Verwaltungsgericht München Beschluss, 06. März 2019 - M 11 S 19.50075
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
II.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.
(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, - 2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und - 3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und - 2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:
- 1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2, - 2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
- 1.
ein anderer Staat - a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder - b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
- 2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat, - 3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird, - 4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder - 5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.
(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.
(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.
Tatbestand
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Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.
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Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.
- 3
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Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.
- 4
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Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
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Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.
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Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.
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Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.
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Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.
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Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
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1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.
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Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
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Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).
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Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.
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Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft
- Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).
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Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.
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Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.
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Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).
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2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.
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Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
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Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.
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Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.
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Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.
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Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.
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Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz
- Dublin III-VO).
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Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).
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a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).
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Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.
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Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.
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b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.
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Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).
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Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.
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Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.
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c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.
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An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).
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Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.
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3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.
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Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.
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4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 16. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2076/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. März 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
5Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller fällt zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Polen für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
7I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf die Asylanträge der Antragsteller vom 5. Februar 2015.
8Danach ist Polen der zuständige Staat für die Prüfung dieser Asylanträge. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Vorliegend haben die Antragsteller in ihrer Anhörung beim Bundesamt am 5. Februar 2015 selbst angegeben, sich zuvor in Polen aufgehalten zu haben. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch das Bundesamt.
9Dementsprechend hat die Antragsgegnerin unter dem 26. Februar 2015 ein Übernahmeersuchen an Polen gerichtet. Dieses wurde am 3. März 2015 angenommen. Polen ist daher grundsätzlich gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, die Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
10Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich die Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnten, da die Vorschrift ihnen kein subjektives Recht einräumt.
11Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
12Den Antragstellern bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Polen zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
13Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
14Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
15Entgegen der Ansicht der Antragsteller vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass das Verfahren unangemessen lange gedauert hat. Dahingestellt bleiben kann, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer infolge einer verspäteten Anhörung auszugehen ist. Zwar sind die Antragsteller nach eigenem Vortrag bereits am 1. Oktober 2014 in die Bundesrepublik eingereist. Indes haben sie erst am 5. Februar 2015 einen Asylantrag gestellt. Die Anhörung konnte aber naturgemäß erst erfolgen, nachdem ein entsprechender Asylantrag vorlag. Vorliegend wurden die Antragsteller noch am Tage ihrer Asylbeantragung angehört.
16Anhaltspunkte für die Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen Polens haben die Antragsteller nicht hinreichend substantiiert vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
17Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. März 2015 – 6a K 3687/14.A –, juris, Rn. 27 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Februar 2015 – 10 L 3022/14.A –, juris, Rn. 24 m.w.N.
18Schließlich ist die Antragsgegnerin auch nicht gemäß Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung verpflichtet. Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, entscheiden danach die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Ungeachtet dessen, dass die gemeinsame Tochter der Antragsteller (Themine Arakelian) den Wunsch von ihren Eltern unterstützt zu werden nicht schriftlich erklärt hat und nicht erkennbar ist, ob die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, fehlt es jedenfalls an einem rechtmäßigen Aufenthalt der Tochter der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts setzt voraus, dass der Aufenthalt durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Das ist der Fall, wenn die Gebietszulassung – wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung – nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Ein bloßes gesetzliches vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht wie etwa § 81 Absatz 3 Satz 1 bzw. Absatz 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder – wie vorliegend – § 55 Absatz 1 AsylVfG vermitteln, stellt keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar.
19Vgl. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: 98 Ergänzungslieferung 2013, § 27a, Rn. 75 f.
20Damit kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Tochter der Antragsteller eine abhängige Person im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO ist.
21II. Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Absatz 1 AsylVfG beruhenden Abschiebungsanordnung bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung liegen weder zielstaatsbezogene (2.) noch in der Person der Antragsteller bestehende, also inlandsbezogene (1.) Abschiebungshindernisse, vor.
221. Einer Überstellung der Antragsteller nach Polen stehen weder rechtliche (a) noch tatsächliche (b) Gründe im Sinne von § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG entgegen.
23a) Die Trennung der Antragsteller von ihrer gemeinsamen volljährigen Tochter und ihrem Enkelkind, deren Asylanträge ebenfalls wegen der nach der Dublin III-VO bestehenden Zuständigkeit Polens als unzulässig abgelehnt worden sind, wogegen sie ebenfalls einen Eilantrag gestellt und Klage (22 K 2472/15.A) erhoben haben, verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlich- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Familieneinheit (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz [GG] und Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention[EMRK]). Zwar kann auch die Bindung zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern in den Schutzbereich von Artikel 6 Absatz 1 GG bzw. Artikel 8 EMRK fallen. Indes kann sich daraus nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Abschiebungsschutz, beispielsweise wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitgliedes angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, ergeben. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zuzumuten ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück.
24Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 1996 – A 13 S 1431/94 –, juris, Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand: 64. Aktualisierung Juni 2009, § 60a Rn. 40.
25Ein solcher Ausnahmefall liegt bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht vor. Zwar folgt aus dem eingereichten ärztlichen Attest des die Tochter der Antragsteller behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov vom 3. Februar 2015, dass das Zusammenleben der Tochter mit den Antragstellern aus seiner Sicht notwendig sei um die Verschlechterung des psychopathologischen Zustandes zu vermeiden. Indes lässt sich dem Attest bereits nicht entnehmen, dass und wenn ja inwieweit die Tochter und/oder das Enkelkind der Antragsteller auf ihre Hilfe angewiesen ist/sind.
26Ungeachtet dessen erfüllt das Attest auch nicht die Mindestanforderungen, die in der Rechtsprechung an ärztliche Atteste gestellt werden. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
27Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2015 – 13 L 937/15.A –, juris, Rn. 14.
