geben. Unsere Aktionsform sind angekündigte Massenblockaden, die aus Menschen bestehen werden, sowie Materialblockaden. Kreative Hilfsmittel wie Großpuppen, Absperrbänder, Luftmatratzen, Fahrrad-Tandems, Einkaufswägen, Banner, Regenschirme etc. werden dabei zum Einsatz kommen. Wir werden dabei der Selbstinszenierung der Macht die Bilder eines kreativen und bunten Widerstands entgegensetzen. Viele von uns werden ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit durch körperschützende Materialien verteidigen. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen. Wir werden laut sein, auch stellvertretend für diejenigen, die nicht in Hamburg sein können.“

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Auf der Internetseite http://g20welcometohell.blogsport.eu/2017/01/16g20-to-hell/#more-1 und https://g20tohell.blackblogs. org/2017/02/12/aufruf-de/#more-1 wird mitgeteilt: „Wir wollen den reibungslosen Ablauf der Gipfel-Inszenierung in Hamburg stören und blockieren. Wir wollen Handlungsspielräume öffnen und nutzen, um vielfältig, massenhaft und unberechenbar gegen den G20-Gipfel aktiv zu werden. (…) Und wir wissen, wir werden uns den städtischen Raum auch zum Gipfel aneignen. Die Repression wird dies nicht verhindern können, wenn wir viele sind und unberechenbar bleiben. Es wird kein ruhiges Hinterland geben.“ Es wird auf die „DAYS OF ACTION 6/7/8 JULI 2017, die Demonstration der radikalen Linken am 06.07.2017“, die „Bildung von widerständigen, antikapitalistischen Blöcken auf der Großdemo am Samstag, den 8.Juli 2017“ und „G20-Gipfel BLOCKIEREN, SABOTIEREN, DEMONTIEREN!“ hingewiesen.

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Auf der Internetseite https://g20hamburg.org/de/content/colorfull-mass-gegen-den-g20-am-7-juli (www.g20hamburg.org/ de/print/234) des Bündnisses gegen den G20-Gipfel wird unter dem Tenor „Dicke Luft in Hamburg: Geschwindigkeitsdrosselung für Trump & Co.“ mitgeteilt: „Während sich in der ersten Juliwoche Staatschefs ihre Fahrzeugflotten einfliegen lassen und aus mehreren Bundesländern schweres Gerät von Polizei und Bundeswehr aufgefahren wird, wollen wir mit einer großen Fahrradtour durch Hamburg eine Geschwindigkeitsdrosselung all dieser verbrauchsintensiven Fahrzeuge herbeiführen. Genießt die Musik, bestaunt ausgefallene Gefährte und werdet Teil der bunten Fahrradkolonne! Wir treffen uns am Freitag, den 7. Juli 2017 um 19 Uhr auf der Moorweide (S-Bahn Dammtor).“

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Auf der Internetseite http://www.g20hamburg.org/de/content/paint-it-red-orte-der-macht-ausbeutung-und-unterdrueckung-der-g20-als-rote-zone-markieren wird aufgeführt: „In Hamburg werden wir ihre Ordnung und Logistik ebenso stören wie ihren Schlaf oder ihren Kunstgenuss. Wir werden ihr Meeting blockieren und ihre Bewegungsfreiheit einschränken, die sie anderen täglich und weltweit nehmen. Wir werden ihre Rote Zone umzingeln und dichtmachen - und die rote Zone auf die ganze Stadt ausdehnen: DEN GIPFEL STÖREN, DIE STADT ZURÜCKEROBERN. Bunt und kreativ – „Colour the Red-Zone“!“

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Auf der Internetseite http://g20-camp.de/ueber-die-notwendigkeit-einer-neuen-camp-ag/ wird sich am 07.04.2017 wie folgt geäußert: „Wir wollen uns mit so vielen Menschen und Strukturen wie möglich auf den Weg machen und G20 entern, blockieren oder einfach dagegen demonstrieren. Wenn wir zusammen zu einem Gegengipfel, Blockadeaktionen oder einer internationalen Großdemonstration aufrufen, dann müssen wir auch allen Menschen eine Unterkunft bieten, denn wo sollen die zehntausend Menschen schlafen.“

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Auf der Internetseite https://g20hamburg.org/de/newsletter/nog20-newsletter-3-gegen-den-g20-gipfel wurde ein Newsletter veröffentlicht, in dem es unter anderem heißt: „Mit Bus & Bahn gegen den G20: Zehntausende werden Anfang Juli nach Hamburg kommen, um zu protestieren, zu demonstrieren, ihn stören und blockieren. Auf den verschiedensten Wegen und auf jede Art: zu Fuss, mit dem Fahrrad, mit Planwagen oder PKWS, Bussen, Zügen, und, wenn auch nicht gerade ökologisch, aber für viele Freund*innen und Genoss*innen aus weiter entfernten Ländern oft die einzige Möglichkeit, mit dem Flugzeug. Siehe auch: https://www.g20hamburg.org/de/content/anreise“

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Auf der Internetseite http://www.blockg20.org/2017/05/16/aktionskonsens-kurzfassung-des-aktionsbilds/ wurde am 16.05.2017 von red der Aktionskonsens (Kurzfassung des Aktionsbilds) veröffentlicht: „Unser Ziel ist es, den Ablauf des G20-Gipfels spürbar zu stören und die Inszenierung der Macht, die der Gipfel darstellt, zu brechen. Wir werden dazu einen massenhaften, öffentlich angekündigten Regelübertritt begehen. Unsere Aktionen sind ein gerechtfertigtes Mittel des massenhaften widerständigen Ungehorsams. Unsere Blockaden sind Menschenblockaden und kreative Materialblockaden, bestehend aus Gegenständen des Alltags. Wir werden

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– unser Ziel besonnen und entschlossen durchsetzen,
– als Teilnehmende solidarisch aufeinander achten und
– uns schützen, um unser Recht auf körperliche Unversehrtheit zu verteidigen. Von uns wird dabei keine Eskalation ausgehen. Wir sind solidarisch mit allen, die unsere emanzipatorische Kritik an den G20 teilen.“

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In der Zeck Nr. 197, Ausgabe März/April wird im Artikel „Das war der Gipfel“ (S. 7) wie folgt ausgeführt: Wie am Schnürchen wird es jedoch kaum laufen, wenn im Sommer 2017 etwa 100.000 Gipfelgegner_innen die Messehallen und das Rathaus belagern, die halbe Stadt lahmlegen und den „Sicherheitsapparat“ auf die Probe stellen. (…) Und WIR haben uns entschieden im Sommer dafür um so mehr loszulegen. Wir sind viele und entschlossen, diesen Gipfel zu einem Desaster zu machen.“ Im Artikel „Splitter die Nacht:: Dokumentation“ der autonomen gruppe carpe noctem wird auf Seite 26 geäußert: „diesen sommer soll in hamburg der g20-gipfel stattfinden. dieses event … kann einen kristallisationspunkt für unseren widerstand bieten. wir begrüßen die bisherige vielfalt der angriffe und freuen uns über so zahlreiche militante attacken, die bereits stattfanden, (…). der g20-gipfel mitten in hamburg kann als provokation, als angriff angesehen werden. (…) stürzen wir hamburg ins chaos. (…).“

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In der Zeck Nr. 198, Ausgabe Mai/Juni 2017 wird unter „Kurzes“ (S. 3) vom „Autonomen Zentrum KTS Freiburg folgendes ausgeführt: “Am 7. und 8. Juli findet der G20-Gipfel in Hamburg statt. Die KTS ist mit dabei. (…) Zur Vorbereitung auf den anstehenden Widerstand (…) findet am (…) das Demo 1x1 2.0 mit Blockade-Training in der KTS Freiburg statt. (…) Wir sehen uns am 6. Juli um 16 Uhr zur antikapitalistischen Demonstration auf dem Fischmarkt St. Pauli und am 8. Juli um 11 Uhr zur Großdemo auf der Moorweide Hamburg. Wir sehen uns auf den Camps und bei den dezentralen Aktionen! Lasst uns gemeinsam den G20-Gipfel in Hamburg entern und versenken!“. Zudem wird dort unter der Überschrift „ZuG20 – Sonderzug zum G20-Gipfel 2017“ (S. 3) verfasst: „Am Mittwoch, den 5. Juli, wird sich der Protestzug ZuG20 mit 12 Waggons von Basel via Stuttgart in Richtung Hamburg auf den Weg machen. (…) Ab Donnerstag werden wir Hamburg das gesamte Wochenende über mit Camps, Blockaden und Demonstrationen in eine Stadt der Solidarität und des Protests verwandeln!“. Auf S. 12 führt das „ums Ganze!Bündnis“ wie folgt aus: „(…) Auf in den Hafen: Logistik angreifen! (…) Doch wir wollen mit der Logistik-Blockade entsprechende Handlungsmöglichkeiten überhaupt aufzeigen…Für eine öffentlichkeitswirksame Unterbrechung bietet der G20-Gipfel in Hamburg die perfekte Gelegenheit. (…) Wir sehen uns. Am Donnerstag, 6. Juli, auf der Vorabenddemo, am Samstag, den 8. Juli auf der Großdemonstration durch die Hamburger Innenstadt im antikapitalistischen Block und vor allem am Freitag morgen im Hafen zu Massenaktionen gegen die Logistik des Kapital – bevor wir uns dann nachmittags an, pardon, in der Roten Zone wiedersehen“

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Auf der Internetseite linksunten.indymedia.org/de/node/198163 sind im Artikel „[HH-NoG20] Schluss mit dem Konsens: Für Differenzkultur und radikale Antworten gegen den Wettbewerb der Elendsverwaltung“ folgende Passagen relevant: „Geordnete, mahnende Proteste nach den jeweils vorherrschenden moralischen Maßstäben und Spielregeln sind das Mittel jener, die an der bestehenden Gesellschaftsordnung teilhaben wollen und können. Der Protest gegen G20 wird aber auch andere Akteur*innen versammeln. Den als nicht gesellschafsfähig wahrgenommenen „Bodensatz“ der Globalisierung, die Kriminalisierten und die Wütenden, die Abtrünnigen und die Suchenden. Auch deren Stimmen haben Gewicht, auch deren Erfahrungen und Protestformen haben eine Legitimität, die verteidigt werden muss.“

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Ebenfalls auf der Internetseite linksunten.indymedia.org/de/node/199175 heißt es im Artikel „[G20] Strategische und taktische Gedanken zu G20 nach Sunzi“: Ein Weiteres Strategisches mittel ist es den Staat und seine Schergen in ihrer Bewegungsfreiheit zu stören. Dies kann an dem Tag der Aktion selbst durch Barrikaden und Krähenfüße geschehen. Generell sind hier aber auch Angriffe auf die Fahrzeuginfrastruktur zu nennen. (…) Wichtig ist, dass schon dieser Aufruf dazu führt das vermehrt Streifen die Fahrzeuge patrouillieren müssen und somit Kräfte gebunden und verbraucht werden, die uns dann nicht in Hamburg entgegen treten. (…) Es ist an euch diesem Schweinesystem die Haxen zu brechen.“

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Auf G20 Hamburg 2017 wird getwittert: „Voll 80er! Die Reisegruppe Riotlingen lädt ein, die kapitalistische Infrastruktur zu blockieren. Nur wer ein Helm hat darf mitkommen #noG20“ oder „Barrikaden werden gebaut, Feuer entfacht. #G20 – total disaster! Wir dürfen gespannt sein, was im Juli in #Hamburg passieren wird. #noG20“. Sowie: „Die Kanzlerin will zum #G20 vor der Bundestagswahl politisch glänzen. Das werden wir ihr versauen. Im Juli 2017 bestimmen wir die Bilder“ (im Hintergrund sind Brände und Rauch zu erkennen). Zuletzt am 05.05.2017: „Am Abend des 7. Juli wollen die Staatschefs von den Messehallen zur Elbphilharmonie kommen. Wir werden die Wege dicht machen.

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Auf BlockG20 (zusammenhängend mit blockg20.org) wird getwittert: „Wir werden zum #G20 in Hamburg am 7. Juli morgens die Zufahrten zur Messe blockieren; nachmittags die Ausfahrten zur Elphi“ oder „Wir lieben zu blockieren. Und am Aktionstag 7. Juli werden wir die rote Zone bunt gestalten.“

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Der Blog https://tschuess.noblogs.org bietet „eine Plattform für eine militante Koordinierung gegen den G20 in Hamburg 2017 und darüber hinaus. Hier werden Worte und Taten die sich gegen den Gipfel richten oder sich darauf beziehen dokumentiert und gesammelt. (…) um (…) den Angriff gegen die Herrschaft auszuweiten und zu intensivieren.“

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Auf der Internetseite linksunten.indymedia.org/de/node/206139 rufen „Autonome Gruppen“ im Artikel „[LE] Kämpfe verbinden!“ zu einer militanten Kampagne auf: „(…) Wir wollen mit unserem Kampagnenvorschlag einen weiteren Aspekt in die Anti-G20-Mobiliesierung einbauen: (…) Es liegt nah, dies für ein widerständiges Jahr 2017 offensiv aufzugreifen bzw. anzugreifen! Damit schließen wir uns diesem Aufruf zu einer militanten Kampagne an und unterstützen die Verbindung der lokalen und überregionalen Kämpfe. (…) Im Juni werden wir zusammen mit Gefährt*Innen aus ganz Europa das G20-Treffen zu einem Desaster machen.“

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Ebenso wird auf den Internetseiten https://linksunten.indymedia.org./de/node/205509 und linksunten.indymedia.org./de/ node205210 von unterschiedlichen Verfassern im Zusammenhang mit G20 zu einer „militanten Kampagne“ aufgerufen.

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Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/de/node/205560 werden Hinweise und Bauanleitungen für den Bau von Hakenkrallen, Zunder, Zunderflaschen und Krähenfüßen im Zusammenhang mit „Nicht nur in Hamburg sagt man tschüss“ gegeben.

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Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/de/node/199015 wird im Artikel „[B] Vive le Sabotage – Die Welt der G20 sabotieren“ wie folgt aufgerufen: „Es reicht uns! Wir wollen unsere Wut und unseren Widerstand unübersehbar auf die Straßen Hamburgs tragen! Wir rufen alle Gruppen und Menschen aus Berlin auf, zum G20 zu fahren und den Gipfel zu einem Desaster zu machen!“

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Auf www.facebook.com/notes/autonome-aktion-europe/valling-earth/1659924594033015 wird zum „G20 sabotieren!“ aufgerufen: „Und wir werden mit tausend verschiedenen Mitteln, friedlich und militant, Risse in ihre Mauer der Befriedung schlagen. Ob mittels Menschenblockaden an Zentren der Logistik, (….).“

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Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/de/node/188436 wird im Artikel „Anarchistischer Aufruf gegen das G20-Treffen in Hamburg“ tituliert: G-20 Treffen angreifen! Hamburg ins Chaos stürzen! Die europäische Festung zerstören!“

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Auf der Internetseite http://www.g20-protest.de/was-ist-geplant/2-aktionskonferenz-89-april-in-hamburg/ heißt es: „Auf zur zweiten G20-Aktionskonferenz am 8./9. April 2017 in Hamburg. Am 7. und 8. Juli 2017 wird in Hamburg der G20-Gipfel stattfinden. Dagegen regt sich breiter gesellschaftlicher Widerstand: (…) eine Vorabenddemonstration am 6.7., ein Aktionstag am ersten Gipfeltag (7.7.), mit dem der reibungslose Ablauf des G20-Machtspektakels empfindlich gestört werden soll und eine internationale Großdemonstration am Samstag, den 8. Juli. (…) Der Startschuss fiel Anfang Dezember: Zu hunderten kamen Aktivist*innen nach Hamburg, um in die konkrete Vorbereitung für Juli 2017 zu gehen. In einer Vielzahl von Arbeitsgruppen wird der lokale Widerstand in den Stadtteilen organisiert, bereiten sich feministische und Jugendgruppen auf Aktionen vor, werden Nachttanzdemonstrationen und Raves, werden Blockaden des Gipfels und des Hafens geplant und eine gemeinsame Choreographie der Proteste diskutiert. Machen wir mit unserem entschlossenen Widerstand deutlich, dass die selbsternannten Retter*innen der Welt nicht willkommen sind – nicht zum G20 in Hamburg oder anderswo!“

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In der Printausgabe der „Fight Capitalism - Texte zu den G20-Protesten in Hamburg 2017“ der „Perspektive Kommunismus“ heißt es auf S. 17: „(…) Dass z.B. die Neueröffnung der EZB im Frühjahr 2015 in Frankfurt nicht als nette Sektparty in die Geschichte eingeht, sondern Erinnerungen an Rauchschwaden, überforderte Polizei und den Ausnahmezustand in der City hervorruft, ist eine wichtige Bestätigung und ein Ansporn für all diejenigen, die sich europaweit gegen die zerstörerische Sparpolitik der EU-institutionen wehren. Internationale Gipfeltreffen, wie der anstehende G20 stehen darüber hinaus (…) für das kriselnde Gesellschaftssystem, (…).“

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In englischer Sprache sind auf der Internetseite https://chance-operations.tumblr.com diverse Karten des Hamburger Stadtgebietes veröffentlicht worden, auf denen Reizobjekte, Blockadepunkte, vermutete Protokollstrecken und Rückzugsorte als auch der Flughafen verzeichnet sind.

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Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/en/node/213133 ist am 20.05.2017 ein „Anarchistischer Aufruf gegen die G20“ veröffentlicht worden. Dort heißt es: „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wenn sie sich treffen um die Aufrechterhaltung ihrer Macht zu planen, auch wir uns treffen um sie so gut es geht daran zu hindern und sie anzugreifen. (…) Es gibt keinen besseren Ort unserer Wut über das Bestehende freien Lauf zu lassen, als den des G20-Gipfels in Hamburg. (…)“ In der Kommentierung „Cooler Aufruf“ dazu heißt es: „Wir sollten auch bei der Wellcome to Hell“ Demo alternative Treffpunkte ausmachen, bzw. legale Kundgebungen anmelden, an denen man sich nach einer Zerschlagung der Demo wieder sammeln kann. (…)“.

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Aus diesen Quellen ist bei der im vorliegenden Eilverfahren möglichen Prüfung unter der Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstabs [hierzu unter 2.] für das Gericht hinreichend ersichtlich, dass von zahlreichen Teilnehmern etwaiger Versammlungen zu erwarten ist, dass diese eine gezielte strategische Blockade der Transportkolonnen als Ausdrucksform ihres Protests gegen die Veranstaltung des G20-Gipfels und gegen seine Teilnehmer wählen werden und sich zum Teil auf diese Blockaden durch ein gezieltes Training in Gruppen vorbereiten. Insbesondere in den Straßenzügen um den Veranstaltungsort auf dem Hamburger Messegelände und am Flughafen, an denen die Anzahl der zu- und abführenden Straßen strukturell begrenzt ist, können solche Blockaden gravierende Gefahrquellen für die Gipfelteilnehmer verursachen, deren Wirkung durch die verminderte Manövrierfähigkeit besonders langer Fahrzeugkolonnen, wie beispielsweise die Kolonne des Präsidenten der Vereinigten Staaten, verstärkt werden.

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(c) Die ausweislich der ausgewerteten Quellen [hierzu zuvor unter: (b)] geplanten Verhinderungsblockaden begründen eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der zu transportierenden Teilnehmer des G20-Gipfels. Denn im Falle einer Blockade der Transportkolonnen, durch die gegebenenfalls auch der Rückzug oder die Evakuierung der Kolonne beeinträchtigt wird, werden die in den Fahrzeugen befindlichen Gipfelteilnehmer und ihr Begleitpersonal zu einem leichteren Ziel etwaiger gewaltsamer Anschläge. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung ihrer Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass ein statisches Ziel gegenüber einem beweglichen Ziel mit Kurz- und Langwaffen oder sonstigen Anschlagsmitteln zielgenauer getroffen werden kann (Seite 50 der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017). Auch ist ein Angriff beziehungsweise ein Annähern von Störern im Falle des Stillstandes einer Fahrzeugkolonne leichter möglich ist, als bei einer fahrenden Kolonne.

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Ferner hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt, dass die Staatsgäste des G20-Gipfels und die Vertreter von Bund und Ländern als hochrangige Repräsentanten ihrer Staaten Ziele von Gefährdungen durch extremistische Täter oder irrational motiviert handelnde Personen sein können (vgl. Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 49). Dies gilt insbesondere für extremistische Gewalttäter aus dem Spektrum islamistischer Terrororganisationen oder politisch motivierter Täter aus dem Ausland. Nachdem von der Antragsgegnerin in der Allgemeinverfügung herangezogenen Bericht des Hamburgischen Verfassungsschutzes für das Jahr 2016 leben allein in Hamburg 320 Personen, die der jihadistischen Strömung zugerechnet werden. Auch nach der Einschätzung des Bundeskriminalamts besteht weiterhin eine hohe abstrakte Gefahr, die sich jederzeit in Form von terroristischen Anschlägen und Entführungen konkretisieren kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Gipfeltreffen in Hamburg aufgrund seiner internationalen medialen Aufmerksamkeit für extremistische Gewalttäter ein besonders attraktives Ziel für öffentlichkeitswirksame Anschläge darstellt. Hinsichtlich der Gefahrprognose hat die Antragsgegnerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ferner zutreffend auf die im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 ausgewiesenen 650 Personen in Hamburg und bundesweit 8500 gewaltbereiten Personen aus dem links-extremistischen Spektrum sowie auf 320 gewaltorientierte Personen aus dem rechtsextremen Spektrum in Hamburg verwiesen.

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Nachvollziehbar ist auch die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass einzelne Versammlungen, die sich auf oder in der Nähe einer Transportstrecke befinden, auch ohne eine Blockadeabsicht den Transport der Gipfelteilnehmer erheblich beeinträchtigen können. Dies gilt umso mehr bei einer naheliegenden Unterwanderung solcher Versammlungen durch Versammlungsteilnehmer mit einer strategischen Blockadeabsicht. Es dürfte auch für die Einsatzkräfte der Antragsgegnerin nicht möglich sein, zwischen Versammlungsteilnehmern mit und ohne Blockadeabsicht zu differenzieren.

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(d) Vor diesem Hintergrund sind die strategischen Blockaden, die nicht nur kurzfristig und symbolisch Protest ausdrücken sollen, sondern auf die Verhinderung dessen gerichtet sind, was politisch missbilligt wird, von der Versammlungsfreiheit nicht gedeckt. Art. 8 GG schützt die Teilhabe an der Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen. Auch wenn Sitzblockaden bei passiver Haltung der Teilnehmer nicht als unfriedlich anzusehen sind und für sie folglich der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt, überschreiten sie den Bereich der geistigen Auseinandersetzung, wenn sie sich nicht als demonstrative Sitzblockaden auf die Kundgabe einer Meinung und die Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit für ein kommunikatives Anliegen beschränken, sondern auf die Beeinträchtigung der Rechte anderer und die Ausübung von Zwang sowie die Schaffung von Tatsachen gerichtet sind. Art. 8 GG umfasst nicht das Recht, die öffentliche Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen durch gezielte und absichtliche Behinderung der Rechte Dritter zu steigern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001, 1 BvR 1190/90 u. a.; juris; Urt. v. 11.11.1986, 1 BvR 713/83, juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 29.5.2008, 11 LC 138/06, juris, Rn. 53; Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257, 259 f.). Die erkennbar geplanten Verhinderungsblockaden stellen insofern bereits für sich genommen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar.

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(2) Es besteht auch die hohe Wahrscheinlichkeit der Gefährdung von Leib und Leben der Teilnehmer möglicher Versammlungen und unbeteiligter Dritter in dem von der Allgemeinverfügung erfassten räumlichen Bereich. Wie die Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung nachvollziehbar dargelegt hat, besteht auf den Transportstrecken der Kolonnen aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Kolonnenfahrzeuge und etwaiger Überbreite der Fahrzeuge ein Verletzungsrisiko infolge von Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Versammlungsteilnehmern, insbesondere in Fällen einer Blockade der Transportstrecke. Es ist nach Überzeugung des Gerichts ferner nicht auszuschließen, dass ausländische Sicherheitskräfte – ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens – mit Gewalt gegen blockierende Versammlungsteilnehmer vorgehen, sollten diese Sicherheitskräfte einen gegenwärtigen Angriff auf ihre Schutzperson annehmen. Eine entsprechende Gefahr besteht dabei auch für unbeteiligte Teilnehmer des Straßenverkehrs in der Nähe derartiger Auseinandersetzungen.

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(3) Etwaige Blockaden begründen ferner eine Gefährdung für das Schutzgut der Durchführung der staatlichen Veranstaltung des G20-Gipfels und das Schutzgut der auswärtigen Beziehungen des Bundes. Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist gemäß Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes. Wenn – wie im vorliegenden Falle des G20-Gipfels – der Besuch ausländischer Staats- und Regierungschefs in der Bundesrepublik Deutschland – nach der gerichtlich nicht zu überprüfenden Einschätzung der zuständigen Organe des Bundes – der Wahrung der guten Beziehungen zu ausländischen Staaten dient, ist dieser gemäß Art. 32 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Belang Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.1987, 1 BvR 1112/87; OVG Greifswald, Beschl. v. 12.7.2006, 3 M 74/06, juris, Rn. 14, m.w.N.). Dabei können etwaige Verzögerungen des Transports der Gipfelteilnehmer zu den Veranstaltungsorten oder des Abtransports zum Flughafen die Veranstaltung des Gipfels in empfindlicher Weise in ihrem zeitlichen Ablauf stören oder bei einer umfassenden Blockade des Transports einer Vielzahl von Gipfelteilnehmern sogar den Abbruch der Veranstaltung zur Folge haben. Es liegt auf der Hand, dass durch solche Szenarien die auswärtigen Beziehungen des Bundes in erheblicher Weise nachteilig beeinträchtigt würden. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung in dem vorliegen Verfahren, ob in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG auch eingriffen werden kann, um zu verhindern, dass die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik durch Kundgebungen gegenüber fremden Staats- und Regierungschefs, die eine Duldung derartiger Vorgänge als unfreundlichen Akt empfinden könnten, belastet werden. Dies erscheint indessen wegen der konstitutiven Bedeutung des Grundrechts aus Art. 8 Abs. 1 GG für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zweifelhaft.

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(4) Die zuvor dargelegten Gefahren für die ausländischen Gipfelteilnehmer, Versammlungsteilnehmer, unbeteiligte Dritte, die auswärtigen Beziehungen des Bundes und der staatlichen Veranstaltung des G20-Gipfels in Hamburg werden durch ein von der Antragsgegnerin als „Gemengelage“ bezeichnetes Zusammentreffen der Gefahrquellen, erhöht, die nach Auffassung der Kammer eine außerordentliche Gesamtgefahrenlage erzeugen, die sich von bisherigen versammlungsrechtlichen Lagen in Hamburg erheblich unterscheidet.

