Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 08. Juli 2013 - 3 K 897/12.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2013:0708.3K897.12.KO.0A
bei uns veröffentlicht am08.07.2013

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine ausländerpolizeiliche Verfügung des Beklagten und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der im Jahr 1968 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger. Seit 1993 war er mit der deutschen Staatsangehörigen ... (alias ...) verheiratet. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: der im Jahre 1993 in Russland geborene Sohn A. sowie die in Deutschland in den Jahren 2000 und 2002 geborenen Töchter B. und C. Im Jahr 2007 wurde die Ehe geschieden.

3

Am 21. Dezember 1998 reiste der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und dem Sohn A. mit einem bis zum 10. März 1999 gültigen Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung nach Deutschland ein. Auf seinen Antrag vom 20. Januar 1999 wurde ihm zunächst eine Aufenthaltserlaubnis, befristet bis zum 20. Januar 2000 erteilt. In den folgenden Jahren wurde die Aufenthaltserlaubnis stets auf Antrag des Klägers verlängert, zuletzt bis zum 25. September 2008. Bis zu diesem Zeitpunkt befand er sich lückenlos im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis.

4

Während seines Aufenthalts in Deutschland hat der Kläger zunächst nach eigenen Angaben im Jahr 1999 für mehrere Monate bei einem Bauern gearbeitet. Danach hat er im Zeitraum 2000 bis 2002 für ca. zwei Jahre verschiedene Berufe erlernt, nämlich den des Staplerfahrers, des Schweißers, des Fräsers und den des Drehers und in diesen Berufen auch gearbeitet. In den Jahren 2003 und 2004 war er zum Teil in Haft und im Übrigen arbeitslos. Im Jahr 2005 hat er für ca. 10 Monate bei einer Leiharbeitsfirma gearbeitet. 2006 wurde er erneut inhaftiert und hat seitdem nicht mehr gearbeitet. Zur Zeit arbeitet er in der Justizvollzugsanstalt.

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Während seines Aufenthalts in Deutschland ist der Kläger wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

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Am 17. Dezember 2002 wurde er vom Amtsgericht Bernkastel-Kues wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu je 8,-- € verurteilt.

7

Am 30. Juli 2003 verurteilte das Amtsgericht Saarbrücken ihn wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Mit Wirkung vom 26. März 2008 wurde die Strafe nach Ablauf der nach Verlängerung um anderthalb Jahre insgesamt viereinhalbjährigen Bewährungszeit erlassen.

8

Am 25. August 2003 wurde der Kläger vom Amtsgericht Bad Kreuznach wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,--€ verurteilt.

9

Am 14. Februar 2006 verurteilte das Amtsgericht Idar-Oberstein ihn wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tatmehrheit mit Unterschlagung zu 6 Monaten Freiheitsstrafe, die wiederum für eine Zeit von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde.

10

Unter Einbeziehung dieser Verurteilung wurde er am 04. Juli 2006 vom Amtsgericht Idar-Oberstein wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 75 Fällen in Tatmehrheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Pflichtversicherungsgesetz begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

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Weiter wurde der Kläger vom Amtsgericht Saarbrücken am 28. September 2006 wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem Diebstahl und in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem Diebstahl mit Waffen – begangen aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit – unter Einbeziehung der Verurteilung des Amtsgerichts Idar-Oberstein vom 04. Juli 2006 und unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafenbildung zu den folgenden beiden nebeneinander bestehen bleibenden Gesamtstrafen verurteilt: Eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde und eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.

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Am 26. April 2007 verurteilte das Amtsgericht Saarbrücken ihn wegen Raubes unter Einbeziehung der Einzelstraftaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 28. September 2006 und nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wurde, bis zum 11. September 2011.

13

Schließlich verurteilte ihn das Landgericht Bad Kreuznach am 29. Dezember 2009 aufgrund der Hauptverhandlung vom 08. und 29. Dezember 2009 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den in der Verwaltungsakte befindlichen Urteilsabdruck (Bl. 181 – 196 der Verwaltungsakten des Beklagten) sowie auf Blatt 534 und Blatt 592 f. der Strafakte Bezug genommen.

14

Am 08. Januar 2009 beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Diesen Antrag hat der Beklagte nicht beschieden. Stattdessen wies er den Kläger nach vorheriger Anhörung mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. April 2010 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte gleichzeitig die Abschiebung des Klägers aus der Haft heraus an. Zur Begründung verwies der Beklagte auf die letzte Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Bad Kreuznach vom Dezember 2009 – 1021 Js 8468/09 – Ks –. Eine Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung wurde vom Beklagten ausdrücklich nicht vorgenommen.

15

Dagegen hat der Kläger am 25. Mai 2010 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2012 zurückgewiesen wurde.

16

Am 24. September 2012 hat der Kläger Klage erhoben.

17

Zu deren Begründung trägt er vor, die Ausweisung sei nicht gerechtfertigt. Insbesondere treffe es bereits nicht zu, dass ihm vor Erlass der Ausweisungsverfügung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden sei. In der Sache habe der Beklagte seine Entscheidung auf der Grundlage falscher tatsächlicher Annahmen getroffen. So habe dieser seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland erst ab dem Jahr 2000 angenommen, obwohl er sich bereits seit Dezember 1998 unter anderem auf der Grundlage eines Visums und späterer Aufenthaltserlaubnisse rechtmäßig in Deutschland aufgehalten habe. Hätte der Beklagte diesen Zeitraum mitberücksichtigt, so hätte dies in seiner Person zu einem besonderen Ausweisungsschutz geführt, was im Rahmen der Ausweisungsentscheidung völlig unberücksichtigt geblieben sei.

18

Ebenso habe der Beklagte nicht ordnungsgemäß berücksichtigt, dass er wieder Kontakt zu seiner Ex-Ehefrau und seinen Kindern unterhalte. Letztere hätten auch ein entsprechendes Schreiben an das Gericht gerichtet, in dem sie um seinen weiteren Aufenthalt bäten.

19

Des Weiteren seien die Umstände der abgeurteilten Taten nicht zutreffend gewürdigt worden. Aus dem Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach gehe hervor, dass es sich um eine Tat im Affekt gehandelt habe. Auch die vom Landgericht Bad Kreuznach in seinem Urteil aufgezeigten Milderungsgründe hätten ebensowenig Beachtung gefunden wie die Tatsache seiner damaligen Drogenproblematik.

20

Ungeachtet dessen sei auch sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 08. Januar 2009 bis heute nicht beschieden worden. Ihm stehe ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis schon mit Blick auf seine lange Aufenthaltsdauer in Deutschland zu.

21

Es sei ihm auch nicht zumutbar, nach Russland zurückzukehren. Abgesehen davon, dass er dort keine Familie mehr habe, habe er dort anlässlich eines Aufenthaltes im Jahr 2000 Probleme mit der Polizei gehabt, was schließlich dazu geführt habe, dass er misshandelt und ihm geraten worden sei, nicht mehr nach Russland zurückzukehren.

22

Der Kläger beantragt,

23

den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 und der Ergänzung durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Hilfsweise beantragt er,
den Beklagten zu verpflichten, die Sperrwirkung der Ausweisung weiter zu verkürzen, und zwar angemessen deutlich unter 7 Jahre.

24

Der Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Er trägt vor, die Ausweisung finde ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz. Danach werde unter anderem ausgewiesen, wer wegen einer oder mehrerer Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden sei. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger schon mit Blick auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren.

27

Besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 56 Aufenthaltsgesetz komme ihm nicht zugute. Er habe sich lediglich zwischen dem 20. Januar 2000 und dem 25. September 2008 rechtmäßig in Deutschland aufgehalten. Es seien keine besonderen Umstände ersichtlich, die es gebieten würden, ihm den weiteren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Von seiner Familie lebe er getrennt, nachdem die Ehe im Jahr 2007 geschieden worden sei. Das Sorgerecht für die Kinder habe seine Ex-Ehefrau. Es bestünden auch keine intensiven schutzwürdigen Kontakte zu den Kindern bzw. der Ex-Ehefrau. Diese hätten den Kläger zuletzt im Dezember 2010 in der Justizvollzugsanstalt besucht.

28

Auch ansonsten seien keine besonderen wirtschaftlichen oder sozialen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet ersichtlich. Demgegenüber sei er in Russland aufgewachsen und habe dort die Schule besucht, so dass er sich dort auch wieder zurechtfinden könne.

29

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf 7 Jahre befristet.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (2 Hefte) sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach Az.: 1021 Js 8468/09 – Ks – (3 Hefte) sowie der Gefangenen-Personalakten der JVA Diez Az.: 203/10-6 (2 Hefte) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

31

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

32

Die gegen die Ausweisung und Abschiebungsandrohung gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch im Übrigen zulässig.

33

Der Zulässigkeit der vom Kläger hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage auf weitere Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung steht nicht entgegen, dass der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 28. April 2010 in der mündlichen Verhandlung dahingehend abgeändert hat, die Sperrwirkung der Ausweisung auf 7 Jahre zu befristen. Insoweit ist anerkannt, dass Verwaltungsakte auch nach ihrem Erlass noch geändert werden können. Dies kann noch im gerichtlichen Verfahren erfolgen (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 – 7 C 5.90 –). Derartige Veränderungen dürfen indessen nicht dazu führen, dass der Verwaltungsakt in seinem Wesensgehalt gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt völlig verändert wird. Davon ist vorliegend jedoch nicht auszugehen. So hat der Beklagte ursprünglich ausgeführt, die Ausweisung sei derzeit unbefristet auszusprechen. Demnach handelt es sich bei der nunmehr erfolgten Befristung auf 7 Jahre vom Ansatz her um eine Vergünstigung für den Kläger. Eine Wesensänderung des Verwaltungsaktes liegt darin nicht.

34

Schließlich bedurfte es hinsichtlich der erfolgten Befristung auch nicht der Durchführung eines Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO. Dem Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Davon hat er auch Gebrauch gemacht und seine Klage in zulässiger Weise (§ 91 Abs. 1 und 2 VwGO) um einen Hilfsantrag auf weitere Befristung der Wirkungen der Ausweisung ergänzt. Vor diesem Hintergrund ist die Durchführung eines Vorverfahrens aus prozessökonomischen Gründen entbehrlich (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 14/12 –, juris).

35

Die vom Kläger des Weiteren erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Denn über den Antrag des Klägers vom 08. Januar 2009 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat der Beklagte länger als drei Monate nach Antragstellung ohne sachlichen Grund nicht entschieden. Die hierzu vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung, mit Blick auf die Regelungen der §§ 84 Abs. 2, 51 Abs. 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – erlösche im Falle einer Ausweisung auch ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, ist nicht zutreffend. Dies kann allenfalls dazu führen, dass ein solcher Antrag abzulehnen wäre, hat aber nicht zur Folge, dass darüber nicht (mehr) entschieden werden müsste.

36

Die nach alledem zulässige Klage hat jedoch in der Sache insgesamt keinen Erfolg.

37

Zu Recht hat der Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, die Wirkungen der Ausweisung auf 7 Jahre befristet und ihm die Abschiebung aus der Haft angedroht. Der Bescheid des Beklagten vom 28. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2012 und der Ergänzung in der mündlichen Verhandlung vom 08. Juli 2013 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; infolgedessen kann der Kläger auch keinen Anspruch auf eine kürzere Befristung der Wirkungen der Ausweisung geltend machen. Ebensowenig steht ihm ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1; § 113 Abs. 5 VwGO).