28Vorliegend lässt sich dem Attest bereits keine genaue Diagnose entnehmen. Das Attest enthält auch keine näheren Angaben zur Behandlungsbedürftigkeit sowie dem bisherigen Behandlungsverlauf.
29b) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
30Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier beim Antragsteller zu 1.) in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
31Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
32Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller zu 1.) nicht erbracht. Zwar diagnostiziert der den Antragsteller zu 1.) behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov ihm eine posttraumatische Belastungsstörung mit latenter Suizidalität sowie eine rezidivierende depressive Störung. Zudem wird eine Reiseunfähigkeit für die voraussichtliche Dauer von einem Jahr prognostiziert. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
33Das vorgelegte ärztliche Attest vom 13. März 2015 enthält keine nachvollziehbaren tatsächlichen Umstände bezüglich der Erkrankung des Antragstellers, die die Prognose zuließen, dass sich sein psycholpathologischer Zustand infolge der Abschiebung in den Zielstaat Polen – und gerade nicht nach Armenien – massiv verschlechtern und höchstwahrscheinlich ein Suizid durchgeführt werden wird. Die die psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1.) ausgelösten Erlebnisse beziehen sich ausschließlich auf Armenien. Da ein Zusammenhang zwischen den psychischen Problemen des Antragstellers zu 1.) und dem Aufenthalt in Polen nicht erkennbar ist, erschließt sich dem Gericht auch nicht ohne weiteres, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1.) infolge der Überstellung nach Polen derart verschlechtern wird. Die geschilderten traumatischen Erlebnisse in Armenien werden durch die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers in Polen grundsätzlich weder positiv noch negativ beeinflusst. Überdies steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller zu 1.) sich auch in Polen in fachärztliche Behandlung begeben kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu 1.) auf eine kontinuierliche Behandlung in kürzesten Abständen angewiesen ist, liegen dem Gericht nicht vor. Insbesondere enthält das vorgelegte Attest keine Angabe hinsichtlich der erforderlichen zeitlichen Abstände der empfohlenen „systemischen Traumatherapie“. Selbst wenn der Antragsteller zu 1.) auf eine psychologische Behandlung unmittelbar nach der Überstellung angewiesen sein sollte, bestehen aber keine Zweifel, dass die Republik Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Union in einem auf psychischen Erkrankungen beruhenden Notfall die etwa notwendigen Notpsychiatrieaufenthalte oder die in Krisensituationen etwa notwendige medikamentöse und sonstige Notversorgung zur Verfügung zu stellen Willens und in der Lage ist, da die Erkenntnisse des Gerichts keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme enthalten. Vielmehr ergibt sich aus den Erkenntnissen, dass die Versorgung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen in Polen grundsätzlich auch für Asylbewerber zugänglich ist.
34Vgl. VG Berlin, Urteil vom 01. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 63 m.w.N.
352. Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vor.
36Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
37BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
38Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
39vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
40Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine Behandlung der psychischen Erkrankung des Antragstellers zu 1.) in Polen ausgeschlossen ist. Vielmehr bestehen in Polen grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten (s.o.).
41Dass Polen nach bestandskräftiger Ablehnung der dort gestellten Asylanträge die Asylbewerber in ihr Heimatland zurückführt, ist kein Umstand, der eine Ausnahme vom Verbot der Aussetzung der Abschiebung nach Polen rechtfertigen würde.
42Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 10. Februar 2014 – M 16 S7 14.30157 –, juris, Rn. 12.
43Soweit sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten sollte, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Polen, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies den Antragstellern nicht möglich sein soll.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
45Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Februar 2015 – Az.: 5859106-223 – wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wurde am 1977 geboren und besitzt die Staatsangehörigkeit der Republik Angola. Er ist durch einen angolanischen Reisepass (Nr. ) ausgewiesen. Am 26. November 2014 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag. Am selben Tag wurde mit ihm ein „persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ geführt. Dabei gab er (in portugiesischer Sprache) an: Er habe sein Heimatland mit dem Flugzeug verlassen und sich anschließend für zwei bis drei Tage in Portugal aufgehalten. Danach habe er in den Niederlanden einen Asylantrag gestellt, bevor er sich nach Deutschland begeben habe. Seine Ehefrau, N. G E. S R. W. , mit der er im Jahre 2011 in Luanda (Angola) die Ehe geschlossen habe, halte sich ebenfalls hier auf.
3Eine am 26. November 2014 durchgeführte Anfrage des Bundesamtes an die Visa-Datenbank ergab, dass dem Kläger am 17. Oktober 2014 durch die portugiesische Botschaft in Luanda ein vom 17. Oktober 2014 bis zum 14. April 2015 gültiges Schengen-Visum (Nr. ) erteilt worden war.
4Am 23. Januar 2015 richtete das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an die portugiesischen Behörden und gab dabei an, dass sich die Ehefrau des Klägers, die am 1979 in Luanda geborene N. G E. S R. W. , ebenfalls in Deutschland aufhalte. Die portugiesischen Behörden erklärten sich am 24. Januar 2015 unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO zur Übernahme des Klägers bereit.
5Mit Bescheid vom 6. Februar 2015 – Az.: 5859106-223 – lehnte das Bundesamt unter Ziffer 1 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab und ordnete unter Ziffer 2 seine Abschiebung nach Portugal an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 13. Februar 2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
6Am 20. Februar 2015 hat der Kläger Klage erhoben: Er sei am 2. November 2014 ohne seine Familie aus Angola ausgereist, weil er gegen das MPLA-Regime gewesen sei, und habe sich nach Portugal begeben, wo er einige Tage lang bei der Familie eines Bekannten gelebt habe. Er sei in der Folge nach Deutschland weitergereist, weil sich seine Frau und die Kinder bereits hier befänden. Deren Dublin-Verfahren seien bestandskräftig abgeschlossen. Die für sie geltenden Überstellungsfristen seien inzwischen verstrichen, so dass sie nicht mehr nach Portugal abgeschoben werden dürften. Aufgrund dieses Umstands sei auch seine – des Klägers – Abschiebung in diesen Mitgliedstaat nicht mehr möglich, weil andernfalls eine mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK unvereinbare Trennung der Familie eintreten würde.
7Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
8den Bescheid des Bundesamtes vom 6. Februar 2015 aufzuheben.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bezieht sich auf die Begründung des Bundesamtsbescheides vom 6. Februar 2015.
12Mit Beschluss vom 24. April 2015 – 10 L 173/15.A – hat das Gericht auf entsprechenden Antrag des Klägers hin die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 6. Februar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung angeordnet. Das vorliegende Hauptsacheverfahren wurde mit Beschluss vom 28. April 2015 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 536/15.A und 10 L 173/15.A, die durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgänge zu den Asylverfahren des Klägers ‑ Az.: 5859106-223 - und der Frau N. G E. S R. W. nebst zwei Kindern – Az.: 5751967-223 – sowie die über die vorgenannten Personen beim Landrat des Kreises N-M. geführten Ausländerakten (vier Hefte) Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15A. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer solchen Entscheidung durch einen am 17. August 2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz erklärt. Die Beklagte hat am 26. Januar 2015 – Az.: M21-9221-2015 – gegenüber dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Minden eine allgemeine Prozesserklärung abgegeben, in der sie für asylrechtliche Verfahren (u.a.) auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat für das vorliegende Verfahren keine hiervon abweichende Erklärung beigebracht.
16B. Die Klage hat Erfolg.
17I. Sie ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft
18- vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, DVBl. 2014, 790, und juris (Rdnr. 28 ff.); OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013– 3 L 643/12 –, juris (Rdnr. 21 ff.); Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –, BayVBl. 2014, 628, und juris (Rdnr. 22); VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, InfAuslR 2014, 293, und juris (Rdnr. 18), sowie vom 18. November 2014 – A 3 S 265/14 –, Seite 5 des Urteilsabdrucks; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ –, juris (Rdnr. 12 ff.); VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 311/14.A –, NRWE-Datenbank (Rdnr. 12 ff.); a.A. VG Würzburg, Urteil vom 23. Mai 2014 – W 7 K 14.30072 – Seite 5 des Urteilsabdrucks -
19und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie innerhalb der einschlägigen Klagefrist erhoben. Dabei kann offen bleiben, ob diese Frist zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG)
20- so z.B. VG Stuttgart, Urteil vom 26. Mai 2014 – A 12 K 12/14 –, Seite 3 des Urteilsabdrucks -
21oder in Anknüpfung an die gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG einwöchige Frist für die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Woche (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG) ab Zustellung des Bescheides vom 6. Februar 2015 beträgt
22- so z.B. für entsprechende Fälle VG Ansbach, Urteil vom 8. April 2014– AN 11 K 14.30189 –, juris (Rdnr. 15) -.
23Im vorliegenden Fall wäre auch die Wochenfrist eingehalten. Der angefochtene Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der im beigezogenen Verwaltungsvorgang 5859106-223 befindlichen Postzustellungsurkunde am 13. Februar 2015 zugestellt; seine Klage ist am 20. Februar 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangen.
24II. Die Klage ist auch begründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 6. Februar 2015 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Portugal, sind aufzuheben, da sie rechtswidrig sind und ihn in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
251. Als Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung nach Portugal (Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides), kommt allein § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Betracht. Diese Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht (mehr) erfüllt. Denn es steht entgegen § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Portugal durchgeführt werden kann. Der Abschiebung steht ein rechtliches Hindernis entgegenstehen. Im Verfahren nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hat das Bundesamt nicht nur zielstaatsbezogene, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu prüfen.
26Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris (Rdnr. 7); OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris (Rdnr. 4); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011– A 11 S 1523/11 –, InfAuslR 2011, 310, juris (Rdnr. 3) sowie BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, juris (Rdnr. 11).
27Im Falle des Klägers liegt ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG vor, weil sich seine Ehefrau in Deutschland aufhält, ihre Abschiebung nach Portugal nicht mehr durchgeführt werden kann und mithin eine Trennung der (Kern-) Familie zu befürchten ist, wenn die Abschiebung des Klägers in diesen Mitgliedstaat vollzogen werden würde. Hierdurch würde ein mit Art. 6 GG unvereinbarer Zustand eintreten. Denn die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
28Vgl. dazu etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Januar 2006– 2 BvR 1935/05 –, juris (Rdnr. 16).
29Allerdings beinhaltet Art. 6 GG keinen unbedingten Anspruch des betroffenen Ehegatten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont zu bleiben. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie (lediglich) in verhältnismäßiger Weise mit öffentlichen Interessen abzuwägen.
30Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Dezember 2007 – 2 BvR 2341/06 –, juris (Rdnr. 6).
31Insoweit ist mit Blick auf das vom Kläger geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht und ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sowie ein sog. „asylum-shopping“ verhindern soll. Kommt es einem Ausländer darauf an, jedenfalls ein Asylverfahren zu durchlaufen und beschränkt er angesichts seiner ehelichen Bindungen sein Begehren nicht darauf, ggf. durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen ein Zusammenleben mit seinem Ehepartner zu ermöglichen, so muss er hierbei angesichts des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems grundsätzlich auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt wird. Dies ist dann nicht unzumutbar, wenn die Trennung vom Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend ist.
