Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011.

Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann mit gemeldetem Hauptwohnsitz in Konstanz. Bis 4. Dezember 2013 war sie seit längerem Eigentümerin einer Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten. Zum 1. Januar 2012 meldete sich die Klägerin unter dieser Adresse mit Zweitwohnsitz an. Nach Aufforderung durch die Beklagte gab die Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2012 eine Zweitwohnungsteuererklärung ab. Sie gab dabei an, dass sie die Zweitwohnung seit dem Jahr 2000 innehabe und dort alleine wohne. Gleichzeitig stellte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ab dem Kalenderjahr 2009. Dabei weigerte sich die Klägerin, Angaben zu den Einkommensverhältnissen ihres Ehemanns zu machen.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2012 lehnte die Beklagte eine Befreiung der Klägerin von der Zweitwohnungsteuer ab dem Kalenderjahr 2009 wegen fehlender Angaben zum Einkommen des Ehemanns ab und setzte mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag eine Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2006 bis einschließlich 2012 fest.

Am 16. August 2012 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München (M 10 K 12.3768) mit dem Antrag, den Zweitwohnungsteuerbescheid der Beklagten aufzuheben, soweit er für das Jahr 2012 sowie die folgenden Jahre eine Steuer festsetzt, hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2012 und die folgenden Jahre zu gewähren. In einem Schriftsatz zu diesem Verfahren (Bl. 85 d. Behördenakte) verwies die Klägerin auf die bestehende Verwaltungspraxis der Beklagten, bei erstmaliger Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer auch dann für rückwirkende Jahre eine Befreiung zu gewähren, wenn der Befreiungsantrag zusammen mit der Ersterklärung erfolge. Der Klageantrag bezogen auf die Steuerjahre ab 2012 werde so gestellt, weil jedenfalls für diese Jahre der Antrag schon nach der gesetzlichen Regelung der Klägerin einen gebundenen Anspruch auf die Befreiung verschaffe. Für die Jahre davor müsse die Beklagte noch nach ihrem durch die Verwaltungspraxis geprägten Ermessen entscheiden, was bisher nicht geschehen sei. Die Befreiung sei nur wegen der fehlenden Angaben zum Einkommen des Ehemannes verweigert worden.

Das Verwaltungsgericht München wies diese Klage mit Urteil vom 21. März 2013 ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof änderte dieses Urteil mit eigenem Urteil vom 12. November 2014 (4 BV 13.1239) teilweise ab. Der Zweitwohnungsteuerbescheid wurde mit der ersten Instanz übereinstimmend für rechtmäßig befunden, der die Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 hingegen als rechtswidrig aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, die Klägerin für die Jahre 2012 und 2013 von der Zweitwohnungsteuer zu befreien. Entsprechend diesem Berufungsurteil gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 2014 die Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2012 und 2013.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf den erstmaligen Befreiungsantrag im Schreiben vom 16. März 2012 Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011 vorgelegen hätten. Dass die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG für diese Jahre nicht habe eingehalten werden können, sei unschädlich. Die Beklagte habe nämlich eine Kulanzregelung als ständige Verwaltungspraxis, wonach die jetzige Antragstellung auch rückwirkend für die Jahre 2009 bis 2011 fristgerecht sei.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Januar 2015 ab. Der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei bestandskräftig geworden, die Klagen und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hätten sich nur auf die Jahre 2012 und 2013 bezogen. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch der Klägerin blieb mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015 ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 ließ die Klägerin hiergegen Klage erheben mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 von der Zweitwohnungsteuer zu befreien. Zur Begründung trug die Klägerin vor, der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vollständig aufgehoben worden. Über den Befreiungsantrag der Klägerin vom 16. März 2012 sei deshalb bezüglich der Jahre 2009 bis 2011 noch zu entscheiden. Für die Jahre 2009 bis 2011 sei die Klägerin davon ausgegangen, dass die Beklagte auch ohne gerichtliche Entscheidung darüber von sich aus einen rechtmäßigen Zustand herstellen und die Steuerbefreiung entsprechend ihrer bestehenden Verwaltungspraxis zur Antragsfrist erteilen werde. Dies sei aber nicht erfolgt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Anfechtungsklage im Hauptantrag zur Aufhebung des Steuerbescheids sei unzulässig, es stehe die materielle Rechtskraft des rechtskräftigen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 entgegen. Der Steuerbescheid vom 16. Juli 2012 sei vom Verwaltungsgerichtshof als rechtmäßig angesehen worden. Die Versagungsgegenklage hingegen sei zulässig, aber unbegründet. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich im Verfahren 4 BV 13.1239 mit dem Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer nur für die Jahre 2012 und 2013 auseinandergesetzt. Der Tenor der Entscheidung erfasse nur die Befreiung für die Jahre 2012 und 2013, ein Antrag bezüglich der Jahre 2009 bis 2011 sei von der Klägerin dort nicht gestellt worden, so dass die Zurückweisung der Berufung im Übrigen diese Jahre auch nicht erfasse. Der Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 sei daher nicht von der materiellen Rechtskraft des Urteil vom 12. November 2014 erfasst.

Die Klage sei aber unbegründet, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung für die Jahre 2009 bis 2011. Es bedürfe gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG grundsätzlich einer fristgerechten Antragstellung auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer. Ein gebundener Anspruch bestehe daher nur dann, wenn bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folge, der Antrag auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer gestellt werde. Die Beklagte habe daher für die Steuerjahre 2009 bis 2011 lediglich eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen gehabt. Dieses Ermessen sei durch die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten gebunden. Die Kulanzregelung der Beklagten sehe vor, bei erstmaliger rückwirkender Steuerfestsetzung auch die Befreiungsanträge für zurückliegende Steuerjahre stellen zu können, das heiße 2012 einmalig für 2006 und folgende Jahre. Die erste Antragstellung auf Befreiung vom 16. März 2012 sei jedoch durch den damaligen Ablehnungsbescheid verbeschieden und durch die Verpflichtungsklage der Klägerin nicht ausdrücklich erneut - zu diesem Zeitpunkt noch fristgerecht -gestellt worden. Die zweite Antragstellung im Dezember 2014 unterfalle bereits nicht mehr der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten. Die dennoch erforderliche Ermessensentscheidung sei fehlerfrei: Die Jahre 2009 bis 2011 habe die Klägerin aus unerfindlichen Gründen in ihrem früheren Klageantrag nicht erfasst, so dass über diese Jahre vom Verwaltungsgerichtshof nicht entschieden worden sei. Das Ermessen, das der Beklagten nun zugestanden habe, sei weiter zu fassen gewesen als das Ermessen, das sie bei erstmaliger Antragstellung im Sinne der Kulanzregelung auszuüben gehabt hätte. Die Beklagte habe eine Abwägung zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit vornehmen müssen, die im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Auch treffe die Klägerin grundsätzlich eine Meldepflicht nach den melderechtlichen Vorschriften. Dass sie sich erst nachträglich mit Zweitwohnsitz bei der Meldebehörde angemeldet habe, sei ihr zuzurechnen und nicht der Beklagten. Nur deshalb sei es überhaupt zu einem rückwirkenden Steuerbescheid gekommen, der die Kulanzregelung der Beklagten erst anwendbar gemacht habe. Hätte sich die Klägerin pflichtgemäß schon früher angemeldet, wäre es zu der rückwirkenden Veranlagung einer ganzen Reihe von Steuerjahren nicht gekommen.

Die Hilfsanträge hätten keinen Erfolg, weil der Ablehnungsbescheid, wie ausgeführt, rechtmäßig sei. Der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Befreiung für die Jahre 2009 bis 2011 sei unbegründet, da die Frist für die Antragstellung bereits verstrichen sei und dieses Risiko zulasten der Klägerin gehe. Der Hilfsantrag auf Aufhebung des Steuerbescheids sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses wegen der entgegenstehenden Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unzulässig, da bereits entschieden. Der weiter hilfsweise gestellte Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Neuentscheidung über die Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 16. Juli 2012 sei unzulässig, da dieser bereits vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden sei.

Mit der hiergegen vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. August 2016 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter. Sie beantragt mit Schriftsatz vom 30. August 2016,

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2016 wird abgeändert.

2. Der eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2015 werden aufgehoben.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 zu gewähren.

4. Die Beklagte wird verpflichtet, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 16. Juli 2012 für die Jahre 2009 bis 2011 zu ändern und die Steuer auf jeweils 0 Euro festzusetzen.

5. Die Beklagte wird verpflichtet, den zu erstattenden Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit des Anspruchs auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer bis zum Tag der Auszahlung mit 2%-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich zu verzinsen.

6. Hilfsweise:

a) Die Beklagte wird unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 26. Januar 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2015 verpflichtet, den eine Steuerbefreiung ablehnenden Bescheid vom 16. Juli 2012, soweit dieser nicht durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben worden ist, zurückzunehmen.

b) Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 zu gewähren.

c) Die Beklagte wird verpflichtet, den Zweitwohnungsteuerbescheid vom 16. Juli 2012 für die Jahre 2009 bis 2011 zu ändern und die Steuer auf jeweils 0 Euro festzusetzen.

7. Höchst vorsorglich:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 26. Januar 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 15. Oktober 2015 verpflichtet, über die Rücknahme des Bescheids vom 16. Juli 2012, soweit dieser nicht durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben wurde, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 stehe zwischen den Beteiligten fest, dass die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 KAG für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2013 erfülle. Das Verwaltungsgericht habe richtig darauf hingewiesen, dass der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs insgesamt aufgehoben worden sei. Das Verwaltungsgericht folgere jedoch aus der gerichtlichen Aufhebung des Ablehnungsbescheides rechtsirrig, dass auch die zugrunde liegenden Anträge auf Befreiung weggefallen seien, weil sie verbeschieden gewesen seien. Damit werde sachwidrig aus der Aufhebung der Ablehnung als rechtswidrig die Erledigung des abgelehnten Antrags gefolgert, zu dessen Realisierung die Klage ja gerade erhoben worden sei. In der Folge des behördlichen Vollzugs einer Verurteilung zur Gewährung der Steuerbefreiung verliere der Steuerbescheid vom 16. Juli 2012 auch insoweit seine Grundlage und bedürfe es der Neufestsetzung der Steuer für die betreffenden Jahre auf 0 Euro. Aus diesem Grund sei der Verpflichtungsantrag gemäß Nr. 4 veranlasst. Der Anspruch auf Prozesszinsen stütze sich auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG i.V.m. § 236 Abs. 1 AO.

Ein Anspruch auf Steuerbefreiung, zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber, bestehe auch dann, wenn man mit dem Verwaltungsgericht annehmen wolle, dass der maßgebliche Befreiungsantrag vom 16. März 2012 infolge seiner behördlichen Ablehnung (Verbescheidung) entfallen sei. In dieser Konstellation möge die klägerische Aufforderung vom Dezember 2014 an die Beklagte als neuer Antrag gedeutet werden.

Lege man die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde, dass durch das Berufungsurteil des Verwaltungsgerichtshofs der ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 aufgehoben worden sei, so sei für dessen Rücknahme, wie sie mit dem Klageantrag Nr. 4a hilfsweise begehrt worden sei, kein Raum. Auch die Berufungsanträge Nr. 6 und 7 erlangten deshalb nur Bedeutung, wenn man der Rechtskonstruktion der Beklagten folge, dass die Ablehnung vom 16. Juli 2012 bestandskräftig geworden sei. Sie würden für diesen Fall hilfsweise gestellt.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2016,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin habe im Widerspruch vom 18. Februar 2015 gegen den Ablehnungsbescheid vom 26. Januar 2015 selbst angeführt, dass der Klägerin die Kulanzregelung der Beklagten in Bezug auf die Antragsfrist für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer nach Art. 3 Abs. 3 KAG für bereits abgelaufene Kalenderjahre zum Zeitpunkt der ursprünglichen Klageerhebung im Jahre 2012 nicht bekannt gewesen sei. Da die gesetzliche Frist bereits abgelaufen gewesen sei, seien bewusst nur die Jahre 2012 und 2013 angegriffen worden. Die Beklagte merke hierzu an, dass die Klägerin im Anschreiben zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung vom 20. Februar 2012 auf die Kulanzregelung hingewiesen worden sei. Folglich sei der ursprüngliche Klageantrag der Klägerin dahingehend auszulegen, dass die Klägerin eine hilfsweise Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Juli 2012 nur für die Jahre 2012 und 2013 begehrt habe. Dieser Klageantrag sei im Berufungsverfahren dann auch nicht abgeändert worden. Im Schreiben der Klägerin vom 7. Februar 2014 werde lediglich der Hauptantrag dahingehend konkretisiert, dass eine Aufhebung der Steuerfestsetzung für die Jahre 2012 und 2013 begehrt werde. Deshalb gehe die Beklagte davon aus, dass eine Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 16. Juli 2012 auch im Berufungsverfahren nur für die Jahre 2012 und 2013 von der Klägerin begehrt und vom Verwaltungsgerichtshof München gewährt worden sei. Der Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 sei somit in Bezug auf die Jahre 2009 bis 2011 aus Sicht der Beklagten bestandskräftig geworden. Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 130 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 KAG sei nach pflichtgemäßer Ermessensausübung abgelehnt worden.

