Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 20. März 2017 - 8 K 5808/16

bei uns veröffentlicht am20.03.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die teilweise Befreiung von der seitens der Beklagten gegen ihn bestehenden Studiengebührenforderung.

2

Der Kläger war – jedenfalls – vom Wintersemester 2007/2008 bis einschließlich des Wintersemesters 2012/2013 Student an der Universität Hamburg. Zur Finanzierung der Studiengebühren, die ab dem Sommersemester 2007 erhoben wurden, nahm er die damals bestehende Möglichkeit eines verzinslichen Darlehens der Kreditanstalt für Wiederaufbau (im Folgenden: „KfW“), das sogenannte „Hamburger Studiendarlehen“, in Anspruch. Ab dem Wintersemester 2008/2009 nahm er die dann bestehende, das bisherige Modell ablösende Möglichkeit einer zinsfreien Stundung der Studiengebühren in Anspruch, die nachgelagert von der Beklagten eingezogen werden. Der Kläger bezog zudem Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (im Folgenden: BAföG).

3

Am 10. April 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, im Rahmen der Prüfung der Zahlungspflicht gemäß § 129a Abs. 2 Hamburgisches Hochschulgesetz (im Folgenden: HmbHG) ihn teilweise von der bei der Beklagten bestehenden Studiengebührenforderung in Höhe von insgesamt 3.000,- EUR zu befreien. Er reichte in Auszügen einen Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 14. Juni 2015 ein, aus dem sich bei Addierung der dort aufgeführten Einzelbeträge eine Darlehensschuld nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 14.819,- EUR ergab. Weiter reichte er einen Kontoauszug der KfW ein, der ein Kapitalsaldo in Höhe von 1.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 185,05 EUR aufwies. Die Zahlungspflicht des Klägers sei auf 995,95 EUR zurückzuführen, da die Summe aus der Darlehensschuld nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz, aus dem „Hamburger Studiendarlehen“ und aus der gestundeten Gebührenforderung der Beklagten den Betrag von 17.000,- EUR um 2.004,95 EUR überstiegen und dieser Betrag von der Gebührenforderung der Beklagten zu erlassen sei.

4

Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 wurde der Kläger in Höhe von 819,- EUR von der Gebührenforderung der Beklagten befreit, sodass die Forderung fortan noch 2.181,- EUR beträgt. Die Höhe der Befreiung ergebe sich daraus, dass der Betrag von 17.000,- EUR bei der Aufsummierung der Darlehensschuld nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 14.819,- EUR und der Gebührenschuld bei der Beklagten in Höhe von 3.000,- EUR um lediglich 819,- EUR überschritten werde. Das „Hamburger Studiendarlehen“ sei nicht berücksichtigungsfähig.

5

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 19. Mai 2016 Widerspruch ein. Es entspreche der gesetzgeberischen Idee, alle aufgeführten Beträge bei der Berechnung zu berücksichtigen. Beide Forderungen bezögen sich auf nachgelagerte Studiengebühren.

6

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 30. August 2016, laut dem vom Kläger unterschriebenen Rückschein zugestellt am 13. September 2016, zurückgewiesen. Das „Hamburger Studiendarlehen“ sei nicht anrechenbar. Von der Erstattung seien im Wortlaut der Erstattungsnorm nur die „fälligen Gebührenforderungen“ erfasst. Diese umfassten nur die von der Beklagten bereitgestellten Mittel. Für einen anderweitigen Erlass sei die KfW zuständig. Dies ergebe sich auch aus Ziff. 3.3 des „Kooperationsvertrages über die Bereitstellung eines Hamburger Studiendarlehens zur Finanzierung von Studiengebühren und die Inanspruchnahme des Studienfonds Hamburg“ (vom 15. Januar 2007, im Folgenden: Kooperationsvertrag).

7

Die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautet:

8

„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg erhoben werden.“

9

Am 14. Oktober 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Diese sei fristgerecht, da der eigens angebrachte Eingangsstempel des Klägers den Zugang des Widerspruchsbescheides abweichend von der Angabe im Rückschein am 14. September 2016 belege. In der Sache lägen keine gerechtfertigten Gründe für eine Nichtberücksichtigung der Darlehensforderung aus dem „Hamburger Studiendarlehen“ vor. Es habe nach dem Sinn und Zweck der aus sozialen Gründen erlassenen Regelung eine Gesamtbetrachtung der studiengebührenbedingten finanziellen Lasten zu erfolgen.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.8.2016 – soweit dieser entgegensteht – zu verpflichten, dem Kläger weitere 1.185,05 EUR der von der Beklagten gestundeten Studiengebührenforderung gegen den Kläger zu erlassen.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung trägt sie vor, die Klage sei bereits unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei nicht eingehalten. Diese gelte vorliegend auch. Der in der Rechtsbehelfsbelehrung zum Widerspruchsbescheid erfolgte Hinweis auf die Möglichkeit der schriftlichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgenden Klageerhebung sei auch unter Berücksichtigung des fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit der Klageerhebung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 55a VwGO nicht unrichtig, sodass nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO einschlägig sei. Im Übrigen verweist sie auf die Begründung des Widerspruchsbescheids.

15

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sowie auf die Sachakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO anstelle der Kammer.

II.

17

Die Klage ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1.

18

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die am 14. Oktober 2016 erhobene Klage nicht verfristet. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides zu erheben. Diese Monatsfrist hat vorliegend aber mit der Zustellung nicht zu laufen begonnen, sodass hier dahinstehen kann, ob der Widerspruchsbescheid dem Kläger wie durch den Rückschein belegt am 13. September 2016 oder aber erst – wie vom Kläger behauptet – am 14. September 2016 zugestellt worden ist. Denn die dem Widerspruchsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung war unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO, sodass die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres nach der Zustellung zulässig war.

19

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist es vielmehr auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3. März 2016, 3 PKH 5.15 u.a., juris Rn. 6; Urt. v. 21. März 2002, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 83, juris Rn. 12). Ein fehlerhafter Zusatz macht die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wenn er objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 2000, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 77, juris Rn. 3).

20

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist in diesem Sinne unrichtig. Zwar ist es nicht erforderlich, die Form der Klageerhebung in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Erfolgt diese Angabe jedoch, so muss sie auch vollständig sein. Andernfalls ist die Belehrung unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Angabe, die Klage könne „schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle“ erhoben werden, ist unvollständig. Denn sie erwähnt nicht die ebenfalls mögliche Erhebung der Klage durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments (vgl. § 55a VwGO).

21

Zur Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung bei Benennung der Formen der Klageerhebung unter Auslassung der Möglichkeit der elektronischen Form im Sinne des § 55a VwGO führt das VG Berlin (Urt. v. 20. Oktober 2016, 2 K 568.15, juris Rn. 16) aus:

22

„Zwar bedarf es danach grundsätzlich keiner Belehrung über die Art und Weise wie ein Rechtsbehelf anzubringen ist (BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 – BVerwG 8 C 70.88 – juris Rdn. 16; vgl. auch BFH, Beschluss vom 12. Dezember 2012 – I B 127/12 – juris Rdn. 17). Wenn aber – wie hier – darüber hinaus Angaben über die Form der Klageerhebung gemacht werden („schriftlich oder zur Niederschrift“), müssen diese vollständig sein. Hieran fehlt es. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchbescheides des Beklagten vom 7. September 2015 ist nämlich die Möglichkeit der Erhebung der Klage durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments (§ 55a VwGO) nicht erwähnt. Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung ist generell geeignet, den Rechtssuchenden in die Irre zu führen (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 22. April 2010 – OVG 2 S 12.10 – juris Rdn 3, vom 3. Mai 2010 – OVG 2 S 106.09 – juris Rdn. 6 und vom 2. Februar 2011 – OVG 2 N 10.10 – juris Rdn. 3 jeweils zur Rechtsmittelbelehrung in der erstinstanzlichen Entscheidung; OVG Münster, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 19 B 406/13 – juris Rdn. 19; OVG Magdeburg, Urteil vom 14.Oktober 2014 – 1 L 99/13 – juris Rdn. 34; OVG Koblenz, Urteil vom 8. März 2012 – 1 A 11258/11 – juris Rdn. 25 ff; VG Schleswig, Urteil vom 5. November 2015 – 1 A 24/15 – juris Rdn. 22 ff. mit ausführlicher Darlegung der verschiedenen Ansätze in der Rechtsprechung; VG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 11. Januar 2016 – 11 A 892/15 – juris Rdn. 18 ff.; VG Potsdam, Urteil vom 18. August 2010 – 8 K 2929/09 – juris Rdn. 22; s. auch Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 58 Rdn. 66). Der Gegenauffassung (BFH, Urteil vom 18. Juni 2015 – IV R 18/13 – juris Rdn. 21 f.; BSG, Urteil vom 14. März 2013 – B 13 R 19/12 R – juris Rdn. 23 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 25. August 2015 – 2 LB 283/14 – juris Rdn. 32 ff.; VGH München, Beschluss vom 18. April 2011 – 20 ZB 11.349 – juris Rdn. 3; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2014 – L 3 R 1020/08 – juris Rdn. 24 ff; VG Berlin, Beschluss vom 20. Mai 2010 – VG 12 L 253.10 – juris Rdn. 3; VG Braunschweig, Urteil vom 16. Dezember 2015 – 5 A 17/14 – juris Rdn. 47 ff.; VG Frankfurt, Urteil vom 8. Juli 2011 – 11 K 4808/10.F – juris Rdn. 21 ff.) ist nicht zu folgen. Ihr ist bereits entgegenzuhalten, dass der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Klageerhebung grundsätzlich auch bei Rechtsanwälten, die allein über die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur (§ 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO) verfügen werden, zu Zweifeln über die Art und Weise der Klageerhebung führen können. Zudem erfolgt die Klageerhebung inzwischen nicht mehr nur in seltenen Ausnahmefällen auf elektronischem Wege.“

23

Dieser Auffassung schließt sich der Berichterstatter an. Soweit die Beklagte unter Verweis auf die Gegenansicht vorträgt, die Rechtsbehelfsbelehrung würde durch diesen weiteren Zusatz länger und verwirrend, ist dem entgegenzuhalten, dass einerseits vollständig auf einen Hinweis zur Form der Klageerhebung verzichtet werden und so der vermeintlichen Verwirrung entgegengewirkt werden könnte, und dass andererseits eine unvollständige Aufzählung den potentiell verwirrenderen Eindruck erweckt, nur die aufgeführten Erhebungsformen seien zulässig. Der letztgenannten Begrenzung der Erhebungsformen wohnt die objektive Eignung inne, die Rechtsmittelerhebung zu erschweren. Dass die Erhebung der Klage auf diesem Wege technische Voraussetzungen hat, die nicht jeder Kläger erfüllt, mag zwar bei einem ohne diese technischen Voraussetzungen ausgestatteten Kläger im Einzelfall nicht dazu führen, dass er eine Klage gerade wegen des fehlenden Hinweises auf die Erhebungsmöglichkeit mittels elektronischen Dokuments nicht erhebt. Allgemein jedoch könnte Klägern und insbesondere Rechtsanwälten – worauf das VG Berlin bereits zutreffend verweist –, die über die technischen Voraussetzungen verfügen oder sich diese verfügbar machen wollen würden, durch die fehlerhafte Beschränkung der Rechtsbehelfsbelehrung auf die schriftliche Einlegung und die Erhebung zu Protokoll der Geschäftsstelle die Klageerhebung erschwert werden.

2.

24

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Befreiung von einem weiteren Teil der von der Beklagten gestundeten Gebührenforderung nicht zu.

25

Anspruchsgrundlage ist § 129a Abs. 2 des HmbHG (vom 18. Juli 2001, HmbGVBl. 2001, 171 in der Fassung des Gesetzes zur Abschaffung der Studiengebühren vom 20. Dezember 2011, HmbGVBl. 2011, 550) in Verbindung mit § 6 d des HmbHG in der vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2012 gültigen Fassung (vom 23. September 2008, HmbGVBl. 2008, 335; im Folgenden: HmbHG a. F.). Danach ist der Gebührenschuldner auf Antrag von der Rückzahlungspflicht des die Höchstgrenze überschreitenden Anteils der Forderungssumme zu befreien, wenn die Summe der fälligen Gebührenforderung und eine Darlehensschuld nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zusammen die Höchstgrenze von 17.000,- EUR überschreiten.

26

Der Kläger überschreitet die Höchstgrenze von 17.000,- EUR vorliegend nicht. Es kann dahinstehen, ob im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das „Hamburger Studiendarlehen“ und die Gebührenforderung der Beklagten in die Berechnung einzustellen sind (a.). Denn bei der Berechnung ist die Darlehensschuld nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG maximal in einer Höhe von 10.000,- EUR einzubeziehen, sodass der Kläger auch bei einer Gesamtbetrachtung die Höchstgrenze von 17.000,- EUR nicht erreicht (b.).

a.

27

Es spricht vieles dafür, dass bei der Berechnung der Überschreitung der Höchstgrenze nicht nur die Gebührenforderung der Beklagten einzubeziehen ist, sondern auch das Darlehen einschließlich Zinsen aus dem „Hamburger Studiendarlehen“ bei der KfW. Zwar spricht der Wortlaut „fällige Gebührenforderung“ dafür, das hiermit im systematischen Zusammenhang mit § 6d Abs. 2 HmbHG a. F. nur solche Forderungen gemeint sind, die der Beklagten zustehen und dass im Übrigen die Verpflichtung des Klägers aus dem Darlehensvertrag mit der KfW schon deshalb nicht unter die Norm fällt, weil es sich begrifflich hierbei nicht um eine Gebührenforderung, sondern um eine Darlehensschuld handelt. Die eigentliche Gebührenforderung hatte der Kläger nach dem damaligen Modell gegenüber der Universität Hamburg unmittelbar erfüllt. Jedoch hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Befreiungsnorm unter dem Gesichtspunkt einer sozial verträglichen Studienfinanzierung eine umfassende Berücksichtigung der unmittelbar auf Grund der Studiengebührenpflicht unter Inanspruchnahme öffentlicher Finanzierungsmodelle entstehenden, finanziellen Belastungen des Studierenden vor Augen hatte. Eine separate Berechnung der Höchstbelastungsgrenze nach dem zunächst bestehenden Darlehensmodell einerseits und dem danach eingeführten Stundungsmodell andererseits unter Ausschluss der jeweils anderen gebührenbezogenen finanziellen Belastung wäre unter diesem Gesichtspunkt sachwidrig. Ob bei einer solchen Gesamtbetrachtung verwaltungsinterne Abwicklungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen Verwaltungsträgern entstehen würden, würde jedenfalls nicht in die Risikosphäre des Gebührenschuldners fallen und könnte daher nicht von vornherein gegen eine Gesamtbetrachtung sprechen. Auf das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung kommt es aber vorliegend ohnehin nicht an, da auch bei einer vollständigen Einbeziehung beider Beträge die Höchstgrenze nicht erreicht wird.

b.

28

Die Höchstgrenze von 17.000,- EUR wird vorliegend nicht erreicht, da bereits die Darlehensschuld nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG nicht in der Höhe der Darlehensvaluta von 14.819,- EUR, sondern lediglich in Höhe von 10.000,- EUR in die Berechnung einzustellen ist. Infolgedessen ergibt sich bei der Zusammenrechnung der noch bestehenden Gebührenförderung in Höhe von 2.181,- EUR, des Betrages aus dem „Hamburger Studiendarlehen“ in Höhe von 1.185,05 EUR und der Rückzahlungsverpflichtung aus dem BAföG in Höhe von 10.000,- EUR ein Gesamtbetrag von 13.366,05 EUR.

29

Die Begrenzung der Einbeziehung der Darlehensschuld auf maximal 10.000,- EUR ergibt sich aus der Auslegung des § 6d Abs. 4 HmbHG a. F., insbesondere durch die Heranziehung des in den Gesetzgebungsmaterialien niedergelegten gesetzgeberischen Willens bei der Schaffung der Norm.

30

Der Wortlaut, nach dem „eine Darlehensschuld nach § 17 Absatz 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“ anzusetzen ist, könnte zunächst dafür sprechen, in Anbetracht der in § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG vorgesehenen Regelung, dass „der monatliche Förderungsbetrag zur Hälfte als Darlehen geleistet“ wird, den tatsächlich ausgezahlten Förderbetrag hälftig auch bei der Berechnung nach § 6d Abs. 4 HmbHG a. F. anzurechnen. So überschreibt auch der Bescheid des Bundesverwaltungsamt vom 14. Juni 2015 den Teil des Feststellungsbescheides, der sich mit der Berechnung des erhaltenen Darlehens befasst, mit „Darlehensschuld“ und stellt hier die tatsächlich gewährten Darlehensbeträge zusammen.

31

Dem steht aber der unzweideutige gesetzgeberische Wille bei der Schaffung der Norm und ihres Vorgängers entgegen, wie er zunächst in der Gesetzesbegründung zu der im Rahmen des Darlehensmodells vorgesehenen Befreiungsregelung in § 6 c Abs. 6 HmbHG (in der Fassung des Studienfinanzierungsgesetzes vom 6. Juli 2006, HmbGVBl. 2006, 376) niedergelegt wurde.

32

Zur Begründung des im Gesetzgebungsprozess angenommenen Änderungsantrages, auf dem die Einfügung der Regelung beruht, heißt es (Bü.-Drs. 18/4412, Begründung zu 4.):

33

„Da für das BAföG gegenwärtig eine Kappungsgrenze von 10 000 Euro besteht, wird die Darlehensbelastung aus dem Darlehen zur Finanzierung der Studienbeiträge für diese BAföG-Empfänger auf höchstens 7000 Euro einschließlich Zinsen beschränkt. Die Verschuldensobergrenze für BAföG-Empfänger ist ein wesentlicher Baustein der sozial ausgerichteten Finanzierungsgerechtigkeit des Darlehensmodells.“

34

Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass das Darlehen nach dem BAföG auf Grund der Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG stets höchstens bis zu einem Gesamtbetrag von 10.000,- EUR durch den Studierenden zurückzuzahlen ist und legte auf dieser Grundlage ausdrücklich fest, dass die aus der Studiengebührenfinanzierung durch den Studierenden zu erbringenden Leistungen einschließlich Zinsen dann begrenzt werden sollen, wenn diese 7.000,- EUR überschreiten. Diese Frage war explizit Gegenstand der parlamentarischen Debatte, die der Abstimmung über den Änderungsantrag vorausging (vgl. das Plenarprotokoll der 58. Sitzung der der Hamburgischen Bürgerschaft in der 18. Wahlperiode, 18/58, am 31. Mai 2006, S. 3001 B), sodass die das Gesetz beschließende Hamburgische Bürgerschaft sowohl die Bedeutung der Regelung als auch ihre Auswirkungen klar vor Augen hatte. Es war dem Gesetzgeber offenkundig, dass es Studierende geben kann, die ein Darlehen nach dem BAföG in einer Höhe von mehr als 10.000,- EUR erhalten haben würden, jedoch durch dieses in Hinblick auf die Rückzahlung nur in Höhe von 10.000,- EUR tatsächlich belastet werden würden. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Schaffung einer Verschuldensobergrenze bei 17.000,- EUR dementsprechend, dass damit vermieden werden sollte, dass ein Studierender bei der Rückzahlung seines Darlehens nach dem BAföG und seiner finanziellen Verpflichtungen aus der Erhebung von Studiengebühren insgesamt mit mehr als 17.000,- EUR belastet wird und knüpfte dabei an die tatsächlich zu leistenden Beträge an.

35

Indiziell von Bedeutung ist darüber hinaus, dass auch die KfW, die weiterhin für die Abwicklung des alten Modells des „Hamburger Studiendarlehens“ zuständig ist, in den auf ihrer Internetseite hinterlegten Fragen und Antworten zu diesem Förderprodukt (Nr. 177; vgl. https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Studieren-Qualifizieren/Förder produkte/Hamburger-Studiendarlehen-(177)/, zuletzt aufgerufen am 23. März 2017) hinsichtlich eines Teilerlasses des Darlehens für BAföG-Empfänger erläutert: „Für die Kombination eines ‚Hamburger-Studiendarlehens‘ und des BAföG-Staatsdarlehens besteht eine Kappungsgrenze. Die gesamte Verschuldung aus BAföG und dem Studienbeitragsdarlehen ist derzeit auf 17.000 Euro begrenzt. Bitte beachten Sie, dass zunächst das BAföG-Staatsdarlehen auf 10.000 Euro gekappt wird. Erst danach erfolgt die Prüfung, ob eine Verschuldung über 175.000 (sic!) Euro hinaus mit dem (gekappten) BAföG-Staatsdarlehen und dem ‚Hamburger-Studiendarlehen‘ vorliegt.“ Die KfW legt daher explizit das hier vertretene Verständnis der Befreiungsnorm und der damit verbundenen Berechnungsmethode zu Grunde.

36

Es besteht auch kein Anlass, im Rahmen des Systemwechsels hin zu der nachgelagerten Studiengebührenerhebung durch die Beklagte von einer Änderung der gesetzgeberischen Konzeption auszugehen. Die im Rahmen der Neuregelung in § 6d Abs. 4 HmbHG a. F. bestehende Befreiungsnorm übernahm die alte Regelung im Wortlaut und ersetzte dabei lediglich die Begriffe „Studiendarlehen“, „Darlehensnehmer“ und „des Studiendarlehens“ durch die „fälligen Gebührenforderungen“, „die Gebührenschuldnerin bzw. der Gebührenschuldner“ und „der Forderungssumme“. Eine Benennung der Kappungsgrenze des BAföG enthält die Gesetzesbegründung zur Neuregelung (Bü.-Drs. 19/552, S. 9) nicht, die Regelung sei nach Angaben des Senats bei der Entwicklung des Gesetzesentwurfs aber insgesamt aus dem alten Recht übernommen worden (Stellungnahme des Wissenschaftsausschusses in Anlage 1 a zum Bericht des Haushaltsausschusses vom 20. August 2008, Bü.-Drs. 19/939, S. 23). Die Begründung zur Neuregelung führt die alte Regelung gleichbleibend unter dem Aspekt der Verschuldensobergrenze fort und stellt dabei zusätzlich auf die „Summe aus beiden Rückzahlungsverpflichtungen“ (Bü.-Drs. 19/552, S. 9) ab, was zusätzlich dafür spricht, die tatsächliche Rückzahlungsverpflichtung in Bezug auf ein Darlehen nach dem BAföG, die sich auf maximal 10.000,- EUR beläuft, anzusetzen. Jedenfalls war aber auch in den Verhandlungen zur Neuregelung die Verschuldensobergrenze Gegenstand, wobei auch hier davon ausgegangen wurde, dass ein „BAföG-Höchstsatz“ anzusetzen sei und sich lediglich die Frage stelle, wie die Verschuldensobergrenze von 17.000,- EUR festgelegt worden sei und wie diese bei einer durchschnittlich zu erwartenden Gebührenschuld von 3.750,- EUR ausgehend von den maximal anzusetzenden 10.000,- EUR aus dem BAföG-Darlehen erreicht werden solle (vgl. Protokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, 19/1, Sitzung am 24. Juni 2008, S. 7; vgl. auch Protokoll der öffentlichen Sitzung des Wissenschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, 19/2, Sitzung am 1. Juli 2008, S. 22, 27; vgl. weiter die Stellungnahme des Wissenschaftsausschusses in Anlage 1 a zum Bericht des Haushaltsausschusses vom 20. August 2008, Bü.-Drs. 19/939, S. 23).

37

Soweit die Beklagte vor diesem Hintergrund vorträgt, es würden durch die vom Gesetzgeber vorgesehene Mindestsumme von 7.000,- EUR gebührenbezogener Schulden nur wenige Studierende erreicht, da dann eine hohe Zahl an Semestern studiert werden müsse, mag dies zutreffen und entspricht auch teilweise erhobenen politischen Einwendungen innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses. Es ist jedoch eine Entscheidung des Gesetzgebers, anhand einer typisierenden Betrachtung zu entscheiden, bis zu welcher finanziellen Belastungsgrenze ein Studierender an den erheblich über den Studiengebühren liegenden tatsächlichen Kosten seiner universitären Ausbildung beteiligt werden soll. Der Gesetzgeber hat sich im Bewusstsein der Regelungsfolgen für das von ihm erlassene Modell mit seiner Berechnungsgrundlage und den praktischen Auswirkungen entschieden. Für eine Korrektur durch die Beklagte als Verwaltungsträgerin ohne einen diesbezüglichen gesetzgeberischen Auftrag oder jedenfalls ohne eine dies erlaubende Rechtsverordnung nach § 6d Abs. 6 HmbHG a.F., der den Senat ermächtigte, das Nähere durch Rechtsverordnung zu regeln – dies aber in der Studiengebührenverordnung vom 7. Oktober 2008, HmbGVBl. 2008, 361, im Hinblick auf die Befreiungsnorm nicht tat –, und allein auf Grundlage der von ihr angenommenen, lückenhaften Sozialverträglichkeit der gesetzlichen Befreiungsnorm, ist kein Raum. Aus diesem Grund hat auch ein verwaltungsinterner Kooperationsvertrag keine den gesetzgeberischen Willen relativierende Wirkung. Zur bestehenden Sozialverträglichkeit der Einführung der Studiengebührenpflicht unter der Geltung der absoluten Verschuldensobergrenze von 17.000,- EUR vergleiche im Übrigen die grundlegende Entscheidung des OVG Hamburg, Urt. v. 23. Februar 2010, 3 Bf 70/09, juris Rn. 93 ff.).

38

Die von der Beklagten bisher praktizierte Zugrundelegung des tatsächlich ausgekehrten Darlehensbetrags nach dem BAföG hat darüber hinaus das wenig einleuchtende Ergebnis zur Folge, dass ein Studierender mit einer 17.000,- EUR übersteigenden Darlehensschuld nach dem BAföG stets vollständig von der Gebührenforderung befreit wird und infolgedessen insgesamt 10.000,- EUR für sein Studium aufzubringen hat, während ein Studierender, bei dem lediglich Darlehen in Höhe von insgesamt 10.000,- EUR nach dem BAföG gewährt worden sind, mangels Befreiungsmöglichkeit bis zu einem Betrag von 7.000,- EUR die volle Studiengebührenschuld zu zahlen hat und somit insgesamt auf einen für sein Studium insgesamt aufzubringenden Betrag von 10.000,- EUR zuzüglich der Studiengebühren von bis zu 7.000,- EUR kommt. Es entsteht dadurch eine nicht mit dem Zweck der Befreiungsnorm vereinbare Privilegierung von Studierenden, die BAföG-Darlehen von mehr als 10.000,- EUR erhalten haben gegenüber denjenigen, die BAföG-Darlehen von bis zu 10.000,- EUR erhalten haben.

39

Schließlich führt entgegen der klägerischen Auffassung die bisher entstandene Verwaltungspraxis der Beklagten nicht dazu, dass bei der Berechnung im vorliegenden Fall auf die Darlehensvaluta in Höhe von 14.819,- EUR abgestellt werden müsste. Ein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung auf Grundlage dieser Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Verwaltungspraxis gesetzeswidrig ist und ein Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht besteht (vgl. zu diesem Grundsatz zuletzt OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 7. März 2017, 1 B 1355/16, juris Rn. 34; Bayerischer VGH, Urt. v. 26. Januar 2017, 4 B 16.1541, juris Rn. 52; Sächsisches OVG, Beschl. v. 9. Januar 2017, 3 A 674/16, juris Rn. 15, sowie BVerwG, Urt. v. 22. Juli 2015, 8 C 7/14, juris Rn. 28).

