Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 9/10, der Beklagte 1/10 der Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung.
Die am … 1962 geborene Klägerin trat im Zeitraum 2003 bis 2012 mehrfach polizeilich in Erscheinung. Nach zwei Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten wurden gegen die Klägerin seit dem Jahr 2005 insgesamt sieben Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahls durchgeführt. Die Klägerin räumte die Taten - die entwendeten Gegenstände hatten einen Wert zwischen 25 und 127 Euro - der Sache nach ein und gab als Motiv jeweils finanzielle Gründe sowie ihre schwierigen Lebensverhältnisse als alleinerziehende Mutter eines kranken Kindes an. In drei Fällen wurden die Verfahren nach § 153 StPO bzw. § 153a StPO eingestellt, in drei Fällen erfolgten Verurteilungen zu Geldstrafen. Das jüngste Verfahren wurde im August 2012 aufgrund eines Vorfalls vom 10.08.2012 eingeleitet.
Mit Bescheid vom 28.08.2012 ordnete die Polizeidirektion X die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin bis spätestens zum 28.09.2012 an und drohte ihr für den Fall, dass sie dieser Verfügung nicht fristgerecht und nach Bestandskraft nachkomme, ein Zwangsgeld i.H.v. 200,-- EUR an. Inhalt der erkennungsdienstlichen Behandlung sollten die Anfertigung von Lichtbildern und einer Personenbeschreibung sowie die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken sein. Zur Begründung wurde auf § 81b 2. Alt. StPO verwiesen, der die Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen zum Zwecke der sachgerechten Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben der Erforschung und Aufklärung von Straftaten ermögliche, wenn der festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme biete, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin vor, da diese Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren des Polizeipostens X wegen Ladendiebstahls, begangen am 10.08.2012, sei; die Klägerin habe den Tatvorwurf, in dem es um Waren im Gesamtwert von 69,31 EUR gegangen sei, eingeräumt. Bereits im Mai 2012 und im Dezember 2011 sei die Klägerin mit Ladendiebstählen in Erscheinung getreten, und in den Jahren 2005 bis 2008 seien insgesamt vier Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstählen durchgeführt worden. Aus dem in der Vergangenheit gezeigten Verhalten ergebe sich nach kriminalistischer Erfahrung eine Wiederholungsgefahr. Es gebe hinreichende Gründe dafür, dass die Klägerin als Verdächtige in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könne. Angesichts der Häufung der Ermittlungsverfahren und der Höhe des Diebstahlschadens in den einzelnen Fällen erscheine die erkennungsdienstliche Behandlung auch verhältnismäßig.
Die Klägerin legte am 18.09.2012 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass sie den Widerspruch nach Abschluss des Strafverfahrens begründe.
Mit Strafbefehl des Amtsgerichts X vom 25.09.2012, rechtskräftig geworden am 11.10.2012, wurde die Klägerin wegen des am 10.08.2012 begangenen Ladendiebstahls zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu 10,00 EUR verurteilt.
Das Regierungspräsidium Freiburg - Landespolizeidirektion - wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 zurück. Zur Begründung wurden die im Ausgangsbescheid genannten Gründe wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, das Verhalten der Klägerin seit dem Jahr 2005 lasse den Rückschluss auf gewohnheitsmäßiges Handeln zu; insbesondere hätten die bisherigen Verurteilungen sie nicht davon abgehalten, auch weiterhin Straftaten zu begehen. Die Klägerin habe auf finanzielle Nöte als Motiv für die Straftaten verwiesen. Sie sei alleinerziehende Mutter eines 7-jährigen Sohnes und beziehe Sozialleistungen. An diesem Status könne sie erfahrungsgemäß in absehbarer Zeit nichts ändern. Ihr bisher gezeigtes Verhalten wie auch ihre finanziellen Verhältnisse sprächen schon für sich gegen eine günstige Entwicklung, seien vielmehr als Indizien für eine Wiederholungsgefahr zu werten. Dazu komme, dass der Klägerin in einem erst im Juni 2012 abgeschlossenen Strafverfahren quasi als letzte Chance eine Ermahnung erteilt worden sei; bereits sechs Wochen später habe sie erneut einen Ladendiebstahl begangen. Die Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung sei auch mit höherrangigem Recht zu vereinbaren, stelle insbesondere keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar. In der Aufrechterhaltung der Anordnung liege auch kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, da die angegriffene Anordnung keine verbindliche Aussage über Schuld und Unschuld impliziere, sondern allein dazu dienen solle, der Polizei die Bekämpfung zukünftiger Verbrechen oder Vergehen im Interesse eines wirksamen Schutzes der Allgemeinheit zu erleichtern. Angesichts dessen sei es notwendig und erforderlich, aktuelle Lichtbilder und eine Personenbeschreibung von der Klägerin zu fertigen, denn dies ermögliche die Durchführung eines Wiedererkennungsverfahrens. Es sei auch erforderlich, Hand- und Fingerabdruckspuren zu nehmen. Denn nach kriminalistischer Erfahrung bestehe bei Ladendieben die Gefahr, sich des Diebesguts als Beweismittel zu entledigen; durch die Fingerspuren könne das Diebesgut zugeordnet werden.
Die Klägerin hat am 08.11.2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie beteuere, künftig keine Straftaten mehr zu begehen. Sie sei Mutter des siebenjährigen N..., dessen Wohlergehen ihr mehr als alles andere am Herzen liege; sie versuche, ihr Leben bestmöglich zu meistern, stoße aber seit längerem vor allem an ihre finanziellen Grenzen. Grund dafür sei hauptsächlich, dass sie aufgrund der Krankenvorgeschichte ihres Sohnes mit insgesamt fünf Operationen und mehreren längeren stationären Krankenhausaufenthalten und dem Umstand, dass sie ganz alleinerziehend ohne familiäre Unterstützung sei, bislang nicht wieder wie geplant beruflich habe Fuß fassen können. Sie sei gelernte Reiseverkehrskauffrau und habe bis zur Schwangerschaft ihren Lebensunterhalt gut bestreiten können. Sie sei mit 42 Jahren schwanger geworden; ihre Erwartung, ihr Freund werde zum Lebensunterhalt beitragen, habe sich nicht erfüllt, die Beziehung sei gescheitert und er habe noch nie Unterhalt gezahlt. Ihr Sohn sei zwar noch in engmaschiger kinderurologischer Kontrolle, es stehe jedoch kein Eingriff mehr an und es sei damit zum ersten Mal eine Situation eingetreten, dass sie wieder arbeiten könne. Sie habe sich beworben und sei auch beim Job-Center arbeitssuchend gemeldet. Sie sei ziemlich optimistisch, in den nächsten Wochen Arbeit zu finden. Es sei richtig, dass sie im Jahr 2012 mit zwei Strafbefehlen belegt worden sei. Sie habe sich damit auseinandergesetzt. Besonders schlimm sei für sie gewesen, dass beim zweiten Mal ihr Sohn dabei gewesen sei und sie sich wie ein Schwerverbrecher gefühlt habe. Sie sei völlig verzweifelt gewesen und ihr sei klar geworden, dass sie ihrer Vorbildfunktion als Mutter und ihren eigenen moralischen Ansprüchen nicht gerecht geworden sei. Sie habe wahnsinnige Angst vor den Konsequenzen. Sie sei sich der Schuld durchaus bewusst, verstehe aber nicht, dass sie behandelt werde wie jemand, der ein schweres Sexualdelikt oder einen Raubüberfall begangen habe. Bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung würden personenbezogene Daten gespeichert, was einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle. Der Gedanke, dass sie sich inmitten einer „Verbrecherdatei“ wiederfinden solle, fühle sich an wie eine Stigmatisierung und belaste sie sehr. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 16.10.2012 aufzuheben.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 16.10.2012 verwiesen.
13 
Mit Beschluss vom 13.03.2013, ergänzt durch Beschluss vom 08.04.2013, hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt und Rechtsanwalt X, Freiburg, beigeordnet.
14 
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 20.03.2013 der Klägerin rechtliches Gehör gewährt. In ihrem Schreiben vom 05.04.2013 wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren insbesondere im Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
15 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
16 
Soweit die Beteiligten - im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung - nach deren Aufhebung durch den Beklagten den Rechtsstreit übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen.
B.
17 
Im Übrigen ist die Klage gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO als Anfechtungsklage gegen die als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 LVwVfG zu qualifizierende (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/12 -, juris) Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zulässig. Die angefochtene, auf § 81b 2. Alt. StPO gestützte Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist eine Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge und steht nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Strafverfahren. Eine Klage gegen eine solche Anordnung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, für die der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1/11-, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; vgl. auch Schenke, JZ 2007, 707; a.A. Hess. VGH, Beschluss vom 08.12.2010 - 8 E 1698/10 -, juris; Eisenberg/Puschke, JZ 2007, 729). Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris), ergibt sich insoweit nichts anderes, da Maßnahmen außerhalb eines konkreten Strafverfahrens, selbst wenn sie der Strafrechtspflege dienen, jedenfalls keine solchen auf dem Gebiet des Strafprozesses sind, wie es Voraussetzung für die Anwendbarkeit von §§ 23 ff. EGGVG wäre (BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1/11 -, juris).
C.
18 
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
19 
Zunächst hat die Klage nicht bereits deshalb Erfolg, weil die Klägerin im Verwaltungsverfahren unstreitig nicht, wie vom Gesetz verlangt, vom Beklagten gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG angehört worden ist. Denn die Anhörung ist zwischenzeitlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden, der Verfahrensfehler ist mithin gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG geheilt.
II.
20 
Auch aus materiell-rechtlichen Gründen bestehen im Ergebnis keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
21 
1. Der Beklagte hat die hier im Streit stehenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf § 81b 2. Alt. StPO gestützt. Gemäß § 81b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage waren allerdings zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nicht gegeben.
22 
1.1. Voraussetzung der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 81b 2. Alt StPO wäre nämlich zunächst, dass der von der Anordnung Betroffene „Beschuldigter“ ist. Beschuldigter ist ein Tatverdächtigter, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren als Beschuldigter betrieben wird; nur während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann die Anordnung ergehen (BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; SächsOVG, Beschluss vom 10.10.2000 - 3 BS 53/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; BeckOK StPO, Stand 01/2013, § 81b Rn. 1).
23 
1.2. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme nach § 81b 2. Alt StPO wird zwar nicht dadurch berührt, dass der Betroffene nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens, aber vor dem Vollzug der Anordnung die Beschuldigteneigenschaft - durch Freispruch, Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens - verliert. Dies liegt darin begründet, dass im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung erkennungsdienstlicher Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nicht für die Zwecke eines konkreten Strafverfahrens erfolgen, sondern nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung der Strafverfolgungsvorsorge dienen, mit der Folge, dass ein unmittelbarer Zweckzusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der Aufnahme und Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht besteht (BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 28.11.2012 - 10 ZB 12.1468 -, juris; Nieders. OVG, Urteil vom 28.09.2006 - 11 LB 53/06 -, juris).
24 
1.3. Die Klägerin hat vorliegend ihre Beschuldigteneigenschaft jedoch nicht erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens verloren. Vielmehr wurde gegen die Klägerin in dem wegen des am 10.08.2012 begangenen Ladendiebstahls vor dem Amtsgericht X durchgeführten Strafverfahrens, welches Anlass für den Erlass der angefochtenen Anordnung war, am 25.09.2012 ein Strafbefehl verhängt, der am 11.10.2012 rechtskräftig wurde. Rechtskraft trat damit zwar nach Erlass der Anordnung, aber vor Ergehen des Widerspruchsbescheids, der vom 16.10.2012 datiert, ein. Damit war die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 16.10.2012 nicht mehr Beschuldigte i.S.d. § 81b 2. Alt. StPO.
25 
1.3.1. Zwar wird in der Rechtsprechung unter Berufung auf Sinn und Zweck der Regelung vertreten, die tatbestandliche Voraussetzung der Beschuldigteneigenschaft habe im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO nur die Bedeutung, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen auf Fälle begrenzt seien, in denen ein Betroffener in einer solchen Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, dass gegen ihn als Beschuldiger ermittelt werde. Auch wenn die Beschuldigteneigenschaft im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung wieder entfallen sei, habe der Betroffene aber nach wie vor diese Schwelle des Verwickeltseins in ein konkretes Strafverfahren erreicht; damit sei der Anlass für eine erkennungsdienstliche Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO gegeben (SächsOVG, Beschluss vom 10.10.2000 - 3 BS 53/00 -, NVwZ-RR 2001, 238).
26 
1.3.2. Dieser Auffassung steht jedoch entgegen, dass bei einer Anfechtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abzustellen ist. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine verfahrensmäßige Einheit und wird erst mit dem Widerspruchsbescheid abgeschlossen (vgl. zum Folgenden allgemein BVerwG, Beschluss vom 03.11.2006 - 10 B 19/06 -, juris; Urteil vom 01.12.1989 - 8 C 14/88 -, juris; jew. m.w.N.; speziell zu § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -). Die Widerspruchsbehörde hat dabei die Ausgangsentscheidung in vollem Umfang zu überprüfen und eine eigene Sachentscheidung zu treffen, in deren Rahmen sie auch befugt ist, ursprüngliche Fehler des Ausgangsbescheides zu beheben, indem sie etwa die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nachträglich konkretisiert oder Ermessenserwägungen anstellt; dabei hat sie grundsätzlich eine gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, sofern sich aus dem materiellen Recht nicht etwas Abweichendes ergibt. Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsverwaltungsakt seine endgültige, für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dies gilt auch für die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Die Anordnung erhält erst durch den Widerspruchsbescheid ihre entscheidungserhebliche, gerichtlich überprüfbare Gestalt.
27 
Dieser Grundsatz der verfahrensmäßigen Einheit von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid wird durch den Wortlaut der Regelung des § 81b 2. Alt. StPO nicht in Frage gestellt. Der Umstand, dass § 81b 2. Alt. StPO die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen tatbestandlich mit der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen verknüpft, spricht vielmehr dafür, dass diese Verknüpfung auch von der Widerspruchsbehörde zu prüfen ist; nur wenn im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der Betroffene noch Beschuldigter ist, lassen sich erkennungsdienstliche Maßnahmen auf § 81b 2. Alt. StPO stützen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; Bayer. VGH, Urteil vom 09.02.2004 - 24 B 03.695 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris).
28 
Das Abstellen auf den Erlass des Widerspruchsbescheides als dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Beschuldigteneigenschaft führt auch nicht zu unzweckmäßigen Ergebnissen. Zwar können auf Grundlage des § 81b 2. Alt. StPO keine Maßnahmen mehr angeordnet werden, wenn die Beschuldigteneigenschaft während des Widerspruchsverfahrens wegfällt. Doch ist dies keine Folge, die dem Gesetzeszweck zuwiderläuft. Vielmehr nimmt die Regelung durch die in § 81b 2. Alt. StPO vorgegebene Verknüpfung von Anlass und Maßnahme ohnehin in Kauf, dass andere Personen als Beschuldigte nicht erkennungsdienstlich behandelt werden können, obwohl auch bei solchen Personen - wie etwa bei einem kurz vor Erlass des Ausgangsbescheids rechtskräftig Verurteilten - ebenfalls ein Bedürfnis für eine erkennungsdienstliche Behandlung vorliegen kann (OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris).
29 
2. Die angefochtene Verfügung lässt sich jedoch auf § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG stützen.
30 
2.1. Ein derartiger Austausch der Rechtsgrundlage ist dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt. Vielmehr hat das Gericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage durch das Gericht ist nur dann ausgeschlossen, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führte, m.a.W. wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind (BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, juris; vgl. für den Bereich des § 81b 2. Alt. StPO: OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 07.08.2013 - 3 A 295/13 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
31 
Auch der Umstand, dass es sich sowohl bei § 81b 2. Alt. VwGO als auch bei § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG um ermessenseröffnende Normen handelt, steht einem Austausch der Rechtsgrundlage nicht von vornherein entgegen, sofern beide Normen demselben Zweck dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG tragen (zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1989 - 4 C 40/88 -, juris).
32 
2.2. Nach Auffassung der Kammer führt der Austausch der Rechtsgrundlagen vorliegend nicht zu einer Wesensänderung des Bescheides, tragen insbesondere die vom Beklagten im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO angestellten Ermessenserwägungen auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage von § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG.