32Vgl. VGH Baden Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 57/15 –, juris (Rdnr. 45); VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 – 10 K 1660/14.A –, juris (Rdnr. 122); VG München, Beschluss vom 5. Mai 2014– M 11 S 14.50165 –, juris (Rdnr. 30); VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Januar 2014 – 13 L 2363/13.A – juris (Rdnr. 19 ff.).
33Vorliegend lässt sich indessen nicht feststellen, dass eine Trennung des Klägers von seiner Ehefrau bei seiner Abschiebung nach Portugal nur vorübergehend wäre. Die Dauer eines Asylverfahrens und das weitere Schicksal des Klägers – gerade im Falle einer möglichen Ablehnung seines Asylantrags in Portugal – lassen sich nicht mit dem erforderlichen Grad an Sicherheit prognostizieren
34- ebenso in einem ähnlich gelagerten Fall VG Hamburg, Beschluss vom 1. November 2010 – 11 E 2972/10 –, juris (Rdnr. 25 und 26) -.
35Der zeitliche Umfang einer Trennung der Eheleute wäre danach bei einer Abschiebung des Klägers nach Portugal unabsehbar, zumal nach Lage der Akten feststeht, dass seine Ehefrau, N. G E. S R. W. , nicht mehr nach Portugal abgeschoben darf, weil inzwischen die Beklagte für ihr Asylverfahren (und das der Kinder) zuständig geworden ist – dazu nachfolgend a) –. Das Gericht hat auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass zwischen dem Kläger und Frau N. G E. S R. W. eine durch Art. 6 GG geschützte eheliche Lebensgemeinschaft besteht – dazu nachfolgend b) –.
36a) Für das Asylverfahren der Ehefrau des Klägers ist nicht mehr die Portugiesische Republik, sondern die Bundesrepublik Deutschland zuständig:
37Frau N. G E. S R. W. hat am 5. Mai 2014 (zusammen mit ihren beiden Kindern) beim Bundesamt einen Asylantrag gestellt. Sie hat angegeben, ihre Heimat Angola im Jahre 2013 auf dem Luftweg verlassen zu haben und nach Portugal gereist zu sein, wo sie allerdings kein Asylverfahren betrieben habe. In der Folge habe sie sich zunächst in die Niederlande und dann nach Deutschland begeben. Ermittlungen des Bundesamtes ergaben, dass die portugiesische Botschaft in Luanda der Ehefrau des Klägers am 14. Juni 2013 ein bis zum 3. November 2013 gültiges Schengen-Visum erteilt hatte. Nachdem das Bundesamt zunächst erfolglos die Niederlande um Übernahme der Ehefrau des Klägers gebeten hatte, richtete es am 2. Juli 2014 ein Aufnahmegesuch an die portugiesischen Behörden, die hierauf jedoch nicht antworteten, so dass die Portugiesische Republik mit Ablauf des 2. September 2014 (zunächst) für das Asylverfahren der Frau N. G E. S R. W. (nebst zwei Kindern) zuständig geworden ist. Dies folgt aus Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO, der für das – hier gegebene – Aufnahmeverfahren bestimmt, dass von einer stattgebenden Entscheidung über ein Aufnahmegesuch durch den aufnehmenden Mitgliedstaat (hier: Portugal) auszugehen ist, wenn innerhalb einer Frist von zwei Monaten keine Antwort erteilt worden ist. Mit Blick hierauf lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 19. September 2014, zugestellt am 7. November 2014, die Asylanträge der Ehefrau des Klägers und der beiden Kinder als unzulässig ab. Ferner ordnete es ihre Abschiebung nach Portugal an. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Adressaten des Bescheides haben weder Klage gegen den Bescheid erhoben noch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Gleichwohl ist die Ehefrau des Klägers mit den beiden Kindern in der Folge nicht nach Portugal abgeschoben worden.
38Ausgehend hiervon ist im Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung die Zuständigkeit für das Asylverfahren der Ehefrau des Klägers auf die Beklagte übergegangen. Der Zuständigkeitsübergang beruht darauf, dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO zwischenzeitlich verstrichen ist. Nach dieser Bestimmung erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Portugiesische Republik) gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat.
39Der Fristbeginn bestimmt sich hier nach dem in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesprochenen ersten Fall, wonach die maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, d.h. die Frist ist vorliegend durch die Fiktion einer Annahme des Aufnahmegesuchs (Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-VO) mit Ablauf des 2. September 2014 in Gang gesetzt worden. Die in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO enthaltene weitere Regelung über einen späteren Fristbeginn im Fall der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, ist hier von vornherein nicht einschlägig, weil – wie ausgeführt – keine Rechtsbehelfe, denen aufschiebende Wirkung hätte zukommen können, erhoben worden sind. Die sechsmonatige Überstellungsfrist ist folglich mit Ablauf des 2. März 2015 verstrichen (vgl. dazu auch Blatt 141 der Bundesamtsakte 5751967-223). Aus dem Ablauf der Überstellungsfrist folgt, dass die Zuständigkeit für die Prüfung des von der Ehefrau des Klägers verfolgten Asylbegehrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen ist. Eine Verlängerung der Frist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO kommt nicht Betracht, da die Überstellung – soweit ersichtlich – weder an einer Inhaftierung der Ehefrau des Klägers noch an einem „Untertauchen“ ihrerseits gescheitert ist.