III.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 58


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende F

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung


Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 55a


(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätz

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 17 Förderungsarten


(1) Ausbildungsförderung wird vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 als Zuschuss geleistet. (2) Bei dem Besuch von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen sowie bei der Teilnahme an einem Praktikum, das im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Au

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Referenzen

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine Anordnung eines Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) mit Blick auf ein zwischenzeitlich über das Vermögen des Vergütungsgläubigers eröffnetes Insolvenzverfahren von der Vollziehung auszusetzen ist; ein Einspruch gegen die Anordnung wurde nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt.

2

Unternehmensgegenstand der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), einer GmbH, ist der Erwerb, der Umbau, die Verwaltung, Bewirtschaftung und spätere Veräußerung einer im Inland belegenen Gewerbeimmobilie. Die Immobilie war mit notariellem Vertrag vom 28. September 2011 von einer niederländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in den Niederlanden für 10.500.000 € erworben worden. Eine "1. Rate" des Kaufpreises (525.000 €) hatte die Antragstellerin bereits vor der Vertragsbeurkundung auflagenfrei auf ein Notaranderkonto eingezahlt. Der Restkaufpreis war innerhalb von zehn Arbeitstagen nach dem Absenden der schriftlichen Bestätigung des Notars über den Eintritt weiterer Fälligkeitsvoraussetzungen zu zahlen.

3

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ordnete unter dem 10. Oktober 2011 (Bekanntgabe am 12. Oktober 2011) gegenüber der Antragstellerin gemäß § 50a Abs. 7 (i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG 2009 den Abzug von Körperschaftsteuer in Höhe von 7 % der Vergütungen aus dem Grundstückskaufvertrag an (735.000 €). Der Bescheid trägt keinen Hinweis auf eine E-Mail-Adresse des FA, die sich allerdings aus der allgemeinen Homepage www.finanzamt.nrw.de ergibt; die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung lautet: "Gegen die Anordnung des Steuerabzuges ist der Einspruch gegeben. ... Der Einspruch ist bei dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Auch der Steuerschuldner kann Einspruch einlegen. Die Frist für die Einlegung beträgt ..."

4

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das FA die Antragstellerin um Mitteilung, wann der Kaufpreis gezahlt und warum gegebenenfalls kein Steuerabzug durchgeführt worden sei. Die Antragstellerin zahlte den "Restkaufpreis" am 20. Januar 2012; später wurde sie als Eigentümerin des Objektes in das Grundbuch eingetragen.

5

Die Antragstellerin informierte das FA über die Zahlung des Kaufpreises. Sie verwies zudem auf eine notarielle Bestätigung vom 7. Februar 2012 über den Bestand eines Notaranderkontos in Höhe von 805.925 €. Gemäß der Treuhandabrede habe sie einen entsprechenden Teil des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto hinterlegt. Durch diese Gestaltung habe vermieden werden sollen, dass im Falle einer tatsächlich niedrigeren Steuerfestsetzung aus dem Veräußerungsvorgang die Steuererstattung an die Grundstücksverkäuferin erfolge, um die Bank nicht wirtschaftlich unverhältnismäßig zu benachteiligen.

6

Mit Schreiben vom 13. Februar 2012 forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die Anmeldung und Zahlung des Betrages von 735.000 € zzgl. Solidaritätszuschlag vorzunehmen. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass zur Sicherung eines eventuellen Steueranspruchs ein Notaranderkonto eingerichtet worden sei. Zugleich beantragte sie, die Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 131 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) zu widerrufen. Denn über das Vermögen der Grundstücksverkäuferin sei in den Niederlanden am 16. Februar 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieser Umstand sei bei der Anordnung des Steuerabzuges jedenfalls im Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, da es ein Fiskusprivileg nicht gebe. Durch den Vollzug des Steuerabzuges würde jedoch der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern der insolventen Gesellschaft bevorzugt, was parallel zur Rechtslage bei der Bauabzugsteuer gemäß §§ 48 ff. EStG (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 2002 I B 147/02, BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716) unrechtmäßig sei. Das FA lehnte den Widerruf der Anordnung mit Schreiben vom 28. März 2012 ab. Über den hiergegen gerichteten Einspruch der Antragstellerin vom 5. April 2012 hat das FA noch nicht entschieden.

7

Mit Schreiben vom 13. April 2012 legte die Antragstellerin Einspruch gegen die Anordnung des Steuerabzuges vom 10. Oktober 2011 ein. Sie vertrat unter Hinweis auf ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 24. November 2011  10 K 275/11 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 292) und das hierzu beim BFH anhängige Revisionsverfahren (Az. X R 2/12) die Auffassung, dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei unrichtig; ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail fehle (Hinweis auf § 356 Abs. 2 AO).

8

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der streitigen Anordnung lehnte das FA ab, da der Einspruch verfristet sei. Ein beim FG Münster gestellter AdV-Antrag blieb ebenfalls erfolglos (FG Münster, Beschluss vom 6. Juli 2012  11 V 1706/12 E, abgedruckt in EFG 2012, 1811).

9

Die Antragstellerin macht mit ihrer --vom FG zugelassenen-- Beschwerde geltend, der Einspruch gegen die streitgegenständliche Anordnung sei fristgerecht eingelegt worden. Es bestünden auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vollziehung der Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 EStG 2009 vom 10. Oktober 2011 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in voller Höhe ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

10

Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

11

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat die beantragte AdV zu Recht abgelehnt. Es fehlt angesichts der verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs und der daran anschließenden formellen Bestandskraft der streitgegenständlichen Anordnung an den für die AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts.

12

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; z.B. Senatsbeschluss vom 13. März 2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II 2012, 611).

13

2. Bei der im Verfahren auf AdV gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung des FA vom 10. Oktober 2011 wegen des Eintritts der formellen Bestandskraft nicht ernstlich zweifelhaft. Der Einspruch der Antragstellerin vom 13. April 2012 ist --was zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht-- erst nach Ablauf der Frist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO beim FA eingegangen; Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) sind von der Antragstellerin weder vorgetragen worden noch sind sie sonst ersichtlich. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf § 356 Abs. 2 Satz 1 AO berufen.

14

a) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs (§ 355 Abs. 1 AO) bei einem schriftlich oder elektronisch ergangenen Verwaltungsakt nur dann, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist. Ist die Belehrung i.S. des § 356 Abs. 1 AO unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei.

15

b) Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356 Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BFH-Urteile vom 29. Juli 1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998, 742; vom 21. Juni 2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064; s. auch zur vergleichbaren Konstellation des § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung im allgemeinen Verwaltungsprozess Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Urteile vom 13. Dezember 1978  6 C 77/78, BVerwGE 57, 188; vom 27. April 1990  8 C 70/88, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 508; vom 21. März 2002  4 C 2/01, Deutsches Verwaltungsblatt 2002, 1553, m.w.N.). Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung daher weiter gehende (nicht nur notwendige) Angaben, so müssen jene auch richtig, vollständig und unmissverständlich sein (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2005 XI B 46/05, juris; BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 2064; BFH-Beschluss vom 9. November 2009 IV B 54/09, BFH/NV 2010, 448). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (sog. objektiver Verständnishorizont; s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 448, m.w.N.).

16

c) Die in dem Bescheid vom 10. Oktober 2011 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung ist nach diesem Maßstab --und der gebotenen summarischen Prüfung-- nicht unrichtig; die Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO konnte deshalb nicht unbeachtet bleiben.

17

aa) Zwischen den Beteiligten ist nicht in Streit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung die in § 356 Abs. 1 AO ausdrücklich angeführten Bestandteile (Belehrung "über den Einspruch", über die Behörde als Adressaten und über die Frist) in der danach notwendigen Form (im konkreten Fall: schriftlich) enthält. Damit ist den gesetzlichen Anforderungen, die an den Inhalt der Belehrung "über den Einspruch" zu stellen sind, genügt. Weiterer über den Wortlaut von § 356 Abs. 1 AO hinausgehender Belehrungen zur Zulässigkeit des Rechtsbehelfs bedarf es nicht (ebenso z.B. Werth in Beermann/Gosch, AO § 356 Rz 15), auch nicht über die Form des Rechtsbehelfs (z.B. BVerwG-Urteile in BVerwGE 57, 188; in NJW 1991, 508; Meissner in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 58 Rz 32; Eyermann/Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 58 Rz 5; Pahlke in Pahlke/ Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 356 Rz 14; a.A. Dumke in Schwarz, AO, § 356 Rz 20; Große/Bludau, Der Betrieb --DB-- 2012, 655, 657; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 18. Aufl., § 58 Rz 10). Dem Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, zu verhindern, dass ein Bürger aus verfahrensrechtlicher Unkenntnis von der Einlegung eines Rechtsbehelfs absieht oder die hierfür vorgesehene Frist versäumt (z.B. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 I R 4/00, BFHE 192, 15, BStBl II 2000, 539; BFH-Urteil vom 7. März 2006 X R 18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455), ist durch die "Mindestangaben" in § 356 Abs. 1 AO und durch die ergänzende Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unverschuldeten Verfahrensirrtümern in ausreichender Weise Rechnung getragen (s. auch Meissner in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O.).

18

bb) Dass die der streitgegenständlichen Anordnung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung --dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend-- einen Hinweis auf die (Schrift-)Form des Einspruchs enthält, steht dem nicht entgegen. Das FA hat dadurch nach dem maßgebenden objektiven Verständnishorizont keinen unrichtigen bzw. missverständlichen Hinweis zu den Formerfordernissen erteilt. Das FA war deshalb auch nicht gehalten, einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) zu geben, ebenso wie es (umgekehrt) nicht gehalten war, angesichts der (ergänzenden) Regelung des § 87a AO einen Hinweis ausschließlich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO zu unterlassen.

19

Zwar ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass die Abgabenordnung nach dem Inkrafttreten des § 87a AO eine elektronische Kommunikation zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen ermöglicht. Es ist auch zutreffend, insoweit von einer "elektronischen Form" der Rechtsbehelfseinlegung zu sprechen (s. dazu die im BFH-Beschluss vom 26. Juli 2011 VII R 30/10, BFHE 234, 118, BStBl II 2011, 925 zitierte landesrechtliche Regelung), die die (hergebrachte) Schriftform ersetzen kann (s. für das Verwaltungsverfahren § 87a Abs. 3 Satz 1 AO). Eine Belehrung entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ist aber nicht geeignet, bei einem "objektiven" Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden Formvorschriften nicht gerecht (so im Ergebnis auch BFH-Beschluss vom 2. Februar 2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830; FG Köln, Urteil vom 30. Mai 2012  10 K 3264/11, EFG 2012, 1813; FG Düsseldorf, Urteil vom 20. November 2012  10 K 766/12 E, juris; ebenso Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 356 Rz 2; Schmieszek in Beermann/Gosch, AO, § 87a Rz 71; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 87a AO Rz 5; s. auch Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 22. September 2011  4 K 540/11.NW, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 18. April 2011  20 ZB 11.349, juris; Skrobotz, jurisPR-ITR 7/2011 Anm. 6; Braun, jurisPR-ITR 15/2011 Anm. 5; a.A. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2012, 292; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2011 OVG 2 N 10.10, juris; Böwing-Schmalenbrock, Deutsches Steuerrecht 2012, 444; Große/Bludau, DB 2012, 655, 657 f.; Geuer/ Jarasch, jurisPR-ITR 16/2012 Anm. 5; Pfützenreuter, EFG 2012, 1815 f.). Vielmehr lässt sich aus einer solchen, an den gesetzlichen Anforderungen als "Mindeststandard" ausgerichteten Belehrung allenfalls schlussfolgern, dass eine mündliche Einspruchseinlegung (soweit nicht bei der Behörde zur Niederschrift erklärt) ausgeschlossen ist. Zur (Un-)Möglichkeit der elektronischen Form wird jedoch keine positive Aussage getroffen und kann daher auch keine negative Aussage abgeleitet werden. Der Hinweis auf die "Schriftlichkeit" entsprechend § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wirkt deshalb weder irreführend noch rechtsschutzbeeinträchtigend. Er versetzt vielmehr --wie der BFH in seinem Urteil in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 zur insoweit vergleichbaren Situation der Fristberechnung ausgeführt hat-- den Betroffenen lediglich in die Lage --und gibt ihm Anlass--, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das herkömmliche Verständnis dessen, was unter "schriftlich" aufzufassen ist, angesichts technischer Weiterentwicklungen zu modifizieren ist, sei es durch den "Einsatz" beispielsweise sog. Computerfaxe, sei es durch die elektronische Kommunikation, wie diese zwischenzeitlich durch § 87a AO für das Einspruchsverfahren ermöglicht wird. Erforderlichenfalls ist er gehalten, einschlägigen Rechtsrat oder aber eine finanzbehördliche Auskunft einzuholen. Für eine bloß "mechanische" Übernahme des Schriftformerfordernisses gibt die Belehrung indessen nichts her.

20

Dieses Ergebnis ist schließlich unabhängig davon, ob das FA im streitgegenständlichen Bescheid durch einen direkten Verweis auf eine eigene Homepage oder mittelbar durch den Verweis auf "www.finanzamt.nrw.de" den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente i.S. des § 87a Abs. 1 Satz 1 AO (ohne Signaturerfordernis) tatsächlich eröffnet hat. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob eine Finanzbehörde durch die Anweisung im sog. Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 357 (dort Nr. 1 Satz 2) zur rechtswirksamen Einlegung eines Einspruchs rechtsverbindlich (zweifelnd z.B. Martin/Bergan, Betriebs-Berater 2012, 432) von dem gesetzlichen Erfordernis der qualifizierten Signatur bei einer elektronischen Übermittlung (§ 87a Abs. 3 Satz 2 AO) befreit haben sollte.

21

3. Die Antragstellerin hat nicht geltend gemacht, dass ihrem Aussetzungsantrag nach dem alternativen Aussetzungsgrund der unbilligen Härte zu entsprechen wäre (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO); es ist auch nicht ersichtlich, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Die Beschwerde ist hiernach zurückzuweisen.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.

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Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. September 2011 wird der Bescheid der Beklagten vom 15. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 12. Mai 2011 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem ihr eine Sondernutzungserlaubnis erteilt und zugleich für die Zeit der dadurch zugelassenen Sondernutzung eine Gebühr festgesetzt worden ist.

2

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft (KG), an der die Beklagte als Gesellschafterin beteiligt ist, betreibt in Kaiserslautern auf einer von einer privaten Projektentwicklungsgesellschaft unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel entwickelten Konversionsfläche ein Spaß- und Freizeitbad. Unmittelbar vor dem Bad befindet sich nördlich daran anschließend eine im Eigentum der Beklagten stehende Fläche, welche diese unter Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel zu einer Parkplatzfläche ausgebaut hat, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Diese etwa 7.300 m² große Fläche stellte die Beklagte der Klägerin mit Vereinbarung vom 17. Dezember 2004 zur betriebsnotwendigen Nutzung als Parkplatzfläche kostenlos zur Verfügung. Gemäß § 8 der Vereinbarung bedarf die Weitergabe des Nutzungsrechtes bzw. die Errichtung von Bauwerken auf der Parkplatzfläche der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Beklagten als Grundstückseigentümerin.

3

In der Folgezeit beabsichtigte die Klägerin einen wesentlichen Teil der Wärmelieferung über ein neu zu errichtendes Blockheizkraftwerk sicherzustellen. Mit Bauschein vom 12. September 2006 erteilte die Beklagte der Firma L... A... K... G... & C. ..., die als Bauherrin fungierte, die Genehmigung zur Errichtung zweier Blockheizkraftwerke in Containerbauweise auf dem eigenen Betriebsgrundstück der Klägerin, Flur-Nr. .../... Die Blockheizkraftwerke wurden in der Folgezeit aber auf dem Parkplatzgrundstück aufgestellt. Nach den Angaben der Klägerin erwies sich der genehmigte Standort wegen der Lärmemissionen des Blockheizkraftwerkes als ungeeignet, weshalb ein weniger störender Standort gesucht und auf der Parkplatzfläche gefunden wurde. Mit Antrag vom 15. März 2007 begehrte die Bauherrin für die Standortänderung der Container nachträglich eine Tekturgenehmigung. Diese wurde der Firma L... A... K... G... & C. ... mit Bescheid vom 4. Februar 2009 erteilt.

4

Seit dem Jahre 2007 gab es Gespräche zwischen der Beklagten und dem zuständigen Ministerium des Innern und für Sport wegen der Bedenken hinsichtlich der möglichen Förderungsschädlichkeit des genehmigten Bauvorhabens auf der Parkplatzfläche. Insoweit stand eine mögliche – teilweise - Rückforderung der für den Parkplatzbau gewährten Zuschüsse im Raum. In diesem Zusammenhang wurde im Mai 2008 von der ADD Außenstelle Neustadt/Weinstr. die Frage aufgeworfen, ob insoweit eine Sondernutzungserlaubnis erteilt und eine entsprechende Sondernutzungsgebühr gefordert werde. Letztendlich äußerte das Ministerium die Auffassung, dass die anderweitige Nutzung förderschädlich und bei ihrer Fortsetzung die anteilige Förderung in Höhe von 66.000,00 € für diese Teilfläche zurückzuzahlen sei. Mit Schreiben vom 09. März 2010 forderte die Beklagte die Klägerin zur Räumung der Parkplatzfläche auf. In der Folgezeit wurden die Container mit dem Blockheizkraftwerk bis Ende Mai 2010 von der Parkplatzfläche entfernt.

5

Unter dem 15. November 2010 erteilte die Beklagte der Klägerin eine von dieser nicht beantragte Sondernutzungserlaubnis und setzte zugleich für den Zeitraum vom 01. Oktober 2006 bis zum 31. Mai 2010 eine Sondernutzungsgebühr in Höhe von insgesamt 7.576,80 € fest. Zugrunde gelegt wurde dabei die Grundfläche der Container mit 123 m², eine monatliche Gebühr von 1,40 €/m² sowie ein Zeitraum von 44 Monaten. Die Gebühr orientierte sich an der entsprechenden Satzung der Beklagten und der hierzu gehörenden Gebührentabelle. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides lautete wie folgt:

6

„Gegen beiliegende Erlaubnis kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der Stadtverwaltung Kaiserslautern, Referat Stadtentwicklung, Rathaus, Willy-Brand-Platz 1, 11. Obergeschoss, Zimmer-Nr. 1123-1124 oder bei der Geschäftsstelle des Stadtrechtsausschusses, Rathaus Nord, Benzinoring 1, 1. Obergeschoss, Zimmer-Nr. B 110, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.“

7

Der Bescheid wurde am 15. November 2010 zur Post gegeben. In der Folgezeit kam es zu Gesprächen zwischen den Beteiligten, die allerdings ohne Ergebnis blieben.

8

Am 10. Januar 2011 legte die Klägerin schriftlich Widerspruch bei der Beklagten ein und führte aus, der Widerspruch erfolge fristgemäß, weil die Monatsfrist hier nicht einschlägig sei, da die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids nicht ausreichend sei. Nach der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sei der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass der Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben sei, irreführend und fehlerhaft. Damit laufe die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO. In der Sache sei der Bescheid rechtswidrig.

9

Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 wegen Verfristung als unzulässig zurück und führte zur Begründung aus, eine Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs in elektronischer Form sei nicht notwendig gewesen, da die Beklagte nach der Verkehrsanschauung keinen Zugang für den Empfang von Dokumenten mit qualifizierter elektronischer Signatur eröffnet habe. Gründe, unter Ermessensgesichtspunkten trotz Verfristung über den Widerspruch in der Sache zu entscheiden, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin habe im Übrigen auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

10

Zur Begründung der hiergegen rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, weil ein Hinweis auf die elektronische Einlegung des Widerspruches gefehlt habe. Entgegen der Auffassung des Stadtrechtsausschusses sei auch der Zugang für Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur eröffnet gewesen. Der angefochtene Bescheid sei fehlerhaft. Das Blockheizkraftwerk sei von der Firma L... A... K... G... & C. ... betrieben worden. Der 2006 genehmigte Standort habe sich als ungeeignet erwiesen. Deshalb sei mit Kenntnis und Zustimmung der Beklagten der Standort auf dem Parkplatz gewählt worden. Dort seien die Container erst im April 2007 aufgestellt worden. Erst als das zuständige Ministerium die Förderungsschädlichkeit der Aufstellung der Container auf dem Parkplatz erklärt habe, habe die Beklagte die Nutzung des Parkplatzes als Standort für die Container untersagt. Bei der Festsetzung der Gebühr habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass es sich bei dem Bad um eine öffentliche Einrichtung handele, weshalb eine Sondernutzungsgebühr für die Nutzung der Parkplatzfläche nicht verlangt werden könne. Die entsprechende Gebührensatzung der Beklagten regele zudem nicht ausdrücklich die Aufstellung von Blockheizkraftwerken auf öffentlichen Verkehrsflächen. Daher habe die Beklagte fehlerhafterweise die Ziffer 8.5 der Gebührentabelle zugrunde gelegt. Bei einer Nutzung, wie sie vorgenommen worden sei, müsse berücksichtigt werden, dass die Nutzung im öffentlichen Interesse liege. Dem werde der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Zudem sei nur eine kleine Fläche in Anspruch genommen worden.

11

Das Verwaltungsgericht Neustadt hat die Klage durch Urteil vom 22. September 2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 15. November 2010 sei verfristet gewesen. Er sei nämlich nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei der Beklagten eingegangen. Werde der Widerspruch wegen Fristversäumung als unzulässig zurückgewiesen, wie es hier geschehen sei, so sei die hierauf erhobene Klage ebenfalls unzulässig. Im vorliegenden Fall habe die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegolten, da die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid vom 15. November 2010 nicht fehlerhaft gewesen sei. Zwar hätte die Beklagte seinerzeit den Zugang für die wirksame elektronische Widerspruchseinlegung eröffnet. Sie sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, in der Belehrung des Bescheides vom 15. November 2010 auf die Möglichkeit der elektronischen Widerspruchseinlegung hinzuweisen. Die Belehrung, die die einschlägige Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Wortlaut wiedergegeben habe, sei damit objektiv zutreffend gewesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung stelle keine „Gebrauchsanweisung“ dar, weshalb eine Belehrung über die Form des Widerspruchs nicht zwingend sei. Zwar sei eine Rechtsbehelfsbelehrung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes auch dann falsch, wenn sie nicht zwingend erforderliche, indessen irreführende Hinweise enthalte. An der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gemessen sei die hier zu beurteilende Rechtsbehelfsbelehrung indessen nicht fehlerhaft. Ob auch ein Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Widerspruchseinlegung erforderlich sei, sei in der Rechtsprechung umstritten. Maßgeblich sei aber letztlich die Formulierung des § 70 Abs. 1 VwGO, der die elektronische Widerspruchseinlegung nicht erwähne. Das gelte ungeachtet des Umstandes, dass sowohl die VwGO als auch das Verwaltungsverfahrensgesetz Regelungen über die elektronische Kommunikation enthielten, die danach die Schriftform ersetze. Gleichwohl müsse nicht auf jede Möglichkeit der Widerspruchseinlegung ausdrücklich hingewiesen werden. Die Beschränkung auf den Wortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Rechtsbehelfsbelehrung sei daher ausreichend gewesen.

12

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung wegen des Fehlens eines Hinweises auf die elektronische Widerspruchseinlegung fehlerhaft gewesen sei, weil sie insofern irreführend gewesen sei. Die elektronische Kommunikation sei heute Alltag. Dem trage auch der Gesetzgeber durch die verschiedenen Regelungen in den Prozessordnungen und Verwaltungsverfahrensvorschriften seit längerer Zeit Rechnung. Auch die Beklagte selbst habe inzwischen ihre Rechtsbehelfsbelehrungen entsprechend neu formuliert. Das alleinige Abstellen des Verwaltungsgerichtes auf den Wortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO trage daher der gewandelten Wirklichkeit nicht mehr Rechnung. Angesichts des Umstandes, dass der Gesetzgeber in zahlreichen eigenständigen Vorschriften den Weg zur elektronischen Kommunikation ausdrücklich eröffnet habe und es dem gesetzgeberischen Willen entspreche, dass auch in dieser Form Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden könne, reiche ein bloßer Hinweis auf die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der die elektronische Form nicht erwähne, nicht aus.

13

Der angefochtene Bescheid sei fehlerhaft, weil nicht sie, sondern die Firma L... A... G... & C.. ... die Betreiberin des Blockheizkraftwerkes gewesen sei. Diese habe ihr die gelieferte Heizwärme in Rechnung gestellt. Im Übrigen bezieht die Klägerin sich auf ihre Ausführungen in der ersten Instanz.

14

Die Klägerin beantragt,

15

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. September 2011 den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 12. Mai 2011 aufzuheben.

16

Die Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie trägt vor, die Rechtsbehelfsbelehrung sei ausreichend gewesen. Zudem habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie vorgehabt hätte, elektronisch Widerspruch einzulegen. Die von der Klägerin zur Begründung ihrer Rechtsauffassung zitierte Rechtsprechung befasse sich zudem überwiegend nicht mit Ausgangsbescheiden wie dem hier streitigen. Außerdem habe gerade die Entwicklung der Rechtsprechung das Verwaltungsgericht zur Änderung seiner ursprünglich zu dieser Problematik vertretenen Rechtsauffassung veranlasst.

19

Bezüglich des Blockheizkraftwerkes und dessen Standort sei Ansprechpartner immer die Klägerin gewesen, weshalb auch an diese der angefochtene Bescheid gerichtet worden sei.

20

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (2 Hefte). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

21

Die Berufung ist zulässig.

22

Die Berufung hat auch Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nämlich nicht als unzulässig abweisen dürfen, weil die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid der Beklagten vom 15. November 2010 fehlerhaft war, weshalb die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO galt, innerhalb derer die Klägerin Widerspruch eingelegt hat. Dieser ist damit rechtzeitig eingelegt worden, weshalb die nachfolgende Klage zulässig war. Das Begehren der Klägerin ist auch in der Sache begründet, weil nicht sie Betreiberin des in zwei Containern auf der öffentlichen Parkplatzfläche aufgestellten Blockheizkraftwerkes war, bezüglich dessen durch den genannten Bescheid für einen zu diesem Zeitpunkt bereits zurückliegenden Zeitraum eine Sondernutzungserlaubnis erteilt und zugleich eine Gebühr festgesetzt worden ist. Das Blockheizkraftwerk wurde vielmehr von der Firma L... A... G... & C.. ... betrieben, der auch die Baugenehmigungen vom 12. September 2006 und vom 04. Februar 2009 erteilt wurden, wobei letztere die Aufstellung des Blockheizkraftwerkes auf der Parkplatzfläche zuließ.