33 
2.2.1. Aus der Begründung des Ausgangsbescheids vom 28.08.2012 wie auch des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2012 ergibt sich, dass die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen - Lichtbilder, Personenbeschreibung, Finger- und Handflächenabdrücke - dazu dienen sollen, die Klägerin, bei der, so der Beklagte, nach kriminalistischer Erfahrung eine Wiederholungsgefahr bestehe, zukünftig eines Ladendiebstahls überführen bzw. sie diesbezüglich entlasten zu können. Es müsse, so der Beklagte, allein aufgrund der erhobenen Daten möglich sein, eventuell von der Klägerin künftig verübte Straftaten aufzuklären und einen entsprechenden Opferschutz zu gewährleisten. Hierfür seien die Erhebung einer genauen Personenbeschreibung und die Fertigung von Lichtbildern für Zwecke der Durchführung eines Wiedererkennungsverfahrens mit geschädigten Personen sowie die Abnahme von Hand- und Fingerabdrücken mit dem Ziel der Zuordnung von Fingerspuren an weggeworfenem Diebesgut, geeignet und erforderlich. Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen sollen folglich in allererster Linie der sog. Strafverfolgungsvorsorge - der Förderung zukünftiger Ermittlungen - dienen. Der Aspekt der Verbrechensvorbeugung - der Verhinderung der Begehung von Straftaten - klingt in der mehrseitigen Begründung im Widerspruchsbescheid allenfalls an einer einzigen Stelle (Seite 6 2. Absatz) an.
34 
2.2.2. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG dient jedoch ebenso wie § 81b 2. Alt. StPO als Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge.
35 
2.2.2.1. Dem steht zunächst Bundesrecht nicht entgegen. Zwar ist eine Vorschrift, die der Beweisbeschaffung für ein - sei es auch zukünftiges - Strafverfahren dient, dem Strafverfahrensrecht zuzuordnen und unterliegt damit der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 GG (ganz h.M., vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris; BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 11, 30, m.w.N.; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 417). In einem zur Telekommunikationsüberwachung ergangenen Urteil (vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, der Bundesgesetzgeber habe abschließend von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis aus Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, die Verfolgung von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung zu regeln, Gebrauch gemacht mit der Folge, dass die Länder nicht befugt seien, die Polizei zur Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zu ermächtigen. Allerdings lässt sich aus dieser Entscheidung nicht schlussfolgern, der Bereich der Strafverfolgungsvorsorge sei in toto aufgrund abschließender Regelungen durch den Bund der landesrechtlichen Gesetzgebung generell entzogen (so i.Erg. aber Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., § 14 Rn. 58; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 16.09.2009 - 11 ME 402/09 -, juris; unklar Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 30, 126). Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden. Der Eintritt einer Sperrwirkung zu Lasten der Länder setzt insbesondere voraus, dass der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund bei Gesamtwürdigung des Normenkomplexes unter Rückgriff auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien hinreichend erkennbar ist (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, juris; jew. m.w.N.).
36 
Dies ist bezogen auf § 81b 2. Alt. StPO zwar im Hinblick auf die Frage der Fall, welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen einen Beschuldigten zulässig sind; in Bezug auf diesen Personenkreis besteht eine Gesetzkompetenz der Länder nicht mehr (OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG RP, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; OVG NRW, Beschluss vom 13.01.1999 - 5 B 2562/98 -, juris). Hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen hat § 81b 2. Alt. StPO jedoch keinen abschließenden Charakter (vgl. zum Folgenden OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, m.w.N.; Schenke, JZ 2007, 707; vgl. auch Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 419). Weder dem Wortlaut der Regelung selbst noch der systematischen Betrachtung weiterer Regelungen in der StPO zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie § 163b StPO lässt sich entnehmen, § 81b 2. Alt. StPO sei in Bezug auf den Adressatenkreis als abschließend anzusehen. Aus der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich ebenfalls nicht schließen, dass der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung habe treffen wollen. Sinn und Zweck der Regelung schließlich, nämlich die Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere Straftaten zu erleichtern, wird durch eine Erweiterung des Kreises möglicher Adressaten der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil unterstützt.
37 
Vor diesem Hintergrund ist mit der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/12 -, juris; Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; OVG Saarland, Beschluss vom 07.08.2013 - 3 A 295/13 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG RP, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; OVG NRW, Beschluss vom 13.01.1999 - 5 B 2562/98 -, juris; Bayer. VGH; Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -, juris; jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, juris) davon auszugehen, dass es dem Landesgesetzgeber unbenommen bleibt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte i.S.v. § 81b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern etwa auf rechtskräftig Verurteilte oder Schuldunfähige. Entsprechende landesrechtliche Vorschriften sind allerdings jedenfalls verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht dem Anwendungsbereich des § 81b 2. Alt. StPO unterfallen.
38 
2.2.2.2. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG ist dahingehend auszulegen, dass er nicht nur Maßnahmen mit dem Ziel der Verhütung von Straftaten - folglich Maßnahmen, die drohende Rechtsgutverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist - erfasst, sondern auch Maßnahmen mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung in ungewisser Zukunft bevorstehender Straftaten, d.h. mit dem Ziel der Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren (zu den Begrifflichkeiten ausführlich BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris).
39 
Dies ist zwar dem Wortlaut der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG nicht klar zu entnehmen. Wenn dort von der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ die Rede ist, könnte dies auch im Sinne einer reinen Verhinderung zukünftiger Straftaten verstanden werden, denn durch die nachträglich erleichterte Aufklärung einer Straftat wird ihrer Begehung nicht Einhalt geboten, wird ihre Begehung nicht „bekämpft“.
40 
Tatsächlich aber wird der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ganz überwiegend nicht in diesem engen Sinn verstanden. Vielmehr enthalten die Polizeigesetze einer Reihe von Bundesländern eine Legaldefinition des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, die neben der Verhütung zu erwartender Straftaten ausdrücklich auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten erfasst (so etwa § 1 Abs. 4 HSOG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 PolDVG HA, § 1 Abs. 3 ASOG Bln, § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V, § 2 Abs. 1 Thür.PAG; wohl auch § 1 Abs. 1 Satz 2 MEPolG 1986, vgl. Götz, NVwZ 1994, 652 Fn. 57; zu den unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 113 ff.). Auch in Literatur und Rechtsprechung in Baden-Württemberg wird auf die Reichweite des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten entweder gar nicht näher eingegangen (Beltz/Mußmann, PolG BW, 7. Aufl., § 36 Rn. 7 ff.) oder der Bereich der Strafverfolgungsvorsorge wird - meist ohne nähere Begründung - unter den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten subsumiert (vgl. Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 36 Rn. 11; wohl auch Ruder/Schmitt, Polizeirecht BW, 7. Aufl., Rn. 649; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; vgl. auch Urteil vom 29.05.2008 - 1 S 1503/07 -, juris; ausdrücklich a.A. für § 36 Abs. 1 Satz 2 PolG BW Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 30).
41 
Zwar verwundert der Umstand, dass die Strafverfolgungsvorsorge oft ohne nähere Begründung in den polizeirechtlichen Begriff der vorbeugenden Bekämpfung einbezogen wird. Denn immerhin ist hier ein stärker strafprozessualer Bezug gegeben; auch wenn die Verfolgungsvorsorge in zeitlicher Hinsicht präventiv erfolgt, betrifft sie gegenständlich doch das - künftige - repressiv ausgerichtete Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Anders als bei der Vorsorge für die Verhütung von Straftaten handelt es sich bei der Vorsorge für die Strafverfolgung eben gerade um keine reine Aufgabe der Gefahrenabwehr (dazu Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht BW, 6. Aufl., Rn. 181; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 12; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 417 f.). Diese Zwitterstellung der Strafverfolgungsvorsorge führt auch dazu, dass ihr bisweilen eine Rechtsnatur sui generis zugeschrieben wird (vgl. etwa Bock, ZIS 2007, 129). Dieser Umstand ließe es als naheliegend erscheinen, dass ein Landesgesetzgeber, der eine Kompetenz zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge schaffen möchte, dies ausdrücklich tut und hier nicht den wenig spezifischen Begriff der vorsorglichen Bekämpfung von Straftaten wählt. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zur Telekommunikationsüberwachung ergangenen Urteil (vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris) den Begriff der Bekämpfung von Straftaten nur auf den Aspekt ihrer Verhütung, ausdrücklich nicht auch auf ihre Aufklärung bezogen (hierauf verweisend auch Stephan, VBlBW 2005, 410).
42 
Im Ergebnis sind jedoch auch Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge dem präventiven Aufgabenfeld der Polizei zuzurechnen, so dass gegen ihre Einbeziehung in den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 2 PolG keine rechtlichen Bedenken bestehen; eine solche Einbeziehung ist darüber hinaus sachgerecht. Denn die Verfolgungsvorsorge gehört zu einem historisch gewachsenen Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr, welches nur punktuell abschließend durch Bundesgesetz geregelt worden ist (vgl. dazu Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 181). Ihre Einbeziehung in den Begriff der Bekämpfung von Straftaten wird dem Umstand gerecht, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen der Polizei tatsächlich regelmäßig sowohl Aspekten der Verhütung als auch der erleichterten Aufklärung zukünftiger Straftaten dienen dürften und eine strikte Trennung zwischen beiden Zielen kaum handhabbar sein dürfte (dazu Stephan, VBlBW 2005, 410).
43 
2.3. Knüpft mithin die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 81b 2. Alt. StPO wie auch auf Grundlage des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG mit Ausnahme der Beschuldigteneigenschaft an dieselben Tatbestandsvoraussetzungen an und orientiert sich das Ermessen, das die Behörde auszuüben hat, an denselben Maßstäben, so steht einer Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage nichts entgegen.
44 
3. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG sind vorliegend auch erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann der Polizeivollzugsdienst erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen vornehmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass er zukünftig eine Straftat begehen werde.
45 
3.1. Die Klägerin ist zunächst der Begehung einer Straftat, nämlich eines Ladendiebstahls am 10.08.2012, „verdächtig“ i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG. Dem steht nicht entgegen, dass sie wegen dieser Straftat zwischenzeitlich sogar rechtskräftig verurteilt worden ist. Vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass der Betroffene mindestens einer Straftat verdächtig sein muss; sollte er deswegen sogar verurteilt worden sein, ergibt sich die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung in ungleich höherem Maße.
46 
3.2. Die Erforderlichkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 114/79 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris; Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; jew. m.w.N.). Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Erforderlichkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris (zu § 81b StPO); Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 - (den Begriff der „Notwendigkeit“ verwendend)). Für die Beurteilung der Erforderlichkeit kommt es im Falle von - wie hier - nicht vollzogenen Anordnungen auf die Sachlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
47 
An diesem Maßstab gemessen kann die Einschätzung der Beklagten, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei künftigen noch aufzuklärenden Straftaten mit guten Gründen in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen werden könnte, nicht beanstandet werden. Denn die Klägerin trat im Zeitraum 2003 bis 2012 wiederholt polizeilich in Erscheinung. Nach zwei Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten wurden gegen die Klägerin seit dem Jahr 2005 insgesamt sieben Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahls durchgeführt. In drei Fällen wurden die Verfahren nach § 153 StPO bzw. § 153a StPO eingestellt, in mittlerweile vier Fällen erfolgten Verurteilungen zu Geldstrafen.
48 
Die Anzahl der gegen die Klägerin durchgeführten Strafverfahren und die strukturelle Vergleichbarkeit der Taten - seit 2005 ausschließlich Ladendiebstähle, bei denen sie Gegenstände in einem Gesamtwert von (je Diebstahl) 25 bis 127 EUR entwendete - lassen die Prognoseentscheidung des Beklagten jedenfalls als vertretbar erscheinen. Auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eindrücklich und nachvollziehbar erklärte, sie habe die Geschäfte nicht in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, betreten, und ihre Tatbegehung sei mitnichten professionell, sondern spontan und unüberlegt erfolgt, hat die Kammer doch bei einer Gesamtschau den Eindruck gewonnen, bei der Klägerin bestehe - möglicherweise im Zusammenhang mit ihrer schlechten Einkommenssituation sowie dem besonderen Stress, dem sie als allein erziehende Mutter eines kranken Kindes ausgesetzt ist - eine gewisse Neigung zur Begehung von Ladendiebstählen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass sich die Klägerin die für sie als Bedrohung erlebte Aussicht, erkennungsdienstlich behandelt zu werden, sehr zu Herzen nimmt. Auch nimmt die Kammer der Klägerin ihre Beteuerung, sie wisse sehr wohl um den Unrechtsgehalt ihrer Taten und könne zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden, ebenso ab wie den ernsthaften guten Willen, zukünftig keine Straftaten zu begehen und ihrem Sohn ein gutes Vorbild zu sein. Wenn sie aber schildert, sie könne sich die Begehung des letzten Diebstahls im „P B“, den sie nur gut zwei Monate nach dem vorangegangenen Diebstahl und wenige Wochen nach der deshalb erfolgten Verurteilung begangen hat, nicht erklären, es sei wie ein „Blackout“ gewesen, so konnte sie die Kammer nicht davon überzeugen, woher sie nunmehr die Sicherheit nehmen möchte, dass es nicht in Zukunft wieder zu einer Situation kommt, in der sie vom plötzlichen Wunsch, Waren ohne Bezahlung mitzunehmen, übermannt wird. Dies umso mehr, als sich in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen ließ, dass sich die Lebenssituation der Klägerin, insbesondere ihre finanzielle Lage, maßgeblich gebessert haben könnte; denn die Klägerin ist nach wie vor vollumfänglich von Sozialleistungen abhängig und hat gegenwärtig allenfalls vage Aussichten auf einen Wiedereinstieg in ihren Beruf.
49 
Die Kammer hält ferner die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen und die Speicherung entsprechender Daten nicht nur dem Grunde nach für gerechtfertigt; vielmehr hat die Prüfung ergeben, dass auch die konkret angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen - Lichtbilder, Personenbeschreibung, Finger- und Handflächenabdrücke - ihrem Umfang nach notwendig sind. Insoweit hat die Rechtsprechung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Erfordernis formuliert, dass die angefertigten Unterlagen bzw. die gespeicherten Daten gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sein müssen, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann. Dies setzt einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der Art der erhobenen Daten und der Art und Begehungsweise der zu besorgenden Straftaten voraus (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris). Ein derartiger Zusammenhang ist vorliegend jedoch zu bejahen. Nachdem die Klägerin mehrfach wegen Ladendiebstählen auffällig geworden ist, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Lichtbilder sowie eine genaue Personenbeschreibung von der Klägerin künftige Ermittlungsverfahren im Bereich von Ladendiebstählen fördern können. Gleiches gilt - mit Blick auf Diebesgut, dessen sich der Ladendieb entledigt - für Finger- und Handabdrücke. Dabei begegnet die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil zum einen die von der Klägerin begangenen Diebstahlsdelikte, bei denen Waren gestohlen wurden, deren Gesamtwert überwiegend die Geringfügigkeitsschwelle (dazu Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 248a Rn. 8 ff.) überstiegen hat, keinen Bagatellcharakter haben (vgl. die Strafdrohung in § 242 StGB von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe), und zum anderen die angeordneten Maßnahmen nicht mit gravierenden Beeinträchtigungen ihrer grundrechtlich geschützten Belange verbunden sind.
D.
50 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Dem entspricht es, dass der Beklagte die Kosten trägt. Denn er hat sich durch Aufhebung der angefochtenen Zwangsgeldandrohung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben.
51 
Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
52 
Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