Nachdem die Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG zum Zeitpunkt des Steuererklärungsversands oftmals bereits abgelaufen sei, praktiziere die Landeshauptstadt München zur Wahrung von Treu und Glauben und im Hinblick auf eine bürgerfreundliche Verwaltung allerdings folgende Regelung:

„Bei erstmaligem Versand der Zweitwohnungsteuererklärung an den Steuerpflichtigen werde ein Antrag nach Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG auch dann noch als fristgerecht akzeptiert, wenn er innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Anschreibens zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung eingehe. Diese Praxis stelle zugunsten der Steuerpflichtigen sicher, dass ein fristgerechter Befreiungsantrag auch noch innerhalb der Abgabefrist für die Zweitwohnungsteuererklärung (§ 9 Abs. 2 ZwStS) möglich sei. Vom Bürger könne keine detailreiche Auseinandersetzung mit der Thematik des Kommunalabgabenrechts erwartet werden, ohne dass bereits direkter Kontakt mit dem Themenfeld der Zweitwohnungsteuer bestehe. Die Beklagte bitte daher um Klärung, wie eng die gesetzliche Ausschlussfrist zu verstehen sei und inwieweit ihre Kulanzregelung zulässig sei. Sollte die Verwaltungspraxis der Beklagten nicht rechtmäßig sein, sei es selbstverständlich ein Anliegen für die Zukunft, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen und die Praxis entsprechend zu ändern.“

Die Klägerin vertiefte ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 19. November 2016. Mit ihrem Antrag vom 16. März 2012 auf Befreiung von der Zweitwohnungssteuer ab dem Kalenderjahr 2009 habe die Klägerin die materiell-rechtlich vorgesehene Steuerbefreiung begehrt. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung, durch die die Klägerin erstmals mit der Problematik der Zweitwohnungsteuer konfrontiert gewesen sei, gestellt worden. Der die Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 sei infolge der Verkennung der materiell-rechtlichen Befreiungsvoraussetzung (Einkommensgrenze) insgesamt rechtswidrig gewesen sei und demgemäß ganz aufgehoben worden. Nach dem strikten Wortlaut des Gesetzes habe ein Anspruch auf Befreiung jedoch nur für die Jahre 2012 und 2013 bestanden, weshalb auch nur für diesen Zeitraum Verurteilung beantragt worden sei. Auf der Grundlage des aufhebenden Urteils vom 12. November 2014 habe die Befreiung für die früheren Jahre 2009 bis 2011, die vom gesetzlichen Wortlaut nicht eindeutig erfasst gewesen und gegebenenfalls eine Ermessensentscheidung der Stadt erfordert hätten, zunächst dieser überlassen werden sollen. Eben diese Entscheidung, die nach gerichtlicher Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen einer Befreiung von der Beklagten zu treffen gewesen sei, sei durch das klägerische Schreiben vom 8. Dezember 2014 eingefordert worden. Von diesem Ausgangspunkt aus sei die Berufung auch aus Sicht der Beklagten begründet. Es stehe fest, dass in der Person der Klägerin die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer auch für die Jahre 2009 bis 2011 erfüllt seien. Die Beklagte sei nicht gehindert, aus den von ihr vorgetragenen Erwägungen zumindest im Wege pflichtgemäßer Ermessensausübung die beantragte Befreiung von der Zweitwohnungsteuer zu gewähren. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (amtliche Begründung zu § 1 KAG-ÄndG v. 9.5.2008, LT-Drs. 15/10637; Bericht d. Abgeordneten Meißner, Plenarprotokoll 15/123, S. 9006) habe die Steuerbefreiung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht kraft Gesetzes eintreten, sondern nur auf Antrag gewährt werden sollen. Dieser stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuererhebung und werde deshalb vom Gesetzgeber auch in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dieser gestellt. Dabei werde eine tatsächliche Übereinstimmung von Veranlagung und Steuerjahr vorausgesetzt, die es erlaube, die Steuerbefreiung in zeitlichem Zusammenhang mit diesem (nämlich einen Monat nach Ende des Steuerjahres) zu beantragen. Der Gesetzgeber gehe also davon aus, dass die Pflicht zur Entrichtung der Steuer, die gemäß § 7 Zweitwohnungsteuersatzung der Landeshauptstadt München erst durch Erlass des Steuerbescheides begründet werde, während des Steuerjahres, für das Befreiung begehrt werde, bereits bestanden habe. Dieser Zusammenhang sei aber aufgehoben, wenn die Festsetzung der Steuer und damit die tatsächliche Zahlungspflicht rückwirkend für bereits abgelaufene Steuerjahre erfolge. In diesem Fall werde die zeitliche Beschränkung des Antrags auf einen Monat nach Ende des Steuerjahres funktionslos und gehe ins Leere. Vielmehr entspreche es dem erkennbaren Sinn des Gesetzes, bei nachträglicher Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer auch das Antragsverfahren auf die zurückliegenden Steuerjahre zu beziehen und in das aktuelle Veranlagungsverfahren zu integrieren. Demgemäß akzeptiere die Beklagte in ihrer Verwaltungspraxis einen Befreiungsantrag als fristgemäß, der innerhalb eines Monats nach Aufforderung zur Abgabe der Zweitwohnungsteuererklärung eingehe. Diese Verfahrensweise überschreite den engen Wortlaut des Gesetzes, sei aber von dessen Sinn und Zweck gedeckt, sie ergebe sich damit als Ergebnis teleologischer Auslegung unmittelbar aus dem Gesetz.

Wolle man dieser Auslegung nicht folgen, so erweise sich die behördliche Zulassung von Befreiungsanträgen, die sich auf frühere, erst nachträglich veranlagte Steuerjahre bezögen, gleichwohl als rechtmäßig. Im Interesse von Rechtsklarheit und Planungssicherheit verlange Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG zum Schutz der Gemeinden eine Antragstellung binnen eines Monats nach dem Steuerjahr. Diese Fristsetzung beschränke den materiell-rechtlichen Befreiungsanspruch des Einzelnen und stelle sich für diesen als Belastung dar, die einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Sie erzeuge jedoch nicht umgekehrt auch eine Bindung für die Gemeinde. Denn sie diene allein deren Schutz und lasse deshalb Raum für eine bürgerfreundliche Gestaltung, die nicht auf die isolierte Fristsetzung nach dem reinen Gesetzeswortlaut abstelle, sondern dem vom Gesetz intendierten Zusammenhang der Antragstellung mit der Steuererhebung Rechnung trage. Es erwachse der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Gleichbehandlung, das heiße auf Anerkennung der Rechtzeitigkeit ihres Antrags und demzufolge auf Befreiung auch für die Jahre 2009 bis 2011.

Für den Fall, dass die von der Beklagten praktizierte Handhabung der Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG verworfen werden sollte, werde höchst vorsorglich geltend gemacht, dass die Erhebung der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 unbillig wäre, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO. Nachdem gerichtlich geklärt gewesen sei, dass die Klägerin die materiell-rechtliche Voraussetzung für eine Steuerbefreiung erfüllt habe, habe sich die Beklagte an der Gewährung der Befreiung nur durch die vermeintlich bestandskräftige Ablehnung des Antrags gehindert gesehen. Im Übrigen habe doch Übereinstimmung bestanden, dass die Klägerin nach dem Verständnis des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG durch die Beklagte auch für die zurückliegenden Jahre 2009 bis 2011 Befreiung habe beanspruchen können. Würde nun diese bürgerfreundliche Auslegung wegen Widerspruchs zum Gesetzeswortlaut als rechtswidrig und daher für den geltend gemachten Befreiungsanspruch als nicht tragfähig erklärt, so würde sie erstmals im Fall der Klägerin nicht mehr angewendet. Die langjährige Praxis der Beklagten sei für beide Parteien selbstverständlich vorausgesetzte, weil in ihrer Rechtmäßigkeit nicht bezweifelte Grundlage der mehrjährigen rechtlichen Auseinandersetzung. Entsprechend würden Billigkeitsmaßnahmen für erforderlich gehalten, wenn die Rechtsprechung einer langjährigen, nicht ohne weiteres als rechtswidrig erkennbaren Verwaltungspraxis nicht folge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011. Der eine Befreiung für diese Jahre ausschließende Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2015 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Zwar ist der eine Befreiung von der Zweitwohnungsteuer ablehnende Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2012 nicht bestandskräftig geworden, weil er durch Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 in vollem Umfang aufgehoben worden ist (1.). Jedoch war für die Jahre 2009 bis 2011 die gesetzliche Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG bereits verstrichen, als die Klägerin erstmals Antrag auf Befreiung am 16. März 2012 stellte. Diese gesetzliche Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist (2.). Aufgrund des klaren gesetzlichen Wortlauts kommt eine Auslegung dahingehend, dass statt der gesetzlich vorgesehenen Datumsfrist die Einhaltung einer Monatsfrist nach erstmaligem Erhalt von Steuererklärungsunterlagen ausreichen soll, nicht in Betracht (3.). Auch aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß dem Verwaltungsvollzug der Beklagten (Kulanzregelung) kann die Klägerin kein Recht auf Befreiung herleiten, denn diese Kulanzregelung ist ihrerseits wegen Verstoßes gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes und aus Gründen der Gleichbehandlung mit sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen rechtswidrig (4.). Schließlich besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen (5.). Mangels eines Anspruches der Klägerin auf Erlass der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 haben daher sämtliche Haupt- und Hilfsanträge der Klägerin im Berufungsverfahren keinen Erfolg. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

1. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist der eine Befreiung ablehnende Bescheid vom 16. Juli 2012 in vollem Umfang durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. November 2014 aufgehoben worden. Der Tenor dieser Entscheidung ist eindeutig, er enthält keine Einschränkung für einzelne Steuerjahre. Damit ist aber der ursprüngliche Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Steuer vom 16. März 2012 noch offen und konnte noch verbeschieden werden. Der spätere Antrag vom 8. Dezember 2014 hat demgegenüber keine eigene Bedeutung, er bezieht sich richtigerweise auch auf den maßgeblichen Antrag vom März 2012. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge Nr. 6 und 7 sind daher hinfällig, weil sie nur für den Fall gestellt wurden, dass der Senat den Ablehnungsbescheid vom 16. Juli 2012 für teilweise bestandskräftig hält.

2. Die Anträge Nr. 1 bis 5 der Klägerin im Berufungsverfahren haben keinen Erfolg, weil es an einem Anspruch auf Steuerbefreiung für die Jahre 2009 bis 2011 fehlt. Es bleibt daher bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung ohne Rückerstattung mit entsprechender Verzinsung:

Nach der gesetzlichen Regelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG setzen Entscheidungen nach den Sätzen 2 bis 6 dieser Vorschrift (Entscheidungen über die Nichterhebung der Steuer) „einen Antrag voraus, der bis zum Ende des Kalendermonats, der auf das Steuerjahr folgt, gestellt sein muss.“ Diese zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Vorschrift normiert eine Ausschlussfrist (Engelbrecht in Schieder/Happ, BayKAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 fh). Für das Steuerjahr 2011 (und damit erst recht für die früheren Jahre) ist der Antrag vom März 2012 zu spät gestellt worden, er hätte bis Ende Januar 2012 gestellt sein müssen. Nach der insoweit klaren gesetzlichen Regelung kann daher von der Beklagten aufgrund des Antrags vom März 2012 keine Entscheidung mehr über die Nichterhebung der Steuer nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG getroffen werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist insoweit nicht auslegungsbedürftig, es bleibt bei fehlendem oder verspätetem Antrag schlicht bei der Zweitwohnungsteuerpflicht nach der Zweitwohnungsteuersatzung (ZwStS) der Beklagten.

Eine derartige gesetzliche Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich zulässig. Sie ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 8 C 25/12 - juris Rn. 24-26). Der Gesetzgeber erreicht mit einer solchen Regelung im Interesse der steuererhebenden Kommunen, dass schon kurze Zeit nach Beendigung eines Steuerjahres Rechtssicherheit herrscht und die Kommune nicht noch weiterhin mit Befreiungsanträgen und darauf gegebenenfalls folgenden Rückabwicklungen von Steuererhebungen für längst vergangene Steuerjahre rechnen muss. Zudem wird ein Anreiz geschaffen, zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (Fristablauf) der Anzeige- und Meldepflicht von Zweitwohnungen zeitnah nachzukommen und diese Wohnungen einer Veranlagung zuzuführen. Der Gesetzgeber hat dabei einen gewissen Gestaltungsspielraum insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen oder Vergünstigungen (wie hier der Gewährung von Steuerbefreiung) und kann bei seiner Regelung auf den „Normalfall“ eines sich rechtstreu meldenden und anzeigenden Steuerpflichtigen abstellen. Es ist nicht ersichtlich, dass für diese Fälle die vom Gesetzgeber gewählte Fristenregelung unzumutbar wäre.