23

Bezüglich der Zulässigkeit des Widerspruchs und damit auch der Anfechtungsklage streiten die Beteiligten im vorliegenden Verfahren ausschließlich darüber, ob die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung wegen des Fehlens eines Hinweises auf die Möglichkeit, den Widerspruch im Wege der elektronischen Kommunikation gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 3a VwVfG einzulegen, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zum Inhalt von Rechtsbehelfsbelehrungen und Rechtsmittelbelehrungen objektiv geeignet war, den Irrtum zu begründen, diese Möglichkeit der Widerspruchseinlegung sei hier nicht gegeben. In diesem Zusammenhang geben die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren Anlass darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, wie z.B. in dem Urteil vom 30. April 2009 (NJW 2009, 2322 m.w.N.) ausgeführt wird, nicht darauf ankommt, ob die im Einzelfall von dem jeweiligen Kläger beanstandete Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung tatsächlich kausal für die Nichteinhaltung der jeweils geltenden Frist war. Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung aus:

24

§ 58 VwGO macht den Lauf der Fristen in allen Fällen von der Erteilung einer ordnungsgemäßen Belehrung abhängig, ohne Rücksicht darauf, ob den Betroffenen die Möglichkeit und die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfs tatsächlich unbekannt waren und ob das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung kausal für das Unterbleiben oder die Verspätung des Rechtsbehelfs war. Das dient der Rechtsmittelklarheit; in dem § 58 VwGO seine Rechtsfolgen allein an die objektiv feststellbare Tatsache des Fehlens oder der Unrichtigkeit der Belehrung knüpft, gibt die Vorschrift sämtlichen Verfahrensbeteiligten gleiche und zudem sichere Kriterien für die Bestimmungen der formellen Rechtskraft die Hand.“

25

Somit ist bezüglich der Zulässigkeit des nach Ablauf der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO indessen innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwVfG eingegangenen Widerspruchs und ebenso bezüglich der Zulässigkeit der Klage ausschließlich zu prüfen, ob die dem angefochtenen Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes war, obwohl sie keinen Hinweis auf die rechtlich zulässige und tatsächlich mögliche Einlegung des Widerspruches im Wege der elektronischen Kommunikation enthielt, und nicht der Frage nachzugehen, ob dieser Umstand kausal für die Nichteinhaltung der Monatsfrist war. Dass die Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erfolgte, ist entgegen der – gewandelten – Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes zu verneinen. Die von dem Verwaltungsgericht in der Auseinandersetzung mit der insoweit unterschiedliche Auffassungen vertretende Rechtsprechung zur Begründung seiner eigenen Rechtsauffassung aufgeführten Argumente rechtfertigen nämlich nicht den Schluss, die die verschiedenen Möglichkeiten der Widerspruchseinlegung nicht vollständig aufzählende Rechtsbehelfsbelehrung sei gleichwohl ordnungsmäßig erfolgt.

26

Auszugehen ist im vorliegenden Fall zunächst davon, dass die Beklagte den Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG im Zeitpunkt des Bescheides vom 15. November 2010 eröffnet hatte, was das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 6 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, da die Beklagte dem im Berufungsverfahren nicht entgegen getreten ist. Damit war zu diesem Zeitpunkt die Widerspruchseinlegung im Wege der elektronischen Kommunikation nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 3a VwVfG wie auch z.B. in § 55a VwGO bezüglich der Kommunikation mit den Verwaltungsgerichten zum Ausdruck kommt, nicht nur grundsätzlich zulässig, sondern, nachdem der Zugang hierfür gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet war, auch tatsächlich möglich. Daher stand der Klägerin zur Widerspruchseinlegung neben der schriftlichen Form – in welcher Gestalt auch immer – und der schriftlichen Form unter Zuhilfenahme eine Amtsperson (zur Niederschrift) als weitere Form die elektronische Kommunikation zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund war eine Rechtsbehelfsbelehrung, die lediglich auf die schriftliche Form oder die Möglichkeit, den Widerspruch zur Niederschrift einer Amtsperson einzulegen, verwies, unvollständig und deshalb irreführend, weil sie geeignet war, den Eindruck zu erwecken, die elektronische Kommunikation hierzu zu nutzen, sei nicht möglich.

27

In diesem Zusammenhang bedürfen die an die amtliche Begründung der Vorgängerregelung des § 55a VwGO, nämlich des früheren § 86a VwGO, anknüpfenden Überlegungen, ob mit der Erwähnung „schriftlich“ in § 70 Abs. 1 VwGO möglicherweise auch die elektronische Kommunikation erfasst sein könnte, keiner Vertiefung. Ob aus dieser amtlichen Begründung (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 55a VwGO, Rn. 3; VG Trier, Urteil vom 22. September 2009 – 1 K 365/09.TR -) möglicherweise geschlossen werden könnte, der Gesetzgeber verstehe die Formulierung „schriftlich“ derart umfassend, dass hierunter auch elektronische Kommunikation einzuordnen wäre, mag zwar von Interesse für akademische Debatten sein, übersteigt aber ersichtlich das Verständnis des Normalbürgers, auf das es in diesem Zusammenhang allein ankommt und von dem nicht erwartet werden kann, dass er unter Auswertung amtlicher Begründungen zu einem Gesetzentwurf eine Subsumtion dahingehend vornimmt, mit der Formulierung „schriftlich“ meine der Gesetzgeber auch die elektronische Kommunikation. Vielmehr ist von dem allgemeinen Sprachverständnis auszugehen, wonach „schriftlich“ die Erstellung eines tatsächlich existierenden schriftlichen Dokumentes – in welcher Form es letztendlich auch immer übermittelt wird – meint. Damit ist festzuhalten, dass nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont die hier streitige Rechtsbehelfsbelehrung lediglich auf die eigenständige Erstellung eines schriftlichen Dokumentes bzw. durch einen Bevollmächtigten oder auf die Erstellung eines solchen schriftlichen Dokuments unter Zuhilfenahme einer Amtsperson verweist.

28

Bezüglich der Frage, ob die hier zu beurteilende Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß oder unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO war, kommt es, wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, nicht darauf an, dass der Hinweis auf die Form der Rechtsbehelfseinlegung und damit auch auf die Möglichkeit, den Rechtsbehelf im Wege der elektronischen Kommunikation einzulegen, nicht zu dem Mindestinhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung zählt, wie das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08. Dezember 1961 (NJW 1962, 1220) ausgeführt hat. Darum geht es in diesem Zusammenhang nämlich nicht. Vielmehr ist darüber zu entscheiden, ob der über den Mindestinhalt hinausgehende Hinweis auf die Formerfordernisse so vollständig war, dass er einen Irrtum über die verschiedenen Möglichkeiten, den Formerfordernissen zu genügen, ausschloss. Das ist angesichts des fehlenden Hinweises auf die elektronische Kommunikation zu verneinen (vgl. VG Trier, Urteil vom 22. September 2009 – 1 K 365/09.TR -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 03. Mai 2010 – OVG 2 S 106/09 – und vom 02. Februar 2011 – OVG 2 N 10.10 – jeweils in juris; VG Potsdam, Urteil vom 18. August 2010 – 8 K 2929/09 – in juris; VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteile vom 10. Juni 2010 – 2 K 1192/09.NW, vom 10. September 2010 –2 K 156/10.NW – und vom 30. Juni 2011 – 4 K 131/11.NW -; VG Koblenz, Urteil vom 24. August 2010 – 2 K 1005/09.KO – in juris; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. November 2010 – 4 L 115/09 – in juris; Niedersächs. Finanzgericht, Urteil vom 24. November 2011 – 10 K 275/11 – in juris). Der gegenteiligen Rechtsauffassung (vgl. BFH, Beschluss vom 02. Februar 2010
III B 20/09 – in juris; Sozialgericht Marburg, Urteil vom 15. Juni 2011
S 12 KA 295/10 – in juris; Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 20. Juni 2011
L 7 AL 87/10 – in juris; VG Frankfurt, Urteil vom 08. Juli 2011 – 11 K 4808/10.F – in juris) an der sich das Verwaltungsgericht – teilweise – orientiert hat, folgt der Senat hingegen nicht.

29

Hinsichtlich der Anforderungen, denen eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes genügen muss, um nicht als unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO eingestuft werden zu müssen, kann beispielhaft auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Dezember 1978 (BVerwGE 57, 188 ff. m.w.N.) verwiesen werden. In der genannten Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass § 58 Abs. 1 VwGO zwar eine Belehrung über das Formerfordernis nicht ausdrücklich verlange und ein solches Erfordernis auch nicht aus der gesetzlichen Formulierung herausgelesen werden könne. Eine Rechtsbehelfsbelehrung sei jedoch nicht nur dann fehlerhaft, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthalte, vielmehr treffe das auch dann zu, wenn ihr ein unrichtiger oder irreführender Zusatz beigefügt sei, der geeignet sei, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und/oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf einzulegen bzw. rechtzeitig einzulegen. Einen derartigen irreführenden, über den Mindestinhalt der Rechtsbehelfsbelehrung hinausgehenden Hinweis hat das Bundesverwaltungsgericht für den Fall angenommen, dass sie die verschiedenen vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten, den Rechtsbehelf einzulegen, nicht vollständig aufführt, weil hierdurch der Eindruck erweckt werden kann, nur die in der Rechtsbehelfsbelehrung tatsächlich erwähnte Möglichkeit, der Form zu genügen, sei zulässig. Das waren seinerzeit allein die Vorgehensweisen, den Rechtsbehelf „schriftlich“ oder „zur Niederschrift“ einzulegen. Inzwischen hat der Gesetzgeber aber seit langem sowohl in den verschiedenen Verfahrensgesetzen wie auch in den unterschiedlichen Prozessordnungen die elektronische Kommunikation als weitere Möglichkeit geregelt, mit der den Formerfordernissen bei der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln genügt werden kann. Auf diese Möglichkeit ist zur Vermeidung von Irrtümern daher dann auch in der Rechtsbehelfsbelehrung oder Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen.

30

In diesem Zusammenhang geht es nicht darum, ob die Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung eine umfassende Gebrauchsanweisung sein muss, wie das Verwaltungsgericht erörtert. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob das Fehlen eines Hinweises auf eine von den drei durch den Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten, formgerecht den Rechtsbehelf einzulegen, den Eindruck erwecken kann, im konkreten Einzelfall bestehe diese Möglichkeit nicht. Davon ist zur Überzeugung des Senates auszugehen, wenn, wie hier, seitens der Beklagten auf deren Homepage einerseits ausdrücklich die „formgebundene elektronische Kommunikation“ erläutert wird, wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil darlegt (UA S. 7), andererseits aber die Rechtsbehelfsbelehrung lediglich die schriftliche Widerspruchseinlegung oder die Einlegung des Widerspruchs zur Niederschrift erwähnt. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Betroffene auch auf dem in der Rechtsbehelfsbelehrung erwähnten Weg zu seinem Ziel gelangen kann. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1978 a.a.O.) nämlich nicht als ausreichend angesehen.

31

Die Argumente, die gegen die Notwendigkeit auch eines Hinweises auf die elektronische Kommunikation in der Rechtsbehelfsbelehrung vorgetragen werden, überzeugen nicht. Soweit darauf abgestellt wird (vgl. Sozialgericht Marburg, Urteil vom 15. Juli 2011, Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 20. Juni 2011 und VG Frankfurt, Urteil vom 08. Juli 2011, jeweils a.a.O.), dass die technischen Voraussetzungen für die elektronische Kommunikation, wie sie in § 3a VwVfG geregelt ist, noch nicht so verbreitet seien und deshalb die schriftliche Rechtsbehelfseinlegung bzw. die Einlegung zur Niederschrift „der regelmäßige Weg“ oder „Regelweg“ darstellten und zusätzliche Hinweise auf die elektronische Kommunikation den betroffenen Bürger nur verwirren würden, ist dem nicht zu folgen. Die elektronische Kommunikation – auch unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 VwVfG – ist längst aus dem Status „Exotik“ herausgewachsen und stellt nach dem Willen des Gesetzgebers einen den seit jeher bekannten Formen der Rechtsbehelfseinlegung gleichgestellten Weg dar. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwieweit es zur Verwirrung führen sollte, wenn auf diesen gleichberechtigten, nunmehr von dem Gesetzgeber eröffneten Weg in der Rechtsbehelfsbelehrung hingewiesen wird. Die Erweiterung von ursprünglich bestehenden zwei Wegen, Rechtsbehelfe einzulegen, auf nunmehr einen dritten Weg stellt zweifellos keine Überforderung des betroffenen Bürgers dar. Zudem wird durch einen solchen Hinweis von ihm nicht gefordert, ausschließlich diesen Weg zu beschreiten. Vielmehr bleiben ihm bei einer derartigen Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung daneben die dann gleichfalls erwähnten, ihm seit alters her bekannten Wege offen, den Rechtsbehelf einzulegen.

32

Letztendlich stützt sich die Argumentation, der sich das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil angeschlossen hat, alleine darauf, dass der Gesetzgeber in § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO bezüglich des Widerspruchs wie etwa auch in § 81 Abs. 1 VwGO bezüglich der Erhebung der Klage die elektronische Kommunikation als mögliche zulässige Form nicht erwähnt. Unzweifelhaft ist, dass der Gesetzgeber durch die genannten Bestimmungen die rechtlich zulässige Form nicht auf die beiden lediglich im Gesetzestext erwähnten Möglichkeiten „schriftlich“ oder „zur Niederschrift“ hat begrenzen wollen. Die entsprechenden Hinweise auf die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation hat der Gesetzgeber in anderen Vorschriften – bezüglich der Kommunikation mit den Gerichten in § 55a VwGO und bezüglich der Kommunikation mit der Verwaltung in § 3a VwVfG – gegeben, weshalb es nicht sachgerecht ist, lediglich § 70 Abs. 1 VwGO bzw. § 81 Abs. 1 VwGO in den Blick zu nehmen ohne zu berücksichtigen, dass an anderer Stelle im Gesetz eigenständige Regelungen bezüglich der elektronischen Kommunikation bestehen (vgl. Niedersächs. Finanzgericht, Urteil vom 24. November 2011 a.a.O.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung des Weges zur elektronischen Kommunikation erst noch weiterer Schritte wie bezüglich Rheinland-Pfalz in der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 09.Januar 2008 (GVBl. 2008, 33) und der jeweils konkreten Eröffnung des Zuganges gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG durch die jeweilige Behörde bedurfte. Wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund die Möglichkeiten, formgerecht einen Rechtsbehelf einzulegen, in verschiedenen Bestimmungen geregelt hat, kann aus dem Umstand, dass dies nicht alles bereits in einer Vorschrift zusammengefasst ist, nicht geschlossen werden, dass die Erwähnung der lediglich in einer Norm aufgeführten Formen, den Rechtsbehelf zulässig einzulegen, hinreichend wäre, einen Irrtum bei dem Betroffenen über die Möglichkeiten, den Rechtsbehelf einzulegen, auszuschließen. Dass der Betroffene auch mit den Hinweisen, die § 70 Abs. 1 VwGO enthält, seinen Rechtsbehelf formgerecht einlegen kann, insoweit also die Wegweiserfunktion der Rechtsbehelfsbelehrung – jedenfalls teilweise – erfüllt ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Entscheidungserheblich ist vielmehr lediglich, ob ihm der Eindruck vermittelt wird, ein anderer Weg, den der Gesetzgeber ihm eröffnet hat, sei hier nicht gangbar. Diesen Eindruck konnte die Rechtsbehelfsbelehrung im vorliegenden Fall erwecken, weshalb sie als unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO anzusehen ist und damit die Jahresfrist gemäß der genannten Vorschrift galt, innerhalb derer die Klägerin den Widerspruch eingelegt hat. Dieser Widerspruch ist damit zulässig gewesen. Ebenso hätte das Verwaltungsgericht die Klage nicht als unzulässig abweisen dürfen.

33

Das Begehren der Klägerin ist auch in der Sache begründet. Die ihr durch den angefochtenen Bescheid vom 15. November 2010 erteilte Sondernutzungserlaubnis ist bereits deshalb fehlerhaft, weil die Klägerin einen entsprechenden Antrag überhaupt nicht gestellt hatte. Die durch den genannten Bescheid des Weiteren von ihr verlangte Gebühr für die Sondernutzung kann darüber hinaus von ihr nicht verlangt werden, weil nicht die Klägerin selbst, sondern die Firma L... A... K... G... & C. ... Betreiberin des auf der öffentlichen Parkplatzfläche abgestellten Blockheizkraftwerkes war. Damit hat die letztgenannte Firma und nicht die Klägerin die öffentliche Verkehrsfläche über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch genommen, weshalb eine entsprechende Gebührenforderung allenfalls an diese Firma gerichtet werden könnte.

34

Unzweifelhaft hat die Klägerin keinen Antrag auf die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis gemäß § 41 Abs. 1 LStrG gestellt. Ein entsprechender Antrag ist den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht zu entnehmen. Auch behauptet die Beklagte eine Antragstellung der Klägerin nicht. Ein solcher Antrag wäre, nachdem das Blockheizkraftwert von der Firma L... A... K... G... & C. ... von der Parkplatzfläche entfernt worden war, ohnedies nicht mehr sinnvoll gewesen. Die vorliegenden Verwaltungsvorgänge vermitteln vielmehr den Eindruck, dass eigene Überlegungen der Beklagten dazu geführt haben, die Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, nachdem eine solche von der ADD Außenstelle Neustadt a.d.Weinstraße im Zusammenhang mit den Überlegungen ins Spiel gebracht worden war, ob die Aufstellung des Blockheizwerkes auf der mit öffentlichen Mitteln geförderten Parkplatzfläche förderungsschädlich sein könnte. Möglicherweise bestehende Überlegungen der Beklagten, sich auf diesem Wege die Förderung dauerhaft sichern zu können, rechtfertigen jedoch nicht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis, ohne dass der Betroffene überhaupt einen solchen Antrag gestellt hätte. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 21. Oktober 1970 (DÖV 1971, 103) zu der vergleichbaren Vorschrift im Fernstraßengesetz ausgeführt hat, ist die Sondernutzungserlaubnis ein grundsätzlich antragsbedürftiger Verwaltungsakt, der fehlerfrei nur bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages erteilt werden kann. An diese Rechtsprechung knüpft die Kommentierung des § 41 LStrG (Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/Kaminski, Praxis der Kommunalverwaltung L 12 § 41 LStrG Anm. 2.7.2) ausdrücklich an und führt hierzu aus:

35

„Gegen seinen Willen darf dem Bürger, wenn er nicht zu einem Antrag verpflichtet ist, ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt nicht aufgedrängt werden (VG Oldenburg, 14. Dezember 2007 – 7 B 3307/07 -, juris, Beschwerde zurückgewiesen durch OVG Lüneburg, 03. März 2008 – 12 ME 3/08 – juris; VG Berlin, 01. Dezember 2004 – 1 A 235.03 -, juris) eine ohne Antrag erteilte Sondernutzungserlaubnis ist deshalb wegen ihres zugleich belastenden Charakters auch dann zumindest fehlerhaft, wenn der Betroffene vorher einen erlaubnispflichtigen Tatbestand (hier durch Aufstellen durch Automaten) geschaffen hatte (VGH Kassel, 14. Dezember 1972 – V OE 14/72 -, ESVGH 23 S. 74).“

36

Damit erweist sich die in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Sondernutzungserlaubnis bereits aus diesem Grund als fehlerhaft, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob die Klägerin überhaupt die Sondernutzung ausgeübt hat.

37

Das Fehlen eines Antrages hindert allerdings nicht die Erhebung einer Gebühr für die ausgeübte Sondernutzung, wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Oktober 1970 (a.a.O., vgl. auch die Kommentierung des Landesstraßengesetzes a.a.O.) festgestellt hat. Denn diese Gebühr wird nicht für die Sondernutzungserlaubnis, sondern für die Tatsache der Sondernutzung geschuldet.

38

Zwar stellte die hier in Rede stehende Aufstellung von Containern auf einer öffentlichen Verkehrsfläche eine gebührenpflichtige Sondernutzung dar. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen, dass die Parkplatzfläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Gegenteiliges behauptet die Klägerin nicht. Auch kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Aufstellung derartiger Container, wie sie hier von der Firma L... A... K... G... & C. ... aufgestellt worden sind, einen Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus darstellt, sodass grundsätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG erfüllt sind. In diesem Zusammenhang ist es unbeachtlich, dass in den auf der Parkplatzfläche abgestellten Containern ein Blockheizkraftwerk betrieben worden ist, dessen kostengünstige Wärmelieferung einer Einrichtung zugutekam, deren Trägerin eine Gesellschaft ist, an der auch die Beklagte beteiligt ist und mit der öffentliche Ziele verfolgt werden. Maßgeblich ist allein, ob die Straße über den Gemeingebrauch hinaus genutzt wird. Das ist immer dann der Fall, wenn die öffentliche Verkehrsfläche zu anderen Zwecken als sich darauf fortzubewegen oder ein Fahrzeug, so es denn straßenverkehrsrechtlich zulässig ist, darauf abzustellen, genutzt wird.

39

Gemäß § 47 Abs. 1 LStrG kann für die Sondernutzung eine Gebühr erhoben werden, die sich, da die Beklagte hier Trägerin der Straßenbaulast ist, gemäß § 47 Abs. 3 nach dem Kommunalabgabengesetz i.V.m. der entsprechenden Gebührensatzung richtet. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Sondernutzungssatzung der Beklagten vom 03. September 2001 (Bl. 31 ff GA). Die gegen diese Satzung von der Klägerin vorgetragenen Bedenken greifen allerdings nicht durch. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die vorerwähnte Satzung die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Urteil vom 09. November 1999, BayVBl. 2000, 626 ff.; vgl. auch die Kommentierung des Landesstraßengesetzes a.a.O., § 47 LStrG, Anm. 4) und die darin dargelegten Grundsätze zur Berücksichtigung von öffentlichen Interessen an der Sondernutzung, worauf sich die Klägerin ausdrücklich stützt, nicht berücksichtigen würde. Die Einwendungen der Klägerin werden durch die Gebührentabelle zur Sondernutzungssatzung widerlegt. Die Beklagte hat darin nämlich zwischen Sondernutzungen mit wirtschaftlichen Interesse einerseits und Sondernutzungen ohne vorwiegendes wirtschaftliches Interesse andererseits ausdrücklich differenziert, was auch in den jeweiligen deutlich unterschiedlichen Gebührensätzen zum Ausdruck kommt. Lediglich beispielhaft soll hier die Gebühr gemäß Ziffer 1.1 für bewegliche Verkaufseinrichtungen herausgegriffen werden, wo die pro Quadratmeter geforderte Gebühr von 1,40 € für jeden Tag gefordert wird, wohingegen bezüglich Sondernutzungen ohne vorwiegendes wirtschaftliches Interesse, worauf sich die Klägerin hier beruft, gemäß Ziffer 8.5 der Gebührentabelle ein derartiger Betrag lediglich für den Monat gefordert wird. Solche Differenzierungen sind ausreichend, das von der Klägerin geltend gemachte öffentliche Interesse an der Sondernutzung hinreichend zu berücksichtigen. Ebenso wenig bestehen Bedenken dagegen, dass die Beklagte die Ziffer 8.5 der Gebührentabelle bei der Berechnung ihrer Gebührenforderung zugrunde gelegt hat. Bei dieser Ziffer handelt es sich ersichtlich um einen Auffangtatbestand. Die Regelung eines derartigen Auffangtatbestandes ist indessen sachgerecht, da nicht für jede irgendwann einmal vorkommende Aufstellung von Containern der unterschiedlichsten Art auf öffentlichen Verkehrsflächen eine gesonderte Ziffer in der Gebührentabelle vorzusehen ist. Die Aufstellung von Blockheizkraftwerken in Containern auf öffentlichen Verkehrsflächen dürfte so ungewöhnlich sein, dass hierfür eine eigene Ziffer in einer Gebührentabelle vorzusehen, von der Beklagten nicht verlangt werden kann.

40

Indes kann für den Fall, dass eine Straße ohne Sondernutzungserlaubnis über den Gemeingebrauch hinaus genutzt wird, eine Gebühr dann jedoch lediglich für die tatsächliche Sondernutzung verlangt werden. Hieran hat sich die Beklagte in ihrem Bescheid vom 15. November 2010 jedoch nicht orientiert. Sie hat offensichtlich allein auf den Zeitpunkt abgestellt, für den eine Baugenehmigung für die Aufstellung von Containern bestand, ohne indessen zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt sie überhaupt auf der öffentlichen Verkehrsfläche aufgestellt worden sind. Dies ist nach den Angaben der Klägerin erst im April 2007 geschehen. Den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen sind keinerlei Anhaltspunkte über den genauen Zeitraum der Aufstellung zu entnehmen. Lediglich bezüglich der Beendigung der Aufstellung im Mai 2010 besteht Übereinstimmung zwischen den Beteiligten. Allerdings bedurfte es im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Sachaufklärung der tatsächlichen Sondernutzung wie auch der Frage, ob die Beklagte möglicherweise als Mitgesellschafterin der Klägerin durch die insoweit erfolgende Teilnahme an entsprechenden Beschlussfassungen der Gesellschaft im Rahmen der Nutzungsvereinbarung vom 16. Dezember 2004 und insoweit gemäß § 8 der Nutzungsvereinbarung der Aufstellung der Container zugestimmt haben könnte und deswegen eine Gebühr nicht verlangen könnte, weil jedenfalls an die Klägerin eine Gebührenforderung nicht gerichtet werden kann.

41

Das ergibt sich daraus, dass die Klägerin, wie sie bereits in ihrer Klagebegründung vorgetragen hat (S. 2 der Klagebegründung vom 08. Juli 2011) gar nicht Betreiberin des streitigen Blockheizkraftwerkes war. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichtes ausgeführt, dass die Firma L... A... K... G... & C. ... die entsprechende Heizwärme aus dem Blockheizkraftwerk geliefert und ihr auch in Rechnung gestellt hat. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung außerdem den Wärmelieferungsvertrag mit der L... A... K... G... & C. ... vom 01. September 2006 vorgelegt, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass die letztgenannte Firma die Betreiberin des Blockheizkraftwerkes war. In § 1 des Vertrages wird nämlich ausdrücklich ausgeführt, dass die Klägerin den Wärmebedarf bezieht, dass hingegen die Firma L... A... K... G... & C. ... das Blockheizkraftwerk betreibe. Insoweit wird ausdrücklich festgelegt, dass „eine Betreiberpflicht für den Kunden nicht bestehe“. Angesichts dessen kann die geltend gemachte Gebührenforderung nicht an die Klägerin, sondern allenfalls an die Firma L... A... K... G... & C. ... gerichtet werden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise für die Beklagte insoweit der Ansprechpartner gewesen ist. Sie ist allenfalls als Bevollmächtigte der genannten Firma tätig geworden, die jeweils selbst die entsprechenden Bauanträge gestellt hat und der die Beklagte auch die entsprechenden Baugenehmigungen erteilt hatte. Schon daraus musste der Beklagten klar werden, dass nicht die Klägerin die Betreiberin des Blockheizkraftwerkes sein konnte. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes ist daher abzuändern und der angefochtene Bescheid ist somit aufzuheben.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

43

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO.

44

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

45

Beschluss

46

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 7.568,50 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 GKG).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine tierschutzrechtliche Ordnungsverfügung die Fortnahme, Unterbringung und Veräußerung dreier Pferde betreffend.

2

Der Kläger ist Eigentümer von drei Pferden (zwei Stuten, braun-schwarz und braun, im Dezember 2014 nach tierärztlicher Einschätzung ca. acht und zehn Jahre alt, ein Hengstfohlen, braun, im Dezember 2014 nach tierärztlicher Einschätzung ca. drei bis vier Monate alt). Gegen ihn besteht ein durch Bescheid des Amtes P...-L… vom 7. März 2002 ausgesprochenes unbefristetes Tierhaltungsverbot gemäß § 16a Abs. 1 Nr. 3 TierSchG für alle landwirtschaftlichen Nutztiere einschließlich Pferde. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil vom 18. Dezember 2003 rechtskräftig abgewiesen (1 A 231/02). Ein weiteres Verfahren die beantragte Aufhebung dieses Tierhaltungsverbots betreffend (1 A 81/08) ist durch Klagerücknahme beendet worden.

3

Der Kläger brachte ab dem 4. Dezember 2014 die oben genannten drei Pferde auf einer Fläche in R... an der T…er Straße in der Nähe der BAB 23 in einem Schuppen unter.