Gründe

 
A.
16 
Soweit die Beteiligten - im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung - nach deren Aufhebung durch den Beklagten den Rechtsstreit übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen.
B.
17 
Im Übrigen ist die Klage gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO als Anfechtungsklage gegen die als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 LVwVfG zu qualifizierende (dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/12 -, juris) Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zulässig. Die angefochtene, auf § 81b 2. Alt. StPO gestützte Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist eine Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge und steht nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Strafverfahren. Eine Klage gegen eine solche Anordnung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, für die der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1/11-, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; vgl. auch Schenke, JZ 2007, 707; a.A. Hess. VGH, Beschluss vom 08.12.2010 - 8 E 1698/10 -, juris; Eisenberg/Puschke, JZ 2007, 729). Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris), ergibt sich insoweit nichts anderes, da Maßnahmen außerhalb eines konkreten Strafverfahrens, selbst wenn sie der Strafrechtspflege dienen, jedenfalls keine solchen auf dem Gebiet des Strafprozesses sind, wie es Voraussetzung für die Anwendbarkeit von §§ 23 ff. EGGVG wäre (BVerwG, Beschluss vom 18.05.2011 - 6 B 1/11 -, juris).
C.
18 
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Denn die angefochtene Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
19 
Zunächst hat die Klage nicht bereits deshalb Erfolg, weil die Klägerin im Verwaltungsverfahren unstreitig nicht, wie vom Gesetz verlangt, vom Beklagten gemäß § 28 Abs. 1 LVwVfG angehört worden ist. Denn die Anhörung ist zwischenzeitlich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nachgeholt worden, der Verfahrensfehler ist mithin gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG geheilt.
II.
20 
Auch aus materiell-rechtlichen Gründen bestehen im Ergebnis keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
21 
1. Der Beklagte hat die hier im Streit stehenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf § 81b 2. Alt. StPO gestützt. Gemäß § 81b 2. Alt. StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Die Voraussetzungen dieser Rechtsgrundlage waren allerdings zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides nicht gegeben.
22 
1.1. Voraussetzung der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 81b 2. Alt StPO wäre nämlich zunächst, dass der von der Anordnung Betroffene „Beschuldigter“ ist. Beschuldigter ist ein Tatverdächtigter, gegen den ein Straf- oder Ermittlungsverfahren als Beschuldigter betrieben wird; nur während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann die Anordnung ergehen (BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; SächsOVG, Beschluss vom 10.10.2000 - 3 BS 53/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; BeckOK StPO, Stand 01/2013, § 81b Rn. 1).
23 
1.2. Die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme nach § 81b 2. Alt StPO wird zwar nicht dadurch berührt, dass der Betroffene nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens, aber vor dem Vollzug der Anordnung die Beschuldigteneigenschaft - durch Freispruch, Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens - verliert. Dies liegt darin begründet, dass im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung erkennungsdienstlicher Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nicht für die Zwecke eines konkreten Strafverfahrens erfolgen, sondern nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung der Strafverfolgungsvorsorge dienen, mit der Folge, dass ein unmittelbarer Zweckzusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der Aufnahme und Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht besteht (BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 28.11.2012 - 10 ZB 12.1468 -, juris; Nieders. OVG, Urteil vom 28.09.2006 - 11 LB 53/06 -, juris).
24 
1.3. Die Klägerin hat vorliegend ihre Beschuldigteneigenschaft jedoch nicht erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens verloren. Vielmehr wurde gegen die Klägerin in dem wegen des am 10.08.2012 begangenen Ladendiebstahls vor dem Amtsgericht X durchgeführten Strafverfahrens, welches Anlass für den Erlass der angefochtenen Anordnung war, am 25.09.2012 ein Strafbefehl verhängt, der am 11.10.2012 rechtskräftig wurde. Rechtskraft trat damit zwar nach Erlass der Anordnung, aber vor Ergehen des Widerspruchsbescheids, der vom 16.10.2012 datiert, ein. Damit war die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 16.10.2012 nicht mehr Beschuldigte i.S.d. § 81b 2. Alt. StPO.
25 
1.3.1. Zwar wird in der Rechtsprechung unter Berufung auf Sinn und Zweck der Regelung vertreten, die tatbestandliche Voraussetzung der Beschuldigteneigenschaft habe im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO nur die Bedeutung, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen auf Fälle begrenzt seien, in denen ein Betroffener in einer solchen Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, dass gegen ihn als Beschuldiger ermittelt werde. Auch wenn die Beschuldigteneigenschaft im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung wieder entfallen sei, habe der Betroffene aber nach wie vor diese Schwelle des Verwickeltseins in ein konkretes Strafverfahren erreicht; damit sei der Anlass für eine erkennungsdienstliche Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO gegeben (SächsOVG, Beschluss vom 10.10.2000 - 3 BS 53/00 -, NVwZ-RR 2001, 238).
26 
1.3.2. Dieser Auffassung steht jedoch entgegen, dass bei einer Anfechtungsklage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung abzustellen ist. Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine verfahrensmäßige Einheit und wird erst mit dem Widerspruchsbescheid abgeschlossen (vgl. zum Folgenden allgemein BVerwG, Beschluss vom 03.11.2006 - 10 B 19/06 -, juris; Urteil vom 01.12.1989 - 8 C 14/88 -, juris; jew. m.w.N.; speziell zu § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -). Die Widerspruchsbehörde hat dabei die Ausgangsentscheidung in vollem Umfang zu überprüfen und eine eigene Sachentscheidung zu treffen, in deren Rahmen sie auch befugt ist, ursprüngliche Fehler des Ausgangsbescheides zu beheben, indem sie etwa die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nachträglich konkretisiert oder Ermessenserwägungen anstellt; dabei hat sie grundsätzlich eine gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen, sofern sich aus dem materiellen Recht nicht etwas Abweichendes ergibt. Erst der Widerspruchsbescheid gibt dem Ausgangsverwaltungsakt seine endgültige, für den Verwaltungsprozess maßgebliche Gestalt. Dies gilt auch für die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Die Anordnung erhält erst durch den Widerspruchsbescheid ihre entscheidungserhebliche, gerichtlich überprüfbare Gestalt.
27 
Dieser Grundsatz der verfahrensmäßigen Einheit von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid wird durch den Wortlaut der Regelung des § 81b 2. Alt. StPO nicht in Frage gestellt. Der Umstand, dass § 81b 2. Alt. StPO die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen tatbestandlich mit der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen verknüpft, spricht vielmehr dafür, dass diese Verknüpfung auch von der Widerspruchsbehörde zu prüfen ist; nur wenn im Zeitpunkt ihrer Entscheidung der Betroffene noch Beschuldigter ist, lassen sich erkennungsdienstliche Maßnahmen auf § 81b 2. Alt. StPO stützen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; Bayer. VGH, Urteil vom 09.02.2004 - 24 B 03.695 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; offen gelassen von BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, juris).
28 
Das Abstellen auf den Erlass des Widerspruchsbescheides als dem maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Beschuldigteneigenschaft führt auch nicht zu unzweckmäßigen Ergebnissen. Zwar können auf Grundlage des § 81b 2. Alt. StPO keine Maßnahmen mehr angeordnet werden, wenn die Beschuldigteneigenschaft während des Widerspruchsverfahrens wegfällt. Doch ist dies keine Folge, die dem Gesetzeszweck zuwiderläuft. Vielmehr nimmt die Regelung durch die in § 81b 2. Alt. StPO vorgegebene Verknüpfung von Anlass und Maßnahme ohnehin in Kauf, dass andere Personen als Beschuldigte nicht erkennungsdienstlich behandelt werden können, obwohl auch bei solchen Personen - wie etwa bei einem kurz vor Erlass des Ausgangsbescheids rechtskräftig Verurteilten - ebenfalls ein Bedürfnis für eine erkennungsdienstliche Behandlung vorliegen kann (OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris).
29 
2. Die angefochtene Verfügung lässt sich jedoch auf § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG stützen.
30 
2.1. Ein derartiger Austausch der Rechtsgrundlage ist dem Verwaltungsgericht nicht verwehrt. Vielmehr hat das Gericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage durch das Gericht ist nur dann ausgeschlossen, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führte, m.a.W. wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind (BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, juris; vgl. für den Bereich des § 81b 2. Alt. StPO: OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 07.08.2013 - 3 A 295/13 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
31 
Auch der Umstand, dass es sich sowohl bei § 81b 2. Alt. VwGO als auch bei § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG um ermessenseröffnende Normen handelt, steht einem Austausch der Rechtsgrundlage nicht von vornherein entgegen, sofern beide Normen demselben Zweck dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG tragen (zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1989 - 4 C 40/88 -, juris).
32 
2.2. Nach Auffassung der Kammer führt der Austausch der Rechtsgrundlagen vorliegend nicht zu einer Wesensänderung des Bescheides, tragen insbesondere die vom Beklagten im Rahmen des § 81b 2. Alt. StPO angestellten Ermessenserwägungen auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage von § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG.
33 
2.2.1. Aus der Begründung des Ausgangsbescheids vom 28.08.2012 wie auch des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2012 ergibt sich, dass die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen - Lichtbilder, Personenbeschreibung, Finger- und Handflächenabdrücke - dazu dienen sollen, die Klägerin, bei der, so der Beklagte, nach kriminalistischer Erfahrung eine Wiederholungsgefahr bestehe, zukünftig eines Ladendiebstahls überführen bzw. sie diesbezüglich entlasten zu können. Es müsse, so der Beklagte, allein aufgrund der erhobenen Daten möglich sein, eventuell von der Klägerin künftig verübte Straftaten aufzuklären und einen entsprechenden Opferschutz zu gewährleisten. Hierfür seien die Erhebung einer genauen Personenbeschreibung und die Fertigung von Lichtbildern für Zwecke der Durchführung eines Wiedererkennungsverfahrens mit geschädigten Personen sowie die Abnahme von Hand- und Fingerabdrücken mit dem Ziel der Zuordnung von Fingerspuren an weggeworfenem Diebesgut, geeignet und erforderlich. Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen sollen folglich in allererster Linie der sog. Strafverfolgungsvorsorge - der Förderung zukünftiger Ermittlungen - dienen. Der Aspekt der Verbrechensvorbeugung - der Verhinderung der Begehung von Straftaten - klingt in der mehrseitigen Begründung im Widerspruchsbescheid allenfalls an einer einzigen Stelle (Seite 6 2. Absatz) an.
34 
2.2.2. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG dient jedoch ebenso wie § 81b 2. Alt. StPO als Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge.
35 
2.2.2.1. Dem steht zunächst Bundesrecht nicht entgegen. Zwar ist eine Vorschrift, die der Beweisbeschaffung für ein - sei es auch zukünftiges - Strafverfahren dient, dem Strafverfahrensrecht zuzuordnen und unterliegt damit der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 GG (ganz h.M., vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris; BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 11, 30, m.w.N.; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 417). In einem zur Telekommunikationsüberwachung ergangenen Urteil (vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, der Bundesgesetzgeber habe abschließend von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis aus Art 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, die Verfolgung von Straftaten durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung zu regeln, Gebrauch gemacht mit der Folge, dass die Länder nicht befugt seien, die Polizei zur Telekommunikationsüberwachung zum Zwecke der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zu ermächtigen. Allerdings lässt sich aus dieser Entscheidung nicht schlussfolgern, der Bereich der Strafverfolgungsvorsorge sei in toto aufgrund abschließender Regelungen durch den Bund der landesrechtlichen Gesetzgebung generell entzogen (so i.Erg. aber Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., § 14 Rn. 58; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 16.09.2009 - 11 ME 402/09 -, juris; unklar Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 30, 126). Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden. Der Eintritt einer Sperrwirkung zu Lasten der Länder setzt insbesondere voraus, dass der Gebrauch der Kompetenz durch den Bund bei Gesamtwürdigung des Normenkomplexes unter Rückgriff auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien hinreichend erkennbar ist (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, juris; jew. m.w.N.).
36 
Dies ist bezogen auf § 81b 2. Alt. StPO zwar im Hinblick auf die Frage der Fall, welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen einen Beschuldigten zulässig sind; in Bezug auf diesen Personenkreis besteht eine Gesetzkompetenz der Länder nicht mehr (OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG RP, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; OVG NRW, Beschluss vom 13.01.1999 - 5 B 2562/98 -, juris). Hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen hat § 81b 2. Alt. StPO jedoch keinen abschließenden Charakter (vgl. zum Folgenden OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, m.w.N.; Schenke, JZ 2007, 707; vgl. auch Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 419). Weder dem Wortlaut der Regelung selbst noch der systematischen Betrachtung weiterer Regelungen in der StPO zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen wie § 163b StPO lässt sich entnehmen, § 81b 2. Alt. StPO sei in Bezug auf den Adressatenkreis als abschließend anzusehen. Aus der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich ebenfalls nicht schließen, dass der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung habe treffen wollen. Sinn und Zweck der Regelung schließlich, nämlich die Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere Straftaten zu erleichtern, wird durch eine Erweiterung des Kreises möglicher Adressaten der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht in Frage gestellt, sondern im Gegenteil unterstützt.
37 
Vor diesem Hintergrund ist mit der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/12 -, juris; Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; OVG Saarland, Beschluss vom 07.08.2013 - 3 A 295/13 -, juris; OVG Hamburg, Urteil vom 11.04.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris; OVG RP, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 238; OVG NRW, Beschluss vom 13.01.1999 - 5 B 2562/98 -, juris; Bayer. VGH; Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -, juris; jew. m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.01.2012 - 6 C 9/11 -, juris) davon auszugehen, dass es dem Landesgesetzgeber unbenommen bleibt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte i.S.v. § 81b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern etwa auf rechtskräftig Verurteilte oder Schuldunfähige. Entsprechende landesrechtliche Vorschriften sind allerdings jedenfalls verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht dem Anwendungsbereich des § 81b 2. Alt. StPO unterfallen.
38 
2.2.2.2. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG ist dahingehend auszulegen, dass er nicht nur Maßnahmen mit dem Ziel der Verhütung von Straftaten - folglich Maßnahmen, die drohende Rechtsgutverletzungen von vornherein und in einem Stadium verhindern sollen, in dem es noch nicht zu strafwürdigem Unrecht gekommen ist - erfasst, sondern auch Maßnahmen mit dem Ziel der Vorsorge für die Verfolgung in ungewisser Zukunft bevorstehender Straftaten, d.h. mit dem Ziel der Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren (zu den Begrifflichkeiten ausführlich BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris).
39 
Dies ist zwar dem Wortlaut der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG nicht klar zu entnehmen. Wenn dort von der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ die Rede ist, könnte dies auch im Sinne einer reinen Verhinderung zukünftiger Straftaten verstanden werden, denn durch die nachträglich erleichterte Aufklärung einer Straftat wird ihrer Begehung nicht Einhalt geboten, wird ihre Begehung nicht „bekämpft“.
40 
Tatsächlich aber wird der Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ganz überwiegend nicht in diesem engen Sinn verstanden. Vielmehr enthalten die Polizeigesetze einer Reihe von Bundesländern eine Legaldefinition des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, die neben der Verhütung zu erwartender Straftaten ausdrücklich auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten erfasst (so etwa § 1 Abs. 4 HSOG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 PolDVG HA, § 1 Abs. 3 ASOG Bln, § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V, § 2 Abs. 1 Thür.PAG; wohl auch § 1 Abs. 1 Satz 2 MEPolG 1986, vgl. Götz, NVwZ 1994, 652 Fn. 57; zu den unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl., S. 113 ff.). Auch in Literatur und Rechtsprechung in Baden-Württemberg wird auf die Reichweite des Begriffs der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten entweder gar nicht näher eingegangen (Beltz/Mußmann, PolG BW, 7. Aufl., § 36 Rn. 7 ff.) oder der Bereich der Strafverfolgungsvorsorge wird - meist ohne nähere Begründung - unter den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten subsumiert (vgl. Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 36 Rn. 11; wohl auch Ruder/Schmitt, Polizeirecht BW, 7. Aufl., Rn. 649; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; vgl. auch Urteil vom 29.05.2008 - 1 S 1503/07 -, juris; ausdrücklich a.A. für § 36 Abs. 1 Satz 2 PolG BW Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 30).
41 
Zwar verwundert der Umstand, dass die Strafverfolgungsvorsorge oft ohne nähere Begründung in den polizeirechtlichen Begriff der vorbeugenden Bekämpfung einbezogen wird. Denn immerhin ist hier ein stärker strafprozessualer Bezug gegeben; auch wenn die Verfolgungsvorsorge in zeitlicher Hinsicht präventiv erfolgt, betrifft sie gegenständlich doch das - künftige - repressiv ausgerichtete Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Anders als bei der Vorsorge für die Verhütung von Straftaten handelt es sich bei der Vorsorge für die Strafverfolgung eben gerade um keine reine Aufgabe der Gefahrenabwehr (dazu Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht BW, 6. Aufl., Rn. 181; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl., Rn. 12; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., E Rn. 417 f.). Diese Zwitterstellung der Strafverfolgungsvorsorge führt auch dazu, dass ihr bisweilen eine Rechtsnatur sui generis zugeschrieben wird (vgl. etwa Bock, ZIS 2007, 129). Dieser Umstand ließe es als naheliegend erscheinen, dass ein Landesgesetzgeber, der eine Kompetenz zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch zum Zwecke der Strafverfolgungsvorsorge schaffen möchte, dies ausdrücklich tut und hier nicht den wenig spezifischen Begriff der vorsorglichen Bekämpfung von Straftaten wählt. Und auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem zur Telekommunikationsüberwachung ergangenen Urteil (vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris) den Begriff der Bekämpfung von Straftaten nur auf den Aspekt ihrer Verhütung, ausdrücklich nicht auch auf ihre Aufklärung bezogen (hierauf verweisend auch Stephan, VBlBW 2005, 410).
42 
Im Ergebnis sind jedoch auch Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge dem präventiven Aufgabenfeld der Polizei zuzurechnen, so dass gegen ihre Einbeziehung in den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 2 PolG keine rechtlichen Bedenken bestehen; eine solche Einbeziehung ist darüber hinaus sachgerecht. Denn die Verfolgungsvorsorge gehört zu einem historisch gewachsenen Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr, welches nur punktuell abschließend durch Bundesgesetz geregelt worden ist (vgl. dazu Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Aufl., Rn. 181). Ihre Einbeziehung in den Begriff der Bekämpfung von Straftaten wird dem Umstand gerecht, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen der Polizei tatsächlich regelmäßig sowohl Aspekten der Verhütung als auch der erleichterten Aufklärung zukünftiger Straftaten dienen dürften und eine strikte Trennung zwischen beiden Zielen kaum handhabbar sein dürfte (dazu Stephan, VBlBW 2005, 410).
43 
2.3. Knüpft mithin die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung auf Grundlage des § 81b 2. Alt. StPO wie auch auf Grundlage des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG mit Ausnahme der Beschuldigteneigenschaft an dieselben Tatbestandsvoraussetzungen an und orientiert sich das Ermessen, das die Behörde auszuüben hat, an denselben Maßstäben, so steht einer Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage nichts entgegen.
44 
3. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG sind vorliegend auch erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann der Polizeivollzugsdienst erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen vornehmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, dass er zukünftig eine Straftat begehen werde.
45 
3.1. Die Klägerin ist zunächst der Begehung einer Straftat, nämlich eines Ladendiebstahls am 10.08.2012, „verdächtig“ i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG. Dem steht nicht entgegen, dass sie wegen dieser Straftat zwischenzeitlich sogar rechtskräftig verurteilt worden ist. Vielmehr ist die Regelung so zu verstehen, dass der Betroffene mindestens einer Straftat verdächtig sein muss; sollte er deswegen sogar verurteilt worden sein, ergibt sich die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung in ungleich höherem Maße.
46 
3.2. Die Erforderlichkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 114/79 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris; Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -; jew. m.w.N.). Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Erforderlichkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris (zu § 81b StPO); Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 - (den Begriff der „Notwendigkeit“ verwendend)). Für die Beurteilung der Erforderlichkeit kommt es im Falle von - wie hier - nicht vollzogenen Anordnungen auf die Sachlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
47 
An diesem Maßstab gemessen kann die Einschätzung der Beklagten, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei künftigen noch aufzuklärenden Straftaten mit guten Gründen in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen werden könnte, nicht beanstandet werden. Denn die Klägerin trat im Zeitraum 2003 bis 2012 wiederholt polizeilich in Erscheinung. Nach zwei Verfahren wegen Körperverletzungsdelikten wurden gegen die Klägerin seit dem Jahr 2005 insgesamt sieben Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahls durchgeführt. In drei Fällen wurden die Verfahren nach § 153 StPO bzw. § 153a StPO eingestellt, in mittlerweile vier Fällen erfolgten Verurteilungen zu Geldstrafen.
48 
Die Anzahl der gegen die Klägerin durchgeführten Strafverfahren und die strukturelle Vergleichbarkeit der Taten - seit 2005 ausschließlich Ladendiebstähle, bei denen sie Gegenstände in einem Gesamtwert von (je Diebstahl) 25 bis 127 EUR entwendete - lassen die Prognoseentscheidung des Beklagten jedenfalls als vertretbar erscheinen. Auch wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eindrücklich und nachvollziehbar erklärte, sie habe die Geschäfte nicht in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, betreten, und ihre Tatbegehung sei mitnichten professionell, sondern spontan und unüberlegt erfolgt, hat die Kammer doch bei einer Gesamtschau den Eindruck gewonnen, bei der Klägerin bestehe - möglicherweise im Zusammenhang mit ihrer schlechten Einkommenssituation sowie dem besonderen Stress, dem sie als allein erziehende Mutter eines kranken Kindes ausgesetzt ist - eine gewisse Neigung zur Begehung von Ladendiebstählen. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass sich die Klägerin die für sie als Bedrohung erlebte Aussicht, erkennungsdienstlich behandelt zu werden, sehr zu Herzen nimmt. Auch nimmt die Kammer der Klägerin ihre Beteuerung, sie wisse sehr wohl um den Unrechtsgehalt ihrer Taten und könne zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden, ebenso ab wie den ernsthaften guten Willen, zukünftig keine Straftaten zu begehen und ihrem Sohn ein gutes Vorbild zu sein. Wenn sie aber schildert, sie könne sich die Begehung des letzten Diebstahls im „P B“, den sie nur gut zwei Monate nach dem vorangegangenen Diebstahl und wenige Wochen nach der deshalb erfolgten Verurteilung begangen hat, nicht erklären, es sei wie ein „Blackout“ gewesen, so konnte sie die Kammer nicht davon überzeugen, woher sie nunmehr die Sicherheit nehmen möchte, dass es nicht in Zukunft wieder zu einer Situation kommt, in der sie vom plötzlichen Wunsch, Waren ohne Bezahlung mitzunehmen, übermannt wird. Dies umso mehr, als sich in der mündlichen Verhandlung nicht feststellen ließ, dass sich die Lebenssituation der Klägerin, insbesondere ihre finanzielle Lage, maßgeblich gebessert haben könnte; denn die Klägerin ist nach wie vor vollumfänglich von Sozialleistungen abhängig und hat gegenwärtig allenfalls vage Aussichten auf einen Wiedereinstieg in ihren Beruf.
49 
Die Kammer hält ferner die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen und die Speicherung entsprechender Daten nicht nur dem Grunde nach für gerechtfertigt; vielmehr hat die Prüfung ergeben, dass auch die konkret angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen - Lichtbilder, Personenbeschreibung, Finger- und Handflächenabdrücke - ihrem Umfang nach notwendig sind. Insoweit hat die Rechtsprechung als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Erfordernis formuliert, dass die angefertigten Unterlagen bzw. die gespeicherten Daten gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sein müssen, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann. Dies setzt einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der Art der erhobenen Daten und der Art und Begehungsweise der zu besorgenden Straftaten voraus (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, juris). Ein derartiger Zusammenhang ist vorliegend jedoch zu bejahen. Nachdem die Klägerin mehrfach wegen Ladendiebstählen auffällig geworden ist, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass Lichtbilder sowie eine genaue Personenbeschreibung von der Klägerin künftige Ermittlungsverfahren im Bereich von Ladendiebstählen fördern können. Gleiches gilt - mit Blick auf Diebesgut, dessen sich der Ladendieb entledigt - für Finger- und Handabdrücke. Dabei begegnet die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil zum einen die von der Klägerin begangenen Diebstahlsdelikte, bei denen Waren gestohlen wurden, deren Gesamtwert überwiegend die Geringfügigkeitsschwelle (dazu Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 248a Rn. 8 ff.) überstiegen hat, keinen Bagatellcharakter haben (vgl. die Strafdrohung in § 242 StGB von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe), und zum anderen die angeordneten Maßnahmen nicht mit gravierenden Beeinträchtigungen ihrer grundrechtlich geschützten Belange verbunden sind.
D.
50 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Dem entspricht es, dass der Beklagte die Kosten trägt. Denn er hat sich durch Aufhebung der angefochtenen Zwangsgeldandrohung freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben.
51 
Die Kostenentscheidung im Übrigen folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
52 
Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