3. Die Klägerin meint, die Fristenregelung des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG sei konform mit der Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend auszulegen, dass die Frist auch noch gewahrt sei, wenn der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Erhalt der Steuererklärungsunterlagen gestellt werde. Dies entspreche der erkennbaren Intention des Gesetzes, bei nachträglicher Heranziehung zur Steuer für frühere Steuerjahre auch das Antragsverfahren für die Befreiung auf die zurückliegenden Jahre zu beziehen und in das aktuelle Veranlagungsverfahren zu integrieren.

Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG ist klar und eindeutig. Eine Intention des Gesetzgebers in dem von der Klägerin beschriebenen Sinne ist weder dem Wortlaut des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008) enthält zur Antragsfrist nur den schlichten Hinweis, dass der Antrag bis zum Ende des auf das Steuerjahr folgenden Kalendermonats zulässig sei. Ein strikter Zusammenhang mit dem Veranlagungsverfahren kann der Regelung nicht ansatzweise entnommen werden. Die Klägerin meint offenbar, dass die Steuer stets nach Ablauf des Steuerjahrs festgesetzt werde. Das ist indes nicht der Fall. Denn die Steuerpflicht setzt nach § 6 Abs. 2 ZwStS nicht erst nach Ablauf des Steuerjahres, sondern bereits zu dessen Beginn ein. Für den Normalfall eines Zweitwohnungsinhabers, der seine Zweitwohnung ordnungsgemäß umgehend nach § 8 ZwStS oder durch Anmeldung gemäß Melderecht anmeldet oder anzeigt, und von dem der Gesetzgeber bei seiner Regelung als Normalfall ausgehen kann, wird es für gewöhnlich zu Beginn des Steuerjahres zu einer Festsetzung der Steuer nach § 7 Abs. 1 und 2 ZwStS kommen, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 ZwStS sogar für mehrere Jahre im Voraus. Es gibt daher weder im Gesetzestext noch nach der Gesetzesbegründung einen Zusammenhang zwischen der Frist für den Antrag auf Befreiung und der Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid (Veranlagung) selbst. Abgesehen davon läge bei dem von der Klägerin favorisierten Übergang von einer fixen Datumsfrist zu einer flexibel einsetzenden Monatsfrist ein völlig anderes Regelungsmodell vor, das zudem an erheblichen Rechtsunsicherheiten litte, weil die Nachweisbarkeit des Zugangszeitpunktes der Steuererklärungsunterlagen eine förmliche Zustellung voraussetzte, an der es im Verwaltungsvollzug im Massenverfahren regelmäßig fehlt. Eine derartige Regelungsintention des Gesetzgebers kann daher nicht angenommen werden, zumal die rückwirkende Festsetzung der Steuer für frühere Steuerjahre in der Regel - wie auch im vorliegenden Fall - allein dem Umstand geschuldet ist, dass der Steuerpflichtige die von ihm schon länger innegehabte Zweitwohnung entgegen der Anordnung in der Zweitwohnungsteuersatzung (§ 8 ZwStS) pflichtwidrig nicht angezeigt hat. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kann daher nicht, wie von der Klägerin für sich in Anspruch genommen, ausgelegt werden.

4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte gemäß ihrer „Kulanzregelung“ aus Gleichbehandlungsgründen eine Nichterhebung der für die Klägerin fällig gewordenen Steuer durchführt, denn diese „Kulanzregelung“ ist wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Regelung des Art. 3 Abs. 3 KAG und wegen Verstoßes gegen die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten rechtswidrig und führt zudem bei Anwendung in einem Fall wie dem der Klägerin zu Verzerrungen, die rechtstreue Steuerpflichtige unbillig benachteiligt.

Nach übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten praktiziert die Beklagte etwa seit dem Februar 2010 eine Art „pauschale Wiedereinsetzung“ bei Versäumung der Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG. Sie lässt es dabei ausreichen, wenn im Falle der erstmaligen Veranlagung zur Zweitwohnungsteuer der Befreiungsantrag innerhalb eines Monats nach Zusendung der Steuererklärungsformulare eingeht. Die gesetzliche Frist wird dadurch also von der Beklagten in diesen Fällen faktisch nicht mehr beachtet. Der Grund hierfür sei nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung anfangs gewesen, dass es dem Personal der Beklagten seinerzeit nicht möglich gewesen sei, die Menge der Zweitwohnungsteuerfälle jeweils noch innerhalb des laufenden Steuerjahres abzuarbeiten. Offenbar wurde diese Handhabung dann auch auf Fälle ausgeweitet, bei denen die Veranlagung für vergangene Steuerjahre nicht auf Verzögerungen im Bereich der Verwaltung der Beklagten, sondern etwa auf verspäteter Anzeige oder Meldung einer Zweitwohnung durch den Steuerpflichtigen beruht.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG kein für die Beklagte dispositives Recht, denn sie weicht bei Ignorierung des gesetzlichen Normbefehls von ihrer eigenen Zweitwohnungsteuersatzung ab, die derartige Befreiungsmöglichkeiten nicht normiert (und auch nicht normieren muss, vgl. Engelbrecht in Schieder/Happ, KAG, Stand Juni 2016, Art. 3 Rn. 27 ff). Denn für die Eröffnung der Möglichkeit der Befreiung setzt der klare Gesetzeswortlaut zwingend einen binnen vom Gesetzgeber ebenfalls klar vorgegebener Frist gestellten Antrag voraus. Fehlt es aus welchen Gründen auch immer an einem solchen Antrag, können Entscheidungen nach Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG nicht ergehen. Auch wenn die materiellen Voraussetzungen der Nichterhebung der Steuer danach vorliegen sollten, bleibt es ohne Antragsverfahren bei der in der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten festgelegten Steuerpflicht (vgl. auch Einzelbegründung B) VI. zu § 1, LT-Drs. 15/10637 vom 9.5.2008), der Steueranspruch erlischt gerade nicht unmittelbar aufgrund der gesetzlichen Regelung. Diese bleibende Steuerpflicht hat die Beklagte vorbehaltlich der Möglichkeiten des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO durchzusetzen, will sie sich kein generelles Erhebungsdefizit vorwerfen lassen.

b) Die Anwendung der Kulanzregelung gerade auf den Fall der Klägerin wäre zudem eine vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG unerträgliche Ungleichbehandlung mit Steuerpflichtigen, die (rechtstreu) ihren Anzeige- und Meldepflichten bezüglich ihrer Zweitwohnung im Bereich der Beklagten nachkommen, von der Beklagten veranlagt werden (nach § 7 Abs. 1 ZwStS gleich für mehrere Jahre) und dann später im weiteren zeitlichen Ablauf die materiellen Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 KAG erfüllen, jedoch eine Antragstellung innerhalb der Frist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG verpassen und deswegen keine Befreiung bekommen. Derartige Fallkonstellationen haben den Senat gerade auch aus dem Bereich der Beklagten bereits erreicht.

Auch solche Steuerpflichtige berufen sich - wie die Klägerin - darauf, dass sie die Befreiungsmöglichkeit nicht gekannt oder (nach Erhalt eines Hinweises schon vor Jahren) vergessen haben. Warum diese sich rechtstreu verhaltenden Steuerpflichtigen schlechter gestellt sein sollen als die Klägerin, die ihren Melde- und Anzeigepflichten gar nicht erst nachgekommen ist, leuchtet nicht ein. Das Argument, der bereits veranlagte Steuerbürger wisse um die Zweitwohnungsteuer und könne sich daher besser informieren, überzeugt nicht. Informieren kann sich heute - noch dazu mit Blick auf die von der Beklagten betriebene Internetpräsenz - jedermann. Dass man wenigstens seiner Meldepflicht zu genügen hat, ist auch allgemein bekannt. Will man sich nicht selbst informieren, besteht auch die Möglichkeit, sich etwa von Steuerberatern über die steuerlichen Verpflichtungen aus dem Innehaben einer Zweitwohnung informieren zu lassen (zum unbegrenzten Vertretungsrecht dieses Berufsstands im Bereich der Kommunalabgaben vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2016 - 10 C 17/14 - juris).

Beide Gruppen von Steuerpflichtigen kennen, aus welchem Grund auch immer, die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG im entscheidenden Zeitpunkt nicht. Eine Bevorzugung gerade der Nichtanmelder von Zweitwohnungen stellte geradewegs eine Einladung dazu dar, seinen Anzeigepflichten nicht nachzukommen und sich damit alle Rechtsvorteile dauerhaft zu sichern.

5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Zweitwohnungsteuer aus Billigkeitsgründen, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i.V.m. § 163 Abs. 1 Satz 1 AO. Danach können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Die Klägerin meint hierzu, dass bei Verwerfung der Verwaltungspraxis der Beklagten als rechtswidrig der anderen Steuerpflichtigen bislang danach gewährte Befreiungsanspruch erstmals im Falle der Klägerin nicht mehr angewendet würde. Es würden in der Rechtsprechung Billigkeitsmaßnahmen für erforderlich gehalten, wenn etwa die Rechtsprechung einer langjährigen und nicht ohne weiteres als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis nicht folge.

Mit dieser Argumentation kann eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen jedoch nicht begründet werden. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder auf eine Fortsetzung eines durch neue Erkenntnisse als unrechtmäßig erkannten Verwaltungshandelns. Die erstmalige Nichtanwendung einer als rechtswidrig erkannten Verwaltungspraxis ist indes Konsequenz jeder Korrektur.

Auch Billigkeitserwägungen rechtfertigen vorliegend keine andere Beurteilung. Die Billigkeitsprüfung verlangt eine Gesamtbetrachtung aller Normen, die für die Entstehung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich sind. Erst durch sie kann festgestellt werden, ob das Ergebnis des allgemeinen Gesetzesvollzugs mit der Einzelfallgerechtigkeit noch vereinbar ist. Der Billigkeitserlass ist dabei kein Vehikel, gesetzlich klar festgelegte Ausschlussfristen zu umgehen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO 146. Lieferung 10.2016, § 163 AO Rn. 9 mit Hinweis auf BFH vom 26.5.1994 - IV R 51/93 - BeckRS 1994, 22011106).

Das vom Kläger angeführte Vertrauen in ein bestimmtes bisheriges Verwaltungshandeln einer Behörde setzte zudem für seine Berücksichtigung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme voraus, dass der Betreffende, der auf den Fortbestand einer für ihn günstigen Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung vertraut hat, auch entsprechende Dispositionen getroffen hat, die schutzwürdig sind. Die entsprechende Rechtslage darf darüber hinaus nicht als zweifelhaft erschienen sein (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Aufl. 2016, § 163 Rn. 83/84/86). Im vorliegenden Fall fehlt es diesbezüglich schon an einer von der Klägerin nicht als zweifelhaft angesehenen Verwaltungspraxis. Denn die Klägerin hat schon in ihrem Widerspruchsschreiben vom 18. Februar 2015 selbst ausgeführt, dass ihr die Kulanzregelung der Beklagten bei Klageerhebung 2012 gar nicht bekannt gewesen sei. In einem weiteren Schreiben vom 20. April 2015 lässt die Klägerin ausführen, dass ihr ein von der Beklagten gegebener Hinweis auf die Kulanzregelung unklar geblieben sei und nicht zu der ihr vorgeworfenen Kenntnis von jener Kulanzregelung geführt habe, denn dem unbefangenen Leser, der nur das Gesetz, nicht aber die interne Regelung der Beklagten kenne, müsse die Mitteilung vielmehr als unverständlich erscheinen, nachdem Art. 3 Abs. 3 Satz 7 KAG eine eindeutige und dem entgegenstehende Regelung treffe. Die Klägerin hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Verwaltungspraxis der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nicht kannte und sie selbst bei Kenntnis jedenfalls wegen des klaren Gesetzeswortlauts als höchst zweifelhaft angesehen hätte. Zudem fehlt es im vorliegenden Fall ersichtlich an irgendwelchen schutzwürdigen Dispositionen, die die Klägerin im Vertrauen auf diese Regelung getätigt hätte. Es fehlt daher an allen Voraussetzungen für einen Erlass im Billigkeitswege.

Die Versäumung der Antragsfrist ist vorliegend nicht auf behördliches Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen (vgl. zur Berücksichtigung derartigen Fehlverhaltens bei der „Nachsichtgewährung“ BVerwG, U.v. 10.12.2013 - 8 C 25/12 - juris Rn. 29). Es kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers dieser die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der von der Klägerin verlangten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (zu diesem Maßstab BFH, U.v. 26.5.1994 - IV R 51/93 - BeckRS 1994, 22011106), denn es kann nicht erwartet werden, dass der Gesetzgeber langjährige Nichtanmelder von Zweitwohnungen hätte bevorzugen wollen.

6. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

7. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 236 Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge


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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt eine Eisengießerei. Sie begehrt eine Begrenzung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an sie weiterzuleitenden Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009.

2

Bei dem Betrieb der Klägerin handelt es sich um ein so genanntes stromintensives Unternehmen, das im Jahre 2007 durch die Beigeladene mit Strom versorgt wurde. Nach dem EEG ist die Klägerin zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms verpflichtet. Die damit verbundene Erhöhung der Stromendverbrauchspreise wird über einen bundesweiten Ausgleich der EEG-Strommengen unter den Übertragungsnetzbetreibern proportional zum Stromverbrauch im jeweiligen Bereich auf die Energieversorgungsunternehmen umgelegt und kann von diesen an die Letztverbraucher weitergegeben werden. Zur Entlastung so genannter stromintensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes sieht eine besondere Ausgleichsregelung im EEG einen Anspruch solcher Unternehmen auf Begrenzung des von ihnen abzunehmenden und zu vergütenden Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien vor. Das Gesetz begründet einen Begrenzungsanspruch für das jeweils folgende Kalenderjahr, wenn das betreffende Unternehmen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres einen Stromverbrauch von über 10 Gigawattstunden (GWh) jährlich und ein Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von über 15 % anhand bestimmter Wirtschaftsdaten und Unterlagen für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr nachweist.

3

Am 19. Mai 2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt) die Begrenzung der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG vom 21. Juli 2004 (BGBl I S.1918) i.d.F. des Gesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - im Folgenden: EEG 2004 - weitergeleiteten Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009. Der Antrag ging beim Bundesamt am 26. Mai 2008 ein.

4

Mit Schreiben vom 2. Juni 2008 wurde die Klägerin durch das Bundesamt darauf hingewiesen, dass die Antragsunterlagen noch nicht vollständig seien. Unter anderem fehle noch die von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu erbringende Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigten Buchprüfers mit den entsprechenden Angaben über die Höhe der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig weitergeleiteten Strommenge sowie der Differenzkosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004. Ferner wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass es in ihrer Verantwortung liege, die erforderliche Bescheinigung vollständig bis zum 30. Juni des laufenden Jahres (Ausschlussfrist) beim Bundesamt einzureichen. Eine Fristverlängerung sei nicht möglich.

5

Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 reichte die Beigeladene beim Bundesamt das gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 erforderliche Testat für das Antragsjahr 2009 ein. Das Testat trägt das Datum vom 19. Juni 2008 und ging zusammen mit dem Schreiben der Beigeladenen beim Bundesamt am 1. Juli 2008 ein. Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 machte das Bundesamt die Klägerin darauf aufmerksam, dass die erforderlichen Unterlagen für ihren Antrag erst nach Ablauf der Antragsfrist eingegangen seien, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.

6

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Begrenzung des Anteils der weitergereichten Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 für ihre Abnahmestelle ab. Die Klägerin habe die erforderliche Antragsfrist versäumt. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung scheide aus. Bei dem Antragsverfahren nach § 16 EEG 2004 handele es sich um ein jährlich einmaliges, zwischenzeitlich ausreichend bekanntes Verfahren von erheblicher finanzieller Bedeutung für die Unternehmen. Bezüglich des Verfahrens habe das Bundesamt auf seiner Homepage ausführliche Merkblätter mit entsprechenden Informationen veröffentlicht. Da es sich um eine jährlich einmalige Antragstellung von herausgehobener Bedeutung handele, die erhebliche und schwierige Vorbereitungen erfordere, könne sich die Antragstellerin bzw. ihr Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht darauf berufen, dass in ihrem Falle die Bescheinigung am 27. Juni 2008 in die Post gegeben worden sei. Die wegen der Bedeutung der Antragstellung gebotene besondere Sorgfalt sei nicht schon dadurch gewahrt, dass das Elektrizitätsversorgungsunternehmen als Bevollmächtigte die Bescheinigung am 27. Juni 2008 gegen 12:30 Uhr in den Postausgang gegeben habe und davon ausgegangen sei, dass die Bescheinigung am 30. Juni 2008 beim Bundesamt eingehen würde.

7

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und begehrt, den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Dezember 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, über ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Jahr 2009 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Form der Nachsichtgewährung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Begrenzung der Strommenge, weil ihr Antrag verspätet gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 16 Abs. 6 EEG 2004 um eine materielle Ausschlussfrist handele. Eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung komme nur bei einem unabwendbaren Zufall in Betracht, der vorliegend nicht gegeben sei. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, die verspätete Zusendung abzuwenden.

8

Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Die allein auf die Nichteinhaltung der Frist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 gestützte Ablehnung des Ausgleichsantrags der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regele allerdings eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, so dass mit ihrem Verstreichen der Verlust der mit dem Antrag verfolgten materiellen Rechtsposition eintrete. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Die Frist sei im Gesetz ausdrücklich als Ausschlussfrist bestimmt und es lägen hinreichend gewichtige Gründe vor, die es rechtfertigten, das antragstellende Unternehmen bei Versäumung dieser Frist vom Begrenzungsanspruch auszuschließen. Die Ausschlussfrist diene dem Zweck, dem Bundesamt zu ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten, damit sie dann in den weiteren Ausgleich einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt sollten alle Anträge auf derselben Datenbasis entschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregelung sicherzustellen. Den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen solle Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden. Unternehmen, die die besondere Ausgleichsregel in Anspruch nähmen, würden gegenüber den sonstigen nichtprivilegierten Stromkunden bevorzugt. Dies rechtfertige es, diese Unternehmen in besonderem Maße mit dem Risiko eines Rechtsverlusts bei jeglicher Art der Fristversäumung zu belasten. Im vorliegenden Falle beruhe die Fristversäumung jedoch auf einer außergewöhnlichen Verzögerung der postalischen Beförderung der erforderlichen Bescheinigung und damit auf höherer Gewalt. In derartigen Fällen müsse das Bundesamt den Antrag so behandeln, als wäre er innerhalb der Frist gestellt worden. Dass die Postsendung erst am Dienstag, dem 1. Juli 2008, beim Bundesamt eingehen würde, sei für die Klägerin und die Beigeladene selbst bei Anlegung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Absender könne darauf vertrauen, dass ein von ihm ordnungsgemäß adressierter und frankierter, bei der Deutschen Post AG oder einem anderen Postuniversaldienstleistungsunternehmen als einfache Sendung aufgegebener Brief zumindest an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugehe. Von dem Absender könne nicht verlangt werden, dass er den normalen Weg der Briefbeförderung verlasse und die Möglichkeiten einer Eil- oder Expresszustellung wähle oder die Sendung selbst zum Empfänger bringe.

9

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, dass § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 keine Ausnahme für den Fall höherer Gewalt vorsehe. Die Ausschlussfrist zum 30. Juni eines Antragsjahres sei sachgerecht, weil die Beklagte alle Anträge bis zum 31. Dezember des Antragsjahres bewilligen müsse. Eine Nachsichtgewährung scheide nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aus. Das diene der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prinzipien verböten es grundsätzlich, im Falle der Versäumung der Ausschlussfrist Ausnahmen zuzulassen. Auch die Voraussetzungen der höheren Gewalt seien nicht gegeben. Die Klägerin hätte noch am 30. Juni 2008 dafür sorgen können, dass der Beklagten eine Ausfertigung der Bescheinigung per Boten übermittelt werde.

10

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2010 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse so behandelt werden, als habe sie ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Kalenderjahr 2009 fristgerecht gestellt, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regelt eine materielle Ausschlussfrist (1.). Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen (2.). Eine Nachsichtgewährung wegen des Eingreifens höherer Gewalt kommt vorliegend nicht in Betracht (3.).

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist am 30. Juni 2008 bestand, und nicht die während des Begrenzungszeitraums 2009 bestehende Rechtslage. Abzustellen ist damit auf § 16 Abs. 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918) i.d.F. des Ersten Änderungsgesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - EEG 2004 - und nicht auf § 43 EEG i.d.F. des Neuregelungsgesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074) - EEG 2009 -. Das folgt aus dem materiellen Recht; denn die Entscheidung bezüglich einer Strommengenbegrenzung hat spätestens zum Jahresende des Jahres der Antragstellung zu erfolgen und ist für alle Antragsteller auf der Grundlage der zum Stichtag vorzulegenden Nachweise zu treffen; sie wird zum 1. Januar des Folgejahres mit einer Geltungsdauer von einem Jahr wirksam (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 3 EEG 2004). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht derjenige des Ablaufs der Begrenzungsperiode.

16

1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Frist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht vorgenommen.

17

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30. Juni des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).

18

a) Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz "Ausschlussfrist" in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67). Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009). Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.

19

Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 zum 1. Dezember 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften (vgl. BTDrucks 16/7119 S. 99), muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst die Ausschlussfrist auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 51). Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.

21

Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1459) verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss (vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl. 2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenberg (Hrsg.), EEG, Aufl. 2010, § 43 Rn. 5).

22

2. Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

23

a) Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <265>; Urteile vom 17. Dezember 2001 - 1 BvL 28, 29, 30/95 - BVerfGE 106, 275 <298 f., 303 f.> und vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 - BVerfGE 110, 274 <288>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <193> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11). Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.

24

b) Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.

25

Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Wie bereits (unter 1.a) dargelegt, soll die Ausschlussfrist gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67) und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).

26

Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03 - BVerfGE 111, 126 <255>; Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - juris Rn. 18, 21 m.w.N.). Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 <182>). Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.

27

Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht - auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen - ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.

28

3. Der Klägerin ist keine Nachsicht in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der verspätete Zugang der Bescheinigung der Beigeladenen vom 19./27. Juni 2008 beim Bundesamt am 1. Juli 2008 beruhe auf höherer Gewalt und könne der Klägerin nicht angelastet werden, teilt der Senat nicht.

29

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2). Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (Urteil vom 28. März 1996 a.a.O.). Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten und sie zudem mit Schreiben vom 2. Juni 2008 auf die noch fehlenden Unterlagen und die Folgen einer Fristversäumung ausdrücklich hingewiesen worden war.

30

b) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund "höherer Gewalt" herleiten (zu dieser vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10 <13> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 196; Beschluss vom 24. April 2013 - BVerwG 8 B 81.12 - juris Rn. 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. Urteile vom 11. Juni 1961 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54, vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1, vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 und vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6). Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2). Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.

31

Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27. Juni 2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird (BGH, Urteil vom 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118 <120 ff.> = juris Rn. 11). Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war (vgl. Salje, EEG, 4. Aufl. 2007, § 16 Rn. 137). Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende - wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen - mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27. Juni 2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30. Juni 2008 zugehen würden.

32

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1976), auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für - vom Dienstleister - nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.

33

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17), ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.

34

Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30. Juni 2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren die Feststellung, in Widerspruchsverfahren zu Fremdenverkehrsbeiträgen als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

2

Sie sind Steuerberater und betreuen im Bereich der beklagten Stadt Fremdenverkehrsbetriebe in steuerlicher Hinsicht. Zugleich geben sie in Vollmacht der Fremdenverkehrsbetriebe Erklärungen zur Höhe der Fremdenverkehrsbeiträge ab. Die Beklagte bestreitet die Befugnis der Kläger, auch in Widerspruchsverfahren über Fremdenverkehrsbeiträge als Bevollmächtigte auftreten zu dürfen.

3

Die Klage auf Feststellung der entsprechenden Vertretungsbefugnis ist vom Verwaltungsgericht abgewiesen worden. Die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Es könne offen bleiben, ob für die Vertretungsbefugnis bei kommunalen Abgabenangelegenheiten die Regelungen des Bayerischen Verwaltungsverfahrensrechts gälten oder ob aufgrund eines Verweises im Bayerischen Kommunalabgabengesetz die Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechende Anwendung fänden. Letztlich hätten beide Vertretungsvorschriften den gleichen Regelungsinhalt und setzten eine Erlaubnis für die außergerichtliche Vertretung aufgrund des Rechtsdienstleistungsgesetzes oder aufgrund eines anderen Gesetzes voraus. Daran fehle es. Das Steuerberatergesetz gestatte nur die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen, wozu auch landesrechtliche Steuern gehörten. Nicht umfasst sei die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Beitragssachen. Auch könne die Vertretung in Widerspruchsverfahren für Fremdenverkehrsbeiträge nicht als erlaubte Nebenleistung zur Hauptleistung der steuerrechtlichen Betreuung angesehen werden. Dieses Ergebnis stehe auch nicht in Widerspruch dazu, dass die Verwaltungsgerichtsordnung in Abgabensachen Steuerberater sogar als Prozessvertreter zulasse. Denn der in § 67 VwGO verwendete Begriff der Abgabenangelegenheiten umfasse keine Streitigkeiten um Beiträge und Gebühren.