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Wie die Antragsgegnerin eingehend dargelegt hat, obliegt ihren Polizeikräften sowie den aus den übrigen Bundesländern und benachbarten Mitgliedsstaaten hinzugezogenen Polizeikräften die Aufgabe, in dem Zeitraum der Durchführung des G20-Gipfels in Hamburg die Sicherheit der Gipfelteilnehmer während der Gipfelveranstaltungen, ihrer Unterbringung in den Hotels sowie insbesondere auf den Transportfahrten zwischen dem Flughafen, den Veranstaltungsorten und den Unterkünften sicherzustellen. Es handelt sich dabei um 30 Staats- und Regierungschefs und 20 Finanzminister mit zahlreichen Begleitpersonen. 42 Personen haben eine sicherheitsrelevante Gefährdungseinstufung. Die Unterbringung der Staatsgäste erfolgt dabei in mehreren, über das innere Stadtgebiet verteilten Hotels in den Straßen An der Alster, Sternschanze, Marseiller Straße, Dammtorwall, Rothenbaumchaussee, ABC-Straße, Große Bleichen, Neuer Jungfernstieg, Heiligengeistbrücke, Alter Wall, Bugenhagenstraße, Kirchenallee, Platz der Deutschen Einheit, Ferdinandstraße, St. Petersburger Straße, Bernhard-Nocht-Straße und Seewartenstraße (vgl. Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 7). Daneben muss die Polizei der Antragsgegnerin und die im Wege der Amtshilfe entsandten Polizeikräfte der anderen Bundesländer und des Bundes die Sicherheit der zahlreichen angekündigten öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel anlässlich des G20-Gipfels gewährleisten. Hier erwartet die Antragsgegnerin nach einer für das Gericht nachvollziehbaren Auflistung in der Allgemeinverfügung insgesamt über 100.000 Versammlungsteilnehmer unterschiedlicher Versammlungen und Aufzüge. Dem tritt der Antragsteller nicht entgegen. So sind bereits bis zum 31. Mai 2017 für die Tage vom 7. Juli 2017 bis 8. Juli 2017 18 Versammlungen bzw. Aufzüge angemeldet:

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04.07.2017 bis 08.07.2017, Versammlung, Valentinskamp 38 a-f/ Schierpassage, “Solidarische Oase Gängeviertel – Für grenzenlose Bewegungsfreiheit!“, angemeldet jeweils 5 – 100 Teilnehmer.

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07.07.2017, Versammlung, Jungfernstieg / Reesendammbrücke “USA: brücken bauen statt Mauern!“, angemeldet sind ca. 50 Teilnehmer.

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07.07.2017, Versammlung, Valentinskamp/Caffamachareihe auf der Kreuzung, “Infrastructure to the people!“, angemeldet sind ca. 100 Teilnehmer.

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07.07.2017, Versammlung, Gerhart-Hauptmann-Platz, “Gay20-Gipfel. Für die globalen Menschenrechte von LGBT!”, angemeldet sind 500 – 1.000 Teilnehmer.

79

07.07.2017, Versammlung, Ottensener Hauptstraße, „Menschenrechtsverletzungen im indisch besetzten Teil von Kaschmir!“, der Anmelder erwartet ca. 60 Teilnehmer.

80

07.07.2017, Versammlung, “One World – One Vibe!“, Reeperbahn / Spielbudenplatz, angemeldet sind ca. 5.000 Teilnehmer.

81

07.07.2017, Aufzug, „Solidarität statt G20!“, Hachmannplatz über Jungfernstieg zum Allende Platz, angemeldet sind ca. 400 Teilnehmer.

82

07.07.2017, Versammlung, „Welcome China!“, vor dem Hotel Grand Elysee, Tesdorpfstraße, der Anmelder erwartet 15 Teilnehmer.

83

07.07.2017, Versammlung, „Welcome China!“, vor dem Hotel Grand Elysee, Moorweidenstraße, der Anmelder erwartet 15 Teilnehmer.

84

07.07.2017, Aufzug, „Revolutionäre Anti-G20-Demo, G20-entern - Kapitalismus versenken!“, Reeperbahn über Baumwall, Niederbaumbrücke – Am Sandtorkai – Bei St. Annen – Brandstwiete – Alter Fischmarkt – Schmiedestraße – Bergstraße – Jungfernstieg – Gänsemarkt – Valentinskamp – Dragonerstall – Holstenwall – Millerntordamm – Millerntorplatz, der Anmelder erwartet ca. 2.000 Teilnehmer.

85

07.07.2017 bis 08.07.2017, Versammlung, „Gegen die Unterdrückung der arabischen Bevölkerung durch den Iran und gegen die Todesstrafe im Iran - G20 ist auch für die Menschenrechtsverletzungen im Al-Ahwaz verantwortlich!“, Messeplatz, die Veranstalter erwarten ca. 20 Teilnehmer.

86

08.07.2017, Versammlung, „Welcome China!“, vor dem Hotel Grand Elysee, Tesdorpfstraße, der Anmelder erwartet 15 Teilnehmer.

87

08.07.2017, Versammlung, „Welcome China!“, vor dem Hotel Grand Elysee, Moorweidenstraße, der Anmelder erwartet 15 Teilnehmer.

88

08.07.2017, Versammlung, “One World – One Vibe!” Reeperbahn / Spielbudenplatz, angemeldet sind ca. 5.000 Teilnehmer.

89

08.07.2017, ein Aufzug, “G20 – not welcome!“, angemeldet sind 50.000 – 100.000 Teilnehmer (Kooperierte Strecke: Deichtorplatz über Willy-Brandt-Straße - Ludwig-Erhard-Straße – Millerntordamm – Millerntorplatz – Reeperbahn – Holstenstraße - Simon-von-Utrecht-Straße - Budapesterstraße; als Endkundgebungsort plant der Veranstalter das Heiligengeistfeld, die Versammlungsbehörde hat den Millerntorplatz angeboten).

90

08.07.2017, zwei Aufzüge, “Hamburg zeigt Haltung!“, angemeldet sind 20.000 – 30.000 Teilnehmer: Katarinnenkirchhof über Baumwall zum Fischmarkt und Katarinnenkirchhof über Willy-Brandt-Straße bis zum Fischmarkt.

91

08.07.2017, Versammlung, „Für die Berücksichtigung der Menschenrechte im indisch besetzten Teil von Kaschmir!“, Marco-Polo-Terrassen, der Veranstalter erwartet ca. 80 Teilnehmer.

92

08.07.2017, Versammlung, „Menschenrechte für die Muslime in Kaschmir Indien!“, Messeplatz/Heinrich-Hertz-Turm, der Veranstalter erwartet ca. 50 Teilnehmer, Versammlung findet nach Kooperation Magellanterrassen statt.

93

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Antragsgegnerin ferner vorgetragen, dass seit der Bekanntgabe der Allgemeinverfügung weitere 6 Versammlungen bei ihr angemeldet worden seien. Ferner sei noch mit zahlreichen unangemeldeten Versammlungen zu rechnen. Es obliegt der Antragsgegnerin, alle diese Versammlungen vor unfriedlichen Versammlungsteilnehmern und Störern zu schützen und der zurzeit bestehenden allgemeinen Gefährdung öffentlicher Veranstaltungen durch terroristische Gewalttäter wirksam zu begegnen.

94

Es bestehen vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerin vorgelegen Informationen ferner konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Zahl gewaltorientierter Personen in eigenen Aufzügen oder aus friedlichen Versammlungen oder Aufzügen heraus gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Polizeikräften der Antragsgegnerin suchen wird. Nach der Lagebeurteilung der Polizei der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2017, Seite 25, wird insbesondere anlässlich der Demonstration „für eine solidarische Welt – gegen den G20 Gipfel in Hamburg!“ am 6. Juli 2017 mit einer Teilnahme von 7000-8000 gewaltbereiten Extremisten am Aufzug gerechnet. Auch für den Aufzug am 7. Juli 2017 des Bündnisses „G 20 entern“ wird eine Beteiligung extremistisch gewaltbereiter Personen erwartet (Lagebeurteilung der Polizei vom 31. Mai 2017, Seite 25). Auch vor den von diesen Personen ausgehenden Gefahren muss die Antragsgegnerin friedliche Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte schützen. Schließlich obliegt der Antragsgegnerin die Gewährleistung der allgemeinen öffentlichen Sicherheit im Stadtgebiet während der Dauer der Gipfelveranstaltungen.“

95

Diesen Ausführungen schließt sich das Beschwerdegericht an.

96

Die dargestellten Gefahren für die ausländischen Gipfelteilnehmer, Versammlungsteilnehmer, unbeteiligte Dritte, die auswärtigen Beziehungen des Bundes und die staatliche Veranstaltung des G20-Gipfels in Hamburg werden auch durch die neuesten Erkenntnisse noch einmal unterstrichen:

97

So äußerten sich etwa Rechtsanwalt B. und der „Alt-Autonome Peter H.“ in einem am 19. Juni 2017 in der taz.nord abgedruckten Interview (Bl. 38 der Sachakte, Band 4) u. a. wie folgt: „B.: ‚(…) Es wird einer der größten schwarzen Blöcke, die es in Europa jemals gegeben hat. Das merken wir schon an der Mobilisierung.‘(…) B. : ‚G20 in Hamburg – und dann auch noch im linken Szeneviertel – wird als eine unglaubliche Provokation (…) verstanden. Die wollen hier mit 20.000 Einsatzkräften üben und wir wollen es ihnen schwer machen.‘ (…) Peter H.: ‚Wir sind auch beteiligt an den Blockaden und an der Großdemonstration am 8. Juli.‘ B. : ‚Es bringt ja nichts, super peacig anzufangen und sich dann langsam zu steigern. Wir wollen zeigen: Das läuft so nicht und ihr macht nie wieder einen Gipfel in einer europäischen Großstadt. Um das deutlich zu machen, sind einige Leute bereit, ein gewisses Risiko einzugehen.‘ B. : ‚(…) Wenn sie uns nicht losgehen lassen, werden wir das nicht kampflos hinnehmen. Oder wenn sie uns (…) sofort angreifen, wird es natürlich knallen.‘“ Auf der Internetseite http://www.attac.de/kampagnen/g20-in-hamburg/aktionstag-7-juli/ (abgerufen am 2. Juli 2017) heißt es zum Aktionstag 7. Juli von attac: „Am frühen Morgen wird versucht, die Straßen rund um die Messe zu verstopfen, um Sand im Getriebe des Gipfels zu sein.“ Auf der Internetseite http://www.blockg20.org/termine (abgerufen am 2. Juli 2017) wird ausgeführt: „Uns reicht es dabei nicht nur symbolisch zu protestieren um unsere Ablehnung der G20 kund zu tun. Wir werden den Ablauf des Gipfels stören und uns die Straßen und die Stadt zurückholen. Wir werden am ersten Tag des Gipfels, Freitag den 07.Juli, die Anreise der Gipfelteilnehmer zu den Messehallen in St. Pauli blockieren.“

98

Seit dem Erlass der Allgemeinverfügung sind ferner zehn weitere Versammlungen und Aufzüge innerhalb der räumlichen und zeitlichen Geltungsdauer der Allgemeinverfügung angemeldet worden:

99

05.07.2017, 10:00 Uhr bis 08.07.2017, 22:00, verändert vom Anmelder auf Marktstraße/Olmühle „G20 bedeutet Krieg! Dauermahnwache zu Krieg und Flucht!

100

07.07.2017, 12:00 bis 15:00 Uhr, Große Reichenstraße 27 „Freihandel Macht Flucht!“ (Attac)

101

07.07.2017, 13:00 bis 15:00 Uhr, Hauptbahnhof, Deichtorhallen – Hauptbahnhof „Neoliberalismus ins Museum, Satirische Performance, Prozession!“ (Attac)

102

07.07.2017, 14:00 bis 16:00 Uhr, Mönckebergstraße Ecke Spitalerstraße „Gutes Leben für alle statt Wachstumswahnsinn!“ (Attac)

103

07.07.2017, 12:00 bis 16:00 Uhr, Neuer Jungfernstieg „Freihandel Macht Flucht!“ (Attac)

104

07.07.2017, 20:00 bis 08.07.2017, 06:00 Uhr, Alter Wall 40, vor dem Hotel Sofitel „Pro-Erdogan-Demo!“

105

07.07.2017, 10:00 bis 20:00 Uhr, Moorweidenstraße / Edmund-Siemers-Allee, Platz der jüdischen Deportierten „Kundgebung und Mahnwache: Texte und Zeichen gegen Kriege und Hass!“

106

07.07.2017, 10:00 bis 12:00 Uhr, Bruno-Georges-Platz 1, vor der Versammlungsbehörde „Versammlung für die Versammlungsfreiheit!“

107

08.07.2017, 10:00 bis 12:00 Uhr, Johanniswall / Altstädter Straße, vor der BIS „Versammlung für die Versammlungsfreiheit!“

108

08.07.2017, 11:00 bis 13:00 Uhr, Fuhlsbüttler Straße 236, „Barmbek sagt Nein zu Thor Steinar!“

109

dd) Die Antragsgegnerin dürfte sich auch zu Recht auf den polizeilichen Notstand berufen haben, um ein räumlich und zeitlich beschränktes präventives Versammlungsverbot unter Einbeziehung sämtlicher Versammlungen, auch wenn von diesen selbst keine unmittelbare Gefahr ausgeht, zu rechtfertigen.

110

Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung auf ein Verbot auch von friedlichen Versammlungen gerichtet ist – wovon auch die Antragsgegnerin in ihrer Allgemeinverfügung ausgeht –, wäre sie grundsätzlich nur rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstands vorliegen. Grundsätzlich gilt, dass in Fällen, in denen sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter zu befürchten sind, polizeiliche Maßnahmen in erster Linie gegen etwaige Störer zu richten sind (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, NVwZ 2013, 570, juris Rn. 17; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, NordÖR 2016, 219, juris Rn. 19). In diesen Fällen kommen Verbote und Beschränkungen der friedlichen Versammlung selbst nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes in Betracht. Die Rechtsfigur des polizeilichen Notstandes setzt voraus, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden können und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen. Soweit Rechtsgüter durch Dritte, die nicht im Rahmen der angemeldeten Versammlung handeln, gefährdet werden, hat die Behörde zunächst gegen diese vorzugehen (BVerwG, Beschl. v. 1.10.2008, 6 B 53/08, juris Rn. 5). Dies setzt wiederum voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, juris Rn. 17; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, NordÖR 2016, 219, juris Rn. 19).

111

Es ist zweifelhaft, ob sich diese Rechtsprechung, die auf typische versammlungsrechtliche Konstellationen bezogen ist, ohne weiteres auf die hiesige übertragen lassen kann. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um eine Situation geht, in der sich Veranstalter und Teilnehmer einer Versammlung friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter zu befürchten sind. Die Allgemeinverfügung verbietet eine Vielzahl – im Einzelnen nicht bekannter – Versammlungen und berücksichtigt eine Vielzahl unterschiedlicher Gefahrenlagen. Zweitens ist die Situation vorliegend nicht allein dadurch gekennzeichnet, dass es in erster Linie um den Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung geht. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich vorliegend um eine komplexe polizeirechtliche Einsatzsituation. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass der Antragsgegnerin während des G20-Gipfels der Schutz von zahlreichen, zum Teil erheblich gefährdeten Gipfelteilnehmern in den Veranstaltungsorten und auf den Transportfahrten obliegt und sie zugleich die Sicherheit von angemeldeten Versammlungen mit über 100.000 erwarteten Teilnehmern zu gewährleisten habe. Neben den angemeldeten Versammlungen ist zudem mit weiteren spontanen Versammlungen mit nicht abschätzbarer Teilnehmerzahl zu rechnen. Die außerordentliche Einsatzlage der Polizei ist auch durch die Unvorhersehbarkeit von Marschstrecken und Versammlungsorten insbesondere von Spontanversammlungen, aber auch durch die Unvorhersehbarkeit des Verlaufs angemeldeter Versammlungen gekennzeichnet. Drittens verweist die Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung in nachvollziehbarer Weise auf das Problem, dass Gewalttätige und/oder Personen mit Blockadeabsicht einer friedlichen Versammlung zulaufen könnten und eine Erkennbarkeit und damit Trennung bzw. Differenzierung zwischen Störern und Nichtstörern nicht mehr möglich wäre (Seite 44). Zum anderen besteht die Besonderheit, dass sich auch friedliche Versammlungen ohne Blockadeabsicht faktisch als Störer erweisen können, indem sie allein durch ihre Anwesenheit oder durch den Zu- und Weggang die Absicherung der Transport- oder Evakuierungsstrecken verhindern. In diesem Zusammenhang dürfte maßgeblich sein, inwieweit im Rahmen einer Abwägungsentscheidung auch friedliche Versammlungen mit Blick auf das – andere Verfassungsgüter schützende – Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin verboten werden können.

112

Auch bei einer Anwendung der oben genannten Rechtsprechung zu dem polizeilichen Notstand hat jedoch die Antragsgegnerin hinreichend konkret dargelegt, dass die Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt und die Störung auf andere Weise nicht beseitigt werden können und die Versammlungsbehörde nicht über ausreichende eigene, eventuell durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte, Mittel und Kräfte verfügt, um die Rechtsgüter wirksam zu schützen.

113

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, die Antragsgegnerin habe sich nur auf den polizeilichen Notstand berufen, um unliebsame Versammlungen zu verhindern. Die Antragsgegnerin hat den zur Abwehr der oben genannten Gefahren erforderlichen Bedarf an Polizeikräften konkret dargelegt. Nach ihrer Einschätzung werden zu den Protesten anlässlich des G20-Gipfels am 7. und am 8. Juli 2017 etwa 8.000 gewaltbereite Personen erwartet, von denen sowohl innerhalb von Versammlungen als auch außerhalb von Versammlungen Störungen für die öffentliche Sicherheit ausgehen. Bei einem erforderlichen und verwaltungsgerichtlich anerkannten Schlüsselverhältnis von 3:1 (Verhältnis Polizeibeamte zu Störer) sind zur Gefahrenabwehr grundsätzlich 24.000 Polizeikräfte in geschlossenen Einheiten erforderlich, wobei der Antragsgegnerin hierbei ein Prognosespielraum zukommt (vgl. VG Hamburg. Urt. v. 6.10.2000, 20 VG 3276/99, juris Rn. 12). Diese Anzahl von Polizeikräften ist nach dem Vortrag der Antragsgegnerin tatsächlich nicht erreichbar, wie es sich auch schon bei anderen vergleichbaren Großereignissen gezeigt hat. Der Bedarf sei daher – angesichts der theoretisch überhaupt verfügbaren Kräfte – von ihr auf 104 Hundertschaften und 48 Wasserwerfer festgelegt worden, von denen 45 Hundertschaften auf die Einsatzabschnitte Veranstaltungsort, Objektschutz, Flughafen und Luft entfielen und 59 Hundertschaften auf die Einsatzabschnitte Raum- und Streckenschutz, Gegenveranstaltungen sowie Eingreifkräfte (eidesstattliche Versicherung des Leiters des Vorbereitungsstabs G20 und Vermerk des Vorbereitungsstabs G20 jeweils vom 23. Juni 2017). Den jeweils konkreten Kräftebedarf und die Kräfteausstattung dieser Bereiche hat die Antragsgegnerin aus Sicherheitsgründen nicht einzeln benannt. Dabei sei insgesamt zu berücksichtigen, dass der Einsatz rund um die Uhr laufe und für die in den Hundertschaften eingesetzten Beamten der erforderliche Schlaf einzuplanen sei. Diese Angaben sind in sich stimmig. Die Antragsgegnerin hat in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hingewiesen, dass sich der Bedarf auch nicht – anders als der Antragsteller annimmt – angesichts der sonstigen technischen Unterstützung verringert. Diese waren bereits von Anfang an in der Planung und in der Abforderung enthalten (vgl. Bd. 4 der Sachakte, S. 49).

114

Die Antragsgegnerin hat zudem im Sinne der an die Annahme eines polizeilichen Notstandes zu stellenden Anforderungen hinreichend konkret dargelegt, dass die Länder und der Bund aufgrund der Kräfteanforderungen vom 7. April 2017 und der erneuten Kräfteanforderungen vom 18. Mai 2017 und vom 9. Juni 2017 reagiert und 74 Hundertschaften zur Verfügung gestellt hätten (71 Hundertschaften von den fünfzehn anderen Bundesländern und 3 Hundertschaften vom Bund), so dass einschließlich der von Hamburg zur Verfügung zu stellenden Hundertschaften insgesamt 82 Hundertschaften verfügbar sein werden. Nach einer erneuten Kräfteanforderung am 30. Juni 2017 stehen der Antragsgegnerin nunmehr 84 Hundertschaften zur Verfügung. Der Bedarf an Wasserwerfern könne ebenfalls nicht gedeckt werden, da nur 45 Wasserwerfer zur Verfügung stünden und nicht wie geplant 48. Soweit der Antragsteller rügt, dass hier teils andere Zahlen (15.000 Polizeikräfte) in Pressekonferenzen genannt worden seien, vermag dies die konkreten Darlegungen der Antragsgegnerin nicht in Zweifel zu ziehen. Die Antragsgegnerin führt insoweit nachvollziehbar aus, dass es nicht auf die Gesamtzahl der Kräfte ankomme, sondern auf diejenigen, die für die Einsatzabschnitte „Veranstaltungsort, Objektschutz, Flughafen, Luft“ sowie „Raum- und Streckenschutz, Gegenveranstaltungen, Eingreifkräfte“ entfielen. Ein Großteil der maximal zur Verfügung stehenden Kräfte ist in andere Maßnahmen eingebunden (z.B. Technik, Öffentlichkeitsarbeit).

115

Im Zusammenhang mit den Kräfteanforderungen hat sie darüber hinaus vorgetragen, weitere Hundertschaften könnten vom Bund und den Ländern nicht mehr bereitgestellt werden. Die Antragsgegnerin genügt mit ihren Angaben den an sie gestellten Darlegungsanforderungen. Zur Kräfteausstattung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass von den 82 Hundertschaften 12 Hundertschaften sogenannte Alarmhundertschaften seien. Daran sei zu erkennen, dass bereits außerordentliche Reserven mobilisiert worden seien. Die Antragsgegnerin stelle hiervon 8 Hundertschaften, davon 4 Alarmhundertschaften bereit. Aus welchem Bundesland wie viele Kräfte jeweils entsendet werden, hat die Antragsgegnerin aus Sicherheitsgründen nicht offen gelegt, da – so ihr Vortrag – aus einigen Bundesländern sogar sämtliche Hundertschaften für das Ereignis anreisen. Alle Bundesländer, die über einsatzbereite Wasserwerfer verfügten, und der Bund hätten Wasserwerfer – insgesamt 45 – zur Verfügung gestellt. In den Bundesländern müssten zum Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG (Leib und Leben) insbesondere aufgrund der erhöhten abstrakten Terrorgefahr Hundertschaften verbleiben, um in ad hoc-Lagen zur Gefahrenabwehr reagieren zu können. Dies sei umso mehr in den Bundesländern erforderlich, die entsprechend weit von Hamburg entfernt lägen, so dass Kräfte im Notfall nicht schnell genug zurück in ein anderes Bundesland verlagert werden könnten. Große Bundesländer (z. B. Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) benötigten mehr Reserve, um überhaupt die Fläche ihres jeweiligen Bundeslandes abdecken zu können. Die übrigen Hundertschaften der Bundespolizei seien in den Aufgaben Grenzkontrollen, Sicherung eigener Liegenschaften (z. B. Bahnhöfe) – insbesondere nach den im Juni 2017 erfolgten Brandanschlägen auf Kabelkästen – eingebunden. Dieser Vortrag genügt den Darlegungsanforderungen. Dass einzelne Länder aus den oben dargelegten Gründen der Sicherheit keine konkreten Zahlen ihrer Kräfte mitteilen können, ist vor dem Hintergrund der bekannten Sicherheitslage unproblematisch.

116

Diese konkreten Angaben der Antragsgegnerin zu der bevorstehenden Einsatzlage verdeutlichen, dass im Hinblick auf die zahlreichen Aufgaben der Gefahrenabwehr beim G20-Gipfel in Hamburg die Kapazität der Polizei auch unter vollständiger Ausschöpfung der im Wege der Amtshilfe aus den Ländern und vom Bund entsandten Kräfte nicht ausreicht, um den zusätzlichen Bedarf an Polizeikräften für Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten Gebiet abdecken zu können, insoweit also ein polizeilicher Notstand vorliegt. In den Einsatzabschnitten „Veranstaltungsort“, „Objektschutz“, „Flughafen“ und „Luft“ könnten nicht weniger Kräfte als 44 Hundertschaften eingesetzt werden. Der Bedarf in den Bereichen „Raum- und Streckenschutz“, „Gegenveranstaltung“ und „Eingreifkräfte“ liege bei 59 Hundertschaften. Unter Berücksichtigung der verfügbaren Kräfte (38 statt 59 Hundertschaften) komme es dort zu einer Unterdeckung von 21 Hundertschaften. Darüber hinaus würden in Einsatzabschnitten, die nicht in Kontakt mit Störern stünden, Kräfte wie beispielsweise das Landeskriminalamt, die Verkehrsdirektion, die Wasserschutzpolizei und Kräfte der Logistik, Technik und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Auch für diese Einsatzabschnitte würden Kräfte aus anderen Bundesländern eingesetzt. Die Spezialkräfte, bei denen zum Teil Einsatzkräfte aus dem Ausland tätig würden, hätten wiederum konkrete und nicht auswechselbare Aufgabenbereiche.

117

ee) Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen für das zeitlich und räumlich beschränkte Versammlungsverbot vor, so erweist sich die Entscheidung der Antragsgegnerin auch nicht als ermessensfehlerhaft. Hierbei ist zu beachten, dass die Versammlungsfreiheit nur dann zurückzutreten hat, wenn eine Abwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer, mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist (BVerfG, Beschl. v. 21.4.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 27). Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs erweist sich das mit der Allgemeinverfügung verfügte räumlich und zeitlich befristete Versammlungsverbot als verhältnismäßig.

118

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat im angefochtenen Beschluss hierzu zutreffend ausgeführt:

119

„(1) Es dürfte geeignet sein, die zuvor bezeichneten Gefahren für die genannten Schutzgüter erheblich zu reduzieren. Durch die verfügte Untersagung von Versammlungen im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung werden die in diesem Bereich verorteten Transportstrecken von Versammlungsteilnehmern freigehalten und weitere Gefahren, die durch Versammlungen verursacht werden können, vermieden. Würden in dem räumlichen Bereich der Allgemeinverfügung angemeldete oder auch nicht angemeldete Versammlungen oder Aufzüge durchgeführt werden, stünden diese nicht als Transportstrecken oder als Rettungs- und Evakuierungsstrecken zur Verfügung, wodurch sich die Variabilität des Streckenkonzepts der Antragsgegnerin sicherheitsrelevant verschlechtern würde. Die Verbotsverfügung ermöglicht den Polizeikräften der Antragsgegnerin zudem eine unmittelbare Reaktion auf Blockierer – nämlich durch eine Auflösung entsprechender Versammlungen nach § 15 Absatz 4 VersG.

120

(2) Das zeitlich und räumlich begrenzte Versammlungsverbot der Allgemeinverfügung dürfte auch erforderlich sein. Die Kammer kann ein milderes, aber gleich geeignetes Mittel, um die unmittelbaren Gefahren für die Gipfelteilnehmer, Versammlungsteilnehmer und unbeteiligt Dritte abzuwehren, derzeit nicht erkennen.