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(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Gründe

1

Die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassene weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht den Verwaltungsrechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt.

2

Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der angegriffenen behördlichen Entscheidung über die Anfertigung von Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b 2. Alternative StPO) begehrt, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die mangels einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere scheidet eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581) - EGGVG - aus. Diese Bestimmung weist Entscheidungen über Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden - die übrigen in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Sachgebiete kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht -, den ordentlichen Gerichten zu. Diese Vorschrift erfasst nur Rechtsstreitigkeiten über Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die zur Verfolgung einer strafbaren Handlung getroffen worden sind (vgl. Urteile vom 3. Dezember 1974 - BVerwG 1 C 26.72 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 138 und - BVerwG 1 C 11.73 - BVerwGE 47, 255 ). Dazu gehören aus dem Regelungsbereich des § 81b StPO nur solche - vorliegend nicht im Streit befindliche - Maßnahmen, die nach der ersten Alternative dieser Vorschrift der Durchführung des Strafverfahrens gegen den Betroffenen dienen, nicht dagegen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die aufgrund des § 81b 2. Alternative StPO für Zwecke des Erkennungsdienstes und damit nicht für Zwecke der Strafverfolgung ergangen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung solcher erkennungsdienstlichen Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. Urteile vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 <195 f.> und vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 2.05 - Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 1989 - BVerwG 1 B 85.89 - DÖV 1990, 117). Auch für den vorliegenden Fall wurde nach den Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin gemäß § 81b 2. Alternative StPO nicht wegen des konkret gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Ladendiebstahls am 24. November angeordnet, sondern als Vorsorge für die Durchführung künftiger Strafverfahren (Beschluss S. 5).

3

Während § 81b 1. Alternative StPO mit der ausdrücklichen Benennung der tatbestandlichen Voraussetzung "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens" der Strafverfolgung dient, soll die Ermächtigung in § 81b 2. Alternative StPO der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere oder später bekannt werdende Straftaten zugute kommen. Es handelt sich bei § 81b 2. Alternative StPO nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge, die außerhalb konkreter Strafverfahren erfolgen und auf die deshalb die §§ 23 ff. EGGVG nicht anwendbar sind (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 30 und Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Die dagegen vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Einwände überzeugen den Senat nicht.

4

Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht darin zu folgen, dass gegen die Zuordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO zum Recht der Gefahrenabwehr spreche, dass sie der Strafverfolgungsvorsorge dienten. Auch solche Maßnahmen dienen nicht dem Zweck der Verfolgung begangener Straftaten und sind deshalb Instrumente des Polizeirechts. Aus der vom Verwaltungsgerichtshof für seine abweichende Auffassung in Anspruch genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen und dem Bundesgesetzgeber für die Verhütung einer Straftat die Gesetzgebungskompetenz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30 f.> und Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368 f. und 370 f.>). Daraus folgt nichts für die hier interessierende Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge. Dies gilt gleichermaßen für die vom Verwaltungsgerichtshof auch in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <211 ff.>). Da die beiden Alternativen des § 81b StPO unterschiedliche Zwecke verfolgen, kann - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofs - die Zuweisung von Streitigkeiten über Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO an die ordentliche Gerichtsbarkeit auch nicht damit begründet werden, dass für die Anfechtung von Maßnahmen im Sinne der ersten Alternative des § 81b StPO nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die ordentlichen Gerichte zuständig seien und dies für den Streit um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen "desselben Rechtsgebiets" nicht anders gesehen werden könne.

5

Die Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen dient zwar der Strafrechtspflege, erfolgt jedoch außerhalb eines konkreten Strafverfahrens; mithin liegt keine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafprozesses vor, und die §§ 23 ff. EGGVG sind deshalb nicht anwendbar (Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Schließlich spricht, soweit entsprechende Befugnisse - wie dies meist zutrifft - in den Polizeigesetzen der Länder geregelt sind, der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dafür, hier wie auch sonst bei polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen den Rechtsweg gemäß § 40 VwGO für einschlägig anzusehen. Das liegt umso näher, als die entsprechenden Strafverfolgungsvorsorgebefugnisse nicht für die Staatsanwaltschaft gelten und damit wesentliche Gründe, welche sonst bei Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei für die Ergreifung des Rechtswegs gemäß § 23 EGGVG sprechen, hier entfallen (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 427).

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anfechtung über die Verweisung löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Gründe

1

Die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassene weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht den Verwaltungsrechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt.

2

Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der angegriffenen behördlichen Entscheidung über die Anfertigung von Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b 2. Alternative StPO) begehrt, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die mangels einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere scheidet eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581) - EGGVG - aus. Diese Bestimmung weist Entscheidungen über Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden - die übrigen in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Sachgebiete kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht -, den ordentlichen Gerichten zu. Diese Vorschrift erfasst nur Rechtsstreitigkeiten über Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die zur Verfolgung einer strafbaren Handlung getroffen worden sind (vgl. Urteile vom 3. Dezember 1974 - BVerwG 1 C 26.72 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 138 und - BVerwG 1 C 11.73 - BVerwGE 47, 255 ). Dazu gehören aus dem Regelungsbereich des § 81b StPO nur solche - vorliegend nicht im Streit befindliche - Maßnahmen, die nach der ersten Alternative dieser Vorschrift der Durchführung des Strafverfahrens gegen den Betroffenen dienen, nicht dagegen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die aufgrund des § 81b 2. Alternative StPO für Zwecke des Erkennungsdienstes und damit nicht für Zwecke der Strafverfolgung ergangen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung solcher erkennungsdienstlichen Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. Urteile vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 <195 f.> und vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 2.05 - Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 1989 - BVerwG 1 B 85.89 - DÖV 1990, 117). Auch für den vorliegenden Fall wurde nach den Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin gemäß § 81b 2. Alternative StPO nicht wegen des konkret gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Ladendiebstahls am 24. November angeordnet, sondern als Vorsorge für die Durchführung künftiger Strafverfahren (Beschluss S. 5).

3

Während § 81b 1. Alternative StPO mit der ausdrücklichen Benennung der tatbestandlichen Voraussetzung "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens" der Strafverfolgung dient, soll die Ermächtigung in § 81b 2. Alternative StPO der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere oder später bekannt werdende Straftaten zugute kommen. Es handelt sich bei § 81b 2. Alternative StPO nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge, die außerhalb konkreter Strafverfahren erfolgen und auf die deshalb die §§ 23 ff. EGGVG nicht anwendbar sind (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 30 und Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Die dagegen vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Einwände überzeugen den Senat nicht.

4

Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht darin zu folgen, dass gegen die Zuordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO zum Recht der Gefahrenabwehr spreche, dass sie der Strafverfolgungsvorsorge dienten. Auch solche Maßnahmen dienen nicht dem Zweck der Verfolgung begangener Straftaten und sind deshalb Instrumente des Polizeirechts. Aus der vom Verwaltungsgerichtshof für seine abweichende Auffassung in Anspruch genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen und dem Bundesgesetzgeber für die Verhütung einer Straftat die Gesetzgebungskompetenz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30 f.> und Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368 f. und 370 f.>). Daraus folgt nichts für die hier interessierende Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge. Dies gilt gleichermaßen für die vom Verwaltungsgerichtshof auch in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <211 ff.>). Da die beiden Alternativen des § 81b StPO unterschiedliche Zwecke verfolgen, kann - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofs - die Zuweisung von Streitigkeiten über Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO an die ordentliche Gerichtsbarkeit auch nicht damit begründet werden, dass für die Anfechtung von Maßnahmen im Sinne der ersten Alternative des § 81b StPO nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die ordentlichen Gerichte zuständig seien und dies für den Streit um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen "desselben Rechtsgebiets" nicht anders gesehen werden könne.

5

Die Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen dient zwar der Strafrechtspflege, erfolgt jedoch außerhalb eines konkreten Strafverfahrens; mithin liegt keine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafprozesses vor, und die §§ 23 ff. EGGVG sind deshalb nicht anwendbar (Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Schließlich spricht, soweit entsprechende Befugnisse - wie dies meist zutrifft - in den Polizeigesetzen der Länder geregelt sind, der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dafür, hier wie auch sonst bei polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen den Rechtsweg gemäß § 40 VwGO für einschlägig anzusehen. Das liegt umso näher, als die entsprechenden Strafverfolgungsvorsorgebefugnisse nicht für die Staatsanwaltschaft gelten und damit wesentliche Gründe, welche sonst bei Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei für die Ergreifung des Rechtswegs gemäß § 23 EGGVG sprechen, hier entfallen (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 427).