4

Mit ihrer Revision rügen die Kläger insbesondere eine Verkennung des § 67 VwGO, weil der darin verwendete Begriff der Abgabenangelegenheiten nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge umfasse. Auch der Begriff der öffentlichen Abgaben in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO werde in diesem Sinne weit ausgelegt. Wenn den Steuerberatern die Prozessvertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zustehe, wäre es widersinnig, die Vertretung im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren als unerlaubt anzusehen. Folge man dieser Ansicht nicht, sei die Vertretung in Fremdenverkehrsbeitragssachen als überwiegend wirtschaftliche Dienstleistung zulassungsfrei. Zumindest handele es sich um eine erlaubte Nebenleistung zur steuerrechtlichen Betreuung von Fremdenverkehrsbetrieben.

5

Die Kläger beantragen,

die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Mai 2012 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2014 zu ändern und festzustellen, dass sie zur Vertretung von Widerspruchsführern in Fremdenverkehrsbeitragsangelegenheiten gegenüber der Beklagten berechtigt sind.

6

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Es sei verfehlt, hinsichtlich der Zurückweisung eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren auf § 67 VwGO abzustellen. Diese Vertretungsregelung betreffe den Verwaltungsprozess und nicht das Widerspruchsverfahren. Auch fehle es für deren analoge Anwendung im Vorverfahren an einer planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen sei für die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren bei Kommunalabgabenangelegenheiten nicht das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht anwendbar, sondern das Kommunalabgabenrecht mit seinem Verweis auf die Abgabenordnung. Es handele sich insoweit um nicht revisibles Landesrecht. Die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift führe dazu, dass Steuerberater als Bevollmächtigte zurückzuweisen seien, wenn sie geschäftsmäßig Hilfe in Beitragssachen leisteten. Ihnen fehle es dafür - wie vom Berufungsgericht ausgeführt - an der vom Rechtsdienstleistungsgesetz vorgeschriebenen Erlaubnis.

8

Der Vertreter des Bundesinteresses schließt sich weitgehend der Ansicht der Beklagten an.

II

9

Die Revision der Kläger ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, indem es die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO in Beitragssachen bestreitet. Das Vertretungsrecht im Verwaltungsprozess schließt die Vertretungsbefugnis in Widerspruchsverfahren als erlaubte Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG - ein.

10

1. Dabei kann offen bleiben, ob die Grundlage für eine Zurückweisung von Steuerberatern im Vorverfahren in der revisiblen Regelung des Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG - (BayRS II S. 213) zu finden ist. Selbst wenn stattdessen die im Prinzip nicht revisible Bestimmung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a Kommunalabgabengesetz des Freistaates Bayern - KAG BY - (GVBl 1993 S. 264) i.V.m. § 80 Abs. 5 Abgabenordnung - AO - als Rechtsgrundlage anzusehen sein sollte, wäre für deren Regelungsinhalt nach der für die Auslegung von Landesrecht maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs das Vorliegen einer bundesrechtlichen Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz oder der Verwaltungsgerichtsordnung maßgeblich. Hält sich jedoch ein Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung einer landesrechtlichen Norm an bundesrechtliche Vorgaben für gebunden, liegt darin eine revisible Anwendung bundesrechtlicher Normen (BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1977 - 8 C 44.76 - BVerwGE 54, 54 <56 f.>, vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> und vom 12. September 2013 - 5 C 35.12 - BVerwGE 148, 13 Rn. 15). So liegt es hier.

11

2. Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO sind Steuerberater in Beitragsangelegenheiten auch vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten zur Vertretung befugt.

12

a) Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Denn die Vertretungsbefugnis wird uneingeschränkt für "Abgabenangelegenheiten" gewährt, nicht nur für Steuer- und Monopolsachen. Der Begriff der "Abgabe" gehört zu den Grundbegriffen des Rechts und wird im Allgemeinen in der Rechtssprache als Oberbegriff für Steuern, Zölle, Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben verwendet (vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl. 2014, S. 5). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass unter den Oberbegriff der Abgabe nicht nur Steuern als ohne Gegenleistung zu erbringende "Gemeinlasten", sondern auch die mit der Vorhaltung einer Gegenleistung verbundenen Beiträge als so genannte "Vorzugslasten" fallen, wobei es die Fremdenverkehrsbeiträge als echte Beiträge im abgabenrechtlichen Sinne qualifiziert hat (BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1976 - 2 BvR 995/75 - BVerfGE 42, 223 <228 f.>). Es ist zwar denkbar, dass der Begriff der Abgabenangelegenheiten im Regelungszusammenhang des § 67 VwGO in einem engeren, auf Steuer- und Monopolsachen beschränkten Sinne verwandt wird. Für eine solche vom Üblichen abweichende Interpretation bedürfte es jedoch besonderer Gründe.

13

b) Solche Gründe lassen sich nicht in der Entstehungsgeschichte der Norm finden. Die Vertretungsbefugnis von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern an Oberverwaltungsgerichten ist durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung zum 1. Januar 1997 eingeführt worden. Diese Regelung stand im Zusammenhang mit der Einführung der Berufungszulassung und des Anwaltszwangs bei den Oberverwaltungsgerichten. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO (BT-Drs. 13/4069 S. 1) wurde ausgeführt, dass in Abgabenangelegenheiten entsprechend Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - (BGBl. 1975 I S. 1861) auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer als Prozessbevollmächtigte zugelassen werden sollten. Es wurde also ein Gleichklang mit den Regeln der Finanzgerichtsordnung - FGO - angestrebt. Der in § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO verwendete Begriff der "Abgabenangelegenheiten" wird jedoch nicht einschränkend im Sinne von "Steuerangelegenheiten" interpretiert. Er umfasst nach der gesetzlichen Definition des § 33 Abs. 2 FGO "alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten...". Davon umfasst sind neben Steuern, Zöllen und Säumniszuschlägen auch Gebühren und Beiträge (Gräber, FGO, 8. Aufl. 2015, § 33 Rn. 15). Daher hat der Bundesfinanzhof seine Zuständigkeit etwa bei der Prüfung von Gebühren für steuerliche Auskünfte unproblematisch bejaht (BFH, Urteil vom 30. März 2011 - I R 61/10 - BFHE 232, 406).

14

Im Gesetzgebungsverfahren trat ein enges, auf Steuer- und Monopolsachen beschränktes Verständnis des Begriffs der Abgabenangelegenheiten weder in der Einwendung des Bundesrats (BT-Drs. 13/3993 S. 17 f.) gegen diese Regelung noch in der Erwiderung der Bundesregierung zutage (BT-Drs. 13/4069 S. 1). Ein derart einschränkendes Verständnis lässt sich auch nicht darauf stützen, dass die engere Kostenregelung für Steuerberater im Zuge der 6. VwGO-Novelle zunächst nicht verändert wurde. Zwar waren nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. "die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in Steuersachen auch eines Steuerberaters" stets erstattungsfähig. Es lag jedoch nicht nahe, aus dieser unbeachtet gebliebenen Kostenregelung zu schließen, dass es bei den "Abgabenangelegenheiten" des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nur um Steuersachen ginge (so VGH München, Beschluss vom 8. April 1998 - 7 B 97.3556 - juris Rn. 31). Jedenfalls wurde im Zuge des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) die enge Formulierung "Steuersachen" gerade unter Hinweis auf den damaligen § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO geändert und durch die Formulierung "in Abgabenangelegenheiten auch eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers" ersetzt. Zur Begründung hieß es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, dass die Kostenregelung dem Vertretungsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Abgabenangelegenheiten angepasst werde (BT-Drs. 15/3482 S. 24). Hätte sich die Vertretungsbefugnis der Steuerberater nach Auffassung des Gesetzgebers ohnedies nur auf Steuersachen bezogen, hätte eine Änderung des § 67 VwGO und nicht des § 162 VwGO nahe gelegen.

15

Für eine enge Auslegung kann schließlich auch nicht die Genese des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) in Anspruch genommen werden. Im Rahmen dieser Novelle wurde der Grundsatz, dass vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz jede Person auftreten kann, die zum sachgemäßen Vortrag fähig ist (§ 67 Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.), aufgegeben. Stattdessen wurden die vertretungsbefugten Personen enumerativ in § 67 Abs. 2 VwGO aufgelistet. Mit der dem § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. entsprechenden Formulierung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO sollte den Besonderheiten des Verwaltungsprozesses Rechnung getragen und die Vertretungsbefugnis der darin genannten Personen und Organisationen aus dem geltenden Recht übernommen werden, "ohne dass durch den geänderten Normaufbau eine Änderung des geltenden Rechtszustands" bezweckt war (BT-Drs. 16/3655 S. 97). Da die Frage, ob der Begriff der "Abgabenangelegenheiten" eng oder weit auszulegen ist, im zuvor geltenden Recht umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt war, kann diese Formulierung nicht als Argument für eine enge Auslegung dienen. Denn eine ausdrückliche Bezugnahme auf das enge Begriffsverständnis findet sich nicht. Gleiches gilt für die rein redaktionelle Änderung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449), durch die lediglich der Verweis auf den früheren "§ 3 Nr. 4 StBerG" durch den Verweis auf den neuen "§ 3a StBerG" ersetzt worden ist (vgl. BT-Drs. 16/12717 S. 57).

16

c) Für ein weites Begriffsverständnis spricht ferner, dass es auch den übrigen einschlägigen prozessualen Regeln zu Grunde liegt. Dies gilt zum einen für den in § 33 FGO und § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO verwendeten wortgleichen Begriff der "Abgabenangelegenheiten", die - wie bereits ausgeführt - in einem weiten, Beiträge und Gebühren einschließenden Sinne auszulegen sind. Es gilt zum anderen für den Begriff der "öffentlichen Abgaben" in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, der ebenfalls nicht nur Steuern, sondern auch Gebühren und Beiträge erfasst (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1992 - 4 C 30.90 - Buchholz 406.11 § 154 BauGB Nr. 1 S. 1 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 57; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 19; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 80 Rn. 130).

17

Auch die Vorschriften des Beratungsrechts können keine enge Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO begründen. Dabei kann offen bleiben, ob die früher im Rechtsberatungsgesetz - RBerG - enthaltenen Regelungen zur Beratungsbefugnis der Steuerberater eine einschränkende Auslegung der Prozessvertretungsbefugnis in § 67 Abs. 1 Satz 5 VwGO a.F. rechtfertigten oder ob umgekehrt das Rechtsberatungsgesetz ähnlich wie im Fall der Hochschullehrer aufgrund der verwaltungsprozessualen Vertretungsregelung einschränkend auszulegen war (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 27. August 1987 - 1 WB 34.87 - BVerwGE 83, 315 <317>). Mit dem Außerkrafttreten des Rechtsberatungsgesetzes am 30. Juni 2008 ist die frühere Überschneidung des allgemeinen Rechtsberatungsrechts mit dem prozessualen Vertretungsrecht beseitigt. Nach seinem § 1 gilt das Rechtsdienstleistungsgesetz nur noch für die außergerichtliche Beratung (BT-Drs. 16/3655 S. 33) und beansprucht keine akzessorische Wirkung für die gerichtliche Rechtsbesorgung (BT-Drs. 16/3655 S. 33). Regelungen in anderen Gesetzen über die Befugnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, bleiben nach § 1 Abs. 2 RDG unberührt. Das Rechtsdienstleistungsgesetz schränkt mit anderen Worten die ebenfalls im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) neu gefassten prozessualen Vertretungsbefugnisse des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO in keiner Weise ein.

18

Die berufsrechtlichen Regelungen des Steuerberatungsgesetzes - StBerG - vermögen eine einschränkende Auslegung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO nicht zu tragen. Es trifft zwar zu, dass die allgemeine Tätigkeit der Steuerberater in § 32 Abs. 1 und § 33 StBerG als geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen charakterisiert wird und dass in § 33 Satz 2 StBerG lediglich ergänzend die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und Bußgeldsachen sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, erwähnt wird. Allerdings können die Regelungen der §§ 32 und 33 StBerG hinsichtlich der berufsrechtlichen Befugnisse der Steuerberater nicht als abschließend angesehen werden. Dies folgt schon daraus, dass in diesen Vorschriften nicht das ganze Spektrum der im Steuerberatungsgesetz genannten Hilfeleistungsbereiche wiedergegeben wird.

19

Darüber hinaus ist § 1 Abs. 3 StBerG in den Blick zu nehmen, wonach die Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen über die Zulassung von Bevollmächtigten und Beiständen unberührt bleiben. In den Prozessordnungen eingeräumte Vertretungsbefugnisse, die über die Hilfeleistung in Steuersachen hinausgehen, werden demnach durch das Steuerberatungsgesetz nicht eingeschränkt. Dies gilt nicht nur für die sozialgerichtliche Vertretungsbefugnis bei der Einziehung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - oder für die in § 327 Abs. 2 Nr. 2 Lastenausgleichsgesetz - LAG - den Steuerberatern eingeräumte Vertretungsbefugnis in Lastenausgleichssachen, sondern auch für die verwaltungsgerichtliche Vertretungsbefugnis nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO.