38

Die Ausweisung des Klägers findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Hiernach wird ein Ausländer unter anderem ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren verurteilt worden ist (sog. Ist-Ausweisung).

39

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, nachdem er durch Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 29. Dezember 2009 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Brandstiftung zu 8 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden ist. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang angenommen hat, die Brandstiftung sei hier nicht zu berücksichtigen, weil es sich dabei nicht um eine Vorsatztat gehandelt habe, irrt er. Das Gegenteil ist der Fall. Nach den Feststellungen des Landgerichts Bad Kreuznach fehlte es lediglich am Vorsatz im Sinne der §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306b Abs. 2 Nr. 2 StrafgesetzbuchStGB –, nicht jedoch in Bezug auf § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

40

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers genießt dieser auch keinen besonderen Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG. Dies gilt insbesondere für die hier allenfalls in Betracht zu ziehenden Regelungen des § 56 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 AufenthG.

41

Nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG genießt ein Ausländer, der eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 5 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, besonderen Ausweisungsschutz. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger schon deshalb nicht, weil er zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gewesen ist. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm bei ordnungsgemäßer Sachbearbeitung auf seinen Antrag vom 08. Januar 2009 eine Niederlassungserlaubnis hätte erteilt werden müssen mit der Folge, dass er nunmehr so zu stellen sei, als wäre ihm die Niederlassungserlaubnis erteilt worden. Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unter anderem voraus, dass der Ausländer sich „seit 5 Jahren“ im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis befindet. Diese Formulierung bedeutet, dass der Ausländer in den letzten 5 Jahren vor Antragstellung ununterbrochen im Besitz der Aufenthaltserlaubnis gewesen sein muss. Der Antrag auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis kann daher nicht (erst) nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis gestellt werden (Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, § 9 AufenthG, Rdnrn. 19, 20). Letzteres ist hier der Fall, nachdem die Aufenthaltserlaubnis des Klägers bereits am 25. September 2008 abgelaufen war, während sein Antrag erst am 08. Januar 2009 gestellt wurde.

42

Nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG genießt unter anderem ein Ausländer, der mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, besonderen Ausweisungsschutz. Auch diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, nachdem seine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen bereits im Jahr 2007 geschieden worden ist, das alleinige Sorgerecht für die Kinder der Ex-Ehefrau des Klägers übertragen worden ist und er auch nicht mehr in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinen Kindern zusammengelebt hat.

43

Bleibt es demnach bei der sog. Ist-Ausweisung im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, so ist der Kläger nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zwingend auszuweisen, ohne dass der Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung noch ein Ermessensspielraum zur Verfügung steht. Dieses Ergebnis verletzt den Kläger nicht in seinen schutzwürdigen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, Art. 6 GG, Art. 7 Grundrechtcharta – GRCh – oder Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte – EMRK – und ist somit insgesamt auch verhältnismäßig.

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 –, juris), der die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. z.B. Urteil vom 20. Juli 2009 – 3 K 1158/08.KO –), ist unter anderem auch in den Fällen der Ist-Ausweisung eine umfassende Einzelfallprüfung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwingend immer dann geboten, wenn eine staatliche Maßnahme in den Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreift. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist elementarer Bestandteil des im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Rechtsstaatsprinzips (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). An diesem Grundsatz ist jeder staatliche Eingriffsakt zu messen, und zwar unabhängig davon, ob es um eine – wie hier – gebundene oder eine im pflichtgemäßen Ermessen der handelnden Behörde stehende Maßnahme geht. Hiervon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) aufgezeigt, dass die differenzierten ausweisungsrechtlichen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Eigenschaft als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Diese Feststellung entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung – so das Bundesverfassungsgericht weiter –, eine Ausweisung im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes namentlich zu Art. 8 Abs. 2 EMRK zu überprüfen, sondern setzt diese Verpflichtung voraus. Hieraus folgt, dass bei korrekter Rechtsanwendung unter Beachtung des vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Prüfungsmaßstabes eine schematisierende Betrachtungsweise unter Ausblendung der konkreten Umstände des Einzelfalles auch in den Fällen der hier in Rede stehenden Ist-Ausweisung nicht (mehr) zulässig ist. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in seiner genannten Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Einzelfallprüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sich zusätzlich auch auf die Berücksichtigung solcher Aspekte zu erstrecken hat, die von § 56 AufenthG nicht erfasst sind.

45

Dies hat indessen nach Auffassung der Kammer nicht zur Folge, dass immer dann, wenn eine Ist-Ausweisung in Rechte des Ausländers aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK eingreift, die dann erforderliche Einzelfallprüfung nur noch im Wege einer – gegebenenfalls hilfsweise vorzunehmenden – behördlichen Ermessensentscheidung sachgerecht erfolgen könnte (so BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 – zum Fall einer Regelausweisung nach § 54 AufenthG, juris). Die gesetzliche Regelung lässt unter Berücksichtigung ihres klaren Wortlautes, aber auch aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung für eine Ermessensentscheidung keinen Raum.

46

Es bedarf auch keiner Übertragung der in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Zusammenhang mit einer Regelausweisung nach § 54 AufenthG entwickelten Grundsätze auf die Ist-Ausweisung. Denn die erforderliche Prüfung aller Umstände des Einzelfalles ist auch im Rahmen der bei einer gebundenen Entscheidung vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung gewährleistet.

47

Gegen eine Ermessensausübung spricht auch, dass hierdurch das gesetzlich vorgegebene System der Untergliederung in Ist-, Regel- und Ermessensausweisung der Sache nach obsolet würde. Angesichts des Umstandes, dass die Rechtsfolge, nämlich die Ausweisung, im Falle der Ermessensausweisung dieselbe ist, wie in den Fällen der Ist- und Regelausweisung, würde aus Sicht eines effizient und zielgerichtet seine Arbeit erledigenden Sachbearbeiters kein vernünftiger Grund mehr bestehen, eine Ist- oder Regelausweisung überhaupt noch zu prüfen, wenn ohnehin eine Ermessensausweisung zu prüfen wäre.

48

Zudem würde durch die Herabstufung der Ist-Ausweisung zu einer Ermessensausweisung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung die gerichtliche Kontrolldichte in den Fällen der Ist-Ausweisung in unzulässiger Weise herabgesetzt. Zwar weist das Bundesverwaltungsgericht in seiner genannten Entscheidung zu Recht darauf hin, dass es in der Praxis durchaus vorkommen kann, dass einzelne Behördenentscheidungen den Anforderungen an die vorzunehmende Einzelfallprüfung nicht gerecht werden und stattdessen den Charakter einer vom Einzelfall losgelösten schematischen Betrachtungsweise aufweisen. Dieser Befund stellt aber nicht die Vereinbarkeit des Regelwerkes der §§ 53 bis 56 AufenthG mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Frage. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Rechtsanwendung im Einzelfall, die im Falle der Ist-Ausweisung nach dem Willen und der Konzeption des Gesetzgebers der lückenlosen gerichtlichen Kontrolle unterfällt. Die richterliche Kontrolldichte ist in diesen Fällen nicht eingeschränkt, weil die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ist-Ausweisung erfüllt sind, wie auch die Frage der Verhältnismäßigkeit, der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen. Demgegenüber ist die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen nach § 114 Satz 1 VwGO beschränkt. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das System der Dreistufigkeit der Ausweisungstatbestände nach dem Willen des Gesetzgebers ursprünglich unter anderem gerade den Zweck hatte, den behördlichen Begründungsaufwand für Ausweisungen in den Fällen mittlerer und schwerer Kriminalität zu vereinfachen. Diese schematische Betrachtungsweise ist aber zufolge der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) in dieser Form nicht mehr tragfähig, ohne dass die vorzunehmende Einzelfallprüfung indessen zwingend im Rahmen einer Ermessensbetätigung zu erfolgen hätte.

49

Bei der demnach vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung vermag die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zu erkennen, dass die Ausweisung des Klägers wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht oder Vorschriften der EMRK unverhältnismäßig ist.

50

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen des Klägers aus Art. 6 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Insoweit ist geklärt, dass selbst etwaige gewichtige familiäre Belange sich in Ausweisungsverfahren nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen. Dies gilt vor allem für sicherheitsrechtliche Belange, weil die Pflicht des Staates, seine Bürger vor Gewalt-, Vermögens- oder Betäubungsmitteldelikten zu schützen, gleichfalls verfassungsrechtlichen Rang besitzt und in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 GG wurzelt (OVG Lüneburg, Urteil vom 22. April 2013 – 2 LB 365/12 – m.w.N., juris).

51

Davon ausgehend kann der Kläger hier keine derart gewichtigen familiären Belange geltend machen, die die Ausweisung unverhältnismäßig erscheinen lassen. Die Ehe mit seiner deutschen Ehefrau ist seit 2007 geschieden. Er gibt hierzu zwar an, dass es in der jüngeren Vergangenheit vor seiner Inhaftierung wieder zu einer Annäherung mit seiner Ex-Ehefrau gekommen sei und er auch des Öfteren wieder in deren Wohnung übernachtet habe. Abgesehen davon, dass derartige Beziehungen nicht dem Schutzbereich des Art. 6 GG unterfallen und dieses Vorbringen schon deshalb nicht geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer schwerer Straftaten durch den Kläger im Bundesgebiet zu überwiegen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Nachfrage indes mitgeteilt, dass seine Ex-Ehefrau sich inzwischen einem anderen Mann zugewandt und er zur Zeit keinen Kontakt mehr zu ihr habe.

52

Gleiches gilt sinngemäß für die drei in Deutschland lebenden Kinder des Klägers. Zwar haben die beiden minderjährigen Töchter ein Schreiben zur Gerichtsakte gereicht, in dem sie sich für den Verbleib des Klägers in Deutschland aussprechen. Andererseits wurde der Ex-Ehefrau des Klägers das alleinige Sorgerecht für die Kinder übertragen und nach Auskunft der JVA Diez haben diese – ebenso wie die Ex-Ehefrau – den Kläger zuletzt im Jahr 2010 in der Haftanstalt besucht. Diese Angaben hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt und angegeben, dass er seit Dezember 2010 lediglich in Briefkontakt mit seinen beiden minderjährigen Töchtern stehe. Soweit er geltend gemacht hat, das Jugendamt verhindere die Durchführung von Besuchsterminen seiner Kinder, führt dies zu keiner für ihn positiven Betrachtungsweise. Abgesehen davon, dass es sich dabei um sehr vage gebliebene Angaben und Vermutungen des Klägers selbst handelt, hat er offensichtlich nichts unternommen, um diese angeblichen Schwierigkeiten auszuräumen, obwohl aus der Fortschreibung des Vollzugsplanes vom 05. Mai 2011 hervorgeht, dass solche Besuche jedes halbe Jahr stattfinden sollen. Dabei bleibt auch zu sehen, dass in einem Aktenvermerk in der Gefangenen-Personalakte des Klägers der Justizvollzugsanstalt Diez festgehalten wird, dass sein Kontakt zu seinen Töchtern beim letzten Besuch im Dezember 2010 etwas distanzierter erschien und er sich vorwiegend mit seiner Ex-Ehefrau beschäftigt habe. Diese Beobachtung spricht trotz des nunmehr vorgetragenen monatlichen Briefkontakts nicht für eine besonders enge Beziehung zwischen dem Kläger und seinen minderjährigen Kindern.