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anfechtung über die Verweisung löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 208/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit diesem Urteil wurde die gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sei zwar nicht - wie in dem angefochtenen Bescheid und in dem Widerspruchsbescheid angegeben - § 81 b 2. Alt. StPO, da der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 9.12.2011 nicht mehr Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit kein zulässiger Adressat einer Maßnahme nach § 81 b 2. Alt. StPO mehr gewesen sei. Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme sei vielmehr § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG. Das nachträgliche Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage sei trotz des Vorliegens einer Ermessensentscheidung zulässig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 81 b 2. Alt. StPO und § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG bis auf die Beschuldigteneigenschaft inhaltsgleich und auch die anzustellenden Ermessenserwägungen dieselben seien. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger sei wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Der Kläger sei verdächtig, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben. Zwar sei das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlungen beglichen habe. Ein Restverdacht hinsichtlich der Begehung eines Betruges sei jedoch weiterhin gegeben. Auch bestehe die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergebe sich daraus, dass in der Vergangenheit bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger u.a. wegen Betrugs, Urkundenfälschung, weiterer Vermögensdelikte und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden seien. Dass die Ermittlungsverfahren allesamt eingestellt worden seien, sei unerheblich, da der Tatverdacht zumeist nicht ausgeräumt worden sei, sondern die Einstellungen etwa wegen geringer Schuld (§ 153 Abs. 1 StPO), mit Blick auf sonstige Straftaten (§ 154 Abs. 1 StPO) oder auch mangels hinreichenden Nachweises nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt seien. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei mit Blick auf das Gewicht der dem Kläger in der Vergangenheit vorgeworfenen Taten auch verhältnismäßig.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 15.5.2013 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird

vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164.

Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die vollständige Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung

vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542.

Das Vorbringen des Klägers vermag keine ernstlichen Zweifel im vorgenannten Sinne an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe in unzulässiger Weise die Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausgetauscht, vermag er damit nicht durchzudringen. Dass der Beklagte seine Anordnung auf § 81 b 2. Alt. StPO und nicht auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gestützt hat, steht der Anwendung der letztgenannten Vorschrift durch das Verwaltungsgericht nicht entgegen.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Das Gericht hebt nach dieser Vorschrift einen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. In § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt die Verpflichtung des Gerichts zum Ausdruck zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung hat das Gericht daher alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Hierin liegt keine Umdeutung des Verwaltungsakts in eine andere Maßnahme. Eine Umdeutung besteht in einem verändernden Eingriff in den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, der hier jedoch unverändert bleibt. Andere als im angefochtenen Bescheid genannte Normen und Tatsachen sind nur dann nicht heranzuziehen, wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind, d.h., wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde

vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 - und grundlegend schon Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12/81 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Eine Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides liegt hier indes nicht vor. Die angeordnete Maßnahme bleibt auch auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Strafverfolgungsvorsorge. Die erkennungsdienstliche Behandlung - Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale sowie Messungen - verändert sich auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG nicht. Die vorgenannte Vorschrift und § 81 b 2. Alt. StPO weisen bis auf den Personenkreis inhaltlich im Wesentlichen dieselben Tatbestandsvoraussetzungen auf. Der Anwendung der Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass es sich sowohl bei § 81 b 2. Alt. StPO als auch bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG um ermessenseröffnende Normen handelt, weil die Normen - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - demselben Zweck, nämlich der Strafverfolgungsvorsorge, dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG tragen

vgl. zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen: BVerwG, Urteil vom 30.6.1989 - 4 C 40/88 -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.12.1999 - B 2 S 73/99 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG, den der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als verfassungsgemäß erachtet hat

vgl. Beschluss vom 13 3.2009 - 3 B 34/09 -, juris,

greifen ebenfalls nicht durch. Die im Zulassungsantrag geäußerten Zweifel an der Gesetzgebungsbefugnis des saarländischen Landesgesetzgebers sind unbegründet.

Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über die Gesetzgebungskompetenz, soweit diese nicht dem Bund zugewiesen ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dient § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge unterfällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung

vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, und BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, jeweils bei juris.

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber eine Maßnahme nach Umfang, Zuständigkeit und Zweck sowie hinsichtlich der für die jeweilige Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen umfassend - ggf. auch durch ein absichtsvolles Unterlassen - geregelt hat. Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Gesetz für unzureichend hält

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, m.w.N., juris.

Im Bereich der Strafverfolgungsvorsorge hat der Bundesgesetzgeber mehrere Regelungen erlassen, von denen vorliegend § 81 b 2. Alt. StPO von Belang ist. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf eine landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Jedoch hat der Bundesgesetzgeber keine allgemein abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, juris,

so dass auch keine Verpflichtung des saarländischen Gesetzgebers bestand, den Bereich der Strafverfolgungsvorsorge aus dem SPolG herauszunehmen

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -; anders aber die Reaktion des niedersächsischen Gesetzgebers auf das o.g. Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 betreffend niedersächsische Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung; vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.2009 - 11 LB 431/08 -, jeweils bei juris.

§ 81 b 2. Alt. StPO ist insbesondere hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht abschließend, so dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Erweiterung des Adressatenkreises auf Nichtbeschuldigte durch die Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Gesetzgebers gedeckt ist

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, betreffend eine entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HmbPolDVG.

Weder aus dem Wortlaut noch der Systematik des § 81 b 2. Alt. StPO noch der Gesetzgebungsgeschichte oder den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber hinsichtlich des Adressatenkreises erkennungsdienstlicher Maßnahmen eine abschließende Regelung getroffen hat

hierzu ausführlich OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris.

Vielmehr spricht der Regelungszweck der Norm dagegen, dieser hinsichtlich des Adressatenkreises abschließenden Charakter beizumessen. Zweck der Strafverfolgungsvorsorge ist es, sächliche Hilfsmittel für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben bereitzustellen, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind. Diesem Zweck entspricht es, wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen auch gegenüber Personen ermöglicht werden, die nicht (mehr) Beschuldigte sind. Insbesondere bei rechtskräftig Verurteilten, aber auch bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen worden sind, und solchen, bei denen das Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, kann es geboten sein, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu gewinnenden Daten für künftige Ermittlungsverfahren vorrätig zu haben, um den jeweils Betroffenen als möglichen Täter überführen oder entlasten zu können. Bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen oder deren Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden sind, kann im Einzelfall weiter ein hinreichender Tatverdacht bestehen, der es rechtfertigen kann, für die Strafverfolgungsvorsorge entsprechende erkennungsdienstliche Unterlagen bereitzuhalten. Auch im Hinblick auf rechtskräftig Verurteilte ist kein einleuchtender Grund erkennbar, warum die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen während der Ermittlungen zulässig sein sollte, nach der Verurteilung jedoch nicht mehr.

Demnach war der Landesgesetzgeber befugt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern

so auch OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 - m.w.N.; im Ergebnis ebenso VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -; OVG Schleswig, Urteil vom 5.5.1998 - 4 L 1/98 -, NJW 1999, 1418; OVG Münster, Beschluss vom 13.1.1999 - 5 B 2562/98 -, jeweils bei juris; so im Ergebnis auch Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2011, E Rdnr. 419.

Mit Blick auf § 81 b 2. Alt. StPO ist die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG allerdings verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht nach § 81 b 2. Alt. StPO zulässig oder ausgeschlossen sind.

Ist somit die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Regelung von der Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Landesgesetzgebers gedeckt und sind sonstige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG weder vorgetragen noch erkennbar, bestehen auch von daher keine Bedenken gegen die Heranziehung der vorgenannten Vorschrift als Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung.

Da - wie eingangs bereits dargelegt - das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO -auch alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen hat, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Akten mehrerer Ermittlungsverfahren, u.a. derjenigen wegen Warenkreditbetrugs, herangezogen hat. Inwiefern dies - wie der Kläger vorträgt - die Kompetenz des Gerichts überschritten haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Des Weiteren vermag der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Subsumtion des Verwaltungsgerichts nicht durchzudringen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger - wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert - zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich gewesen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angeordneten erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht deshalb rechtswidrig, weil die gegen den Kläger geführten Ermittlungen bisher nicht zu einer Verurteilung geführt haben, diese vielmehr jeweils eingestellt wurden.

Des ungeachtet hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass der Kläger im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SPolG hinreichend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben und auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben ist. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, bemisst sich die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere angesichts der Art, Schwere und der Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, sowie Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, jeweils m.w.N., bei juris.

Ob es in der Vergangenheit zu einer Verurteilung des Betroffenen gekommen ist, ist hierbei nicht entscheidend. Vielmehr kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr im vorgenannten Sinne vorliegt, ein Tatvorwurf auch dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. StPO oder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügend Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Gleiches gilt , wenn gemäß § 153 a StPO unter Auflagen oder Weisungen von einer Anklageerhebung abgesehen wird in der Annahme, durch letztgenannte Maßnahmen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigen zu können, oder auch wenn Ermittlungsverfahren mit Blick auf eine geringe Schuld des Betroffenen und ein fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung gemäß § 153 StPO eingestellt werden. In all diesen Fällen ist vielmehr jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der Gründe für die Einstellung des Verfahrens, zu fragen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Betreffenden vollständig entfallen ist oder ob ein Restverdacht gegeben ist, der begründete Anhaltspunkte dafür liefert, dass der Betreffende auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könnte

vgl. bereits Beschluss des Senats vom 15.4.2013 - 3 A 108/12 -; BVerfG, Beschluss vom 16.5.2001 -1 BvR 2257/01-; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, jeweils bei juris.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht im Falle des Klägers hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass dieser auch künftig in Verdacht geraten könnte, eine aufzuklärende strafbare Handlung begangen zu haben und dass die mit den streitgegenständlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass gegen den Kläger bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Warenkreditbetrugs, Betrugs, Urkundenfälschung, Erpressung, gefährlicher Körperverletzung usw. geführt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen, denen der Kläger in der Sache nicht entgegen getreten ist. Wie bereits im Widerspruchsbescheid des Beklagten ausgeführt, weist das polizeiliche Informationssystem für den Zeitraum von 1996 bis 2010 hinsichtlich des Klägers insgesamt 21 Einträge mit strafrechtlicher Relevanz auf. Hinzu kommt das vom Verwaltungsgericht erwähnte, im Jahr 2011 aufgrund einer Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung durch Vortäuschen eines Unfalls sowie ein im Jahr 2012 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Erpressung. Zwar führten diese Ermittlungsverfahren - soweit ersichtlich - bisher nicht zu einer Verurteilung des Klägers. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Ermittlungsverfahren aber nicht eingestellt, weil der zugrunde liegende Tatverdacht ausgeräumt werden konnte. Vielmehr erfolgte etwa die Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlung beglichen, also den entsprechenden Schaden reguliert hatte und das geschädigte Unternehmen sich danach mit einem Absehen von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung einverstanden erklärte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht fortbestehende Verdachtsmomente eines vom Kläger begangenen (bzw. versuchten) Betrugs angenommen. Auch in dem Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung wurde der Schaden - soweit ersichtlich - ausgeglichen. Weitere Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung wurden ebenfalls gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Die Einstellung eines Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgte gemäß § 153 a Abs. 1 StPO unter der Auflage, dass der Kläger an das Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlte. Ausgehend von der Vielzahl gegen den Kläger eingeleiteter Ermittlungsverfahren sowie der Tatsache, dass bei einem erheblichen Teil davon der jeweilige Tatverdacht nicht ausgeräumt wurde, die Verfahrenseinstellung vielmehr aus sonstigen Gründen erfolgte, hat das Verwaltungsgericht zu Recht hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass der Kläger auch künftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.

Auch bestehen keine Bedenken hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Verhältnismäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers, dass sämtliche in der Vergangenheit gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe nicht von erheblichem Gewicht gewesen seien, was bereits durch die Tatsache der Einstellung der jeweiligen Ermittlungsverfahren belegt sei, bleibt ohne Erfolg. Auch wenn die Ermittlungsverfahren zum Teil wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurden, handelt es sich bei den gegenüber dem Kläger erhobenen Tatvorwürfen nicht um bloße Bagatelldelikte, welche eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermögen; vielmehr kommt diesen durchaus erhebliches Gewicht zu. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt ging es allein bei den Warenkreditbetrügereien um einen Gesamtschaden in Höhe von ca. 800,- EUR; bei dem gemeinschaftlichen Betrug einer Versicherung durch Vortäuschen eines Verkehrsunfalls stand ein Schaden in Höhe von 14.600,- EUR in Rede. Auch die gefährliche Körperverletzung, zu deren Ausgleich der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlen musste, ist keinesfalls als Bagatelldelikt anzusehen. Hinzu kommt, dass dem Kläger nicht nur einzelne Verfehlungen vorgeworfen wurden, sondern eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden war. Bei einer Gesamtschau der dem Kläger zur Last gelegten Taten, bei denen der jeweilige Tatverdacht - ungeachtet der Verfahrenseinstellung - in der Sache fortbesteht, ist ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung eventueller künftiger Straftaten, bei denen der Kläger in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werden könnte, anzunehmen. Dieses Aufklärungsinteresse überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner personenbezogenen Daten. Insofern erscheint die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch nicht als unverhältnismäßig.

Dass der Beklagte den Kläger nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung erneut – wohl versehentlich – unter Verweis auf § 81 b 2. Alt. StPO statt auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen hat, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung ohne Belang.

Nach alledem vermögen die vom Kläger im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände den allein geltend gemachten Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Reeperbahn wurde seit März 2006 durch 12 Videokameras offen polizeilich überwacht. Die verwendeten Kameras können um 360Grad geschwenkt und variabel geneigt werden, verfügen über eine Zoomfunktion und wurden in der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) der Beklagten gesteuert. Dort wurden die Bilder auf eine Monitorwand übertragen, die aus 12 Bildschirmen für die einzelnen Kamerastandorte und einem größeren, mittig angeordneten Bildschirm bestand, auf dem jeweils ein Kamerabild als Großbild aufgeschaltet werden konnte. Die Videobilder wurden durch Mitarbeiter der PEZ täglich 24 Stunden lang überwacht. Zum Schutz der während des Schwenkens erfassten Privatbereiche wurde eine sog. "Schwarzschaltung" etabliert.

2

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Gebäudes mit der Straßenbezeichnung ... Eine der Kameras wurde gegenüber diesem Gebäude an einem Pfahl auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in ungefähr 4 m Höhe befestigt und erfasste in ihrem Schwenkbereich auch das Wohnhaus der Klägerin einschließlich der von ihr bewohnten Räume.

3

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, Videoaufnahmen durch die Fenster ihrer Wohnung mittels mechanischer Sperren an der Videokamera vor ihrem Haus (z.B. durch Verhüllen mit einer Mülltüte) unmöglich zu machen. Zur Begründung berief sie sich auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die bereits praktizierte "Schwarzschaltung" zum Schutz privater Bereiche ab.

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Videokamera freizuschalten, soweit sie die Wohnung der Klägerin erfasste. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 untersagt, die "Schwarzschaltung" der Videokamera aufzuheben, soweit diese die Wohnung der Klägerin erfasst hat. Soweit die Klägerin ergänzend beantragt hat, der Beklagten eine dauerhafte "Schwarzschaltung" auch hinsichtlich des Eingangsbereichs ihres Hauses aufzugeben, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Eingangsbereich nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 GG umfasst werde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Wohnhauses ... und des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe dieses Hauses angebrachte Videokamera a) nach außen erkennbar unmöglich zu machen, hilfsweise b) zu unterlassen. Mit Urteil vom 22. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu unterlassen. Soweit sich die Klägerin auch gegen eine Überwachung des öffentlichen Straßenraums wandte, hat es die Berufung hingegen zurückgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt: Die Überwachung greife zwar in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch stelle die Regelung des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage dar. Die Norm entspreche dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Dies gelte sowohl mit Blick auf den Gesetzeszweck als auch den sachlich-zeitlichen und sachlich-räumlichen Anwendungsbereich. Dem Land Hamburg stehe die Gesetzgebungskompetenz zu. Soweit die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG die Verhütung von Straftaten bezwecke, sei die Gesetzgebungskompetenz des Landes Hamburg deshalb zu bejahen, weil die der Landesgesetzgebung unterliegende Gefahrenabwehr den Bereich der Straftatenverhütung umfasse. Die Gesetzgebungskompetenz stehe dem Land Hamburg aber auch insoweit zu, als die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG das Ziel einer Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten umfasse. Eine solche Strafverfolgungsvorsorge sei Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und gehöre deshalb gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe zwar in der Strafprozessordnung Regelungen über Bildaufnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung getroffen (§§ 100h, 163f, 81b StPO). Diese Regelungen seien aber mit Bezug auf eine offene Videoüberwachung nicht abschließend. Die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG sei verhältnismäßig. Die Regelung sei zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beklagte habe von der Norm rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Videoüberwachung sei formell rechtmäßig und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG seien erfüllt. Auch habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

6

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren mitgeteilt: Um das Urteil des Oberverwaltungsgerichts umzusetzen und die Hauseingänge von der Überwachung auszunehmen, seien die verpixelten Bereiche deutlich ausgeweitet und damit der räumliche Überwachungsbereich der Kameras erheblich eingeschränkt worden. In der Folge sei die Zahl der Einsätze, die durch die Videoüberwachung ausgelöst worden seien, merklich zurückgegangen. Deshalb sei die anlasslose Dauerüberwachung der Reeperbahn nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG mit Ablauf des 15. Juli 2011 eingestellt und die Kameras senkrecht nach unten ausgerichtet worden. Sie sollten nur noch auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 HmbPolDVG eingesetzt werden, nämlich wenn bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen mit Straftaten zu rechnen sei.