20

d) Schließlich führt auch die teleologische Auslegung nicht zu einem engen Verständnis des Abgabenbegriffs. Die Einschränkung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretungsbefugten Personen dient - wie vergleichbare Regelungen in anderen Prozessordnungen - einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Parteien im gerichtlichen Verfahren und andererseits der Ordnung des Prozesses (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09 - NJW 2011, 929 Rn. 23 zu § 79 Abs. 2 ZPO; BT-Drs. 16/3655 S. 34; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 12 zu § 10 Abs. 2 und 3 FamFG). Aus diesem Grunde wurde im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, mit dem auch § 67 Abs. 2 VwGO grundlegend geändert worden ist, der Rechtsberatungsmarkt nicht völlig dereguliert. Zur Sicherung einer hinreichend qualifizierten Rechtsberatung wurde kein allgemeiner Rechtsdienstleistungsberuf unterhalb der Rechtsanwaltschaft zugelassen (BT-Drs. 16/3655 S. 30-32). Ferner wurde wegen des bei der gerichtlichen Vertretung besonders starken Bedürfnisses der Qualitätssicherung keine Akzessorietät von außergerichtlicher und gerichtlicher Prozessvertretung begründet. Vielmehr wurde die gerichtliche Vertretungsmacht selbständig, abschließend und zwischen den Prozessordnungen harmonisiert geregelt. Dabei wurde dem Kriterium der Befähigung zum sach- und interessengerechten Sachvortrag im Prozess entscheidende Bedeutung beigemessen (BT-Drs. 16/3655 S. 33). Die prozessualen Vertretungsbefugnisse wurden nur vorsichtig erweitert.

21

Es trifft zwar zu, dass Steuerberater sich nach ihrem Berufsbild in erster Linie mit den von den Finanzämtern verwalteten Bundessteuern befassen. Auch spielen landesrechtliche Steuern und Kommunalabgaben in der Ausbildung des Steuerberaters - ebenso wie in der Ausbildung der Rechtsanwälte - keine besondere Rolle. Allerdings ist das Steuerrecht eine Querschnittsmaterie, die alle Lebensbereiche betrifft und die sich ohne Kenntnisse anderer Rechtsmaterien (insbesondere des Zivilrechts) nicht verstehen lässt. Dies führt dazu, dass Steuerberater - ähnlich wie Rechtsanwälte - immer wieder gezwungen sind, sich in Rechtsgebiete einzuarbeiten, die in ihrer Ausbildung nicht oder nur am Rande vermittelt werden. Dass der Gesetzgeber Steuerberater in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, Abs. 4 Satz 7 VwGO zur verwaltungsgerichtlichen Prozessvertretung auch in ausbildungsfernen Abgabenangelegenheiten ermächtigt, beruht auf der Erwägung, dass sie sich in ihrem Berufsfeld verwandte Sachmaterien einarbeiten können und dass in der Praxis neben reinen Steuerangelegenheiten auch Gebühren- und Beitragsfragen an sie herangetragen werden. Ebenso räumt § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGG den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern hinsichtlich der von Unternehmen zu leistenden Sozialversicherungsbeiträge eine Vertretungsbefugnis ein. Auch der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen und die Prüfung der Beitragshöhe stehen nicht im Zentrum der Ausbildung, gehören aber aus praktischen Gründen zum Kontext der Steuerberatertätigkeit. Die Annahme, dass Steuerberater sich auch in ausbildungsferne Rechtsmaterien einarbeiten können, ist nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil bereits die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 36 StBerG entweder an den Abschluss eines rechts- oder wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulstudiums oder an einen kaufmännischen Abschluss und eine sehr lange praktische Steuerberatungstätigkeit anknüpft und weil auch die Prüfung zum Steuerberater nach § 37 StBerG selbst ein hohes fachliches Niveau sichert.

22

Vor allem war für den vom Gesetzgeber gewollten Schutz des Verbrauchers bei der Ausgestaltung der Prozessvertretungsregelungen die Erwägung leitend, dass die Befähigung zum forensischen Auftreten und zum sach- und interessengerechten Prozessvortrag gegeben sein muss (BT-Drs. 16/3655 S. 33; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. August 2010 - 1 BvR 1632/10 - NJW 2010, 3291 Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt die Berufsgruppe der Steuerberater, die nicht nur vor Finanzämtern, sondern auch vor den Finanzgerichten bis hin zum Bundesfinanzhof als Bevollmächtigte auftreten dürfen und eine entsprechende Prozesserfahrung besitzen. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass sich die Prozessordnung der Verwaltungsgerichte von der Finanzgerichtsordnung unterscheidet. Beide Verfahrensordnungen weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf, die es nach Einschätzung des Gesetzgebers dem Steuerberater ermöglichen, auch vor den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten hinreichend sicher aufzutreten.

23

3. Steuerberater besitzen in Beitragssachen auch die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erforderliche Erlaubnis zur Vertretung im behördlichen Widerspruchsverfahren.

24

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass in dem Tätigwerden eines Steuerberaters im Widerspruchsverfahren grundsätzlich eine erlaubnispflichtige selbständige Erbringung einer außergerichtlichen Rechtsdienstleistung liegt (§ 1 RDG). Die Kläger bezweifeln zu Unrecht, dass der Schwerpunkt der Interessenvertretung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG in einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls liegt. Zwar können Tätigkeiten, die schwerpunktmäßig der wirtschaftlichen Interessenvertretung durch Erforschung und Beibringung von Tatsachen dienen, nicht als Rechtsdienstleistung begriffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2002 - 1 BvR 2251/01 - NJW 2002, 3531 <3532> sowie BVerwG, Urteile vom 16. Juli 2003 - 6 C 27.02 - BVerwGE 118, 319 <325> und vom 27. Oktober 2004 - 6 C 30.03 - BVerwGE 122, 130 <142 f.> zu Art. 1 § 1 RBerG). Demzufolge wird man eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG nur annehmen können, wenn jedenfalls ein gewisses Maß an substantieller Prüfung vorgenommen wird, mag auch die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Formel von der "besonderen" rechtlichen Prüfung im Gesetzgebungsverfahren als missverständlich verworfen und als Abgrenzungskriterium bewusst nicht ins Gesetz aufgenommen worden sein (BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 Rn. 32 m.w.N.).

25

Dementsprechend kann eine Vertretung bei der Antragstellung im Verwaltungsverfahren noch nicht als Rechtsdienstleistung angesehen werden. So liegt es, wenn der Steuerberater lediglich die für die Beitragserhebung vorgesehenen Formulare ausfüllt sowie tatsächliche Angaben zu Umsatz- und Gewinnzahlen macht. Hingegen erschöpft sich die Erhebung eines Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid typischerweise nicht in einer schwerpunktmäßig wirtschaftlichen Interessenvertretung. Vielmehr erfordert die Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens regelmäßig eine substantielle und vertiefte Rechtsbefassung. Es müssen die rechtlichen Zusammenhänge genau in den Blick genommen werden, um beurteilen zu können, ob im Bescheid alle relevanten Tatsachen vollständig und zutreffend gewürdigt worden sind (wie hier BSG, Urteil vom 14. November 2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 Rn. 36 f. zur Vertretung durch einen Steuerberater im Verfahren über die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft).

26

b) Steuerberatern ist die Vertretung im beitragsrechtlichen Widerspruchsverfahren jedoch als Nebenleistung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG gestattet. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Hierfür kann offen bleiben, ob die Betreuung in Beitragssachen zum eigentlichen Berufsbild des Steuerberaters gehört. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG ist auch das sonstige "Tätigkeitsbild" in den Blick zu nehmen. Der Gesetzgeber hat bewusst anders als bei Art. 1 § 5 Nr. 2 RBerG für die Anerkennung als erlaubte Nebenleistung keinen unmittelbaren und engen Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit des Steuerberaters gefordert. Vielmehr genügt der sachliche Zusammenhang mit einer erlaubten Haupttätigkeit (BT-Drs. 16/3655 S. 52). Nach der Gesetzesbegründung sind etwa Hochschullehrer, die nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichts-, Sozialgerichts- oder Strafprozessordnung prozessvertretungsbefugt sind, auch außergerichtlich nach § 5 RDG berechtigt, alle Rechtsdienstleistungen zu erbringen, die in Zusammenhang mit der gerichtlichen Vertretung stehen oder ihrer Vorbereitung dienen (BT-Drs. 16/3655 S. 53). Dabei ist unerheblich, dass die Prozessvertretung das Berufsbild des Hochschullehrers nicht prägt. Es genügt, dass sie zum erlaubten Tätigkeitsbild des Hochschullehrers gehört.

27

Nichts anderes kann für Steuerberater gelten. Dementsprechend hält die Gesetzesbegründung fest, dass sich auch die Angehörigen der steuerberatenden Berufe, die Rechtsdienstleistungen in einem speziellen Bereich des Rechts erbringen dürfen, auf die Nebenleistungsregelung des § 5 RDG berufen können (BT-Drs. 16/3655 S. 51). Soweit § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO Steuerberatern die Prozessvertretung in allen Abgabenangelegenheiten einschließlich der Beitragssachen gestattet, ist auch diese erlaubte Tätigkeit um Nebenleistungen erweiterungsfähig. Da die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO Prozessvoraussetzung für die verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid ist, steht die Vertretung im Vorverfahren in sachlichem Zusammenhang zur erlaubten Prozessvertretung. Sie ist auch im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG nach Umfang und Inhalt von untergeordneter Bedeutung und stellt damit eine erlaubte Nebenleistung dar.

28

Da die klagenden Steuerberater mithin die beratungsrechtliche Erlaubnis zur Vertretung in Widerspruchsverfahren auf dem Gebiet des Fremdenverkehrsbeitragsrechts besitzen, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung im Vorverfahren weder nach Art. 79 i.V.m. Art. 14 Abs. 5 BayVwVfG noch nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3a KAG BY i.V.m. § 80 Abs. 5 AO vor. Der Revision war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt eine Eisengießerei. Sie begehrt eine Begrenzung der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an sie weiterzuleitenden Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009.

2

Bei dem Betrieb der Klägerin handelt es sich um ein so genanntes stromintensives Unternehmen, das im Jahre 2007 durch die Beigeladene mit Strom versorgt wurde. Nach dem EEG ist die Klägerin zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms verpflichtet. Die damit verbundene Erhöhung der Stromendverbrauchspreise wird über einen bundesweiten Ausgleich der EEG-Strommengen unter den Übertragungsnetzbetreibern proportional zum Stromverbrauch im jeweiligen Bereich auf die Energieversorgungsunternehmen umgelegt und kann von diesen an die Letztverbraucher weitergegeben werden. Zur Entlastung so genannter stromintensiver Unternehmen des produzierenden Gewerbes sieht eine besondere Ausgleichsregelung im EEG einen Anspruch solcher Unternehmen auf Begrenzung des von ihnen abzunehmenden und zu vergütenden Strommengenanteils aus erneuerbaren Energien vor. Das Gesetz begründet einen Begrenzungsanspruch für das jeweils folgende Kalenderjahr, wenn das betreffende Unternehmen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres einen Stromverbrauch von über 10 Gigawattstunden (GWh) jährlich und ein Verhältnis der Stromkosten zur Bruttowertschöpfung von über 15 % anhand bestimmter Wirtschaftsdaten und Unterlagen für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr nachweist.

3

Am 19. Mai 2008 beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: Bundesamt) die Begrenzung der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG vom 21. Juli 2004 (BGBl I S.1918) i.d.F. des Gesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - im Folgenden: EEG 2004 - weitergeleiteten Strommenge für den Begrenzungszeitraum 2009. Der Antrag ging beim Bundesamt am 26. Mai 2008 ein.

4

Mit Schreiben vom 2. Juni 2008 wurde die Klägerin durch das Bundesamt darauf hingewiesen, dass die Antragsunterlagen noch nicht vollständig seien. Unter anderem fehle noch die von dem Elektrizitätsversorgungsunternehmen zu erbringende Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers bzw. vereidigten Buchprüfers mit den entsprechenden Angaben über die Höhe der nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig weitergeleiteten Strommenge sowie der Differenzkosten des Elektrizitätsversorgungsunternehmens im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004. Ferner wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass es in ihrer Verantwortung liege, die erforderliche Bescheinigung vollständig bis zum 30. Juni des laufenden Jahres (Ausschlussfrist) beim Bundesamt einzureichen. Eine Fristverlängerung sei nicht möglich.