53

Schließlich lässt auch das Verhältnis des Klägers zu seinem inzwischen erwachsenen Sohn A. keine andere Bewertung zu. Zum einen hat die Beziehung zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht das Gewicht wie etwa die Beziehung zwischen Eltern und ihren minderjährigen Kindern. Dies folgt aus dem Umstand, dass erwachsene Kinder sich in der Regel von ihren Eltern lösen und ein eigenes Leben führen. Zum anderen ist der Sohn A. zur Zeit ebenfalls inhaftiert und soll nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausgewiesen werden.

54

Des Weiteren kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die Schutzbestimmung des Art. 8 EMRK berufen.

55

Soweit Art. 8 Abs. 1 EMRK sich auf den Schutz des Familienlebens bezieht, geht der Schutzbereich nicht über den des Art. 6 GG hinaus, so dass insoweit auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden kann.

56

Der Schutzbereich des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst das Recht auf Identität und persönliche Entwicklung und das Recht, Beziehungen mit anderen Menschen und der Außenwelt zu begründen und zu pflegen. Der Begriff darf nicht eng ausgelegt werden. Es handelt sich um die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthaltes wachsende Bedeutung zukommt (BVerfG, a.a.O., m.w.N.; Kloesel/Christ Häußer, a.a.O. Band 3, Nr. 481, Art. 8 EMRK, Rdnr. 30). Zwar spricht einiges dafür, dass die streitgegenständliche Ausweisung im Falle des Klägers in den Schutzbereich dieser Bestimmung eingreift. Der Eingriff ist aber jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

57

Für einen Eingriff in diesen Schutzbereich spricht, dass der Kläger sich inzwischen seit November 1998 und damit ca. 14 1/2 Jahre ununterbrochen in Deutschland aufhält, von denen er zudem annähernd 10 Jahre im Besitz gültiger Aufenthaltstitel war. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass er in gewissem Rahmen während seines Aufenthalts in Deutschland persönlichen Kontakt zu Dritten aufgebaut hat, obwohl er in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben hat, er habe derzeit nur noch Kontakt zu seiner Familie. Insgesamt kann damit zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass mit seinem 14 1/2-jährigen Aufenthalt in Deutschland auch solche Umstände verknüpft sind, die sein Recht auf Identität und persönliche Entwicklung wie auch auf Achtung seiner schutzwürdigen Beziehungen zu anderen Menschen betreffen.

58

Der mit der Ausweisung des Klägers verbundene Eingriff in dieses Recht ist aber nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Denn er ist gesetzlich vorgesehen und stellt sich hier als eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer notwendig ist.

59

Die Ausweisung des Klägers ist in § 53 AufenthG gesetzlich geregelt. Es besteht Einigkeit, dass nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen die Vertragsstaaten das Recht haben, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. Von diesem Recht hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem durch den Erlass des Aufenthaltsgesetzes und seiner ergänzenden Bestimmungen Gebrauch gemacht. Dabei ist nochmals hervorzuheben, dass die differenzierten Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, insbesondere betreffend den Erlass von Ausweisungen, nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) im Einklang mit den Bestimmungen des Art. 8 EMRK stehen.

60

Ob die Maßnahme im Einzelfall zur Erreichung des vorstehend bezeichneten Zweckes notwendig und damit im Ergebnis nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, kann nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung beantwortet werden (BVerfG, a.a.O.). In diese Abwägung sind einzubeziehen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Wiederholungsgefahr, die Dauer des Aufenthaltes im Land, aus dem der Betroffene ausgewiesen werden soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne, das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufenthaltsland sowie zum Staat seiner Staatsangehörigkeit (OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG –; vgl. ebenso die Aufzählung der sog. Regelhinweise des EGMR zu Art. 8 EMRK bei Deibel, ZAR 2009, 121 ff.). An diesem Prüfprogramm, welches sich der Sache nach im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 55 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 AufenthG deckt, zeigt sich wiederum, dass die nach Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte weitestgehend bereits in den nationalen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ihren Niederschlag gefunden haben und Art. 8 EMRK somit keinen Prüfungsrahmen außerhalb des Aufenthaltsgesetzes eröffnet (Urteil der erkennenden Kammer vom 17. März 2008 – 3 K 1349/07.KO –). Die Vorschrift ist lediglich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, was auch durch die Regelung des § 55 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG in besonderem Maße deutlich wird, zu berücksichtigen. Unter Anlegung dieses Maßstabes kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Ausweisung des Klägers sich im Lichte des Art. 8 Abs. 2 EMRK als unverhältnismäßig erweist.

61

Was Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten anbelangt, ist hervorzuheben, dass er sich mit der vom Landgericht Bad Kreuznach abgeurteilten Tat des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Brandstiftung im Bereich schwerer Kriminalität bewegt hat, was auch an der verhängten erheblichen Freiheitsstrafe von 8 Jahren deutlich wird. Aber auch die davor von ihm begangenen Straftaten weisen eine deutliche Steigerungstendenz auf, beginnend mit Bagatellstraftaten wie kleineren Diebstählen bis hin zu Betäubungsmitteldelikten. Dabei hat der Kläger höchstrangige Rechtsgüter Dritter wie Leben, Gesundheit und Eigentum erheblich gefährdet bzw. geschädigt (vgl. dazu auch OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG –; vgl. aber auch OVG Rh-Pf., Urteil vom 22. April 2009 – 7 A 11361/08.OVG –). Aufgrund der Vielzahl der Straftaten besteht nach Auffassung der Kammer beim Kläger aktuell noch eine beachtliche Wiederholungsgefahr. Dabei ist zu berücksichtigen, dass an die Wiederholungsgefahr um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je schwerwiegender die Tat war. Aus den Akten ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich bei ihm ein grundlegender und nachhaltiger Sinneswandel vollzogen hätte; einen solchen lassen auch seine Einlassungen im Rahmen der Klagebegründung nicht erkennen, mit denen er versucht, seine Tat herunterzuspielen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger die Empfehlungen der Strafanstalt in Bezug auf die Durchführung einer Drogentherapie und eines Sprachkurses bislang nicht umgesetzt hat. Soweit er hierzu vorgetragen hat, dass es wegen der im Raum stehenden Ausweisung insoweit zu Verzögerungen gekommen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Hierzu ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass derartige Empfehlungen bereits von Beginn seiner Haft an ausgesprochen wurden, ohne dass erkennbar wäre, inwieweit er sich ernsthaft und nachhaltig um die Durchführung dieser Maßnahmen bemüht hätte (vgl. hierzu z.B. Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Frankenthal vom 30. März 2010, Az.: 6 B 118/10-9). Die ihm bescheinigte gute Führung in der Haftanstalt reicht angesichts der Vorgeschichte nicht aus, einen grundlegenden Sinneswandel beim Kläger anzunehmen.

62

Was sodann die Dauer des Aufenthalts anbelangt, ist geklärt, dass weder eine Geburt im gegenwärtigen Aufenthaltsland noch der langjährige Aufenthalt als solcher absolut vor der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung nach schweren Straftaten schützen (so auch OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Hieraus folgt, dass nicht in erster Linie die Dauer des Aufenthalts als solche dem Ausländer eine in gesteigertem Maße schutzwürdige Position vermittelt, sondern dass es maßgeblich darauf ankommt, in welchem Umfang die persönliche Entwicklung und Identität des Ausländers durch den Aufenthalt in Deutschland geprägt und wie intensiv seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen hier sind. Dabei liegt es auf der Hand, dass bei zunehmender Dauer des Aufenthalts diese Umstände mehr und mehr an Gewicht gewinnen, so dass hierzu letztlich im Regelfall eine Wechselwirkung zwischen Aufenthaltsdauer und dem Grad der Verwurzelung festzustellen ist (so auch BVerfG, a.a.O).

63

Dies vorausgeschickt stellt sich die Situation des Klägers so dar, dass dieser im Jahre 1968 in Russland geboren wurde und dort bis zu seiner Ausreise im Jahre 1998 gelebt hat. Ist er somit als Volljähriger im Alter von 30 Jahren nach Deutschland ausgereist, so hat er praktisch seine gesamte Sozialisation in seinem Heimatland erfahren. Er beherrscht nicht nur die dortige Sprache, sondern ist mit den gesellschaftlichen und sonstigen kulturellen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsland bestens vertraut.

64

Seine derzeitige Situation ist zwar durch seinen inzwischen ca. 14 1/2-jährigen Aufenthalt in Deutschland mitgeprägt. Außer dem Erwerb einiger rudimentärer Sprachkenntnisse ist seine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse jedoch ersichtlich misslungen. Von einer entsprechenden Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 Abs. 2 EMRK kann daher vorliegend nicht ausgegangen werden.

65

Dies gilt zunächst für seine wirtschaftliche Integration. Zwar hat er in Russland einen Schulabschluss erworben und eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker absolviert. Darüber hinaus hat er während seines Aufenthalts in Deutschland für zwei Jahre verschiedene Berufe erlernt, in denen er sodann auch zeitweise gearbeitet hat. All dies führte jedoch nicht dazu, dass er auf dem deutschen Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß fassen konnte. Er war immer wieder auch für längere Zeiten arbeitslos, was insbesondere für den Zeitraum vor seiner letzten Inhaftierung gilt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass er seinen Lebensunterhalt zukünftig in Deutschland mit eigener Arbeit dauerhaft sicherstellen können wird (zu den Prüfungskriterien betreffend die wirtschaftliche Integration vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – 1 C 40.07 –).

66

Zu den persönlichen Bindungen des Klägers im Bundesgebiet, die über die familiären Beziehungen hinausgehen, hat er auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er derzeit über keine sonstigen Verbindungen verfüge.

67

Von einer „Handreichung des Staates“ in Bezug auf die Aufenthaltsdauer des Klägers kann hier ebenfalls nicht gesprochen werden. Zwar streitet insoweit für ihn, dass er nahezu 10 Jahre im Besitz gültiger Aufenthaltstitel war. Diese Aufenthaltserlaubnisse waren jedoch stets befristet und überdies wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er im Falle weiterer Straffälligkeit mit seiner Ausweisung rechnen musste (Blatt 67 der Verwaltungsakten, Schreiben vom 17. September 2003). Schon vor diesem Hintergrund konnte in der Person des Klägers kein Vertrauenstatbestand im Hinblick auf einen vorbehaltslos gewährten Daueraufenthalt entstehen. Dass der Aufenthalt des Klägers sodann seit Ende September 2008 „geduldet“ wurde, obwohl seine Aufenthaltserlaubnis erloschen war, führt zu keiner anderen Sicht der Dinge. Denn insoweit bleibt zu sehen, dass er den Großteil dieser Zeit in Haft verbracht hat, was grundsätzlich nicht zu einem Vertrauenstatbestand im Hinblick auf einen Daueraufenthalt führt.