121

(a) Das in der Allgemeinverfügung geregelte Versammlungsverbot ist sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht erforderlich. In zeitlicher Dimension ist der Geltungsbereich erkennbar an der zeitlichen Abfolge der Gipfelveranstaltungen orientiert und wird durch diese angemessen begrenzt. Auch den räumlichen Geltungsbereich hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar auf das räumlich für die sichere Durchführung der anstehenden Transportfahrten Notwendige begrenzt. Die Antragsgegnerin hat mit der Allgemeinverfügung das Versammlungsverbot räumlich in dem unter Ziffer I. 1. begrenzten Gebiet auf eine Flächen von ca. 36 Quadratkilometer und in dem unter Ziffer I. 2 dargestellten Bereich eine Fläche von ca. 2 Quadratkilometer ausgewiesen, was nach ihren Berechnungen etwa 5 Prozent des Staatsgebietes der Freien und Hansestadt Hamburg ausmachen soll. Die maximale Nord-Süd-Ausrichtung der Verfügung soll ca. 8,8 Kilometer (Luftlinie) und in der Ost-West-Ausrichtung an der breitesten Stelle ca. 4,8 Kilometer (Luftlinie) betragen. Um auf mögliche Blockaden oder sonstige Störungen örtlich und zeitlich reagieren zu können, sei zur Absicherung der Protokollstrecken sowie der Rettungs- und Evakuierungswege ein an den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten ausgerichteter Abstand (Straßenverlauf etc.) erforderlich. Die Kammer hat – wie zuvor dargestellt – anhand der von der Antragsgegnerin vorgelegten Übersichtskarte erkennen können, dass im Hinblick auf das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin variabler Transport-, Rettungs- und Evakuierungskorridore zwischen den Messehallen und dem Flughafen sowie zwischen den Messehallen und den Hotels, in denen die Gipfelteilnehmer untergebracht sind, in dem ausgewählten Bereich nur eine begrenzte Anzahl von Straßen bereitsteht, die sich für den Transport eignen. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung dargelegt hat, dass östlich des Veranstaltungsortes Messehallen insbesondere zwischen den Straßenzügen Ludwig-Erhard-Straße, Willy-Brandt-Straße, Domstraße, Steinstraße, Steintorwall, Steintordamm, Adenauerallee, Beim Strohhause, Berliner Tor, Lohmühlenstraße, An der Alster, Kennedybrücke sowie Alsterglacis, Mittelweg, Moorweidenstraße, An der Verbindungsbahn, die von der Nord-Süd-Trasse erfasst sind, die Hotels der Schutzpersonen und Delegationen, liegen würden, sodass in diesem Bereich Transportfahrten geschützt werden müssten (Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 Seite 53), ist dies für die Kammer nachvollziehbar. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung der Allgemeinverfügung dargelegt hat, dass westlich und südlich der Messehallen ein Bereich von Versammlungen freizuhalten sei, der es ihren Polizeikräften taktisch ermögliche, eine entsprechend hohe Anzahl von Versammlungsteilnehmern von einem Einwirken auf den Veranstaltungsort abhalten zu können, erscheint dies ebenfalls nachvollziehbar. Dass hierzu – wie die Antragsgegnerin geltend macht – bei einem Heranrücken von Versammlungsteilnehmern geeignete technische und taktische Maßnahmen ergriffen werden müssen, für die geeignete Flächen sowie ein geeigneter Aktionsraum für die Aufstellung von technischen Sperren und Polizeikräften zur Verfügung stehen müssen (Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 55), ist ebenfalls plausibel. Die südliche Erweiterung des räumlichen Verbotsbereichs nach Ziffer I. 2. der Allgemeinverfügung, mit der die Antragsgegnerin beabsichtigt, mit einem zeitlichem Vor- und Nachlauf den Transport der Gipfelteilnehmer zum Veranstaltungsort „Elbphilharmonie“ und gegebenenfalls deren Evakuierung zu sichern, erscheint auch nachvollziehbar. Dass die Antragsgegnerin vor diesem Hintergrund angenommen hat, dass weder engere Bereiche noch ein kürzerer Zeitraum für die Verbotsverfügung in Betracht können (vgl. der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 61), ist für die Kammer insgesamt nachvollziehbar.

122

(b) Das Konzept des Erlasses von beschränkenden Einzelverfügungen gegenüber einzelnen angemeldeten Versammlungen ist weder gleich geeignet noch weniger belastend. Denn hierdurch dürfte das von der Antragsgegnerin gewählte Sicherheitskonzept variabler Transport- und Evakuierungstrecken im Hinblick auf die ohnehin begrenzte Anzahl der zur Verfügung stehenden Strecken erheblich beeinträchtigt werden. Es ist zudem wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin zur Aufrechterhaltung ihres Sicherheitskonzepts einzelne Verbotsverfügungen für die bereits durch die Allgemeinverfügung erfassten räumlichen Bereiche erließe, die sich von der Begründung der Allgemeinverfügung nicht unterscheiden würden.

123

(c) Dass die Antragsgegnerin ferner das Konzept einer einzelnen, von vorneherein feststehenden Transportstrecke, die durch umfangreiche bauliche und polizeiliche Maßnahmen abzusichern wäre, verworfen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn einerseits erscheint ein solches Transportkonzept weniger sicher als das Konzept variabler Transportstrecken, andererseits hätte eine solche Absicherung der entsprechenden Straßenzüge eine erhebliche Beeinträchtigung der Bürgerinnen und Bürger der Stadt, insbesondere der Anwohner der unmittelbaren Umgebung, zur Folge, da es faktisch zu einer Trennung des Stadtgebiets entlang des Straßenzugs durch die Sicherungsmaßnahmen kommen würde (vgl. auch Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 55). Wie die Antragsgegnerin nachvollziehbar in der Allgemeinverfügung ausgeführt hat, wäre es nämlich erforderlich, die Strecke mit Gittern abzusperren und mit Polizeikräften über die gesamte Zeit des G20-Gipfels zu sichern. Es müssten an den Fahrbahnrändern geparkte Fahrzeuge entfernt, Fahrräder und Mülleimer beseitigt und an neuralgischen Punkten spezifische Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Auch müssten Betretungsverbote in der näheren Umgebung der Transportrouten erlassen werden (Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 57). Darüber hinaus müssten für die verschiedenen Unterbringungshotels zusätzlich weitere Strecken gesichert werden. Vor allem aber verweist die Antragsgegnerin zutreffend darauf, dass die Festlegung zuvor abgesicherter Strecken, die vorab in der Öffentlichkeit bekannt würden, gezielte Anschläge erleichtern würde.

124

(d) Innerhalb der von der Antragsgegnerin definierten Bereiche können Freiflächen für Versammlungen zwischen den Transport- und Evakuierungsstrecken nicht bereitgestellt werden. Soweit die Antragsgegnerin hierzu ausführt, dass hierdurch die jeweiligen Transportstrecken in der Öffentlichkeit nachvollzogen werden könnten und damit der Schutz der Gipfelteilnehmer nicht mehr gewährleistet werden könne und insbesondere blockadeinteressierte Personen die Transportstrecken antizipieren könnten, ist dies für die Kammer nachvollziehbar. Wie die Antragsgegnerin ferner zutreffend geltend macht, wäre zu besorgen, dass etwaige Versammlungsteilnehmer auf dem Weg zu solchen „Freiflächen“ die Transport- und Evakuierungsrouten queren müssten.

125

(e) Im Hinblick auf die Vielzahl der durchzuführenden Transporte der Gipfelteilnehmer und die zahlreichen angekündigten Blockadeteilnehmer dürfte es der Antragsgegnerin auch nicht möglich sein, erst vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Blockaden vorzugehen, insbesondere weil durch jede einzelne Blockade einer Transportkolonne erhebliche unmittelbare Gefahren für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer sowie der Störer und unbeteiligten Versammlungsteilnehmer entstehen würden. Im Falle der Auflösung einzelner Blockaden besteht zudem die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sogleich andernorts neue Blockaden entstehen würden. Es erscheint im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Zahlen auch nicht möglich, dass die Polizeikräfte der Antragsgegnerin alle verfügbaren Transportstrecken gleichzeitig schützen können. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin Einsatzkräfte nicht in unbegrenzter Zahl zur Verfügung stehen, sondern – wie zuvor dargelegt – sogar in den Einsatzabschnitten „Raum- und Streckenschutz“, „Gegenveranstaltung“ und „Eingreifkräfte“ eine Unterdeckung vorliegt.

126

(3) Das von der Antragsgegnerin verfügte räumlich und zeitlich begrenzte Versammlungsverbot dürfte auch angemessen sein. Der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Versammlungsteilnehmer stehen vorliegend der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Gipfelteilnehmer, der Versammlungsteilnehmer und sonstiger Dritter sowie der Schutz der auswärtigen Beziehungen des Bundes und der staatlichen Veranstaltung des G20-Gipfels gegenüber. Durch die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juni 2017 werden diese Rechtsgüter in einen praktisch konkordanten Ausgleich gebracht.

127

Die Antragsgegnerin hat bei ihrem Gesamtkonzept ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung unter Beachtung der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG berücksichtigt, dass an anderer Stelle im Hamburger Stadtgebiet für Versammlungen und Aufzüge attraktive und öffentlichkeitswirksame Plätze zur Verfügung gestellt werden müssen. Aus der Begründung der Allgemeinverfügung folgt, dass sie bestrebt ist, Aufzüge und Versammlungen in hinreichender Nähe zum Veranstaltungsort zu ermöglichen. Sie habe zunächst sämtliche Strecken und Plätze insbesondere in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort der Messehallen innerhalb der Straßenzüge Schanzenstraße, Lagerstraße, Karolinenstraße, Tschaikowskiplatz, Holstenglacis, Bei den Kirchhöfen, St. Petersburger Straße, Messeplatz, Sternschanze liegend in Bezug auf die dortige Durchführbarkeit von Versammlungen geprüft und in Kooperationsgesprächen mit den Versammlungsanmeldern und alternative Versammlungsorte bzw. -routen, die in räumlicher Nähe zu dem Veranstaltungsort Messehallen und der Elbphilharmonie gelegen sind, für den Geltungszeitraum der Allgemeinverfügung aufgezeigt (Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 64). Dies sind nach der Begründung der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, Seite 49/50, insbesondere der Millerntorplatz, die Ludwig-Erhardt-Straße, die Willy-Brandt-Straße (diese allerdings nicht während der Geltung der Verfügung nach Ziffer I. 2.), die Christuskirche, die Reeperbahn, der Spielbudenplatz, die Stresemannstraße, der Deichtorplatz, der Besenbinderhof, der Anckelmannplatz, das Berliner Tor, der Paul-Nevermann-Platz, die Große Bergstraße und der St. Pauli Fischmarkt sein.

128

Die Wirkung von Versammlungen und Aufzügen – auch außerhalb des Geltungsbereichs der Allgemeinverfügung – wird auch durch die zu erwartende Medienberichterstattung verstärkt, worauf die Antragsgegnerin zutreffend in der Begründung ihrer Allgemeinverfügung hingewiesen hat.“

129

Das Beschwerdegericht schließt sich diesen Ausführungen an.

130

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers im Beschwerdeverfahren. Soweit der Antragsteller unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris) ausführt, dass es verfassungsrechtlich unzulässig sei, ein Versammlungsverbot im Wesentlichen unter Verweis auf das Sicherheitskonzept der Versammlungsbehörde zu rechtfertigen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem zitierten Beschluss die behördliche Entscheidung, einen entsprechenden Schutzraum in der Nähe des Ortes des G8-Gipfels zu schaffen und mit dafür geeigneten Schutzvorkehrungen zu versehen, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 30). Es ist zwar zutreffend, dass es das Bundesverfassungsgericht für bedenklich hält, ein solches Versammlungsverbot im Wesentlichen unter Verweis auf das Sicherheitskonzept der Versammlungsbehörde zu rechtfertigen. Maßgeblich ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ob die Überlegungen, die diesem Sicherheitskonzept zugrunde liegen, dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit ausreichend Rechnung tragen (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 30). Dies hat das Bundesverfassungsgericht in der zitierten Entscheidung mit der Begründung, die Einrichtung dieser Verbotszone bedeute, dass Versammlungen mit einem räumlichen Bezug zu dem Anlass des G8-Gipfels und unter Nutzung des Symbolgehalts der besonderen Nähe zu diesem Ort ausgeschlossen werden, verneint (BVerfG, Beschl. v. 6.6.2007, 1 BvR 1423/07, juris Rn. 31). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Wie bereits ausgeführt, sind trotz des Versammlungsverbots nach wie vor Versammlungen in räumlicher Nähe und mit räumlichen Bezug zu dem Veranstaltungsort des G20-Gipfels möglich: Ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017 können Versammlungen in unmittelbarer Nähe insbesondere auf folgenden Plätzen bzw. in folgenden Straßen stattfinden: Millerntorplatz, Ludwig-Erhardt-Straße, Willy-Brandt-Straße (diese allerdings nicht während der Geltung der Verfügung nach Ziffer I. 2.), Christuskirche, Reeperbahn, Spielbudenplatz, Stresemannstraße, Deichtorplatz, Besenbinderhof, Anckelmannplatz, Berliner Tor, Paul-Nevermann-Platz, Große Bergstraße, St. Pauli Fischmarkt (S. 49/50). Soweit der Antragsteller ausführt, dass die Allgemeinverfügung nicht geeignet sei, um den angestrebten Zweck zu erreichen, weil Versammlungen, die zu Blockaden führten, ohnehin aufgelöst werden könnten, vermag dies ebenfalls nicht die Verhältnismäßigkeit der Allgemeinverfügung in Abrede zu stellen. Im Hinblick auf die Vielzahl der durchzuführenden Transporte der Gipfelteilnehmer und die zahlreichen angekündigten Blockadeteilnehmer dürfte es der Antragsgegnerin nicht möglich sein, erst vor Ort gegen einzelne Versammlungen oder Blockaden vorzugehen, insbesondere weil durch jede einzelne Blockade einer Transportkolonne erhebliche unmittelbare Gefahren für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer sowie der Störer und unbeteiligte Versammlungsteilnehmer entstehen würden. Schließlich besteht im Falle der Auflösung einzelner Blockaden die hohe Wahrscheinlichkeit, dass sogleich andernorts neue Blockaden entstehen würden. Soweit der Antragsteller schließlich mit Blick auf die Erforderlichkeit rügt, dass für die sieben Personen der Gefährdungsstufe 1 oder 2 auch andere, weniger eingriffsintensive Transportmöglichkeiten, wie etwa eine Luftverfrachtung, geschaffen werden könnten, greift dies ebenfalls nicht durch. Die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017, wonach eine Luftverfrachtung aufgrund nicht ausreichend großer Landemöglichkeiten an den Veranstaltungsorten und Unterbringungshotels für (schon einen) Hubschrauber nicht möglich sei, da in dem Fall eine Gefährdung unbeteiligter Dritter entstehen könnte; Hubschrauber daher nur im Fall einer akuten Gefährdung für die jeweilige Schutzperson und dann unter Inkaufnahme der Gefährdung unbeteiligter Dritter als Transportmittel zum Zwecke der Evakuierung gewählt werden würden (S. 9), ist überzeugend.

131

b) Es besteht auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung vom 1. Juni 2017. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung hätten Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung aufschiebende Wirkung, so dass Versammlungen oder Aufzüge innerhalb der von der Allgemeinverfügung erfassten Bereiche durchgeführt werden könnten. Hierdurch könnte es aber zu den genannten unmittelbaren und erheblichen Gefahren für Leib und Leben der Gipfelteilnehmer, der Versammlungsteilnehmer und Dritter sowie den Gefahren für die auswärtigen Beziehungen des Bundes und der Staatsveranstaltung des G20-Gipfels kommen.

132

3. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hätte auch dann keinen Erfolg, wenn vorliegend auf eine Folgenabwägung abzustellen wäre.

133

Im Rahmen dieser Abwägung sind einerseits die Folgen zu berücksichtigen, die es für den Antragsteller und die Teilnehmer der angemeldeten Versammlung in Bezug auf die Ausübung ihres durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Rechts hätte, wenn die Dauerkundgebung nicht in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, durchgeführt werden kann, obgleich sich die Annahme eines polizeilichen Notstands als unzutreffend herausstellen sollte. Andererseits ist zu würdigen, welche Folgen es für die Gipfelteilnehmer, die Versammlungsteilnehmer und unbeteiligte Dritte, die auswärtigen Beziehungen des Bundes und der staatlichen Veranstaltung des G20-Gipfels hätte, wenn die Versammlung stattfinden könnte, sich aber später bestätigt, dass ein polizeilicher Notstand gegeben war. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin noch weitere Polizeikräfte hätte heranziehen können, sondern nur noch darauf, ob sie nach derzeitigem Stand die tatsächliche Möglichkeit hat, mit dem vorhandenen Personalbestand die Sicherheit zu gewährleisten (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, juris Rn. 25).

134

Diese Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass in der gegenwärtigen Situation die Dauerkundgebung im G. Viertel nicht in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, durchgeführt werden kann, da dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass der ordnungsgemäße Ablauf und Abschluss des G20-Gipfels gefährdet sowie die Gesundheit und das Leben der Gipfel- und Versammlungsteilnehmer, der sie schützenden Polizeibeamten sowie unbeteiligter Dritter verletzt wird. Dem Schutz der vorgenannten Rechtsgüter gebührt der Vorrang gegenüber dem Recht auf Durchführung der Dauerkundgebung im G. Viertel auch in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr. Im Einzelnen:

135

Erginge die begehrte vorläufige Regelung nicht, so könnte die Dauerkundgebung in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis zum 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, nicht im G. Viertel stattfinden. Das damit verbundene Versammlungsverbot beeinträchtigt den Antragsteller und die potentiellen Teilnehmer der Kundgebung in erheblichem Maße in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Denn es gehört zu der grundgesetzlich geschützten Freiheit des Antragstellers zu bestimmen, wann und wo er eine Versammlung abhalten will (OVG Hamburg, Beschl. v. 11.9.2015, 4 Bs 192/15, juris Rn. 27). Die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung wird dadurch etwas verringert, dass in der Zeit vom 4. Juli 2017, 18:00 Uhr, bis zum Beginn der Geltung des Versammlungsverbots am 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, die geplante Dauerkundgebung im G. Viertel wie geplant stattfinden kann, da sie in diesem Zeitraum nicht von der Allgemeinverfügung erfasst ist.

136

Würde die begehrte vorläufige Regelung hingegen getroffen und würde die angemeldete Veranstaltung auch in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, im G. Viertel stattfinden, so müsste die Antragsgegnerin die damit verbundenen Folgen bewältigen. Sollte die Dauerkundgebung im G. Viertel in diesem Zeitraum stattfinden, so wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der ordnungsgemäße Ablauf und Abschluss des G20-Gipfels gefährdet und die Gesundheit und das Leben der Gipfel- und Versammlungsteilnehmer, der zu schützenden Polizeibeamten und unbeteiligter Dritter verletzt.

137

Dem Schutz der vorgenannten Rechtsgüter kommt nach Auffassung des Beschwerdegerichts der Vorrang gegenüber dem Recht auf Durchführung der Dauerkundgebung auch in der Zeit vom 7. Juli 2017, 6:00 Uhr, bis 8. Juli 2017, 17:00 Uhr, zu.

138

Denn es ist zu erwarten, dass gewaltbereite und gewaltsuchende Personen sich der Versammlung anschließen und versuchen würden, von dem geplanten Versammlungsort aus strategische Blockaden der Transportfahrten vorzunehmen und vorzubereiten, die geeignet sind, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Gipfelteilnehmer, der Versammlungsteilnehmer und unbeteiligter Dritter zu gefährden (s.o.). Die Antragsgegnerin rechnet – allein in Bezug auf die Anzahl der gewaltbereiten Linksextremisten – mit einer Mobilisierung von 7.000 bis 8.000 Teilnehmern. Dieser Einschätzung tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Dabei ist – wie sich aus den oben zitierten Quellen ergibt – zu befürchten, dass diese Personen nicht nur gewaltbereit, sondern gewaltsuchend sind. Es ist zu erwarten, dass sie während des G20-Gipfels das erklärte Ziel haben, dort Gewalt auszuüben und militante Aktionen durchzuführen. Im Internet wird aktuell u. a. in Bezug auf eine für den 8. Juli 2017 geplante Großversammlung zur Bildung widerständiger antikapitalistischer Blöcke aufgerufen wird (so etwa auf der Webseite „G20 Welcome to Hell“ unter https://g20tohell.blackblogs.org/2017/02/12/aufruf-de/, abgerufen am 2. Juli 2017, mit der Überschrift „BLOCKIEREN – SABOTIEREN – DEMONTIEREN“: „DAYS OF ACTION – 6/7/8 JULI 2017 […] BILDUNG VON WIDERSTÄNDIGEN, ANTIKAPITALISTISCHEN BLÖCKEN AUF DER GROSSDEMO AM SAMSTAG, DEN 8. JULI 2017“; ferner z.B. auf der Webseite „… ums Ganze!“ unter der Überschrift „Zum G20 in Hamburg: Ketten sprengen – Hafen lahmlegen!“ unter https://umsganze.org/zum-g20-in-hamburg-ketten-sprengen-hafen-lahmlegen/, abgerufen am 2. Juli 2017: „Wir sehen uns. Am Donnerstag, den 6. Juli, auf der Vorabenddemo, am Samstag, den 8. Juli auf der Großdemonstration durch die Hamburger Innenstadt im antikapitalistischen Block und vor allem am Freitagmorgen im Hafen zu Massenaktionen gegen die Logistik des Kapitals – bevor wir uns dann nachmittags an, pardon, in der Roten Zone wiedersehen.“). Zudem wird auf der Internetseite www.blockg20.org von einem breiten Aktionsbündnis verlautbart, es sei Ziel, den Ablauf des G20-Gipfels spürbar zu stören und die Dezimierung der Macht, die der Gipfel darstelle, zu brechen. Auf dieser Internetseite werden auch organisatorische Hinweise gegeben („Aktionskarten und Stadtpläne“). Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass diese Personen, die unzweifelhaft die Verhinderung oder Behinderung des G20-Gipfels anstreben, auch das G. Viertel als Ausgangspunkt zu den auf öffentlichen Karten markierten Routen wählen werden. Auf diesen Karten ist auch das G. Viertel verzeichnet. Zudem ist auf diesen Stadtplänen auch der Veranstaltungsort, das Rathaus und mehrere in der Innenstadt liegende Hotels sowie die die Hotels und den Messestandort verbindenden Straßenzüge markiert. Hinzu kommt, dass das G. Viertel in unmittelbarer Nähe zum V. Kamp und C. und damit in unmittelbarer Nähe zu naheliegenden Transferstrecken, insbesondere zwischen den Hotels in der Innenstadt und dem Veranstaltungsort, liegt. Die Annahme, dass das G. Viertel als Ausgangspunkt für Blockaden genutzt werden soll, folgt auch aus anderen Interneteinträgen. Wie verschiedenen Interneteinträgen entnommen werden kann, finden im G. Viertel bereits seit Februar 2017 regelmäßige No-G20-Infoabende statt. Zudem wird seit dem 19. April 2017 auf der Internetseite das-gaengeviertel.info dafür geworben, „das G. Viertel zu dem Anlaufpunkt zu machen, der er sein soll“. In dem Aufruf wird dafür geworben, vor, während und nach dem Gipfel vorbeizukommen und es wird um Unterstützung bei der Vorbereitung von Räumen und der Zurverfügungstellung von Plätzen für Gäste sowie um Hilfe beim Kochen gebeten. Auf der Internetseite https://linksunten.indymedia.org/de/node/207518 heißt es u. a.: „(…) 5. Bericht aus der AG Block G20 Auf dem letzten Treffen der AG Innenstadt/ Rote Zone haben sich die Beteiligten auf den Namen ‚Block G20 – colour the red zone‘ geeinigt. Unter diesem Namen werden wir zu tausenden am Freitag, dem 7. Juli 2017, die Stadt zurückerobern und den G20-Gipfel empfindlich stören. Es soll eine Aktion des massenhaften zivilen Ungehorsams werden, als eine Aktion unter vielen an dem Tag. (…) 9. NO-G20 – Infoabend Im G Viertel finden seit Februar regelmäßige NO-G20-Infoabende zur Vernetzung, Bildung von Bezugsgruppen, und dem Austausch von aktuellen Informationen (aus den AGs) statt. Außerdem werden Filme zu vergangenen Gipfelprotesten angeschaut, um aus den Erfahrungen anderer Proteste zu lernen. Termine: 6.4. / 4.5. / 1.6. jeweils 19 Uhr / G. Viertel. Infos unter: www.interventionistische-linke.org“ (abgerufen am 3. Juli 2017). Auf der Internetseite http://das-gaengeviertel.info/neues/details/article/das-ist-der-gipfel-kommt-in-die-oase.html heißt es: „(…) Das G. Viertel ist sowohl durch seine geografische Lage als auch aufgrund seiner politischen Überzeugungen, die zu der Agenda der Mächtigen dieser Welt querstehen, mittendrin im Gipfelgeschehen. Wir wurden nicht gefragt, ob wir dieses Großevent ein paar hundert Meter vor unserer Haustür haben wollten, wie auch der Rest der Hamburger*innen nicht. (…) Das Programm unserer Oase ist im Entstehen. Klar ist, dass wir die lange Woche vom 1. bis 9. Juli da sein werden mit Räumen zum Essen und Trinken, zum Verweilen und Entspannen, zum Verkleiden und Ausprobieren, zum Kraftschöpfen und Sich-Begegnen. Mit Workshops, Schreibstätten und anderen Angeboten, die zur Mitarbeit einladen: von der Dauerkundgebung bis zur Nachttanzdemo; von Ausstellungen und Performances über Theaterstücke und Installationen bis hin zu einem großen Spiel, dessen Feld die ganze Stadt sein wird. Unsere Gastfreundschaft ist groß, denn wir glauben daran, dass alles allen gehört. Doch der „hohe Besuch“, der diesen Sommer kommt, teilt nichts mit uns und fühlt sich an wie ein Einmarsch. Diktatoren, Könige und andere Arschlöcher brauchen wir hier nicht.“ (abgerufen am 3. Juli 2017). Dass die Antragsgegnerin es vor diesem Hintergrund für naheliegend erachtet, dass sich die Interventionistische Linke, die sich ausdrücklich nicht von Gewalttaten distanziert, der Versammlung im G. Viertel anschließen wird und damit auch Personen an der Versammlung teilnehmen werden, die sich an Blockaden beteiligen möchten, ist nicht zu beanstanden.

139

Der Umstand, dass die Versammlung in einem Innenhof angemeldet ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es wäre nach den obigen Ausführungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Zulauf von gewalttätigen bzw. Blockaden beabsichtigenden Versammlungsteilnehmern zu der Versammlung zu rechnen. Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin könnten nicht verhindern, dass eine derart große Anzahl von Versammlungsteilnehmern erscheinen würde, dass diese auch noch im V., in der S. Straße / C. oder in umliegenden Straßenzügen stehen würden. Eine Blockade dieser Straßen und umliegender Straßenzüge würde zur unmittelbaren Gefahr i. S. d. § 15 Abs. 1 VersG führen, da der Versammlungsort in direkter Verbindung zwischen dem Veranstaltungsort und den Hotels, in denen Staatsgäste / Schutzpersonen des G20-Gipfels untergebracht sind, liegt. Schließlich müssten die Versammlungsteilnehmer den Versammlungsort überhaupt erreichen. Auch dieser Zulauf würde zu einer (faktischen) Blockade der Straßen V. , S. Straße und C. führen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bereits eine kleine Anzahl von Versammlungsteilnehmern eine Blockade verursachen könnte. Vom Versammlungsort könnte zudem beobachtet werden, ob eine Kolonne zu erwarten ist. Es bestünde damit die Gefahr, dass aus dem Schutz der S. Passage im unmittelbaren Vorlauf zu einer Kolonne eine Blockade durch ein Herauslaufen von Versammlungsteilnehmern in den umliegenden Straßen entstünde, deren Auflösung nicht in der erforderlichen Zeit erreicht werden könnte, um ein Aufstoppen der Kolonne zu verhindern. Ein erhebliches Blockaderisiko ist auch darin zu sehen, dass in der S. Passage ca. 200 bis 300 Personen sowie in dem sich anschließenden „Kleinen Wäldchen“ in Richtung S. Straße ebenfalls 200 bis 300 Personen Platz finden könnten. Darüber hinaus bieten die leerstehenden Gebäude in der S. Passage – nach den nicht in Abrede gestellten Angaben der Antragsgegnerin – zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für etwa 900 bis 1.000 Personen.

