Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 08. Apr. 2015 - 13 L 914/15.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 16. März 2015 bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 2076/15.A gegen die Abschiebungsanordnung unter Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. März 2015 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
5Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller fällt zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
6Das Bundesamt hat den Asylantrag der Antragsteller zu Recht als unzulässig abgelehnt, weil Polen für dessen Prüfung zuständig ist. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
7I. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Diese findet gemäß ihrem Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, also auch auf die Asylanträge der Antragsteller vom 5. Februar 2015.
8Danach ist Polen der zuständige Staat für die Prüfung dieser Asylanträge. Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Vorliegend haben die Antragsteller in ihrer Anhörung beim Bundesamt am 5. Februar 2015 selbst angegeben, sich zuvor in Polen aufgehalten zu haben. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch das Bundesamt.
9Dementsprechend hat die Antragsgegnerin unter dem 26. Februar 2015 ein Übernahmeersuchen an Polen gerichtet. Dieses wurde am 3. März 2015 angenommen. Polen ist daher grundsätzlich gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, die Antragsteller innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
10Lediglich vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass sich die Antragsteller auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Fristenregelung auch nicht berufen könnten, da die Vorschrift ihnen kein subjektives Recht einräumt.
11Vgl. hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Düsseldorf, Kammerurteil vom 12. September 2014– 13 K 8286/13.A –, juris.
12Den Antragstellern bleibt es unbenommen, sich freiwillig bei den zuständigen Behörden in Polen zu melden und hierdurch selbst das Verfahren zu beschleunigen. Dies betreffend regelt Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, die ausweislich der der Dublin III-VO vorangestellten Erwägungen (Nr. 24) entsprechend anwendbar ist, dass die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen kann.
13Vgl. hierzu Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 98. Ergänzungslieferung, November 2013, § 27a, Rn. 231 m.w.N.
14Hat es der Asylbewerber folglich selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolgt und dass sie überhaupt erfolgt, kann er mithin selbst zu der von ihm gewünschten Beschleunigung beitragen, verbietet schon der allgemeine – aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeleitete – Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“), sich auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland zu berufen.
15Entgegen der Ansicht der Antragsteller vermag das Gericht auch nicht zu erkennen, dass das Verfahren unangemessen lange gedauert hat. Dahingestellt bleiben kann, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer infolge einer verspäteten Anhörung auszugehen ist. Zwar sind die Antragsteller nach eigenem Vortrag bereits am 1. Oktober 2014 in die Bundesrepublik eingereist. Indes haben sie erst am 5. Februar 2015 einen Asylantrag gestellt. Die Anhörung konnte aber naturgemäß erst erfolgen, nachdem ein entsprechender Asylantrag vorlag. Vorliegend wurden die Antragsteller noch am Tage ihrer Asylbeantragung angehört.
16Anhaltspunkte für die Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen Polens haben die Antragsteller nicht hinreichend substantiiert vorgetragen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
17Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10. März 2015 – 6a K 3687/14.A –, juris, Rn. 27 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Februar 2015 – 10 L 3022/14.A –, juris, Rn. 24 m.w.N.
18Schließlich ist die Antragsgegnerin auch nicht gemäß Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO zu einer Familienzusammenführung verpflichtet. Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, entscheiden danach die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben. Ungeachtet dessen, dass die gemeinsame Tochter der Antragsteller (Themine Arakelian) den Wunsch von ihren Eltern unterstützt zu werden nicht schriftlich erklärt hat und nicht erkennbar ist, ob die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, fehlt es jedenfalls an einem rechtmäßigen Aufenthalt der Tochter der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts setzt voraus, dass der Aufenthalt durch einen exekutiven oder legislativen Akt legalisiert wurde. Das ist der Fall, wenn die Gebietszulassung – wie bei einer Duldung oder Aussetzung der Abschiebung – nicht nur hingenommen, sondern ausdrücklich ermöglicht wird. Ein bloßes gesetzliches vorübergehendes verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht wie etwa § 81 Absatz 3 Satz 1 bzw. Absatz 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder – wie vorliegend – § 55 Absatz 1 AsylVfG vermitteln, stellt keine Legalisierung in dem vorstehend genannten Sinne dar.
19Vgl. Funke-Kaiser, in GK-AsylVfG, Stand: 98 Ergänzungslieferung 2013, § 27a, Rn. 75 f.
20Damit kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob die Tochter der Antragsteller eine abhängige Person im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 Dublin III-VO ist.
21II. Gegen die Rechtmäßigkeit der auf § 34a Absatz 1 AsylVfG beruhenden Abschiebungsanordnung bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedsstaat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung liegen weder zielstaatsbezogene (2.) noch in der Person der Antragsteller bestehende, also inlandsbezogene (1.) Abschiebungshindernisse, vor.
221. Einer Überstellung der Antragsteller nach Polen stehen weder rechtliche (a) noch tatsächliche (b) Gründe im Sinne von § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG entgegen.