7

Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ausgeführt: Ihr Unterlassungsbegehren sei nicht in der Hauptsache erledigt. Die Überwachung auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 HmbPolDVG könne jederzeit wiederaufgenommen werden, zumal die Beklagte tatsächlich zumindest zwei Kameras weiterhin ständig einsetze. Im Übrigen könne das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überwachung auswechsele. In der Sache sei das Berufungsgericht zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne dieser Eingriff aber nicht auf die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG gestützt werden. Das Land habe diese Vorschrift bereits aus formellen Gründen nicht erlassen dürfen, weil ihm die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle. Durch die §§ 100h i.V.m. 163f StPO habe der Bundesgesetzgeber nicht nur den Bereich der verdeckten, sondern auch der offenen Videoüberwachung geregelt und damit abschließend von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO. Die Formulierung, wonach Bildaufnahmen "auch ohne Wissen der Betroffenen" angefertigt werden könnten, lasse erkennen, dass die Regelung auch Bildaufnahmen umfasse, die mit Wissen der Betroffenen angefertigt würden. Diese Auslegung werde durch die Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/5846 S. 39) werde betont, dass das Wissen der Betroffenen die Überwachung nicht unzulässig mache. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10) klargestellt, dass sich die aus § 100h StPO vermittelte Befugnis weder auf Observationszwecke noch auf Einzelaufnahmen beschränke, sondern auch Videoaufzeichnungen umfasse. Einer landesgesetzlichen Regelung stehe im Übrigen auch § 81b StPO entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 114.79 - BVerwGE 66, 202 <204> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 32) diene die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 StPO nicht der Aufklärung eines konkreten Strafverfahrens, sondern - ähnlich wie die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG - der vorsorgenden Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Strafaufklärung.

8

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG verletze auch den Wesentlichkeitsgrundsatz. Angesichts der Intensität des vorliegenden Eingriffs zähle es zu den wesentlichen normativen Grundlagen, dass die Videoüberwachung nur für Fälle der Straßenkriminalität sowie an Kriminalitätsbrennpunkten anwendbar sei. Diese einschränkenden Merkmale seien aber nicht in der Norm selbst geregelt. Insofern verletze die Regelung den Grundsatz der Bestimmtheit. Sie verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; insoweit fehle es an der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

9

Schließlich fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die Bildaufzeichnung und -speicherung. Insbesondere sei die in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG geregelte Speicherfrist von einem Monat nicht erforderlich.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 und das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera zu unterlassen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera bis zu deren Abschaltung rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig geworden. Die Hauptsache habe sich erledigt. Die Videoüberwachung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG sei eingestellt. Die beiden von der Klägerin erwähnten Kameras dienten nicht der dauernden Überwachung der Reeperbahn, sondern in einem Fall, gestützt auf das Hausrecht, der Überwachung eines Polizeikommissariats, im anderen Fall der Verkehrsüberwachung. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das berechtigte Interesse. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang zu Recht abgewiesen.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für den Erlass des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Landes bestanden.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unterlassungsklage zwar als zulässig angesehen (1.), in dem ausgesprochenen Umfang aber als unbegründet abgewiesen (2.).

15

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag weiterhin zulässig. Das mit ihm verfolgte Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge erledigt, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen wäre.

16

Streitgegenstand der allgemeinen Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestützte Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Vornahme der begehrten Handlung oder zur Unterlassung der beanstandeten Handlung. Die beanstandete Handlung, die die Beklagte unterlassen soll, ist hier eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl S. 187), nämlich die ohne konkreten Anlass vorgenommene und dauernde Videoüberwachung der Reeperbahn. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei unterscheidet in seinem § 8 zwischen der Überwachung von Ansammlungen und Veranstaltungen aus konkretem Anlass (§ 8 Abs. 1 HmbPolDVG) und der anlasslosen dauernden Überwachung von bestimmten, durch die Begehung von Straftaten gekennzeichneten Orten (§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG). Beide Maßnahmen unterscheiden sich nach ihren rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen. Das Unterlassungsbegehren knüpft an die Maßnahme an, die die Beklagte bisher betrieben hat und deren Fortsetzung oder Wiederholung unterbleiben soll. Das ist hier allein eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, die damit zugleich den Lebenssachverhalt darstellt, auf den der Anspruch gestützt ist.

17

Obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag die Videokameras abgeschaltet hat, die der dauernden anlasslosen Videoüberwachung der Reeperbahn dienen, hat sich dadurch nicht das Begehren der Klägerin erledigt, eine solche Überwachung der Reeperbahn durch die Kamera zu unterlassen, die vor dem Haus postiert ist, in dem die Klägerin wohnt.

18

Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).

19

Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.

20

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin beruft sich zwar zu Recht auf eine von der Beklagten ausgehende Wiederholungsgefahr (a)) für einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (b)). Dieser Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt (c)), und die angegriffene Maßnahme der Beklagten hält sich auch nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz in diesem gesetzlichen Rahmen (d)). Der Klägerin steht somit der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu.

21

a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 S. 12, 17) liegt vor. Dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 17). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die anlasslose offene Überwachung der Reeperbahn und insbesondere des Abschnittes vor der Wohnung der Klägerin nicht aufgegeben, weil sie sich deren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht hätte, sondern weil sie den damit verbundenen Aufwand nicht mehr für gerechtfertigt gehalten hat. Aus der Sicht der Klägerin kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre Rechtsansicht einmal wieder ändern könnte und sie dann ohne gerichtliche Entscheidung dem rechtlichen Eingriff erneut ausgesetzt wäre.

22

b) Als Rechtsgrundlage für ihren Unterlassungsanspruch kommen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm - wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird - eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (Urteile vom 14. Dezember 1973 - BVerwG 4 C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <243> = Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 2; vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - NJW 1985, 1481 und vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <189, 199> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11).

23

Den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berührt auch die beobachtende und observierende Tätigkeit der Polizei (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <342> ). Das gilt nicht nur für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Straßenverkehr (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <397 ff.> ; Kammerbeschluss vom 11. August 2009 - 2 BvR 941/08 - DVBl 2009, 1237 und Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 - DAR 2010, 574 ), sondern auch für eine offene Videoüberwachung des öffentlichen Raums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl 2007, 497 ).

24

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung greift die Videoüberwachung jedenfalls insoweit in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, als sie mittels Bildaufzeichnung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG erfolgt. Dies wäre zwar möglicherweise anders zu beurteilen, wenn die aufgezeichneten Bilder unmittelbar nach der Aufzeichnung wieder gelöscht würden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 397). So liegt es hier aber nicht. Wie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG ergibt, soll das aufgezeichnete Bildmaterial mindestens einen Monat lang aufbewahrt werden. Eine derartige Speicherung von Bildmaterial greift insbesondere dann in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wenn das Bildmaterial zur Vorbereitung von belastenden Maßnahmen gegen Personen dienen soll, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, und zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht legt die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BüDrucks 18/1487 S. 15) dahingehend aus, dass die Bildaufzeichnung und Speicherung sowohl der Straftatverhütung durch Abschreckung als auch der Strafverfolgungsvorsorge durch vorbereitende Verschaffung von Beweismaterial dienen soll. Die Bildaufzeichnung greift deshalb in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juli 2003 -1 S 377/02 - NVwZ 2004, 498; VG Halle, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 3 B 121/99 HAL - LKV 2000, 164; Kloepfer/Breitkreutz, DVBl 1998, 1149 <1152>; Roggan, NVwZ 2001, 134 <135>; Fischer, VBlBW 2002, 89 <92>; Collin, JuS 2006, 494; Ellermann, Die Polizei 2006, 271 f.; Saurer, DÖV 2008, 17 <19>; Maximini, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsprävention, S. 89; Schnabel, NVwZ 2010, 1457).

25

Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur den Schutz der Privat- und Intimsphäre gewährleistet, sondern auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung trägt, der sich in die Öffentlichkeit begibt, entfällt der Eingriff in den Schutzbereich nicht dadurch, dass lediglich Daten über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Es ist auch nicht als eine einen Eingriff ausschließende Einwilligung in die Informationserhebung zu werten, wenn sich die Betroffenen in den Erfassungsbereich der Videokameras begeben, obwohl sie aufgrund der angebrachten Hinweisschilder wissen, dass sie gefilmt werden. Das Unterlassen eines ausdrücklichen Protests kann nicht mit einer Einverständniserklärung gleichgesetzt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.).

26

Greift mithin die Videoüberwachung jedenfalls in ihrer Aufzeichnungsform in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, kann dahinstehen, ob auch die bloße Bildübertragung einen solchen Eingriff bewirkt. Die Frage, ob die bloße Bildübertragung (das sog. Kamera-Monitor-Prinzip) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wäre zwar dann zu klären, wenn § 8 Abs. 3 HmbPolDVG die Bildübertragung an andere Voraussetzungen geknüpft hätte als die Bildaufzeichnung oder es hier sogar - wie in dem Fall, der dem Beschluss des VG Halle vom 17. Januar 2000 (a.a.O.) zugrunde lag - ausschließlich um eine Bildübertragung ginge. Dies ist aber bei § 8 Abs. 3 HmbPolDVG - im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen einiger anderer Bundesländer (vgl. dazu: Lang, Die Polizei 2006, 265 <266>) - nicht der Fall. § 8 Abs. 3 HmbPolDVG regelt die Videoüberwachung als einheitliche Beobachtung nebst Speicherung (vgl. Zöller, NVwZ 2005, 1235).

27

c) Der Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen bedürfen aber einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <44> ). Eine solche gesetzliche Grundlage liegt in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besaß zum Erlass dieser Norm die Gesetzgebungsbefugnis (aa)). Die Norm ist ausreichend bestimmt (bb)) und verhältnismäßig (cc)).

28

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG setzt voraus, dass die Beklagte für diese Regelung die Gesetzgebungskompetenz hatte. Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über das Recht der Gesetzgebung, soweit die Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund zugewiesen ist. Zu den bei den Ländern verbleibenden Materien gehört u.a. das Recht der Gefahrenabwehr. Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dahingehend ausgelegt, dass diese Regelung sowohl der Verhütung von Straftaten (aaa)) als auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) (bbb)) dient (Berufungsurteil S. 29).

29

aaa) Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern bzw. eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender, momentan aber noch nicht konkret drohender Gefahren zu ermöglichen. Die Gefahrenvorsorge umfasst auch die Verhütung von noch nicht konkret drohenden Straftaten (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10). Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Zweck, Straftaten der Straßenkriminalität zu verhüten oder - wenn sie drohen - ihre Abwehr vorzubereiten, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen und unterfällt damit aufgrund von Art. 70 GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Verhütung von Straftaten in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Wie weit der Gesetzgeber eine derartige Maßnahme in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzung verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368>).

30

Soweit an öffentlich zugänglichen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, dient die offene Beobachtung dieser Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG der Verhinderung von Straftaten. Die offene ausgewiesene Beobachtung soll potentielle Straftäter von vornherein von der Begehung einer Straftat abschrecken und diese dadurch verhindern. Zur Abschreckung gehört die Bildaufzeichnung. Sie erhöht die Effektivität der Abschreckung, weil der potentielle Täter damit rechnen muss, dass seine Tat aufgezeichnet wird und die Aufzeichnung nicht nur für seine Identifizierung, sondern auch als Beweismittel in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen wird. Die Beobachtung ermöglicht es zudem den damit betrauten Beamten, sich anbahnende Gefahrenlagen, aus denen sich typischerweise Straftaten entwickeln können, rechtzeitig zu erkennen und Beamte vor Ort gezielt einzusetzen.

31

bbb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Videoüberwachung allerdings nicht auf die Ziele beschränkt, Straftaten zu verhüten und deren Abwehr vorzubereiten, sondern sie soll daneben auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten dienen. Diesem Ziel dient die Datenspeicherung, also die Bildaufzeichnung einschließlich der einmonatigen anlasslosen Aufbewahrung. Bei der Strafverfolgungsvorsorge handelt es sich um eine Kategorie des Sicherheitsrechts, die von der Gefahrenvorsorge ebenso wie von der Strafverfolgung zu unterscheiden ist (a1)). Sie gehört - wie die Vorinstanz ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - zu demjenigen Teil der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (b1)), von der der Bund noch nicht abschließend Gebrauch gemacht hat (c1)).

32

a1) Unter Strafverfolgungsvorsorge versteht das Berufungsgericht - in Anlehnung an den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG genannten Gesetzeszweck - die "Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten" (Berufungsurteil S. 20 und 29). Sie dient der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere bzw. später bekannt werdende Straftaten. Ihrer sich nach der Zielrichtung der Maßnahme bestimmenden Abgrenzung von der Gefahrenvorsorge steht nicht im Wege, dass im Einzelfall ein polizeiliches Handeln sowohl unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgungsvorsorge wie auch dem der Gefahrenvorsorge in Betracht kommt (Schenke, a.a.O. § 1 Rn. 11).

33

b1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Strafverfolgungsvorsorge kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, nämlich der Sicherung von Beweismitteln für ein künftiges Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 369; vgl. auch Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30). Daran ändert der Umstand nichts, dass im Unterschied zur Strafverfolgung die Strafverfolgungsvorsorge ebenso wie die Gefahrenvorsorge präventiv ansetzt. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme, anders als bei der Strafverfolgung im herkömmlichen Sinne, an einer bereits begangenen Straftat. Die Verfolgungsvorsorge erfolgt in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren. Die Daten werden zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur möglichen Verwertung in einem künftigen Strafverfahren erhoben. Eine Verwertung der erhobenen Daten für diesen Zweck kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde und daraus strafprozessuale Konsequenzen gezogen werden. Die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen sind insofern dazu bestimmt, in ungewisser Zukunft in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren einzufließen. Es geht - jenseits eines konkreten Anfangsverdachts - um die Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren, nicht um eine präventive Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten. Eine solche Verfolgungsvorsorge gehört zum gerichtlichen Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 370 f.).

34

Die Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge zur Sachmaterie "gerichtliches Verfahren" innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das davon umfasste strafrechtliche Ermittlungsverfahren erst später beginnt. Sowohl im gerichtlichen Hauptverfahren als auch im vorgelagerten Ermittlungsverfahren geht es um die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts gegen einen konkreten Beschuldigten. Dies bedeutet indes nicht, dass nur für Maßnahmen nach Vorliegen eines Anfangsverdachts die kompetenzrechtliche Zuordnung zum gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass vorsorgende Maßnahmen, die sich auf die Durchführung künftiger Strafverfahren beziehen, von der Zuweisung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht erfasst sein sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30>). Die Ungewissheit, ob die vorsorglich gespeicherten Daten für ein späteres Strafverfahren tatsächlich benötigt werden, kann sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auswirken, steht aber der Zuordnung der Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren nicht entgegen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 371).

35

c1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02 u.a. - BVerfGE 109, 190 <229>). Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <300 f.>). Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat. Vielmehr kann auch das absichtsvolle Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327 f.>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 a.a.O. S. 327; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <211 f.>; Beschluss vom 13. Februar 1974 - 2 BvL 11/73 - BVerfGE 36, 314 <320>; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89 - BVerfGE 85, 134 <147>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300; Urteil vom 10. Februar 2004 a.a.O. S. 230).