140

Kommt es zu strategischen oder auch nur faktischen Blockaden durch friedliche Versammlungsteilnehmer, ist nicht nur der Transport der Gipfelteilnehmer vom Flughafen zum Veranstaltungsgelände bzw. zu den in der Innenstadt gelegenen Hotels und ein Transfer zwischen den Hotels und dem Veranstaltungsort mit einer Gefahr für Leib und Leben der Gipfelteilnehmer wegen der Besonderheiten der Transport-und Kolonnenfahrten verbunden. Zugleich bestünde aber auch wegen der Besonderheiten dieser Fahrten für die Teilnehmer von Versammlungen und für Dritte die Gefahr oder das Verletzungsrisiko infolge von Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Versammlungsteilnehmern insbesondere in Fällen einer Blockade der Transportstrecke. Gleiches gilt im Falle eines Stillstands von Kolonnen, die das Risiko terroristischer Anschläge auf zu schützende Personen erhöhen, die dann ein statisches Ziel darstellen.

141

Vor diesem Hintergrund der zu schützenden Rechtsgüter unter anderem der Gipfelteilnehmer, der Veranstaltung und von Leib und Leben von Versammlungsteilnehmern und Dritten müssen die Interessen der Teilnehmer der Versammlung, die von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit in dem zeitlich und räumlich abgegrenzten Bereich der Allgemeinverfügung friedlich Gebrauch machen wollen, zurückstehen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil auch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass in Anbetracht der oben genannten Gefahren die von der Antragsgegnerin ebenfalls zu schützenden Rechtsgüter wie Leib und Leben während der Inanspruchnahme des Demonstrationsrechts insbesondere im Fall faktischer Blockaden nicht hinreichend gewährleistet werden können. Insbesondere stünden für diese zusätzlichen Gefahren nicht ausreichend viele Polizeikräfte zur Verfügung, zumal der Polizei immer nur sehr kurzfristig bekannt sein wird, wann welche Schutzperson anreist und welche konkreten Protokollstrecken von einem zum anderen Ort genutzt werden.

III.

142

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung bleibt einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird festgestellt, dass (auch) die Beschränkung Nr. 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „… sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen … untersagt sind … die Parolen ‚Wir sind wieder da!‘“ rechtswidrig war.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung.

Mit Bescheid vom 8. April 2016 erließ der Beklagte für die von der Klägerin zu 1, vertreten durch den Kläger zu 2, beim Landratsamt P. für den 9. April 2016, 13.45 Uhr bis 15.00 Uhr, angezeigte Versammlung mit dem Thema „Kapitalismus zerschlagen – für einen deutschen Sozialismus!“ am Hauptplatz der Stadt P. unter anderem folgende Beschränkung:

„1.6 Verbot von Parolen

In Reden, Sprechchören sowie auf Transparenten, Fahnen, Schildern und Flyern sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen und deren (auch selbsternannten) Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen.

Untersagt sind insbesondere die Parolen „Wir sind wieder da“, „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, „Wir kriegen euch (alle)“, „Zionisten – Mörder und Faschisten“, sowie das sog. Paulchen-Panther-Lied „Wer hat an der Uhr gedreht?“. …“

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit u.a. der Beschränkung 1.6 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da´…“ gerichtete Klage der Kläger vom 4. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht – unter teilweiser Stattgabe der Klage im Übrigen – mit Urteil vom 25. April 2017 abgewiesen. Gesetzliche Grundlage dieser Beschränkung sei Art. 15 Abs. 1 BayVersG. Die Beklagte habe die Beschränkung darauf gestützt, dass das lautstarke Skandieren dieser Parolen einen paramilitärischen Eindruck erwecke. Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung seien mit Blick auf Art. 5 GG und Art. 8 GG verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergebe. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung könne bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Bei den als solchen nicht strafbaren Äußerungen habe die Versammlungsbehörde auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung abstellen dürfen. Der Beklagte habe bei seiner danach erforderlichen Gefahrenprognose auch ohne Einbeziehung der Ereignisse bei den Versammlungen der Klägerin zu 1 am 1. Mai 2016 in Plauen und Saalfeld von einer hinreichenden Gefahr für die öffentliche Ordnung im dargelegten Sinn ausgehen dürfen. Laut Verfassungsschutzbericht 2014 (sowie 2015 und 2016) handle es sich bei der Partei „Der III. Weg“ um eine Partei, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertrete und deren ideologische Ziele wie das Programm der NSDAP auf einem biologischen Volksbegriff basierten. Unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas, des Versammlungsortes, einem zentralen Platz der Stadt P., der Werbung für die Versammlung auf der Internetseite der Partei sowie der Kundgebungsmittel (Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offenes Mikrofon und Abspielen von Musik) habe die Behörde von der Gefahr ausgehen dürfen, dass sich die Versammlung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Daran ändere auch die geringe Anzahl von 20 Teilnehmern der Versammlung nichts, da die genannten Wirkungen unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten (z.B. Verstärker, Mikrofone) auch von einer geringen Anzahl von Teilnehmern ausgehen könnten. Auch ein lautes Skandieren der Parole „Wir sind wieder da!“ könne unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas und der Ziele der Klägerin zu 1 zu der dargestellten Wirkung führen. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Einzelnen bzw. der Öffentlichkeit die Herkunft dieser Parole zur Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland geläufig sei. Soweit die Rechtsprechung diese Parole in Einzelfällen für zulässig gehalten habe, folge die Kammer dem nicht.

Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens seien nicht ersichtlich. Die Behörde habe im Bescheid vom 8. April 2016 zum Ausdruck gebracht, dass sie gesehen habe, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handle, und einzelne Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Gerichtlich überprüfbare Abwägungsfehler lägen nicht vor. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn.

Mit ihrer mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2017 zugelassenen Berufung machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Klage sei auch hinsichtlich der Beschränkung 1.6 im beantragten Umfang begründet. Auch insoweit sei § 15 Abs. 1 VersG (richtig: Art. 15 Abs. 1 BayVersG) keine tragfähige Grundlage, weil diesbezüglich eine unmittelbare, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht vorgelegen habe. Die beanstandete Beschränkung sei zu unbestimmt und damit rechtswidrig, weil bereits unklar sei, was mit „NS-Regime“ gemeint sei und um welche verbotenen Parteien und Vereine es sich dabei handeln solle. Derzeit seien in Deutschland 16 rechtsextreme Organisationen auf Bundesebene und 73 Organisationen auf Landesebene verboten, darunter auch solche, die einen Bezug zum NS-Regime, zum Rechtsextremismus oder überhaupt zur Politik überhaupt nicht erkennen ließen (z.B. „Besseres Hannover“). Bei wörtlichem Verständnis würde jede Billigung einer dieser Vereinigungen einen Verstoß gegen die Auflage bedeuten und eine Auflösung der Versammlung rechtfertigen, obwohl kein Mensch heute diese Organisationen tatsächlich kenne. Dies zeige deutlich, dass die Beschränkung ausufernd, unbestimmt und unklar sei. Zudem stelle die Beschränkung im beanstandeten Umfang ein unzulässiges Verbot einer Meinung dar. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass damit der Inhalt, nicht aber die Art und Weise der Äußerung verboten werde. Rechtsirrig gehe das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass sich die Versammlung ohne die angefochtene Beschränkung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Selbst bei Verwendung sämtlicher der im Übrigen bei Demonstrationen allgemein üblichen Hilfsmittel wie Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offene Mikrofone und Musik könne eine aus 20 Personen bestehende friedliche Versammlung nicht einschüchternd wirken. Auch die Folgerungen des Verwaltungsgerichts aus dem Landesverfassungsschutzbericht 2014 seien angesichts der dort aufgeführten Aktivitäten der Klägerin zu 1 nicht gerechtfertigt. Das Verbot der Parole „Wir sind wieder da!“ sei ebenfalls rechtswidrig. Damit werde ausgedrückt, dass die Klägerin zu 1 trotz Verboten, Beschränkungen und Behinderungen weiter demonstriere und sich von ihren Auftritten in der Öffentlichkeit nicht abhalten lasse. Selbst wenn damit eine Fortführung der NSDAP propagiert werden sollte, liege eine tatbestandsmäßige Gefährdung nicht vor, weil der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Satzes weder bekannt sei und die Parole schon gar nicht dem Nationalsozialismus zugeordnet werde. Demgemäß hätten bereits mehrere Gerichte eine solche Beschränkung für rechtswidrig erklärt (SächsOVG, U.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 –; VG Aachen, U.v. 14.1.2009 – 6 K 374/08 –, bestätigt durch OVG NW, B.v. 13.10.2010 – 5 A 506/09 –).

Rechtsfehlerhaft gehe das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass der Beklagte beim Erlass dieser Beschränkung sein Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe. Unter Nr. II 2. des Bescheids finde sich zwar eine lediglich allgemeine und formelhafte Formulierung bezüglich einer Ermessensausübung, jedoch fehle eine wirkliche Begründung und Subsumtion sowie Abwägung der widerstreitenden Belange. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung komme im Bescheid das Wort „Ermessen“ nicht einmal vor.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird (weiter) festgestellt, dass die Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da!´…“ rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei unbegründet, weil die beanstandete Beschränkung in Nr. 1.6 des Bescheids vom 8. April 2016 rechtmäßig sei und die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erkennbaren Umständen sei die vom Landratsamt P. vorgenommene Gefahrenprognose rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem damals aktuellen Verfassungsschutzbericht 2014 des Bundesministeriums des Innern sei die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ die derzeit prägende neonazistische Partei in Bayern, die ein völkisch-biologistisches Menschen- und Gesellschaftsbild vertrete, das mit dem individuellen Menschenrechtsverständnis des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Die Partei stehe nach dem Verfassungsschutzbericht dem demokratischen Rechtsstaat fundamental ablehnend gegenüber und habe unter anderem das Ziel, eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten zu fördern. Auch dem Verfassungsschutzbericht 2014 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr seien entsprechende Feststellungen zu entnehmen. Die ideologischen Ziele der Partei ergäben sich aus ihrer Satzung sowie aus einem „Zehn-Punkte-Programm“, das auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurückgreife. Auch Antisemitismus sei für die Ideologie der Partei prägend. Zudem sei die Versammlung auf der Internetseite der Klägerin zu 1 damit beworben worden, dass der Zorn und die Wut über das ausbeuterische und völkerfeindliche Unrechtssystem auf die Straße getragen werden sollen. Wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt habe, habe der Beklagte aus der Gesamtschau der erkennbaren Umstände von der Gefahr ausgehen dürfen, dass die Versammlung sich ohne entsprechende Auflage durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifizieren und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtern würde. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auch bei 20 Teilnehmern ein aggressives und provokantes, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer zu befürchten sei.

Zusätzlich seien für die Gefahrenprognose nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG auch sonstige Umstände zu berücksichtigen, die bei Erlass des Bescheides bereits objektiv vorgelegen haben. Schließlich dürften auch Umstände, die erst nach dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses eingetreten bzw. bekannt geworden seien, ergänzend herangezogen werden, soweit diese die getroffene Gefahrenprognose lediglich bestätigten bzw. untermauerten. Demgemäß werde die Begründung des Bescheids hinsichtlich der Gefahrenprognose ergänzt. Die Versammlung habe an einem historisch stark belasteten Ort stattgefunden, der während der Zeit des Nationalsozialismus Schauplatz mehrerer Kundgebungen gewesen sei, 1935 in „A. H. Platz“ umbenannt worden sei und in der Folgezeit zu Propagandazwecken gedient habe. Die Geschichte der Stadt P. sei zudem in besonderer Weise durch die Zeit des Nationalsozialismus belastet. Vor diesem Hintergrund sei die Wahl des Versammlungsortes durch die Kläger besonders problematisch. Hinzu komme, dass die Stadt P. ihre NS-Geschichte derzeit aktiv aufarbeite, sodass sie bei den Bürgern sehr präsent sei. Auch liege in unmittelbarer Nähe des Versammlungsortes das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Das Skandieren von Parolen mit Bezug zum NS-Regime und der Parole „Wir sind wieder da“ durch rechtsextremistische Versammlungsteilnehmer an diesem historisch belasteten Ort sei im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema ohne weiteres geeignet, Erinnerungen an die Schrecken der NS-Zeit wachzurufen und die Bürger einzuschüchtern.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könnten auch die Geschehnisse bei Versammlungen der Klägerin zu 1 in Saalfeld und Plauen im Rahmen der Gefahrenprognose Berücksichtigung finden. Die Versammlung in Saalfeld, bei der es nach Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Thüringer Landeskriminalamts zu Gewalttätigkeiten durch Versammlungsteilnehmer und Gegendemonstranten gekommen sei, habe am 1. Mai 2015 und damit – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – zeitlich vor der hier streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Die Versammlung in Plauen habe am 1. Mai 2016 und damit zeitlich nach der streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Auch die dabei gewonnenen Erkenntnisse, nämlich gewalttätige Ausschreitungen auch gegen polizeiliche Einsatzkräfte, könnten jedoch Berücksichtigung finden, weil sie die bisherige Gefahrenprognose lediglich bestätigten und untermauerten.

Aus der Gesamtschau dieser Gesichtspunkte ergebe sich eine tatbestandsmäßige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Behauptung der Kläger, dass die Parole „Wir sind wieder da“ neutral zu verstehen sei, sei als Schutzbehauptung zurückzuweisen. Von einer Partei wie der Klägerin zu 1 könne diese Parole nur in dem Sinne verstanden werden, dass damit eine Assoziation zur Zeit des Nationalsozialismus hervorgerufen werden solle. Das streitbefangene Verbot richte sich auch nicht gegen den Inhalt der Meinung; vielmehr werde auf die Art und Weise der Äußerungen abgestellt. Die untersagten Parolen hätten selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus. Ihr Skandieren hätte der Versammlung ein militärisches Gepräge verliehen, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke. Nicht überzeugend sei auch der Einwand, dass die Auflage mit Blick auf die Bezeichnung „NSRegime“ zu unbestimmt sei.

Schließlich lägen auch keine Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens durch das Landratsamt vor. Das Landratsamt habe im angegriffenen Bescheid unter Nr. II. 2. auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG Bezug genommen und zum Ausdruck gebracht, dass es von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei. Unter Nr. II. 3.6 des Bescheids habe das Landratsamt darüber hinaus begründet, warum es die streitbefangene Auflage für erforderlich halte. Unter Nr. II. 5. fänden sich Aussagen zur Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die berührten Grundrechte. Weitergehende Ermessenserwägungen seien im Bescheid nicht veranlasst gewesen. Hilfsweise würden die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt; auf die nachgeschobenen Ermessenserwägungen des Beklagten in der Berufungserwiderung vom 15. Januar 2018 (S. 8/9) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Taugliche Rechtsgrundlage für die streitbefangene Beschränkung sei im Übrigen auch Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG. Demgemäß habe das Gericht die beanstandete Auflage auch anhand dieser Rechtsgrundlage zu prüfen. Die Voraussetzungen dieser Befugnisnorm hätten (ebenfalls) vorgelegen. Denn nach den erkennbaren Umständen habe die Gefahr einer Billigung und Verherrlichung der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft bestanden.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs wurden mit den Parteien insbesondere die Fragen einer hinreichend tragfähigen Gefahrenprognose und Ermessensausübung erörtert; auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Juli 2018 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Ihre auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (auch) der Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 (bezüglich der noch streitbefangenen Passage) gerichtete Klage ist begründet, weil diese durch Zeitablauf erledigte versammlungsrechtliche Beschränkung rechtswidrig war und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt wurden (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Demgemäß war das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 insoweit abzuändern und die begehrte Feststellung zu treffen.

1. Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) – hier der durch Zeitablauf erledigten (s. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) versammlungsrechtlichen Beschränkung gemäß Art. 15 BayVersG (zum Rechtscharakter derartiger Maßnahmen vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 33) – ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 113 Rn. 88; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 299; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 152 jeweils m.w.N.; BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 44).

2. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung war die streitbefangene Beschränkung der am 9. April 2016 in P. durchgeführten Versammlung der Kläger rechtswidrig. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 herangezogenen Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG waren nicht erfüllt, weil nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine tragfähige Prognose hinsichtlich einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung nicht vorlagen (2.1.) und ein „Nachschieben“ von Gründen in einer verfahrensrechtlichen Konstellation wie der vorliegenden diesen Mangel nicht zu heilen vermag (2.2.). Zudem lag hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung jedenfalls ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor (2.3.), der durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden konnte (2.4.).

2.1. Die vom Beklagten für diese Beschränkung der Versammlung – Verbot bestimmter Parolen – im zugrunde liegenden Bescheid herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG trägt die angegriffene Verfügung nicht.

Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen (Beschränkungen) keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16). Aufgabe der Gerichte ist es zu prüfen, ob die (von der Versammlungsbehörde) für die Beurteilung der Gefahrenlage herangezogenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Schutzgehalts des Art. 8 GG in nachvollziehbarer Weise auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 1 BvQ 43/08 – juris Rn. 20). Die Frage, ob bei der (allgemein) im Gefahrenabwehrrecht gebotenen ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt der Maßnahme konkrete Tatsachen vorlagen, die die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung begründeten, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung; die darin enthaltenen prognostischen Elemente rechtfertigen keine Kontrollbeschränkung der Gerichte (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.4.2017 – 2 BvR 1754/14 – juris Rn. 46).

Gemessen daran ergeben sich entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts hinreichend tragfähige Gesichtspunkte und Erwägungen für die Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Beschränkung weder unmittelbar aus der Begründung des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 noch (ergänzend) aus den vorgelegten Behördenakten oder sonstigen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bzw. zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 ist vorweg lediglich formelhaft ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Unter Nr. 3.6 dieses Bescheids ist zur streitbefangenen Beschränkung ergänzend ausgeführt, das lautstarke Skandieren der in dieser Beschränkung aufgezählten Parolen erwecke einen paramilitärischen Eindruck, der Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft könne unbefangene Beobachter verängstigen, Versammlungen, die ein solches militantes Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik aufwiesen, liefen dem Friedlichkeitsgebot von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 113 der (Bayerischen) Verfassung zuwider; „Wir sind wieder da!“ sei eine Parole der 1972 im Ausland gegründeten NSDAP/AO.

Konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der angeführten Rechtsgrundlage bei Durchführung gerade der vorliegenden Versammlung ergeben sich daraus aber nicht. Vielmehr fehlt insoweit der erforderliche konkrete Fallbezug. Zum einen wird schon nicht deutlich, ob und gegebenenfalls welche Anhalts- oder Gesichtspunkte die Versammlungsbehörde für ihre Gefahreneinschätzung bzw. -prognose herangezogen hat, zum anderen fehlt aber vor allem jeder nachvollziehbare Bezug zu der konkret geplanten Versammlung. Beides ergibt sich auch nicht aus dem in der Behördenakte (Bl. 32 ff.) befindlichen Vermerk zur Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Versammlung der Kläger am 9. April 2016. Unabhängig davon, dass dieser Vermerk mit Datum 9. April 2016, also einem Tag nach der Erstellung des streitbefangenen Bescheids versehen ist, im ersten Absatz des Vermerks aber noch den nachträglich handschriftlich korrigierten ursprünglichen Termin des „stattgefundenen Kooperationsgesprächs“ (8.4.2016) enthält, was auf eine deutlich frühere Erstellung dieses Vermerks hindeutet, finden sich auch darin lediglich formelhafte Ausführungen: Im Rahmen des Kooperationsgesprächs sei deutlich geworden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG für die Festsetzung von Beschränkungen erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung, seien die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen. Bezüglich des Verbots von Parolen enthält dieser Vermerk unter Nr. 6. lediglich die Bewertung, wie sie praktisch wortgleich in den streitbefangenen Bescheid Eingang gefunden hat. Irgendwelche konkreten tatsächlichen Anhalts- oder Gesichtspunkte für die diesbezügliche Gefahreneinschätzung und der erforderliche nachvollziehbare Bezug zur konkreten Versammlung fehlen auch hier.

Auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebene Erklärung der Vertreter des Beklagten, die Erwägungen zur Gefahrenprognose seien vor allem mündlich im Kooperationsgespräch zur angemeldeten Versammlung am 7. April 2016 erörtert worden, und Anhaltspunkte und Erkenntnismittel seien zudem die Selbstaussage der Klägerin zu 1 über ihre Aktivitäten und Ziele sowie die konkrete Bewerbung dieser Veranstaltung im Internet gewesen, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Weder der Vermerk über dieses Kooperationsgespräch in der Behördenakte (Bl. 27 ff.) noch etwa der ebenfalls bei den Akten befindliche Bericht der KPI Ingolstadt zu den Veranstaltungen der Klägerin zu 1 am Samstag, 9. April 2016, in Bayern enthalten diesbezüglich konkrete tatsächliche Anhaltspunkte oder wenigstens Hinweise darauf. Vielmehr liegt im vorliegenden Fall gerade auch mit Blick auf ein bei der Behördenakte befindliches E-Mail der Regierung von Oberbayern vom 21. April 2016 (Bl. 103) nahe, dass die Versammlungsbehörde eine Auflage aus einem Muster-Bescheid der Regierung in den streitbefangenen Bescheid ohne hinreichend tragfähige Gefährdungsprognose und ohne konkreten Bezug zu der von den Klägern geplanten Veranstaltung und deren Begleitumständen aufgenommen hat.

Für letzteres spricht im Übrigen auch, dass eine im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits durch die Versammlungsbehörde am 20. September 2016 per E-Mail erfolgte konkrete Anfrage, ob zum Zeitpunkt der Gefahreinschätzung vor der Versammlung am 9. April 2016 zu erwarten gewesen sei, dass durch die Art und Weise der Meinungsäußerungen (aggressives und provozierendes Skandieren von Parolen … etc.) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen könnte, und ob bei bisherigen anderen Kundgebungen der Klägerin zu 1 eine solche Art und Weise der Meinungsäußerung schon erfolgt sei, vom zuständigen Beamten der KPI Ingolstadt dahingehend beantwortet wurde, dass bezüglich beider Fragen im Vorfeld keine Erkenntnisse vorlagen, das Skandieren von provozierenden Parolen allerdings im Vorfeld „nie ausgeschlossen werden“ könne (vgl. beiliegende nicht paginierte Prozessakte des Landratsamts).

Auch wenn man – ohne dafür irgendwelche Anhaltspunkte in den Behördenakten zu finden – zu den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG die Erkenntnisse und Bewertungen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und Bayerns über die Klägerin zu 1 in den jeweiligen Verfassungsschutzberichten 2014 zählt und demgemäß für die Gefahrenprognose heranzieht, reicht das allein aus der gebotenen ex-ante-Betrachtung für eine tragfähige Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde nicht aus. Der Beklagte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich nach diesen Erkenntnissen bei der Klägerin zu 1 um eine derzeit prägende neonazistische (Kleinst-)Partei mit völkisch-biologistischem Menschen- und Gesellschaftsbild handelt, deren Ziel unter anderem die Förderung einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten ist. Darüber hinausgehende tragfähige Anhaltspunkte mit hinreichend konkretem Bezug zur geplanten Veranstaltung der Kläger, woraus sich der von der Versammlungsbehörde angenommene bzw. unterstellte Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft, das militante Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik und die paramilitärischen oder sonstigen einschüchternden Begleitumstände der geplanten Versammlung nachvollziehbar ableiten oder folgern ließen, fehlen hier jedoch.

2.2. Ein Nachschieben von Gründen im Verwaltungsprozess im Sinne einer Nachholung oder Ergänzung der materiell-rechtlich relevanten Begründung (zum Begriff vgl. z.B. Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 45 Rn. 34) – hier der Gefahrenprognose gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG – ist entgegen der Auffassung des Beklagten in der vorliegenden Konstellation aus prozessualen Gründen und vor allem Gründen des materiellen Rechts nicht möglich.

In prozessualer Hinsicht spricht dagegen, dass bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) Gegenstand der gerichtlichen Prüfung allein die Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf (hier: Durchführung der Versammlung am 9. April 2016) erledigten, d.h. unwirksam gewordenen, Beschränkung ist. Maßgeblich dabei ist – wie bereits oben ausgeführt – grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage. Die (rückwirkende) Nachbesserung oder sogar Nachholung einer materiell-rechtlich relevanten Begründung nach diesem Zeitpunkt wäre insoweit geradezu systemwidrig, weil nach dem Ende der äußeren und inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts (vgl. dazu Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 43 Rn. 46) Streitgegenstand und Sachlage durch die Behörde noch einseitig beeinflusst werden könnten. Ebenso wenig wie die Heilung eines Verfahrens- oder Formfehlers nach der Erledigung des Verwaltungsakts gemäß Art. 45 BayVwVfG in Betracht kommt, der einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, kann deshalb nach Auffassung des Senats ein Nachschieben von Gründen im oben genannten Sinn im Rahmen der vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) zulässig sein.

Auch materiell-rechtliche Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG lässt mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) Beschränkungen (oder ein Verbot) einer Versammlung nur für den Fall zu, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dadurch ist klargestellt, dass Grundlage der Gefahrenprognose und damit der Entscheidung der Versammlungsbehörde nur zum Zeitpunkt der behördlichen Verfügung erkennbare tatsächliche Anhaltspunkte sein können. Demgemäß kommt es für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose auf die zu diesem Zeitpunkt der Versammlungsbehörde zur Verfügung stehenden Erkenntnisse an (vgl. Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Kommentar, VersammlG § 15 Rn. 60; Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2018, Rn. 149; BayVGH, B.v. 26.11.1992 – 21 B 92.1672 – juris Rn. 34). Danach ist es aber auch mit Blick auf die nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG gebotene Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig, wenn die Versammlungsbehörde die von ihr diesbezüglich zu fordernden Bemühungen um Sachaufklärung (vgl. Dürig-Friedl, a.a.O.; zu den auch bei dem Erlass von Auflagen/Beschränkungen nicht zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17) nicht zum Zeitpunkt ihrer Verfügung, sondern erst nachträglich im Verwaltungsstreitverfahren unternimmt und mit den nachgeschobenen Gründen – selbst bei unveränderter Sachlage – die getroffene Entscheidung nach deren Unwirksamwerden zu rechtfertigen versucht. Dies würde zudem der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) nicht gerecht und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) des Betroffenen zuwiderlaufen.

Selbst wenn man aber entsprechend den in der Rechtsprechung nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gebildeten Grundsätzen neue Gründe für einen Verwaltungsakt – hier die erledigte streitbefangene Beschränkung – dann zuließe, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 m.w.N., allerdings ausdrücklich offen gelassen für den Fall einer rückwirkenden Änderung bei einem endgültig erledigten Dauerverwaltungsakt), würde das an der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beschränkung nichts ändern. Denn ein Nachschieben in diesem Sinne könnte allenfalls eine Ergänzung, Präzisierung oder Vertiefung jedenfalls im Ansatz bereits vorhandener tragender Erwägungen zur Begründung einer unmittelbaren Gefährdung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG, nicht aber die Nachholung einer (nahezu) vollständig fehlenden Gefahrenprognose bedeuten. Wird wie im vorliegenden Fall ursprünglich praktisch nur der Gesetzestext wiederholt und mit formelhaften Ausführungen ohne hinreichenden konkreten Fallbezug ergänzt, kommt ein Nachschieben von Gründen im Sinne der angeführten Rechtsprechung jedenfalls nicht (mehr) in Betracht (vgl. Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 35).

Aus den genannten Gründen ist es – ungeachtet der Frage des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der diesbezüglich erforderlichen Gefahrenprognose – dem Beklagten auch verwehrt, die streitbefangene Beschränkung nunmehr nachträglich (vgl. Nr. 7. der Berufungserwiderung vom 15.1.2018, Bl. 30 ff. der VGH-Akte) auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG als Rechtsgrundlage zu stützen.

2.3. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung lag im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung jedenfalls auch ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor.

Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar.