40Es lässt sich auch nicht feststellen, dass Portugal erneut für die Durchführung des Asylverfahrens der Ehefrau des Klägers zuständig geworden wäre. Ist die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats aufgrund Fristablaufs entfallen, so kann dessen erneute Zuständigkeit nur begründet werden, wenn die normativen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Im vorliegenden Fall kommt insoweit nur in Betracht, dass die Portugiesische Republik (konkludent) von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch macht, indem sich die portugiesischen Behörden weiterhin mit der Überstellung der Ehefrau des Klägers dorthin einverstanden erklären. Anhaltspunkte dafür, dass die portugiesischen Behörden trotz des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens (weiterhin) mit ihrer Überstellung einverstanden sind, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Die Beklagte hat weder im vorliegenden Verfahren noch in anderen beim erkennenden Gericht anhängigen Verfahren eine entsprechende einzelfallbezogene Erklärung der Behörden des ersuchten Mitgliedstaats oder Nachweise dafür vorgelegt, dass sich im Verhältnis zu bestimmten Mitgliedstaaten eine entsprechende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte.
41Vgl. zum Ganzen VG Minden, Urteil vom 19. März 2015 – 10 K 2658/14.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 52 ff.).
42Für das Asylverfahren der Ehefrau des Klägers ist danach nicht (mehr) die Portugiesische Republik, sondern die Beklagte zuständig.
43b) Der damit einhergehenden Gefahr einer mehr als nur vorübergehenden Trennung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass tatsächlich keine durch Art. 6 GG geschützte eheliche Lebensgemeinschaft bestehe. Dass der Kläger und Frau N. G E. S R. W. miteinander verheiratet sind, wird – soweit aus den beigezogenen Akten ersichtlich – weder durch das Bundesamt noch durch den Landrat des Kreises N -M. als zuständige Ausländerbehörde in Zweifel gezogen. Beide Ehegatten sind zudem durch die Bezirksregierung Arnsberg gemäß § 50 AsylVfG derselben Gemeinde (I. ) zugewiesen worden. Auch das Gericht hat keinen vernünftigen Zweifel am Bestehen einer Ehe. Der Kläger und Frau N. G E. S R. W. haben unabhängig voneinander und im Abstand mehrerer Monate sowie unter korrekter Nennung des Namens des jeweils anderen Ehegatten gegenüber dem Bundesamt angegeben, im Jahre 2011 in Luanda die Ehe miteinander geschlossen zu haben (vgl. Blatt 19 der Bundesamtsakte 5859106-223 und Blatt 4 der Bundesamtsakte 57519567-223). Zudem tragen sie einen gemeinsamen Familiennamen (W. ); die Wahl eines gemeinsamen Namens wird im angolanischen Eherecht ausdrücklich zugelassen.
44Vgl. dazu Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Band 2, Stand: März 2015, Seiten 10 und 22 zu Angola.
45Die Eheleute sind zudem durch angolanische Reisepässe ausgewiesen, in denen der genannte Familienname jeweils aufgeführt ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Pässe gefälscht oder unwahren Inhalts wären, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Pässe der Frau N. G E. S R. W. und ihrer Kinder sind überdies durch das Bundesamt – Stelle für Physikalisch-Technische Urkundenuntersuchung (PTU) – untersucht worden, ohne dass Fälschungsanzeichen festgestellt werden konnten (vgl. Blätter 107 ff. der Bundesamtsakte 57519567-223).
46Des Weiteren hat der Kläger im Verlauf des vorliegenden Klageverfahrens die Kopie einer angolanischen Heiratsurkunde beigebracht (vgl. Blatt 48 bis 50 der Gerichtsakte), ausweislich der er am 14. Juni 2011 in Luanda die Ehe mit Frau N. G E. S R. W. geschlossen hat. Die in der Heiratsurkunde vermerkten Daten stimmen mit den vom Kläger und seiner Ehefrau gemachten Angaben und den Eintragungen in ihren Pässen überein. Auch im Übrigen vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Heiratsurkunde gefälscht oder unwahren Inhalts wäre. Entsprechendes wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
47Das danach im vorliegenden Fall zwischen dem Kläger und Frau N. G E. S R. W. bestehende formale Band der Ehe reicht jedoch für sich genommen noch nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus. Allerdings verbietet es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft, insoweit schematische oder allzu enge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren.
48Vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2013 – 1 B 15.12 –, m.w.N., juris, (Rdnr. 4)
49Gemessen hieran bietet der Inhalt der Akten auch keinen Anlass anzunehmen, dass es dem Kläger und seiner Ehefrau, die offenkundig mit Blick auf ihre Ehe beide in die Gemeinde I. verteilt wurden, an einem übereinstimmenden Willen fehlte, die Ehe tatsächlich im Bundesgebiet herzustellen und aufrechtzuerhalten. Der Umstand, dass sie Angola nicht gemeinsam, sondern getrennt verlassen haben, um dann (auf einer im Wesentlichen identischen Reiseroute) nach Deutschland zu kommen, ist aus Sicht des Gerichts für sich genommen kein Indiz für die Annahme, es fehle am notwendigen „Herstellungswillen“.
50Festzuhalten bleibt nach alledem, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und Frau N. G E. S R. W. besteht, die voraussichtlich länger als nur vorübergehend aufgelöst würde, wenn der Kläger tatsächlich nach Portugal abgeschoben würde, weshalb für ihn ein Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG besteht. Die in dem Bescheid vom 6. Februar 2015 unter Ziffer 2 enthaltene Abschiebungsanordnung kann daher keinen Bestand haben.
512. Die nach den vorstehenden Ausführungen bestehende eheliche Gemeinschaft führt darüber hinaus auch zur Rechtswidrigkeit der unter Ziffer 1. des Bescheides vom 6. Februar 2015 getroffenen Regelung, wonach der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt wird.