23a) Die Trennung der Antragsteller von ihrer gemeinsamen volljährigen Tochter und ihrem Enkelkind, deren Asylanträge ebenfalls wegen der nach der Dublin III-VO bestehenden Zuständigkeit Polens als unzulässig abgelehnt worden sind, wogegen sie ebenfalls einen Eilantrag gestellt und Klage (22 K 2472/15.A) erhoben haben, verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlich- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Familieneinheit (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz [GG] und Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention[EMRK]). Zwar kann auch die Bindung zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern in den Schutzbereich von Artikel 6 Absatz 1 GG bzw. Artikel 8 EMRK fallen. Indes kann sich daraus nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Abschiebungsschutz, beispielsweise wenn ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe des anderen Familienmitgliedes angewiesen ist und diese Hilfe sich nur in der Bundesrepublik Deutschland erbringen lässt, ergeben. Unter diesen Voraussetzungen erfüllt die Familie im Kern die Funktion einer Beistandsgemeinschaft. Kann der Beistand nur in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zuzumuten ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück.
24Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Mai 1996 – A 13 S 1431/94 –, juris, Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand: 64. Aktualisierung Juni 2009, § 60a Rn. 40.
25Ein solcher Ausnahmefall liegt bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht vor. Zwar folgt aus dem eingereichten ärztlichen Attest des die Tochter der Antragsteller behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov vom 3. Februar 2015, dass das Zusammenleben der Tochter mit den Antragstellern aus seiner Sicht notwendig sei um die Verschlechterung des psychopathologischen Zustandes zu vermeiden. Indes lässt sich dem Attest bereits nicht entnehmen, dass und wenn ja inwieweit die Tochter und/oder das Enkelkind der Antragsteller auf ihre Hilfe angewiesen ist/sind.
26Ungeachtet dessen erfüllt das Attest auch nicht die Mindestanforderungen, die in der Rechtsprechung an ärztliche Atteste gestellt werden. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer psychischen Erkrankung gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
27Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 17. März 2015 – 13 L 937/15.A –, juris, Rn. 14.
28Vorliegend lässt sich dem Attest bereits keine genaue Diagnose entnehmen. Das Attest enthält auch keine näheren Angaben zur Behandlungsbedürftigkeit sowie dem bisherigen Behandlungsverlauf.
29b) Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
30Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier beim Antragsteller zu 1.) in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
31Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
32Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller zu 1.) nicht erbracht. Zwar diagnostiziert der den Antragsteller zu 1.) behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Agadzanov ihm eine posttraumatische Belastungsstörung mit latenter Suizidalität sowie eine rezidivierende depressive Störung. Zudem wird eine Reiseunfähigkeit für die voraussichtliche Dauer von einem Jahr prognostiziert. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den vorstehend dargestellten Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
33Das vorgelegte ärztliche Attest vom 13. März 2015 enthält keine nachvollziehbaren tatsächlichen Umstände bezüglich der Erkrankung des Antragstellers, die die Prognose zuließen, dass sich sein psycholpathologischer Zustand infolge der Abschiebung in den Zielstaat Polen – und gerade nicht nach Armenien – massiv verschlechtern und höchstwahrscheinlich ein Suizid durchgeführt werden wird. Die die psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1.) ausgelösten Erlebnisse beziehen sich ausschließlich auf Armenien. Da ein Zusammenhang zwischen den psychischen Problemen des Antragstellers zu 1.) und dem Aufenthalt in Polen nicht erkennbar ist, erschließt sich dem Gericht auch nicht ohne weiteres, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1.) infolge der Überstellung nach Polen derart verschlechtern wird. Die geschilderten traumatischen Erlebnisse in Armenien werden durch die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers in Polen grundsätzlich weder positiv noch negativ beeinflusst. Überdies steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller zu 1.) sich auch in Polen in fachärztliche Behandlung begeben kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu 1.) auf eine kontinuierliche Behandlung in kürzesten Abständen angewiesen ist, liegen dem Gericht nicht vor. Insbesondere enthält das vorgelegte Attest keine Angabe hinsichtlich der erforderlichen zeitlichen Abstände der empfohlenen „systemischen Traumatherapie“. Selbst wenn der Antragsteller zu 1.) auf eine psychologische Behandlung unmittelbar nach der Überstellung angewiesen sein sollte, bestehen aber keine Zweifel, dass die Republik Polen als Mitgliedstaat der Europäischen Union in einem auf psychischen Erkrankungen beruhenden Notfall die etwa notwendigen Notpsychiatrieaufenthalte oder die in Krisensituationen etwa notwendige medikamentöse und sonstige Notversorgung zur Verfügung zu stellen Willens und in der Lage ist, da die Erkenntnisse des Gerichts keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme enthalten. Vielmehr ergibt sich aus den Erkenntnissen, dass die Versorgung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen in Polen grundsätzlich auch für Asylbewerber zugänglich ist.
34Vgl. VG Berlin, Urteil vom 01. April 2014 – 33 K 548.13 A –, juris, Rn. 63 m.w.N.
352. Schließlich liegen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse vor.
36Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
37BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris, Rn. 15.
38Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
39vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
40Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine Behandlung der psychischen Erkrankung des Antragstellers zu 1.) in Polen ausgeschlossen ist. Vielmehr bestehen in Polen grundsätzlich auch Behandlungsmöglichkeiten (s.o.).
41Dass Polen nach bestandskräftiger Ablehnung der dort gestellten Asylanträge die Asylbewerber in ihr Heimatland zurückführt, ist kein Umstand, der eine Ausnahme vom Verbot der Aussetzung der Abschiebung nach Polen rechtfertigen würde.
42Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 10. Februar 2014 – M 16 S7 14.30157 –, juris, Rn. 12.