Ein danach gerichtlich zu beanstandender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde lag im maßgeblichen Zeitpunkt schon deshalb vor, weil die entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (s. Art. 40 BayVwVfG) anzustellende Prüfung bzw. Prognose, ob und in welchem Umfang bei der Durchführung der angemeldeten Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG zu erwarten ist, von der Behörde nicht in der gebotenen Weise durchgeführt bzw. angestellt worden ist; auf die Ausführungen unter 2.1. kann hier Bezug genommen werden.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 (Nr. II. 2.) finden sich zum Ermessen lediglich die formelhaften Ausführungen, „Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG entscheidet die zuständige Behörde über die Festsetzung von beschränkenden Verfügungen nach pflichtgemäßem Ermessen.“ und „Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung sind die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen.“. Unter II. 3.6 wird diesbezüglich lediglich ausgeführt, „Da auch in Musikstücken diese Parolen enthalten sein können, ist eine entsprechende Regelung auch für die ausgestrahlte Musik erforderlich.“

Soweit der Beklagte noch auf umfangreichere Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit unter II. 5. des Bescheids verweist, beziehen sich diese offensichtlich und eindeutig ausschließlich auf die unter Nr. 1.5 des Bescheids verfügte Beschränkung der Kundgebungsmittel; einen auch nur ansatzweisen Bezug zur streitbefangenen Verfügung bezüglich der Parolen vermag der Senat darin nicht zu erkennen. Demgemäß fehlt insoweit auch die im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit erforderliche Güterabwägung.

Nicht durchzugreifen vermag schließlich der Einwand des Beklagten, die Angabe weiterer Einzelheiten und Erwägungen sowohl bezüglich der Gefahrenprognose als auch der darauf beruhenden Ermessensausübung im Ausgangsbescheid sei schon deshalb entbehrlich, weil der beim Kooperationsgespräch anwesende Vertreter der Klägerin zu 1 nach kurzer Erläuterung der beabsichtigten Beschränkungen erklärt habe, „dies sei ihm bekannt, da dies nicht die erste Versammlung des III. Wegs sei“ (vgl. Vermerk über das Kooperationsgespräch am 7.4.2016, Bl. 30 der Behördenakte). Denn daraus konnte weder ein Einverständnis der Klägerin zu 1 mit der streitbefangenen Verfügung noch etwa ein Verzicht auf eine Begründung oder die pflichtgemäße Ermessensentscheidung abgeleitet werden.

2.4. Durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen konnte der gerichtlich zu beanstandende Ermessensfehlgebrauch nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden.

Die Zulässigkeit eines Nachschiebens oder einer Ergänzung von Ermessenserwägungen bestimmt sich nach ganz herrschender Meinung nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht; § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht dagegen allein keine Mängelheilung, sondern bestimmt lediglich, dass einem danach zulässigen Nachholen von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht entgegenstehen (stRspr des BVerwG, vgl. z.B. U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 31; Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 114 Rn. 38; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 45; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 205; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 85 f.; Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1. 4. 2018, § 45 Rn. 35, 37 jeweils m.w.N.).

Nicht abschließend entschieden werden muss im vorliegenden Fall, ob nicht bereits aus prozessualen Gründen eine Ergänzung der Ermessenserwägungen der Versammlungsbehörde in der Situation einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ausscheidet. Zwar geht – soweit ersichtlich – die herrschende Meinung und Rechtsprechung von der Anwendbarkeit des § 114 Satz 2 VwGO auch in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage aus (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2000 – 2 B 98.99 – NVwZ 2000, 1186; Decker in BeckOK VwGO, a.a.O., § 114 Rn. 1; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 114 Rn. 12d; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 34; Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 6). Das dafür angeführte Wortlautargument „hinsichtlich des Verwaltungsakts“ erscheint dem Senat allerdings aus den bereits oben unter 2.2. dargelegten Gründen gerade in der vorliegenden prozessualen Konstellation wenig überzeugend (im Ergebnis so auch OVG NW, B.v. 20.2.2001 – 18 A 1520/92 – NVwZ 2001,1424). Unabhängig davon stellt das im Berufungsverfahren mit Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 2018 vorgenommene Nachschieben von Ermessenserwägungen auch keine bloße „Ergänzung“ im Sinne dieser prozessualen Bestimmung dar, sondern entspricht vielmehr einer erstmaligen Begründung der Ermessensentscheidung.

Einer Ergänzung der Ermessenserwägungen mit heilender Rückwirkung (ex tunc) nach Erledigung des versammlungsrechtlichen Verwaltungsakts (hier: der angefochtenen Beschränkung) stehen jedenfalls die bereits oben angeführten materiell-rechtlichen Gründe entgegen (im Ergebnis so auch OVG NW, a.a.O.; zweifelnd: Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 88; offen gelassen: BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 im Fall eines für einen bereits abgelaufenen Zeitraum erledigten Dauerverwaltungsakts), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug genommen wird.

Auf die weiteren im Verwaltungsstreitverfahren ausführlich erörterten materiellen Fragen insbesondere zur Bestimmtheit der streitbefangenen Beschränkung kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der Kreisverband Trier der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), begehrt die Feststellung, dass die räumliche Verlegung seiner für den 3. September 2014 angemeldeten Versammlung in Trier rechtswidrig gewesen ist.

2

Der Kläger meldete durch seinen Vorsitzenden am 31. August 2014 für den Nachmittag des 3. September 2014 eine Kundgebung im Bereich des Porta-Nigra-Vorplatzes in Trier an, an der voraussichtlich 10 Personen teilnehmen sollten. Bei dem vor der Versammlung geführten Kooperationsgespräch wurden Zeit und Thema der Versammlung einvernehmlich geändert. Keine Einigung konnte hinsichtlich des Versammlungsortes erzielt werden. Während der Kläger die Versammlung am Porta-Nigra-Vorplatz abhalten wollte und alternativ den Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen benannte, wurde seitens der Beklagten im Kooperationsgespräch als Versammlungsort der Hauptbahnhof oder der Simeonstiftplatz vorgeschlagen. Anlass der Versammlung war der zum gleichen Zeitpunkt geplante Besuch des Bundespräsidenten Gauck in Trier, der zusammen mit der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz und dem Oberbürgermeister der Stadt Trier die Porta Nigra besuchen wollte. Im Kooperationsgespräch machte der Kläger deutlich, dass er den Bundespräsidenten mit politischen Forderungen sowie seiner Bezeichnung der NPD-Mitglieder als „Spinner“ im Bundestagswahlkampf 2013 und den Oberbürgermeister mit dem Vorwurf der städtischen Einflussnahme auf die Trierer Ratswahl vom 25. Mai 2014 konfrontieren wolle.

3

Mit Bescheid vom 2. September 2014 verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass die von dem Kläger für den Nachmittag des 3. September 2014 angemeldete Versammlung in Trier räumlich verlegt und nicht der Porta-Nigra-Vorplatz, sondern der Simeonstiftplatz als Ort der Versammlung zur Verfügung gestellt werde. Zur Begründung – soweit dies für das Berufungsverfahren noch von Interesse ist – führte die Beklagte aus, dass die Versammlung an dem beantragten Ort nicht durchgeführt werden könne. Der Bundespräsident sei mit der höchsten Sicherheitseinstufung zu schützen, sodass jegliche Versammlungen im „inneren Sicherheitsbereich“, das heißt dem vom Bundespräsidenten und seiner Begleitung unmittelbar zu passierenden Straßenraum, aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden könnten. Der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten genieße allerhöchste Priorität. Die derzeitige Einsatzkonzeption der Polizeidirektion Trier sehe vor, die Porta Nigra und ihr Umfeld, insbesondere die Zu- und Abfahrten der Kolonnen des Bundespräsidenten, besonders zu schützen. Würde die angemeldete Versammlung auf dem Porta-Nigra-Vorplatz durchgeführt, so könnte der für den Schutz des Bundespräsidenten erforderliche Sicherheitsbereich nicht eingerichtet werden. Es sei dann zu erwarten, dass sich Proteste auf engem Raum zwischen Porta Nigra und Eingang Fußgängerzone hoch emotional und möglicherweise unkontrolliert entlüden und die Situation damit insgesamt unbeherrschbar werde. Dies gelte zunächst unabhängig davon, ob eine Gegendemonstration stattfinde oder nicht. Eine Gegendemonstration führe lediglich zu einer Verschärfung der Situation. Unter solchen Umständen könne die Sicherheit des Bundespräsidenten nicht gewährleistet werden, denn die Konflikte würden im unmittelbaren Bewegungsbereich des Staatsoberhauptes ausgetragen. Da sich der Bundespräsident auf dem Vorplatz der Porta Nigra bewegen werde, scheide der angrenzende Bereich für die Versammlung mit nicht zu verhindernden Gegendemonstrationen absolut aus, zu dem auch der im Kooperationsgespräch beanspruchte Bereich vor der Commerzbank gehöre, der lediglich durch einen kleinen Gebäudevorsprung getrennt und ca. 15 m von dem Porta-Nigra-Vorplatz entfernt sei. Weitere Alternativstandorte seien vom Kläger nicht benannt worden. Einzige adäquate Örtlichkeit in räumlicher Nähe sei der Simeonstiftplatz. Dieser liege ebenfalls sehr zentral und noch in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten.

4

Am 2. September 2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Den gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem er erklärte, auf eine Versammlung am ursprünglich geplanten Porta-Nigra-Vorplatz zu verzichten und stattdessen die Versammlung im Bereich der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen durchführen zu wollen, lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit einer Klarstellung zum genau zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz mit Beschluss vom 3. September 2014 (1 L 1611/14.TR) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 3. September 2014 (7 B 10838/14.OVG) zurück.

5

Der Kläger hat am 2. Oktober 2014 Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Versammlung einen Bezug zum Besuch des Bundespräsidenten gehabt habe. Er, der Kläger, habe deshalb Wert auf eine Versammlung im Blickfeld der Porta Nigra gelegt. Er habe sichtbar seinen Protest gegen Äußerungen des Bundespräsidenten sowie Wahlbeeinflussung durch den Oberbürgermeister der Beklagten zur Schau tragen wollen. Davon abweichend habe die Kundgebung außerhalb der Seh- und Hörweite des Bundespräsidenten stattfinden müssen. Der von ihm vorgeschlagene Alternativstandort vor der Commerzbank sei sicherheitstechnisch weit genug vom Bundespräsidenten entfernt gewesen. Gewalttätige Auseinandersetzungen in der Vergangenheit seien niemals von Teilnehmern an seinen Versammlungen ausgegangen.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vor allem geltend gemacht, dass nach dem Sicherheitskonzept der Polizei, auf das sie keinen Einfluss gehabt habe, zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgesehen gewesen sei, dass die Wagenkolonne des Bundespräsidenten im Bereich der Commerzbank stehe und der Bundespräsident nach dem Empfang von dort abfahre. Diese Planung sei im Rahmen des Kooperationsgesprächs angesprochen worden.

7

Mit Urteil vom 20. Januar 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klagen des Klägers sowie seines Vorsitzenden, der auch im eigenen Namen geklagt hatte, abgewiesen. Die Klage des Vorsitzenden in eigenem Namen sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Die demgegenüber zulässige Klage des Klägers sei unbegründet. Die Verlegung des Versammlungsortes von dem zuletzt begehrten Vorplatz der Commerzbank auf den Simeonstiftplatz sei rechtmäßig gewesen. Aufgrund der Notwendigkeit, einen Sicherheitsbereich für den Besuch des Bundespräsidenten freizuhalten, habe die Versammlung auf dem Vorplatz der Commerzbank nicht stattfinden können. Es sei grundsätzlich möglich, bei Personen der Gefährdungsstufe 1 einen Sicherheitsbereich einzurichten, der generell von Versammlungen freizuhalten sei. Die Beklagte habe in der konkreten Situation einen „inneren Sicherheitsbereich“ für den Bundespräsidenten festlegen dürfen, der sich nach den Darlegungen der Beklagten nachvollziehbar daraus herleitete, dass sich der Bundespräsident und seine Begleitungen konkret dort aufhalten sollten und die angegebenen Zu- und Abfahrtswege gewährleistet sein sollten. Zu diesem Bereich gehörten zumindest der Vorplatz der Porta Nigra und der unmittelbar zu passierende Straßenraum. Nach dem Sicherheitskonzept sei der Bereich vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne des Bundespräsidenten und dessen späteren Zustieg vorgesehen gewesen. In diesem Bereich wäre es deshalb zu einem unmittelbaren Kontakt mit der Versammlung des Klägers gekommen und daher der für eine Person der Gefährdungsstufe 1 erforderliche Sicherheitsabstand nicht einzuhalten gewesen. Unschädlich sei, dass der Bereich der Commerzbank später nicht als Zustiegsort genutzt worden sei, da sich die von der Beklagten anzustellende Gefahrenprognose auf eine zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zu treffende ex ante Prognose stütze.

8

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23. November 2015 zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, dass die Notwendigkeit der Einhaltung eines Sicherheitsabstandes für den Besuch des Bundespräsidenten die Verlegung des Versammlungsortes nicht rechtfertige. Es beständen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne und den Zustieg des Bundespräsidenten vorgesehen gewesen sei, denn weder habe dort die Fahrzeugkolonne gestanden, noch sei später ein Zustieg dort erfolgt. Gegen die Richtigkeit der Annahme, der geplante Versammlungsort werde nach dem Sicherheitskonzept für den Besuch des Bundespräsidenten benötigt, spreche auch, dass in der Vergangenheit bei Besuchen von Personen der Gefährdungsstufe 1 an der Porta Nigra in Trier nie der vom ihm als Versammlungsort vorgesehene Platz für Zu- und Abfahrten bzw. das Abstellen von Fahrzeugen benötigt worden sei. Auch sei von der Beklagten erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptet worden, dass nach dem Sicherheitskonzept der Bereich vor der Commerzbank benötigt werde. Ein so gewichtiges Argument hätte die Beklagte jedoch sicher schon im Eilverfahren unmittelbar vor dem Besuch vorgebracht. Selbst wenn ein Zustieg des Bundespräsidenten an dem begehrten Versammlungsort beabsichtigt gewesen sei, so hätte auf einen Zustieg dort verzichtet werden müssen, um nicht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Es sei durch den anderweitigen Zustiegsort offenkundig, dass der Platz vor der Commerzbank für das Sicherheitskonzept nicht zwingend benötigt worden sei. Auch könne dem Bundespräsidenten zugemutet werden, einer grundrechtlich geschützten Versammlung auszuweichen, wenn es die Verantwortlichen versäumten, rechtzeitig einen Sicherheitsbereich durch Allgemeinverfügung einzurichten. Selbst wenn aber der geplante Versammlungsort rechtmäßig hätte verwehrt werden dürfen, weil nach dem Sicherheitskonzept nicht auf ihn habe verzichtet werden können, so hätte ihm, dem Kläger, ein anderer Versammlungsort in der Nähe der Porta Nigra in Sicht- und Hörweite des Bundespräsidenten zugewiesen werden müssen. Die durchgeführte Versammlung habe letztlich außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftritts des Bundespräsidenten stattfinden müssen und sei öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden. Die beabsichtigte Konfrontation des Bundespräsidenten und der Bevölkerung mit den Forderungen des Klägers sei so nicht möglich gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag aus dem bisherigen Verfahren, wonach die Bewegungsfreiheit des Bundespräsidenten für den Fall einer notwendigen kurzfristigen Ablaufplanung nicht über Gebühr eingeschränkt werden dürfe. Je mehr Details im Vorfeld preisgegeben würden und je eingeschränkter der Bundespräsident aufgrund der geplanten Versammlungen sei, umso stärker sei seine Sicherheit gefährdet. Hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes werde auf die polizeiliche Einsatzplanung „Themenbesuch des Bundespräsidenten Mittwoch, 03.09.2014 in Trier“ verwiesen. Die ursprüngliche polizeiliche Planung sei dort am 29. August 2014 um 10.03 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 1 versandt worden. Aus den hierzu vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, dass die Abfahrt des Bundespräsidenten im Bereich vor der Commerzbank vorgesehen gewesen sei. Die alternative polizeiliche Planung, welche dort am 2. September 2014 um 16.12 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 versandt worden sei, enthalte eine Änderung des Zustiegsortes. Hierzu habe die Polizei gegenüber der Beklagten zwischenzeitlich erklärt, dass aufgrund der kurzfristig bekannt gewordenen Anmeldungen zweier Versammlungen und der Ungewissheit hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen sowie der zeitlichen Nähe des Besuchs an der Porta Nigra alternative Einsatzplanungen vorgenommen worden seien. Die Beklagte weist darauf hin, dass die vorgenannten Änderungen des geplanten Ablaufs bzw. die Planungsalternativen ihr nicht zugeleitet worden und ihr somit zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und der Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht bekannt gewesen seien. Weitere Hintergründe hierzu seien ihr nicht bekannt. Aus der möglichen Alternativplanung könne jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass dem Versammlungsrecht der Vorzug gegenüber der Einsatzplanung der Polizei eingeräumt werden müsse. Der Schutz der Versammlungsfreiheit gehe nicht soweit, dass man daraus einen Anspruch auf Umplanung des Ereignisses habe, auf welches sich die Versammlung beziehen wolle.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 1 L 1611/14.TR (7 B 10838/14.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers, über die das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers, die allein Gegenstand der Berufung ist, nachdem der Vorsitzende des Klägers gegen das klageabweisende Urteil ihn betreffend kein Rechtsmittel eingelegt hat, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014, mit dem als Versammlungsort abweichend von der Anmeldung der Simeonstiftplatz bestimmt wurde, ist rechtmäßig gewesen.

15

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG – kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

16

Die von Art. 8 Grundgesetz – GG – geschützte Versammlungsfreiheit umfasst auch das Selbstbestimmungsrecht über die Auswahl des Versammlungsortes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 61 = BVerfGE 69, 315). Bei Beschränkungen des Rechts des Veranstalters, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu bestimmen, ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch das Interesse des Veranstalters schützt, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen. Dementsprechend kann es dem Veranstalter darauf ankommen, die Versammlung in möglichst großer Nähe zu einem symbolhaltigen Ort durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 23 = NJW 2007, 2167) oder in Sicht- und Hörweite zu einem bestimmten Ort zu sein, wenn es auf einen bestimmten Kommunikationszusammenhang ankommt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 3 M 53/07 –, juris, Rn. 42). Unabhängig davon, ob eine von der angemeldeten Versammlung abweichende Bestimmung zu Ort und/oder Zeit der Versammlung im Einzelfall schon als (Teil-)Verbot oder noch als Auflage einzuordnen ist, ist die Rechtfertigung der Maßnahme im Lichte des Anliegens des Veranstalters und der Gewährleistungen des Art. 8 GG zu prüfen.

17

Die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 – 6 C 21.07 –, juris, Rn. 13 = BVerwGE 131, 216). Erforderliche ist eine unmittelbare Gefährdung dieser Rechtsgüter, mithin eine Gefahrenprognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte („erkennbare Umstände“) bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründet; bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 80 = BVerfGE 69, 315; Beschluss vom 4. September 2009 – 1 BvR 2147/09 –, juris, Rn. 9). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind nach dem aus dem Grundgesetz ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, juris, Rn. 41 = BVerwGE 45, 51; Urteil vom 6. September 1974 – I C 17.73 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 47, 31).

18

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG kommt es für die Gefahrenprognose auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung an. Bei einer nachträglichen Änderung der erkennbaren Umstände, mithin solcher, die offen zu Tage treten oder die der Versammlungsbehörde nach der von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung zur Verfügung stehen, ist allerdings auf Grundlage der neuen Umstände und Erkenntnisse gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu treffen (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl. 2011, § 15 Rn. 30).

19

Schließlich muss die Gefährdung bei Durchführung der Versammlung eintreten. Zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist somit ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 –, juris, Rn. 27).

20

2. Ausgehend von diesen Maßgaben ist die angegriffene Beschränkung rechtmäßig gewesen.

21

Der Bundespräsident in Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und seine Funktion als Staatsoberhaupt (Art. 54 ff. GG), mithin als Verfassungs- und oberstes Bundesorgan (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG), werden vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst. Die Einstufung des Bundespräsidenten in die Gefährdungsstufe 1, d.h. „die Person ist erheblich gefährdet, mit einem Anschlag ist zu rechnen“ (vgl. dazu Stellungnahme der Polizeidirektion Trier vom 2. September 2014, S. 2, Bl. 13 der Verwaltungsakte – VA –), begründet eine unmittelbare Gefährdung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG für die genannten Schutzgüter von höchstem Rang. Denn die mit der Gefährdungseinstufung einhergehende Dauergefahr für das Leben des Bundespräsidenten bedeutet, dass zwar der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ungewiss ist, mit ihm aber jederzeit gerechnet werden muss, mithin die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts über einen längeren Zeitraum hinweg zu jedem Zeitpunkt besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, juris, Rn. 146 = BVerfGE 115, 320, zur Dauergefahr als konkret Gefahr). Dass die Gefährdungseinstufung ihrerseits auf einer belastbaren Tatsachengrundlage beruht und sich damit von der Annahme (nur) einer allgemeinen Gefährdungslage abhebt, ist angesichts der herausgehobenen Stellung des Bundespräsidenten nicht in Zweifel zu ziehen. Auch die Beteiligten machen Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Einstufung nicht geltend, so dass insgesamt kein Anlass besteht, den Sachverhalt dahingehend weiter aufzuklären.

22

Ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der durch die Gefährdungseinstufung begründeten unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist ebenfalls gegeben. Dies folgt zwar nicht daraus, dass die angemeldete Versammlung des Klägers speziell eine Steigerung des Gefahrenpotenzials verursachte, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass ein gewisser Sicherheitsbereich von jeder Versammlung – mithin auch von der des Klägers – freigehalten werden kann. Hintergrund bilden insoweit die von einer Versammlung „unter freiem Himmel“ ausgehende spezifischen Gefahren, die ihrerseits unmittelbar in der Verfassung durch den allein auf diese Versammlung bezogenen Gesetzesvorbehalt (Art. 8 Abs. 2 GG) angelegt sind. Im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu (gesetzes-)vorbehaltlos gewährten Versammlungen in geschlossenen Räumen hat das Bundesverfassungsgericht auch in Unterscheidung zu einem allgemeinen Publikum aufgrund des Aufeinandertreffens der Versammlungsteilnehmer mit Dritten ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotenzial angenommen: „Emotionalisierungen der durch eine Versammlung herausgeforderten Auseinandersetzung können sich im Gegenüber zu einem allgemeinen Publikum schneller zuspitzen und eventuell Gegenreaktionen provozieren. Die Versammlung kann hier leichter Zulauf finden, sie bewegt sich als Kollektiv im öffentlichen Raum. […]“ (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, juris, Rn. 77 = BVerfGE 128, 226; vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 66). Mithin sind es diese besondere Störanfälligkeit und das intensivierte Kollisionspotenzial von nicht gegenüber der Umwelt abgeschlossenen Versammlungen (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die auch einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der Versammlung und der hier bestehenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herstellen.

23

Wenn die Versammlungsbehörde vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit den für die Sicherheit der gefährdeten Person verantwortlichen Polizeibehörden einen entsprechenden Schutzraum in der Nähe des Ortes schafft, an dem sich die zu schützende Person aufhält, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30 = BVerfGK 11, 298 „Heiligendamm“). Dabei ist es von Verfassungs wegen auch nicht geboten, den erforderlichen Schutzraum vorab mit Hilfe einer Allgemeinverfügung festzulegen. Nichts anderes ergibt sich aus der zuvor zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 – (juris, Rn. 34 ff.), die zwar die Verfassungsmäßigkeit einer erlassenen Allgemeinverfügung zum Gegenstand hatte und in diesem Zusammenhang auch inhaltliche Anforderungen an den Erlass – insbesondere zur Berücksichtigung der Durchführbarkeit auch von Demonstrationen bei Aufstellung des Sicherheitskonzepts – dieser Allgemeinverfügung aufgestellt hat. Eine (verfassungsrechtliche) Forderung nach einer vorangehenden Allgemeinverfügung wird jedoch nicht formuliert und ist mit Blick auf die Anforderungen von Art. 8 GG auch nicht ersichtlich. Die inhaltliche Prüfung des erforderlichen Sicherheitsraums, seines Umfangs, seiner Grenzen, sowie die Abwägung mit den Gewährleistungen der Versammlungsfreiheit erfolgen ohne vorangehende Allgemeinverfügung nämlich umfänglich bei der zu treffenden Einzelfallregelung. Insbesondere dort, wo nicht mit einer Vielzahl von Versammlungen gerechnet wird und gleichzeitig auch lediglich ein „innerer Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsraum der zu schützenden Personen freigehalten werden soll, ist ein rechtsstaatlicher Mehrwert einer vorgeschalteten Allgemeinverfügung weder für den Versammlungsveranstalter noch die Versammlungsteilnehmer gegeben.

24

Liegen danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 VersG vor, ist auch die konkrete Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden, den zuletzt vom Kläger begehrten Versammlungsort im Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen – in Anlehnung an die Konzeption der für den Schutz des Bundespräsidenten verantwortlichen Polizeibehörden – dem „inneren Sicherheitsbereich“ zuzuordnen, dementsprechend von jeglichen Versammlungen freizuhalten und den Kläger auf den Simeonstiftplatz als Versammlungsort zu verweisen.

25

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren Unterlagen zur konkreten Einsatz- und Ablaufplanung zum Besuch des Bundespräsidenten am 3. September 2014 vorgelegt hat (vgl. Bl. 138 ff., 143 der Gerichtsakte – GA –), besteht für den Senat kein Anlass daran zu zweifeln, dass der Bereich vor der Commerzbank ursprünglich als Zustieg für den Bundespräsidenten und seine Begleiter und damit als Abstell- und Abfahrtsort der Fahrzeugkolonne vorgesehen war. Dies war letztlich auch Grundlage zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Verfügung am 2. September 2014. Die Beklagte hatte noch im Eilverfahren gegenüber dem Senat am 3. September 2014 mit Faxnachricht von 12:52 Uhr erklärt, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne benötigt werde und eine Versammlung an diesem Ort ein offensichtliches Sicherheitsrisiko darstelle (vgl. Bl. 80 der Gerichtsakte im Verfahren 1 L 1611/14.TR und 7 B 10838/14.OVG), und hat auch im Berufungsverfahren ausdrücklich angegeben, dass ihr eine zwischenzeitliche Änderung der Einsatz- und Ablaufplanung durch die Polizei nicht mitgeteilt worden sei (vgl. Bl. 158 f. GA). Angesichts dessen und mit Blick auf den äußeren Ablauf der Alternativplanung, die nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen erst am 2. September 2014 erfolgte und auch erst mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 um 16:12 Uhr versandt wurde (vgl. Bl. 138 ff., 146 GA), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte noch zum Zeitpunkt der Durchführung der Versammlung des Klägers davon ausging, dass der Platz vor der Commerzbank für die Abfahrt des Bundespräsidenten benötigt werde.

26

Mit seinem Einwand, der (geänderte) tatsächliche Ablauf habe gezeigt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort für den Besuch des Bundespräsidenten nicht zwingend benötigt worden und deshalb mit Blick auf Art. 8 GG auch eine Umplanung angezeigt gewesen sei, um ihm eine Versammlung in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen, übersieht der Kläger den grundsätzlich abwehrrechtlichen Charakter der Versammlungsfreiheit (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die jedenfalls keinen Anspruch auf einen ihm passenden Ablauf der Veranstaltung verschafft, gegen die er sich mit seinem Versammlungsmotto wenden möchte.

27

Ungeachtet dessen wäre es auch weder unter dem Aspekt der Erforderlichkeit noch der Angemessenheit zu beanstanden gewesen, den Platz vor der Commerzbank trotz der zwischenzeitlich erfolgten Alternativplanung als zusätzlichen Abfahrtspunkt von Versammlungen freizuhalten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich um den „inneren Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsumfeld des mit Gefährdungsstufe 1 kategorisierten Bundespräsidenten handelt, so dass es grundsätzlich auch nicht unverhältnismäßig ist, einen zweiten Aufnahmeort vorzuhalten, um bei der für den Bundespräsidenten bestehenden Gefährdungslage situativ reagieren zu können.