68

Ist damit eine Verwurzelung des Klägers in die deutschen Lebensverhältnisse im Sinne der Rechtsprechung des EGMR nicht festzustellen, so ergeben sich darüber hinaus auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine Rückkehr nach Russland nicht zumutbar wäre. Hierzu ist hervorzuheben, dass er 30 Jahre dort gelebt hat und die Sprache und Gepflogenheiten des Landes kennt. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinem Vortrag betreffend die Vorgänge bei seinem letzten Aufenthalt in Russland. Selbst wenn man diese Angaben als wahr unterstellen würde – was offen bleiben kann –, kann ihm ohne weiteres zugemutet werden, in einer anderen Stadt als seiner früheren Heimatstadt Wohnsitz zu nehmen, um so möglichen weiteren Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.

69

Die Ausweisung des Klägers erweist sich nach alledem als rechtmäßig.

70

Er kann auch keinen Anspruch auf weitere Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 AufenthG geltend machen. Vielmehr ist die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Befristung der Sperrwirkung auf 7 Jahre rechtlich nicht zu bestanden.

71

Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ist die Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Weiter ist die Frist allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzen (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 14.12 –, juris).

72

Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und die mit der Ausweisung verfolgten Zwecke zu berücksichtigen. Es bedarf insbesondere der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das einer aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.), der die Kammer folgt, davon auszugehen, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren einen Zeithorizont darstellt, für den sich mit Blick auf die Persönlichkeitsentwicklung des Betroffenen eine Prognose realistischerweise noch stellen lässt.

73

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engen Familienangehörigen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen (BVerwG, a.a.O.).

74

Mit diesen Vorgaben steht die vom Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung auf 7 Jahre im Einklang.

75

Dabei kann offen bleiben, ob § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für die Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze abweichend vom Wortlaut eine schwerwiegende Straftat fordert (so BT-Drs. 17/5470, S. 21; offen gelassen BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 1 C 14.12 –, juris). Denn im Falle des Klägers liegt der Ausweisung eine schwere Straftat zugrunde, was sich bereits aus Anlass (versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Brandstiftung) und Höhe der Freiheitsstrafe (8 Jahre) ergibt.

76

In Fällen, in denen vorsätzlich schwerwiegende Straftaten gegen Leib und Leben des Opfers verübt werden, rechtfertigen schon generalpräventive Zwecke generell eine länger andauernde Befristung der Sperrwirkung, da hier hochrangige Rechtsgüter Dritter von Verfassungsrang im Raum stehen, die der Staat wirksam zu schützen verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund wäre allein unter diesem Aspekt mit Blick auf den Umfang und die Schwere der vom Kläger verübten Straftaten nach Auffassung der Kammer eine Befristung der Sperrwirkung auf 8 Jahre vertretbar, um andere Ausländer wirksam von der Begehung vergleichbarer Delikte abzuschrecken. Gleichzeitig wird damit im öffentlichen Sicherheitsinteresse dem Zweck Rechnung getragen, anderen Ausländern unmissverständlich aufzuzeigen, dass in der Bundesrepublik Deutschland das Gewaltmonopol des Staates ohne jede Einschränkung Gültigkeit beansprucht und jede Art von „Selbstjustiz“ weitreichende Konsequenzen auch in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht hat.

77

Darüber hinaus ist ein solcher Zeitrahmen im Falle des Klägers unter spezialpräventiven Gesichtspunkten durchaus gerechtfertigt. So ist zu seinen Lasten zu gewichten, dass er ein erhebliches Maß an krimineller Energie entwickelt hat, indem er sich entschlossen hatte, die „Bestrafung“ seines Opfers für einen an seiner minderjährigen Tochter begangenen sexuellen Übergriff selbst in die Hand zu nehmen. Dabei kommt es nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger sein Opfer bereits in der Absicht, es zu töten, aufgesucht hat, oder diesen Entschluss erst während des Treffens in der Hütte gefasst hatte. Die besondere Gefährlichkeit des Klägers gründet nach Auffassung der Kammer hauptsächlich darin, dass er überhaupt eine solche Vorgehensweise an den Tag gelegt hat, anstatt die Tat anzuzeigen und den Täter so einer staatlichen Bestrafung zuzuführen. Weiter ist zu seinen Lasten zu gewichten, dass er vor dieser Tat bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wenn auch durch weniger schwerwiegende Delikte als den im Vordergrund stehenden versuchten Totschlag. Dabei fällt weiter ins Gewicht, dass beim Kläger eine zunehmende Tendenz zu einer fortlaufenden Steigerung seines strafrechtlich relevanten Verhaltens festzustellen ist. Diese Umstände werden nicht zuletzt durch seine zeitweilige Drogenproblematik verschärft. So hat er in der Vergangenheit unter anderem über längere Zeiträume Heroin konsumiert und ist auch in diesem Zusammenhang in nicht unerheblicher Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zwar spricht insoweit für den Kläger, dass er nach den Feststellungen der Justizvollzugsanstalt Diez in der Fortschreibung des Vollzugsplanes vom 19. Juni 2012 bereits während seiner letzten Inhaftierung im Jahr 2006 im Gefängnis ohne Therapie von den Drogen weggekommen ist und seitdem keine Drogen mehr nimmt. Allerdings hat er bis heute keine Drogentherapie begonnen, so dass zu seinen Lasten von einer ernsthaft gegebenen Rückfallgefahr auszugehen ist. Diese Einschätzung deckt sich mit der Prognose der Justizvollzugsanstalt Diez in dem bereits zitierten Vollzugsplan. Daraus geht hervor, dass von Vollzugslockerungen im Falle des Klägers wegen einer Flucht- und Missbrauchsgefahr abgesehen wurde. Diese Gefahr gründet nach Einschätzung der Justizvollzugsanstalt auf der Tatsache, dass der Kläger einschlägig vorbestraft war, 7 Eintragungen im Bundeszentralregister hat und als sog. Bewährungsversager eine hohe Rückfallgeschwindigkeit zu verzeichnen habe.

78

Für den Kläger spricht indessen, dass er sich bislang während seiner Inhaftierung ordnungsgemäß geführt hat und sich im Strafverfahren geständig gezeigt hat. Angesichts der Vorgeschichte und des bisherigen Werdeganges des Klägers während seines Aufenthalts in Deutschland genügen diese positiven Ansätze nach Auffassung der Kammer derzeit aber nicht, um die Prognose zu rechtfertigen, dass er sich bei einem weiteren Aufenthalt in Deutschland zukünftig in jedweder Hinsicht straffrei und gesetzestreu verhalten wird. Unter general- und spezialpräventiven Gesichtspunkten bleibt es daher im ersten Schritt bei der Befristung der Sperrwirkung auf 8 Jahre.

79

Im Hinblick auf seine Beziehung zu seinen in Deutschland lebenden minderjährigen Töchtern ist diese Frist indessen unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK auf 7 Jahre zu kürzen. Dem Kläger steht aus den genannten Vorschriften das Recht auf Achtung seines Familienlebens zu. Die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland und dem öffentlichen Sicherheitsinteresse führt hier zu einer Verkürzung der Sperrfrist um ein Jahr.

80

Im Rahmen der Abwägung ist an dieser Stelle zu beachten, dass – wie oben bereits dargelegt – selbst gewichtige familiäre Belange sich in Ausweisungsverfahren nicht stets gegenüber den öffentlichen Belangen durchsetzen, was auch im Falle des Klägers Gültigkeit beansprucht. Dies hat zur Folge, dass eine noch weitergehende Verkürzung der Sperrfrist im vorliegenden Falle nicht gerechtfertigt erscheint. Dagegen sprechen zum einen die bereits dargelegte Wiederholungsgefahr und die daraus resultierenden Sicherheitsbedenken. Zum anderen ist zu sehen, dass die Ehe des Klägers seit dem Jahr 2007 geschieden ist und seine Ex-Ehefrau sich mittlerweile nach Angaben des Klägers einem anderen Mann zugewandt hat. Eine besonders enge, in erhöhtem Maße schutzwürdige Beziehung zu seinen beiden minderjährigen Töchtern konnte nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht festgestellt werden. Wie bereits erwähnt, haben diese den Kläger nur einmal zusammen mit der Ex-Ehefrau im Dezember 2010 in der Justizvollzugsanstalt besucht. Dies bedeutet, dass seit inzwischen ca. zweieinhalb Jahren kein persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und seinen Töchtern mehr stattgefunden hat. Dieser beschränkt sich nach den Angaben des Klägers auf reinen Briefkontakt. Diesen kann der Kläger aber auch vom Ausland aus ohne weiteres aufrecht erhalten. Zwar haben die beiden Töchter des Klägers ein Schreiben zur Gerichtsakte gereicht, in dem sie um einen Verbleib des Klägers in Deutschland bitten. Dies allein lässt die Situation jedoch nicht in einem anderen Licht erscheinen, sondern erklärt sich aus der nachvollziehbaren Sorge der Töchter um das Wohl ihres Vaters. Unter den gegebenen Umständen hält es die Kammer für zumutbar, dass der Kläger den Kontakt zu seinen Töchtern nach seiner Abschiebung für einen Zeitraum von 7 Jahren vornehmlich durch Briefe, Telefonate und gegebenenfalls Besuche seiner Kinder in Russland aufrecht erhält. Damit würde sich gegenüber der beschriebenen, bereits seit längerem bestehenden Gesamtsituation nichts Wesentliches ändern.

81

Sonstige Belange des Klägers im Sinne des § 55 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 AufenthG, die es gebieten, die Wirkung der Sperrfrist weiter zu verkürzen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt aus den oben bereits dargelegten Gründen insbesondere für die lange – überwiegend rechtmäßige – Aufenthaltsdauer und die Beschäftigungszeiten des Klägers.

82

Auch die Androhung der Abschiebung des Klägers aus der Haft heraus nach Russland gemäß § 59 Abs. 5 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Da der Kläger hierzu nichts Substantiiertes vorgetragen hat, sieht die Kammer insoweit von weiteren Ausführungen aus.

83

Schließlich erweist sich auch die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als unbegründet. Einem solchen Anspruch steht schon die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist diese Sperrwirkung schon jetzt zu beachten, ohne dass die Ausweisung bereits in Bestandskraft erwachsen ist.

84

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

85

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

86

Von einer Zulassung der Berufung durch das erkennende Gericht gemäß § 124 Abs. 1 und § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wird abgesehen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.

87

Beschluss

88

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

89

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung.

2

Der Kläger ist 1988 in Stuttgart geboren und war zuletzt im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Sein Vater besitzt die türkische, seine Mutter die kroatische Staatsangehörigkeit. Der Kläger erreichte nach mehrfachen Schulwechseln 2006 den Hauptschulabschluss. Danach bemühte er sich weder um einen Ausbildungsplatz noch um eine Arbeitsstelle, sondern lebte von finanziellen Zuwendungen seiner Eltern. Seit seinem 15. Lebensjahr konsumiert er regelmäßig Marihuana.