4

Aufgrund einer Vorortbegutachtung mit der Veterinäraufsicht des Kreises P..., vertreten durch die Amtstierärztin ..., stellte die Beklagte am 8. bzw. 9. Dezember 2014 fest, dass sich beide Stuten in einem mäßigen bis schlechten Ernährungs- und Pflegezustand befanden. Sie wiesen - teilweise offene, nässende - Druckstellen von zu eng sitzenden bzw. zu lange getragenen Halftern auf. Das Fohlen wies einen mäßigen Ernährungs- und Pflegezustand auf. Die Pferde konnten den teilweise baufälligen Stall nicht verlassen und hatten - vorbehaltlich der Versorgung durch dritte Personen - keinen Zugang zu Heu- und Wasserversorgung. Der als Gruppenbox genutzte, ca. 12,25 qm große Schuppen war über einen längeren Zeitraum nicht entmistet worden, eine trockene Liegefläche stand den Pferden nicht zur Verfügung. Nach Auskunft der helfenden Freiwilligen vor Ort gegenüber der Beklagten habe man das Geschehen über mehrere Tage beobachtet, habe aber zu keinem Zeitpunkt jemanden wahrnehmen können, der sich in einer wie auch immer gearteten Weise um die Tiere kümmere. Die maßgeblichen Angaben zum Zustand der Tiere und zu ihrer Auffindesituation sind in einem Bericht der Tierärztin ... festgehalten, den diese auf der Grundlage der am 8. Dezember 2014 vorgenommenen Vorortbesichtigung erstellt hatte. Auch zum Zeitpunkt des Vororttermins der Beklagten am 9. Dezember 2014 war der Halter bzw. Eigentümer der Tiere noch unbekannt bzw. konnte nicht ermittelt werden. Die Beklagte nahm daraufhin die Pferde in Gewahrsam und brachte sie anderweitig unter. Über dieses Vorgehen informierte sie den Kläger mittels eines fest am Schuppen angebrachten Aushangs.

5

Nachdem der Kläger sich als Eigentümer der Pferde bei der Beklagten gemeldet hatte, erließ die Beklagte unter dem 16. Dezember 2014 eine Ordnungsverfügung, dem Kläger zugestellt am 18. Dezember 2014, mit dem nachfolgenden Inhalt: Die am 9. Dezember 2014 vorgenommene Sicherstellung der Pferde wandele sich mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides in eine Fortnahme der Tiere (Ziff. 1). Der Kläger sei aufgrund des Tierhaltungsverbots aus dem Jahr 2002 nicht zur Veräußerung oder anderweitigen Unterbringung berechtigt, daher werde die Veräußerung durch die Beklagte erfolgen (Ziff. 2). Bezüglich der Ziff. 1 und 2 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Zustand der beiden Stuten habe erkennen lassen, dass sie über einen längeren Zeitraum unterversorgt waren. Die Tiere seien nur noch „Haut und Knochen" und vollständig abgemuskelt gewesen. Eine trockene Liegefläche habe nicht zur Verfügung gestanden. Insbesondere auch der fehlende Auslauf der Tiere führe zu einer gravierenden Beeinträchtigung des Wohlbefindens und ziehe so ein haltungsbedingtes Leiden der Tiere nach sich. Auch das Wohlbefinden des Jungtieres sei nicht, wie erforderlich, zumindest einmal täglich durch den Halter kontrolliert worden. Eine angemessene Versorgung der Tiere mit Nahrung und Wasser sei über einen längeren Zeitraum nicht sichergestellt gewesen. Es sei eine sofortige Änderung der Gesamtsituation der Tiere erforderlich gewesen. Insbesondere die Tatsache, dass freiwillige Helfer bereits seit mehreren Tagen ein Minimum an Versorgung sichergestellt hätten, müsse bei der Bewertung des Grades der Vernachlässigung berücksichtigt werden. Ohne diese Hilfe hätte sich, so die Beklagte, die Situation sehr viel dramatischer dargestellt. Die Beklagte habe daher mit einer Ersatzvornahme nach §§ 230, 238 LVwG zur Abwehr weiteren Schadens für die Tiere reagiert. Im Hinblick auf die dabei entstandenen Kosten und Auslagen werde ein gesonderter Bescheid ergehen. Die Fortnahme und kostenpflichtige anderweitige pflegliche Unterbringung sowie die Veräußerung der Tiere basierten auf § 16a Abs. 1 Ziff. 2 TierSchG. Eine tierschutzgemäße Haltung iSd § 2 TierSchG könne durch den Kläger wegen des bestehenden Tierhaltungsverbots aus dem Jahre 2002 nicht gewährleistet werden. Daher dürfe er auch die Tiere auch nicht verkaufen, verschenken oder anderweitig verwerten, was daher durch die Beklagte vorgenommen werde.

6

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 19. Januar 2015 Widerspruch ein, ohne diesen näher zu begründen.

7

Der Kreis P... wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2015, zugestellt am 6. Februar 2015, einem Freitag, zurück. Zur Begründung trug er vor, dass die Tiere weder verhaltensgemäß ernährt, gepflegt oder untergebracht gewesen seien. Dies werde in der Sache nicht bestritten. Dementsprechend habe die örtliche Ordnungsbehörde die Tiere im Wege einer Ersatzvornahme nach §§ 230, 238 LVwG sichergestellt. Der Kläger sei als Eigentümer und Verursacher der Unterbringungssituation Verhaltens- und Zustandsstörer iSd §§ 218, 219 LVwG. Die Fortnahme der Tiere und anderweitige pflegliche Unterbringung finde die Grundlage in § 16a Abs. 1 Nr. 2 TierSchG. Aufgrund des nach wie vor bestehenden Tierhaltungsverbotes könne eine dem § 2 TierSchG entsprechende Haltung nicht sichergestellt werden. Auch eine anderweitige Verfügung durch den Kläger über die Tiere sei daher ausgeschlossen. Es seien auch sofortige Maßnahmen zur Verbesserung des Gesamtzustandes der Tiere erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt der Sicherstellung der Tiere sei deren Eigentümer noch unbekannt gewesen, die entsprechende Ermittlung habe jedoch aufgrund des Zustandes der Tiere nicht abgewartet werden können. Der Widerspruchsbescheid enthielt die nachfolgende Rechtsbehelfsbelehrung:

8

„Gegen den Bescheid vom 16.11-2014 in der Form dieses Widerspruchsbescheides können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in Schleswig, Brockdorff- Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, erheben. Die Klage kann schriftlich erhoben oder zur Niederschrift bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtes erklärt werden. Die Klage ist gegen die Gemeinde R..., Die Bürgermeisterin, Hauptstraße 60, 25462 R..., zu richten."

9

Der Kläger hat am 8. März 2015, einem Sonntag, per Fax Klage erhoben.

10

Zur Begründung trägt er vor, dass er die Pferde nur zum Zweck der Übergabe an Herrn ... für einige Tage in den Stall bringen ließ und dass sie von diesem versorgt werden sollten. Er selbst sei zum Zeitpunkt der Unterbringung nicht in der Lage gewesen, ein Pferd oder ein Kfz zu bewegen, weil er ausweislich eines beigelegten Attestes vom 16. Januar 2015 das rechte Handgelenk gebrochen habe und seit dem 1. Dezember 2014 arbeitsunfähig gewesen sei.

11

Der Kläger beantragt sinngemäß

12

den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte verweist zur Begründung darauf, dass die Klage wegen der Überschreitung der Klagefrist bereits unzulässig sei.

16

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 9. April 2015, die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. März 2015 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.

19

Unter Auslegung des klägerischen Begehrens iSd § 88 VwGO bzw. des schriftlichen Vorbringens richtet sich die vorliegende Klage (ausschließlich) gegen die Verfügung vom 16. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015, nicht aber gegen die tatsächliche „Sicherstellung“ der Pferde bereits am 9. Dezember 2014. Letztgenannte Maßnahme dürfte sich als Realdurchsetzung der zu diesem Zeitpunkt mangels Möglichkeit der Halterermittlung hypothetisch gebliebenen Fortnahmeanordnung iSd 230 LVwG darstellen. Zwar bestehen hier Zweifel daran, ob es sich tatsächlich, wie von der Beklagten u.a. in Bescheidbegründung vom 16. Dezember 2014 erläutert, um eine Ersatzvornahme iSd § 238 LVwG handelte (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 25.05.1998 - 4 E 24/98 -, Rn. 3, juris (Maßnahmen nach (damaligem) § 16a S. 2 Nr. 2 TierSchG als unmittelbare Ausführung außerhalb der Verwaltungsvollstreckung bzw. als ordnungsrechtliche Maßnahme sui generis ohne Regelungscharakter) und VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 6, juris (Pflicht zur Herausgabe von Tieren, die sich im Besitz des Halters befinden, als unvertretbare Handlung) sowie Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15, 17 (Fortnahmeanordnung richtet sich auf Duldung durch Adressaten, d.h. nur Zwangsgeld oder unmittelbarer Zwang als taugliche Zwangsmittel)). Allerdings wäre diese Maßnahme, vorbehaltlich eines - ausdrücklich zu stellenden, hier aber nicht ersichtlichen - Feststellungsantrags, erst inzident im Rahmen des angekündigten Kostenbescheides betreffend die Unterbringungskosten vom 9. Dezember 2014 bis 15. Dezember 2014 zu untersuchen. Die hier vorliegende Klage setzt an dem Zeitpunkt an, zu dem nach der Halterermittlung die Fortnahmeanordnung, u.a. als Grundlage für die Kostenerstattung über den 16. Dezember 2014 hinaus, erlassen wurde bzw. die (weitergehende) Veräußerungsanordnung erfolgte.

20

Die so verstandene Anfechtungsklage, gerichtet gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2015, ist zulässig, aber unbegründet.

21

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere die hier maßgebliche Klagefrist ist gewahrt.

22

Nach der Zustellungsurkunde wurde der Widerspruchsbescheid dem Kläger am 6. Februar 2015 zugestellt. Die einmonatige Klagefrist für die Erhebung einer Anfechtungsklage iSd § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO endete danach am Freitag, den 6. März 2015, während die Klage erst am Sonntag, den 8. März 2015, per Fax bei Gericht einging. Vorliegend gilt aber statt der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO, weil sich die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 5. Februar 2015 mangels Hinweises auf die Möglichkeit, die Klage im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs einzulegen, als fehlerhaft erweist.

23

a) Der aufgrund des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz - JKomG) vom 22. März 2005 (BGBl. I, S. 837) mit Wirkung zum 1. April 2005 eingefügte § 55a VwGO eröffnet die Möglichkeit, elektronische Schriftsätze im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzureichen. Nach § 55a Abs. 1 S. 1 VwGO setzt die elektronische Übermittlung voraus, dass die Bundesregierung oder Landesregierung diese für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung zugelassen hat. Von dieser Ermächtigung des Bundesgesetzgebers hat Schleswig-Holstein durch den Erlass der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 12. Dezember 2006 (GVOBl. 2006, S. 361) Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 der Verordnung in der Fassung vom 13. Januar 2015 ist iVm Nr. 14 der Anlage bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht seit dem 1. Februar 2015 in allen Verfahren die Einreichung elektronischer Dokumente eröffnet. Diese Möglichkeit ist in der Rechtsbehelfsbelehrung des Kreises P... als zuständiger Widerspruchsbehörde vom 5. Februar 2015, die lediglich auf die Möglichkeit, die Klage schriftlich zu erheben oder zur Niederschrift bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts zu erklären, hinweist, nicht genannt.

24

Ob ein solcher Mangel eine Rechtsbehelfsbelehrung fehlerhaft iSd § 58 Abs. 2 VwGO macht, ist umstritten. Die Tendenz geht dabei dahin, dass die Verwaltungs(ober)gerichte dazu neigen, die Fehlerhaftigkeit und damit den Lauf der Jahresfrist zu bejahen, während die überwiegende sozial- und finanzgerichtliche Rechtsprechung, einschließlich des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs, die Fehlerhaftigkeit verneint.

25

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann unrichtig iSd § 58 Abs. 2 VwGO ist, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend geforderten Angaben nicht enthält, sondern auch, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (vgl. nur BVerwG, Urt. 21.03.2002 - 4 C 2/01 -, Rn. 12 mwN, juris). Im Hinblick auf die Formerfordernisse eines Rechtsbehelfs handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um Hinweise, die § 58 Abs. 1 VwGO in der Aufzählung der erforderlichen Inhalte einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht erfasst und die damit nicht zwingend enthalten sein müssen. Sofern die Belehrung dergestaltige Hinweise dennoch enthält, entsprechen diese Zusätze nur dann den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO, wenn sie keinen unzutreffenden oder irreführenden Inhalt haben, der generell geeignet ist, den Betroffenen von der (ordnungsgemäßen) Einlegung des Rechtsbehelfs abzuhalten. Nicht entscheidend ist, ob der beanstandete Zusatz der Belehrung im konkreten Fall tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass das Rechtsmittel nicht oder nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Es genügt, dass der irreführende Zusatz objektiv geeignet ist, die Rechtsmitteleinlegung zu erschweren (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, Rn. 17 mwN, juris).

26

Zentraler Streitpunkt ist damit, ob eine Belehrung mit einem Formhinweis, der auf die schriftliche Erhebung und die Erklärung zur Niederschrift beschränkt ist, die Option des elektronischen Rechtsverkehrs trotz Möglichkeit bzw. Eröffnung beim Adressaten des Rechtsbehelfs aber nicht nennt, objektiv zur Erschwerung der Rechtsbehelfseinlegung geeignet ist.

27

b) Dies verneint ein Teil der Rechtsprechung mit den folgenden Begründungserwägungen: Zunächst sei eine Belehrung, die dem gesetzlichen Wortlaut entspreche - im verwaltungs(gerichtlichen) Verfahren § 70 Abs. 1 S. 1 bzw. § 81 Abs. 1 VwGO -, nach dem zugrunde zu legenden objektiven Empfängerhorizont nicht geeignet, eine Fehlvorstellung hervorzurufen (vgl. nur BFH, Beschl. v. 12.12.2012 - I B 127/12 -, Rn. 19; Urt. v. 20.11.2013  - X R 2/12 -, Rn. 15 ff., beide juris, zu den entsprechenden Vorschriften der AO sowie BFH, Urt. v. 05.03.2014 - VIII R 51/12 -, Rn 25 f.; Urt. v. 18.06.2015 - IV R 18/13 -, Rn. 20 ff., beide juris, zu den entsprechenden Vorschriften der FGO; ohne nähere Begründung auch VGH München, Beschl. v. 18.04.2011 - 20 ZB 11.349 -, Rn. 3, juris). Das Bundessozialgericht stellt weiter entscheidend darauf ab, dass der Gesetzgeber die Einlegung von Rechtsbehelfen auf elektronischem Wege durch die Aufnahme entsprechender Vorschriften lediglich zugelassen habe. Der Gesetzgeber habe aber keine Veranlassung gesehen, diese Option neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Form als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren (BSG, Urt. v. 14.03.2013 - B 13 R 19/12 R -, Rn. 21, juris; sich dem BSG anschließend Mey, SGb 2014, S. 99 (101)). Ausgehend vom Sinn und Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, nämlich zu verhüten, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft, müsse eine „richtige“ Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen. Es reiche vielmehr aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenke (BSG, a.a.O., Rn. 23). Dies sei bei einer Belehrung, die auf die „klassischen“ und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten der Einlegung hinweise, der Fall. Eine solche Belehrung zeige die offenstehenden Wege hinreichend klar und deutlich auf (BSG, a.a.O., Rn. 24). Im Übrigen verweist das Bundessozialgericht auf praktische Schwierigkeiten, die daraus entstehen können, dass etwa länderübergreifende Behörden tätig werden, die nach dem unterschiedlichen Grad der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs differenzieren müssten und daher Gefahr liefen, gehäuft unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungen zu erlassen (BSG, a.a.O., Rn. 28). Dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schließt sich mit im Wesentlichen vergleichbarer Argumentation das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg an (LSG Potsdam, Urt. v. 25.09.2013 - L 34 AS 3215/12 -, Rn. 28 ff.; Urt. v. 23.01.2014 - L 3 R 1020/08 -, Rn. 24 ff., beide juris). Das Hessische Landessozialgericht verweist weiter darauf, dass für die Vollständigkeit einer Belehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Datenübermittlung die Gefahr der Unübersichtlichkeit der Belehrung spreche. Bei einem Hinweis auf die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs könne leicht der Eindruck erweckt werden, dass die Einlegung durch einfache E-Mail geschehen könne. Weitere Hinweise zur qualifizierten elektronischen Signatur und die Anmeldung zu diesem Verfahren seien daher unentbehrlich. Gerade diese Hinweise könnten die Belehrung aber so überfrachten, dass der Rechtsunkundige die notwendigen und für ihn naheliegenden Schritte nicht mehr erkennen könne (LSG Darmstadt, Urt. v. 20.06.2011 - l 7 AL 87/10 -, Rn. 23, juris). Das Oberverwaltungsgericht Bremen, das, soweit ersichtlich, als bisher einziges Verwaltungsobergericht nach ausführlicher Erörterung im Ergebnis die Fehlerhaftigkeit der Belehrung verneint, führt aus, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs im Wege der elektronischen Kommunikation zwar objektiv nicht der schriftlichen Einlegung gleichzustellen sei bzw. die erstgenannte Form keinen Unterfall der zweitgenannten darstelle. Darauf komme es aber auch nicht entscheidend an. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass die elektronische Kommunikation, wenn sie denn die nach gesetzgeberischer Vorstellung erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen soll, mit erheblichem Informations- und Vorbereitungsaufwand verbunden sei und keine Vereinfachung des Rechtsschutzzugangs im Vergleich zur schriftlichen Erhebung oder zur Erklärung zur Niederschrift darstelle. Für einen durchschnittlichen Adressaten ziehe daher der fehlende Hinweis auf diese Möglichkeit kein Risiko für einen Verlust eines Rechtsmittels nach sich (OVG Bremen, Urt. v. 08.08.2012 - 2 A 53/12.A -, Rn. 26 f. und bestätigt im Beschluss v. 25.08.2015 - 2 LB 283/14 -, Rn. 32; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 22.07.2014 - 7 A 482/12 -, Rn. 14 ff.; VG Frankfurt, Urt. v. 08.07.2011 - 11 K 4808/10.F -, Rn. 23, alle juris; sich dem OVG Bremen ohne nähere Erläuterung anschließend Meissner/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. EL, 03/2015, §58, Rn. 44).

28

c) Im Gegensatz dazu erachtet die Mehrzahl der Verwaltungs(ober)gerichte eine solche unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung für fehlerhaft iSd § 58 Abs. 2 VwGO mit der Folge des Laufs der Jahresfrist. Das Oberverwaltungsgericht Koblenz führt zur Begründung dieser Auffassung aus, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der Terminus „schriftlich" die Erstellung eines tatsächlich existierenden Dokumentes meine und die elektronische Form demnach nach dem objektiven Empfängerhorizont eine eigenständige dritte Form neben der schriftlichen und mündlichen (zur Niederschrift) Einlegung des Rechtsbehelfs darstelle (OVG Koblenz, Urt. v. 08.03.2012 - 1 A 11258/11 -, Rn. 27; vgl. dazu auch OVG Magdeburg, Urt. v. 14.10.2014 - 1 L 99/13 -, Rn. 33, beide juris; Löbner, SGb 2013, S. 267 (269)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei von einem irreführenden Hinweis in einer Rechtsbehelfsbelehrung auszugehen, wenn die möglichen Arten der Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht vollständig aufgeführt seien, weil hierdurch der Eindruck erweckt werden könne, nur die erwähnten Möglichkeiten seien zulässig (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 29; vgl. auch OVG Magdeburg, a.a.O., Rn. 34; OVG Magdeburg, Urt. v. 12.11.2013 - 1 L 15/13 -, Rn. 27, juris). Dies sei insbesondere dann zu besorgen, wenn etwa auf der Homepage der Stelle bzw. des Gerichts, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen wäre, über die Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs informiert werde, die entsprechende Belehrung aber keinen entsprechenden Hinweis enthalte (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 30). Allein das Aufzeigen einer zusätzlichen, gleichberechtigten Option der Einlegung mache die Belehrung auch nicht unübersichtlich bzw. erwecke nicht den Eindruck, als sei dieser Weg nunmehr zwingend in Erwägung zu ziehen (OVG Koblenz, a.a.O., Rn. 31; ohne vertiefte Begründung ebenso OVG Berlin, Beschl. v. 05.03.2010 - OVG 2 S 106.09 - , Rn. 6; Beschl. v. 02.02.2011 - OVG 2 N 10.10 -, Rn. 3; OVG Münster, Beschl. v. 11.07.2013 - 19 B 406/13 -, Rn. 19, alle juris, sowie VG Cottbus, Urt. v. 23.01.2015 - 1 K 758/13 -, Rn. 22; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 22.01.2015 - 5 K 587/14 -, Rn. 28; VG Potsdam, Urt. v. 19.05.2014 - 12 K 1994/13 -, Rn. 40; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 - 1 K 365/09.TR -, Rn. 25 ff., alle juris; sich dieser Rechtsprechung anschließend Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 58, Rn. 12; v. Albedyll, in: Ba- der/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl., 2011, § 58, Rn. 14; Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, § 58, Rn. 66; Thiel, DVP 2013, S. 180 (184)).

29

d) Die erkennende Kammer schließt sich der letztgenannten Auffassung an und erachtet eine solchermaßen unvollständige Rechtsbehelfsbelehrung als fehlerhaft.

30

Es ist nach Überzeugung der Kammer nicht von vorneherein auszuschließen, dass die Nichtbenennung der Möglichkeit des elektronischen Rechtsverkehrs geeignet ist, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren. Es ist nämlich nicht gerechtfertigt, bei der Beurteilung einer Belehrung nur einen eingeschränkten Adressatenkreis im Blick zu haben, nämlich den des „Durchschnittsbürgers“, für den der elektronische Rechtsverkehr in der Tat - jedenfalls momentan noch - regelmäßig mit einem nennenswerten Vorbereitungsund Informationsaufwand verbunden wäre. Selbst wenn bisher sogar Rechtsanwälte noch eher zögerlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so stellen jedenfalls sie eine tatsächlich bestehende Zielgruppe dar, die diese Vorgehensweise nutzt und die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit zukünftig weiter vergrößern wird. Da aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit mit dem Bundesverwaltungsgericht nur nach der generellen Eignung einer Rechtsbehelfsbelehrung, einen Irrtum zu verursachen, zu fragen ist, es aber nicht auf die konkrete Fehlerkausalität ankommt, kann mit Blick auf diese Zielgruppe auch nicht argumentiert werden, dass ihnen die Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs an den jeweiligen Gerichten bzw. jeweiligen Behörden ohnehin bekannt sein dürfte. Weiter überzeugt die Differenzierung nach den potentiellen Adressaten der Belehrung - Wer ist spontan und ohne großen Aufwand in der Lage, den elektronischen Rechtsverkehr auch tatsächlich zu nutzen? - angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen insgesamt sehr formalen Betrachtung der Rechtsbehelfsbelehrungen (BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 3 C 23/08 -, Rn. 17, juris: „Das Ob und das Wie dieser Belehrung sind jedoch streng formalisiert.“) nicht. Auch das Argument, der Gesetzgeber habe eine bestimmte Form zwar zugelassen, aber nicht als gleichberechtigten Regelweg einführen wollen, steht der Annahme der Fehlerhaftigkeit nicht entgegen. Wie die verschiedenen, zur Verfügung gestellten Formen, ihre Zulässigkeit einmal vorausgesetzt, vom Bürger tatsächlich angenommen werden, vermag der Gesetzgeber nämlich nicht zu steuern. Es mag beispielsweise großräumig bemessene Gerichtsbezirke geben, in denen Bürger aus deren am Rande belegenen Regionen faktisch nie von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen Rechtsbehelf zur Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts einzulegen. Dessen ungeachtet wird es, soweit ersichtlich, von niemandem in Betracht gezogen, diese Option als „Nichtregelfall“ aus der entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung zu entfernen. Auch soweit dieser Überlegung entgegenzusetzen sein könnte, dass die Erklärung zur Niederschrift jedenfalls nicht mit der Erhebung auf dem elektronischen Wege vergleichbar sei, führt dies nicht zu einer anderen Bewertung: Die Einschätzung nämlich, welcher Weg für die Wahrnehmung eines Rechtsbehelfs einfacher, bequemer, zeit- und aufwandsparender sei, ist eine rein subjektive, die sich ganz nach individuellem Alter, Bildungsgrad, Herkunftsort usw. richtet und sich daher einer generellen Kategorisierung entzieht.

31

Soweit im Übrigen darauf abgestellt wird, aus einer auf zwei Alternativen beschränkten Belehrung lasse sich nicht zwangsläufig ableiten, eine dritte, gesetzlich ebenfalls zulässige Form sei ausgeschlossen, ist dem grundsätzlich zuzustimmen. Eine solche Schlussfolgerung ist aber eben auch nicht ganz fernliegend. Versetzt man sich etwa in einen durchschnittlich gebildeten und interessierten Bürger hinein, ist davon auszugehen, dass er jedenfalls schon einmal von den Bemühungen des Gesetzgebers und auch der Behörden und der Justiz gehört hat, mit den fortlaufenden technischen Neuerungen Schritt zu halten und diesen auch im Kontakt mit dem Bürger Rechnung zu tragen. Angesichts der wachsenden Verbreitung der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ist es nicht auszuschließen, dass er selbst in bestimmten Bereichen schon einmal damit in Kontakt gekommen ist. Sieht er sich dann einer Rechtsbehelfsbelehrung gegenüber, die diese Möglichkeit ausspart, so liegt es näher, dass er davon ausgeht, dass sie ihm in der konkreten Situation nicht zur Verfügung steht, als dass er sich überlegt, dass sie dort nur deswegen nicht genannt wird, weil sie noch verhältnismäßig selten genutzt wird.

32

Die Besorgnis, eine Belehrung, die auch auf die elektronische Möglichkeit hinweist, werde aufgrund der aufzunehmenden Details zu unübersichtlich, überfordere ihren Adressaten und erweise sich schon aufgrund ihrer schieren Informationsfülle als potentiell irrtumsanfällig, ist ebenfalls nachvollziehbar. Allerdings gibt es auch diesbezüglich Wege, deutlich zu machen, dass z.B. das Einsenden einer einfachen E-Mail nicht ausreichend ist. So kann etwa ausdrücklich auf besondere Voraussetzungen und Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs durch Verweis auf die entsprechende Landesverordnung hingewiesen werden, ohne dass beispielsweise alle Details der technischen Ausstattung, etc. in der Belehrung wiedergegeben werden müssten. Auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Schriftlichkeit werden in der Rechtsbehelfsbelehrung regelmäßig nicht die besonderen Anforderungen an die Verdeutlichung der Urheberschaft und des Willens, die Erklärung in den (gerichtlichen) Verkehr zu bringen (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., 2015, § 81, Rn. 5 ff.), erläutert.

33

Im Ergebnis ist damit die Klage trotz Überschreitung der Monatsfrist zulässig.