5

Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 reichte die Beigeladene beim Bundesamt das gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 erforderliche Testat für das Antragsjahr 2009 ein. Das Testat trägt das Datum vom 19. Juni 2008 und ging zusammen mit dem Schreiben der Beigeladenen beim Bundesamt am 1. Juli 2008 ein. Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 machte das Bundesamt die Klägerin darauf aufmerksam, dass die erforderlichen Unterlagen für ihren Antrag erst nach Ablauf der Antragsfrist eingegangen seien, und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.

6

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2008 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Begrenzung des Anteils der weitergereichten Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 für ihre Abnahmestelle ab. Die Klägerin habe die erforderliche Antragsfrist versäumt. Hierbei handele es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung scheide aus. Bei dem Antragsverfahren nach § 16 EEG 2004 handele es sich um ein jährlich einmaliges, zwischenzeitlich ausreichend bekanntes Verfahren von erheblicher finanzieller Bedeutung für die Unternehmen. Bezüglich des Verfahrens habe das Bundesamt auf seiner Homepage ausführliche Merkblätter mit entsprechenden Informationen veröffentlicht. Da es sich um eine jährlich einmalige Antragstellung von herausgehobener Bedeutung handele, die erhebliche und schwierige Vorbereitungen erfordere, könne sich die Antragstellerin bzw. ihr Elektrizitätsversorgungsunternehmen nicht darauf berufen, dass in ihrem Falle die Bescheinigung am 27. Juni 2008 in die Post gegeben worden sei. Die wegen der Bedeutung der Antragstellung gebotene besondere Sorgfalt sei nicht schon dadurch gewahrt, dass das Elektrizitätsversorgungsunternehmen als Bevollmächtigte die Bescheinigung am 27. Juni 2008 gegen 12:30 Uhr in den Postausgang gegeben habe und davon ausgegangen sei, dass die Bescheinigung am 30. Juni 2008 beim Bundesamt eingehen würde.

7

Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und begehrt, den Bescheid des Bundesamtes vom 17. Dezember 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2009 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, über ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Jahr 2009 unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Form der Nachsichtgewährung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe für den geltend gemachten Zeitraum keinen Anspruch auf Begrenzung der Strommenge, weil ihr Antrag verspätet gestellt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil es sich bei der Frist des § 16 Abs. 6 EEG 2004 um eine materielle Ausschlussfrist handele. Eine ausnahmsweise Nachsichtgewährung komme nur bei einem unabwendbaren Zufall in Betracht, der vorliegend nicht gegeben sei. Es wäre der Klägerin ohne Weiteres möglich gewesen, die verspätete Zusendung abzuwenden.

8

Auf die Berufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Die allein auf die Nichteinhaltung der Frist gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 gestützte Ablehnung des Ausgleichsantrags der Klägerin halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regele allerdings eine materiellrechtliche Ausschlussfrist, so dass mit ihrem Verstreichen der Verlust der mit dem Antrag verfolgten materiellen Rechtsposition eintrete. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestünden nicht. Die Frist sei im Gesetz ausdrücklich als Ausschlussfrist bestimmt und es lägen hinreichend gewichtige Gründe vor, die es rechtfertigten, das antragstellende Unternehmen bei Versäumung dieser Frist vom Begrenzungsanspruch auszuschließen. Die Ausschlussfrist diene dem Zweck, dem Bundesamt zu ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten, damit sie dann in den weiteren Ausgleich einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden könnten. Zu diesem Zeitpunkt sollten alle Anträge auf derselben Datenbasis entschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregelung sicherzustellen. Den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen solle Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden. Unternehmen, die die besondere Ausgleichsregel in Anspruch nähmen, würden gegenüber den sonstigen nichtprivilegierten Stromkunden bevorzugt. Dies rechtfertige es, diese Unternehmen in besonderem Maße mit dem Risiko eines Rechtsverlusts bei jeglicher Art der Fristversäumung zu belasten. Im vorliegenden Falle beruhe die Fristversäumung jedoch auf einer außergewöhnlichen Verzögerung der postalischen Beförderung der erforderlichen Bescheinigung und damit auf höherer Gewalt. In derartigen Fällen müsse das Bundesamt den Antrag so behandeln, als wäre er innerhalb der Frist gestellt worden. Dass die Postsendung erst am Dienstag, dem 1. Juli 2008, beim Bundesamt eingehen würde, sei für die Klägerin und die Beigeladene selbst bei Anlegung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Der Absender könne darauf vertrauen, dass ein von ihm ordnungsgemäß adressierter und frankierter, bei der Deutschen Post AG oder einem anderen Postuniversaldienstleistungsunternehmen als einfache Sendung aufgegebener Brief zumindest an dem zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugehe. Von dem Absender könne nicht verlangt werden, dass er den normalen Weg der Briefbeförderung verlasse und die Möglichkeiten einer Eil- oder Expresszustellung wähle oder die Sendung selbst zum Empfänger bringe.

9

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, dass § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 keine Ausnahme für den Fall höherer Gewalt vorsehe. Die Ausschlussfrist zum 30. Juni eines Antragsjahres sei sachgerecht, weil die Beklagte alle Anträge bis zum 31. Dezember des Antragsjahres bewilligen müsse. Eine Nachsichtgewährung scheide nach Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aus. Das diene der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prinzipien verböten es grundsätzlich, im Falle der Versäumung der Ausschlussfrist Ausnahmen zuzulassen. Auch die Voraussetzungen der höheren Gewalt seien nicht gegeben. Die Klägerin hätte noch am 30. Juni 2008 dafür sorgen können, dass der Beklagten eine Ausfertigung der Bescheinigung per Boten übermittelt werde.

10

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Mai 2012 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2010 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt das Revisionsvorbringen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse so behandelt werden, als habe sie ihren Antrag auf Strommengenbegrenzung für das Kalenderjahr 2009 fristgerecht gestellt, beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 regelt eine materielle Ausschlussfrist (1.). Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen (2.). Eine Nachsichtgewährung wegen des Eingreifens höherer Gewalt kommt vorliegend nicht in Betracht (3.).

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage, die zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlussfrist am 30. Juni 2008 bestand, und nicht die während des Begrenzungszeitraums 2009 bestehende Rechtslage. Abzustellen ist damit auf § 16 Abs. 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1918) i.d.F. des Ersten Änderungsgesetzes vom 7. November 2006 (BGBl I S. 2550) - EEG 2004 - und nicht auf § 43 EEG i.d.F. des Neuregelungsgesetzes vom 25. Oktober 2008 (BGBl I S. 2074) - EEG 2009 -. Das folgt aus dem materiellen Recht; denn die Entscheidung bezüglich einer Strommengenbegrenzung hat spätestens zum Jahresende des Jahres der Antragstellung zu erfolgen und ist für alle Antragsteller auf der Grundlage der zum Stichtag vorzulegenden Nachweise zu treffen; sie wird zum 1. Januar des Folgejahres mit einer Geltungsdauer von einem Jahr wirksam (vgl. § 16 Abs. 6 Satz 3 EEG 2004). Entscheidend ist damit der Zeitpunkt der Antragstellung und nicht derjenige des Ablaufs der Begrenzungsperiode.

16

1. Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Frist um eine materiellrechtliche Ausschlussfrist handelt, die nach dem Gesetzeswortlaut für den Antrag und sämtliche Antragsunterlagen nach § 16 Abs. 2 EEG 2004 gilt, die bei dem Bundesamt einzureichen sind, also auch für die Angaben des Energieversorgungsunternehmens und des regelverantwortlichen Übertragungsnetzbetreibers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004. Eine Eingrenzung der Fristbestimmung auf diejenigen Unterlagen, die nur von Antragstellerseite vorzulegen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht vorgenommen.

17

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist der Antrag auf Begrenzung der Strommenge aus erneuerbaren Energien (§ 16 Abs. 1 EEG 2004) einschließlich der vollständigen Unterlagen nach Absatz 2 jeweils zum 30. Juni des laufenden Jahres zu stellen. Die Begrenzung darf bei einem Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur erfolgen, soweit es nachweist, dass und inwieweit im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr die Strommenge nach § 14 Abs. 3 Satz 1 anteilig an das Unternehmen weitergereicht und von diesem selbst verbraucht worden ist und das Unternehmen hierfür Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 entrichtet hat (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind auf Antrag des Unternehmens verpflichtet, dem Bundesamt unverzüglich die anteilig weitergereichte Strommenge und die Differenzkosten einschließlich der für die Berechnung der Differenzkosten zugrunde gelegten Daten durch Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers für das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr nachzuweisen. Der Nachweis der Voraussetzungen von Satz 1 Nr. 3 sowie der Differenzkosten erfolgt durch Vorlage der Bescheinigung (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 EEG 2004).

18

a) Bei der in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 geregelten Frist handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist. Daraus folgt, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nach ihrem Ablauf nicht mehr wirksam gestellt oder vervollständigt werden kann, weil ein eventueller Anspruch erloschen ist. Dies ergibt sich aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes, den Gesetzesmaterialien sowie Sinn und Zweck der Regelung. Der Klammerzusatz "Ausschlussfrist" in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 verdeutlicht diese materielle Präklusion. Von der Einhaltung der Frist gibt es keine Ausnahmen. Die Behörde soll weder die Frist verlängern noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren können (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 52 und 16/8148 S. 67). Die Ausschlussfrist soll es dem Bundesamt ermöglichen, die Begrenzungsbescheide vor Jahresende abzuarbeiten und vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn zu versenden, damit sie dann in den weiteren Ausgleich gemäß § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004 einbezogen und bei den Prognosen und Lieferentscheidungen der Elektrizitätswirtschaft berücksichtigt werden können. Damit soll den Übertragungsnetzbetreibern und Elektrizitätsversorgungsunternehmen Sicherheit über die vom besonderen Ausgleichsmechanismus umfassten Strommengen gegeben und Rechtssicherheit hergestellt werden (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67 zur inhaltsgleichen Nachfolgeregelung des § 43 Abs. 1 EEG 2009). Alle Anträge sollen zum selben Zeitpunkt auf derselben Datenbasis beschieden werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle antragstellenden Unternehmen in Bezug auf die Entlastungen durch die besondere Ausgleichsregel sicherzustellen.

19

Sinn und Zweck der Vorschrift sind auch nicht mit der Aufhebung der so genannten Deckelungsregelung in § 16 Abs. 5 EEG 2004 durch das Erste Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 7. November 2006 zum 1. Dezember 2006 entfallen. Auch wenn die EEG-Kosten im nichtprivilegierten Bereich seither um mehr als 10 % steigen durften (vgl. BTDrucks 16/7119 S. 99), muss gemäß § 16 Abs. 1 EEG 2004 weiter sichergestellt sein, dass die Begrenzung die Ziele des EEG nicht gefährdet und mit den Interessen der Gesamtheit der Stromverbraucher vereinbar ist (vgl. § 40 Abs. 1 EEG 2009). Erforderlich ist damit nach wie vor eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der Gesamtheit aller Begrenzungsentscheidungen auf der Grundlage einer einheitlichen Datenbasis. Das ist nur mit einer materiellrechtlichen Ausschlussfrist erreichbar, in die keine Wiedereinsetzung wegen Fristversäumung möglich ist.

20

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin erfasst die Ausschlussfrist auch die von dem Energieversorgungsunternehmen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegenden Nachweise für die nach § 14 Abs. 3 Satz 1 EEG 2004 anteilig an das Unternehmen weitergereichte und von diesem selbstverbrauchte Strommenge und die hierfür entrichteten Differenzkosten im Sinne von § 15 Abs. 1 EEG 2004, die durch die Vorlage einer Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers zu erbringen sind. Zur Erfüllung der Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 ist das Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, unverzüglich dem Bundesamt die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 EEG 2004 vorzulegen. Der Gesetzgeber differenziert damit zwischen der fristgebundenen Nachweispflicht des antragstellenden Unternehmens einerseits und der Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zur unverzüglichen Vorlage andererseits. Diese Letztere besteht nur dem antragstellenden Unternehmen, nicht jedoch dem Bundesamt gegenüber (vgl. BTDrucks 15/2864 S. 51). Gehen die Nachweise aber verspätet ein, ist dies dem Antragsteller zuzurechnen.

21

Dass die Ausschlussfrist sämtliche Antragsunterlagen erfasst, wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Nachweisführung bestätigt. Die Vorgängerregelung in § 11a Abs. 2 Satz 2 Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1459) verpflichtete die Energieversorgungsunternehmen, den erforderlichen Nachweis gegenüber dem antragstellenden Unternehmen zu erbringen. Diese Verpflichtung wurde mit der Neuregelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 EEG 2004 durch die Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens ersetzt, die erforderliche Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers unmittelbar an das Bundesamt weiterzuleiten. Damit sollte die Nachweispflicht nicht auf die Elektrizitätsunternehmen verlagert, sondern nur verhindert werden, dass das antragstellende Unternehmen anhand der Bescheinigung Einblick in die Kalkulationsunterlagen des Energieversorgungsunternehmens erhält und dieses Geschäftsgeheimnisse preisgeben muss (vgl. Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, Aufl. 2006, § 16 Rn. 123; Posser/Altenschmidt, in: Frenz/Müggenberg (Hrsg.), EEG, Aufl. 2010, § 43 Rn. 5).