3

Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 5. März 2008 wurde er wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 10 Jahren verurteilt; gleichzeitig wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Kläger hatte im August 2007 aus Eifersucht zusammen mit zwei von ihm angestifteten Mittätern den angeblichen Ex-Freund seiner Freundin auf besonders grausame Weise ermordet. Das Landgericht ging in seinem Urteil von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Klägers im Tatzeitpunkt aus. Für die Annahme einer akuten psychotischen Störung spreche, dass der Kläger nach der Tat wieder lachen konnte und wie befreit wirkte. Er habe keinerlei Reue gezeigt. Bei ihm lägen erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel vor, die in seiner leichten Erregbarkeit und Aggressivität zum Ausdruck kämen. Dem Führungsbericht vom Januar 2009 ist zu entnehmen, dass eine Auseinandersetzung mit der Straftat und deren Aufarbeitung bislang nicht stattgefunden hat; von einer Verantwortungsübernahme sei der Kläger noch weit entfernt.

4

Das Regierungspräsidium Stuttgart wies den Kläger mit Bescheid vom 25. Mai 2009 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Die dagegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zurückweisung der Berufung darauf gestützt, dass die Ausweisung mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nicht zu beanstanden sei. Bislang habe sich der Kläger nicht grundlegend mit der von ihm begangenen Tat und seiner gesamten Lebenssituation auseinander gesetzt. Beim ihm liege eine ausgeprägte therapiebedürftige Persönlichkeitsstörung vor; einer Therapie habe sich der Kläger aber bislang nicht geöffnet. Das komme auch in seiner in der mündlichen Verhandlung bestätigten Entscheidung zum Ausdruck, sich baldmöglichst in die Türkei abschieben lassen zu wollen. Daher gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben anderer Mitmenschen aus.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger die Klage gegen die Ausweisung und Abschiebungsandrohung zurückgenommen. Er begehrt nur noch die Verpflichtung des Beklagten, die Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre ab Ausreise zu befristen.

6

Der Beklagte erachtet wegen der unverändert hohen Gefahr, dass der Kläger erneut ein Gewalt- und Tötungsdelikt begeht, eine Frist von zwölf Jahren auch im Hinblick auf seine Bindungen an das Bundesgebiet für angemessen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt. Er ist der Auffassung, die Wirkungen einer Ausweisung seien nur auf Antrag zu befristen. Eine generelle Verpflichtung, eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisung zu treffen, lasse sich weder der Rückführungsrichtlinie noch dem Aufenthaltsgesetz entnehmen.

Entscheidungsgründe

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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; die angegriffenen Urteile sind gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären. Im Übrigen hat die Revision des Klägers nur teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es keine Verpflichtungsentscheidung zur Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. enthält. Da das Berufungsgericht alle dafür notwendigen tatsächlichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Ausweisung getroffen hat, kann der Senat - bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

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1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Befristungsbegehrens ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 16. April 2012 (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - Rn. 12 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmungen aber nicht geändert.

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2. Der Verpflichtungsantrag, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf sieben Jahre zu befristen, ist nur teilweise begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

11

2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 (BGBl I S. 2258) haben Ausländer - vorbehaltlich der Ausnahmen in Satz 7 der Vorschrift - einen uneingeschränkten, auch hinsichtlich der Dauer der Befristung voller gerichtlicher Überprüfung unterliegenden Befristungsanspruch (Urteil vom 14. Februar 2012 - BVerwG 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 32 f.). Zugleich ist hinsichtlich der Dauer der Frist geregelt, dass diese unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles festzusetzen ist und fünf Jahre nur überschreiten darf, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG n.F.). Diese Änderungen des § 11 AufenthG dienen der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Dabei geht die Begründung des Gesetzentwurfs zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 davon aus, dass große Teile der in der Rückführungsrichtlinie enthaltenen Vorgaben durch die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zur Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt werden. Die erforderlichen punktuellen gesetzlichen Anpassungen erfolgten innerhalb der geltenden Systematik, indem sie an den die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt (z.B. Ausweisung) oder an die Abschiebungsandrohung nach § 59 des Aufenthaltsgesetzes geknüpft würden. Die Umsetzung der Rückführungsrichtlinie erfordere darüber hinaus die Einführung einer Regelobergrenze von fünf Jahren für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG (BTDrucks 17/5470 S. 17). Das macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 11 AufenthG auch hinsichtlich der in Absatz 1 Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten gesetzlichen Folgen der Ausweisung und deren Befristung an den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Rückkehrentscheidung orientiert hat. Im Regelungsmodell der Richtlinie ist das Einreiseverbot jedoch als antragsunabhängige, von Amts wegen mit einer Rückkehrentscheidung einhergehende Einzelfallentscheidung ausgestaltet, in der die Dauer der befristeten Untersagung des Aufenthalts in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird (Art. 3 Nr. 6 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie). Aus der Absicht des Gesetzgebers, dieses Modell trotz der beibehaltenen systematischen Trennung von Ausweisung und Befristung nachzuvollziehen, ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum einen gebietet § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. den gleichzeitigen Erlass von Ausweisung und Befristung. Zum anderen genügt für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Antrag jede Form der Willensbekundung des Betroffenen, mit der dieser sich gegen eine Ausweisung wendet (anders noch zu § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990: Beschluss vom 14. Juli 2000 - BVerwG 1 B 40.00 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG Nr. 18). Dieser Auslegungsbefund des einfachen Rechts trägt zugleich der besonderen Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK Rechnung. Das hat der Senat im Urteil vom 10. Juli 2012 (BVerwG 1 C 19.11 a.a.O. Rn. 30 ff.) näher dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

12

Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen. Damit wird dem Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Diese verfahrensrechtliche Ausgestaltung entspricht der gesetzlichen Systematik, die nach wie vor zwei getrennte Verwaltungsakte - die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits - vorsieht. Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Das Prozessrecht muss gewährleisten, dass der Ausländer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht auf ein eigenständiges neues Verfahren verwiesen wird. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen (Urteile vom 14. Februar 2012 a.a.O. Rn. 30 und vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39 f.).

13

2.2 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von zehn Jahren für angemessen.

14

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal 10 Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von 10 Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

15

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteile vom 11. August 2000 - BVerwG 1 C 5.00 - BVerwGE 111, 369 <373> und vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 21.07 - BVerwGE 129, 243 Rn. 19 ff.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen. Fehlt - wie hier - die behördliche Befristungsentscheidung, ist sie vom Gericht durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 f.).

16

Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG enthaltene Fristgrenze von fünf Jahren ohne Bedeutung, da von dem Kläger im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Das ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die es zu den Ausweisungsvoraussetzungen getroffen hat. Wegen des hohen Gewichts der erheblich gefährdeten Rechtsgüter von Leib und Leben erachtet der Senat trotz der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet einen Zeitraum von zehn Jahren für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in seiner Person Rechnung tragen zu können. Angesichts seines Alters, des sich durch äußerste Brutalität auszeichnenden (Nach-)Tatverhaltens, das eine erschreckende Gleichgültigkeit und Gefühlskälte offenbart, der fehlenden Auf- und Verarbeitung des Geschehens sowie des familiären Umfelds, das wenig stabilisierenden Einfluss verspricht, ist nicht zu erwarten, dass er die maßgebliche Gefahrenschwelle vor Ablauf der festgesetzten Frist unterschreiten wird. Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte auf einen Antrag des Klägers hin auf aktueller Tatsachengrundlage zu prüfen haben wird, ob sich aus der Entwicklung des Klägers seit der Berufungsverhandlung am 16. April 2012 Anhaltspunkte für eine Verkürzung der Frist ergeben.

17

3. Die Frage, ob die Befristung der Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann auch im vorliegenden Fall offen bleiben (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45). Selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die Wirkungen der Ausweisung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung vor seiner Abschiebung aus dem Bundesgebiet durchzusetzen vermag, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

18

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung sowie die Abschiebungsandrohung gerichteten, im Revisionsverfahren zurückgenommenen Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5. Nachdem der Beklagte auch nach Inkrafttreten des § 11 AufenthG n.F. nicht über die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung entschieden hat und der Kläger mit seinem Antrag insoweit nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, hat er 4/5 und der Beklagte 1/5 der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.

2

Er ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste im August 2001 als Asylbewerber nach Deutschland ein. Mit Bescheid vom 11. Juli 2003 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an. Ein dagegen vom Kläger durchgeführtes Klageverfahren blieb ebenso erfolglos wie ein im Jahre 2005 durchgeführtes Asylfolgeverfahren. Seit dem 11. Juli 2003 wird der Kläger geduldet.

3

Im August 2006 wurde er amtsärztlich untersucht. In seiner Stellungnahme vom 23. August 2006 teilte das Gesundheitsamt des Beklagten der Ausländerbehörde mit, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung im Sinne einer paranoiden Schizophrenie leide. Diese werde durch den beim Kläger ebenfalls vorliegenden Alkoholmissbrauch verstärkt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er dauerhaft reiseunfähig sei.

4

Am 31. August 2006 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige, von der er am 22. Januar 2008 jedoch wieder rechtskräftig geschieden wurde. Aufgrund einer Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz darf er sich seiner früheren Ehefrau nicht auf weniger als 100 m nähern.

5

Seit dem 1. April 2007 war der Kläger bei der Firma S. und F. in A. für sechs Monate befristet als Helfer beschäftigt.

6

Wegen wiederholt aggressiven Auftretens gegenüber Mitarbeitern des Beklagten wurde er dort am 29. November 2007 mit einem Hausverbot belegt.

7

Während seines bisherigen Aufenthaltes ist der Kläger mehrfach wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:

8

1. Am 17. September 2001 stellte die Staatsanwaltschaft Trier ein Verfahren wegen Diebstahls gemäß § 45 JGG ein.

9

2. Das Amtsgericht Andernach verurteilte den Kläger am 14. März 2002 wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen á 5,-- €.

10

3. Am 12. August 2002 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Andernach wegen mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen á 5,-- € verurteilt.

11

4. Das Amtsgericht Andernach verurteilte den Kläger am 10. März 2003 wegen Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung für die Dauer von zwei Jahren.

12

5. Am 13. November 2003 verurteilte das Amtsgericht Andernach den Kläger wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 5,-- €.

13

6. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Kläger am 9. Dezember 2004 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Monaten. Zudem wurde ein Maßregelvollzug zur Alkoholentwöhnung angeordnet. In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des Landgerichts Koblenz Az.: 2030 Js 57521/03 – 7 Ns.

14

7. Am 24. August 2006 wurde durch die Staatsanwaltschaft Koblenz die Eröffnung eines weiteren Strafverfahrens wegen Körperverletzung beantragt: Az.: 2030 Js 017292/06.

15

8. Das Amtsgericht Andernach hat am 2. November 2007 einen Strafbefehl gegen den Kläger erlassen, in dem er wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen á 15,-- € verurteilt wurde.

16

Insbesondere die genannte Entscheidung des Landgerichts Koblenz nahm der Beklagte zum Anlass, den Kläger mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 2006 auszuweisen.

17

Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt. Zu dessen Begründung trug er vor, der Beklagte habe die Ausweisung zu Unrecht als Regelausweisung verfügt. Zwar sei der Tatbestand der Regelausweisung erfüllt. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles sei jedoch vom Vorliegen eines Ausnahmefalles auszugehen, so dass der Beklagte über die Ausweisung des Klägers im Ermessenswege hätte entscheiden müssen. Die Umstände, die hier zu einem Ausnahmefall führen müssten, resultierten in erster Linie aus der psychischen Erkrankung des Klägers und seiner familiären Situation.