36

Der hamburgische Gesetzgeber war durch die Vorgaben des Bundes nicht gehindert, die in § 8 Abs. 3 HmbPolDVG enthaltene Regelung über die offene anlasslose Videobeobachtung zu erlassen. Eine möglicherweise abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse - sog. Kodifikationsprinzip - beinhaltet die Strafprozessordnung gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der bei Bestehen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. Die Regelungen des Bundes auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge hingegen sind nicht in einer vergleichbaren Weise dicht, dass sie abschließend wirken. § 6 EGStPO erstreckt sich nicht auf die Strafverfolgungsvorsorge, denn es geht insoweit nicht um Maßnahmen, die vom Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat abhängen. Dies ist anders zu sehen, soweit der Bundesgesetzgeber strafprozessuale Ermächtigungen zur Strafverfolgungsvorsorge geschaffen hat, wie z.B. in § 81b Alt. 2 StPO, § 81g StPO und § 484 StPO. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden; Spielraum bleibt allenfalls für landesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen. Der Bundesgesetzgeber hat aber keine allgemeine abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen. So bestimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO ausdrücklich, dass sich die Verwendung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind oder werden, grundsätzlich nach den Polizeigesetzen richtet. Ausgenommen hiervon wird nur die Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens. Zu beachten ist zudem, dass selbst in Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge normiert hat, dies nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber entsprechende Befugnisse zum Zwecke der mit der Strafverfolgungsvorsorge häufig parallel laufenden Gefahrenvorsorge vorsieht (Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30).

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§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient neben der Gefahrenabwehr gleichrangig der Strafverfolgungsvorsorge in einem Sachbereich, für den der Bund seine Gesetzgebungskompetenz noch nicht mit einer die Länder ausschließenden Wirkung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift dient namentlich durch die Bildaufzeichnung der Gewinnung von Beweismitteln in künftigen Strafverfahren. Dass die Bildaufzeichnungen aufbewahrt werden können, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG), macht die Bildaufzeichnung selbst noch nicht zu einer Maßnahme der Strafverfolgung. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber nur in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise eine künftige Verwendung der gewonnenen Daten geregelt, ohne dass aus diesem einen zugelassenen Verwendungszweck auf den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung geschlossen werden könnte. Ausweislich der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbPolDVG hat der Gesetzgeber die Erhebung von Daten allgemein und damit auch die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) zugelassen. Die offene Beobachtung und damit unmittelbar verbunden die Bildaufzeichnung setzt zu einem Zeitpunkt ein, zu dem nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Straftat beobachtet und aufgezeichnet werden wird. Beobachtung und Aufzeichnung treffen Vorsorge für den Fall, dass eine Straftat im überwachten Bereich geschieht, für deren künftige Verfolgung auf die gewonnenen Daten zurückgegriffen werden kann. Die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG berührt zwar in gewisser Weise den Regelungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermöglicht. § 81b Alt. 2 StPO regelt aber nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bilder für Zwecke künftiger Strafverfolgung angefertigt werden dürfen. Aus dem Regelungsinhalt des § 81b Alt. 2 StPO tritt kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind. Diese weisen erhebliche tatbestandliche Besonderheiten auf. Die dauernde Überwachung von Schwerpunkten der Kriminalität ohne konkreten Anlass entfaltet in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Breitenwirkung, die auf eine substantiell abweichende polizeitaktische Zweckbestimmung verweist, zumal sie funktional mit der Verhütung von Straftaten verknüpft ist. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die landesrechtliche Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG unterlaufe eine bestimmte bundesrechtliche Eingriffsschwelle und verfälsche so die konzeptionelle Entscheidung, die der Bundesgesetzgeber mit § 81b Alt. 2 StPO getroffen habe. Dasselbe gilt mit Blick auf § 100h und § 163f StPO. Bei der Observation nach diesen Bestimmungen handelt es sich um eine verdeckte, auf bestimmte Zielpersonen fokussierte Ermittlungsmaßnahme, die im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person bedeutsame Unterschiede zur offenen Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung aufweist. Zwar hat der Bundesgesetzgeber in § 100h StPO klargestellt, dass die an sich verdeckt gedachte Observation nicht abgebrochen werden muss, wenn der Betroffene sie gewahr wird. Das rückt die Observation aber nicht in bedeutsamer Weise der offenen Videoüberwachung näher.

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Die Vorschriften des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei genügen - soweit es für die offene Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung auf sie ankommt - dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit.

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Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 375 ff.). Für Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme für den Betroffenen vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 376). Da bei Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder zur Verhütung von Straftaten das Risiko einer Fehlprognose besonders hoch ist, sind bei entsprechenden Regelungen besonders hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 377 f.). Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit auch die bereichsspezifische Funktion, eine Umgrenzung des Anlasses der Maßnahme und auch des möglichen Verwendungszwecks der betroffenen Information sicherzustellen (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 408). Ist der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O S. 408). Die Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG genügt auch diesen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen.

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bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten gleichermaßen und gleichrangige Ziele der Videoüberwachung (Berufungsurteil S. 20 ff.). Ebenfalls hinreichend bestimmt geregelt sind insbesondere in den §§ 14 ff. HmbPolDVG die Zwecke, für die die gewonnenen Daten künftig verwendet und weiter übermittelt werden dürfen, sowie die Voraussetzungen, die hierbei einzuhalten sind.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG bundesrechtlich nicht beanstandet werden. Er bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift anhand des Regelungszusammenhangs und der Entstehungsgeschichte dahin ausgelegt, dass mit dieser Umschreibung Schwerpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind. Dass diese Begriffe ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig sind, nimmt der Norm nicht die hinreichende Bestimmtheit. Wie die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, ist eine solche Auslegung möglich, ohne dass dabei die bundesrechtlichen Grenzen überschritten werden müssten, die der Bestimmtheitsgrundsatz einer noch möglichen Auslegung zieht.

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cc) Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG wahrt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient (aaa)) und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen (bbb)) ist (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 u.a. - BVerfGE 120, 274 <318 f.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt auch die Regelung über die Aufbewahrungsdauer der Bildaufnahmen (ccc)).

aaa) Die anlasslose Videoüberwachung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient einem legitimen Zweck. Die damit beabsichtigte Gefahrenvorsorge dient dem Schutz von Personen und Sachen auf der Reeperbahn. Die Beklagte hat dargetan, dass es immer wieder zu Rechtsbeeinträchtigungen insbesondere durch gewaltbereite Besucher kommt. Die Videoanlage ermöglicht die rasche Erkennung von Gefahrensituationen und daran anknüpfend den schnellen Einsatz von Polizeibeamten zur Abwehr der Gefahr. Die außerdem bezweckte Strafverfolgungsvorsorge ermöglicht die Aufbereitung von Beweismitteln für den Fall geschehener Rechtsverletzungen und deren Verwendung für die Strafverfolgung. Dies sichert den staatlichen Strafverfolgungsanspruch.

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bbb) Die als Mittel für diese Zwecke eingesetzte Videoüberwachung ist gleichermaßen geeignet (a1), erforderlich (b1) und angemessen (c1).

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a1) Dass eine Videoüberwachung dazu geeignet ist, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Hand. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial können Straftaten erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme können potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte (Berufungsurteil S. 34).

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b1) Das eingesetzte Mittel ist auch erforderlich. Insbesondere ist ein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel als die Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenvorsorge auf der Reeperbahn nicht ersichtlich. Der stattdessen erwägenswerte größere Personaleinsatz der Polizei trifft auf Finanzierungsgrenzen. Die technische Beschaffenheit der Kameras - Zoomfunktion und Anbringung in 4 m Höhe - verhilft zu einer größeren Übersicht als der stattdessen vorstellbare Einsatz von Polizeibeamten auf der Reeperbahn selbst. Ein Flaschenverbot würde zwar die Gefahr von Verletzungen durch deren Verwendung als Waffen vermindern. Allerdings müsste dieses Verbot überwacht und durchgesetzt werden, was ebenfalls den Personaleinsatz erhöhen würde.

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c1) Der vom Gesetzgeber ermöglichte Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 382). Die anlasslose Überwachung des öffentlichen Straßenraums stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, insbesondere für Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen gezwungen sind, sich dieser Beobachtung häufig auszusetzen. Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge dient jedoch in ebenso großem Maße nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit, sondern auch dem Individualrechtsschutz, insofern damit Eingriffe in hochwertige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit abgewehrt werden sollen. Als Anwohnerin kommt die Klägerin somit - gewollt oder ungewollt - selbst in den Genuss der Schutzwirkung der Kameraüberwachung.

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Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verletzt deshalb nicht die Angemessenheit, weil ihr ein Ausnahmecharakter zukommt. Die Überwachung ist nämlich nur zulässig, soweit am Einsatzort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung auf beliebige Teile des Hamburger Stadtgebietes und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird in diesem Zusammenhang das Gewicht des staatlichen Eingriffs durch die Offenheit seiner Durchführung und durch die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit.

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ccc) Die Eingriffsschwere wird durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG vorgesehen - zu Zwecken der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge für einen Monat oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten sogar darüber hinaus zu speichern. Die Verwertung in anderen Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <68 f.>). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG sind Bild- und Tonaufzeichnungen, in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten sowie zu einer Person suchfähig angelegte Akten spätestens einen Monat nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn die Daten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist (Satz 4). Diese Regelungen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

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Die grundsätzliche Aufbewahrungsfrist in § 8 Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG von einem Monat nach Speicherung genügt den Bearbeitungsanforderungen bei der Auswertung eines täglichen Datenvolumens von 24 Stunden Beobachtungszeit aus mehreren Kameras. Der Gesetzgeber hat insofern in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass Straftaten zum Teil erst verzögert angezeigt und eine schnelle Löschung die Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes unnötig erschweren würde (BüDrucks 18/1487 S. 15). Sie belastet den Einzelnen in vertretbarem Maße, insbesondere weil er nicht in individualisierter Weise mit den Aufnahmen festgehalten wird, sondern als Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten auf der Reeperbahn. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist auf einen Monat verhindert ferner - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken entstehen kann (Berufungsurteil S. 37).

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Die Regelung wird nicht durch die in § 8 Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG vorgesehene Möglichkeit einer zeitlich darüber hinaus gehenden Aufbewahrung für Zwecke der Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung unverhältnismäßig. Liegt ein entsprechender Tatverdacht vor, überwiegt das staatliche Verfolgungsinteresse das Interesse der Betroffenen an der sofortigen Löschung der erhobenen Bilddaten.

52

Verhältnismäßig im engeren Sinne ist schließlich die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG eröffnete Möglichkeit, die im Zuge der offenen Videoüberwachung erhobenen Bilddaten zu einer Person auch dann länger als einen Monat aufzubewahren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Insofern schlägt entscheidend zu Buche, dass der Gesetzgeber die Eingriffsvoraussetzungen von zwei Seiten her eng ausgestaltet hat, indem er einerseits eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt und andererseits nicht jedes, sondern nur ein auf Straftaten von erheblicher Bedeutung gerichtetes Bekämpfungsinteresse für die weitere Aufbewahrung genügen lässt. Im Hinblick auf den hohen Rang der staatlichen Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und die von dieser für die Allgemeinheit wie den einzelnen Grundrechtsträger ausgehenden Gefahren liegt darin keine unangemessene Verkürzung der grundrechtlichen Schutzansprüche der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

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d) Die getroffene Maßnahme der Videobeobachtung hält sich nach den insoweit revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schließlich innerhalb der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Anlage hätte die Beklagte freilich zu überprüfen, ob sie die verfolgten Schutzzwecke quantitativ auch erreichen würde, wenn sie die durch das Oberverwaltungsgericht rechtskräftig aufgegebenen Verpixelungen der Kameras einhält.

(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 208/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit diesem Urteil wurde die gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sei zwar nicht - wie in dem angefochtenen Bescheid und in dem Widerspruchsbescheid angegeben - § 81 b 2. Alt. StPO, da der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 9.12.2011 nicht mehr Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit kein zulässiger Adressat einer Maßnahme nach § 81 b 2. Alt. StPO mehr gewesen sei. Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme sei vielmehr § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG. Das nachträgliche Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage sei trotz des Vorliegens einer Ermessensentscheidung zulässig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 81 b 2. Alt. StPO und § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG bis auf die Beschuldigteneigenschaft inhaltsgleich und auch die anzustellenden Ermessenserwägungen dieselben seien. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger sei wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Der Kläger sei verdächtig, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben. Zwar sei das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlungen beglichen habe. Ein Restverdacht hinsichtlich der Begehung eines Betruges sei jedoch weiterhin gegeben. Auch bestehe die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergebe sich daraus, dass in der Vergangenheit bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger u.a. wegen Betrugs, Urkundenfälschung, weiterer Vermögensdelikte und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden seien. Dass die Ermittlungsverfahren allesamt eingestellt worden seien, sei unerheblich, da der Tatverdacht zumeist nicht ausgeräumt worden sei, sondern die Einstellungen etwa wegen geringer Schuld (§ 153 Abs. 1 StPO), mit Blick auf sonstige Straftaten (§ 154 Abs. 1 StPO) oder auch mangels hinreichenden Nachweises nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt seien. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei mit Blick auf das Gewicht der dem Kläger in der Vergangenheit vorgeworfenen Taten auch verhältnismäßig.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 15.5.2013 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird

vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164.

Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die vollständige Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung

vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542.

Das Vorbringen des Klägers vermag keine ernstlichen Zweifel im vorgenannten Sinne an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe in unzulässiger Weise die Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausgetauscht, vermag er damit nicht durchzudringen. Dass der Beklagte seine Anordnung auf § 81 b 2. Alt. StPO und nicht auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gestützt hat, steht der Anwendung der letztgenannten Vorschrift durch das Verwaltungsgericht nicht entgegen.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Das Gericht hebt nach dieser Vorschrift einen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. In § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt die Verpflichtung des Gerichts zum Ausdruck zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung hat das Gericht daher alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Hierin liegt keine Umdeutung des Verwaltungsakts in eine andere Maßnahme. Eine Umdeutung besteht in einem verändernden Eingriff in den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, der hier jedoch unverändert bleibt. Andere als im angefochtenen Bescheid genannte Normen und Tatsachen sind nur dann nicht heranzuziehen, wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind, d.h., wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde

vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 - und grundlegend schon Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12/81 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Eine Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides liegt hier indes nicht vor. Die angeordnete Maßnahme bleibt auch auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Strafverfolgungsvorsorge. Die erkennungsdienstliche Behandlung - Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale sowie Messungen - verändert sich auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG nicht. Die vorgenannte Vorschrift und § 81 b 2. Alt. StPO weisen bis auf den Personenkreis inhaltlich im Wesentlichen dieselben Tatbestandsvoraussetzungen auf. Der Anwendung der Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass es sich sowohl bei § 81 b 2. Alt. StPO als auch bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG um ermessenseröffnende Normen handelt, weil die Normen - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - demselben Zweck, nämlich der Strafverfolgungsvorsorge, dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG tragen

vgl. zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen: BVerwG, Urteil vom 30.6.1989 - 4 C 40/88 -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.12.1999 - B 2 S 73/99 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG, den der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als verfassungsgemäß erachtet hat

vgl. Beschluss vom 13 3.2009 - 3 B 34/09 -, juris,

greifen ebenfalls nicht durch. Die im Zulassungsantrag geäußerten Zweifel an der Gesetzgebungsbefugnis des saarländischen Landesgesetzgebers sind unbegründet.

Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über die Gesetzgebungskompetenz, soweit diese nicht dem Bund zugewiesen ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dient § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge unterfällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung

vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, und BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, jeweils bei juris.

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber eine Maßnahme nach Umfang, Zuständigkeit und Zweck sowie hinsichtlich der für die jeweilige Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen umfassend - ggf. auch durch ein absichtsvolles Unterlassen - geregelt hat. Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Gesetz für unzureichend hält

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, m.w.N., juris.

Im Bereich der Strafverfolgungsvorsorge hat der Bundesgesetzgeber mehrere Regelungen erlassen, von denen vorliegend § 81 b 2. Alt. StPO von Belang ist. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf eine landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Jedoch hat der Bundesgesetzgeber keine allgemein abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, juris,

so dass auch keine Verpflichtung des saarländischen Gesetzgebers bestand, den Bereich der Strafverfolgungsvorsorge aus dem SPolG herauszunehmen

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -; anders aber die Reaktion des niedersächsischen Gesetzgebers auf das o.g. Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 betreffend niedersächsische Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung; vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.2009 - 11 LB 431/08 -, jeweils bei juris.

§ 81 b 2. Alt. StPO ist insbesondere hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht abschließend, so dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Erweiterung des Adressatenkreises auf Nichtbeschuldigte durch die Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Gesetzgebers gedeckt ist

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, betreffend eine entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HmbPolDVG.