34

2. Die Klage ist aber unbegründet. Die im Bescheid vom 16. Dezember 2014 enthaltene Fortnahmeanordnung (Ziff. 1) sowie die weiter enthaltene Anordnung der Veräußerung (Ziff. 2) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

35

a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Fortnahme der Tiere ist § 16a des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28. Juli 2014 (BGBl. I S. 1308) als spezialgesetzliche Befugnisnorm des Tierschutzrechts. Gemäß § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 1. Halbsatz TierSchG kann sie insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Nach § 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Diese allgemein formulierten und durch unbestimmte Rechtsbegriffe gekennzeichneten Haltungsgrundsätze lassen sich durch Auslegung - insbesondere unter Berücksichtigung des in § 1 S. 1 TierSchG niedergelegten Zwecks des Tierschutzgesetzes, nämlich "aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen" - sowie mit Hilfe des einschlägigen tiermedizinischen und verhaltenswissenschaftlichen Schrifttums sowie sachverständiger Äußerungen, namentlich den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz herausgegebenen sachverständigen “Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ vom 9. Juni 2009, in ausreichender Form konkretisierten (so bereits VGH München, Beschl. v. 15.07.2002 - 25 CS 02.1371 -, Rn. 2, juris; VG Aachen, Urt. v. 11.09.2003 - 6 L 734/03 -, Rn. 14, juris, beide im Hinblick auf die Vorgängerversion der genannten Leitlinien). In diesen Leitlinien wird insbesondere ausgeführt, dass sich Pferde unter natürlichen Bedingungen im Sozialverband bis zu 16 Stunden täglich bewegen. Mangelnde Bewegung kann danach die Ursache von Verhaltensstörungen sein, bedingt Schäden, insbesondere am Bewegungsapparat und an den Atemorganen, und beeinträchtigt den gesamten Stoffwechsel (Ziff. 2.1.2). Weiter verbringen danach Fohlen bis zu einem Alter von einem Jahr etwa 50% ihrer täglichen Gesamtruhezeit im Liegen, wobei Pferde eine trockene und verformbare Liegefläche benötigen, die so groß bemessen ist, dass alle in Gruppenhaltung gehaltenen Tiere auch gleichzeitig liegen können (Ziff. 2.1.3). Des weiteren ist bei der Haltung zu beachten, dass das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat des Pferdes auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt sind, so dass entsprechendes Futter, geschützt vor Verderb und Verschmutzung, kontinuierlich bereit gestellt werden muss. Wasser muss Pferden grundsätzlich ständig zur Verfügung stehen, mindestens jedoch dreimal täglich bis zur Sättigung verabreicht werden (Ziff. 2.1.4). Im Übrigen muss das Wohlbefinden der Pferde mindestens einmal täglich überprüft werden (Ziff. 2.2).

36

Diese Bedingungen waren nach den von der Beklagten dargelegten Erkenntnissen des Verwaltungsverfahrens nicht erfüllt. Vielmehr stellten sich die Pferde zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG durch den Kläger als erheblich vernachlässigt dar. Eine erhebliche Vernachlässigung liegt vor, wenn diese sich nach Art oder Dauer gewichtig darstellt, d.h. wenn einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15). So liegt es hier.

37

Nach den sich aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten ergebenden Feststellungen der Amtstierärztin ... vom 8. Dezember 2014 wurden die Pferde vom Kläger in einem baufälligen Schuppen gehalten, ohne dass ihnen eine Möglichkeit zum Auslauf zur Verfügung stand oder im Laufe des Tages wenigstens zeitweilig gewährt wurde. Auch die Tatsache, dass die Pferde keinen Zugang zu ausreichend Futter- und Wasserversorgung hatten und der körperliche Zustand der Pferde, wie er von der Tierärztin beschrieben wurde, erlauben den Rückschluss darauf, dass die Tiere jedenfalls über mehrere Tage nicht ausreichend versorgt wurden. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Zustand nach Auffassung und Befund der Tierärztin nicht ganz so dramatisch darstellte, wie es die Beklagte in ihrem Bescheid vom 16. Dezember 2014 formulierte. Insbesondere finden sich in dem tierärztlichen Vermerk keine Hinweise darauf, dass die Stuten „gänzlich abgemuskelt“ bzw. nur noch „Haut und Knochen“ waren. Auch eine entsprechende Dokumentation etwa mittels Lichtbildern findet sich nicht bei den Verwaltungsakten. Nichtsdestotrotz ist die Kammer nach den Darlegungen der Beklagten überzeugt, dass es im Wesentlichen der (Not-Versorgung durch die freiwilligen Helfer geschuldet war, dass die Tiere sich nicht in einem Zustand an der Grenze zur lebensgefährlichen Unterversorgung befanden. Weiter weisen die zum Zeitpunkt der Begutachtung vorgefundenen und amtstierärztlich dokumentierten Druckstellen darauf hin, dass eine ausreichende (tierärztliche) Versorgung und Pflege der Tiere über einen längeren Zeitraum nicht erfolgte. Diese Haltungsbedingungen schränkten die Ernährungs-, Pflege- und Unterbringungsbedürfnisse iSd § 2 Nr. 1 TierSchG sowie die Bewegungsbedürfnisse iSd § 2 Nr. 2 TierSchG der beiden Stuten und des Fohlens in nicht hinzunehmender Weise ein bzw. erfüllen die Anforderungen, die § 2 TierSchG - konkretisiert durch die oben genannten Leitlinien - an eine artgerechte Haltung von Pferden stellt, nicht. Vor dem Hintergrund, dass die mangelhaften Zustände jedenfalls bereits mehrere Tage andauerten, also gerade nicht nur vorübergehender Natur waren, und angesichts der Erkenntnis, dass Pferde als Lauf- und Fluchttiere durch Bewegungsentzug besonders empfindlich in ihren artspezifischen Bedürfnissen beeinträchtigt werden, lag eine nach Art und Dauer gewichtige und damit erhebliche Vernachlässigung der Tiere vor. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger vorträgt, ein Herr... habe die Pferde in seinem Auftrag versorgen sollen. Denn selbst das Zutreffen dieses Vorbringens unterstellt, ändert dies nichts an dem tierschutzrechtlichen Verstoß gegen § 2 Nr. 1 und 2 TierSchG durch den Kläger. Die Tiere zeigten sich bei ihrem Auffinden in dem beschriebenen mangelhaften Ernährungs- und Pflegezustand, so dass davon auszugehen ist, dass die Versorgung, selbst wenn sie durch Herrn ... erfolgen sollte bzw. erfolgte, unzureichend war bzw. die Versorgung nicht vom Kläger im Rahmen seiner Verantwortung als Eigentümer und Halter hinreichend sichergestellt und überprüft worden ist.

38

Die unzureichenden Haltungsbedingungen bzw. die erhebliche Vernachlässigung sind auch aufgrund eines Gutachtens im Sinne der Vorschrift festgestellt worden. An das Gutachten, das nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG vorliegen muss, sind generell keine hohen Anforderungen zu stellen. § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG bestimmt nicht näher, in welcher Form die Begutachtung erfolgen muss. Es ist daher als ausreichend anzusehen, wenn ein Sachverständiger - vorliegend die Amtstierärztin der Beklagten - eine Aussage zu einer sein bzw. ihr Fachgebiet betreffenden Frage macht (so auch VG Aachen, Urt. v. 11.09.2003 - 6 L 734/03 -, Rn. 15, juris).

39

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das ihr nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG eingeräumte Ermessen iSd § 114 S. 1 VwGO fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Sie hat sich ausweislich ihrer Begründung entscheidend von der in § 1 TierSchG festgeschriebenen Zielsetzung und nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Keinen Einfluss auf die behördliche Reaktion auf die Vernachlässigung hat, ob der der Halter schuldhaft bzw. vorwerfbar gehandelt hat (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl., 2007, § 16a, Rn. 15). Insoweit vermag der vom Kläger - überdies auch erst im Klageverfahren - vorgetragene Umstand des Bruchs seiner rechten Hand keinen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Dezember 2014 zu nehmen.

40

b) Auch die im Bescheid vom 16. Dezember 2014 in Ziff. 2 enthaltene Veräußerung der Pferde ist in rechtmäßiger Weise angeordnet worden. Diese Anordnung findet ihre Grundlage in § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz TierSchG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde das Tier nach der Fortnahme veräußern, wenn entweder eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich ist oder nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist. Die Vorschrift räumt der zuständigen Behörde damit die Option ein, dem Halter nicht nur lediglich vorübergehend den Besitz zu entziehen. Die Behörde ist vielmehr auch befugt, das Eigentum an dem Tier dauerhaft zu entziehen. Eine entsprechende Anordnung lässt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt die rechtliche Befugnis zur Eigentumsübertragung auf die Behörde übergehen (VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 14, juris). Zum Zeitpunkt der Veräußerungsanordnung am 16. Dezember 2014 waren die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Veräußerung erfüllt. In Ansehung des nach wie vor Geltung beanspruchenden umfassenden und unbefristeten Tierhaltungsverbots vom 7. März 2002 ist eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Haltung der Tiere durch den Kläger auf nicht absehbare Zeit unmöglich. Einer entsprechenden Fristsetzung zur Herstellung verträglicher Haltungsbedingungen dem Kläger gegenüber bedurfte es wegen dieser Unmöglichkeit nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 17.03.2005 - 1 S 381/05 -, Rn. 14, juris, für den Fall eines zugleich angeordneten Tierhaltungsverbots). Auch im Rahmen dieser Anordnung sind Ermessensfehler iSd § 114 S. 1 VwGO nicht ersichtlich. Insbesondere die dem dauerhaften Entzug offenbar zugrundeliegende Einschätzung der Beklagten, das Tierhaltungsverbotes aus dem Jahr 2002 werde auch in Zukunft Geltung beanspruchen, ist nicht zu beanstanden, nachdem sich der Kläger hiergegen bereits erfolglos zur Wehr gesetzt hatte.

41

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

42

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG.


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 13. Januar 2012  2 K 128/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde in den Streitjahren 2006 bis 2008 mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und der verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (im Weiteren Gewinnfeststellungsbescheide) zunächst jeweils erklärungsgemäß veranlagt. Aufgrund einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Aufwendungen der Klägerin nicht als Betriebsausgaben an und erließ unter dem 28. März 2011 entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide.

2

Den dagegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27. Mai 2011, zur Post gegeben am selben Tag, als unbegründet zurück.

3

Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2011, eingegangen beim Finanzgericht (FG) am selben Tag, hat die Klägerin gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2006 bis 2008 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 beantragte die Klägerin hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass sie wegen der Fristversäumung kein persönliches Verschulden treffe. In dem Büro ihrer Prozessbevollmächtigten sei im hier relevanten Zeitraum der O allein für die Fristenkontrolle zuständig gewesen. Bei diesem handele es sich um einen erfahrenen und fachlich vorgebildeten Mitarbeiter, der regelmäßig im Hinblick auf die Aufgabe der Fristenkontrolle von dem Steuerberater und Rechtsanwalt H überwacht werde. Bisher habe die Tätigkeit des Mitarbeiters O insbesondere im Hinblick auf die Fristenbearbeitung keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben.

4

Die Fristenkontrolle werde so vorgenommen, dass regelmäßig am Tag des Fristablaufs für die jeweils ablaufenden Fristen des Tages ein "roter Fristenkontrollzettel" ausgedruckt und mit der Handakte des jeweiligen Aktenvorgangs H, dem einzigen Steuerberater in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten, zur fristwahrenden Bearbeitung vorgelegt werde. Zum Ende des Arbeitstages erfolge an Hand des Fristenkontrollzettels eine Rückkopplung mit H, ob und wie die Fristen bearbeitet worden seien. Die Art und Weise der Fristeneinhaltung werde sodann auf dem roten Fristenkontrollzettel vermerkt. Vor dem Tag des Fristablaufs gebe es zwei Vorfristen, die zehn bzw. fünf Tage vor dem Fristablauf lägen. Es sei organisatorisch vorgesehen, dass der jeweilige Vorgang auch bei diesen Fristen H vorgelegt werde.

5

Im vorliegenden Fall sei der Fristablauf ausweislich des Fristenkontrollzettels ordnungsgemäß notiert worden. Am 30. Juni 2011 habe es der sonst sehr pflichtbewusst und gewissenhaft arbeitende O aufgrund einer aufkommenden Magenverstimmung übersehen, die ablaufende Frist zu überwachen und H unter erneuter Vorlage der Akte darauf hinzuweisen, dass in der Angelegenheit spätestens mit Ablauf des 30. Juni 2011 Klage zu erheben sei. Infolge des fehlenden roten Fristenkontrollzettels sei der Fristablauf von H unentdeckt geblieben. Erst durch eine Nachfrage von Seiten der Klägerin sei man am 4. Juli 2011 auf den Ablauf der Klagefrist aufmerksam geworden. Bei dem Vorgang habe sich lediglich ein gelber Fristenkontrollzettel befunden, der im Zeitpunkt der Erfassung der Frist angelegt worden sei.

6

Dass das D-Fristenkontrollsystem, mit dem die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gearbeitet habe, nicht wie andere Fristenkontrollsysteme ein "Alarmfenster" aufweise, sei "rechtlich unschädlich".

7

Das FG hat, nachdem es O als Zeugen zu den Umständen der Fristversäumung gehört hatte, die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin habe die Klagefrist versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass die Organisation des Bürobetriebs der Prozessbevollmächtigten geeignet gewesen sei, etwaige Fristversäumnisse auszuschließen. Das Büro müsse so organisiert sein, dass die Versäumung von Fristen aufgrund menschlichen Versagens bei normalem Lauf der Dinge möglichst ausgeschlossen sei. Es habe im Büro der Prozessbevollmächtigten aber keine abschließende Kontrolle gegeben, aufgrund derer sichergestellt gewesen sei, dass die vorgemerkten Fristen eines Tages tatsächlich abgerufen und abgearbeitet würden.

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das FG eine Fristversäumung angenommen. Die Klägerin habe gemäß § 55 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) innerhalb eines Jahres Klage erheben können, da die der Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig gewesen sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung habe keinen Hinweis dazu enthalten, dass eine Klageerhebung auch per E-Mail mittels qualifizierter elektronischer Signatur möglich sei.

9

Zudem habe das FG auch im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes die Anforderungen an die Büroorganisation kleinerer Steuerberaterkanzleien im Zusammenhang mit der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überspannt. Die im Büro des Prozessbevollmächtigten nach dem D-Fristenkontrollsystem zweistufig aufgebaute Fristenkontrolle sei ausreichend, um sicherzustellen, dass es nach menschlichem Ermessen nicht zu einer Fristversäumung komme. Es sei aufgrund eines Verschuldens des O zu einem Kontrolldefizit der vorliegenden Klagefrist gekommen. Da O jahrelang zuverlässig als Büroleiter gearbeitet habe, habe sich H auf ihn verlassen dürfen und sei deshalb exkulpiert. Im Übrigen seien etwaige Mängel im Fristenkontrollsystem im konkreten Fall für das Fristversäumnis nicht ursächlich gewesen. Ursächlich sei allein der Umstand gewesen, dass H entgegen der Weisung kein roter Fristenkontrollzettel vorgelegt worden sei.

10

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

11

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

12

Die Klage sei nicht fristgerecht erhoben worden. Die der Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung entspreche den gesetzlichen Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO; sie sei daher nicht unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 FGO.

13

Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erfüllt. Das FG habe ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten, welches sich die Klägerin habe zurechnen lassen müssen, zutreffend bejaht.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

15

Zutreffend hat das FG die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin die Klage erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben hat (dazu unter 1.) und der Klägerin wegen der Versäumung der Klagefrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war (dazu unter 2.).

16

1. Die Klägerin hat die Klage erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben.

17

a) Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (Einspruchsentscheidung). Die Klagefrist beginnt allerdings nur dann zu laufen, wenn die der Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO entsprechend erteilt worden ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden, ist die Erhebung der Klage gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung zulässig.

18

b) Die Einspruchsentscheidung ist laut Absendevermerk des FA am Freitag, dem 27. Mai 2011, zur Post gegeben worden. Sie gilt daher der Klägerin als am Montag, dem 30. Mai 2011, bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO--). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.

19

c) Die einmonatige Klagefrist begann mit dem Tage der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO), da die Klägerin über die Erhebung der Klage mit der der Einspruchsentscheidung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 55 Abs. 1 FGO entsprechend belehrt worden ist. Die Rechtsbehelfsbelehrung gibt den Wortlaut des § 64 Abs. 1 FGO zutreffend wieder und ist deshalb nicht "unrichtig" i.S. des § 55 Abs. 2 FGO.

20

Die Rechtsbehelfsbelehrung zur Einspruchsentscheidung ist nicht gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig erteilt worden, weil sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Übermittlung der Klage mittels eines elektronischen Dokumentes gemäß § 52a FGO enthielt.

21

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in jüngerer Zeit mit Urteilen vom 20. November 2013 X R 2/12 (BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236) und vom 18. März 2014 VIII R 33/12 (BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922) entschieden, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung, die den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt, nicht "unrichtig" i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO ist. Da § 357 Abs. 1 Satz 1 AO für die in den jeweiligen Streitfällen maßgeblichen Verfahrenszeiträume 2010 und 2011 nur bestimme, dass der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären sei, sei ein Verweis auf § 87a AO (elektronische Kommunikation) nicht geboten (BFH-Urteile in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, und in BFHE 246, 1, BStBl II 2014, 922).

22

Diese Rechtsprechung hat der BFH auch auf die insoweit vergleichbare Regelung in § 55 Abs. 2 FGO zur Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung übertragen und ausgeführt, dass das Fehlen eines Verweises auf § 52a FGO (Übermittlung elektronischer Dokumente) ebenfalls nicht dazu führe, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 FGO erteilt worden sei (BFH-Urteil vom 5. März 2014 VIII R 51/12, BFH/NV 2014, 1010). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Denn gemäß § 64 Abs. 1 FGO ist, insoweit inhaltsgleich mit der Regelung in § 357 Abs. 1 Satz 1 AO in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (geändert ab 1. August 2013 durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juli 2013, BGBl I 2013, 2749), die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Einen Verweis auf die Möglichkeit der Übermittlung der Klageschrift mittels elektronischen Dokuments enthält § 64 Abs. 1 FGO nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Entscheidungsgründe in den BFH-Urteilen in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236 und in BFH/NV 2014, 1010 Bezug genommen.

23

d) Die einmonatige Klagefrist endete daher gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 der Zivilprozessordnung (ZPO), § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des 30. Juni 2011. Die Klage ist am 4. Juli 2011 und damit nach Ablauf der Monatsfrist beim FG erhoben worden.

24

2. Der Klägerin war wegen der Versäumung der Klagefrist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

25

a) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist bei Versäumung der Klagefrist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zu seiner Begründung sind glaubhaft zu machen und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 56 Abs. 2 FGO). Jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (u.a. BFH-Beschluss vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117, m.w.N.). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

26

b) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und, soweit sie die Fristenkontrolle dem Büropersonal überlassen, die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (u.a. BFH-Beschlüsse vom 27. Juli 2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909, und in BFH/NV 2013, 1117, m.w.N.). Wird --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (u.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1117). Zur Überwachung der Fristen bedarf es der Einrichtung eines Fristenkontrollbuchs oder einer gleichwertigen Einrichtung. Zudem ist im Rahmen einer abendlichen Erledigungskontrolle sicherzustellen, dass die Fristsachen ordnungsgemäß erledigt worden sind (Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 1998 II ZB 11/98, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 670, und vom 6. November 2001 XI ZB 11/01, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 17). Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1117).

27

c) Danach hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frist zur Erhebung der Klage nicht ohne Verschulden versäumt. Sie hat, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, nicht dargelegt, dass die Organisation des Bürobetriebs dergestalt beschaffen war, Fristversäumnisse grundsätzlich auszuschließen. Es kann dahinstehen, ob das von der Prozessbevollmächtigten geführte elektronische Fristenkontrollbuch überhaupt geeignet war, die Einhaltung und Überwachung der Fristen sicherzustellen. Jedenfalls fehlte es, worauf das FG zutreffend abgestellt hat, an der Durchführung einer erforderlichen abendlichen Kontrolle der in dem elektronischen Fristenkontrollbuch erfassten Fristen. Dass die Büroorganisation ersichtlich nicht ausreichend beschaffen war, wird nicht zuletzt durch das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten belegt, dass die Fristversäumnis nicht von ihr entdeckt, sie vielmehr erst aufgrund der telefonischen Nachfrage der Klägerin auf die Versäumung der Klagefrist aufmerksam geworden sei. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen.

(Anmerkung: Satz 1 der Randnummer geändert aufgrund des Berichtigungsbeschlusses des BFH vom 25. August 2015 IV R 18/13, nicht dokumentiert).

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

29

4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 121 Satz 1, 90 Abs. 2 FGO).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. April 2012 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. November 2010 wird verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und dabei zunächst um die Frage, ob die nach Ablauf eines Monats erhobene Berufung der Beklagten die Frist gewahrt hat, weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung in elektronischer Form enthielt.

2

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1.6.2009 bis zum 31.5.2012 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren; im Übrigen hat es die auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.11.2010). Die Rechtsmittelbelehrung des der Beklagten am 24.11.2010 zugestellten SG-Urteils enthält den Hinweis, dass die Berufung innerhalb eines Monats beim Hessischen LSG, dessen Anschrift und Fax-Nummer angegeben waren, "schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle" einzulegen sei. Diese Frist sei aber auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist beim SG Kassel schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werde.

3

Die Beklagte hat mit einem am 28.3.2011 beim LSG eingegangenen Schreiben vom 18.2.2011 Berufung eingelegt und geltend gemacht, beim Kläger lägen weder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung noch eine quantitativ ausreichende Minderung des Leistungsvermögens vor. Ihr Rechtsmittel sei auch zulässig; weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung über das elektronische Postfach des LSG enthalte, sei sie unvollständig, sodass ihr nach § 66 Abs 2 SGG eine Jahresfrist zur Verfügung stehe. Die Beklagte hat insoweit auf ein Schreiben des Vorsitzenden des 5. Senats des BSG vom 7.2.2011 zu einem anderen Verfahren (B 5 R 18/11 B) verwiesen; im Hinblick darauf hat sie beantragt, "die Berufung zuzulassen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen".

4

Das LSG hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 13.4.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei fristgerecht eingelegt, weil die Rechtsmittelbelehrung des SG-Urteils unvollständig und somit unrichtig gewesen und daher die Jahresfrist maßgeblich sei. Nach der Rechtsprechung des BSG gehöre zu den wesentlichen Einzelheiten einer vollständigen Rechtsmittelbelehrung auch die Belehrung über die für das Rechtsmittel vorgeschriebene Form. Das umfasse auch die gemäß § 65a Abs 1 S 1 SGG iVm § 1 und Anl 1 Nr 77 der Verordnung des Hessischen Ministers der Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften(vom 26.10.2007, GVBl 699 ) ab 17.12.2007 beim Hessischen LSG für alle Verfahren zugelassene Möglichkeit der Übermittlung elektronischer Dokumente. Dies sei kein Unterfall der Schriftform und auch keine bloße "Auch-Möglichkeit", sondern eröffne einen weiteren "Regelweg" für die Berufungseinlegung, den eine vollständige Rechtsmittelbelehrung aufzeigen müsse. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass ein Hinweis auf die Möglichkeit der Berufungseinlegung in elektronischer Form die Rechtsmittelbelehrung unübersichtlich mache oder überfrachte. In der Sache hat das LSG die Berufung der Beklagten für begründet erachtet.

5

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision, das Berufungsgericht habe das Rechtsmittel der Beklagten zu Unrecht als fristgerecht angesehen und deshalb verfahrensfehlerhaft in der Sache entschieden. Bei der vom Gesetz eröffneten Möglichkeit, Schriftsätze auch auf elektronischem Weg an das Gericht zu übermitteln, handele es sich lediglich um eine besondere Übertragungsweise und damit um die Regelung einer Unterform der Schriftform. Eine gesonderte Belehrung hierüber sei daher nicht erforderlich. Er nimmt insoweit Bezug auf eine Entscheidung des 7. Senats des Hessischen LSG (vom 20.6.2011 - L 7 AL 87/10 - Juris), der die Notwendigkeit einer Belehrung auch über die elektronische Form mit zutreffenden Gründen verneint habe.

6

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. April 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 11. November 2010 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen. Es fehlt eine von Amts wegen zu beachtende Sachurteilsvoraussetzung, denn die Berufung der Beklagten ist verfristet und deshalb unzulässig (vgl BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 14 f; BSG SozR 3-7610 § 823 Nr 5 S 8).

11

Das LSG hat die von der Beklagten vier Monate nach Zustellung des SG-Urteils eingelegte Berufung zu Unrecht als fristgemäß angesehen. Maßgeblich ist die Monatsfrist nach § 151 Abs 1 SGG, während die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG hier nicht anwendbar ist. Eine Rechtsmittelbelehrung, die - wie jene des SG-Urteils - keinen Hinweis auf die an dem Rechtsmittelgericht (oder dem Ausgangsgericht) bereits eröffnete Möglichkeit der elektronischen Kommunikation enthält, ist nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht "unrichtig" iS dieser Vorschrift (dazu unter 1.). Da der Beklagten auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann (dazu unter 2.), ist ihre Berufung unter Aufhebung des LSG-Urteils als unzulässig zu verwerfen (§ 170 Abs 2 S 1 iVm § 158 S 1 SGG).

12

1. Die Rechtsmittelbelehrung eines SG-Urteils ist nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht "unrichtig" iS von § 66 Abs 2 S 1 SGG, wenn sie die Möglichkeit der Berufungseinlegung durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments nicht erwähnt, obwohl für das betreffende LSG(oder das ebenfalls in der Rechtsmittelbelehrung benannte SG, vgl § 151 Abs 2 S 1 SGG) nach § 65a Abs 1 SGG iVm einer Verordnung der dort näher bezeichneten zuständigen Stelle die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen ist.

13

Letzteres ist hier der Fall: Nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des LSG (§§ 162, 202 S 1 SGG iVm § 560 ZPO) hat das Land Hessen von der in § 65a Abs 1 S 1 SGG eröffneten Befugnis Gebrauch gemacht und gemäß § 1 iVm Anl 1 Nr 77 der Verordnung des Hessischen Ministers der Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften(vom 26.10.2007, GVBl 699 ) ab 17.12.2007 die Einreichung elektronischer Dokumente in allen beim Hessischen LSG geführten Verfahren zugelassen (dasselbe gilt gemäß Anl 1 Nr 81 ElRVerkV Hessen auch für das SG Kassel).

14

a) Gemäß § 66 Abs 1 SGG(hier anzuwenden in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung von Art 4 Nr 4 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl I 837) beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder, was hier allein in Frage kommt, "unrichtig" erteilt, so ist nach § 66 Abs 2 S 1 SGG - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung der angegriffenen Entscheidung zulässig.

15

b) Unrichtig iS des § 66 Abs 2 S 1 SGG ist jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest diejenigen Merkmale zutreffend wiedergibt, die § 66 Abs 1 SGG als Bestandteile der Belehrung ausdrücklich nennt: (1) den statthaften Rechtsbehelf als solchen (also seine Bezeichnung der Art nach), (2) die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, (3) deren bzw dessen Sitz und (4) die einzuhaltende Frist(BSGE 69, 9, 11 = SozR 3-1500 § 66 Nr 1 S 3).

16

Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ist nach ihrem Sinn und Zweck, den Beteiligten ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur (fristgerechten) Wahrung ihrer Rechte zu ermöglichen (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6 S 24), aber auch (5) eine Belehrung über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erforderlich (stRspr, vgl BSGE 1, 194, 195; BSGE 1, 254, 255; BSGE 7, 1, 2; BSGE 11, 213, 215; BSG vom 26.1.1993 - 1 RK 33/92 - Juris RdNr 6; BSG SozR 3-1500 § 66 Nr 8 S 35 f). Dem entspricht im Ergebnis weitgehend die neuere Rspr des BVerwG und des BFH, nach der eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann unrichtig ist, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (BVerwG Urteil vom 21.3.2002 - 4 C 2/01 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr 83 = Juris RdNr 12; BFH Beschluss vom 12.12.2012 - I B 127/12 - BFH/NV 2013, 434 RdNr 15, jeweils mwN; anders möglicherweise noch der 3. Senat des BFH: Beschluss vom 12.10.2012 - III B 66/12 - BFH/NV 2013, 177 RdNr 22). Die Notwendigkeit einer Belehrung auch über die Form des Rechtsbehelfs hat der Gesetzgeber zudem in § 36 SGB X, § 6 Wehrdisziplinarordnung und § 50 Abs 2 OWiG sowie in § 9 Abs 5 S 3 ArbGG, § 39 S 1 FamFG, § 48 Abs 2 S 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen, § 35a S 1 StPO und - künftig - in § 232 S 1 ZPO(in der ab 1.1.2014 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5.12.2012, BGBl I 2418) zum Ausdruck gebracht (vgl auch § 195 Abs 2 Nr 3 BEG für Bescheide der Entschädigungsbehörde sowie § 360 Abs 1 Nr 2 BGB für die Widerrufsbelehrung bei Verbraucherverträgen). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens ein geringeres Schutzniveau maßgeblich sein soll, als es in den soeben genannten Vorschriften vorgegeben ist.