18

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2008, zugestellt am 8. September 2008, wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

19

Am 6. Oktober 2008 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er auf sein bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren verweist.

20

Der Kläger beantragt,

21

den Bescheid des Beklagten vom 6. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 aufzuheben.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen.

24

Er ist der Klage entgegengetreten und hält seine Entscheidung für rechtmäßig.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (3 Hefte), der Akte der Staatsanwaltschaft Koblenz – 2010 Js 45727/0329 Ds 962/03 – sowie der beigezogenen Gefangenen-Personalakte der JVA Koblenz (1 Heft) Buch-Nr. 1645/05 – 0 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

26

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

27

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2008 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO -).

28

Die Ausweisung des Klägers findet ihre Rechtsgrundlage in § 54 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG -. Hiernach wird ein Ausländer in der Regel unter anderem dann ausgewiesen, wenn er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, nachdem der Kläger durch Urteil des Landgerichts Koblenz vom 9. Dezember 2004 – 2030 Js 57521/03-7 Ns – wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt worden ist.

29

Auf besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG kann der Kläger sich ersichtlich nicht berufen.

30

Auf der Rechtsfolgenseite sieht § 54 Nr. 1 AufenthG vor, dass der Ausländer in der Regel ausgewiesen wird (sog. Regelausweisung).

31

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 – m.w.N.) beziehen sich die Worte „in der Regel“ im System der Ausweisungstatbestände auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind demgegenüber durch atypische Umstände gekennzeichnet, die so bedeutsam sind, dass sie das ansonsten ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen. Bei der uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegenden Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände einer strafgerichtlichen Verurteilung sowie die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen, die in § 55 Abs. 3 AufenthG nicht abschließend genannt werden (BVerwG a.a.O., m.w.N.; Deibel ZAR 2009, 121 ff.).

32

Hieran anknüpfend wurde das Vorliegen eines Ausnahmefalles bisher u.a. dann angenommen, wenn der Ausweisung höher- oder vorrangiges Recht entgegensteht, sie sich namentlich mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (z.B. Art. 6 Grundgesetz – GG -) oder dem Wertesystem der Europäischen Menschenrechtskonvention (z.B. Art. 8 EMRK) als nicht vereinbar und damit unverhältnismäßig erweist (BVerwG, a.a.O.; Deibel, a.a.O.).

33

Diese Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem vorstehend bereits zitierten Urteil modifiziert. Mit Blick auf die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) als auch des Bundesverfassungsgerichts erkennbar gewachsene Bedeutung des Rechts auf Achtung des Privatlebens im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung, liege ein Ausnahmefall nunmehr bereits dann vor, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gebieten. In diesem Falle müsse über die Ausweisung nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden (BVerwG, a.a.O.).

34

Hierzu ist vorab anzumerken, dass sich der vorgenannte, vom Bundesverwaltungsgericht in seiner zitierten Entscheidung entwickelte (Leit-)Rechtssatz für die praktische Rechtsanwendung als bedenklich erweist. Denn es bleibt unklar, unter welchen Voraussetzungen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallprüfung gebieten.

35

In den Entscheidungsgründen des in Rede stehenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts ist hierzu ausgeführt, insbesondere bei der im Laufe der Zeit angewachsenen Gruppe im Bundesgebiet geborener und aufgewachsener Ausländer bedürfe es bei der Entscheidung über eine Ausweisung einer individuellen Würdigung, inwieweit der Ausländer im Bundesgebiet verwurzelt ist und dies angesichts der konkreten Ausweisungsgründe bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles einer Ausweisung entgegenstehe. Während diese Fallgruppe – zu der der Kläger des vorliegenden Verfahrens zweifelsfrei nicht gehört – hinreichend präzise umrissen ist, bleibt unscharf, welche Personengruppen das Bundesverwaltungsgericht im Blick hat, wenn es im unmittelbaren Anschluss daran weiter ausführt, auch in anderen Fällen erweise sich der schematische Blick der Verwaltung auf die Ist- und Regelausweisung als wenig hilfreich, um das gesamte Spektrum betroffener Belange in den Blick nehmen zu können.

36

Ein Anhaltspunkt für die Frage, wann ein solcher (weiterer) Ausnahmefall nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben sein könnte, ergibt sich möglicherweise aus der Anmerkung von Fricke (Anm. zu BVerwG 1. Senat, Urteil vom 23. Oktober 2007 – 1 C 10.07 -, juris). Darin heißt es unter Ziffer D.:

37

„Das Absenken der Schwelle für die Annahme eines Ausnahmefalles führt dazu, dass künftig bei Vorliegen eines Regelausweisungstatbestandes häufiger eine Ermessensentscheidung zu treffen sein wird. Denn wenn erhebliche durch Art. 6, 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützte Belange betroffen sind, hat die Ausländerbehörde die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im Rahmen ihres Ermessens zu prüfen.“

38

Auch insoweit bleibt allerdings offen, wann nach Auffassung der Verfasserin die Erheblichkeitsschwelle überschritten sein soll. Denkbar wäre es, anzunehmen, dass die Erheblichkeitsschwelle immer (schon) dann überschritten sein soll, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich eines der genannten Grund- oder Menschenrechte festzustellen ist. Da der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK aber gerade unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf Achtung des Privatlebens relativ weit gefasst wird (vgl. hierzu Deibel a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR), wäre in nahezu jedem Falle die Erheblichkeitsschwelle überschritten. Dies dürfte das Bundesverwaltungsgericht aber nicht gemeint haben, da Ausgangspunkt seiner Überlegungen schließlich der Fall eines in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Unionsbürgers war, der hier in familiärer Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau und zwei deutschen Kindern lebte.

39

Die wenig später im in Rede stehenden Urteil gemachten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts könnten ferner darauf hindeuten, dass ein solcher Ausnahmefall jedenfalls dann vorliegen soll, wenn im Einzelfall konkrete Umstände vorliegen, die von den Tatbeständen des besonderen Ausweisungsschutzes im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (früher § 48 Abs. 1 AuslG) nicht vollumfänglich abgedeckt werden, gleichwohl aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der zu den Art. 2 Abs. 1 und 6 GG sowie Art. 8 EMRK ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR zu beachten sind. Um das Vorliegen derartiger Umstände festzustellen, bedarf es aber gerade der Vornahme einer Einzelfallprüfung, was insbesondere die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Mai 2007 – 2 BvR 304/07 – verdeutlicht.

40

Diese Abgrenzungsschwierigkeiten hat offenbar auch das Bundesverwaltungsgericht gesehen, was sich daran zeigt, dass es in der genannten Entscheidung an die Verwaltungsbehörden gerichtet die Empfehlung ausspricht, im Zweifelsfalle zumindest hilfsweise eine Ermessensausweisung vorzunehmen, was im Ergebnis auch im Falle des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen einer Regelausweisung nicht zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führe (BVerwG, a.a.O.; ebenso Fricke, a.a.O.). Letzteres ist zwar durchaus zutreffend, jedoch wird mit dieser Empfehlung die Regelausweisung der Sache nach obsolet. Angesichts des Umstandes, dass die Rechtsfolge, nämlich die Ausweisung, im Falle der Ermessensausweisung dieselbe ist, wie im Falle der Regelausweisung, besteht aus Sicht eines effizient und zielgerichtet seine Arbeit erledigenden Sachbearbeiters kein vernünftiger Grund mehr, eine Regelausweisung überhaupt zu prüfen, da dies aus seiner Sicht im günstigsten Fall den Charakter einer unschädlichen Mehrarbeit haben wird.

41

Diese Abgrenzungsprobleme können nach Auffassung des erkennenden Gerichts letztlich – außer in den klaren Fällen der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländer – nur durch eine eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR ausgerichtete Auslegung des § 54 AufenthG vermieden werden. Dabei kann gleichzeitig der grundlegenden Forderung des Bundesverwaltungsgerichts nach einer einzelfallorientierten Prüfung der Verhältnismäßigkeit in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

42

Der Sache nach – und dies ist die Kernaussage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) unter Einbeziehung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK – ist eine umfassende Einzelfallwürdigung nämlich immer dann zwingend geboten, wenn eine staatliche Maßnahme in den Schutzbereich der Art. 2 Abs. 1, 6 GG bzw. 8 Abs. 1 EMRK eingreift. Dabei ist insbesondere der gewachsenen Bedeutung des Rechts auf Achtung des Privatlebens unter Beachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung zu tragen.

43

So ist zunächst von entscheidender Bedeutung, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bereits zitierten Entscheidung unter Bezugnahme auf die zu Art. 8 Abs. 2 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erneut bestätigt hat, dass diese Vorschrift Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist seinerseits wiederum elementarer Bestandteil des auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Rechtsstaatsprinzips (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). An diesem Grundsatz ist jeder staatliche Eingriffsakt zu messen, und zwar unabhängig davon, ob es um eine gebundene oder eine im pflichtgemäßen Ermessen der handelnden Behörde stehende Maßnahme geht. Hiervon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt, dass die differenzierten ausweisungsrechtlichen Regelungen des Aufenthaltsgesetzes der Europäischen Menschenrechtskonvention in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Diese Feststellung entbinde jedoch nicht von der Verpflichtung – so das Bundesverfassungsgericht weiter -, im Rahmen der Prüfung, ob ein Regelfall nach § 54 AufenthG vorliege, die Ausweisung im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes namentlich zu Art. 8 Abs. 2 EMRK zu untersuchen, sondern setze diese Verpflichtung voraus. Hieraus folgt, dass bei korrekter Rechtsanwendung unter Beachtung des vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Prüfungsmaßstabes von einer schematisierenden Betrachtungsweise unter Ausblendung der konkreten Umstände des Einzelfalles auch in den Fällen der Ist- und Regelausweisung keine Rede (mehr) sein kann. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in seiner genannten Entscheidung sogar ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Einzelfallprüfung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sich zusätzlich auch auf die Berücksichtigung solcher Aspekte zu erstrecken habe, die von § 56 AufenthG nicht erfasst sind. Dies hat zur Folge, dass zwangsläufig in allen Fällen einer Ausweisung, die in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK eingreift, was nach der Rechtsprechung des EGMR in der Regel zu bejahen ist (Deibel, a.a.O., m.w.N.), eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der vom EGMR zu Art. 8 Abs. 2 EMRK entwickelten Grundsätze (vgl. die dazu bei Deibel a.a.O. Ziffer 1.2.a) – l) aufgelisteten „Regelhinweise“ des EGMR zu Art. 8 EMRK) zwingend vorzunehmen ist.