43Soweit sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten sollte, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Polen, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies den Antragstellern nicht möglich sein soll.
44Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
45Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 08. Apr. 2015 - 13 L 914/15.A
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 8. September 1964 geborene Kläger zu 1. und die am 12. Januar 1965 geborene Klägerin zu 2. sind georgische Staatsangehörige christlich-orthodoxen Glaubens. Sie sind miteinander verheiratet und haben zwei Kinder.
3Im September 2013 verließen die Kläger nach eigenen Angaben Georgien und reisten nach Polen ein. Dort stellten sie ausweislich der EURODAC-Datenbank am 6. September 2013 einen Asylantrag. Am 5. März 2014 reisten die Kläger in die Bundesrepublik ein und stellten hier am 14. März 2014 einen weiteren Asylantrag.
4Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14. März 2014 gaben die Kläger an, sie hätten bereits in Polen Asyl beantragt. Sie wollten nicht, dass ihr Antrag in einem anderen Staat als Deutschland geprüft werde. In Polen habe man ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt und ihnen trotz der Erkrankungen des Klägers zu 1. keine medizinische Versorgung zur Verfügung gestellt.
5Am 28. Mai 2014 wandte die Beklagte sich an die polnischen Behörden und ersuchte um die Übernahme der Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“). Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 stimmte die Ausländerbehörde der Republik Polen – Abteilung für Flüchtlingsverfahren – der Rücküberstellung zu.
6Mit Bescheid vom 10. Juli 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Polen für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar. Der Bescheid wurde den Klägern am 13. August 2014 zugestellt.
7Am 18. August 2014 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus: Der Kläger zu 1. leide an Hepatitis C, die Klägerin zu 2. an einer Anämie unklarer Genese. Diese Krankheiten seien während ihres Aufenthalts in Polen festgestellt worden; eine Behandlung habe aber – trotz mehrfacher Nachfrage – nicht stattgefunden. Daher seien sie in die Bundesrepublik weitergereist. Es lägen systemische Mängel des Asylverfahrens in Polen vor; die dortigen Bedingungen genügten nicht dem europaweit vereinbarten Mindeststandard.
8Die Kläger beantragen (schriftsätzlich),
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2014 zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, ein Asylverfahren durchzuführen, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Flüchtlingseigenschaft aus § 3 bis 3e AsylvfG vorliegt,hilfsweise, die subsidiäre Schutzberechtigung aus § 4 AsylVfG und § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.
10Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
11die Klage abzuweisen.
12Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
13Die Kammer hat einen Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 18. August 2014 (6a L 1234/14.A) abgelehnt.
14Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2015 hat das Bundesamt mitgeteilt, dass die Kläger sich der beabsichtigten Überstellung durch Untertauchen entzogen hätten.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Das Gericht kann gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen eines Fernbleibens von der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind.
18Die Klage ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.
19Die Klage ist unzulässig, weil ein Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht festgestellt werden kann. Das geltend gemachte Klagebegehren setzt voraus, dass die Kläger am Fort- und Ausgang ihres Verfahrens ernsthaft interessiert sind. Dieses Interesse haben die Kläger offensichtlich nicht (mehr). Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Eine aktuelle ladungsfähige Anschrift haben sie nicht, auch nicht bei ihren Bevollmächtigten, hinterlassen. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dient dem Zweck, den Kläger zu individualisieren und dessen Erreichbarkeit für das Gericht sicherzustellen. § 10 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) sieht daher ausdrücklich vor, dass der Asylbewerber für die angerufenen Gerichte stets erreichbar sein muss und er jeden Wechsel seiner Anschrift mitzuteilen hat. Kommt der Asylbewerber dieser Pflicht nicht nach, deutet dies regelmäßig darauf hin, dass er am Fortgang seines Verfahrens nicht interessiert ist.
20Vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 6. August 1996 - 9 C 169.95 -, BVerwGE 101, 323; OVG NRW, Urteil vom 17. März 1998 - 18 A 4002/96 - und Beschluss vom 1. Februar 2002 - 21 A 1550/01.A -; BayVGH, Beschluss vom 10. September 2001 - 21 B 00.31685 -; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Mai 2007 - 2 M 153/07 -, alle bei juris veröffentlicht.
21Die Kammer hat die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Verfügungen vom 8. Januar 2015 und vom 13. Januar 2015 aufgefordert, eine aktuelle Anschrift der Kläger mitzuteilen. Die Prozessbevollmächtigten haben indessen unter dem 13. Januar 2015 und unter dem 3. Februar 2015 mitgeteilt, dass kein Kontakt mehr zu den Klägern bestehe und deren Aufenthaltsort auch ihnen – den Prozessbevollmächtigten – unbekannt sei.
22Die Klage wäre zudem mit den gestellten Anträgen, soweit sie über die Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2014 hinausgehen, auch deshalb unzulässig, weil nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nur die (isolierte) Aufhebung des Bescheides gemäß § 34a AsylVfG zulässiges Klageziel ist. Im Falle der Aufhebung ist zunächst das Bundesamt zur Durchführung des Asylverfahrens verpflichtet. Ein „Durchentscheiden“ des Gerichts kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.
23Die Klage ist im Übrigen auch unbegründet.
24Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Kammer hat dazu in ihrem Beschluss vom 26. August 2014 (6a L 1234/14.A) betreffend das Eilverfahren der Kläger ausgeführt:
25„Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
26Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (sog. „Dublin III-Verordnung“) die Republik Polen der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Polen den ersten Asylantrag gestellt haben und aus Polen in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Republik Polen mit Schreiben an das Bundesamt vom 30. Mai 2014 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
27Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Polen in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde. Auszugehen ist insoweit von der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Diese Vermutung ist nur widerlegt, wenn „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestehen, also Defizite, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 f., unter Bezugnahme (insbesondere) auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417.
29Nach der Rechtsprechung der Kammer und der meisten anderen Verwaltungsgerichte bestehen derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte für entsprechende „systemische Mängel“ bei der Behandlung von Asylbewerbern in Polen.
30Vgl. (aus der Vielzahl einschlägiger Entscheidungen) nur VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 17 L 1406/13.A - und vom 19. November 2013 - 25 L 2154/13.A -; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27. März 2014 - 1 K 8004/13.A -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2014 - 13 LA 22/14 -, juris, jeweils mit weiteren Nachweisen.
31Die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Situation von Asylbewerbern in Polen belegen insgesamt, dass die Aufnahmebedingungen in Polen im Allgemeinen den grund- und menschenrechtlichen Standards genügen. Dies gilt auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung. So wird etwa in der von der Association for Legal Intervention und von der Helsinki Foundation for Human Rights im Jahre 2013 publizierten Studie “Migration Is Not a Crime - Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners“ ausgeführt, dass in den polnischen Aufnahmeeinrichtungen die regelmäßige Anwesenheit eines Arztes sichergestellt ist und dass bei gesundheitlichen Problemen, die eine fachärztliche Versorgung notwendig machen, auch das Aufsuchen eines Facharztes außerhalb der Einrichtung gewährleistet wird (Seite 23 ff. der Studie). Auch dem „National Country Report: Poland“ von 2013 der vom Europäischen Flüchtlingsrat getragenen „aida“-Datenbank ist zu entnehmen, dass eine kostenlose medizinische Versorgung Asylsuchender grundsätzlich gewährleistet ist (dort Seite 38 f.). Dass die medizinische Versorgung nicht in allen Aufnahmeeinrichtungen von gleicher Qualität ist und es im Einzelfall Schwierigkeiten bei der zeitnahen fachärztlichen Versorgung geben kann, führt nicht dazu, dass „systemische Bedenken“ im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung anzunehmen wären. Die in beiden Studien hervorgehobenen Probleme bei der sprachlichen Verständigung zwischen Ärzten und Asylbewerbern dürften in Deutschland in ähnlicher Weise bestehen. Den in den genannten Quellen niedergelegten Erkenntnissen entsprechen schließlich auch die Angaben in der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 6. Dezember 2013 betreffend die Rücküberstellung nach Polen im Rahmen des Dublin II-Verfahrens und in der Antwort der Bundesregierung vom 25. September 2013 auf eine Kleine Anfrage mehrerer Bundestagsabgeordneter zur asylrelevanten Lage in Tschetschenien, die sich auf den Seiten 5 ff. mit der Behandlung von Asylbewerbern in Polen, namentlich mit deren medizinischer Behandlung, befasst (Bundestags-Drucksache 17/14795).
32Soweit die Antragsteller sich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 26. April 2013 (8 E 20075/13 Me) beziehen, ist festzustellen, dass die Frage systemischer Mängel in Bezug auf das polnische Asylsystem in diesem Beschluss lediglich als „offen“ bezeichnet worden ist. Auch das Verwaltungsgericht Meiningen hat sich im Übrigen zur Begründung in erster Linie auf die oben erwähnte Studie „Migration is not a crime“ der Helsinki Foundation berufen, also offenbar nicht über andere Anhaltspunkte für systemische Schwachstellen verfügt.
33Hinsichtlich des von den Antragstellern angeführten Beschlusses des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 10. September 2013 (5 L 652/13.WI.A), in dem die aufschiebende Wirkung einer entsprechenden Klage wegen der Notwendigkeit der näheren Beschäftigung mit der Frage der systemischen Mängel angeordnet worden ist, ist festzustellen, dass die betreffende Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden inzwischen im zugehörigen Hauptsacheverfahren – nach Einholung der oben angeführten Auskunft des Auswärtigen Amtes – die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, systemische Mängel seien nicht festzustellen.
34Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 19. Februar 2014 - 5 K 651/13.WI.A -, juris.
35Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
36An diesen Überlegungen hält die Kammer nach nochmaliger Überprüfung fest.
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Beschluss soll der Ausländerbehörde der Stadt P. per Telefax bekanntgegeben werden.
1
Gründe:
2Der am 10. Dezember 2014 gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (10 K 8285/14.A) gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, insbesondere nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG fristgerecht gestellt, aber unbegründet.
5Bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse der Behörde und dem Suspensivinteresse des Antragstellers, wobei das erstere regelmäßig überwiegt, wenn der eingelegte Rechtsbehelf wegen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, und das letztere regelmäßig überwiegt, wenn der Rechtsbehelf wegen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.
6Die Abschiebungsanordnung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 14. November 2014 ist offensichtlich rechtmäßig.
7Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
8Das Bundesamt hat die Asylanträge der Antragstellerinnen zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor. Da die Antragstellerinnen ihre Asylanträge am 29. Juli 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 gestellt haben, richtet sich die Bestimmung des zuständigen Staates nach der Dublin-III-Verordnung, vgl. Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach ist für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerinnen nicht die Antragsgegnerin, sondern die Republik Polen zuständig. Denn am 22. September 2014 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Polen, woraufhin die polnische Behörde am 24. September 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin-III-VO erklärte.
9Diese Zuständigkeit ist nicht nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist erfolgt. Die in Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO festgesetzte Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs beträgt zwei Monate nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (Eurodac-Verordnung). Diese Frist hat das Bundesamt eingehalten: Die Eurodac-Treffermeldung lag am 30. Juli 2014 vor (vgl. Bl. 43 bis 46 des Verwaltungsvorgangs), das Wiederaufnahmeersuchen wurde spätestens am 24. September 2014 – wenn man zugrundelegt, dass an diesem Tag das undatierte Wiederaufnahmeersuchen von der polnischen Behörde beantwortet wurde – und damit vor Ablauf von zwei Monaten gestellt. Es mag sein, dass – wie die Antragstellerinnen zutreffend bemerken – nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO das Wiederaufnahmegesuch vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebotes so bald wie möglich zu stellen ist. Die von Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO in Bezug genommene Frist beträgt aber zwei Monate und wurde gewahrt.
10Ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2014 – 13 L 1645/14.A –, juris Rdnr. 16; VG Aachen, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 7 L 322/14.A –, juris Rdnr. 11, m. w. N. aus der Rspr.
11Die Antragsgegnerin ist auch nicht für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts zuständig geworden. Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedstaates voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedstaates verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO in eigener Verantwortung durchzuführen.
12Vgl. zur Dublin-II-VO: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 3.
13Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin-III-Verordnung nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt.
14Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
15Gemessen daran hat die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich erklärt, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Ob im Einzelfall auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar sein mag, kann dahinstehen.
16Dies bejahend: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
17Denn eine solche „konkludente“ Ausübung müsste ebenso zweifelsfrei den Willen des Mitgliedsstaates erkennen lassen, das Asylverfahren entgegen der Zuständigkeitsverteilung nach der Dublin-III-VO in eigener Zuständigkeit durchzuführen.
18Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Ansbach, Urteil vom 5. November 2009 - AN 5 K 09.30201 - juris Rdnr. 17 und 18;
19Daran fehlt es aber vorliegend. Allein in der durch das Bundesamt am 19. August 2014 durchgeführten Anhörung nach § 25 AsylVfG zu den Asylgründen der Antragstellerin zu 1) hat das Bundesamt nicht zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass es das Selbsteintrittsrecht wahrnehmen wolle.
20Vgl. auch VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Hamburg, Beschluss vom 2. März 2010 – 15 AE 44/10 –, juris; VG Münster, Beschluss vom 4. März 2009 – 9 L 77/09.A –, juris Rdnr. 15; a. A. (allerdings auch bei einem etwas anderen Sachverhalt): VG Hamburg, Beschluss vom 20. August – 8 AE 356/08 –, juris Rdnr. 3 f.
21Daran ändert nichts, dass das Bundesamt vor der Anhörung nach § 25 AsylVfG am 19. August 2014 bereits am 29. Juli 2014 das „persönliche Gespräch“ im Sinne des Art. 5 Dublin-III-VO zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates durchgeführt hatte. Zwar wäre die Einleitung eines Dublin-Verfahrens schon nach diesem persönlichen Gespräch und dem am 30. Juli 2014 erhaltenen Eurodac-Treffer ohne Weiteres möglich gewesen. Davon ausgehend kann aber nicht im Umkehrschluss aus dem Umstand, dass das Bundesamt dies zunächst unterlassen und stattdessen die Anhörung zu den materiellen Asylgründen der Antragstellerin zu 1) durchgeführt hat, darauf geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin damit von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollte.
22Zunächst verhält sich Art. 5 Dublin-III-VO nicht zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO. Vielmehr lässt die Vorschrift das Selbsteintrittsrecht gerade unberührt, weil das persönliche Gespräch nach Art. 5 Dublin-III-VO nur dazu dient, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Hingegen zeichnet das Selbsteintrittsrecht gerade aus, dass es unabhängig davon ausgeübt wird, welcher Staat nach der Dublin-III-VO rechtlich zuständig wäre, und stattdessen politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen im Einzelfall folgt.
23Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) auch dadurch motiviert gewesen sein, eine breitere Entscheidungsgrundlage für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu erlangen, eine solche Entscheidung also nur vorzubereiten. Angesichts dessen, dass sich die Antragstellerin zu 1) in ihrem Asylantrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3. Juli 2014 unter anderem auch darauf berufen hat, in Polen keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben und bedroht worden zu sein, mithin systemische Mängel bei der Unterbringung in Polen beständen, kann die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) am 19. August 2014 auch dazu gedient haben, nähere Informationen von ihren persönlichen Erlebnissen in Polen zu erhalten und auf dieser Grundlage die Ausübung des Selbsteintrittsrechts näher prüfen zu können. Dementsprechend bezog sich die Befragung auch im Wesentlichen darauf, warum die Antragstellerinnen nicht in Polen bleiben könnten. Dass die Antragstellerin zu 1) daneben auch dazu befragt wurde, warum sie nicht in ihre Heimat Russland zurückkehren könne, ändert nichts daran, dass allein anhand der Befragung die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nicht zweifelsfrei abgeleitet werden kann. Der anhörende Mitarbeiter hat nämlich auch nicht gegenüber der Antragstellerin zu 1) erklärt, dass ihr Asylbegehren inhaltlich-sachlich in der Bundesrepublik geprüft werde, sondern allein, dass sie zu ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen für ihren Asylantrag angehört werde. Im Übrigen kann die Anhörung nach § 25 AsylVfG vorliegend auch nur deshalb erfolgt sein, weil das Bundesamt bereits am 29. Juli 2014 im direkten Anschluss an die Asylantragstellung irrtümlich verfrüht diesen Termin festgelegt hatte. All dies zeigt, dass die Durchführung der Anhörung nach § 25 AsylVfG jedenfalls nicht ausschließlich und damit zweifelsfrei dahin verstanden werden kann, die Antragsgegnerin habe von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollen, sondern auch andere mögliche Erklärungen denkbar sind.