17

c) Die hiernach notwendige Belehrung auch über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften erfordert es derzeit jedoch nicht, dass auch auf die für das betreffende Gericht durch Rechtsverordnung bereits zugelassene Möglichkeit der Übermittlung verfahrensbestimmender Schriftsätze in der Form eines elektronischen Dokuments hingewiesen wird.

18

aa) Dies folgt allerdings nicht daraus, dass die "elektronische Form" (genauer: die elektronische Übermittlung von Erklärungen an das Gericht in Gestalt eines elektronischen Dokuments) lediglich einen Unterfall bzw eine Sonderform der Schriftform darstellte, wie dies zum Teil vertreten wird (vgl Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 126a RdNr 1; Skrobotz, jurisPR-ITR 24/2009 Anm 5; Braun, jurisPR-ITR 15/2011 Anm 5; zur Rechtslage vor Erlass des JKomG ausführlich Skrobotz, Das elektronische Verwaltungsverfahren, Diss Regensburg 2004, S 148 ff, 180 f, 198, 210 ff). Es handelt sich vielmehr bei der elektronischen Form iS des § 65a SGG um eine eigenständige Form, die der Gesetzgeber "als zusätzliche Option neben der bisherigen schriftlichen Form" eingeführt hat(Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein JKomG, BT-Drucks 15/4067 S 27 f - unter VI.). Dies sollte den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnen, "elektronische Kommunikationsformen gleichberechtigt neben der - herkömmlich papiergebundenen - Schriftform oder der mündlichen Form" rechtswirksam zu verwenden (aaO S 24 - unter II.). Die hierdurch geschaffene Trias gleichrangiger prozessualer Formen - schriftlich, in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - kommt auch im Wortlaut des § 158 S 1 SGG zum Ausdruck. Das schließt es aus, die (prozessuale) elektronische Form lediglich als Unterfall der Schriftform anzusehen und deshalb eine Belehrung über die Schriftform so zu behandeln, als umfasse sie zugleich eine Belehrung hinsichtlich der Übermittlung in elektronischer Form (als elektronisches Dokument) erstellter Erklärungen.

19

bb) Dennoch ist es - jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage - nach § 66 Abs 1 SGG nicht geboten, in Rechtsbehelfsbelehrungen hinsichtlich der Form der Einlegung des Rechtsbehelfs dann, wenn für das betreffende Gericht die elektronische Form durch Rechtsverordnung zugelassen ist, stets auch auf die Möglichkeit der Verwendung dieser Form und ihre Voraussetzungen hinzuweisen. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG führt allein die Einordnung der elektronischen Form als gleichrangige prozessuale Form nicht automatisch dazu, dass diese schon deshalb und schon jetzt als "Regelweg" iS von § 66 Abs 1 SGG anzusehen ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

20

(1) Auch nach der Änderung bzw Ergänzung der sozialgerichtlichen Verfahrensordnung durch das JKomG findet in den spezifischen Vorschriften des SGG, die nähere Vorgaben zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln machen, die elektronische Form keine Erwähnung. Das gilt für die Klageerhebung (§ 90 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") ebenso wie für die Einlegung der Berufung (§ 151 Abs 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Berufungs-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs 1 S 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Revision (§ 164 Abs 1 S 1 SGG: "schriftlich"), der Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 S 3 SGG: "Beschwerdeschrift"), der sonstigen Beschwerden (§ 173 S 1 und 2 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), der Erinnerung gegen Entscheidungen des ersuchten oder beauftragten Richters oder des Urkundsbeamten (§ 178 S 2 iVm § 173 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift") sowie der Anhörungsrüge (§ 178a Abs 2 S 4 SGG: "schriftlich oder zur Niederschrift"), in gleicher Weise aber auch für Anträge auf Tatbestandsberichtigung (§ 138 SGG), Urteilsergänzung (§ 140 SGG) oder auf Erlass von Anordnungen im einstweiligen Rechtsschutz (§ 86b SGG). Lediglich am Rande ist in § 160a Abs 1 S 3 bzw in § 164 Abs 1 S 3 SGG bestimmt, dass die Soll-Vorschrift zur Beifügung einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils nicht gilt, "soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden".

21

Diese allenfalls beiläufige Einbeziehung der elektronischen Form in die Grundnormen des SGG zur Art und Weise der Einlegung von Rechtsbehelfen belegt, dass der Gesetzgeber diese Form zwar grundsätzlich auch hierfür erlauben wollte. Er hat aber offenkundig noch keine Veranlassung gesehen, sie neben der Schriftform und der mündlichen Form (zur Niederschrift) als gleich gewichtige Form und weiteren Regelweg zu normieren. Wäre dies der Fall gewesen, hätte es das aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Postulat der Rechtsmittelklarheit erfordert, die elektronische Form auch in die einzelnen Bestimmungen über die formalen Anforderungen an die Einlegung der jeweiligen Rechtsbehelfe aufzunehmen, um den Rechtsuchenden den Weg zur gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung mit der gebotenen Klarheit vorzuzeichnen (vgl BVerfG BVerfGE 107, 395, 416 f = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 57; s auch BVerfG vom 22.5.2012 - 2 BvR 2207/10 - Juris RdNr 3: " Der Gesetzgeber muss für die Rechtsmittel, die er bereitstellt, die Voraussetzungen ihrer Zulässigkeit in einer dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit entsprechenden Weise bestimmen."). Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Vorschrift des § 65a SGG zur elektronischen Form befasst sich nicht einmal ausdrücklich mit der Einlegung von Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln.

22

Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung in § 158 S 1 SGG. Zwar sind hier die drei prozessualen Formen ausdrücklich nebeneinandergestellt ("nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift"). Die genannte Vorschrift wendet sich jedoch von vornherein nicht an die Rechtsuchenden, sondern enthält Vorgaben für das Gericht. Zudem ist sie im Vergleich zu entsprechenden Bestimmungen anderer Prozessordnungen über die Behandlung unzulässiger Rechtsmittel (zB § 125 Abs 2 S 1 VwGO, § 522 Abs 1 ZPO; s auch § 169 SGG für die Revision)hinsichtlich der "gesetzlichen Form" wesentlich detaillierter (und insoweit singulär); nur aus diesem Grund bedurfte sie bei Einführung der elektronischen Form einer redaktionellen Anpassung, weil sie ansonsten unvollständig geworden wäre (vgl BT-Drucks 15/4067 S 42 - zu Art 4, zu Nr 16 <§ 158>). Eine weitergehende Regelungsabsicht, namentlich die Etablierung der elektronischen Form als gleich gewichtiger Regelform, hat der Gesetzgeber damit jedoch nicht verfolgt.

23

(2) Das Erfordernis einer Belehrung auch über die Form des Rechtsbehelfs ist, wie bereits ausgeführt (s oben unter b), aus einer am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierten erweiternden Auslegung des § 66 Abs 1 SGG herzuleiten. In Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 S 1 GG; s hierzu zB BVerfGE 40, 272, 275) soll die Regelung in § 66 SGG verhüten helfen, dass jemand aus Unkenntnis den Rechtsweg nicht ausschöpft. Ziel einer jeden Rechtsbehelfsbelehrung muss es demnach sein, den Empfänger über den wesentlichen Inhalt der zu beachtenden Vorschriften zu unterrichten und es ihm so zu ermöglichen, ohne Gesetzeslektüre die ersten Schritte zur ordnungsgemäßen Einlegung des Rechtsbehelfs einzuleiten (BSGE 79, 293, 294 = SozR 3-1500 § 66 Nr 6 S 24). Ausgerichtet auf dieses Ziel genügt es, über den wesentlichen Inhalt der bei Einlegung des Rechtsbehelfs zu beachtenden Formvorschriften zu informieren (BSG vom 26.1.1993 - 1 RK 33/92 - Juris RdNr 6). Infolgedessen muss eine "richtige" Belehrung nicht stets allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen; es reicht aus, wenn sie die Beteiligten in die richtige Richtung lenkt (BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6 am Ende).

24

Das ist bei einer Rechtsmittelbelehrung, die sich hinsichtlich der formalen Anforderungen auf die "klassischen" und allgemein gebräuchlichen Möglichkeiten einer schriftlichen oder mündlichen (zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) Einlegung der Berufung beschränkt, jedenfalls derzeit noch ersichtlich der Fall. Sie zeigt den Beteiligten die regelmäßig allen Bürgern - auch soweit sie nicht über informationstechnische Spezialkenntnisse und eine spezifische technische Ausstattung verfügen - offenstehenden Wege für die Einlegung des Rechtsmittels klar und deutlich auf (vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4). Die hier in Rede stehende Rechtsmittelbelehrung trägt auch in keiner Weise zu einer formwidrigen oder verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs bei (vgl BSG SozR 4-1500 § 66 Nr 1 RdNr 6). Sie enthält keine Inhalte, die - bei abstrakter Betrachtungsweise - geeignet sein könnten, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder, was hier von besonderer Bedeutung ist, die Beteiligten von Erkundigungen über möglicherweise im Einzelfall bestehende weitere Möglichkeiten abzuhalten. Sie macht insbesondere keine Angaben, die von Rechtsuchenden dahingehend verstanden werden könnten, dass eine Berufungseinlegung auf elektronischem Weg ausgeschlossen sei.

25

(3) Die Möglichkeit, Schriftsätze in gerichtlichen Verfahren als elektronisches Dokument dem Gericht elektronisch zu übermitteln, hat allein durch ihre rechtliche Zulassung in § 65a SGG iVm einer ausfüllenden Rechtsverordnung noch keine solche praktische Bedeutung erlangt, dass es geboten wäre, die Beteiligten zum Schutz vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit(vgl BSGE 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1 S 4) auch auf diese Form notwendig hinzuweisen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der mit einer rechtswirksamen elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht gemäß § 65a SGG verbundene Aufwand bei Weitem denjenigen übersteigt, der mit einer Übermittlung auf herkömmliche Weise (schriftlich oder zur Niederschrift) einhergeht. Auch wenn die erforderlichen IT-Geräte und ein ausreichend leistungsfähiger Zugang zum Internet mittlerweile in breiten Bevölkerungskreisen zur Verfügung stehen (zur Berücksichtigung eines Internet-Anschlusses für die Nachrichtenübermittlung bei der Bemessung des Regelbedarfs nach dem SGB II vgl BSG Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - RdNr 74, zur Veröffentlichung in SozR 4-4200 § 20 Nr 17 vorgesehen),wird zusätzlich nach § 2 iVm Anl 2 Nr 1 ElRVerkV Hessen eine spezielle Zugangs- und Übertragungssoftware (Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach - EGVP) benötigt. Diese wird zwar von der Justizverwaltung kostenfrei zur Verfügung gestellt, doch muss der Nutzer ihre fehlerfreie Installation, Konfiguration und Bedienung selbst bewerkstelligen. Außerdem ist zur Anbringung der für die Rechtsmitteleinlegung vorgeschriebenen qualifizierten elektronischen Signatur (§ 65a Abs 1 S 3 SGG iVm § 2 und Anl 2 Nr 2 ElRVerkV Hessen) nicht nur ein Kartenlesegerät, sondern auch eine gültige Signaturkarte erforderlich, die - kostenpflichtig - in einem zeitintensiven Identifizierungsverfahren bei einem zugelassenen Anbieter erworben werden muss.

26

Dieser einer elektronischen Übermittlung in gerichtlichen Verfahren notwendig vorausgehende Zusatzaufwand von erheblichem Ausmaß - insbesondere hinsichtlich der qualifizierten elektronischen Signatur - hat nach Einschätzung der Bundesregierung dazu geführt, dass die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten auch zehn Jahre nach dessen Einführung "weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist" (Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 6.3.2013, BT-Drucks 17/12634 S 1 - unter A. ), sodass auch heute noch die Kommunikation mit der Justiz "fast ausschließlich auf Papier" basiert (aaO). Vor diesem Hintergrund kann jedenfalls Ende 2010 und auch derzeit noch nicht davon ausgegangen werden, dass zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend eine Belehrung auch über die Möglichkeiten einer elektronischen Kommunikation mit den Gerichten erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als Bürger oder Behörden in der Zugangs- und Übertragungssoftware EGVP ohnehin ein Verzeichnis derjenigen Gerichte vorfinden, mit denen die elektronische Kommunikation möglich ist.

27

(4) Aber auch auf Seiten der Gerichte ist die Fähigkeit zur elektronischen Kommunikation noch längst nicht überall gegeben (vgl BT-Drucks 17/12634 aaO). Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des SG-Urteils im November 2010 war im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit lediglich in fünf von sechzehn Ländern (in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz) sowie beim BSG die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen. Daran hat sich bis heute nichts Grundlegendes geändert. Seither ist die elektronische Form zusätzlich nur für die Sozialgerichte in Sachsen (zeitlich gestaffelt ab 1.4.2011, 1.7. bzw 1.10.2012, s § 1 iVm Anl Nr 4, 5, 24, 35 der VO vom 6.7.2010, GVBl Sachsen 190) sowie in Nordrhein-Westfalen (ab 1.1.2013, s § 1 iVm Anl der VO vom 7.11.2012, GVBl Nordrhein-Westfalen 551) zugelassen worden. Mithin kann auch jetzt noch in lediglich sieben von sechzehn Ländern die elektronische Form im Sozialgerichtsprozess genutzt werden, wobei so bevölkerungsreiche Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen diese Form noch nicht eröffnet haben. Dies belegt, dass es jedenfalls derzeit nicht gerechtfertigt ist, bei Betrachtung des gesamten Geltungsbereichs des SGG die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen in elektronischer Form als "Regelweg" der Rechtsmitteleinlegung iS der Schutzvorschrift des § 66 Abs 2 SGG anzusehen. Ob dies anders zu beurteilen ist, sobald alle Gerichte durch Bundesgesetz verpflichtet sind, ab einem bestimmten Zeitpunkt die elektronische Kommunikation zu ermöglichen, ist hier nicht zu entscheiden, zumal die entsprechenden Regelungen gemäß dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BT-Drucks 17/12634, s dort Art 4 Nr 1, Art 24 und 25) noch nicht verabschiedet sind.

28

(5) Zu berücksichtigen ist auch, dass die Anforderungen des § 66 Abs 1 SGG an Rechtsbehelfsbelehrungen nicht nur für solche in gerichtlichen Entscheidungen, sondern ebenso für Rechtsbehelfsbelehrungen in (Widerspruchs-)Bescheiden maßgeblich sind. Während von einem SG erwartet werden kann, dass es den landesrechtlichen Bestimmungen zur Eröffnung der elektronischen Form in diesem Gerichtszweig zeitnah Rechnung trägt, ist dies bei Sozialversicherungsträgern mit Sitz außerhalb des betreffenden Landes faktisch sehr viel schwieriger zu gewährleisten. Auch solche - insbesondere bundesweit zuständige - Träger haben aber vielfach Belehrungen zur Einlegung von Rechtsbehelfen bei Gerichten anderer Länder als demjenigen ihres Sitzes zu erteilen (vgl die Regelung zur örtlichen Zuständigkeit in § 57 Abs 1 und 2 SGG). Deshalb würde es zu einer Häufung unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrungen und damit zu einer Bindung der Beteiligten an entsprechende Bescheide (§ 77 SGG)erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG führen, sähe man zwingend eine Belehrung über die elektronische Form als weiteren Regelweg auch für den Fall vor, dass diese noch vor einer bundesweit einheitlichen Einführung im Rahmen der "Öffnungsklausel" des § 65a Abs 1 SGG bereits lokal zugelassen wurde. Dass der Gesetzgeber des § 65a SGG diese Auswirkungen gewollt oder in Kauf genommen hätte, ist nicht ersichtlich.

29

(6) Soweit sich die oberstgerichtliche Rechtsprechung bislang damit befasst hat, sieht auch sie keine Notwendigkeit, in Rechtsbehelfsbelehrungen über die Möglichkeit einer Einlegung in elektronischer Form zu belehren. So hat der 11. Senat des BSG in einem Fall, in dem die Rechtsmittelbelehrung des LSG-Urteils keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde in elektronischer Form enthielt, trotz Rüge einer deswegen fehlerhaften Belehrung die Monatsfrist - wenn auch ohne nähere Begründung - für maßgeblich gehalten (BSG Beschluss vom 9.2.2010 - B 11 AL 194/09 B - Juris RdNr 2; s auch RdNr 5). Der 3. Senat des BFH hat entschieden, dass die Familienkassen in ihren Bescheiden auch dann nicht auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form hinweisen müssen, wenn sie durch Angabe einer E-Mail-Adresse konkludent einen Zugang iS von § 87a Abs 1 S 1 AO eröffnet haben(Beschluss vom 2.2.2010, BFH/NV 2010, 830 RdNr 5; Beschluss vom 12.10.2012, BFH/NV 2013, 177 RdNr 22). In diesem Sinne hat auch der 1. Senat des BFH im Rahmen eines Streits über die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids nach summarischer Prüfung erkannt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig iS von § 356 Abs 2 AO ist, wenn sie zwar auf die Notwendigkeit der Einspruchseinlegung in Schriftform oder zur Niederschrift, nicht aber zugleich auf die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation(§ 87a AO) hinweist (Beschluss vom 12.12.2012, BFH/NV 2013, 434 RdNr 16 ff).

30

2. Die nach alledem für die Einlegung der Berufung maßgebliche Monatsfrist des § 151 Abs 1 SGG hat die Beklagte mit ihrem (in Papierform vorgelegten) Schriftsatz vom 18.2.2011, der am 28.3.2011 beim LSG einging, nicht gewahrt.

31

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist kommt nicht in Betracht. Selbst wenn der Antrag der Beklagten in der Berufungsschrift vom 18.2.2011, "die Berufung zuzulassen", sinngemäß als Antrag auf Wiedereinsetzung auszulegen wäre, bedürfte es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur Nachholung dieser grundsätzlich ihm obliegenden Entscheidung (§ 67 Abs 4 SGG). Denn aus Rechtsgründen scheidet eine positive Bescheidung des Wiedereinsetzungsgesuchs hier von vornherein aus (vgl BVerwG Buchholz 310 § 60 VwGO Nr 145 - Juris RdNr 9; s auch BSGE 71, 17, 19 f = SozR 3-4100 § 103 Nr 8 S 39 zu einem Fall der Gewährung von Wiedereinsetzung durch das Revisionsgericht).

32

Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise auf ein Schreiben des Vorsitzenden des 5. Senats des BSG vom 7.2.2011 in einem anderen Verfahren berufen; hiernach stehe, wenn in der Rechtsmittelbelehrung eines LSG-Urteils ein Hinweis auf die Möglichkeit elektronischer Rechtsmitteleinlegung beim BSG fehle, zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde die Jahresfrist des § 66 Abs 2 S 1 SGG zur Verfügung. Selbst wenn aufgrund dieses Schreibens bei der Beklagten ein Irrtum über die maßgebliche Frist entstanden sein sollte und fehlendes Verschulden iS von § 67 Abs 1 SGG ausnahmsweise bejaht werden könnte(vgl BVerwG Beschluss vom 29.6.2010 - 3 B 71/09 - Juris RdNr 6), hat dies jedenfalls für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung. Denn die Beklagte kann das genannte Schreiben vom 7.2.2011 frühestens am selben Tag erhalten haben. Zu diesem Zeitpunkt war aber im hier zu entscheidenden Fall die Berufungsfrist längst abgelaufen.

33

3. Der erkennende Senat kann abschließend durch Urteil entscheiden, ohne zuvor gemäß § 41 Abs 2 SGG beim 5. Senat anzufragen. Eine abweichende "Entscheidung" des 5. Senats iS der genannten Vorschrift ist bislang nicht ergangen; Schreiben an Verfahrensbeteiligte zählen hierzu nicht.

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.

(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.

(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.

(4) Sichere Übermittlungswege sind

1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt,
2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts,
6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
Das Nähere zu den Übermittlungswegen gemäß Satz 1 Nummer 3 bis 5 regelt die Rechtsverordnung nach Absatz 2 Satz 2.

(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.

(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.

(1) Ausbildungsförderung wird vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 als Zuschuss geleistet.

(2) Bei dem Besuch von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen sowie bei der Teilnahme an einem Praktikum, das im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Ausbildungsstätten steht, wird der monatliche Förderungsbetrag vorbehaltlich des Absatzes 3 zur Hälfte als Darlehen geleistet. Satz 1 gilt nicht

1.
für den Zuschlag zum Bedarf nach § 13 Absatz 4 für nachweisbar notwendige Studiengebühren,
2.
für die Ausbildungsförderung, die nach § 15 Absatz 3 Nummer 5 über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird,
3.
für den Kinderbetreuungszuschlag nach § 14b.

(3) Bei dem Besuch von Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen sowie bei der Teilnahme an einem Praktikum, das im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Ausbildungsstätten steht, erhält der Auszubildende Ausbildungsförderung ausschließlich als Darlehen

1.
(weggefallen)
2.
für eine andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3, soweit die Semesterzahl der hierfür maßgeblichen Förderungshöchstdauer, die um die Fachsemester der vorangegangenen, nicht abgeschlossenen Ausbildung zu kürzen ist, überschritten wird,
3.
nach Überschreiten der Förderungshöchstdauer in den Fällen des § 15 Absatz 3a.
Nummer 2 gilt nicht, wenn der Auszubildende erstmalig aus wichtigem Grund oder aus unabweisbarem Grund die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat. Satz 1 gilt nicht für den Kinderbetreuungszuschlag nach § 14b und die Ausbildungsförderung, die nach § 15 Absatz 3 Nummer 5 über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011.

Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann mit gemeldetem Hauptwohnsitz in Konstanz. Bis 4. Dezember 2013 war sie seit längerem Eigentümerin einer Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten. Zum 1. Januar 2012 meldete sich die Klägerin unter dieser Adresse mit Zweitwohnsitz an. Nach Aufforderung durch die Beklagte gab die Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2012 eine Zweitwohnungsteuererklärung ab. Sie gab dabei an, dass sie die Zweitwohnung seit dem Jahr 2000 innehabe und dort alleine wohne. Gleichzeitig stellte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ab dem Kalenderjahr 2009. Dabei weigerte sich die Klägerin, Angaben zu den Einkommensverhältnissen ihres Ehemanns zu machen.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2012 lehnte die Beklagte eine Befreiung der Klägerin von der Zweitwohnungsteuer ab dem Kalenderjahr 2009 wegen fehlender Angaben zum Einkommen des Ehemanns ab und setzte mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag eine Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2006 bis einschließlich 2012 fest.

Am 16. August 2012 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München (M 10 K 12.3768) mit dem Antrag, den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten aufzuheben, soweit er für das Jahr 2012 sowie die folgenden Jahre eine Steuer festsetzt, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2012 und die folgenden Jahre zu gewähren. In einem Schriftsatz zu diesem Verfahren (Bl. 85 d. Behördenakte) verwies die Klägerin auf die bestehende Verwaltungspraxis der Beklagten, bei erstmaliger Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer auch dann für rückwirkende Jahre eine Befreiung zu gewähren, wenn der Befreiungsantrag zusammen mit der Ersterklärung erfolge. Der Klageantrag bezogen auf die Steuerjahre ab 2012 werde so gestellt, weil jedenfalls für diese Jahre der Antrag schon nach der gesetzlichen Regelung der Klägerin einen gebundenen Anspruch auf die Befreiung verschaffe. Für die Jahre davor müsse die Beklagte noch nach ihrem durch die Verwaltungspraxis geprägten Ermessen entscheiden, was bisher nicht geschehen sei. Die Befreiung sei nur wegen der fehlenden Angaben zum Einkommen des Ehemannes verweigert worden.

Das Verwaltungsgericht München wies diese Klage mit Urteil vom 21. März 2013 ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof änderte dieses Urteil mit eigenem Urteil vom 12. November 2014 (4 BV 13.1239) teilweise ab. Der Zweitwohnungsteuerbescheid wurde mit der ersten Instanz übereinstimmend für rechtmäßig befunden, der die Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 hingegen als rechtswidrig aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, die Klägerin für die Jahre 2012 und 2013 von der Zweitwohnungsteuer zu befreien. Entsprechend diesem Berufungsurteil gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2012 und 2013.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf den erstmaligen Befreiungsantrag im Schreiben vom 16. März 2012 Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011 vorgelegen hätten. Dass die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG für diese Jahre nicht habe eingehalten werden können, sei unschädlich. Die Beklagte habe nämlich eine Kulanzregelung als ständige Verwaltungspraxis, wonach die jetzige Antragstellung auch rückwirkend für die Jahre 2009 bis 2011 fristgerecht sei.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2015 ab. Der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei bestandskräftig geworden, die Klagen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hätten sich nur auf die Jahre 2012 und 2013 bezogen. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015 ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 von der Zweitwohnungsteuer zu befreien. Zur Begründung trug die Klägerin vor, der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vollständig aufgehoben worden. Über den Befreiungsantrag der Klägerin vom 16. März 2012 sei deshalb bezüglich der Jahre 2009 bis 2011 noch zu entscheiden. Für die Jahre 2009 bis 2011 sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die Beklagte auch ohne gerichtliche Entscheidung darüber von sich aus einen rechtmäßigen Zustand herstellen und die Steuerbefreiung entsprechend ihrer bestehenden Verwaltungspraxis zur Antragsfrist erteilen werde. Dies sei aber nicht erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Anfechtungsklage im Hauptantrag zur Aufhebung des Steuerbescheids sei unzulässig, es stehe die materielle Rechtskraft des rechtskräftigen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 entgegen. Der Steuerbescheid vom 16. Juli 2012 sei vom Verwaltungsgerichtshof als rechtmäßig angesehen worden. Die Versagungsgegenklage hingegen sei zulässig, aber unbegründet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich im Verfahren 4 BV 13.1239 mit dem Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer nur für die Jahre 2012 und 2013 auseinandergesetzt. Der Tenor der Entscheidung erfasse nur die Befreiung für die Jahre 2012 und 2013, ein Antrag bezüglich der Jahre 2009 bis 2011 sei von der Klägerin dort nicht gestellt worden, so dass die Zurückweisung der Berufung im Übrigen diese Jahre auch nicht erfasse. Der Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 sei daher nicht von der materiellen Rechtskraft des Urteil vom 12. November 2014 erfasst.