44

Zwar mag es in der Praxis vorkommen, dass einzelne Behördenentscheidungen diesen Anforderungen nicht gerecht werden; dies stellt indessen die Vereinbarkeit des Regelwerks der §§ 53 bis 56 AufenthG mit dem Wertesystem der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht grundsätzlich in Frage. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall, die selbstverständlich einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Dabei war bei dem bisherigen Normverständnis von entscheidendem Vorteil, dass die richterliche Kontrolldichte im Falle des Vorliegens einer Ist- oder Regelausweisung lückenlos ist, weil die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ist- oder Regelausweisung erfüllt sind – wie auch das Vorliegen eines Ausnahmefalles und die Frage der Verhältnismäßigkeit – der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen. Demgegenüber unterliegt die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen den Einschränkungen des § 114 Satz 1 VwGO. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das System der Dreistufigkeit der Ausweisungstatbestände nach dem Willen des Gesetzgebers ursprünglich unter anderem gerade den Zweck hatte, den behördlichen Begründungsaufwand für Ausweisungen in Fällen mittlerer und schwerer Kriminalität zu vereinfachen. Diese schematische Betrachtungsweise ist aber zufolge den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in dieser Form nicht mehr tragfähig, ohne dass die vorzunehmende Einzelfallprüfung zwingend im Rahmen einer Ermessensausübung zu erfolgen hätte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das Prüfprogramm zu Art. 8 Abs. 2 EMRK stets das Gleiche sein muss, einerlei ob die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen einer gebundenen oder einer Ermessensentscheidung erfolgt. Damit wird im Ergebnis auch deutlich, dass die Prüfung des Art. 8 EMRK letztlich nicht „teilbar“ ist. Ergibt die Prüfung des Art. 8 EMRK entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die Ausweisung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, so kann dies auch im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu keinem anderen Ergebnis führen und es gibt in diesen Fällen erst recht keine Gründe, die eine Ermessensbetätigung gebieten. Ergibt die Prüfung hingegen, dass die Ausweisung mit Art. 8 EMRK nicht in Einklang steht, so läge ein Ausnahmefall von der Regelausweisung vor mit der Folge, dass in diesen Fällen wegen des Verstoßes der Ausweisung gegen vorrangiges Recht das Ermessen der Behörde zugunsten des Ausländers auf „Null“ reduziert wäre. Die Ausweisung hat dann zu unterbleiben (BVerfG a.a.O.; GK AufenthG, Loseblattsammlung, § 54 Rdr. 180).

45

Dies vorausgeschickt, vermag die Kammer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles weder zu erkennen, dass im Falle des Klägers höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Ermessensentscheidung über die Ausweisung gebieten, noch dass aus sonstigen Gründen ein Ausnahmefall von der Regelausweisung vorliegt.

46

Wie bereits dargelegt, gehört der Kläger nicht zu der Fallgruppe der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländer, so dass nicht schon deshalb entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) vom Vorliegen eines Ausnahmefalles ausgegangen werden kann.

47

Aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles sind nicht geeignet, einen Ausnahmefall von der Regelausweisung zu begründen.

48

Dies gilt zunächst im Hinblick auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers. Insoweit ist zu sehen, dass er bereits wenige Wochen nach seiner Einreise nach Deutschland im Jahre 2001 erstmals aufgefallen ist und sich dieses Verhalten kontinuierlich fortgesetzt hat, so dass es neben der Verurteilung zu der bereits erwähnten Freiheitsstrafe durch das Landgericht Koblenz zu den im Tatbestand im Einzelnen aufgeführten weiteren strafrechtlichen Verfahren und zum Teil zu Verurteilungen des Klägers gekommen ist. Dies setzte sich auch während des hier anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens fort. So hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung eine Mitteilung des Polizeipräsidiums Koblenz vom 2. Juli 2009 vorgelegt, wonach gegen den Kläger ein weiteres Verfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet worden ist. Dabei fällt insgesamt nicht nur die Häufigkeit der Straftaten ins Gewicht, sondern auch die erkennbare Tendenz, dass die Straftaten hinsichtlich ihrer Schwere und Intensität zugenommen haben. Vor dem Hintergrund dieser kriminellen Vergangenheit und der beim Kläger zu verzeichnenden Neigung zu Gewalt- und Eigentumsdelikten steht zur Überzeugung des Gerichts zu befürchten, dass er auch in Zukunft erneut in erheblichem Umfang straffällig werden wird. Diese Einschätzung wird untermauert durch die Ausführungen des Landgerichts Landau in seinem Beschluss vom 18. Juli 2005 – 3 StVK 148/05 -. Mit dieser Entscheidung wurde der Abbruch einer vom Kläger begonnenen Alkoholentziehungsbehandlung angeordnet, weil sich der Zweck der Maßregel, den Kläger von seiner Alkoholsucht und dem Hang, berauschende Mittel einzunehmen, zu heilen oder dies zu lindern, als unerreichbar erwiesen hatte. Zur Begründung heißt es unter anderem, der Kläger falle im stationären Rahmen durch dissoziales Verhalten auf und habe Probleme, sich an Absprachen und Regeln zu halten. Er leugne auch sein Alkoholproblem. Da aufgrund des vielseitigen Fehlverhaltens des Klägers eine Bearbeitung der Anlasstaten und auch der Suchtproblematik bisher nicht möglich gewesen sei, erachteten die Ärzte und Therapeuten die versuchte Therapie als gescheitert. Dieses Ergebnis sah das Landgericht auch im Hinblick auf den persönlichen Eindruck, den der Kläger im Rahmen der Anhörung gemacht hatte, als bestätigt. Im Hinblick auf die Gesamtumstände sei dem Kläger in Übereinstimmung mit den zugezogenen Sachverständigen eine ungünstige Sozial- und Kriminalprognose zu stellen.

49

Bei dieser Sachlage vermögen auch die beim Kläger festgestellte psychische Erkrankung und die bereits erwähnte Alkoholabhängigkeit nicht das Vorliegen eines Ausnahmefalles zu begründen. Es kann nach den Feststellungen des Gutachters Dr. B. in seinem forensisch-psychiatrischen Fachgutachten vom 4. Oktober 2004 auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger infolge seiner Erkrankung schuldunfähig im Sinne des § 20 StrafgesetzbuchStGB – wäre. Vielmehr wurde es lediglich als „nicht sicher auszuschließen“ bezeichnet, dass der Kläger im Zeitpunkt der Tatbegehung infolge übermäßigen Alkoholkonsums vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB gewesen sein könnte. Da er sich jedoch insoweit als uneinsichtig und therapieresistent gezeigt hat, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er zukünftig weiterhin Straftaten begehen wird. Die Erkrankung führt daher in Bezug auf die Anlasstaten nicht zur Annahme eines Ausnahmefalles.

50

Auch mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers ist nicht von einem atypischen Ausnahmefall auszugehen. Insbesondere ergibt sich die Annahme eines Ausnahmefalles nicht unter Berücksichtigung des in Art. 6 GG verankerten Schutzes von Ehe und Familie. Die Ehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen ist bereits nach kurzer Zeit wieder geschieden worden. Darüber hinaus hat er keine familiären Bindungen zu in Deutschland lebenden Personen geltend gemacht. Insoweit hat er lediglich auf in München lebende Verwandte verwiesen, zu denen er jedoch den Kontakt abgebrochen habe.

51

Des Weiteren kann der Kläger sich auch nicht auf die Schutzbestimmungen des Art. 8 EMRK mit Erfolg berufen.

52

Der Schutzbereich des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK umfasst das Recht auf Identität und persönliche Entwicklung und das Recht, Beziehungen mit anderen Menschen und der Außenwelt zu begründen und zu pflegen. Der Begriff darf nicht eng ausgelegt werden. Es handelt sich um die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthaltes wachsende Bedeutung zukommt (BVerfG a.a.O., m.w.N.; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Kommentar, Loseblattsammlung, Band 3 Nr. 481 Art. 8 EMRK, Rdnr. 30). Zwar spricht einiges dafür, dass die streitgegenständliche Ausweisung im Falle des Klägers in den Schutzbereich dieser Bestimmung eingreift. Der Eingriff ist aber jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt.

53

Für einen Eingriff in den Schutzbereich spricht, dass der Kläger sich inzwischen seit August 2001 und damit ca. 8 Jahre ununterbrochen in Deutschland aufhält. Damit geht einher, dass er der deutschen Sprache relativ gut mächtig ist, wovon sich die Kammer im Laufe der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte. In gewissem Rahmen dürfte er auch während seines Aufenthalts hier in Deutschland persönlichen Kontakt zu Dritten aufgebaut haben, obwohl er in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben hat, er lebe zur Zeit sehr zurückgezogen und habe nur noch Kontakt zu seinen Betreuern. Darüber hinaus habe er sich lediglich zweimal in Hamburg aufgehalten, wo eine größere Anzahl afghanischer Staatsbürger lebe, in deren Gesellschaft er sich wohlgefühlt habe. Ebenso habe er sich einmal in München aufgehalten, um dort Verwandte zu besuchen. Zu diesen Verwandten wie auch zu den Personen in Hamburg habe er jedoch keinen Kontakt mehr. Gleichwohl kann damit zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass mit seinem achtjährigen Aufenthalt auch solche Umstände verknüpft sind, die sein Recht auf Identität und persönliche Entwicklung wie auch auf Achtung seiner schutzwürdigen Beziehungen zu anderen Menschen betreffen.

54

Der mit der Ausweisung des Klägers verbundene Eingriff in dieses Recht ist aber nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Denn er ist gesetzlich vorgesehen und stellt sich hier als eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Wahrung der öffentliche Ruhe und Ordnung und insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer notwendig ist.

55

Die Ausweisung des Klägers ist in § 54 AufenthG gesetzlich geregelt. Insoweit besteht Einigkeit, dass nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen die Vertragsstaaten das Recht haben, über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden. Von diesem Recht hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem durch den Erlass des Aufenthaltsgesetzes und seiner ergänzenden Bestimmungen Gebrauch gemacht. Dabei ist nochmals hervorzuheben, dass die differenzierten Regelungen des Aufenthaltsgesetzes insbesondere betreffend den Erlass von Ausweisungen nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) im Einklang mit den Bestimmungen des Art. 8 EMRK stehen.

56

Ob die Maßnahme im Einzelfall zur Erreichung des vorstehend bezeichneten Zweckes notwendig und damit im Ergebnis nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist, kann nur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung beantwortet werden (BVerfG, a.a.O.). In diese Abwägung sind einzubeziehen die Art und Schwere der begangenen Straftaten, die Wiederholungsgefahr, die Dauer des Aufenthalts im Land, aus dem der Betroffene ausgewiesen werden soll, die seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne, das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufenthaltsland sowie zum Staat seiner Staatsangehörigkeit (OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG -; vgl. ebenso die bereits zitierte Aufzählung der sog. Regelhinweise des EGMR zu Art. 8 EMRK bei Deibel, a.a.O.). An diesem Prüfprogramm, welches sich der Sache nach im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 bis 3 AufenthG deckt, zeigt sich wiederum, dass die nach Art. 8 EMRK zu beachtenden Gesichtspunkte weitestgehend bereits in den nationalen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes ihren Niederschlag gefunden haben und Art. 8 EMRK somit keinen Prüfungsrahmen außerhalb des Aufenthaltsgesetzes eröffnet (VG Koblenz, Urteil vom 17. März 2008 – 3 K 1349/07.KO -). Die Vorschrift ist lediglich bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, was auch durch die Regelung des § 55 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG in besonderem Maße deutlich wird, zu berücksichtigen (a.A. wohl OVG Rh-Pf., a.a.O.). Unter Anlegung dieses Maßstabes kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass die Ausweisung des Klägers sich im Lichte des Art. 8 Abs. 2 EMRK als unverhältnismäßig erweist.