28

Selbst wenn man das Thema Fahrzeugkolonne ausblendete, wäre der Platz vor der Commerzbank bei dem am 3. September 2014 durchgeführten Besuch des Bundespräsidenten dem unmittelbaren Bewegungsraum des Bundespräsidenten zuzuordnen gewesen und hätte auch deshalb von Versammlungen freigehalten werden können. Aus der öffentlich zugänglichen Bildberichterstattung über den Besuch ist ersichtlich, dass der geplante Fototermin oberhalb der Treppe am Porta-Nigra-Vorplatz gegenüber der Porta Nigra erfolgen sollte und auch dort erfolgt ist (vgl. dazu nur http://fotos.volksfreund.de/galerie/cme527202,0.html#3172756 oder https://www.spin.de/album/show/318255/3596098). Dieser Punkt liegt indes nur etwa 10 m von dem Gebäudevorsprung entfernt, der den Porta-Nigra-Vorplatz von dem seitens des Klägers zuletzt begehrten Versammlungsort optisch trennt. Unter Berücksichtigung, dass das Bundesverfassungsgericht schon keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, „in der Nähe“ des Ortes des damaligen G8-Gipfels in Heiligendamm einen Schutzraum zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30), fällt der hier betroffene absolute Nahbereich – ebenso wie der direkte Bewegungsraum des Bundespräsidenten selbst – in den anzuerkennenden Sicherheitsbereich.

29

Danach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte nach den von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung hätte Kenntnis von der Um- bzw. Alternativplanung haben müssen. Denn auch unter dieser Prämisse hätte der Bereich vor der Commerzbank von Versammlungen freigehalten werden können, so dass auch dann keine Änderung der ursprünglichen Verfügung erforderlich gewesen wäre.

30

Eine Versammlung im Bereich vor der Commerzbank wäre danach angesichts der erforderlichen sicherheitstechnischen Abschirmung insgesamt nur unter nicht hinnehmbaren Risiken zu realisieren gewesen. Daher wäre auch bei Betrachtung der Verlegung der Versammlung als (Teil-)Verbot dieses gerechtfertigt und ermessensfehlerfrei gewesen. Das Interesse des Staates an der Sicherheit seines Staatsoberhaupts und der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten in Person haben hier Vorrang gegenüber der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit des Klägers, noch dazu weil kein generelles Versammlungsverbot ausgesprochen wurde, sondern – auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen – allein der Versammlungsort von der unmittelbaren Umgehung des Besuchsortes in die nähere Umgebung verlegt worden ist.

31

Mit Blick auf die Angemessenheit der Verfügung und den Einwand des Klägers, ihm hätte bei Ausscheiden des Bereichs vor der Commerzbank ein anderer Versammlungsort in Hör- und Sichtweite des Bundespräsidenten und seiner Begleiter zur Verfügung gestellt werden müssen, ist abschließend auf Folgendes hinzuweisen. Zunächst ist es Sache des Klägers, der geschützt von Art. 8 GG grundsätzlich auch über den Versammlungsort bestimmen kann, alternative Versammlungsorte zu benennen, wenn er – beispielsweise im Kooperationsgespräch – Hinweise bekommt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort voraussichtlich nicht zugelassen werden wird. Der Kläger hat jedoch weder im Kooperationsgespräch noch im gerichtlichen Verfahren einen alternativen Versammlungsort konkret benannt, den er ausgehend vom (angekündigten) Ausschluss des Bereichs vor der Commerzbank dem zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz vorgezogen hätte. Demgegenüber hat die Beklagte zu ihrer Ortswahl im Bescheid ausgeführt, dass der Simeonstiftplatz sehr zentral und in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten gelegen sei (vgl. Bl. 23 VA). Zu dieser Einschätzung der Beklagten passt die eigene Darstellung des Vorsitzenden des Klägers zur streitgegenständlichen Versammlung auf der Internetpräsenz des Landesverbandes der NPD. Dort heißt es unter der Überschrift „Mit Bibelvers und Bananengruß: NPD demonstriert gegen Gauck in Trier“ auszugsweise: „Mit einer lautstarken Mahnwache demonstrierte der NPD Landesverband Rheinland-Pfalz heute gegen den Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck in Trier. Somit durften sich Gauck, der Oberbürgermeister Klaus Jensen und die Ministerpräsidentin Malu Dreyer zwischen 15 und 17 Uhr über nationale Redebeiträge und Musikdarbietungen auf dem Simeon-Stift-Platz mitten in Trier erfreuen. Zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer waren völlig überrascht“ (vgl. http://www.npd-rlp.org/index.php/86-aktuelles/161-mit-bibelvers-und-bananengruss-npd-demonstriert-gegen-gauck-in-trier). Mithin ist festzuhalten, dass nach eigener Wahrnehmung aus der Sphäre des Klägers durchaus eine Demonstration in Hör- und Sichtweite zum Besuch des Bundespräsidenten durchgeführt werden konnte, denn ansonsten hätten sich der Bundespräsident und seine Begleiter nicht an den Redebeiträgen und Musikdarbietungen „erfreuen können“. Die Versammlung hat nach dieser Darstellung auch die angestrebte öffentliche Wahrnehmung erreicht, schließlich konnten „zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer … völlig überrascht“ werden. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren vorträgt, die durchgeführte Versammlung habe außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftrittes des Bundespräsidenten stattgefunden und sei so öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom 21. Januar 2016, S. 5, Bl. 129 GA).

32

3. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 45.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 [LKRZ 2014, 169]).

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird festgestellt, dass (auch) die Beschränkung Nr. 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „… sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen … untersagt sind … die Parolen ‚Wir sind wieder da!‘“ rechtswidrig war.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich mit ihrer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen eine versammlungsrechtliche Beschränkung.

Mit Bescheid vom 8. April 2016 erließ der Beklagte für die von der Klägerin zu 1, vertreten durch den Kläger zu 2, beim Landratsamt P. für den 9. April 2016, 13.45 Uhr bis 15.00 Uhr, angezeigte Versammlung mit dem Thema „Kapitalismus zerschlagen – für einen deutschen Sozialismus!“ am Hauptplatz der Stadt P. unter anderem folgende Beschränkung:

„1.6 Verbot von Parolen

In Reden, Sprechchören sowie auf Transparenten, Fahnen, Schildern und Flyern sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen und deren (auch selbsternannten) Folgeorganisationen sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen.

Untersagt sind insbesondere die Parolen „Wir sind wieder da“, „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, „Wir kriegen euch (alle)“, „Zionisten – Mörder und Faschisten“, sowie das sog. Paulchen-Panther-Lied „Wer hat an der Uhr gedreht?“. …“

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit u.a. der Beschränkung 1.6 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da´…“ gerichtete Klage der Kläger vom 4. Mai 2016 hat das Verwaltungsgericht – unter teilweiser Stattgabe der Klage im Übrigen – mit Urteil vom 25. April 2017 abgewiesen. Gesetzliche Grundlage dieser Beschränkung sei Art. 15 Abs. 1 BayVersG. Die Beklagte habe die Beschränkung darauf gestützt, dass das lautstarke Skandieren dieser Parolen einen paramilitärischen Eindruck erwecke. Beschränkende Verfügungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung seien mit Blick auf Art. 5 GG und Art. 8 GG verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorausgesetzte Gefahr nicht aus dem Inhalt der Äußerung, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergebe. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung infolge der Art und Weise der Durchführung der Versammlung könne bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer bestehen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Bei den als solchen nicht strafbaren Äußerungen habe die Versammlungsbehörde auf die Art und Weise der Durchführung der Versammlung abstellen dürfen. Der Beklagte habe bei seiner danach erforderlichen Gefahrenprognose auch ohne Einbeziehung der Ereignisse bei den Versammlungen der Klägerin zu 1 am 1. Mai 2016 in Plauen und Saalfeld von einer hinreichenden Gefahr für die öffentliche Ordnung im dargelegten Sinn ausgehen dürfen. Laut Verfassungsschutzbericht 2014 (sowie 2015 und 2016) handle es sich bei der Partei „Der III. Weg“ um eine Partei, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertrete und deren ideologische Ziele wie das Programm der NSDAP auf einem biologischen Volksbegriff basierten. Unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas, des Versammlungsortes, einem zentralen Platz der Stadt P., der Werbung für die Versammlung auf der Internetseite der Partei sowie der Kundgebungsmittel (Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offenes Mikrofon und Abspielen von Musik) habe die Behörde von der Gefahr ausgehen dürfen, dass sich die Versammlung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Daran ändere auch die geringe Anzahl von 20 Teilnehmern der Versammlung nichts, da die genannten Wirkungen unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten (z.B. Verstärker, Mikrofone) auch von einer geringen Anzahl von Teilnehmern ausgehen könnten. Auch ein lautes Skandieren der Parole „Wir sind wieder da!“ könne unter Berücksichtigung des Versammlungsthemas und der Ziele der Klägerin zu 1 zu der dargestellten Wirkung führen. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Einzelnen bzw. der Öffentlichkeit die Herkunft dieser Parole zur Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland geläufig sei. Soweit die Rechtsprechung diese Parole in Einzelfällen für zulässig gehalten habe, folge die Kammer dem nicht.

Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens seien nicht ersichtlich. Die Behörde habe im Bescheid vom 8. April 2016 zum Ausdruck gebracht, dass sie gesehen habe, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handle, und einzelne Gesichtspunkte gegeneinander abgewogen. Gerichtlich überprüfbare Abwägungsfehler lägen nicht vor. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig im engeren Sinn.

Mit ihrer mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2017 zugelassenen Berufung machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Klage sei auch hinsichtlich der Beschränkung 1.6 im beantragten Umfang begründet. Auch insoweit sei § 15 Abs. 1 VersG (richtig: Art. 15 Abs. 1 BayVersG) keine tragfähige Grundlage, weil diesbezüglich eine unmittelbare, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht vorgelegen habe. Die beanstandete Beschränkung sei zu unbestimmt und damit rechtswidrig, weil bereits unklar sei, was mit „NS-Regime“ gemeint sei und um welche verbotenen Parteien und Vereine es sich dabei handeln solle. Derzeit seien in Deutschland 16 rechtsextreme Organisationen auf Bundesebene und 73 Organisationen auf Landesebene verboten, darunter auch solche, die einen Bezug zum NS-Regime, zum Rechtsextremismus oder überhaupt zur Politik überhaupt nicht erkennen ließen (z.B. „Besseres Hannover“). Bei wörtlichem Verständnis würde jede Billigung einer dieser Vereinigungen einen Verstoß gegen die Auflage bedeuten und eine Auflösung der Versammlung rechtfertigen, obwohl kein Mensch heute diese Organisationen tatsächlich kenne. Dies zeige deutlich, dass die Beschränkung ausufernd, unbestimmt und unklar sei. Zudem stelle die Beschränkung im beanstandeten Umfang ein unzulässiges Verbot einer Meinung dar. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass damit der Inhalt, nicht aber die Art und Weise der Äußerung verboten werde. Rechtsirrig gehe das Verwaltungsgericht auch davon aus, dass sich die Versammlung ohne die angefochtene Beschränkung durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziere und durch das Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtere. Selbst bei Verwendung sämtlicher der im Übrigen bei Demonstrationen allgemein üblichen Hilfsmittel wie Handmegaphon, Lautsprecherwagen mit Verstärker, offene Mikrofone und Musik könne eine aus 20 Personen bestehende friedliche Versammlung nicht einschüchternd wirken. Auch die Folgerungen des Verwaltungsgerichts aus dem Landesverfassungsschutzbericht 2014 seien angesichts der dort aufgeführten Aktivitäten der Klägerin zu 1 nicht gerechtfertigt. Das Verbot der Parole „Wir sind wieder da!“ sei ebenfalls rechtswidrig. Damit werde ausgedrückt, dass die Klägerin zu 1 trotz Verboten, Beschränkungen und Behinderungen weiter demonstriere und sich von ihren Auftritten in der Öffentlichkeit nicht abhalten lasse. Selbst wenn damit eine Fortführung der NSDAP propagiert werden sollte, liege eine tatbestandsmäßige Gefährdung nicht vor, weil der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung des Satzes weder bekannt sei und die Parole schon gar nicht dem Nationalsozialismus zugeordnet werde. Demgemäß hätten bereits mehrere Gerichte eine solche Beschränkung für rechtswidrig erklärt (SächsOVG, U.v. 28.7.2009 – 3 B 60/06 –; VG Aachen, U.v. 14.1.2009 – 6 K 374/08 –, bestätigt durch OVG NW, B.v. 13.10.2010 – 5 A 506/09 –).

Rechtsfehlerhaft gehe das Verwaltungsgericht schließlich davon aus, dass der Beklagte beim Erlass dieser Beschränkung sein Ermessen rechtmäßig ausgeübt habe. Unter Nr. II 2. des Bescheids finde sich zwar eine lediglich allgemeine und formelhafte Formulierung bezüglich einer Ermessensausübung, jedoch fehle eine wirkliche Begründung und Subsumtion sowie Abwägung der widerstreitenden Belange. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung komme im Bescheid das Wort „Ermessen“ nicht einmal vor.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 wird (weiter) festgestellt, dass die Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 bezüglich der Passage „…sind alle Äußerungen verboten, die das NS-Regime sowie dessen Organisationen … sowie verbotene Parteien und Vereine einschließlich deren Nachfolge- und Ersatzorganisationen billigen, verherrlichen, rechtfertigen oder verharmlosen. Untersagt sind … die Parolen ´Wir sind wieder da!´…“ rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei unbegründet, weil die beanstandete Beschränkung in Nr. 1.6 des Bescheids vom 8. April 2016 rechtmäßig sei und die Kläger nicht in ihren Rechten verletze. Nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses erkennbaren Umständen sei die vom Landratsamt P. vorgenommene Gefahrenprognose rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem damals aktuellen Verfassungsschutzbericht 2014 des Bundesministeriums des Innern sei die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ die derzeit prägende neonazistische Partei in Bayern, die ein völkisch-biologistisches Menschen- und Gesellschaftsbild vertrete, das mit dem individuellen Menschenrechtsverständnis des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Die Partei stehe nach dem Verfassungsschutzbericht dem demokratischen Rechtsstaat fundamental ablehnend gegenüber und habe unter anderem das Ziel, eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten zu fördern. Auch dem Verfassungsschutzbericht 2014 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr seien entsprechende Feststellungen zu entnehmen. Die ideologischen Ziele der Partei ergäben sich aus ihrer Satzung sowie aus einem „Zehn-Punkte-Programm“, das auf Elemente des 25-Punkte-Programms der NSDAP zurückgreife. Auch Antisemitismus sei für die Ideologie der Partei prägend. Zudem sei die Versammlung auf der Internetseite der Klägerin zu 1 damit beworben worden, dass der Zorn und die Wut über das ausbeuterische und völkerfeindliche Unrechtssystem auf die Straße getragen werden sollen. Wie das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt habe, habe der Beklagte aus der Gesamtschau der erkennbaren Umstände von der Gefahr ausgehen dürfen, dass die Versammlung sich ohne entsprechende Auflage durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifizieren und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtern würde. Zutreffend sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass auch bei 20 Teilnehmern ein aggressives und provokantes, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer zu befürchten sei.

Zusätzlich seien für die Gefahrenprognose nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG auch sonstige Umstände zu berücksichtigen, die bei Erlass des Bescheides bereits objektiv vorgelegen haben. Schließlich dürften auch Umstände, die erst nach dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses eingetreten bzw. bekannt geworden seien, ergänzend herangezogen werden, soweit diese die getroffene Gefahrenprognose lediglich bestätigten bzw. untermauerten. Demgemäß werde die Begründung des Bescheids hinsichtlich der Gefahrenprognose ergänzt. Die Versammlung habe an einem historisch stark belasteten Ort stattgefunden, der während der Zeit des Nationalsozialismus Schauplatz mehrerer Kundgebungen gewesen sei, 1935 in „A. H. Platz“ umbenannt worden sei und in der Folgezeit zu Propagandazwecken gedient habe. Die Geschichte der Stadt P. sei zudem in besonderer Weise durch die Zeit des Nationalsozialismus belastet. Vor diesem Hintergrund sei die Wahl des Versammlungsortes durch die Kläger besonders problematisch. Hinzu komme, dass die Stadt P. ihre NS-Geschichte derzeit aktiv aufarbeite, sodass sie bei den Bürgern sehr präsent sei. Auch liege in unmittelbarer Nähe des Versammlungsortes das Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus. Das Skandieren von Parolen mit Bezug zum NS-Regime und der Parole „Wir sind wieder da“ durch rechtsextremistische Versammlungsteilnehmer an diesem historisch belasteten Ort sei im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema ohne weiteres geeignet, Erinnerungen an die Schrecken der NS-Zeit wachzurufen und die Bürger einzuschüchtern.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts könnten auch die Geschehnisse bei Versammlungen der Klägerin zu 1 in Saalfeld und Plauen im Rahmen der Gefahrenprognose Berücksichtigung finden. Die Versammlung in Saalfeld, bei der es nach Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Thüringer Landeskriminalamts zu Gewalttätigkeiten durch Versammlungsteilnehmer und Gegendemonstranten gekommen sei, habe am 1. Mai 2015 und damit – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – zeitlich vor der hier streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Die Versammlung in Plauen habe am 1. Mai 2016 und damit zeitlich nach der streitgegenständlichen Versammlung stattgefunden. Auch die dabei gewonnenen Erkenntnisse, nämlich gewalttätige Ausschreitungen auch gegen polizeiliche Einsatzkräfte, könnten jedoch Berücksichtigung finden, weil sie die bisherige Gefahrenprognose lediglich bestätigten und untermauerten.

Aus der Gesamtschau dieser Gesichtspunkte ergebe sich eine tatbestandsmäßige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Behauptung der Kläger, dass die Parole „Wir sind wieder da“ neutral zu verstehen sei, sei als Schutzbehauptung zurückzuweisen. Von einer Partei wie der Klägerin zu 1 könne diese Parole nur in dem Sinne verstanden werden, dass damit eine Assoziation zur Zeit des Nationalsozialismus hervorgerufen werden solle. Das streitbefangene Verbot richte sich auch nicht gegen den Inhalt der Meinung; vielmehr werde auf die Art und Weise der Äußerungen abgestellt. Die untersagten Parolen hätten selbst einen aggressiven, kämpferischen Duktus. Ihr Skandieren hätte der Versammlung ein militärisches Gepräge verliehen, das auf die überwiegend friedliche Bevölkerung einschüchternd wirke. Nicht überzeugend sei auch der Einwand, dass die Auflage mit Blick auf die Bezeichnung „NSRegime“ zu unbestimmt sei.

Schließlich lägen auch keine Rechtsfehler bei der Ausübung des Ermessens durch das Landratsamt vor. Das Landratsamt habe im angegriffenen Bescheid unter Nr. II. 2. auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG Bezug genommen und zum Ausdruck gebracht, dass es von einer Ermessensentscheidung ausgegangen sei. Unter Nr. II. 3.6 des Bescheids habe das Landratsamt darüber hinaus begründet, warum es die streitbefangene Auflage für erforderlich halte. Unter Nr. II. 5. fänden sich Aussagen zur Verhältnismäßigkeit mit Blick auf die berührten Grundrechte. Weitergehende Ermessenserwägungen seien im Bescheid nicht veranlasst gewesen. Hilfsweise würden die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt; auf die nachgeschobenen Ermessenserwägungen des Beklagten in der Berufungserwiderung vom 15. Januar 2018 (S. 8/9) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Taugliche Rechtsgrundlage für die streitbefangene Beschränkung sei im Übrigen auch Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG. Demgemäß habe das Gericht die beanstandete Auflage auch anhand dieser Rechtsgrundlage zu prüfen. Die Voraussetzungen dieser Befugnisnorm hätten (ebenfalls) vorgelegen. Denn nach den erkennbaren Umständen habe die Gefahr einer Billigung und Verherrlichung der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft bestanden.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofs wurden mit den Parteien insbesondere die Fragen einer hinreichend tragfähigen Gefahrenprognose und Ermessensausübung erörtert; auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Juli 2018 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Ihre auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (auch) der Beschränkung 1.6 im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 (bezüglich der noch streitbefangenen Passage) gerichtete Klage ist begründet, weil diese durch Zeitablauf erledigte versammlungsrechtliche Beschränkung rechtswidrig war und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt wurden (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Demgemäß war das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. April 2017 insoweit abzuändern und die begehrte Feststellung zu treffen.

1. Maßgeblich für die gerichtliche Prüfung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes (Art. 35 Satz 1 BayVwVfG) – hier der durch Zeitablauf erledigten (s. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) versammlungsrechtlichen Beschränkung gemäß Art. 15 BayVersG (zum Rechtscharakter derartiger Maßnahmen vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 33) – ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 113 Rn. 88; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 299; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 152 jeweils m.w.N.; BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 10 B 14.2246 – juris Rn. 44).

2. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung war die streitbefangene Beschränkung der am 9. April 2016 in P. durchgeführten Versammlung der Kläger rechtswidrig. Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Bescheid des Beklagten vom 8. April 2016 herangezogenen Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG waren nicht erfüllt, weil nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen hinreichend konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine tragfähige Prognose hinsichtlich einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung nicht vorlagen (2.1.) und ein „Nachschieben“ von Gründen in einer verfahrensrechtlichen Konstellation wie der vorliegenden diesen Mangel nicht zu heilen vermag (2.2.). Zudem lag hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung jedenfalls ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor (2.3.), der durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden konnte (2.4.).

2.1. Die vom Beklagten für diese Beschränkung der Versammlung – Verbot bestimmter Parolen – im zugrunde liegenden Bescheid herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG trägt die angegriffene Verfügung nicht.

Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen (Beschränkungen) keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16). Aufgabe der Gerichte ist es zu prüfen, ob die (von der Versammlungsbehörde) für die Beurteilung der Gefahrenlage herangezogenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Schutzgehalts des Art. 8 GG in nachvollziehbarer Weise auf eine unmittelbare Gefahr hindeuten (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 1 BvQ 43/08 – juris Rn. 20). Die Frage, ob bei der (allgemein) im Gefahrenabwehrrecht gebotenen ex-ante-Betrachtung im Zeitpunkt der Maßnahme konkrete Tatsachen vorlagen, die die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung begründeten, unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung; die darin enthaltenen prognostischen Elemente rechtfertigen keine Kontrollbeschränkung der Gerichte (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 20.4.2017 – 2 BvR 1754/14 – juris Rn. 46).

Gemessen daran ergeben sich entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts hinreichend tragfähige Gesichtspunkte und Erwägungen für die Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Beschränkung weder unmittelbar aus der Begründung des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 noch (ergänzend) aus den vorgelegten Behördenakten oder sonstigen zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bzw. zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 ist vorweg lediglich formelhaft ausgeführt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Unter Nr. 3.6 dieses Bescheids ist zur streitbefangenen Beschränkung ergänzend ausgeführt, das lautstarke Skandieren der in dieser Beschränkung aufgezählten Parolen erwecke einen paramilitärischen Eindruck, der Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft könne unbefangene Beobachter verängstigen, Versammlungen, die ein solches militantes Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik aufwiesen, liefen dem Friedlichkeitsgebot von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 113 der (Bayerischen) Verfassung zuwider; „Wir sind wieder da!“ sei eine Parole der 1972 im Ausland gegründeten NSDAP/AO.

Konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der angeführten Rechtsgrundlage bei Durchführung gerade der vorliegenden Versammlung ergeben sich daraus aber nicht. Vielmehr fehlt insoweit der erforderliche konkrete Fallbezug. Zum einen wird schon nicht deutlich, ob und gegebenenfalls welche Anhalts- oder Gesichtspunkte die Versammlungsbehörde für ihre Gefahreneinschätzung bzw. -prognose herangezogen hat, zum anderen fehlt aber vor allem jeder nachvollziehbare Bezug zu der konkret geplanten Versammlung. Beides ergibt sich auch nicht aus dem in der Behördenakte (Bl. 32 ff.) befindlichen Vermerk zur Gefahrenprognose bezüglich der streitbefangenen Versammlung der Kläger am 9. April 2016. Unabhängig davon, dass dieser Vermerk mit Datum 9. April 2016, also einem Tag nach der Erstellung des streitbefangenen Bescheids versehen ist, im ersten Absatz des Vermerks aber noch den nachträglich handschriftlich korrigierten ursprünglichen Termin des „stattgefundenen Kooperationsgesprächs“ (8.4.2016) enthält, was auf eine deutlich frühere Erstellung dieses Vermerks hindeutet, finden sich auch darin lediglich formelhafte Ausführungen: Im Rahmen des Kooperationsgesprächs sei deutlich geworden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG für die Festsetzung von Beschränkungen erfüllt seien; es liege eine Sachlage vor, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Interessen der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung führe. Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung, seien die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen. Bezüglich des Verbots von Parolen enthält dieser Vermerk unter Nr. 6. lediglich die Bewertung, wie sie praktisch wortgleich in den streitbefangenen Bescheid Eingang gefunden hat. Irgendwelche konkreten tatsächlichen Anhalts- oder Gesichtspunkte für die diesbezügliche Gefahreneinschätzung und der erforderliche nachvollziehbare Bezug zur konkreten Versammlung fehlen auch hier.

Auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebene Erklärung der Vertreter des Beklagten, die Erwägungen zur Gefahrenprognose seien vor allem mündlich im Kooperationsgespräch zur angemeldeten Versammlung am 7. April 2016 erörtert worden, und Anhaltspunkte und Erkenntnismittel seien zudem die Selbstaussage der Klägerin zu 1 über ihre Aktivitäten und Ziele sowie die konkrete Bewerbung dieser Veranstaltung im Internet gewesen, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Weder der Vermerk über dieses Kooperationsgespräch in der Behördenakte (Bl. 27 ff.) noch etwa der ebenfalls bei den Akten befindliche Bericht der KPI Ingolstadt zu den Veranstaltungen der Klägerin zu 1 am Samstag, 9. April 2016, in Bayern enthalten diesbezüglich konkrete tatsächliche Anhaltspunkte oder wenigstens Hinweise darauf. Vielmehr liegt im vorliegenden Fall gerade auch mit Blick auf ein bei der Behördenakte befindliches E-Mail der Regierung von Oberbayern vom 21. April 2016 (Bl. 103) nahe, dass die Versammlungsbehörde eine Auflage aus einem Muster-Bescheid der Regierung in den streitbefangenen Bescheid ohne hinreichend tragfähige Gefährdungsprognose und ohne konkreten Bezug zu der von den Klägern geplanten Veranstaltung und deren Begleitumständen aufgenommen hat.

Für letzteres spricht im Übrigen auch, dass eine im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits durch die Versammlungsbehörde am 20. September 2016 per E-Mail erfolgte konkrete Anfrage, ob zum Zeitpunkt der Gefahreinschätzung vor der Versammlung am 9. April 2016 zu erwarten gewesen sei, dass durch die Art und Weise der Meinungsäußerungen (aggressives und provozierendes Skandieren von Parolen … etc.) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen könnte, und ob bei bisherigen anderen Kundgebungen der Klägerin zu 1 eine solche Art und Weise der Meinungsäußerung schon erfolgt sei, vom zuständigen Beamten der KPI Ingolstadt dahingehend beantwortet wurde, dass bezüglich beider Fragen im Vorfeld keine Erkenntnisse vorlagen, das Skandieren von provozierenden Parolen allerdings im Vorfeld „nie ausgeschlossen werden“ könne (vgl. beiliegende nicht paginierte Prozessakte des Landratsamts).