22

2. Die Ausgestaltung des § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 als materielle Ausschlussfrist ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgegangen. Die Norm verstößt nicht gegen die Berufs- und die Wettbewerbsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), auf die sich die Klägerin als juristische Person des Privatrechts im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit nach Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt.

23

a) Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisten die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen. Sie schützen weder gegen rechtliche Regeln, die diese Bedingungen herstellen, ausgestalten und sichern, noch gegen Beeinflussung wettbewerbsrelevanter Faktoren. Zwar kann ein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegen, wenn eine Regelung die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu Lasten bestimmter am Wettbewerb teilnehmender Adressaten verändert und dadurch deren berufliche Betätigung erheblich beeinträchtigt (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 - BVerfGE 105, 252 <265>; Urteile vom 17. Dezember 2001 - 1 BvL 28, 29, 30/95 - BVerfGE 106, 275 <298 f., 303 f.> und vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 - BVerfGE 110, 274 <288>; BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <193> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11). Das trifft auf § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 aber nicht zu. Die materielle Ausschlussfrist definiert Rahmenbedingungen des Wettbewerbs, indem sie die Privilegierung stromintensiv produzierender Unternehmen gegenüber den sonstigen Endverbrauchern an verfahrensrechtliche Voraussetzungen knüpft. Innerhalb der Gruppe der Privilegierten gewährleistet sie die Wettbewerbsneutralität der Begrenzungsentscheidungen.

24

b) Die Regelung der Ausschlussfrist ist auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benachteiligung von Antragstellern, die die Frist versäumt haben, gegenüber Antragstellern, deren Anträge und Nachweise fristgerecht vollständig vorgelegt wurden, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt und verhältnismäßig.

25

Die mit der materiellrechtlichen Ausschlussfrist einhergehende Benachteiligung von stromintensiven Unternehmen, die nicht innerhalb der Frist die erforderlichen Unterlagen einreichen, im Verhältnis zu denjenigen Antragstellern, denen außerhalb des Regelungsbereichs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird, ist wegen besonderer Gründe sachlich gerechtfertigt. Wie bereits (unter 1.a) dargelegt, soll die Ausschlussfrist gewährleisten, dass alle Anträge vor Jahresende auf einer einheitlichen Datenbasis bearbeitet werden. Damit werden gleiche Wettbewerbsbedingungen bezüglich der Entlastung durch die besondere Ausgleichsregelung geschaffen (vgl. BTDrucks 16/8148 S. 67) und für die Übertragungsnetzbetreiber und Energieversorgungsunternehmen Rechtssicherheit hergestellt. Zeitliche Verschiebungen, die infolge einer Prüfung von Wiedereinsetzungsanträgen aufträten, und spätere Begrenzungsentscheidungen hätten auch eine Beeinträchtigung des horizontalen Belastungsausgleichs der Übertragungsnetzbetreiber untereinander zur Folge (vgl. § 16 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 2 EEG 2004).

26

Die materiellrechtliche Ausschlussfrist ist geeignet und erforderlich, um die mit der Begrenzungsentscheidung verfolgten Ziele zu erreichen. Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die nur überschritten ist, wenn seine Erwägungen nicht schlüssig sind und deswegen offensichtlich keine Grundlage für eine angegriffene Maßnahme sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03 - BVerfGE 111, 126 <255>; Kammerbeschluss vom 29. September 2010 - 1 BvR 1789/10 - juris Rn. 18, 21 m.w.N.). Ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers besteht insbesondere bei der Gewährung von Ansprüchen (BVerfG, Beschluss vom 11. November 2008 - 1 BvL 3/05, 1 BvL 4/05, 1 BvL 5/05, 1 BvL 6/05, 1 BvL 7/05 - BVerfGE 122, 151 <182>). Ein ebenso wirksames, weniger eingreifendes Mittel, die verfolgten Ziele zu erreichen, stand dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, eine zeitgerechte Bescheidung aller Anträge auf einheitlicher Datengrundlage und eine rechtzeitige Beurteilung der Folgen der Begrenzungen sei auch mit einer wiedereinsetzungsfähigen Verwaltungsfrist zu gewährleisten. Ließe man in den Fällen einer Fristversäumung die Wiedereinsetzung zu, würde dies zu zeitlichen Verzögerungen führen, die infolge der Prüfung der Wiedereinsetzungsanträge unausweichlich wären, und eine einheitliche Entscheidung zum Jahresende auf einer insgesamt gewonnenen Datenbasis wäre nicht möglich.

27

Die Ausschlussfrist in § 16 Abs. 6 Satz 1 EEG 2004 ist den privilegierten Unternehmen schließlich auch zumutbar. Zwar geht die materielle Rechtsposition infolge der versäumten Frist verloren, selbst wenn den Antragsteller kein Verschulden trifft. Da den Antragstellern ausreichend Zeit zur Verfügung steht - auch zur Beauftragung der vorlagepflichtigen Energieversorgungsunternehmen - ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dem Erfordernis abschließender Entscheidung im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit und Rechtssicherheit größeres Gewicht beigemessen hat.

28

3. Der Klägerin ist keine Nachsicht in Form von Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der verspätete Zugang der Bescheinigung der Beigeladenen vom 19./27. Juni 2008 beim Bundesamt am 1. Juli 2008 beruhe auf höherer Gewalt und könne der Klägerin nicht angelastet werden, teilt der Senat nicht.

29

a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen. Diese Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig, sondern nur in Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und mit Blick auf ihre dortige Funktion bestimmen (BVerwG, Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 2). Für den Bereich des Vermögensrechts bei Versäumung der materiellen Ausschlussfristen des § 30a Abs. 1 VermG hat das Bundesverwaltungsgericht eine solche Ausnahme angenommen, wenn erstens die Versäumung der Anmeldefrist auf staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückzuführen ist, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann, und wenn zweitens durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung der Zweck des Gesetzes nicht verfehlt würde (Urteil vom 28. März 1996 a.a.O.). Ein behördliches Fehlverhalten der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Beklagte hat in dem der Klägerin bekannten Merkblatt auf die Ausschlussfrist und die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Dieser Hinweis bezog sich auf sämtliche Unterlagen, also auch auf solche, die dem Antrag noch nicht beigefügt oder noch von dritter Seite beizubringen waren. Die Behörde macht zudem in ihrem Internetauftritt und in den Antragsformularen auf die Ausschlussfrist aufmerksam. Hinzu kommt, dass der Klägerin die Besonderheiten des Antragsverfahrens und die beizubringenden Unterlagen aus früheren Verfahren bekannt sein mussten und sie zudem mit Schreiben vom 2. Juni 2008 auf die noch fehlenden Unterlagen und die Folgen einer Fristversäumung ausdrücklich hingewiesen worden war.

30

b) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Nachsichtgewährung auch nicht aus der Rechtsprechung zur Fristversäumnis aufgrund "höherer Gewalt" herleiten (zu dieser vgl. Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 27.03 - BVerwGE 121, 10 <13> = Buchholz 451.90 Sonstiges Europäisches Recht Nr. 196; Beschluss vom 24. April 2013 - BVerwG 8 B 81.12 - juris Rn. 12; § 60 Abs. 3, § 58 Abs. 2 VwGO, § 32 Abs. 3 VwVfG). Der Begriff der "höheren Gewalt" ist enger zu verstehen als der in den Wiedereinsetzungsvorschriften gebrauchte Begriff "ohne Verschulden". Er entspricht inhaltlich "Naturereignissen oder anderen unabwendbaren Zufällen" im Sinne des § 233 Abs. 1 ZPO a.F. (vgl. Urteile vom 11. Juni 1961 - BVerwG 6 C 56.65 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 54, vom 24. Februar 1966 - BVerwG 2 C 45.64 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 1, vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - BVerwGE 58, 100 = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 106 und vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6). Unter "höherer Gewalt" wird ein Ereignis verstanden, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - NJW 2008, 429; BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr. 2). Diese Anforderungen sind hier nicht schon wegen der Verzögerung der üblichen Postlaufzeit um zwei Werktage erfüllt.

31

Die Versendung der Nachweise mit einfachem, am 27. Juni 2008 zur Post gegebenen Brief wahrte nicht diejenige Sorgfalt, die wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Begrenzungsentscheidung für die Klägerin und des unmittelbar bevorstehenden Ablaufs der Ausschlussfrist als äußerste Sorgfalt vernünftigerweise zu erwarten war. Bei der Konkretisierung der größten vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt ist die Bedeutung der Fristwahrung für den Antragsteller in Rechnung zu stellen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Sorgfaltsanforderungen umso höher sind, je weiter eine Frist ausgenutzt wird (BGH, Urteil vom 18. März 1953 - II ZR 182/52 - BGHZ 9, 118 <120 ff.> = juris Rn. 11). Hier hatte die rechtzeitige Zustellung der Unterlagen für die Klägerin erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Bei Versäumen der Ausschlussfrist verlor sie einen etwaigen Anspruch auf Strommengenbegrenzung in sechsstelliger Höhe und erlitt schwerwiegende Wettbewerbsnachteile. Schon deshalb war von ihr bei größter Sorgfalt zu erwarten, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen fristgerechten Zugang der Nachweise sicherzustellen. Gleiches gilt für das Elektrizitätsversorgungsunternehmen und die Wirtschaftsprüfergesellschaft, die jeweils zur Erfüllung der Nachweispflicht der Klägerin handelten und deren Verhalten ihr insoweit zuzurechnen war (vgl. Salje, EEG, 4. Aufl. 2007, § 16 Rn. 137). Wegen der Bedeutung der Fristwahrung und wegen des gesetzlichen Ausschlusses einer Wiedereinsetzung waren bei Anwendung größter Sorgfalt Vorkehrungen dagegen zu erwarten, dass Hindernisse, mit denen nach Lage der Dinge zu rechnen war, die Fristwahrung vereitelten. Als Hindernisse waren auch mögliche Postlaufverzögerungen unmittelbar vor Fristablauf in Betracht zu ziehen, da zum Fristende - wie die Feststellungen der Vorinstanz zur unübersehbaren Menge der Eingänge bestätigen - mit einem Vielfachen des üblichen Postaufkommens bei der Beklagten zu rechnen war. Verzögerungen gegenüber der sonst üblichen Postlaufzeit um ein bis zwei Werktage waren unter diesen Umständen auch bei ordnungsgemäß adressierten und frankierten Sendungen nicht auszuschließen. Der Absender der Nachweise durfte sich deshalb nicht darauf verlassen, dass diese der Beklagten bei Versendung als einfacher Brief am Freitag, dem 27. Juni 2008, innerhalb der üblichen Postlaufzeiten von ein bis zwei Werktagen bis spätestens Montag, den 30. Juni 2008 zugehen würden.

32

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 2 Nr. 3 der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl I S. 2418) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1976), auf die sich die Klägerin beruft. § 2 Nr. 3 Satz 2 PUDLV verpflichtet die Universaldienstleister im Bereich der Briefbeförderung, von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen - mit Ausnahme der Sendungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von 50 Stück je Einlieferungsvorgang voraussetzen - im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 95 % bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag auszuliefern. Ein Restbestand von 5 % ist ausgenommen für - vom Dienstleister - nicht vorhersehbare und vermeidbare Verzögerungen des Postlaufs. Bei diesen Zielvorgaben handelt es sich schon wegen der Restquote von 5 % weder um eine Garantie, noch wird gegenüber dem Kunden ein Vertrauenstatbestand geschaffen.

33

Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Postlaufverzögerungen betrifft keine materielle Ausschlussfrist und ist deshalb nicht einschlägig. Ob bei dem Verlust der Nachweise auf dem Postweg ein Fall höherer Gewalt vorläge (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17), ist hier nicht zu entscheiden, da die Unterlagen der Beklagten zugegangen sind.

34

Wären die nach den Umständen zu erwartenden Vorkehrungen gegen eine geringfügige Verzögerung der üblichen Postlaufzeit für einfache Schreiben getroffen worden, wäre die Fristversäumnis vermeidbar gewesen. So hätten die Nachweise ohne Weiteres per Expresssendung oder noch am 30. Juni 2008, als die Beklagte den rechtzeitigen Eingang nicht bestätigen konnte, vor Fristablauf per Boten übermittelt werden können. Bei keiner der beiden Alternativen standen die erforderlichen Aufwendungen außer Verhältnis zur Abwendung des drohenden Anspruchsverlusts und seiner wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.