57

Was die Art und Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten anbelangt, kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die oben hierzu bereits gemachten Ausführungen Bezug genommen werden. Ergänzend ist nochmals hervorzuheben, dass es sich zum Teil auch um gefährliche Straftaten mit Gewalt gegen Personen (vgl. OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG -; vgl. aber auch OVG Rh-Pf.,- Urteil vom 22. April 2009 – 7 A 11361/08.OVG -) gehandelt hat. Auch bezüglich der aktuell bestehenden Wiederholungsgefahr kann auf die obigen in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen verwiesen werden. Daran zeigt sich, dass die Ausweisung des Klägers notwendig ist, um die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten zu verhindern und so die Allgemeinheit vor den vom Kläger ausgehenden Gefahren zu schützen.

58

Was sodann die Dauer des Aufenthaltes anbelangt, ist geklärt, dass weder die Geburt im gegenwärtigen Aufenthaltsland noch der langjährige Aufenthalt als solcher absolut vor der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung nach schweren Straftaten schützen (so auch OVG Rh-Pf., Beschluss vom 16. Juli 2008 – 7 B 10529/08.OVG – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Hieraus folgt, dass nicht in erster Linie die Dauer des Aufenthalts als solche dem Ausländer schon eine in gesteigertem Maße schutzwürdige Position vermittelt, sondern dass es maßgeblich darauf ankommt, in welchem Umfang die persönliche Entwicklung und Identität des Ausländers durch den Aufenthalt in Deutschland geprägt und wie intensiv seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Beziehungen hier sind. Dabei liegt es auf der Hand, dass bei zunehmender Dauer des Aufenthalts diese Umstände mehr und mehr an Gewicht gewinnen, so dass hierzu letztlich im Regelfall ein Verhältnis der Wechselwirkungen zwischen Aufenthaltsdauer und dem Grad der Verwurzelung festzustellen ist (so auch BVerfG, a.a.O.; vgl. aber auch OVG Rh-Pf., a.a.O. – 7 B 10529/08.OVG -).

59

Dies vorausgeschickt stellt sich die Situation des Klägers so dar, dass dieser am ... 1982 in Afghanistan geboren wurde und dort bis zur Ausreise im August 2001 gelebt hat. Ist er somit als Volljähriger im Alter von 19 Jahren nach Deutschland ausgereist, so hat er praktisch seine gesamte Sozialisation im Wesentlichen in seinem Herkunftsland erfahren. Damit beherrscht er nicht nur die dortige Sprache, sondern ist auch mit den gesellschaftlichen und sonstigen kulturellen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsland bestens vertraut.

60

Seine derzeitige Situation ist durch seinen inzwischen ca. achtjährigen Aufenthalt in Deutschland mitgeprägt. Außer dem Erwerb einiger grundlegender Sprachkenntnisse ist seine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse jedoch ersichtlich misslungen. Von einer entsprechenden Verwurzelung des Klägers im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 Abs. 2 EMRK kann daher vorliegend nicht ausgegangen werden.

61

In wirtschaftlicher Hinsicht hat er lediglich kurzfristig über einen Arbeitsplatz verfügt. Eine berufliche Qualifikation kann er ebenso wenig vorweisen wie einen qualifizierten Schulabschluss. Insgesamt ist daher nicht zu erwarten, dass er seinen Lebensunterhalt in Zukunft aus eigener Arbeit in Deutschland sicherstellen können wird. Die wirtschaftliche Situation des Klägers wird sich grundsätzlich als schwierig darstellen, auch mit Blick auf seine Erkrankung, gepaart mit dem fehlenden Willen, sich behandeln zu lassen. Diese Feststellung gilt allerdings unabhängig davon, ob der Kläger sich zukünftig in Deutschland oder in seinem Heimatland Afghanistan aufhält (zu den Prüfungskriterien betreffend die wirtschaftliche Integration vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 – 1 C 40.07 -).

62

Die Ehe des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen ist bereits nach kurzer Zeit gescheitert. Sonstige persönliche Bindungen im Bundesgebiet, die gesteigert schutzwürdig sind, wurden nicht vorgetragen. Soweit sich nach den Angaben des Klägers offenbar im Raum München Verwandte von ihm aufhalten, hat er selbst angegeben, dass er zu diesen keinen Kontakt mehr habe.

63

Von einer „Handreichung des Staates“ in Bezug auf die Aufenthaltsdauer kann im Falle des Klägers ebenfalls nicht gesprochen werden. Mit Ausnahme der Zeit des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft war er als rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber lediglich geduldet und damit vollziehbar ausreisepflichtig.

64

Der Umstand, dass ihm seitens des Amtsarztes Reiseunfähigkeit bescheinigt wurde und damit zur Zeit ein Ausreisehindernis besteht, führt ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Steht der Ausreisepflicht und damit der Abschiebung des Klägers – wie hier – eine krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit entgegen, so ist maßgeblich darauf abzustellen, ob ihm der weitere Aufenthalt nur auf der Grundlage einer solchen Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zugemutet werden kann. Besteht das Hindernis, den Aufenthalt zu beenden, für einen nur vorübergehenden Zeitraum, ist das Gewicht des Abschiebehindernisses in Bezug auf die Zumutbarkeit der Ausweisung von geringem Gewicht. Besteht das Hindernis hingegen für einen dauerhaften, unüberschaubaren Zeitraum, ist der weitere Aufenthalt nur auf der Grundlage einer Duldung eher unzumutbar und kann gegebenenfalls einen Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG begründen. Im Rahmen der Abwägung dieser Umstände ist aber auch mit zu berücksichtigen, ob die Ausweisung angesichts der möglichen Inanspruchnahme sogenannter Remedurmittel (insbesondere Befristung der Sperrwirkung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG; Legalisierung des Aufenthaltes nach § 25 Abs. 5 AufenthG) und die damit eröffnete Möglichkeit einer zumindest mittelfristigen Erteilung eines Aufenthaltstitels, zumutbar ist. Dabei muss die Ausweisung aber selbstverständlich auch dann noch zumutbar sein, wenn die Hindernisse für die Aufenthaltsbeendigung nachträglich entfallen (vgl. GK-AufenthG, Loseblattsammlung, vor § 53 Rdnr. 171 ff.; 187 ff.; § 54 Rdnr. 126 – 141).

65

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die Ausweisung dem Kläger trotz seiner Erkrankung und der auf dieser Grundlage festgestellten Reiseunfähigkeit zumutbar. Was die Erkrankung des Klägers anbelangt, besteht nach dem Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, kein Anlass, an der Richtigkeit der ärztlichen Diagnosen zu zweifeln. Inwieweit daraus allerdings ohne weiteres eine dauerhafte Reiseunfähigkeit herzuleiten ist, erscheint der Kammer nicht ohne weiteres zwingend, zumal dies im Rahmen der amtsärztlichen Stellungnahme nicht näher begründet wurde. Von daher ist es sachgerecht, wenn der Beklagte es für angezeigt hält, die Reisefähigkeit des Klägers nochmals aus fachärztlicher Sicht überprüfen zu lassen. Hierzu hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, es sei beabsichtigt, diese Frage im unmittelbaren Anschluss an den rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verwaltungsstreitverfahrens klären zu lassen und die weitere Verfahrensweise werde sodann vom Ergebnis dieser Begutachtung abhängig gemacht. Insbesondere im Falle einer Bestätigung der dauerhaften Reiseunfähigkeit des Klägers werde auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Betracht gezogen.

66

Diese Vorgehensweise des Beklagten erweist sich im Falle des Klägers als sachgerecht und damit zumutbar. Mit Blick auf die bereits erwähnten Ausführungen des Gutachters im Strafvollstreckungsverfahren kann im Falle des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass dieser völlig steuerungsunfähig ist. Deshalb ist zu seinen Lasten zu gewichten, dass er sich bisher völlig unkooperativ und therapieunwillig zeigt mit der Folge, dass er durch sein Verhalten eine maßgebliche (Mit-)Ursache für seinen aktuellen Gesundheitszustand setzt. Von daher ist es ihm zumutbar, bis zur endgültigen Klärung dieser Fragen den Aufenthaltsstatus der Duldung hinzunehmen. Dieser Zustand wird aller Voraussicht nach mit der Klärung der Frage der Reiseunfähigkeit beendet werden. Wird diese bestätigt, wird der Aufenthalt voraussichtlich legalisiert, wird die Reiseunfähigkeit hingegen nicht bestätigt, wird der Aufenthalt des Klägers sodann – zulässigerweise - beendet.

67

Letzteres ist dem Kläger in diesem Fall auch mit Blick auf die vorstehend gemachten Ausführungen trotz seiner Erkrankung zumutbar. Insbesondere ergeben sich neben der fehlenden Verwurzelung in Deutschland auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft seines Heimatlandes nicht mehr möglich oder zumutbar sei.

68

Als inzwischen 27-jährigem jungen Mann, der die ersten 19 Jahre seines Lebens in Afghanistan verbracht hat, ist ihm die Rückkehr nach acht Jahren Abwesenheit möglich und zumutbar. Er spricht nicht nur die dortige Landessprache, sondern ist auch sonst mit den dortigen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten bestens vertraut. Wie bereits erwähnt, wird sich seine wirtschaftliche Situation in Afghanistan schwierig gestalten, da er keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung hat. Er wird damit auch dort – wie in Deutschland – auf die Annahme von Gelegenheitsjobs angewiesen sein, was angesichts der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan zusätzlich erschwert sein wird. Andererseits hat er auf entsprechende Nachfrage in der mündlichen Verhandlung angegeben, sein Vater lebe noch in Kabul. Auch wenn er weiter ausgeführt hat, dass der Kontakt zu seinem Vater und seinen übrigen Familienmitgliedern - wohl wegen seiner Krankheit und den damit einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten - abgebrochen sei, muss der Kläger sich insoweit zunächst auf die Hilfe seines Vaters verweisen lassen. Dies gilt umso mehr, als er angibt, sein Vater sei Pilot gewesen, was darauf hindeutet, dass dieser über ein geregeltes Einkommen verfügt haben dürfte.

69

Was die Erkrankung des Klägers als solche angeht, ergeben sich mit Blick auf dessen Therapieunwilligkeit keine Anhaltspunkte dafür, dass diese sich durch eine Aufenthaltsbeendigung verschlechtern könnte, oder gar bisher erzielte gesundheitliche Fortschritte zunichte gemacht würden (vgl. Deibel a.a.O.).

70

Liegt nach alledem ein Ausnahmefall von der Regelausweisung nicht vor, so bleibt es bei dem Ergebnis, dass der Kläger gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG auszuweisen ist. Mit Blick auf die insoweit im Rahmen der Prüfung eines Ausnahmefalles vorgenommene umfassende Interessenabwägung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles ist bezogen auf den vorliegenden Fall auch nicht erkennbar, dass bislang entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer Betracht geblieben wären, die es gebieten, eine Ermessensausübung durch die Behörde vornehmen zu lassen.

71

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

72

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

73

Von einer Zulassung der Berufung durch das erkennende Gericht gemäß § 124 Abs. 1 und § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO wird abgesehen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt.

74

Beschluss

75

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

76

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Widerspruch und Klage gegen

1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels,
1a.
Maßnahmen nach § 49,
2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen,
2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e,
3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft,
4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes,
5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d,
6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1,
7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11,
8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie
9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
haben keine aufschiebende Wirkung.

Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.