Auch wenn man – ohne dafür irgendwelche Anhaltspunkte in den Behördenakten zu finden – zu den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG die Erkenntnisse und Bewertungen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und Bayerns über die Klägerin zu 1 in den jeweiligen Verfassungsschutzberichten 2014 zählt und demgemäß für die Gefahrenprognose heranzieht, reicht das allein aus der gebotenen ex-ante-Betrachtung für eine tragfähige Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde nicht aus. Der Beklagte hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich nach diesen Erkenntnissen bei der Klägerin zu 1 um eine derzeit prägende neonazistische (Kleinst-)Partei mit völkisch-biologistischem Menschen- und Gesellschaftsbild handelt, deren Ziel unter anderem die Förderung einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung durch aggressives und provokantes Auftreten ist. Darüber hinausgehende tragfähige Anhaltspunkte mit hinreichend konkretem Bezug zur geplanten Veranstaltung der Kläger, woraus sich der von der Versammlungsbehörde angenommene bzw. unterstellte Eindruck der Gewalt- und Kampfbereitschaft, das militante Gepräge mit der damit verbundenen Gewaltmetaphorik und die paramilitärischen oder sonstigen einschüchternden Begleitumstände der geplanten Versammlung nachvollziehbar ableiten oder folgern ließen, fehlen hier jedoch.

2.2. Ein Nachschieben von Gründen im Verwaltungsprozess im Sinne einer Nachholung oder Ergänzung der materiell-rechtlich relevanten Begründung (zum Begriff vgl. z.B. Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 45 Rn. 34) – hier der Gefahrenprognose gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG – ist entgegen der Auffassung des Beklagten in der vorliegenden Konstellation aus prozessualen Gründen und vor allem Gründen des materiellen Rechts nicht möglich.

In prozessualer Hinsicht spricht dagegen, dass bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) Gegenstand der gerichtlichen Prüfung allein die Rechtswidrigkeit der durch Zeitablauf (hier: Durchführung der Versammlung am 9. April 2016) erledigten, d.h. unwirksam gewordenen, Beschränkung ist. Maßgeblich dabei ist – wie bereits oben ausgeführt – grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage. Die (rückwirkende) Nachbesserung oder sogar Nachholung einer materiell-rechtlich relevanten Begründung nach diesem Zeitpunkt wäre insoweit geradezu systemwidrig, weil nach dem Ende der äußeren und inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts (vgl. dazu Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2018, § 43 Rn. 46) Streitgegenstand und Sachlage durch die Behörde noch einseitig beeinflusst werden könnten. Ebenso wenig wie die Heilung eines Verfahrens- oder Formfehlers nach der Erledigung des Verwaltungsakts gemäß Art. 45 BayVwVfG in Betracht kommt, der einen wirksamen Verwaltungsakt voraussetzt, kann deshalb nach Auffassung des Senats ein Nachschieben von Gründen im oben genannten Sinn im Rahmen der vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) zulässig sein.

Auch materiell-rechtliche Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG lässt mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) Beschränkungen (oder ein Verbot) einer Versammlung nur für den Fall zu, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dadurch ist klargestellt, dass Grundlage der Gefahrenprognose und damit der Entscheidung der Versammlungsbehörde nur zum Zeitpunkt der behördlichen Verfügung erkennbare tatsächliche Anhaltspunkte sein können. Demgemäß kommt es für die Rechtmäßigkeit der Gefahrenprognose auf die zu diesem Zeitpunkt der Versammlungsbehörde zur Verfügung stehenden Erkenntnisse an (vgl. Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, Kommentar, VersammlG § 15 Rn. 60; Hettich, Versammlungsrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2018, Rn. 149; BayVGH, B.v. 26.11.1992 – 21 B 92.1672 – juris Rn. 34). Danach ist es aber auch mit Blick auf die nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG gebotene Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig, wenn die Versammlungsbehörde die von ihr diesbezüglich zu fordernden Bemühungen um Sachaufklärung (vgl. Dürig-Friedl, a.a.O.; zu den auch bei dem Erlass von Auflagen/Beschränkungen nicht zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17) nicht zum Zeitpunkt ihrer Verfügung, sondern erst nachträglich im Verwaltungsstreitverfahren unternimmt und mit den nachgeschobenen Gründen – selbst bei unveränderter Sachlage – die getroffene Entscheidung nach deren Unwirksamwerden zu rechtfertigen versucht. Dies würde zudem der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) nicht gerecht und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) des Betroffenen zuwiderlaufen.

Selbst wenn man aber entsprechend den in der Rechtsprechung nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gebildeten Grundsätzen neue Gründe für einen Verwaltungsakt – hier die erledigte streitbefangene Beschränkung – dann zuließe, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 m.w.N., allerdings ausdrücklich offen gelassen für den Fall einer rückwirkenden Änderung bei einem endgültig erledigten Dauerverwaltungsakt), würde das an der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beschränkung nichts ändern. Denn ein Nachschieben in diesem Sinne könnte allenfalls eine Ergänzung, Präzisierung oder Vertiefung jedenfalls im Ansatz bereits vorhandener tragender Erwägungen zur Begründung einer unmittelbaren Gefährdung im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG, nicht aber die Nachholung einer (nahezu) vollständig fehlenden Gefahrenprognose bedeuten. Wird wie im vorliegenden Fall ursprünglich praktisch nur der Gesetzestext wiederholt und mit formelhaften Ausführungen ohne hinreichenden konkreten Fallbezug ergänzt, kommt ein Nachschieben von Gründen im Sinne der angeführten Rechtsprechung jedenfalls nicht (mehr) in Betracht (vgl. Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 35).

Aus den genannten Gründen ist es – ungeachtet der Frage des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen und der diesbezüglich erforderlichen Gefahrenprognose – dem Beklagten auch verwehrt, die streitbefangene Beschränkung nunmehr nachträglich (vgl. Nr. 7. der Berufungserwiderung vom 15.1.2018, Bl. 30 ff. der VGH-Akte) auf Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 BayVersG als Rechtsgrundlage zu stützen.

2.3. Hinsichtlich der streitbefangenen Beschränkung lag im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung jedenfalls auch ein der gerichtlichen Überprüfung gemäß § 114 Satz 1 VwGO unterliegender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde vor.

Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG sieht auf der Rechtsfolgenseite Ermessen der Versammlungsbehörde vor, das heißt (auch) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage steht die Anordnung von Beschränkungen der Versammlung im Ermessen der Behörde, das diese im Rahmen des Art. 40 BayVwVfG unter Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat. Insoweit ist die Ermessensausübung der Versammlungsbehörde durch die Gerichte nach § 114 Satz 1 VwGO überprüfbar.

Ein danach gerichtlich zu beanstandender Ermessensfehlgebrauch der Versammlungsbehörde lag im maßgeblichen Zeitpunkt schon deshalb vor, weil die entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung (s. Art. 40 BayVwVfG) anzustellende Prüfung bzw. Prognose, ob und in welchem Umfang bei der Durchführung der angemeldeten Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 BayVersG zu erwarten ist, von der Behörde nicht in der gebotenen Weise durchgeführt bzw. angestellt worden ist; auf die Ausführungen unter 2.1. kann hier Bezug genommen werden.

In den Gründen des Bescheids des Beklagten vom 8. April 2016 (Nr. II. 2.) finden sich zum Ermessen lediglich die formelhaften Ausführungen, „Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 BayVersG entscheidet die zuständige Behörde über die Festsetzung von beschränkenden Verfügungen nach pflichtgemäßem Ermessen.“ und „Nach den polizeilichen Erkenntnissen, insbesondere hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Gegebenheiten am Tag der Kundgebung sind die beschränkenden Verfügungen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um einen störungsfreien Ablauf der Versammlung sicherzustellen.“. Unter II. 3.6 wird diesbezüglich lediglich ausgeführt, „Da auch in Musikstücken diese Parolen enthalten sein können, ist eine entsprechende Regelung auch für die ausgestrahlte Musik erforderlich.“

Soweit der Beklagte noch auf umfangreichere Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit unter II. 5. des Bescheids verweist, beziehen sich diese offensichtlich und eindeutig ausschließlich auf die unter Nr. 1.5 des Bescheids verfügte Beschränkung der Kundgebungsmittel; einen auch nur ansatzweisen Bezug zur streitbefangenen Verfügung bezüglich der Parolen vermag der Senat darin nicht zu erkennen. Demgemäß fehlt insoweit auch die im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit erforderliche Güterabwägung.

Nicht durchzugreifen vermag schließlich der Einwand des Beklagten, die Angabe weiterer Einzelheiten und Erwägungen sowohl bezüglich der Gefahrenprognose als auch der darauf beruhenden Ermessensausübung im Ausgangsbescheid sei schon deshalb entbehrlich, weil der beim Kooperationsgespräch anwesende Vertreter der Klägerin zu 1 nach kurzer Erläuterung der beabsichtigten Beschränkungen erklärt habe, „dies sei ihm bekannt, da dies nicht die erste Versammlung des III. Wegs sei“ (vgl. Vermerk über das Kooperationsgespräch am 7.4.2016, Bl. 30 der Behördenakte). Denn daraus konnte weder ein Einverständnis der Klägerin zu 1 mit der streitbefangenen Verfügung noch etwa ein Verzicht auf eine Begründung oder die pflichtgemäße Ermessensentscheidung abgeleitet werden.

2.4. Durch die im Gerichtsverfahren nachträglich angestellten bzw. ergänzten Ermessenserwägungen konnte der gerichtlich zu beanstandende Ermessensfehlgebrauch nicht (mehr) beseitigt bzw. geheilt werden.

Die Zulässigkeit eines Nachschiebens oder einer Ergänzung von Ermessenserwägungen bestimmt sich nach ganz herrschender Meinung nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht; § 114 Satz 2 VwGO ermöglicht dagegen allein keine Mängelheilung, sondern bestimmt lediglich, dass einem danach zulässigen Nachholen von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen nicht entgegenstehen (stRspr des BVerwG, vgl. z.B. U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 31; Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.4.2018, § 114 Rn. 38; Riese in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 45; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 114 Rn. 205; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 85 f.; Schemmer in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1. 4. 2018, § 45 Rn. 35, 37 jeweils m.w.N.).

Nicht abschließend entschieden werden muss im vorliegenden Fall, ob nicht bereits aus prozessualen Gründen eine Ergänzung der Ermessenserwägungen der Versammlungsbehörde in der Situation einer Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog ausscheidet. Zwar geht – soweit ersichtlich – die herrschende Meinung und Rechtsprechung von der Anwendbarkeit des § 114 Satz 2 VwGO auch in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage aus (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2000 – 2 B 98.99 – NVwZ 2000, 1186; Decker in BeckOK VwGO, a.a.O., § 114 Rn. 1; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 114 Rn. 12d; H. A. Wolff in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 34; Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 6). Das dafür angeführte Wortlautargument „hinsichtlich des Verwaltungsakts“ erscheint dem Senat allerdings aus den bereits oben unter 2.2. dargelegten Gründen gerade in der vorliegenden prozessualen Konstellation wenig überzeugend (im Ergebnis so auch OVG NW, B.v. 20.2.2001 – 18 A 1520/92 – NVwZ 2001,1424). Unabhängig davon stellt das im Berufungsverfahren mit Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 2018 vorgenommene Nachschieben von Ermessenserwägungen auch keine bloße „Ergänzung“ im Sinne dieser prozessualen Bestimmung dar, sondern entspricht vielmehr einer erstmaligen Begründung der Ermessensentscheidung.

Einer Ergänzung der Ermessenserwägungen mit heilender Rückwirkung (ex tunc) nach Erledigung des versammlungsrechtlichen Verwaltungsakts (hier: der angefochtenen Beschränkung) stehen jedenfalls die bereits oben angeführten materiell-rechtlichen Gründe entgegen (im Ergebnis so auch OVG NW, a.a.O.; zweifelnd: Rennert in Eyermann, a.a.O., § 114 Rn. 88; offen gelassen: BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – juris Rn. 32 im Fall eines für einen bereits abgelaufenen Zeitraum erledigten Dauerverwaltungsakts), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls Bezug genommen wird.

Auf die weiteren im Verwaltungsstreitverfahren ausführlich erörterten materiellen Fragen insbesondere zur Bestimmtheit der streitbefangenen Beschränkung kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der Kreisverband Trier der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), begehrt die Feststellung, dass die räumliche Verlegung seiner für den 3. September 2014 angemeldeten Versammlung in Trier rechtswidrig gewesen ist.

2

Der Kläger meldete durch seinen Vorsitzenden am 31. August 2014 für den Nachmittag des 3. September 2014 eine Kundgebung im Bereich des Porta-Nigra-Vorplatzes in Trier an, an der voraussichtlich 10 Personen teilnehmen sollten. Bei dem vor der Versammlung geführten Kooperationsgespräch wurden Zeit und Thema der Versammlung einvernehmlich geändert. Keine Einigung konnte hinsichtlich des Versammlungsortes erzielt werden. Während der Kläger die Versammlung am Porta-Nigra-Vorplatz abhalten wollte und alternativ den Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen benannte, wurde seitens der Beklagten im Kooperationsgespräch als Versammlungsort der Hauptbahnhof oder der Simeonstiftplatz vorgeschlagen. Anlass der Versammlung war der zum gleichen Zeitpunkt geplante Besuch des Bundespräsidenten Gauck in Trier, der zusammen mit der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz und dem Oberbürgermeister der Stadt Trier die Porta Nigra besuchen wollte. Im Kooperationsgespräch machte der Kläger deutlich, dass er den Bundespräsidenten mit politischen Forderungen sowie seiner Bezeichnung der NPD-Mitglieder als „Spinner“ im Bundestagswahlkampf 2013 und den Oberbürgermeister mit dem Vorwurf der städtischen Einflussnahme auf die Trierer Ratswahl vom 25. Mai 2014 konfrontieren wolle.

3

Mit Bescheid vom 2. September 2014 verfügte die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass die von dem Kläger für den Nachmittag des 3. September 2014 angemeldete Versammlung in Trier räumlich verlegt und nicht der Porta-Nigra-Vorplatz, sondern der Simeonstiftplatz als Ort der Versammlung zur Verfügung gestellt werde. Zur Begründung – soweit dies für das Berufungsverfahren noch von Interesse ist – führte die Beklagte aus, dass die Versammlung an dem beantragten Ort nicht durchgeführt werden könne. Der Bundespräsident sei mit der höchsten Sicherheitseinstufung zu schützen, sodass jegliche Versammlungen im „inneren Sicherheitsbereich“, das heißt dem vom Bundespräsidenten und seiner Begleitung unmittelbar zu passierenden Straßenraum, aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden könnten. Der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten genieße allerhöchste Priorität. Die derzeitige Einsatzkonzeption der Polizeidirektion Trier sehe vor, die Porta Nigra und ihr Umfeld, insbesondere die Zu- und Abfahrten der Kolonnen des Bundespräsidenten, besonders zu schützen. Würde die angemeldete Versammlung auf dem Porta-Nigra-Vorplatz durchgeführt, so könnte der für den Schutz des Bundespräsidenten erforderliche Sicherheitsbereich nicht eingerichtet werden. Es sei dann zu erwarten, dass sich Proteste auf engem Raum zwischen Porta Nigra und Eingang Fußgängerzone hoch emotional und möglicherweise unkontrolliert entlüden und die Situation damit insgesamt unbeherrschbar werde. Dies gelte zunächst unabhängig davon, ob eine Gegendemonstration stattfinde oder nicht. Eine Gegendemonstration führe lediglich zu einer Verschärfung der Situation. Unter solchen Umständen könne die Sicherheit des Bundespräsidenten nicht gewährleistet werden, denn die Konflikte würden im unmittelbaren Bewegungsbereich des Staatsoberhauptes ausgetragen. Da sich der Bundespräsident auf dem Vorplatz der Porta Nigra bewegen werde, scheide der angrenzende Bereich für die Versammlung mit nicht zu verhindernden Gegendemonstrationen absolut aus, zu dem auch der im Kooperationsgespräch beanspruchte Bereich vor der Commerzbank gehöre, der lediglich durch einen kleinen Gebäudevorsprung getrennt und ca. 15 m von dem Porta-Nigra-Vorplatz entfernt sei. Weitere Alternativstandorte seien vom Kläger nicht benannt worden. Einzige adäquate Örtlichkeit in räumlicher Nähe sei der Simeonstiftplatz. Dieser liege ebenfalls sehr zentral und noch in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten.

4

Am 2. September 2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Den gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem er erklärte, auf eine Versammlung am ursprünglich geplanten Porta-Nigra-Vorplatz zu verzichten und stattdessen die Versammlung im Bereich der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen durchführen zu wollen, lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit einer Klarstellung zum genau zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz mit Beschluss vom 3. September 2014 (1 L 1611/14.TR) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 3. September 2014 (7 B 10838/14.OVG) zurück.

5

Der Kläger hat am 2. Oktober 2014 Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Versammlung einen Bezug zum Besuch des Bundespräsidenten gehabt habe. Er, der Kläger, habe deshalb Wert auf eine Versammlung im Blickfeld der Porta Nigra gelegt. Er habe sichtbar seinen Protest gegen Äußerungen des Bundespräsidenten sowie Wahlbeeinflussung durch den Oberbürgermeister der Beklagten zur Schau tragen wollen. Davon abweichend habe die Kundgebung außerhalb der Seh- und Hörweite des Bundespräsidenten stattfinden müssen. Der von ihm vorgeschlagene Alternativstandort vor der Commerzbank sei sicherheitstechnisch weit genug vom Bundespräsidenten entfernt gewesen. Gewalttätige Auseinandersetzungen in der Vergangenheit seien niemals von Teilnehmern an seinen Versammlungen ausgegangen.

6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vor allem geltend gemacht, dass nach dem Sicherheitskonzept der Polizei, auf das sie keinen Einfluss gehabt habe, zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorgesehen gewesen sei, dass die Wagenkolonne des Bundespräsidenten im Bereich der Commerzbank stehe und der Bundespräsident nach dem Empfang von dort abfahre. Diese Planung sei im Rahmen des Kooperationsgesprächs angesprochen worden.

7

Mit Urteil vom 20. Januar 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klagen des Klägers sowie seines Vorsitzenden, der auch im eigenen Namen geklagt hatte, abgewiesen. Die Klage des Vorsitzenden in eigenem Namen sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Die demgegenüber zulässige Klage des Klägers sei unbegründet. Die Verlegung des Versammlungsortes von dem zuletzt begehrten Vorplatz der Commerzbank auf den Simeonstiftplatz sei rechtmäßig gewesen. Aufgrund der Notwendigkeit, einen Sicherheitsbereich für den Besuch des Bundespräsidenten freizuhalten, habe die Versammlung auf dem Vorplatz der Commerzbank nicht stattfinden können. Es sei grundsätzlich möglich, bei Personen der Gefährdungsstufe 1 einen Sicherheitsbereich einzurichten, der generell von Versammlungen freizuhalten sei. Die Beklagte habe in der konkreten Situation einen „inneren Sicherheitsbereich“ für den Bundespräsidenten festlegen dürfen, der sich nach den Darlegungen der Beklagten nachvollziehbar daraus herleitete, dass sich der Bundespräsident und seine Begleitungen konkret dort aufhalten sollten und die angegebenen Zu- und Abfahrtswege gewährleistet sein sollten. Zu diesem Bereich gehörten zumindest der Vorplatz der Porta Nigra und der unmittelbar zu passierende Straßenraum. Nach dem Sicherheitskonzept sei der Bereich vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne des Bundespräsidenten und dessen späteren Zustieg vorgesehen gewesen. In diesem Bereich wäre es deshalb zu einem unmittelbaren Kontakt mit der Versammlung des Klägers gekommen und daher der für eine Person der Gefährdungsstufe 1 erforderliche Sicherheitsabstand nicht einzuhalten gewesen. Unschädlich sei, dass der Bereich der Commerzbank später nicht als Zustiegsort genutzt worden sei, da sich die von der Beklagten anzustellende Gefahrenprognose auf eine zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zu treffende ex ante Prognose stütze.

8

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 23. November 2015 zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, dass die Notwendigkeit der Einhaltung eines Sicherheitsabstandes für den Besuch des Bundespräsidenten die Verlegung des Versammlungsortes nicht rechtfertige. Es beständen schon erhebliche Zweifel daran, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne und den Zustieg des Bundespräsidenten vorgesehen gewesen sei, denn weder habe dort die Fahrzeugkolonne gestanden, noch sei später ein Zustieg dort erfolgt. Gegen die Richtigkeit der Annahme, der geplante Versammlungsort werde nach dem Sicherheitskonzept für den Besuch des Bundespräsidenten benötigt, spreche auch, dass in der Vergangenheit bei Besuchen von Personen der Gefährdungsstufe 1 an der Porta Nigra in Trier nie der vom ihm als Versammlungsort vorgesehene Platz für Zu- und Abfahrten bzw. das Abstellen von Fahrzeugen benötigt worden sei. Auch sei von der Beklagten erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptet worden, dass nach dem Sicherheitskonzept der Bereich vor der Commerzbank benötigt werde. Ein so gewichtiges Argument hätte die Beklagte jedoch sicher schon im Eilverfahren unmittelbar vor dem Besuch vorgebracht. Selbst wenn ein Zustieg des Bundespräsidenten an dem begehrten Versammlungsort beabsichtigt gewesen sei, so hätte auf einen Zustieg dort verzichtet werden müssen, um nicht das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig zu beeinträchtigen. Es sei durch den anderweitigen Zustiegsort offenkundig, dass der Platz vor der Commerzbank für das Sicherheitskonzept nicht zwingend benötigt worden sei. Auch könne dem Bundespräsidenten zugemutet werden, einer grundrechtlich geschützten Versammlung auszuweichen, wenn es die Verantwortlichen versäumten, rechtzeitig einen Sicherheitsbereich durch Allgemeinverfügung einzurichten. Selbst wenn aber der geplante Versammlungsort rechtmäßig hätte verwehrt werden dürfen, weil nach dem Sicherheitskonzept nicht auf ihn habe verzichtet werden können, so hätte ihm, dem Kläger, ein anderer Versammlungsort in der Nähe der Porta Nigra in Sicht- und Hörweite des Bundespräsidenten zugewiesen werden müssen. Die durchgeführte Versammlung habe letztlich außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftritts des Bundespräsidenten stattfinden müssen und sei öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden. Die beabsichtigte Konfrontation des Bundespräsidenten und der Bevölkerung mit den Forderungen des Klägers sei so nicht möglich gewesen.

9

Der Kläger beantragt,

10

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. Januar 2015 festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag aus dem bisherigen Verfahren, wonach die Bewegungsfreiheit des Bundespräsidenten für den Fall einer notwendigen kurzfristigen Ablaufplanung nicht über Gebühr eingeschränkt werden dürfe. Je mehr Details im Vorfeld preisgegeben würden und je eingeschränkter der Bundespräsident aufgrund der geplanten Versammlungen sei, umso stärker sei seine Sicherheit gefährdet. Hinsichtlich des Sicherheitskonzeptes werde auf die polizeiliche Einsatzplanung „Themenbesuch des Bundespräsidenten Mittwoch, 03.09.2014 in Trier“ verwiesen. Die ursprüngliche polizeiliche Planung sei dort am 29. August 2014 um 10.03 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 1 versandt worden. Aus den hierzu vorgelegten Unterlagen sei ersichtlich, dass die Abfahrt des Bundespräsidenten im Bereich vor der Commerzbank vorgesehen gewesen sei. Die alternative polizeiliche Planung, welche dort am 2. September 2014 um 16.12 Uhr mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 versandt worden sei, enthalte eine Änderung des Zustiegsortes. Hierzu habe die Polizei gegenüber der Beklagten zwischenzeitlich erklärt, dass aufgrund der kurzfristig bekannt gewordenen Anmeldungen zweier Versammlungen und der Ungewissheit hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidungen sowie der zeitlichen Nähe des Besuchs an der Porta Nigra alternative Einsatzplanungen vorgenommen worden seien. Die Beklagte weist darauf hin, dass die vorgenannten Änderungen des geplanten Ablaufs bzw. die Planungsalternativen ihr nicht zugeleitet worden und ihr somit zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und der Durchführung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht bekannt gewesen seien. Weitere Hintergründe hierzu seien ihr nicht bekannt. Aus der möglichen Alternativplanung könne jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass dem Versammlungsrecht der Vorzug gegenüber der Einsatzplanung der Polizei eingeräumt werden müsse. Der Schutz der Versammlungsfreiheit gehe nicht soweit, dass man daraus einen Anspruch auf Umplanung des Ereignisses habe, auf welches sich die Versammlung beziehen wolle.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 1 L 1611/14.TR (7 B 10838/14.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung des Klägers, über die das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

14

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers, die allein Gegenstand der Berufung ist, nachdem der Vorsitzende des Klägers gegen das klageabweisende Urteil ihn betreffend kein Rechtsmittel eingelegt hat, zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014, mit dem als Versammlungsort abweichend von der Anmeldung der Simeonstiftplatz bestimmt wurde, ist rechtmäßig gewesen.

15

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG – kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

16

Die von Art. 8 Grundgesetz – GG – geschützte Versammlungsfreiheit umfasst auch das Selbstbestimmungsrecht über die Auswahl des Versammlungsortes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 61 = BVerfGE 69, 315). Bei Beschränkungen des Rechts des Veranstalters, Zeitpunkt und Ort der Versammlung zu bestimmen, ist zu berücksichtigen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auch das Interesse des Veranstalters schützt, einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen. Dementsprechend kann es dem Veranstalter darauf ankommen, die Versammlung in möglichst großer Nähe zu einem symbolhaltigen Ort durchzuführen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 23 = NJW 2007, 2167) oder in Sicht- und Hörweite zu einem bestimmten Ort zu sein, wenn es auf einen bestimmten Kommunikationszusammenhang ankommt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 3 M 53/07 –, juris, Rn. 42). Unabhängig davon, ob eine von der angemeldeten Versammlung abweichende Bestimmung zu Ort und/oder Zeit der Versammlung im Einzelfall schon als (Teil-)Verbot oder noch als Auflage einzuordnen ist, ist die Rechtfertigung der Maßnahme im Lichte des Anliegens des Veranstalters und der Gewährleistungen des Art. 8 GG zu prüfen.

17

Die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 – 6 C 21.07 –, juris, Rn. 13 = BVerwGE 131, 216). Erforderliche ist eine unmittelbare Gefährdung dieser Rechtsgüter, mithin eine Gefahrenprognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte („erkennbare Umstände“) bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts begründet; bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, u.a. –, juris, Rn. 80 = BVerfGE 69, 315; Beschluss vom 4. September 2009 – 1 BvR 2147/09 –, juris, Rn. 9). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind nach dem aus dem Grundgesetz ableitbaren Grundsatz der Verhältnismäßigkeit umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, juris, Rn. 41 = BVerwGE 45, 51; Urteil vom 6. September 1974 – I C 17.73 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 47, 31).

18

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG kommt es für die Gefahrenprognose auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung an. Bei einer nachträglichen Änderung der erkennbaren Umstände, mithin solcher, die offen zu Tage treten oder die der Versammlungsbehörde nach der von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung zur Verfügung stehen, ist allerdings auf Grundlage der neuen Umstände und Erkenntnisse gegebenenfalls eine neue Entscheidung zu treffen (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl. 2011, § 15 Rn. 30).

19

Schließlich muss die Gefährdung bei Durchführung der Versammlung eintreten. Zwischen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist somit ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 – 1 BvR 2311/94 –, juris, Rn. 27).