Die Klage sei aber unbegründet, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung für die Jahre 2009 bis 2011. Es bedürfe gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG grundsätzlich einer fristgerechten Antragstellung auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer. Ein gebundener Anspruch bestehe daher nur dann, wenn bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folge, der Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer gestellt werde. Die Beklagte habe daher für die Steuerjahre 2009 bis 2011 lediglich eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen gehabt. Dieses Ermessen sei durch die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten gebunden. Die Kulanzregelung der Beklagten sehe vor, bei erstmaliger rückwirkender Steuerfestsetzung auch die Befreiungsanträge für zurückliegende Steuerjahre stellen zu können, das heiße 2012 einmalig für 2006 und folgende Jahre. Die erste Antragstellung auf Befreiung vom 16. März 2012 sei jedoch durch den damaligen Ablehnungsbescheid verbeschieden und durch die Verpflichtungsklage der Klägerin nicht ausdrücklich erneut - zu diesem Zeitpunkt noch fristgerecht -gestellt worden. Die zweite Antragstellung im Dezember 2014 unterfalle bereits nicht mehr der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten. Die dennoch erforderliche Ermessensentscheidung sei fehlerfrei: Die Jahre 2009 bis 2011 habe die Klägerin aus unerfindlichen Gründen in ihrem früheren Klageantrag nicht erfasst, so dass über diese Jahre vom Verwaltungsgerichtshof nicht entschieden worden sei. Das Ermessen, das der Beklagten nun zugestanden habe, sei weiter zu fassen gewesen als das Ermessen, das sie bei erstmaliger Antragstellung im Sinne der Kulanzregelung auszuüben gehabt hätte. Die Beklagte habe eine Abwägung zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit vornehmen müssen, die im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Auch treffe die Klägerin grundsätzlich eine Meldepflicht nach den melderechtlichen Vorschriften. Dass sie sich erst nachträglich mit Zweitwohnsitz bei der Meldebehörde angemeldet habe, sei ihr zuzurechnen und nicht der Beklagten. Nur deshalb sei es überhaupt zu einem rückwirkenden Steuerbescheid gekommen, der die Kulanzregelung der Beklagten erst anwendbar gemacht habe. Hätte sich die Klägerin pflichtgemäß schon früher angemeldet, wäre es zu der rückwirkenden Veranlagung einer ganzen Reihe von Steuerjahren nicht gekommen.

Die Hilfsanträge hätten keinen Erfolg, weil der Ablehnungsbescheid, wie ausgeführt, rechtmäßig sei. Der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung für die Jahre 2009 bis 2011 sei unbegründet, da die Frist für die Antragstellung bereits verstrichen sei und dieses Risiko zulasten der Klägerin gehe. Der Hilfsantrag auf Aufhebung des Steuerbescheids sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses wegen der entgegenstehenden Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unzulässig, da bereits entschieden. Der weiter hilfsweise gestellte Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Neuentscheidung über die Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 16. Juli 2012 sei unzulässig, da dieser bereits vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden sei.

Mit der hiergegen vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. August 2016 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter. Sie beantragt mit Schriftsatz vom 30. August 2016,

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2016 wird abgeändert.

2. Der eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015 werden aufgehoben.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 zu gewähren.

4. Die Beklagte wird verpflichtet, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 16. Juli 2012 für die Jahre 2009 bis 2011 zu ändern und die Steuer auf jeweils 0 Euro festzusetzen.

5. Die Beklagte wird verpflichtet, den zu erstattenden Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer bis zum Tag der Auszahlung mit 2%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen.

6. Hilfsweise:

a) Die Beklagte wird unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 26. Januar 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2015 verpflichtet, den eine Steuerbefreiung ablehnenden Bescheid vom 16. Juli 2012, soweit dieser nicht durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben worden ist, zurückzunehmen.

b) Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 zu gewähren.

c) Die Beklagte wird verpflichtet, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 16. Juli 2012 für die Jahre 2009 bis 2011 zu ändern und die Steuer auf jeweils 0 Euro festzusetzen.

7. Höchst vorsorglich:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 26. Januar 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2015 verpflichtet, über die Rücknahme des Bescheids vom 16. Juli 2012, soweit dieser nicht durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben wurde, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 stehe zwischen den Beteiligten fest, dass die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2013 erfülle. Das Verwaltungsgericht habe richtig darauf hingewiesen, dass der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs insgesamt aufgehoben worden sei. Das Verwaltungsgericht folgere jedoch aus der gerichtlichen Aufhebung des Ablehnungsbescheides rechtsirrig, dass auch die zugrunde liegenden Anträge auf Befreiung weggefallen seien, weil sie verbeschieden gewesen seien. Damit werde sachwidrig aus der Aufhebung der Ablehnung als rechtswidrig die Erledigung des abgelehnten Antrags gefolgert, zu dessen Realisierung die Klage ja gerade erhoben worden sei. In der Folge des behördlichen Vollzugs einer Verurteilung zur Gewährung der Steuerbefreiung verliere der Steuerbescheid vom 16. Juli 2012 auch insoweit seine Grundlage und bedürfe es der Neufestsetzung der Steuer für die betreffenden Jahre auf 0 Euro. Aus diesem Grund sei der Verpflichtungsantrag gemäß Nr. 4 veranlasst. Der Anspruch auf Prozesszinsen stütze sich auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG i.V.m. § 236 Abs. 1 AO.

Ein Anspruch auf Steuerbefreiung, zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber, bestehe auch dann, wenn man mit dem Verwaltungsgericht annehmen wolle, dass der maßgebliche Befreiungsantrag vom 16. März 2012 infolge seiner behördlichen Ablehnung (Verbescheidung) entfallen sei. In dieser Konstellation möge die klägerische Aufforderung vom Dezember 2014 an die Beklagte als neuer Antrag gedeutet werden.

Lege man die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, dass durch das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs der ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 aufgehoben worden sei, so sei für dessen Rücknahme, wie sie mit dem Klageantrag Nr. 4a hilfsweise begehrt worden sei, kein Raum. Auch die Berufungsanträge Nr. 6 und 7 erlangten deshalb nur Bedeutung, wenn man der Rechtskonstruktion der Beklagten folge, dass die Ablehnung vom 16. Juli 2012 bestandskräftig geworden sei. Sie würden für diesen Fall hilfsweise gestellt.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2016,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin habe im Widerspruch vom 18. Februar 2015 gegen den Ablehnungsbescheid vom 26. Januar 2015 selbst angeführt, dass der Klägerin die Kulanzregelung der Beklagten in Bezug auf die Antragsfrist für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer nach Art. 3 Abs. 3 KAG für bereits abgelaufene Kalenderjahre zum Zeitpunkt der ursprünglichen Klageerhebung im Jahre 2012 nicht bekannt gewesen sei. Da die gesetzliche Frist bereits abgelaufen gewesen sei, seien bewusst nur die Jahre 2012 und 2013 angegriffen worden. Die Beklagte merke hierzu an, dass die Klägerin im Anschreiben zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung vom 20. Februar 2012 auf die Kulanzregelung hingewiesen worden sei. Folglich sei der ursprüngliche Klageantrag der Klägerin dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine hilfsweise Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Juli 2012 nur für die Jahre 2012 und 2013 begehrt habe. Dieser Klageantrag sei im Berufungsverfahren dann auch nicht abgeändert worden. Im Schreiben der Klägerin vom 7. Februar 2014 werde lediglich der Hauptantrag dahingehend konkretisiert, dass eine Aufhebung der Steuerfestsetzung für die Jahre 2012 und 2013 begehrt werde. Deshalb gehe die Beklagte davon aus, dass eine Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Juli 2012 auch im Berufungsverfahren nur für die Jahre 2012 und 2013 von der Klägerin begehrt und vom Verwaltungsgerichtshof München gewährt worden sei. Der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei somit in Bezug auf die Jahre 2009 bis 2011 aus Sicht der Beklagten bestandskräftig geworden. Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 130 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 KAG sei nach pflichtgemäßer Ermessensausübung abgelehnt worden.

Nachdem die Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG zum Zeitpunkt des Steuererklärungsversands oftmals bereits abgelaufen sei, praktiziere die Landeshauptstadt München zur Wahrung von Treu und Glauben und im Hinblick auf eine bürgerfreundliche Verwaltung allerdings folgende Regelung:

„Bei erstmaligem Versand der Zweitwohnungsteuererklärung an den Steuerpflichtigen werde ein Antrag nach Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG auch dann noch als fristgerecht akzeptiert, wenn er innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Anschreibens zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung eingehe. Diese Praxis stelle zugunsten der Steuerpflichtigen sicher, dass ein fristgerechter Befreiungsantrag auch noch innerhalb der Abgabefrist für die Zweitwohnungsteuererklärung (§ 9 Abs. 2 ZwStS) möglich sei. Vom Bürger könne keine detailreiche Auseinandersetzung mit der Thematik des Kommunalabgabenrechts erwartet werden, ohne dass bereits direkter Kontakt mit dem Themenfeld der Zweitwohnungsteuer bestehe. Die Beklagte bitte daher um Klärung, wie eng die gesetzliche Ausschlussfrist zu verstehen sei und inwieweit ihre Kulanzregelung zulässig sei. Sollte die Verwaltungspraxis der Beklagten nicht rechtmäßig sein, sei es selbstverständlich ein Anliegen für die Zukunft, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen und die Praxis entsprechend zu ändern.“

Die Klägerin vertiefte ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 19. November 2016. Mit ihrem Antrag vom 16. März 2012 auf Befreiung von der Zweitwohnungssteuer ab dem Kalenderjahr 2009 habe die Klägerin die materiell-rechtlich vorgesehene Steuerbefreiung begehrt. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung, durch die die Klägerin erstmals mit der Problematik der Zweitwohnungsteuer konfrontiert gewesen sei, gestellt worden. Der die Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 sei infolge der Verkennung der materiell-rechtlichen Befreiungsvoraussetzung (Einkommensgrenze) insgesamt rechtswidrig gewesen sei und demgemäß ganz aufgehoben worden. Nach dem strikten Wortlaut des Gesetzes habe ein Anspruch auf Befreiung jedoch nur für die Jahre 2012 und 2013 bestanden, weshalb auch nur für diesen Zeitraum Verurteilung beantragt worden sei. Auf der Grundlage des aufhebenden Urteils vom 12. November 2014 habe die Befreiung für die früheren Jahre 2009 bis 2011, die vom gesetzlichen Wortlaut nicht eindeutig erfasst gewesen und gegebenenfalls eine Ermessensentscheidung der Stadt erfordert hätten, zunächst dieser überlassen werden sollen. Eben diese Entscheidung, die nach gerichtlicher Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Befreiung von der Beklagten zu treffen gewesen sei, sei durch das klägerische Schreiben vom 8. Dezember 2014 eingefordert worden. Von diesem Ausgangspunkt aus sei die Berufung auch aus Sicht der Beklagten begründet. Es stehe fest, dass in der Person der Klägerin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011 erfüllt seien. Die Beklagte sei nicht gehindert, aus den von ihr vorgetragenen Erwägungen zumindest im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung die beantragte Befreiung von der Zweitwohnungsteuer zu gewähren. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (amtliche Begründung zu § 1 KAG-ÄndG v. 9.5.2008, LT-Drs. 15/10637; Bericht d. Abgeordneten Meißner, Plenarprotokoll 15/123, S. 9006) habe die Steuerbefreiung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht kraft Gesetzes eintreten, sondern nur auf Antrag gewährt werden sollen. Dieser stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuererhebung und werde deshalb vom Gesetzgeber auch in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser gestellt. Dabei werde eine tatsächliche Übereinstimmung von Veranlagung und Steuerjahr vorausgesetzt, die es erlaube, die Steuerbefreiung in zeitlichem Zusammenhang mit diesem (nämlich einen Monat nach Ende des Steuerjahres) zu beantragen. Der Gesetzgeber gehe also davon aus, dass die Pflicht zur Entrichtung der Steuer, die gemäß § 7 Zweitwohnungsteuersatzung der Landeshauptstadt München erst durch Erlass des Steuerbescheides begründet werde, während des Steuerjahres, für das Befreiung begehrt werde, bereits bestanden habe. Dieser Zusammenhang sei aber aufgehoben, wenn die Festsetzung der Steuer und damit die tatsächliche Zahlungspflicht rückwirkend für bereits abgelaufene Steuerjahre erfolge. In diesem Fall werde die zeitliche Beschränkung des Antrags auf einen Monat nach Ende des Steuerjahres funktionslos und gehe ins Leere. Vielmehr entspreche es dem erkennbaren Sinn des Gesetzes, bei nachträglicher Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer auch das Antragsverfahren auf die zurückliegenden Steuerjahre zu beziehen und in das aktuelle Veranlagungsverfahren zu integrieren. Demgemäß akzeptiere die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis einen Befreiungsantrag als fristgemäß, der innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung eingehe. Diese Verfahrensweise überschreite den engen Wortlaut des Gesetzes, sei aber von dessen Sinn und Zweck gedeckt, sie ergebe sich damit als Ergebnis teleologischer Auslegung unmittelbar aus dem Gesetz.

Wolle man dieser Auslegung nicht folgen, so erweise sich die behördliche Zulassung von Befreiungsanträgen, die sich auf frühere, erst nachträglich veranlagte Steuerjahre bezögen, gleichwohl als rechtmäßig. Im Interesse von Rechtsklarheit und Planungssicherheit verlange Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG zum Schutz der Gemeinden eine Antragstellung binnen eines Monats nach dem Steuerjahr. Diese Fristsetzung beschränke den materiell-rechtlichen Befreiungsanspruch des Einzelnen und stelle sich für diesen als Belastung dar, die einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Sie erzeuge jedoch nicht umgekehrt auch eine Bindung für die Gemeinde. Denn sie diene allein deren Schutz und lasse deshalb Raum für eine bürgerfreundliche Gestaltung, die nicht auf die isolierte Fristsetzung nach dem reinen Gesetzeswortlaut abstelle, sondern dem vom Gesetz intendierten Zusammenhang der Antragstellung mit der Steuererhebung Rechnung trage. Es erwachse der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung, das heiße auf Anerkennung der Rechtzeitigkeit ihres Antrags und demzufolge auf Befreiung auch für die Jahre 2009 bis 2011.

Für den Fall, dass die von der Beklagten praktizierte Handhabung der Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG verworfen werden sollte, werde höchst vorsorglich geltend gemacht, dass die Erhebung der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 unbillig wäre, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO. Nachdem gerichtlich geklärt gewesen sei, dass die Klägerin die materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Steuerbefreiung erfüllt habe, habe sich die Beklagte an der Gewährung der Befreiung nur durch die vermeintlich bestandskräftige Ablehnung des Antrags gehindert gesehen. Im Übrigen habe doch Übereinstimmung bestanden, dass die Klägerin nach dem Verständnis des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG durch die Beklagte auch für die zurückliegenden Jahre 2009 bis 2011 Befreiung habe beanspruchen können. Würde nun diese bürgerfreundliche Auslegung wegen Widerspruchs zum Gesetzeswortlaut als rechtswidrig und daher für den geltend gemachten Befreiungsanspruch als nicht tragfähig erklärt, so würde sie erstmals im Fall der Klägerin nicht mehr angewendet. Die langjährige Praxis der Beklagten sei für beide Parteien selbstverständlich vorausgesetzte, weil in ihrer Rechtmäßigkeit nicht bezweifelte Grundlage der mehrjährigen rechtlichen Auseinandersetzung. Entsprechend würden Billigkeitsmaßnahmen für erforderlich gehalten, wenn die Rechtsprechung einer langjährigen, nicht ohne weiteres als rechtswidrig erkennbaren Verwaltungspraxis nicht folge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011. Der eine Befreiung für diese Jahre ausschließende Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Zwar ist der eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 nicht bestandskräftig geworden, weil er durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 in vollem Umfang aufgehoben worden ist (1.). Jedoch war für die Jahre 2009 bis 2011 die gesetzliche Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG bereits verstrichen, als die Klägerin erstmals Antrag auf Befreiung am 16. März 2012 stellte. Diese gesetzliche Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist (2.). Aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlauts kommt eine Auslegung dahingehend, dass statt der gesetzlich vorgesehenen Datumsfrist die Einhaltung einer Monatsfrist nach erstmaligem Erhalt von Steuererklärungsunterlagen ausreichen soll, nicht in Betracht (3.). Auch aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß dem Verwaltungsvollzug der Beklagten (Kulanzregelung) kann die Klägerin kein Recht auf Befreiung herleiten, denn diese Kulanzregelung ist ihrerseits wegen Verstoßes gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes und aus Gründen der Gleichbehandlung mit sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen rechtswidrig (4.). Schließlich besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen (5.). Mangels eines Anspruches der Klägerin auf Erlass der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 haben daher sämtliche Haupt- und Hilfsanträge der Klägerin im Berufungsverfahren keinen Erfolg. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

1. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist der eine Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 in vollem Umfang durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben worden. Der Tenor dieser Entscheidung ist eindeutig, er enthält keine Einschränkung für einzelne Steuerjahre. Damit ist aber der ursprüngliche Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Steuer vom 16. März 2012 noch offen und konnte noch verbeschieden werden. Der spätere Antrag vom 8. Dezember 2014 hat demgegenüber keine eigene Bedeutung, er bezieht sich richtigerweise auch auf den maßgeblichen Antrag vom März 2012. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge Nr. 6 und 7 sind daher hinfällig, weil sie nur für den Fall gestellt wurden, dass der Senat den Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 für teilweise bestandskräftig hält.

2. Die Anträge Nr. 1 bis 5 der Klägerin im Berufungsverfahren haben keinen Erfolg, weil es an einem Anspruch auf Steuerbefreiung für die Jahre 2009 bis 2011 fehlt. Es bleibt daher bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung ohne Rückerstattung mit entsprechender Verzinsung:

Nach der gesetzlichen Regelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG setzen Entscheidungen nach den Sätzen 2 bis 6 dieser Vorschrift (Entscheidungen über die Nichterhebung der Steuer) „einen Antrag voraus, der bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folgt, gestellt sein muss.“ Diese zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Vorschrift normiert eine Ausschlussfrist (Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 fh). Für das Steuerjahr 2011 (und damit erst recht für die früheren Jahre) ist der Antrag vom März 2012 zu spät gestellt worden, er hätte bis Ende Januar 2012 gestellt sein müssen. Nach der insoweit klaren gesetzlichen Regelung kann daher von der Beklagten aufgrund des Antrags vom März 2012 keine Entscheidung mehr über die Nichterhebung der Steuer nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG getroffen werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist insoweit nicht auslegungsbedürftig, es bleibt bei fehlendem oder verspätetem Antrag schlicht bei der Zweitwohnungsteuerpflicht nach der Zweitwohnungsteuersatzung (ZwStS) der Beklagten.

Eine derartige gesetzliche Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich zulässig. Sie ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 8 C 25/12 - juris Rn. 24-26). Der Gesetzgeber erreicht mit einer solchen Regelung im Interesse der steuererhebenden Kommunen, dass schon kurze Zeit nach Beendigung eines Steuerjahres Rechtssicherheit herrscht und die Kommune nicht noch weiterhin mit Befreiungsanträgen und darauf gegebenenfalls folgenden Rückabwicklungen von Steuererhebungen für längst vergangene Steuerjahre rechnen muss. Zudem wird ein Anreiz geschaffen, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (Fristablauf) der Anzeige- und Meldepflicht von Zweitwohnungen zeitnah nachzukommen und diese Wohnungen einer Veranlagung zuzuführen. Der Gesetzgeber hat dabei einen gewissen Gestaltungsspielraum insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen oder Vergünstigungen (wie hier der Gewährung von Steuerbefreiung) und kann bei seiner Regelung auf den „Normalfall“ eines sich rechtstreu meldenden und anzeigenden Steuerpflichtigen abstellen. Es ist nicht ersichtlich, dass für diese Fälle die vom Gesetzgeber gewählte Fristenregelung unzumutbar wäre.

3. Die Klägerin meint, die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG sei konform mit der Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend auszulegen, dass die Frist auch noch gewahrt sei, wenn der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Erhalt der Steuererklärungsunterlagen gestellt werde. Dies entspreche der erkennbaren Intention des Gesetzes, bei nachträglicher Heranziehung zur Steuer für frühere Steuerjahre auch das Antragsverfahren für die Befreiung auf die zurückliegenden Jahre zu beziehen und in das aktuelle Veranlagungsverfahren zu integrieren.

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist klar und eindeutig. Eine Intention des Gesetzgebers in dem von der Klägerin beschriebenen Sinne ist weder dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008) enthält zur Antragsfrist nur den schlichten Hinweis, dass der Antrag bis zum Ende des auf das Steuerjahr folgenden Kalendermonats zulässig sei. Ein strikter Zusammenhang mit dem Veranlagungsverfahren kann der Regelung nicht ansatzweise entnommen werden. Die Klägerin meint offenbar, dass die Steuer stets nach Ablauf des Steuerjahrs festgesetzt werde. Das ist indes nicht der Fall. Denn die Steuerpflicht setzt nach § 6 Abs. 2 ZwStS nicht erst nach Ablauf des Steuerjahres, sondern bereits zu dessen Beginn ein. Für den Normalfall eines Zweitwohnungsinhabers, der seine Zweitwohnung ordnungsgemäß umgehend nach § 8 ZwStS oder durch Anmeldung gemäß Melderecht anmeldet oder anzeigt, und von dem der Gesetzgeber bei seiner Regelung als Normalfall ausgehen kann, wird es für gewöhnlich zu Beginn des Steuerjahres zu einer Festsetzung der Steuer nach § 7 Abs. 1 und 2 ZwStS kommen, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 ZwStS sogar für mehrere Jahre im Voraus. Es gibt daher weder im Gesetzestext noch nach der Gesetzesbegründung einen Zusammenhang zwischen der Frist für den Antrag auf Befreiung und der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (Veranlagung) selbst. Abgesehen davon läge bei dem von der Klägerin favorisierten Übergang von einer fixen Datumsfrist zu einer flexibel einsetzenden Monatsfrist ein völlig anderes Regelungsmodell vor, das zudem an erheblichen Rechtsunsicherheiten litte, weil die Nachweisbarkeit des Zugangszeitpunktes der Steuererklärungsunterlagen eine förmliche Zustellung voraussetzte, an der es im Verwaltungsvollzug im Massenverfahren regelmäßig fehlt. Eine derartige Regelungsintention des Gesetzgebers kann daher nicht angenommen werden, zumal die rückwirkende Festsetzung der Steuer für frühere Steuerjahre in der Regel - wie auch im vorliegenden Fall - allein dem Umstand geschuldet ist, dass der Steuerpflichtige die von ihm schon länger innegehabte Zweitwohnung entgegen der Anordnung in der Zweitwohnungsteuersatzung (§ 8 ZwStS) pflichtwidrig nicht angezeigt hat. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kann daher nicht, wie von der Klägerin für sich in Anspruch genommen, ausgelegt werden.

4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß ihrer „Kulanzregelung“ aus Gleichbehandlungsgründen eine Nichterhebung der für die Klägerin fällig gewordenen Steuer durchführt, denn diese „Kulanzregelung“ ist wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Regelung des Art. 3 Abs. 3 KAG und wegen Verstoßes gegen die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten rechtswidrig und führt zudem bei Anwendung in einem Fall wie dem der Klägerin zu Verzerrungen, die rechtstreue Steuerpflichtige unbillig benachteiligt.

Nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten praktiziert die Beklagte etwa seit dem Februar 2010 eine Art „pauschale Wiedereinsetzung“ bei Versäumung der Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG. Sie lässt es dabei ausreichen, wenn im Falle der erstmaligen Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Zusendung der Steuererklärungsformulare eingeht. Die gesetzliche Frist wird dadurch also von der Beklagten in diesen Fällen faktisch nicht mehr beachtet. Der Grund hierfür sei nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung anfangs gewesen, dass es dem Personal der Beklagten seinerzeit nicht möglich gewesen sei, die Menge der Zweitwohnungsteuerfälle jeweils noch innerhalb des laufenden Steuerjahres abzuarbeiten. Offenbar wurde diese Handhabung dann auch auf Fälle ausgeweitet, bei denen die Veranlagung für vergangene Steuerjahre nicht auf Verzögerungen im Bereich der Verwaltung der Beklagten, sondern etwa auf verspäteter Anzeige oder Meldung einer Zweitwohnung durch den Steuerpflichtigen beruht.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kein für die Beklagte dispositives Recht, denn sie weicht bei Ignorierung des gesetzlichen Normbefehls von ihrer eigenen Zweitwohnungsteuersatzung ab, die derartige Befreiungsmöglichkeiten nicht normiert (und auch nicht normieren muss, vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, KAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 ff). Denn für die Eröffnung der Möglichkeit der Befreiung setzt der klare Gesetzeswortlaut zwingend einen binnen vom Gesetzgeber ebenfalls klar vorgegebener Frist gestellten Antrag voraus. Fehlt es aus welchen Gründen auch immer an einem solchen Antrag, können Entscheidungen nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG nicht ergehen. Auch wenn die materiellen Voraussetzungen der Nichterhebung der Steuer danach vorliegen sollten, bleibt es ohne Antragsverfahren bei der in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten festgelegten Steuerpflicht (vgl. auch Einzelbegründung B) VI. zu § 1, LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008), der Steueranspruch erlischt gerade nicht unmittelbar aufgrund der gesetzlichen Regelung. Diese bleibende Steuerpflicht hat die Beklagte vorbehaltlich der Möglichkeiten des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO durchzusetzen, will sie sich kein generelles Erhebungsdefizit vorwerfen lassen.

b) Die Anwendung der Kulanzregelung gerade auf den Fall der Klägerin wäre zudem eine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG unerträgliche Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die (rechtstreu) ihren Anzeige- und Meldepflichten bezüglich ihrer Zweitwohnung im Bereich der Beklagten nachkommen, von der Beklagten veranlagt werden (nach § 7 Abs. 1 ZwStS gleich für mehrere Jahre) und dann später im weiteren zeitlichen Ablauf die materiellen Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG erfüllen, jedoch eine Antragstellung innerhalb der Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG verpassen und deswegen keine Befreiung bekommen. Derartige Fallkonstellationen haben den Senat gerade auch aus dem Bereich der Beklagten bereits erreicht.

Auch solche Steuerpflichtige berufen sich - wie die Klägerin - darauf, dass sie die Befreiungsmöglichkeit nicht gekannt oder (nach Erhalt eines Hinweises schon vor Jahren) vergessen haben. Warum diese sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen schlechter gestellt sein sollen als die Klägerin, die ihren Melde- und Anzeigepflichten gar nicht erst nachgekommen ist, leuchtet nicht ein. Das Argument, der bereits veranlagte Steuerbürger wisse um die Zweitwohnungsteuer und könne sich daher besser informieren, überzeugt nicht. Informieren kann sich heute - noch dazu mit Blick auf die von der Beklagten betriebene Internetpräsenz - jedermann. Dass man wenigstens seiner Meldepflicht zu genügen hat, ist auch allgemein bekannt. Will man sich nicht selbst informieren, besteht auch die Möglichkeit, sich etwa von Steuerberatern über die steuerlichen Verpflichtungen aus dem Innehaben einer Zweitwohnung informieren zu lassen (zum unbegrenzten Vertretungsrecht dieses Berufsstands im Bereich der Kommunalabgaben vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2016 - 10 C 17/14 - juris).

Beide Gruppen von Steuerpflichtigen kennen, aus welchem Grund auch immer, die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG im entscheidenden Zeitpunkt nicht. Eine Bevorzugung gerade der Nichtanmelder von Zweitwohnungen stellte geradewegs eine Einladung dazu dar, seinen Anzeigepflichten nicht nachzukommen und sich damit alle Rechtsvorteile dauerhaft zu sichern.

5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Zweitwohnungsteuer aus Billigkeitsgründen, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Die Klägerin meint hierzu, dass bei Verwerfung der Verwaltungspraxis der Beklagten als rechtswidrig der anderen Steuerpflichtigen bislang danach gewährte Befreiungsanspruch erstmals im Falle der Klägerin nicht mehr angewendet würde. Es würden in der Rechtsprechung Billigkeitsmaßnahmen für erforderlich gehalten, wenn etwa die Rechtsprechung einer langjährigen und nicht ohne weiteres als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis nicht folge.