52a) Als Rechtsgrundlage für diese Regelung kommt (in erster Linie) § 27a AsylVfG in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen sind im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr erfüllt:
53aa) Zwar war zunächst eine Zuständigkeit der Portugiesischen Republik für die Bearbeitung des Asylgesuchs des Klägers gegeben. Dies folgt aus der hier maßgeblichen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ergab sich bis zum Ablauf der Frist zur Überstellung der Ehefrau des Klägers – vgl. dazu vorstehend 1. a) – eine Zuständigkeit der Portugiesische Republik. Mangels vorrangiger Kriterien folgte dies aus Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist in dem Fall, dass der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, grundsätzlich der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, der das Visum erteilt hat. So lag der Fall auch hier, weil der Kläger – wie vor allem durch die im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft aus der Visa-Datenbank hinreichend belegt ist – mit einem durch die portugiesische Vertretung in Luanda erteilten Visum in den Schengen-Raum eingereist ist. Die in Art. 12 Abs. 4 Satz 1 und 2 Dublin-III-VO formulierten Voraussetzungen, unter denen die Zuständigkeit des Mitgliedstaates, der ein Schengen-Visum erteilt hat, entfällt, waren nicht erfüllt.
54Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Aachen, Beschlüsse vom 21. November 2014 – 2 L 596/14.A –, juris (Rdnr. 7), und vom 18. November 2014– 2 L 511/14.A –, juris (Rdnr. 12 und 13), VG Schwerin, Beschluss vom16. Oktober 2014 – 3 B 915/14 As –, juris (Rdnr. 20), sowie VG München, Beschluss vom 13. Oktober 2014 – M 16 S 14.50529 –, juris (Rdnr. 14).
55bb) Die danach zunächst gemäß Art. 12 Dublin-III-VO begründete Zuständigkeit Portugals für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers ist jedoch mit dem Ablauf der Frist zur Überstellung seiner Ehefrau erloschen. Der Eintritt dieses Ereignisses hat eine Verpflichtung der Beklagten entstehen lassen, selbst in das Verfahren einzutreten. Gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin-III-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese Regelung räumt den Mitgliedstaaten im Ausgangspunkt ein weites Ermessen ein. Soweit mit Blick hierauf zum Teil verneint wird, dass die Bestimmung dem Asylbewerber überhaupt subjektive Rechte einräumt
56- vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 7. April 2015 – 2 LA 33/15 – (Rdnr. 5 ff.) -,
57kann dem zumindest für die hier gegebene Fallkonstellation nicht gefolgt werden. Der als unmittelbar geltendes Recht normierte Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ist im Lichte der Grund- und Menschenrechte auszulegen und anzuwenden. Ein erklärtes Ziel der Dublin-III-VO, das z.B. in den Erwägungsgründen (15) bis (17) ausdrücklich angesprochen wird, ist die Wahrung der Familieneinheit. Mit dem Instrumentarium des Selbsteintritts unter familiären Gesichtspunkten kann und muss ggf. den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und den (im wesentlichen inhaltsgleichen) unionsrechtlichen Gewährleistungen nach Art. 7 und Art. 24 Abs. 3 GRCh sowie völkerrechtlichen Vorgaben nach Art. 8 EMRK entsprochen werden. Diese vermitteln den Mitgliedern der aus Vater, Mutter und den minderjährigen Kindern bestehenden Kernfamilie im Anwendungsbereich des Dublin-Regimes ein Recht darauf, das Familienleben auch während eines laufenden Asylverfahrens fortsetzen zu dürfen. Deshalb kann auch im vorliegenden Fall, in dem aufgrund des Ablaufs der entsprechenden Überstellungsfrist die Beklagte für das Asylverfahren der Ehefrau des Klägers zuständig geworden ist, der Kläger – unter Reduzierung des durch Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO eingeräumten Ermessens „auf Null“ – die Durchführung eines Asylverfahrens beanspruchen. Entsprechendes gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – nicht ersichtlich ist, dass ein Abschluss des Asylverfahrens der Ehegattin und deren Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstünden. Zwar werden grundrechtliche Positionen nicht schrankenlos gewährt, so dass – wie ausgeführt – in der Dublin-III-VO zum Ausdruck kommende öffentliche Interessen abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls auch eine Zurücksetzung familiärer Belange selbst bei der Kernfamilie rechtfertigen können. Im zu entscheidenden Fall sieht das Gericht aber hierfür keinen Anlass. Jede andere Betrachtung liefe entweder darauf hinaus, dass die Familie, wenn der Kläger auf eine Überstellung nach Portugal verwiesen würde, unter Verstoß gegen Art. 6 GG bzw. die entsprechenden unions- und völkerrechtlichen Bestimmungen auf unabsehbar lange Zeit getrennt wäre, oder aber, würde man nur faktisch das Zusammenleben der Familie im Bundesgebiet weiter dulden, ohne ihn in das nationale Verfahren zu überführen, darauf, dass das in der Dublin-III-VO zum Ausdruck kommenden Anliegen, den effektiven Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten und Asylanträge in einer angemessenen Zeitspanne zu bearbeiten, für den Kläger verfehlt würde.
58Vgl. zum letztgenannten Aspekt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 –, juris (Rdnr. 32).
59In Konsequenz dessen ist auch Ziffer 1 des Bescheides vom 6. Februar 2015 aufzuheben. Diese Regelung spiegelt (lediglich) das Ergebnis der bislang allein durchgeführten Prüfung des Bundesamtes, welcher Mitgliedstaat nach der Dublin-III-VO für den gestellten Asylantrag zuständig ist (§ 31 Abs. 6 AsylVfG), wider. Mit der Aufhebung dieser Entscheidung wird der Weg für die umfassende formelle und materielle Prüfung des Asylantrags in eigener Zuständigkeit des Bundesamtes frei.
60Vgl. zum Ganzen (anknüpfend an die im hier interessierenden Zusammenhang weitgehend inhaltsgleichen Regelungen der Dublin-II-VO) VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 57/15 –, m.w.N., juris (Rdnr. 43 ff.).