20

2. Ausgehend von diesen Maßgaben ist die angegriffene Beschränkung rechtmäßig gewesen.

21

Der Bundespräsident in Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und seine Funktion als Staatsoberhaupt (Art. 54 ff. GG), mithin als Verfassungs- und oberstes Bundesorgan (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG), werden vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst. Die Einstufung des Bundespräsidenten in die Gefährdungsstufe 1, d.h. „die Person ist erheblich gefährdet, mit einem Anschlag ist zu rechnen“ (vgl. dazu Stellungnahme der Polizeidirektion Trier vom 2. September 2014, S. 2, Bl. 13 der Verwaltungsakte – VA –), begründet eine unmittelbare Gefährdung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG für die genannten Schutzgüter von höchstem Rang. Denn die mit der Gefährdungseinstufung einhergehende Dauergefahr für das Leben des Bundespräsidenten bedeutet, dass zwar der Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ungewiss ist, mit ihm aber jederzeit gerechnet werden muss, mithin die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts über einen längeren Zeitraum hinweg zu jedem Zeitpunkt besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 – 1 BvR 518/02 –, juris, Rn. 146 = BVerfGE 115, 320, zur Dauergefahr als konkret Gefahr). Dass die Gefährdungseinstufung ihrerseits auf einer belastbaren Tatsachengrundlage beruht und sich damit von der Annahme (nur) einer allgemeinen Gefährdungslage abhebt, ist angesichts der herausgehobenen Stellung des Bundespräsidenten nicht in Zweifel zu ziehen. Auch die Beteiligten machen Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Einstufung nicht geltend, so dass insgesamt kein Anlass besteht, den Sachverhalt dahingehend weiter aufzuklären.

22

Ein hinreichend bestimmter Kausalzusammenhang zwischen der durch die Gefährdungseinstufung begründeten unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und der Durchführung der Versammlung ist ebenfalls gegeben. Dies folgt zwar nicht daraus, dass die angemeldete Versammlung des Klägers speziell eine Steigerung des Gefahrenpotenzials verursachte, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass ein gewisser Sicherheitsbereich von jeder Versammlung – mithin auch von der des Klägers – freigehalten werden kann. Hintergrund bilden insoweit die von einer Versammlung „unter freiem Himmel“ ausgehende spezifischen Gefahren, die ihrerseits unmittelbar in der Verfassung durch den allein auf diese Versammlung bezogenen Gesetzesvorbehalt (Art. 8 Abs. 2 GG) angelegt sind. Im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu (gesetzes-)vorbehaltlos gewährten Versammlungen in geschlossenen Räumen hat das Bundesverfassungsgericht auch in Unterscheidung zu einem allgemeinen Publikum aufgrund des Aufeinandertreffens der Versammlungsteilnehmer mit Dritten ein höheres, weniger beherrschbares Gefahrenpotenzial angenommen: „Emotionalisierungen der durch eine Versammlung herausgeforderten Auseinandersetzung können sich im Gegenüber zu einem allgemeinen Publikum schneller zuspitzen und eventuell Gegenreaktionen provozieren. Die Versammlung kann hier leichter Zulauf finden, sie bewegt sich als Kollektiv im öffentlichen Raum. […]“ (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, juris, Rn. 77 = BVerfGE 128, 226; vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 66). Mithin sind es diese besondere Störanfälligkeit und das intensivierte Kollisionspotenzial von nicht gegenüber der Umwelt abgeschlossenen Versammlungen (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die auch einen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der Versammlung und der hier bestehenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit herstellen.

23

Wenn die Versammlungsbehörde vor diesem Hintergrund in Abstimmung mit den für die Sicherheit der gefährdeten Person verantwortlichen Polizeibehörden einen entsprechenden Schutzraum in der Nähe des Ortes schafft, an dem sich die zu schützende Person aufhält, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30 = BVerfGK 11, 298 „Heiligendamm“). Dabei ist es von Verfassungs wegen auch nicht geboten, den erforderlichen Schutzraum vorab mit Hilfe einer Allgemeinverfügung festzulegen. Nichts anderes ergibt sich aus der zuvor zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 – (juris, Rn. 34 ff.), die zwar die Verfassungsmäßigkeit einer erlassenen Allgemeinverfügung zum Gegenstand hatte und in diesem Zusammenhang auch inhaltliche Anforderungen an den Erlass – insbesondere zur Berücksichtigung der Durchführbarkeit auch von Demonstrationen bei Aufstellung des Sicherheitskonzepts – dieser Allgemeinverfügung aufgestellt hat. Eine (verfassungsrechtliche) Forderung nach einer vorangehenden Allgemeinverfügung wird jedoch nicht formuliert und ist mit Blick auf die Anforderungen von Art. 8 GG auch nicht ersichtlich. Die inhaltliche Prüfung des erforderlichen Sicherheitsraums, seines Umfangs, seiner Grenzen, sowie die Abwägung mit den Gewährleistungen der Versammlungsfreiheit erfolgen ohne vorangehende Allgemeinverfügung nämlich umfänglich bei der zu treffenden Einzelfallregelung. Insbesondere dort, wo nicht mit einer Vielzahl von Versammlungen gerechnet wird und gleichzeitig auch lediglich ein „innerer Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsraum der zu schützenden Personen freigehalten werden soll, ist ein rechtsstaatlicher Mehrwert einer vorgeschalteten Allgemeinverfügung weder für den Versammlungsveranstalter noch die Versammlungsteilnehmer gegeben.

24

Liegen danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 15 Abs. 1 VersG vor, ist auch die konkrete Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden, den zuletzt vom Kläger begehrten Versammlungsort im Bereich vor der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margaretengässchen – in Anlehnung an die Konzeption der für den Schutz des Bundespräsidenten verantwortlichen Polizeibehörden – dem „inneren Sicherheitsbereich“ zuzuordnen, dementsprechend von jeglichen Versammlungen freizuhalten und den Kläger auf den Simeonstiftplatz als Versammlungsort zu verweisen.

25

Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren Unterlagen zur konkreten Einsatz- und Ablaufplanung zum Besuch des Bundespräsidenten am 3. September 2014 vorgelegt hat (vgl. Bl. 138 ff., 143 der Gerichtsakte – GA –), besteht für den Senat kein Anlass daran zu zweifeln, dass der Bereich vor der Commerzbank ursprünglich als Zustieg für den Bundespräsidenten und seine Begleiter und damit als Abstell- und Abfahrtsort der Fahrzeugkolonne vorgesehen war. Dies war letztlich auch Grundlage zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Verfügung am 2. September 2014. Die Beklagte hatte noch im Eilverfahren gegenüber dem Senat am 3. September 2014 mit Faxnachricht von 12:52 Uhr erklärt, dass der Platz vor der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne benötigt werde und eine Versammlung an diesem Ort ein offensichtliches Sicherheitsrisiko darstelle (vgl. Bl. 80 der Gerichtsakte im Verfahren 1 L 1611/14.TR und 7 B 10838/14.OVG), und hat auch im Berufungsverfahren ausdrücklich angegeben, dass ihr eine zwischenzeitliche Änderung der Einsatz- und Ablaufplanung durch die Polizei nicht mitgeteilt worden sei (vgl. Bl. 158 f. GA). Angesichts dessen und mit Blick auf den äußeren Ablauf der Alternativplanung, die nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen erst am 2. September 2014 erfolgte und auch erst mit dem Einsatzbefehl Nr. 2 um 16:12 Uhr versandt wurde (vgl. Bl. 138 ff., 146 GA), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte noch zum Zeitpunkt der Durchführung der Versammlung des Klägers davon ausging, dass der Platz vor der Commerzbank für die Abfahrt des Bundespräsidenten benötigt werde.

26

Mit seinem Einwand, der (geänderte) tatsächliche Ablauf habe gezeigt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort für den Besuch des Bundespräsidenten nicht zwingend benötigt worden und deshalb mit Blick auf Art. 8 GG auch eine Umplanung angezeigt gewesen sei, um ihm eine Versammlung in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen, übersieht der Kläger den grundsätzlich abwehrrechtlichen Charakter der Versammlungsfreiheit (vgl. dazu Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 8 Rn. 61), die jedenfalls keinen Anspruch auf einen ihm passenden Ablauf der Veranstaltung verschafft, gegen die er sich mit seinem Versammlungsmotto wenden möchte.

27

Ungeachtet dessen wäre es auch weder unter dem Aspekt der Erforderlichkeit noch der Angemessenheit zu beanstanden gewesen, den Platz vor der Commerzbank trotz der zwischenzeitlich erfolgten Alternativplanung als zusätzlichen Abfahrtspunkt von Versammlungen freizuhalten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich um den „inneren Sicherheitsbereich“ im unmittelbaren Bewegungsumfeld des mit Gefährdungsstufe 1 kategorisierten Bundespräsidenten handelt, so dass es grundsätzlich auch nicht unverhältnismäßig ist, einen zweiten Aufnahmeort vorzuhalten, um bei der für den Bundespräsidenten bestehenden Gefährdungslage situativ reagieren zu können.

28

Selbst wenn man das Thema Fahrzeugkolonne ausblendete, wäre der Platz vor der Commerzbank bei dem am 3. September 2014 durchgeführten Besuch des Bundespräsidenten dem unmittelbaren Bewegungsraum des Bundespräsidenten zuzuordnen gewesen und hätte auch deshalb von Versammlungen freigehalten werden können. Aus der öffentlich zugänglichen Bildberichterstattung über den Besuch ist ersichtlich, dass der geplante Fototermin oberhalb der Treppe am Porta-Nigra-Vorplatz gegenüber der Porta Nigra erfolgen sollte und auch dort erfolgt ist (vgl. dazu nur http://fotos.volksfreund.de/galerie/cme527202,0.html#3172756 oder https://www.spin.de/album/show/318255/3596098). Dieser Punkt liegt indes nur etwa 10 m von dem Gebäudevorsprung entfernt, der den Porta-Nigra-Vorplatz von dem seitens des Klägers zuletzt begehrten Versammlungsort optisch trennt. Unter Berücksichtigung, dass das Bundesverfassungsgericht schon keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, „in der Nähe“ des Ortes des damaligen G8-Gipfels in Heiligendamm einen Schutzraum zu schaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –, juris, Rn. 30), fällt der hier betroffene absolute Nahbereich – ebenso wie der direkte Bewegungsraum des Bundespräsidenten selbst – in den anzuerkennenden Sicherheitsbereich.

29

Danach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte nach den von ihr zu fordernden Bemühung um Sachaufklärung hätte Kenntnis von der Um- bzw. Alternativplanung haben müssen. Denn auch unter dieser Prämisse hätte der Bereich vor der Commerzbank von Versammlungen freigehalten werden können, so dass auch dann keine Änderung der ursprünglichen Verfügung erforderlich gewesen wäre.

30

Eine Versammlung im Bereich vor der Commerzbank wäre danach angesichts der erforderlichen sicherheitstechnischen Abschirmung insgesamt nur unter nicht hinnehmbaren Risiken zu realisieren gewesen. Daher wäre auch bei Betrachtung der Verlegung der Versammlung als (Teil-)Verbot dieses gerechtfertigt und ermessensfehlerfrei gewesen. Das Interesse des Staates an der Sicherheit seines Staatsoberhaupts und der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten in Person haben hier Vorrang gegenüber der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit des Klägers, noch dazu weil kein generelles Versammlungsverbot ausgesprochen wurde, sondern – auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen – allein der Versammlungsort von der unmittelbaren Umgehung des Besuchsortes in die nähere Umgebung verlegt worden ist.

31

Mit Blick auf die Angemessenheit der Verfügung und den Einwand des Klägers, ihm hätte bei Ausscheiden des Bereichs vor der Commerzbank ein anderer Versammlungsort in Hör- und Sichtweite des Bundespräsidenten und seiner Begleiter zur Verfügung gestellt werden müssen, ist abschließend auf Folgendes hinzuweisen. Zunächst ist es Sache des Klägers, der geschützt von Art. 8 GG grundsätzlich auch über den Versammlungsort bestimmen kann, alternative Versammlungsorte zu benennen, wenn er – beispielsweise im Kooperationsgespräch – Hinweise bekommt, dass der von ihm begehrte Versammlungsort voraussichtlich nicht zugelassen werden wird. Der Kläger hat jedoch weder im Kooperationsgespräch noch im gerichtlichen Verfahren einen alternativen Versammlungsort konkret benannt, den er ausgehend vom (angekündigten) Ausschluss des Bereichs vor der Commerzbank dem zugewiesenen Versammlungsort am Simeonstiftplatz vorgezogen hätte. Demgegenüber hat die Beklagte zu ihrer Ortswahl im Bescheid ausgeführt, dass der Simeonstiftplatz sehr zentral und in räumlicher Nähe zu dem Aufenthaltsort des Bundespräsidenten gelegen sei (vgl. Bl. 23 VA). Zu dieser Einschätzung der Beklagten passt die eigene Darstellung des Vorsitzenden des Klägers zur streitgegenständlichen Versammlung auf der Internetpräsenz des Landesverbandes der NPD. Dort heißt es unter der Überschrift „Mit Bibelvers und Bananengruß: NPD demonstriert gegen Gauck in Trier“ auszugsweise: „Mit einer lautstarken Mahnwache demonstrierte der NPD Landesverband Rheinland-Pfalz heute gegen den Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck in Trier. Somit durften sich Gauck, der Oberbürgermeister Klaus Jensen und die Ministerpräsidentin Malu Dreyer zwischen 15 und 17 Uhr über nationale Redebeiträge und Musikdarbietungen auf dem Simeon-Stift-Platz mitten in Trier erfreuen. Zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer waren völlig überrascht“ (vgl. http://www.npd-rlp.org/index.php/86-aktuelles/161-mit-bibelvers-und-bananengruss-npd-demonstriert-gegen-gauck-in-trier). Mithin ist festzuhalten, dass nach eigener Wahrnehmung aus der Sphäre des Klägers durchaus eine Demonstration in Hör- und Sichtweite zum Besuch des Bundespräsidenten durchgeführt werden konnte, denn ansonsten hätten sich der Bundespräsident und seine Begleiter nicht an den Redebeiträgen und Musikdarbietungen „erfreuen können“. Die Versammlung hat nach dieser Darstellung auch die angestrebte öffentliche Wahrnehmung erreicht, schließlich konnten „zahlreiche Passanten, Touristen und Autofahrer … völlig überrascht“ werden. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren vorträgt, die durchgeführte Versammlung habe außerhalb der Sicht- und Hörweite des Auftrittes des Bundespräsidenten stattgefunden und sei so öffentlich so gut wie nicht wahrgenommen worden (vgl. Schriftsatz vom 21. Januar 2016, S. 5, Bl. 129 GA).

32

3. Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 45.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 [LKRZ 2014, 169]).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 4. Oktober 2018 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 27. September 2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 4. Oktober 2018 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Mit der genannten Verfügung hat der Antragsgegner versammlungsrechtliche Beschränkungen erlassen im Hinblick auf den vom Antragsteller für unter dem Motto „Kein Platz für Rechte Hetze“ angemeldete Demonstrationszug, der am morgigen Samstag in Kandel stattfinden soll.

2

Bei der in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Auflagenverfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Durchführung der angemeldeten Versammlung ohne die angeordneten Beschränkungen, weil diese sich nach der im vorliegenden Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, die allerdings aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit keine intensive Befassung mit den unterschiedlichen Regelungen erlaubt, offensichtlich rechtmäßig sind.

3

Die in dem angefochtenen Bescheid vom 27. September 2018 in der Änderungsfassung vom 4. Oktober 2018 geregelten Beschränkungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG –.

Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Die öffentliche Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Oktober 2015 – 7 B 10990/15.OVG, veröffentlicht in esovg, m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass § 15 VersG Beschränkungen der durch Art. 8 Grundgesetz – GG – geschützten Versammlungsfreiheit auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung erlaubt, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. Der Begriff der öffentlichen Ordnung verweist auf ungeschriebene Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Die öffentliche Ordnung kann verletzt sein und Beschränkungen der Versammlungsfreiheit rechtfertigen bei einem aggressiven und provokativen, die Bürger einschüchternden Verhalten der Versammlungsteilnehmer, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der durch Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 7 B 11149/14.OVG –, esovg).

Die in der Verfügung als Auflagen bezeichneten Anordnungen sind dabei keine Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –, sondern eigenständige Regelungen. Sie dienen dazu, Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus rechtlichen Gründen ansonsten nicht zugelassen werden könnten. Demzufolge müssen durch Auflagen im genannten Sinne Gründe der unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung abgewendet werden (Sächsisches OVG, Beschluss vom 04. April 2002 – 3 BS 103/02 –, Rn. 2, juris).

4

Nach diesen Kriterien sind die mit der angefochtenen Verfügung formulierten Anforderungen an die Durchführung der Demonstration insgesamt nicht zu beanstanden.

5

Soweit der Antragsteller sich dagegen wendet, dass der Antragsgegner überhaupt einen Auflagenbescheid erlassen hat, ist auf die im angefochtenen Bescheid ausführlich dargelegten konkreten Erfahrungen der Versammlungsbehörde zu verweisen. Dass es in dem aufgeheizten Klima anlässlich der seit Monaten in Kandel stattfindenden Demonstrationen sowohl des rechten als auch des linken Spektrums erforderlich ist, unmittelbaren Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorbeugend mittels einschränkenden Verfügungen zu begegnen, wird durch die im Bescheid geschilderten Vorkommnisse insbesondere anlässlich der Veranstaltungen vom 3. und 24. März 2018 anschaulich untermauert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine unmittelbare Verbindunglinie zwischen den vom Antraggegner herangezogenen Vorfällen und der Gruppierung ziehen lässt, für die der Antragsteller versammlungsrechtlich in Erscheinung tritt. Angesichts der zeitlichen und räumlichen Überschneidungen der für morgen geplanten insgesamt sechs Veranstaltungen kommt von vornherein nur eine Gesamtbetrachtung der Risiken in Betracht.

6

Im Einzelnen ist von Folgendem auszugehen:

Die Auflagen Nrn. 1 und 2 betreffen Transparente, Plakate etc. Zwar umfasst die durch Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit auch ein Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über die Bestimmungen der Modalitäten der Versammlung. Dazu gehört auch das Mitführen von Fahnen oder Flaggen zur Verdeutlichung oder Unterstützung des mit der Versammlung verfolgten Anliegens (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Oktober 2015, a.a.O.). Daher können Transparente bei einer öffentlichen Versammlung nicht allein wegen der allgemeinen Möglichkeit ihres Missbrauchs zur Verhinderung der Identifizierung von Störern untersagt oder reglementiert werden. Es bedarf vielmehr konkreter und nachvollziehbarer tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass das Mitführen der Transparente - bzw. deren Größe - die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet. Eine derartige Prognose kann die Versammlungsbehörde etwa auch mit konkreten Vorfällen belegen, die sich in der Vergangenheit in vergleichbaren (Versammlungs-)Situationen ereignet haben (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03. November 2017 – 15 B 1371/17 –, juris, Rn. 11). Dies ist hier der Fall, wobei allerdings das Mitführen von Transparenten etc. gerade nicht prinzipiell untersagt wird. Das Erfordernis einer Reglementierung kann der Antragsgegner aber mit konkreten Vorkommnissen in Kandel in den vergangenen Monaten begründen. Er hat im angefochtenen Bescheid hinreichend dargelegt, dass die Einschränkung notwendig ist, um den Missbrauch mitgeführter Transparente zum Zwecke der aggressiven Sprengung des friedlichen Charakters der Versammlung vorzubeugen („Blockbildung“) und dass zudem in den vergangenen Monaten versucht wurde, das Vermummungsverbot mittels der Nutzung von Transparenten zu umgehen. Dabei beruhen die konkreten Reglementierungen insoweit offensichtlich auf polizeilichen Erfahrungssätzen.

7

Auch die Auflage Nr. 3, wonach die Abgabe, Mitnahme und der Konsum alkoholischer Getränken verboten ist, begegnet in der mit Bescheid vom 4. Oktober 2018 neu formulierten und begründeten Fassung keinen rechtlichen Bedenken. Zu Recht verweist der Antragsgegner zunächst darauf, dass die Abgabe von Alkohol nicht zu den von Art. 8 GG umfassten und damit nach dem Versammlungsgesetz erlaubnisfreien Tätigkeitsarten gehört und somit den allgemeinen straßenrechtlichen Bestimmungen über die Sondernutzungserlaubnis unterliegt (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 22. April 2009 – 1 A 355/07 –, Rn. 76, juris, m.w.N.).

Das Verbot der Mitnahme und des Konsums von Alkohol erscheint hier jedenfalls ausreichend gerechtfertigt. Zwar mag das Mitführen und der Verzehr von alkoholischen Getränken in der Öffentlichkeit nicht an sich regelmäßig und typischerweise gefahrenauslösend sein (vgl. VG Meiningen, Beschluss vom 08. Juni 2018 – 2 E 862/18 Me –, juris; VG Trier, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 1 L 376/14.TR –, Rn. 10, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 16. August 2013 – 1 K 2068/13 –, Rn. 12, juris). Vorliegend geht es aber nicht um ein etwa durch Polizeiverordnung angeordnetes Verbot, Alkohol in der Öffentlichkeit zu konsumieren, sondern um die Gefahren des Alkoholkonsums in einer spezifischen Situation, die durch besondere Umstände geprägt ist (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 19. April 2018 – 3 B 126/18 –, juris; VG Karlsruhe, Beschluss vom 05. September 2017 – 7 K 11854/17 –, juris). Der Antragsgegner kann sich hier auf solche besonderen Umstände berufen, die im konkreten Fall eine unmittelbare Gefahrenlage begründen.

8

Er verweist insbesondere auf Vorkommnisse vom 3. März 2018, wo sich die Gefahr, dass friedlicher Protest in aggressives Verhalten durch Körperverletzungen, Sachbeschädigungen u.v.m. gegenüber Meinungsgegnern, der Polizei oder unbeteiligten Dritten umschlagen kann, bereits realisiert habe. Aufgrund der enthemmenden Wirkung birgt dabei gerade der Alkoholkonsum ein besonderes Risiko, dass es zu einem gewalttätigen Zusammentreffen mit den Teilnehmern von Gegenveranstaltungen, die bei einer Aufhebung des Alkoholverbots ebenfalls oftmals alkoholisiert sein können, kommt. Dabei muss den örtlichen Gegebenheiten großes Gewicht beigemessen werden. In dem kleinen Ort Kandel sollen am 6. Oktober 2018 insgesamt sechs Versammlungen stattfinden. Wegen zeitlicher Überschneidungen und leicht zu überwindender räumlicher Abgrenzungen in der beengten örtlichen Situation besteht angesichts der derzeitig hochemotionalen Atmosphäre bei einem Zusammentreffen „gegnerischer“ Gruppen ersichtlich eine erhebliche Gefahr des Umschlagens in gewalttägige Aktionen. Dass ein für alle Teilnehmer geltendes Alkoholverbot in dieser Situation eine wirksame vorbeugende Maßnahme darstellt, liegt auf der Hand.

Das Alkoholverbot berührt demgegenüber die Gestaltungsfreiheit des Veranstalters nicht oder nur minimal. Die Tatsache, dass der Genuss von Alkohol möglicherweise eine angenehme Begleiterscheinung der Versammlung ist, im Rahmen des Art. 8 GG ohne Belang (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2018 – 3 B 126/18 – Rn. 22, juris, m.w.N.).

9

Die Auflage Nr. 4 (Verbot des Mitführens von Glasbehältnissen und Dosen) ist weiter nicht zu beanstanden. Neben der Verletzungsgefahr durch zerbrochene Flaschen, denen sowohl die Versammlungsteilnehmer als auch unbeteiligte Dritte ausgesetzt sind, können sie als Wurfgeschosse eingesetzt werden. Auch diesbezüglich hat der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid bereits auf konkrete Erfahrungen in den vergangenen Monaten verwiesen. Auch insoweit sieht die Kammer eine andere Ausgangslage als in dem vom VG Karlsruhe mit Beschluss vom 16. August 2013 entschiedenen Fall (a.a.O.). Mit der Verwendung von Getränken in Plastikflaschen und Tetrapackungen haben die Versammlungsteilnehmer im Übrigen eine ohne Weiteres verfügbare Alternative.

10

Zudem ist das Hundeverbot in Auflage Nr. 5 versammlungsrechtlich zulässig. Die Kammer schließt sich insoweit der Bewertung des Bayerischer VGH im Beschluss vom 13.Oktober 2003 (- 24 ZB 03.1711 -, juris, Rn 22) an, wonach diese Anweisung darauf abzielt, die öffentliche Sicherheit bei der Durchführung der Kundgebung zu gewährleisten und auch dem Wohl der Tiere dient (so auch VG Göttingen, Urteil vom 22. April 2009 – 1 A 355/07 –, Rn. 79, juris).

11

Weiterhin begegnet das in Nr. 6 der Verfügung des Antragsgegners vom 27. September 2018 formulierte Vermummungsverbot keinen rechtlichen Bedenken. Die Regelung basiert auf der gesetzlichen Normierung in § 17a Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VersG. Danach ist es verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel in einer Aufmachung teilzunehmen bzw. den Weg dorthin zurückzulegen, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern oder entsprechende Gegenstände mit sich zu führen. Eine Regelungsfunktion kann hier darin gesehen werden, dass der Antragsgegner beim Antragsteller die Beachtung der gesetzlichen Pflicht wegen bereits konkret festgestellter Verstöße anmahnt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. Januar 1999 – 8 B 12627/98 –, Rn. 15, juris), denn er kann auf konkrete Vorkommnisse am 3. März und 24. März 2018 in Kandel verweisen, wo eine Identifizierung von Demonstrationsteilnehmern aufgrund von Vermummung unmöglich gemacht wurde. Dies gibt der Versammlungsbehörde hinreichenden Anlass, auch bei sämtlichen angemeldeten Demonstrationen in Kandel für den kommenden Samstag die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmung im Wege einer versammlungsrechtlichen Verfügung einzufordern.

Wollte man dies anders sehen, so könnte die Auflage Nr. 6 nur als schlichter Hinweis auf die Rechtslage gelten. In beiden Fällen ist jedenfalls eine Rechtsverletzung des Antragstellers nicht ersichtlich.

12

Was die versammlungsrechtliche Beschränkung unter Nr. 7 anbelangt, wonach das Mitführen und verwenden von Pyrotechnik und pyrotechnischer Munition untersagt ist, erweist sich die Verfügung ebenfalls als rechtmäßig. Auch insoweit kann der Antragsgegner bereits auf konkrete Vorkommnisse anlässlich vergangener Demonstrationen verweisen. In Anbetracht des hohen Verletzungspotentials von Pyrotechnik resultiert daraus eine erhebliche unmittelbare Gefahr für Leib und Leben sowohl für die Teilnehmer der Versammlung als auch für die Polizeibeamten, die zu deren Schutz abgestellt werden, sowie unter Umstände auch für unbeteiligte Dritte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Dezember 2016 – 15 B 1525/16 –, juris; VG Ansbach, Urteil vom 29. November 2017 – AN 4 K 16.02167 –, Rn. 75 - 76, juris).

13

Schließlich besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung. Dabei ist die besondere Situation zu berücksichtigen, dass nämlich insgesamt sechs Gruppierungen morgen in Kandel Demonstrationen angemeldet haben. Sie alle haben die genannten Auflagen zu beachten. Es stellt die Versammlungsbehörde und die Polizei seit Monaten vor große Herausforderungen, in dem kleinen Ort Kandel die sichere Durchführung der unterschiedlichen – zeitlich und örtlich nahe beieinanderliegenden – Demonstrationsveranstaltungen zu gewährleisten. Es handelt sich bei den vom Antragsteller angefochtenen Beschränkungen auch nicht um substantielle Beschränkungen des Versammlungsrechts, sondern um Maßnahmen, die sich bei den zurückliegenden, seit Monaten regelmäßig durchgeführten Demonstrationen in Kandel offensichtlich bewährt haben.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.