Mit dieser Argumentation kann eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen jedoch nicht begründet werden. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder auf eine Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns. Die erstmalige Nichtanwendung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis ist indes Konsequenz jeder Korrektur.

Auch Billigkeitserwägungen rechtfertigen vorliegend keine andere Beurteilung. Die Billigkeitsprüfung verlangt eine Gesamtbetrachtung aller Normen, die für die Entstehung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind. Erst durch sie kann festgestellt werden, ob das Ergebnis des allgemeinen Gesetzesvollzugs mit der Einzelfallgerechtigkeit noch vereinbar ist. Der Billigkeitserlass ist dabei kein Vehikel, gesetzlich klar festgelegte Ausschlussfristen zu umgehen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO 146. Lieferung 10.2016, § 163 AO Rn. 9 mit Hinweis auf BFH vom 26.5.1994 - IV R 51/93 - BeckRS 1994, 22011106).

Das vom Kläger angeführte Vertrauen in ein bestimmtes bisheriges Verwaltungshandeln einer Behörde setzte zudem für seine Berücksichtigung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme voraus, dass der Betreffende, der auf den Fortbestand einer für ihn günstigen Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung vertraut hat, auch entsprechende Dispositionen getroffen hat, die schutzwürdig sind. Die entsprechende Rechtslage darf darüber hinaus nicht als zweifelhaft erschienen sein (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 163 Rn. 83/84/86). Im vorliegenden Fall fehlt es diesbezüglich schon an einer von der Klägerin nicht als zweifelhaft angesehenen Verwaltungspraxis. Denn die Klägerin hat schon in ihrem Widerspruchsschreiben vom 18. Februar 2015 selbst ausgeführt, dass ihr die Kulanzregelung der Beklagten bei Klageerhebung 2012 gar nicht bekannt gewesen sei. In einem weiteren Schreiben vom 20. April 2015 lässt die Klägerin ausführen, dass ihr ein von der Beklagten gegebener Hinweis auf die Kulanzregelung unklar geblieben sei und nicht zu der ihr vorgeworfenen Kenntnis von jener Kulanzregelung geführt habe, denn dem unbefangenen Leser, der nur das Gesetz, nicht aber die interne Regelung der Beklagten kenne, müsse die Mitteilung vielmehr als unverständlich erscheinen, nachdem Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG eine eindeutige und dem entgegenstehende Regelung treffe. Die Klägerin hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verwaltungspraxis der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht kannte und sie selbst bei Kenntnis jedenfalls wegen des klaren Gesetzeswortlauts als höchst zweifelhaft angesehen hätte. Zudem fehlt es im vorliegenden Fall ersichtlich an irgendwelchen schutzwürdigen Dispositionen, die die Klägerin im Vertrauen auf diese Regelung getätigt hätte. Es fehlt daher an allen Voraussetzungen für einen Erlass im Billigkeitswege.

Die Versäumung der Antragsfrist ist vorliegend nicht auf behördliches Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen (vgl. zur Berücksichtigung derartigen Fehlverhaltens bei der „Nachsichtgewährung“ BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 8 C 25/12 - juris Rn. 29). Es kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers dieser die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der von der Klägerin verlangten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (zu diesem Maßstab BFH, U.v. 26.5.1994 - IV R 51/93 - BeckRS 1994, 22011106), denn es kann nicht erwartet werden, dass der Gesetzgeber langjährige Nichtanmelder von Zweitwohnungen hätte bevorzugen wollen.

6. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

7. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt für das Jahr 2012 für ihren am Standort in L. befindlichen Unternehmensteil "Herstellung von Kunststoffverpackungen - ohne Werkzeugbau" (im Folgenden: "Kunststoff") eine Begrenzung der EEG-Umlage nach der besonderen Ausgleichsregelung gemäß § 41 Abs. 5 des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG) in der Fassung des Gesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2074), - EEG 2009 -, die vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 in Kraft war, in Verbindung mit der Verordnung zur Weiterentwicklung des bundesweiten Ausgleichsmechanismus vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 2101), - AusglMechV 2009 -.

2

In dem ebenfalls auf dem Werksgelände in L. befindlichen Unternehmensteil "Werkzeugbau", der zum 21. Dezember 2012 durch Ausgliederung ein rechtlich selbständiges Unternehmen wurde, werden für den Herstellungsprozess der Kunststoffteile speziell erforderliche Werkzeuge entwickelt und produziert. Die Stromversorgung beider Unternehmensteile erfolgt über die gemeinsame Abnahmestelle der Werksanlagen der Klägerin am Standort L.

3

Den Antrag der Klägerin vom 8. Juni 2011 auf Begrenzung der EEG-Umlage für den nach ihrer Auffassung selbständigen Unternehmensteil "Kunststoff" lehnte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 2. Dezember 2011 ab. In der Begründung wird ausgeführt, das Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung überschreite in diesem Unternehmensteil nicht, wie von der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 41 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2009 gefordert, den Wert von 15 %. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2012 mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem Unternehmensbereich "Kunststoff" bereits nicht um einen selbständigen Unternehmensteil im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG 2009 handele.

4

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 14. März 2013 die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 9. Januar 2014 zurückgewiesen. Die Selbständigkeit eines Unternehmensteils sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen, wobei neben dem Standort die bauliche, technische sowie infrastrukturmäßige Anschließung an die übrigen Unternehmensteile, die organisatorische Ausgliederung des Produktionsprozesses aus dem Gesamtunternehmen, die Bildung eines eigenständigen Buchungskreises, der Bezug von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen von Dritten oder im Unternehmensverbund und der Absatz der erzeugten Produkte an Verbraucher oder Kunden außerhalb des Unternehmens zu berücksichtigen seien. Es sei ausgeschlossen, ein Unternehmen "in jeweils selbständige Unternehmensteile im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG 2009" aufzuteilen, da sonst "das Unternehmen", von dem ein Recht auf die begehrte besondere Ausgleichsregelung abgeleitet werde, nicht mehr bestehe. In Anwendung dieser Vorgaben sei festzustellen, dass der Bereich "Kunststoff" nicht als ein selbständiger Unternehmensteil im Sinne des § 41 Abs. 1 EEG 2009, sondern als "das Unternehmen" zu qualifizieren sei. Unabhängig davon sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil die Klägerin - als Unternehmen - im Geschäftsjahr 2010/2011 das nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2009 notwendige Verhältnis von 15 % der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung nicht nachgewiesen habe. Der Bereich "Werkzeugbau" müsse für den hier maßgebenden Zeitpunkt mit berücksichtigt werden, weil er nicht als eigener, gerade nicht energieintensiver Unternehmensteil qualifiziert werden könne. Die im Bereich des "Werkzeugbaus" angefallenen Kosten müssten bei der Ermittlung der Bruttowertschöpfung eingerechnet werden. Eine "Abspaltung" von "nicht energierelevanten Unternehmensteilen, d.h. Produktionsstätten mit nicht erheblichem Strombedarf", sei "nämlich gerade nicht Regelungsgegenstand des § 41 Abs. 5 EEG 2009"; anderenfalls würden Sinn und Zweck der Regelung auf den Kopf gestellt. Ob der Klägerin im Übrigen deshalb kein Anspruch auf die geltend gemachte Begrenzung der EEG-Umlage zustehe, weil sie im relevanten Geschäftsjahr 2010/2011 den Strom über einen gemeinsam für alle Bereiche genutzten Anschluss bezogen und die Kosten rechnerisch verteilt habe, könne ebenso dahingestellt bleiben wie die Richtigkeit der konkreten Berechnung des Verhältnisses der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung.

5

Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Es sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ausgeschlossen, dass ein Unternehmen in zwei selbständige Unternehmensteile im Sinne des § 41 Abs. 5 EEG 2009 aufgespalten werde. Entscheidend sei die Erfüllung der Voraussetzungen durch den Unternehmensteil, für den die Begrenzung der EEG-Umlage beantragt werde. Das Berufungsgericht verkenne zudem das vom Gesetzgeber verfolgte Prinzip der "Bestabrechnung", wonach es im Ganzen nicht stromintensiven Unternehmen ermöglicht werden solle, die besondere Ausgleichsregelung für ihre stromintensiven Unternehmensteile ohne eine rechtliche Ausgliederung derselben geltend zu machen. Ob der nicht energierelevante Unternehmensteil "Werkzeugbau" als selbständiger Unternehmensteil bewertet werden könne, sei zudem bereits deshalb unerheblich, weil sie, die Klägerin, ihren Antrag allein für den Bereich "Kunststoff" gestellt habe. Dieser erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für einen selbständigen Unternehmensteil. Dies sei bereits im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen sowie vorsorglich - obgleich im Einzelnen hinsichtlich der Sachverhaltselemente unstreitig - unter Beweis gestellt worden. Sollte sich das Revisionsgericht auf der festgestellten Tatsachengrundlage nicht zu einer eigenen Entscheidung in der Lage sehen, weil noch weitere Tatsachen insbesondere zum Vorliegen eines selbständigen Unternehmensteils ermittelt werden müssten, werde die Rüge mangelnder Sachaufklärung erhoben. Das Berufungsgericht sei aufgrund fehlerhafter rechtlicher Überlegungen den Beweisangeboten zum weitergehenden Nachweis der Selbständigkeit der beiden Abteilungen nicht nachgegangen.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2014 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. März 2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vom 2. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2012 zu verpflichten, die von der Klägerin zu zahlende EEG-Umlage für das Jahr 2012 für den im Antrag vom 8. Juni 2011 bestimmten Unternehmensbereich "Kunststoffherstellung - ohne Werkzeugbau" zu begrenzen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und führt im Wesentlichen ergänzend aus: Die Klägerin habe den Unternehmensteil "Kunststoff" nur zum Zwecke der Antragstellung nach § 41 Abs. 5 EEG 2009 künstlich konstruiert. Ein selbständiger Unternehmensteil könne nicht gleichzeitig die Leitungsebene eines Unternehmens umfassen, da ansonsten der übrige Teil - hier der Bereich "Werkzeugbau" - nicht nach außen handlungsfähig sei. Außerdem sei unklar, wie der Nachweis des Strombezugs zu führen sei, wenn - wie hier - kein eigenständiger Standort und damit keine eigene Abnahmestelle vorhanden seien, so dass die vom Unternehmensteil verbrauchte Strommenge nicht durch Rechnungen, sondern nur durch die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers attestiert werden könne. Ferner führe der Ansatz von Erlösen und Kosten aus innerbetrieblichen Verrechnungen bei der Ermittlung der Bruttowertschöpfung zu einer gleichheitswidrigen Besserstellung selbständiger Unternehmensteile gegenüber Unternehmen, da Letztere unternehmensinterne Vorleistungen nicht kostenwirksam veranschlagen könnten. Ausgehend davon fehle es auch an der für eine Begrenzung der EEG-Umlage erforderlichen Stromintensität des Unternehmensteils "Kunststoff".

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt zwar teilweise gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ungeachtet dessen stellt es sich jedoch im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

11

1. Die Verfahrensrüge der Klägerin, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, weil er ihren vorsorglichen Beweisangeboten zur Selbständigkeit der beiden Unternehmensbereiche "Kunststoff" und "Werkzeugbau" nicht hinreichend nachgegangen sei, hat keinen Erfolg. Sie genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

12

Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte sie insoweit mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2002 - 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f. und vom 29. November 2012 - 4 C 8.11 - Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 33). Das ist nicht geschehen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Anerkennung des Unternehmensbereichs "Kunststoff" als selbständiger Unternehmensteil bereits aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen sei, so dass es auf die "tatsächliche Selbständigkeit der Bereiche" nicht ankomme. Die Klägerin hat zudem zur Begründung ihrer Rüge lediglich unbestimmt auf Zeugenaussagen und ein Sachverständigengutachten zur Frage der Selbständigkeit des Unternehmensteils "Kunststoff" Bezug genommen, ohne nachvollziehbar darzulegen, hinsichtlich welches konkreten tatsächlichen Umstandes ein weiterer Aufklärungsbedarf bestanden haben soll, welche insoweit für geeignet und erforderlich gehaltene konkrete Aufklärungsmaßnahme für das Tatsachengericht in Betracht zu ziehen war sowie welche tatsächliche Feststellung bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wäre, die zu einem für die Klägerin positiven Entscheidungsergebnis geführt hätte.

13

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Auslegung und Anwendung von § 41 Abs. 5 EEG 2009 revisibles Recht verletzt.

14

a) Er hat zwar zutreffend angenommen, dass für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin auf Begrenzung der EEG-Umlage für ihren Unternehmensteil "Kunststoff" am Standort L. die Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist bestand (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1 Rn. 15 und vom 10. Dezember 2013 - 8 C 25.12 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 2 sowie - 8 C 24.12 - ZNER 2014, 211 = juris Rn. 14). Der am 8. Juni 2011 für das Jahr 2012 geltend gemachte Anspruch bestimmt sich nach der besonderen Ausgleichsregelung der §§ 40 ff. des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074), das in dieser Fassung vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2011 in Kraft war (im Folgenden: EEG 2009). Hinsichtlich des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen nach § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 bis 4 EEG 2009 ist auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist des § 43 Abs. 1 EEG 2009 abzustellen. Dies war der 30. Juni 2011.

15

b) Allerdings verstößt die Auslegung des Begriffs der "Selbständigkeit" eines Unternehmensteils im Sinne des § 41 Abs. 5 EEG 2009 durch den Verwaltungsgerichtshof gegen Bundesrecht.

16

aa) Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der vom Berufungsgericht getroffenen Aussage, es sei denklogisch ausgeschlossen, ein Unternehmen vollständig in "nichtselbständige" Unternehmensteile aufzuspalten (UA Rn. 41), um ein Formulierungsversehen handelt und nach dem Kontext stattdessen "selbständige" Unternehmensteile gemeint sind (so auch UA Rn. 40, vorletzter Satz). Denn nur für solche eröffnet § 41 Abs. 5 EEG 2009 eine Anspruchsberechtigung.

17

Es verstößt gegen revisibles Recht, dass der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch der Klägerin ohne weitere Sachprüfung allein aufgrund der Erwägung verneint hat, es sei bereits "denklogisch" ausgeschlossen, dass ein Unternehmen vollständig in selbständige Unternehmensteile aufgespalten sein kann. Ob der in Rede stehende Unternehmensteil "Kunststoff" im hier maßgeblichen Bezugsgeschäftsjahr (1. April 2010 bis 31. März 2011) als "selbständig" im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG 2009 zu qualifizieren war, hing von seiner organisatorischen Ausgestaltung und Struktur innerhalb des Unternehmens der Klägerin ab.

18

Nach der geltenden Gesetzeslage kann ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit mehrere selbständige Unternehmensteile im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG 2009 umfassen. Ein Unternehmen im Sinne der besonderen Ausgleichsregelung der §§ 40 ff. EEG 2009 ist die kleinste rechtlich selbständige Einheit (vgl. BT-Drs. 16/8148 S. 66). Das ist im Bereich der Klägerin allein das Gesamtunternehmen, nicht jedoch sind dies ihre verschiedenen Unternehmensbereiche, die über keine eigenständige Rechtspersönlichkeit verfügen und daher nicht im eigenen Namen im Rechtsverkehr handeln können. Es ist "denklogisch" keineswegs ausgeschlossen, dass ein Unternehmen vollständig aus rechtlich nicht selbständigen, jedoch aus - nach der Unternehmensstruktur - organisatorisch selbständigen Unternehmensteilen im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG bestehen kann. Das folgt aus dem Regelungszusammenhang, dem Zweck der Vorschrift und aus ihrer Entstehungsgeschichte.

19

Das Gesetz sieht in § 41 Abs. 5 EEG 2009 die Anspruchsberechtigung eines Unternehmens nach der besonderen Ausgleichsregelung der §§ 40 ff. EEG 2009 für stromintensive selbständige Unternehmensteile vor, ohne dass die Zahl der dafür in Betracht kommenden Unternehmensbereiche eingegrenzt oder abschließend festgelegt ist. Die Regelung verfolgt das Ziel, die Ausgliederung eines stromintensiven Unternehmensteils in ein rechtlich selbständiges Unternehmen allein im Hinblick auf die beabsichtigte Inanspruchnahme der besonderen Ausgleichsregelung zu vermeiden. Durch die Antragsberechtigung von Unternehmen auch für organisatorisch selbständige Unternehmensteile sollte "Wettbewerbsneutralität zwischen der gewählten betrieblichen Organisationsform national wie international erzeugt" werden (BT-Drs. 16/8148 S. 66). Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung ist es nicht nachvollziehbar, warum nicht auch die vollständige Aufteilung eines Unternehmens in mehrere organisatorisch selbständige, rechtlich jedoch unselbständige Teile zwecks Inanspruchnahme der besonderen Ausgleichsregelung möglich sein soll. Zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 41 Abs. 5 EEG 2009 bedarf es - neben den sonstigen entsprechend anwendbaren Voraussetzungen nach § 41 Abs. 1 bis 4 EEG 2009 - zusätzlich allein der organisatorischen Selbständigkeit des (rechtlich unselbständigen) Unternehmensteils, für den ein Antrag nach der besonderen Ausgleichsregelung gestellt wird.

20

bb) Gegen revisibles Recht verstößt auch die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die organisatorische Abspaltung des Unternehmensteils "Werkzeugbau" sei unbeachtlich, weil es sich um einen nicht stromintensiven Bereich handele, der deshalb seinerseits nicht als "selbständig" im Sinne des § 41 Abs. 5 EEG 2009 anzusehen sei (UA Rn. 44). Bezogen auf das Gesamtunternehmen habe die Klägerin im Geschäftsjahr 2010/2011 das nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2009 notwendige Verhältnis von 15 % der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung jedoch nicht nachgewiesen (UA Rn. 43).

21

Auch diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind mit revisiblem Recht nicht vereinbar. Der vorliegend allein zu prüfende Antrag der Klägerin ist weder gemäß § 41 Abs. 1 EEG 2009 auf ihr (Gesamt-)Unternehmen noch auf den Unternehmensbereich "Werkzeugbau", sondern gemäß § 41 Abs. 5 EEG 2009 allein auf ihren Unternehmensteil "Kunststoff" bezogen. Voraussetzung für den Erfolg des Antrags ist, ob es sich im maßgebenden Geschäftsjahr (1. April 2010 bis 31. März 2011) bei diesem Unternehmensbereich um einen "selbständigen" Unternehmensteil handelte und ob dort die weiteren Anforderungen nach § 41 Abs. 5 i.V.m. § 41 Abs. 1 bis 4 EEG 2009 erfüllt wurden. Auch hängt die "Selbständigkeit" eines Unternehmensteils (hier: des Bereichs "Kunststoff") nicht von der Selbständigkeit eines anderen Unternehmensteils des Unternehmens ab.

22

cc) Vorliegend bedarf es keiner abschließenden Prüfung und Darlegung der materiellen Voraussetzungen des Begriffs des "selbständigen" Unternehmensteils im Sinne von § 41 Abs. 5 EEG 2009 (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Juli 2015 - 8 C 8.14 -). Denn das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt jedenfalls bereits aus den dargelegten Gründen gegen die revisible Vorschrift des § 41 Abs. 5 EEG 2009 und beruht auf diesem Verstoß.

23

3. Ungeachtet der festgestellten Verstöße gegen revisibles Recht stellt sich das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs jedoch im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der geltend gemachte Anspruch auf Begrenzung der EEG-Umlage ist jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil nicht gemäß § 41 Abs. 2 und § 43 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 bis zum Ablauf der Ausschlussfrist am 30. Juni 2011 nachgewiesen worden ist, dass der vom Unternehmensbereich "Kunststoff" selbst verbrauchte Strom 10 Gigawattstunden überstiegen hat (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009). Die für diese Annahme maßgeblichen, sich aus der Verwaltungsakte ergebenden Tatsachen können ungeachtet des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht zugrunde gelegt werden, weil sie zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen und nicht weiter beweisbedürftig sind, ihre Verwertung einer endgültigen Streitbeilegung dient und schützenswerte Interessen der Beteiligten dadurch nicht berührt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1992 - 9 C 77.91 - BVerwGE 91, 104 <106 f.>, vom 23. Februar 1993 - 1 C 16.87 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64 S. 22 m.w.N. und vom 15. November 2011 - 1 C 21.10 - BVerwGE 141, 151 Rn. 19).

24

Nach § 41 Abs. 1 EEG 2009 ist der Nachweis der Voraussetzungen für eine Begrenzung der EEG-Umlage für das auf die Antragstellung folgende Jahr durch Angabe der Vorjahresdaten des Unternehmens zu führen. Damit gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass die Begrenzungsentscheidung nicht maßgeblich auf Prognosen oder Einschätzungen des Antragstellers gestützt, sondern auf einer verlässlichen, ohne weitere behördliche Ermittlungen überprüfbaren unternehmensspezifischen Tatsachengrundlage getroffen werden soll, wie sie sich etwa den nach § 41 Abs. 2 EEG 2009 vorzulegenden Stromlieferungsverträgen und Stromrechnungen des Unternehmens entnehmen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1 Rn. 19, 22). Damit soll im Interesse der Gesamtheit der Stromverbraucher (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009) sichergestellt werden, dass nur diejenigen Unternehmen in den Genuss der besonderen Ausgleichsregelung kommen, die die gesetzlichen Voraussetzungen auch tatsächlich erfüllen (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1 Rn. 22, 28; BT-Drs. 16/8148 S. 65). Dieses Schutzbedürfnis besteht auch bei den auf Unternehmensteile bezogenen Anträgen auf Begrenzung der EEG-Umlage. Daher verlangt das nach § 41 Abs. 5 EEG 2009 entsprechend anzuwendende Nachweiserfordernis auch insoweit, dass der Behörde eine gesicherte Tatsachengrundlage vorliegt, um so ungerechtfertigte Begrenzungsentscheidungen möglichst auszuschließen.

25

Die danach erforderlichen Nachweise müssen der Behörde bis zum Ablauf der Ausschlussfrist zum 30. Juni des laufenden Jahres vollständig vorliegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009). Ansonsten erlischt ein eventueller Anspruch auf Begrenzung der EEG-Umlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 8 C 24.12 - ZNER 2014, 211 = juris Rn. 17). Nachbesserungen des Antrages sind somit nicht möglich. Die materielle Präklusion verspäteter Nachweise bezweckt, dass alle Anträge auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet und zum gleichen Zeitpunkt beschieden werden können. Damit sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle stromintensiven Unternehmen sichergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1 Rn. 24 f; BT-Drs. 16/8148 S. 64). Da die behördliche Prüfung der Voraussetzungen für eine Begrenzung der EEG-Umlage bereits ab 30. Juni des laufenden Jahres auf einer abschließenden und verlässlichen Tatsachengrundlage erfolgen kann, welche eigene behördliche Ermittlungen erübrigt, ist zugleich gesichert, dass alle Anträge rechtzeitig vor Beginn des Begrenzungszeitraums am 1. Januar des Folgejahres beschieden werden können. Das Bedürfnis zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen unter den stromintensiven Unternehmen und zu rechtzeitiger Entscheidung gilt in gleicher Weise für Anträge auf Begrenzung der EEG-Umlage für Teile von Unternehmen. Daher ist auch insoweit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 der vollständige Nachweis der Voraussetzungen bis zum Ablauf der Ausschlussfrist zu führen.

26

Ausgehend davon hat die Klägerin mangels fristgerechten Nachweises des vom Unternehmensteil "Kunststoff" selbst verbrauchten Mindeststroms nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2009 keinen Anspruch auf Begrenzung der EEG-Umlage. Im maßgeblichen Ermittlungszeitraum waren am Standort L. keine gesonderten Stromabnahmestellen für die beiden Unternehmensteile "Kunststoff" und "Werkzeugbau" vorhanden, sondern nur eine Abnahmestelle für das gesamte Unternehmen. Die innerbetriebliche Verteilung der Strommenge wurde auch nicht mittels Stromzähler gemessen. Vielmehr wurde ausweislich der Bescheinigung der Wirtschaftsprüfergesellschaft die an den Unternehmensteil "Werkzeugbau" geleitete Strommenge im Wege einer Hochrechnung geschätzt und aus der Differenz des Schätzergebnisses zur insgesamt abgenommenen Strommenge der vom Unternehmensteil "Kunststoff" selbst verbrauchte Strom bestimmt (BA I Bl. 156). Die Bescheinigung enthält keine Angaben zu den Anknüpfungstatsachen der Hochrechnung und zu deren Methodik. Entsprechende Angaben wurden bis zum Ablauf der Ausschlussfrist auch nicht nachgereicht. Dies alles ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

27

Damit verfügte die Behörde bis zum Ablauf der Ausschlussfrist hinsichtlich des vom Unternehmensteil "Kunststoff" selbst verbrauchten Stroms nicht über eine verlässliche Tatsachengrundlage. Zwar kann bei entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 2 EEG 2009 auf Begrenzungsanträge für Unternehmensteile nicht verlangt werden, dass der Nachweis durch Stromlieferungsverträge und Stromrechnungen geführt wird. Denn lediglich organisatorisch selbständige Unternehmensteile im Sinne des § 41 Abs. 5 EEG 2009 können mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht Partner von Stromlieferungsverträgen und Adressaten von Stromrechnungen Dritter sein. Der Behörde muss daher auf andere Weise eine gesicherte Tatsachengrundlage hinsichtlich des vom Unternehmensteil selbst verbrauchten Stroms verschafft werden. Dies ist unproblematisch etwa dann möglich, wenn der Unternehmensteil über eine eigene Abnahmestelle verfügt oder die Verteilung des Stroms auf die Unternehmensteile durch Stromzähler gemessen wird (vgl. nunmehr § 64 Abs. 6 Nr. 1 letzter Halbsatz EEG 2014 mit der Übergangsregelung nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2014). Die Voraussetzungen, unter denen andere Arten der Nachweisführung geeignet und ausreichend sein können, müssen hier nicht abschließend geklärt werden. Wie ausgeführt, muss der Nachweis jedenfalls so erfolgen, dass die Behörde die Angaben zur selbst verbrauchten Strommenge ohne weitere behördliche Ermittlungen sicher beurteilen kann. Die hier erfolgte bloße Mitteilung der Höhe der durch eine Hochrechnung ermittelten Strommenge ohne jede Angabe zur gewählten Methodik, die der Behörde nicht einmal eine Plausibilitätsprüfung ermöglicht, reicht dazu aber nicht aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Nachbesserungen der Angaben nach Ablauf der Ausschlussfrist aus den genannten Gründen nicht möglich.

28

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass anderen Antragstellern die beantragte Begrenzung der EEG-Umlage auch dann gewährt worden sei, wenn keine auf den selbständigen Unternehmensteil beschränkten Nachweise über den eigenen Stromverbrauch hätten vorgelegt werden können, folgt daraus im Ergebnis nichts anderes. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist insoweit schon nicht ersichtlich, weil begünstigende Begrenzungsentscheidungen, die trotz Fehlens hinreichender Nachweise ergangen sein sollten, rechtswidrig wären. Eine Berufung auf eine "Gleichbehandlung im Unrecht" vermag einen Rechtsanspruch nicht zu begründen.

29

Diesen Erwägungen kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen nicht mit der Entscheidungserheblichkeit der Nachweisführung rechnete. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ist der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf ihren Anspruch auf rechtliches Gehör Gelegenheit gegeben worden, zum Nachweiserfordernis des § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 2 EEG 2009 Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht. Das gilt auch für die Frage, ob die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und Nachweise hinreichend waren. Zu einer Vertagung von Amts wegen hat für den Senat angesichts dessen keine Veranlassung bestanden. Ein Antrag auf Vertagung oder auf Gewährung einer Frist zur Nachreichung eines ergänzenden Schriftsatzes ist von den Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden.

30

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.