61b) Eine Aufrechterhaltung der Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides auf anderer tatsächlicher oder rechtlicher Grundlage oder eine Umdeutung dieser Regelung in eine rechtmäßige Regelung kommt nicht in Betracht. Namentlich ist eine auf § 26a AsylVfG gestützte Aufrechterhaltung dieser Regelung nicht möglich. Nach dieser Norm kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Ergänzend hierzu bestimmt § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG, dass dann, wenn ein Asylantrag nur nach § 26a AsylVfG abgelehnt wird, nur festzustellen ist, dass dem Ausländer aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Zwar ist Portugal (ebenso wie die Niederlande) als Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylVfG ein sicherer Drittstaat. Jedoch findet die Drittstaatenregelung gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG keine Anwendung, wenn die Beklagte, wie hier – vgl. vorstehend 2. a) bb) –, aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union bzw. eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (geworden) ist. Eine Aufrechterhaltung der Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auf Grundlage des § 71a Abs. 1 AsylVfG (Ablehnung eines Zweitantrages) bzw. die Umdeutung in eine Regelung nach dieser Bestimmung scheidet ebenfalls aus.
62Vgl. dazu im Einzelnen VG Minden, Urteil vom 19. März 2015– 10 K 2658/14.A –, juris (Rdnr. 128 ff.).
63C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens beruht auf § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. aus L. werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 20. November 2013 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 8898/13.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2013 anzuordnen,
4zu deren Entscheidung der Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 VwGO hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. Oktober 2013 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Dabei ist die Bekanntgabe vorliegend allerdings noch nicht durch die mit Schreiben vom 4. November 2013 erfolgte Übersendung des Bescheides an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers bewirkt worden. Denn der Prozessbevollmächtigte war insoweit kein Empfangsberechtigter des Antragstellers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Wird ein Asylantrag – wie vorliegend – nur nach § 27a AsylVfG abgelehnt, ist nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AslVfG die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer persönlich zuzustellen und kommt mithin eine Empfangsvertretung durch den Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem nach § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG auch lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden. Dieser Mangel der förmlichen Zustellung wurde aber vorliegend durch die erneute Bekanntgabe des Bescheides - dieses mal an den Antragsteller persönlich - geheilt. Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Postzustellungsurkunde vom 19. Dezember 2013 hat eine erneute Zustellung des Bescheides an den Antragsteller persönlich stattgefunden. Zwar konnte dem Antragsteller das Dokument nicht persönlich übergeben werden. Auf der Postzustellungsurkunde ist insoweit „Empfänger unbekannt verzogen“ vermerkt. Gleichwohl muss der Antragsteller diesen Zustellungsversuch gegen sich gelten lassen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylVfG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen u. a. des Bundesamtes stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen. Dies hat der Antragsteller unterlassen. Entsprechend seiner Anschriftangabe in der Antragsschrift und wie mit Schriftsatz vom 3. Januar 2014 ausdrücklich dem Gericht mitgeteilt, wohnt er nunmehr bei seiner Ehefrau in F. , wobei er seinen Aufenthalt mit dem Zusatz „c/o T1. G. “ angibt. Diesen Anschriftwechsel hat er aber entgegen § 10 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG nicht dem Bundesamt mitgeteilt. Insbesondere ist eine solche Mitteilung nicht in dem Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Oktober 2013 zu erblicken. In diesem ist zwar die Anschrift der Ehefrau des Antragstellers genannt; allerdings weist der Antragsteller nicht darauf hin, dass diese Anschrift nunmehr auch die Seine sei. Vielmehr beantragt er lediglich die Umverteilung dorthin. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylVfG muss der Kläger Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle - hier dem Bundesamt - auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Die Voraussetzungen dieser Zustellungsfiktion sind erfüllt. Denn der Kläger hat zwar mit Rechtsanwalt T. einen Bevollmächtigten bestellt. Diesem konnte jedoch wie bereits ausgeführt der Bescheid nicht mit Wirkung für den Antragsteller zugestellt werden.
7Nach diesen Maßgaben gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 25. Oktober 2013 als dem Antragsteller (erst) am 19. Dezember 2013 bekanntgegeben. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt liegt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den bereits zuvor gestellten Antrag vor.
8Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
9Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
10vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
11Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12Das Bundesamt hat den erneuten Asylantrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Dabei hat es sich zu Recht darauf berufen, dass ein früherer Asylantrag bereits nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt worden und der Kläger daraufhin in den zuständigen Staat Belgien überstellt worden ist; Wiederaufgreifensgründe im Sinne von §§ 71 Abs. 1 AsylVfG; 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG bestünden nicht. Dies ist im Ergebnis richtig.
13Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Abschiebung nach Belgien in zeitlicher Hinsicht noch zulässig ist. Bereits aufgrund des ersten in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags ist eine Überstellung an den nach § 27a AsylVfG i. V. m. der Verordung 343/2003/EG (Dublin II-VO) zuständigen Staat Belgien erfolgt. Belgien hat sich sodann mit Schreiben vom 9. Juli 2013 aufgrund der Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Buchstabe e Dublin II-VO für zuständig und zur Übernahme des Antragstellers bereit erklärt, nachdem der Antragsteller Belgien nach erster Überstellung dorthin wieder verlassen und in der Bundesrepublik Deutschland erneut eines Asylantrag gestellt hat. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d Dublin II-VO, der inhaltlich Art. 29 Abs. 1 UAbs.1 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) entspricht, ist Belgien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Da der von dem Antragsteller erhobene Rechtsbehelf gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG aufschiebende Wirkung hat, ist diese Frist noch nicht abgelaufen.
14Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Antragsgegnerin besteht aber der Sache nach nicht. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob ein Wiederaufgreifen gemäß §§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG; 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG auch in den Fällen erfolgen kann, in denen das Bundesamt den ersten Asylantrag nicht der Sache nach beschieden, sondern nur gemäß der Regelung des § 27a AsylVfG i. V. m. der Dublin II-VO den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung in den für die Prüfung des Asylbegehrens zuständigen Staat angeordnet hat. Denn jedenfalls liegt kein Wiederaufgreifensgrund vor. Der Antragsteller ist insoweit der Auffassung, dass aufgrund der am 27. September 2013 zwischen ihm und Frau T1. G. aus F. in Dänemark geschlossenen Ehe die Antragsgegnerin verpflichtet sei, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen und seinen Asylantrag zu prüfen. Er beruft sich hierzu auf die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 1 und 8 EMRK.
15Dieser Argumentation folgt das Gericht nicht. Zu Recht geht der Antragsteller allerdings davon aus, dass die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und damit auch die Frage der Anwendung des sog. Selbsteintrittsrechts nach den Regelungen der Dublin II-VO erfolgt. Dem steht nicht entgegen, dass die Dublin-II-VO durch Artikel 48 Satz 1 Dublin-III-Verordnung, mit deren Inkrafttreten am 19. Juli 2013 aufgehoben worden ist. Gemäß Artikel 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für solche Anträge auf internationalen Schutz, die vor dem 1. Januar 2014 eingereicht wurden, weiterhin nach den Kriterien der außer Kraft getretenen Dublin II-VO.
16Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das der Antragsgegnerin durch Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eingeräumte Ermessen, auch dann einen Asylantrag zu prüfen, wenn hierfür an sich ein anderer Staat zuständig ist, nicht derart reduziert, dass allein eine Asylantragsprüfung durch die Antragsgegnerin in Betracht kommt. Zwar stehen Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Deswegen ist der Staat auch verpflichtet, bei Entscheidungen über Aufenthaltsbegehren die ehelichen Bindungen eines Ausländers an den deutschen Ehepartner, der sich im Bundesgebiet aufhält, in angemessener Weise zu berücksichtigen. Das beinhaltet aber nicht einen unbedingten Anspruch eines ausländischen Ehegatten, bei seinem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden deutschen Ehegatten Aufenthalt zu nehmen. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie lediglich in verhältnismäßiger Weise mit öffentlichen Interessen abzuwägen.
17Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239 = juris Rn. 6; Badura, in: Maunz/Dürig, 69. Ergänzungslieferung 2013, Art. 6 Rn. 63.
18Insoweit ist mit Blick auf das vom Antragsteller geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu beteiligen, dass eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht.
19Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 = juris Rn. 153; Dublin III-VO, Erwägungsgründe 2 ff.
20Kommt es einem Ausländer darauf an, jedenfalls ein Asylverfahren zu durchlaufen und beschränkt er angesichts seiner ehelichen Bindungen sein Begehren nicht darauf, ggf. durch aufenthaltsrechtliche Maßnahmen ein Zusammenleben mit seinem Ehepartner zu ermöglichen, so muss er hierbei angesichts des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt wird. Dies ist jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn die Trennung vom Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend ist.
21Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239 = juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 12.12 -, BVerwGE 144, 141 = juris Rn. 27.
22Davon ist bei der Durchführung des Asylverfahrens in Belgien auszugehen. Im Falle des Antragstellers kommt hinzu, dass die Durchführung des Asylverfahrens in Belgien auch deswegen nicht unzumutbar erscheint, weil eine ausreichende geographische Nähe zur Stadt F. besteht, wo die Ehefrau des Antragstellers lebt und wo er sich angesichts mehrerer in der Ausländerakte befindlichen polizeilichen Dokumente (Strafanzeigen etc.) offenbar auch sonst in der Vergangenheit bevorzugt aufgehalten hat. Dies sollte hinreichende Kontakte zu seiner Ehefrau ermöglichen. Aus der Gesamtschau der insoweit aufgezeigten Aspekte ergibt sich jedenfalls nicht, dass das Ermessen der Antragsgegnerin im Sinne der vom Antragsteller erstrebten Entscheidung auf Null reduziert wäre.
23Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Nach dieser Vorschrift hat jede Person das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Unstreitig unterfällt dem Begriff des Familienlebens auch die eheliche Lebensgemeinschaft. Allerdings kennt auch diese Vorschrift keinen unbedingten Anspruch, den gemeinsamen Wohnsitz nach Wahl der Eheleute an einem bestimmten Ort zu nehmen.
24Vgl. EGMR, Entscheidung vom 7. Oktober 2004 - 33743/03 -, NVwZ 2005, 1043; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Art. 8 Rn. 64, 68.
25Allenfalls wenn Eheleute gezwungen würden, über Jahre an verschiedenen Orten zu leben, könnte eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 EMRK gegeben sein.
26Vgl. EGMR, Entscheidung vom 29. Juli 2010 - 24404/05 -, Rn. 61 ff.
27Hierfür ist nichts ersichtlich. Einerseits ist mit einem zügigen Abschluss des Asylverfahrens in Belgien zu rechnen. Etwaige Verzögerungen seit der ersten Überstellung an Belgien hat sich der Antragsteller zudem aufgrund seiner vorzeitigen Ausreise aus Belgien selbst zuzuschreiben. Andererseits genießt die Ehefrau des Antragstellers innerhalb der Europäischen Union Freizügigkeit.
28Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken. Insbesondere besteht nach den obigen Ausführungen kein innerstaatliches Abschiebungshindernis.
29Ebenso ist der weiter gestellte Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen, da jedenfalls die Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, §§ 166 VwGO, 114 ZPO.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
31Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gründe
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.