24Etwas anderes können die Antragstellerinnen auch nicht aus den von ihnen zitierten Entscheidungen herleiten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 – vielmehr betont, dass es von den – soeben gewürdigten – Umständen des Einzelfalls abhänge, ob eine Anhörung des Asylbewerbers zu den Gründen der Verfolgungsfurcht hinreichend zweifelsfrei die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum Ausdruck bringe. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat sich in seinem Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 – zu der hier erheblichen Frage nicht geäußert, sondern in dem anderen Zusammenhang eines verspätet gestellten Übernahmeersuchens lediglich ohne weitere Begründung angedeutet, dass in dem Beginn einer sachlichen Prüfung – ungeachtet dessen, ob dieser hier überhaupt schon angenommen werden kann – durch das Bundesamt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gesehen werden könnte.
25Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, weil in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende bestünden. Denn solche bestehen in Polen nicht.
26Vgl. dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen: Beschluss des Einzelrichters vom 15. Januar 2015 – 10 L 2636/14.A –.
27Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden, § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Insbesondere stehen vom Bundesamt in diesem Rahmen zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe,
28vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris,
29mit Blick auf die gesundheitliche Verfassung der Antragstellerin 2) einer Abschiebung nicht entgegen.
30Ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 19 B 352/07 –, juris Rdnr. 5.
32Eine derartige Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) ist nicht belegt. In der Antragsschrift vom 10. Dezember 2014 haben die Antragstellerinnen lediglich behauptet, dass die Antragstellerin zu 2) „wohl“ vom 1. bis 3. Dezember 2014 stationär in P. behandelt worden sei, da sie seit zwei Monaten keine Nahrung mehr zu sich nehme, sondern nur trinke. Eine fundierte ärztliche Aussage zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2) liegt jedoch nicht vor. Aus den vorgelegten Attesten des Kinder- und Jugendarztes S. C. vom 9. Dezember 2014 geht lediglich hervor, dass die Antragstellerin zu 2) seit drei Tagen alles erbreche und anhaltend Verstopfung habe sowie die Gabe von Microklist, einem Abführmittel, und gegebenenfalls eine stationäre Aufnahme empfohlen werde. Diese vagen Angaben, die noch nicht einmal eine Diagnose enthalten und die Angaben der Antragstellerinnen, die Antragstellerin zu 2) nehme seit zwei Monaten keine feste Nahrung zu sich, nicht bestätigen, rechtfertigen ohne nähere Angaben aus sich heraus nicht zwangsläufig die Annahme der Reiseunfähigkeit, d. h. dass der konkrete gesundheitliche Zustand der Antragstellerin zu 2) eine Reise nicht erlaube. Die dazu erforderlichen weiteren Angaben haben die Antragstellerinnen entgegen ihrer eigenen Ankündigung und trotz Erinnerung durch das Gericht innerhalb eines Zeitraums von mehr als zwei Monaten nicht vorzulegen vermocht.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
34Die Mitteilung des Beschlusses an die Ausländerbehörde beruht auf § 83a AsylVfG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 16. März 2015 sinngemäß bei Gericht anhängig gemachte Antrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 2015 (13 L 3236/14.A) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 8755/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. Dezember 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig (I.), und hat auch in der Sache keinen Erfolg (II.).
5I. Der Antrag nach § 80 Absatz 7 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist bereits unzulässig.
6Gemäß § 80 Absatz 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache jederzeit, d.h. ohne Bindung an Fristen, von Amts wegen oder – wie hier – auf Antrag eines Beteiligten einen Beschluss über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ändern oder aufheben. Das Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass Veränderungen während des Hauptsacheverfahrens eintreten, auf die trotz Rechtskraft des Beschlusses zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes reagiert werden muss. Es dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung formell und materiell richtig ist. Maßgeblich ist somit eine entscheidungserhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist. Soweit ein Beteiligter den Antrag stellt, kann der Antrag nur damit begründet werden, dass sich entscheidungserhebliche Umstände, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, geändert haben oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (§ 80 Absatz 7 Satz 2 VwGO). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf die die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe.
7vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschlüsse vom 25. August 2008 – 2 VR 1.08 –, juris, Rn. 4 ff. und 29. Januar 1999, – 11 VR 13.98 – , juris; VG Augsburg, Beschluss vom 25. Juli 2014– Au 7 S 14.50183 –, juris, Rn. 15; VG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. Juni 2014 – 12 B 1903/14 –, juris, Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 80 Rn. 197.
8Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ist bereits nicht ersichtlich, dass der Antragsteller eine etwaige psychische Erkrankung ohne Verschulden im ursprünglichen Verfahren nicht geltend gemacht hat. Der Antragsteller hat erst mit Schriftsatz vom 16. März 2015 unter Vorlage einer „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge Düsseldorf vom 10. März 2015 auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und depressiven Symptomatik hingewiesen. Weder im gerichtlichen Verfahren noch beim Bundesamt hat er auf seinen Gesundheitszustand aufmerksam gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm ein dahingehender Vortrag nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre.
9II. Ungeachtet dessen ist der Antrag auch nicht begründet, da die im Rahmen des Änderungsverfahrens vorgebrachten Gründe zu keinem anderen Ergebnis führen. Insoweit kommt auch keine Abänderung des Beschlusses vom 22. Januar 2015 nach § 80 Absatz 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen in Betracht.
10Trotz der in der „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge E. vom 10. März 2015 benannten Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) ist weder ein inlandsbezogenes (1.) noch ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis (2.) ersichtlich.
111. Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Gestalt einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit liegt vor, wenn krankheitsbedingt schon keine Transportfähigkeit besteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinne) oder wenn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass sich der Gesundheitszustand als unmittelbare Folge der Abschiebung erheblich verschlechtern wird (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne).
12Bei einer psychischen Erkrankung, wie sie hier in Rede steht, kann vom Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses im genannten Sinn außer in Fällen einer Flugreise- bzw. Transportuntauglichkeit im engeren Sinne nur dann ausgegangen werden, wenn entweder im Rahmen einer Abschiebung die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Ausländers droht, der auch nicht durch ärztliche Hilfen oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden kann, oder wenn dem Ausländer unmittelbar durch die Abschiebung bzw. als unmittelbare Folge davon sonst konkret eine erhebliche und nachhaltige Verschlechterung des Gesundheitszustands droht, die allerdings – in Abgrenzung zu zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen – nicht wesentlich (erst) durch die Konfrontation des Betreffenden mit den Gegebenheiten im Zielstaat bewirkt werden darf. Ferner kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis aufgrund einer (auch psychischen) Erkrankung vorliegen, wenn dem Ausländer bei seiner Ankunft im Zielstaat eine Gefährdung im Sinne des oben aufgezeigten Maßstabs droht, weil es an einer erforderlichen, unmittelbar nach der Ankunft einsetzenden Versorgung und Betreuung fehlt.
13Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 29. November 2010 – 18 B 910/10 –, juris, Rn. 15 f. m.w.N.
14Einen diesen Anforderungen genügenden Nachweis einer Vorerkrankung, die zur Annahme der Reiseunfähigkeit führen könnte, hat der Antragsteller nicht erbracht. Zwar diagnostiziert die den Antragsteller untersuchende Frau Dr. des. E1. A. ihm eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine starke depressive Symptomatik und schätzt ihn als nicht reisefähig an. Allerdings genügt diese Bescheinigung schon nicht den Anforderungen, die an die Substantiierung eines Vorbringens einer solchen Erkrankung zu stellen sind.
15Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an posttraumatischer Belastungsstörung (sowie eines entsprechenden Beweisantrages) angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen.
16Die vorgelegte „Bestätigung“ des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge E. vom 10. März 2015 vermag diese Anforderungen ersichtlich nicht zu erfüllen.
17Zunächst ist bereits nicht ersichtlich, dass die den Antragsteller untersuchende Frau Dr. des. E1. A. als eine „Systemsiche Traumatherapeutin und Traumatherapeutin für Kinder und Jugendliche, Systemische Therapeutin und Famlientherapeutin (DGSF), Heilpraktikerin für Psychotherapie“ über die erforderliche Ausbildung verfügt, um fundiert eine am ICD-10 orientierte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und/oder Depression bei dem Antragsteller stellen zu können. Über eine Facharztausbildung, die sie zur Feststellung einer etwaigen Reiseunfähigkeit befähigen könnte, verfügt sie nicht.
18Vgl. hierzu VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 – Au 7 S 14.50094 –, juris, Rn. 56 m.w.N.
19Ungeachtet dessen fehlt es an einer ausreichenden Exploration, da die Diagnose ausschließlich auf der Grundlage eines einzigen Gesprächstermins getroffen worden ist und allein auf den nicht weiter überprüften und hinterfragten Angaben des Antragstellers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal beruht, die dieser erstmals ihr gegenüber gemacht hat und denen sie ohne weiteres Glauben geschenkt hat. Dies wird durch die in der „Bestätigung“ verwendeten Formulierungen der Heilpraktikerin für Psychotherapie veranschaulicht. So heißt es im Anschluss an die Wiedergabe der Schilderung des Antragstellers:
20„Herr H. berichtet von massiven, kumulativen traumatogenen Situationen (Erwartung der Hinrichtung in Somalia, Misshandlung in Lybien, Lebensgefahr und Zeugenschaft beim Tod von Menschen während der Überfahrt nach Italien), die geeignet sind, die Symptomatik auszulösen. Dies lässt auf das Vorliegen einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS, F 43.1) schließen. Dieser Eindruck deckt sich mit der Verhaltensbeobachtung (starke Unruhe, der immer wieder abwesende Blick lässt auf Dissoziationen schließen). Darüber hinaus berichtet Herr H. von einer starken depressiven Symptomatik (extreme Schlaflosigkeit, deutlicher Gewichtsverlust, ständiges Grübeln…).“
21Gleichfalls fehlt es an einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung hinsichtlich der Einschätzung der Heilpraktikerin für Psychotherapie des Antragstellers als reiseunfähig. Dem Gericht erschließt sich nicht ohne weiteres, weshalb eine Rückführung des Antragstellers nach Italien „extrem angstbesetzt“ und „eine psychische Dekompensation mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen […] mit hoher Wahrscheinlichkeit sowohl kurz vor als auch alsbald nach einer zwangsweisen Rückführung vorzusehen“ sei. Diese völlig unsubstaniierte Einschätzung bzw. Vorausschau der Heilpraktikerin für Psychotherapie lässt sich insbesondere auch nicht aus den vom Antragsteller geschilderten Erlebnissen ableiten, da diese den Bezug zu Italien vermissen lassen. Insoweit hat der Antragsteller lediglich geschildert, dass er auf der Straße habe leben müssen und die Situation schrecklich gewesen sei. Dass diese Erlebnisse zu einer etwaigen psychischen Erkrankung beigetragen haben, ist dagegen nicht ersichtlich. Auch führt die Heilpraktikerin im Rahmen der Aufzählung der traumatogenen Situationen die Erlebnisse des Antragstellers in Italien nicht mit auf.
22Schließlich fehlt es auch an einer Begründung des Antragstellers, warum er seine Erkrankung nicht früher geltend gemacht hat. Während er gegenüber dem Bundesamt in seiner Anhörung vom 11. Juni 2014 keinerlei Gründe geltend gemacht hat, die seiner Rückführung nach Italien entgegenstünden, hat er gegenüber dem Gericht lediglich vorgetragen, dass er die erneute Obdachlosigkeit fürchte und es in Italien derzeit kalt sei. Indes wäre zu erwarten gewesen, dass Ausführungen zum Gesundheitszustand des Antragstellers bei einer tatsächlichen psychischen Erkrankung bereits in diesem Rahmen erfolgt wären und nicht erst kurz vor der bevorstehenden Überstellung nach Italien erstmalig geltend gemacht werden.
232. Dem ärztlichen Attest lässt sich auch nichts für das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses im Sinne von § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG entnehmen.
24Gemäß § 60 Absatz 7 Satz 1 AsylVfG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben oder Freiheit besteht. Leidet der Ausländer bereits vor der Abschiebung unter einer Erkrankung, ist von einer solchen Gefahr auszugehen, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht,
25BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.05 –, BVerwGE 127,33 = juris Rn. 15.
26Dies ist der Fall, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt,
27vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. April 2007 – 13 A 4611/04.A –, juris Rn. 32 = NRWE.
28Die Gefahr einer solchen Gesundheitsbeeinträchtigung besonderer Intensität ist hier nicht ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Substantiierung der psychischen Erkrankung Bezug genommen. Überdies sind keine Umstände ersichtlich oder vorgetragen, die einen Anhaltspunkt dafür geben könnten, dass eine - gegebenenfalls erforderliche - Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik Deutschland erfolgen kann und nicht auch in Italien möglich ist. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Behandlung einer psychischen Erkrankung des Antragstellers auch in Italien in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Nach der bestehenden Auskunftslage sind Asylbewerber in Fragen der Gesundheitsversorgung den italienischen Staatsbürgern gleichgestellt. Die Anmeldung beim nationalen Gesundheitsdienst ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen nicht nur im Rahmen der Notfallversorgung, sondern auch hinsichtlich der Behandlung bei Spezialisten, etc. berechtigt. Die Überweisungen an Spezialisten sind zudem für Asylbewerber kostenfrei. Darüber hinaus besteht gerade für Asylbewerber die Möglichkeit, an Projekten von Nichtregierungsorganisationen oder anderen privaten Trägern, deren Mitarbeiter speziell auf die Behandlung psychischer Krankheiten von Flüchtlingen ausgebildet sind, teilzunehmen.
29VG Ansbach, Beschluss vom 8. Dezember 2014 – AN 14 K 14.50187b, AN 14 SAN 14 S 14.50186 –, juris, Rn. 33 m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 5a K 2360/13.A –, Rn. juris, 51 ff. m.w.N.
30Soweit die Heilpraktikerin für Psychotherapie ausführt, der Antragsteller sei aufgrund seiner schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage, die Lebensbedingungen in Italien zu bewältigen, die bereits für einen gesunden Menschen überfordernd sein können, bleibt es bei einer bloßen Behauptung, die erneut allein auf der Grundlage der Schilderungen des Antragstellers aufgestellt wird. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die rechtliche Bewertung der Lebensbedingungen für Asylbewerber in Italien dem Gericht obliegt. Dieser Aufgabe ist das Gericht in seinem Beschluss vom 22. Januar 2015 bereits hinreichend nachgekommen.
31Sollte sich aufgrund gesundheitlicher Erwägungen womöglich eine Abschiebung in den Herkunftsstaat verbieten, ist ein entsprechender Einwand in dem zuständigen Mitgliedstaat, also Italien, zu erheben. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dies dem Antragsteller nicht möglich sein soll.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
33Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.