Weder aus dem Wortlaut noch der Systematik des § 81 b 2. Alt. StPO noch der Gesetzgebungsgeschichte oder den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber hinsichtlich des Adressatenkreises erkennungsdienstlicher Maßnahmen eine abschließende Regelung getroffen hat

hierzu ausführlich OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris.

Vielmehr spricht der Regelungszweck der Norm dagegen, dieser hinsichtlich des Adressatenkreises abschließenden Charakter beizumessen. Zweck der Strafverfolgungsvorsorge ist es, sächliche Hilfsmittel für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben bereitzustellen, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind. Diesem Zweck entspricht es, wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen auch gegenüber Personen ermöglicht werden, die nicht (mehr) Beschuldigte sind. Insbesondere bei rechtskräftig Verurteilten, aber auch bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen worden sind, und solchen, bei denen das Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, kann es geboten sein, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu gewinnenden Daten für künftige Ermittlungsverfahren vorrätig zu haben, um den jeweils Betroffenen als möglichen Täter überführen oder entlasten zu können. Bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen oder deren Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden sind, kann im Einzelfall weiter ein hinreichender Tatverdacht bestehen, der es rechtfertigen kann, für die Strafverfolgungsvorsorge entsprechende erkennungsdienstliche Unterlagen bereitzuhalten. Auch im Hinblick auf rechtskräftig Verurteilte ist kein einleuchtender Grund erkennbar, warum die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen während der Ermittlungen zulässig sein sollte, nach der Verurteilung jedoch nicht mehr.

Demnach war der Landesgesetzgeber befugt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern

so auch OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 - m.w.N.; im Ergebnis ebenso VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -; OVG Schleswig, Urteil vom 5.5.1998 - 4 L 1/98 -, NJW 1999, 1418; OVG Münster, Beschluss vom 13.1.1999 - 5 B 2562/98 -, jeweils bei juris; so im Ergebnis auch Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2011, E Rdnr. 419.

Mit Blick auf § 81 b 2. Alt. StPO ist die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG allerdings verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht nach § 81 b 2. Alt. StPO zulässig oder ausgeschlossen sind.

Ist somit die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Regelung von der Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Landesgesetzgebers gedeckt und sind sonstige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG weder vorgetragen noch erkennbar, bestehen auch von daher keine Bedenken gegen die Heranziehung der vorgenannten Vorschrift als Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung.

Da - wie eingangs bereits dargelegt - das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO -auch alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen hat, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Akten mehrerer Ermittlungsverfahren, u.a. derjenigen wegen Warenkreditbetrugs, herangezogen hat. Inwiefern dies - wie der Kläger vorträgt - die Kompetenz des Gerichts überschritten haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Des Weiteren vermag der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Subsumtion des Verwaltungsgerichts nicht durchzudringen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger - wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert - zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich gewesen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angeordneten erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht deshalb rechtswidrig, weil die gegen den Kläger geführten Ermittlungen bisher nicht zu einer Verurteilung geführt haben, diese vielmehr jeweils eingestellt wurden.

Des ungeachtet hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass der Kläger im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SPolG hinreichend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben und auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben ist. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, bemisst sich die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere angesichts der Art, Schwere und der Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, sowie Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, jeweils m.w.N., bei juris.

Ob es in der Vergangenheit zu einer Verurteilung des Betroffenen gekommen ist, ist hierbei nicht entscheidend. Vielmehr kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr im vorgenannten Sinne vorliegt, ein Tatvorwurf auch dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. StPO oder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügend Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Gleiches gilt , wenn gemäß § 153 a StPO unter Auflagen oder Weisungen von einer Anklageerhebung abgesehen wird in der Annahme, durch letztgenannte Maßnahmen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigen zu können, oder auch wenn Ermittlungsverfahren mit Blick auf eine geringe Schuld des Betroffenen und ein fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung gemäß § 153 StPO eingestellt werden. In all diesen Fällen ist vielmehr jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der Gründe für die Einstellung des Verfahrens, zu fragen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Betreffenden vollständig entfallen ist oder ob ein Restverdacht gegeben ist, der begründete Anhaltspunkte dafür liefert, dass der Betreffende auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könnte

vgl. bereits Beschluss des Senats vom 15.4.2013 - 3 A 108/12 -; BVerfG, Beschluss vom 16.5.2001 -1 BvR 2257/01-; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, jeweils bei juris.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht im Falle des Klägers hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass dieser auch künftig in Verdacht geraten könnte, eine aufzuklärende strafbare Handlung begangen zu haben und dass die mit den streitgegenständlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass gegen den Kläger bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Warenkreditbetrugs, Betrugs, Urkundenfälschung, Erpressung, gefährlicher Körperverletzung usw. geführt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen, denen der Kläger in der Sache nicht entgegen getreten ist. Wie bereits im Widerspruchsbescheid des Beklagten ausgeführt, weist das polizeiliche Informationssystem für den Zeitraum von 1996 bis 2010 hinsichtlich des Klägers insgesamt 21 Einträge mit strafrechtlicher Relevanz auf. Hinzu kommt das vom Verwaltungsgericht erwähnte, im Jahr 2011 aufgrund einer Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung durch Vortäuschen eines Unfalls sowie ein im Jahr 2012 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Erpressung. Zwar führten diese Ermittlungsverfahren - soweit ersichtlich - bisher nicht zu einer Verurteilung des Klägers. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Ermittlungsverfahren aber nicht eingestellt, weil der zugrunde liegende Tatverdacht ausgeräumt werden konnte. Vielmehr erfolgte etwa die Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlung beglichen, also den entsprechenden Schaden reguliert hatte und das geschädigte Unternehmen sich danach mit einem Absehen von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung einverstanden erklärte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht fortbestehende Verdachtsmomente eines vom Kläger begangenen (bzw. versuchten) Betrugs angenommen. Auch in dem Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung wurde der Schaden - soweit ersichtlich - ausgeglichen. Weitere Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung wurden ebenfalls gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Die Einstellung eines Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgte gemäß § 153 a Abs. 1 StPO unter der Auflage, dass der Kläger an das Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlte. Ausgehend von der Vielzahl gegen den Kläger eingeleiteter Ermittlungsverfahren sowie der Tatsache, dass bei einem erheblichen Teil davon der jeweilige Tatverdacht nicht ausgeräumt wurde, die Verfahrenseinstellung vielmehr aus sonstigen Gründen erfolgte, hat das Verwaltungsgericht zu Recht hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass der Kläger auch künftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.

Auch bestehen keine Bedenken hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Verhältnismäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers, dass sämtliche in der Vergangenheit gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe nicht von erheblichem Gewicht gewesen seien, was bereits durch die Tatsache der Einstellung der jeweiligen Ermittlungsverfahren belegt sei, bleibt ohne Erfolg. Auch wenn die Ermittlungsverfahren zum Teil wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurden, handelt es sich bei den gegenüber dem Kläger erhobenen Tatvorwürfen nicht um bloße Bagatelldelikte, welche eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermögen; vielmehr kommt diesen durchaus erhebliches Gewicht zu. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt ging es allein bei den Warenkreditbetrügereien um einen Gesamtschaden in Höhe von ca. 800,- EUR; bei dem gemeinschaftlichen Betrug einer Versicherung durch Vortäuschen eines Verkehrsunfalls stand ein Schaden in Höhe von 14.600,- EUR in Rede. Auch die gefährliche Körperverletzung, zu deren Ausgleich der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlen musste, ist keinesfalls als Bagatelldelikt anzusehen. Hinzu kommt, dass dem Kläger nicht nur einzelne Verfehlungen vorgeworfen wurden, sondern eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden war. Bei einer Gesamtschau der dem Kläger zur Last gelegten Taten, bei denen der jeweilige Tatverdacht - ungeachtet der Verfahrenseinstellung - in der Sache fortbesteht, ist ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung eventueller künftiger Straftaten, bei denen der Kläger in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werden könnte, anzunehmen. Dieses Aufklärungsinteresse überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner personenbezogenen Daten. Insofern erscheint die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch nicht als unverhältnismäßig.

Dass der Beklagte den Kläger nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung erneut – wohl versehentlich – unter Verweis auf § 81 b 2. Alt. StPO statt auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen hat, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung ohne Belang.

Nach alledem vermögen die vom Kläger im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände den allein geltend gemachten Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Reeperbahn wurde seit März 2006 durch 12 Videokameras offen polizeilich überwacht. Die verwendeten Kameras können um 360Grad geschwenkt und variabel geneigt werden, verfügen über eine Zoomfunktion und wurden in der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) der Beklagten gesteuert. Dort wurden die Bilder auf eine Monitorwand übertragen, die aus 12 Bildschirmen für die einzelnen Kamerastandorte und einem größeren, mittig angeordneten Bildschirm bestand, auf dem jeweils ein Kamerabild als Großbild aufgeschaltet werden konnte. Die Videobilder wurden durch Mitarbeiter der PEZ täglich 24 Stunden lang überwacht. Zum Schutz der während des Schwenkens erfassten Privatbereiche wurde eine sog. "Schwarzschaltung" etabliert.

2

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Gebäudes mit der Straßenbezeichnung ... Eine der Kameras wurde gegenüber diesem Gebäude an einem Pfahl auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in ungefähr 4 m Höhe befestigt und erfasste in ihrem Schwenkbereich auch das Wohnhaus der Klägerin einschließlich der von ihr bewohnten Räume.

3

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, Videoaufnahmen durch die Fenster ihrer Wohnung mittels mechanischer Sperren an der Videokamera vor ihrem Haus (z.B. durch Verhüllen mit einer Mülltüte) unmöglich zu machen. Zur Begründung berief sie sich auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die bereits praktizierte "Schwarzschaltung" zum Schutz privater Bereiche ab.

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Videokamera freizuschalten, soweit sie die Wohnung der Klägerin erfasste. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 untersagt, die "Schwarzschaltung" der Videokamera aufzuheben, soweit diese die Wohnung der Klägerin erfasst hat. Soweit die Klägerin ergänzend beantragt hat, der Beklagten eine dauerhafte "Schwarzschaltung" auch hinsichtlich des Eingangsbereichs ihres Hauses aufzugeben, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Eingangsbereich nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 GG umfasst werde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Wohnhauses ... und des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe dieses Hauses angebrachte Videokamera a) nach außen erkennbar unmöglich zu machen, hilfsweise b) zu unterlassen. Mit Urteil vom 22. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu unterlassen. Soweit sich die Klägerin auch gegen eine Überwachung des öffentlichen Straßenraums wandte, hat es die Berufung hingegen zurückgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt: Die Überwachung greife zwar in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch stelle die Regelung des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage dar. Die Norm entspreche dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Dies gelte sowohl mit Blick auf den Gesetzeszweck als auch den sachlich-zeitlichen und sachlich-räumlichen Anwendungsbereich. Dem Land Hamburg stehe die Gesetzgebungskompetenz zu. Soweit die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG die Verhütung von Straftaten bezwecke, sei die Gesetzgebungskompetenz des Landes Hamburg deshalb zu bejahen, weil die der Landesgesetzgebung unterliegende Gefahrenabwehr den Bereich der Straftatenverhütung umfasse. Die Gesetzgebungskompetenz stehe dem Land Hamburg aber auch insoweit zu, als die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG das Ziel einer Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten umfasse. Eine solche Strafverfolgungsvorsorge sei Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und gehöre deshalb gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe zwar in der Strafprozessordnung Regelungen über Bildaufnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung getroffen (§§ 100h, 163f, 81b StPO). Diese Regelungen seien aber mit Bezug auf eine offene Videoüberwachung nicht abschließend. Die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG sei verhältnismäßig. Die Regelung sei zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beklagte habe von der Norm rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Videoüberwachung sei formell rechtmäßig und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG seien erfüllt. Auch habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

6

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren mitgeteilt: Um das Urteil des Oberverwaltungsgerichts umzusetzen und die Hauseingänge von der Überwachung auszunehmen, seien die verpixelten Bereiche deutlich ausgeweitet und damit der räumliche Überwachungsbereich der Kameras erheblich eingeschränkt worden. In der Folge sei die Zahl der Einsätze, die durch die Videoüberwachung ausgelöst worden seien, merklich zurückgegangen. Deshalb sei die anlasslose Dauerüberwachung der Reeperbahn nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG mit Ablauf des 15. Juli 2011 eingestellt und die Kameras senkrecht nach unten ausgerichtet worden. Sie sollten nur noch auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 HmbPolDVG eingesetzt werden, nämlich wenn bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen mit Straftaten zu rechnen sei.

7

Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ausgeführt: Ihr Unterlassungsbegehren sei nicht in der Hauptsache erledigt. Die Überwachung auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 HmbPolDVG könne jederzeit wiederaufgenommen werden, zumal die Beklagte tatsächlich zumindest zwei Kameras weiterhin ständig einsetze. Im Übrigen könne das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überwachung auswechsele. In der Sache sei das Berufungsgericht zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne dieser Eingriff aber nicht auf die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG gestützt werden. Das Land habe diese Vorschrift bereits aus formellen Gründen nicht erlassen dürfen, weil ihm die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle. Durch die §§ 100h i.V.m. 163f StPO habe der Bundesgesetzgeber nicht nur den Bereich der verdeckten, sondern auch der offenen Videoüberwachung geregelt und damit abschließend von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO. Die Formulierung, wonach Bildaufnahmen "auch ohne Wissen der Betroffenen" angefertigt werden könnten, lasse erkennen, dass die Regelung auch Bildaufnahmen umfasse, die mit Wissen der Betroffenen angefertigt würden. Diese Auslegung werde durch die Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/5846 S. 39) werde betont, dass das Wissen der Betroffenen die Überwachung nicht unzulässig mache. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10) klargestellt, dass sich die aus § 100h StPO vermittelte Befugnis weder auf Observationszwecke noch auf Einzelaufnahmen beschränke, sondern auch Videoaufzeichnungen umfasse. Einer landesgesetzlichen Regelung stehe im Übrigen auch § 81b StPO entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 114.79 - BVerwGE 66, 202 <204> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 32) diene die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 StPO nicht der Aufklärung eines konkreten Strafverfahrens, sondern - ähnlich wie die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG - der vorsorgenden Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Strafaufklärung.

8

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG verletze auch den Wesentlichkeitsgrundsatz. Angesichts der Intensität des vorliegenden Eingriffs zähle es zu den wesentlichen normativen Grundlagen, dass die Videoüberwachung nur für Fälle der Straßenkriminalität sowie an Kriminalitätsbrennpunkten anwendbar sei. Diese einschränkenden Merkmale seien aber nicht in der Norm selbst geregelt. Insofern verletze die Regelung den Grundsatz der Bestimmtheit. Sie verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; insoweit fehle es an der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

9

Schließlich fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die Bildaufzeichnung und -speicherung. Insbesondere sei die in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG geregelte Speicherfrist von einem Monat nicht erforderlich.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 und das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera zu unterlassen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera bis zu deren Abschaltung rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig geworden. Die Hauptsache habe sich erledigt. Die Videoüberwachung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG sei eingestellt. Die beiden von der Klägerin erwähnten Kameras dienten nicht der dauernden Überwachung der Reeperbahn, sondern in einem Fall, gestützt auf das Hausrecht, der Überwachung eines Polizeikommissariats, im anderen Fall der Verkehrsüberwachung. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das berechtigte Interesse. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang zu Recht abgewiesen.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für den Erlass des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Landes bestanden.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unterlassungsklage zwar als zulässig angesehen (1.), in dem ausgesprochenen Umfang aber als unbegründet abgewiesen (2.).

15

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag weiterhin zulässig. Das mit ihm verfolgte Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge erledigt, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen wäre.

16

Streitgegenstand der allgemeinen Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestützte Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Vornahme der begehrten Handlung oder zur Unterlassung der beanstandeten Handlung. Die beanstandete Handlung, die die Beklagte unterlassen soll, ist hier eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl S. 187), nämlich die ohne konkreten Anlass vorgenommene und dauernde Videoüberwachung der Reeperbahn. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei unterscheidet in seinem § 8 zwischen der Überwachung von Ansammlungen und Veranstaltungen aus konkretem Anlass (§ 8 Abs. 1 HmbPolDVG) und der anlasslosen dauernden Überwachung von bestimmten, durch die Begehung von Straftaten gekennzeichneten Orten (§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG). Beide Maßnahmen unterscheiden sich nach ihren rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen. Das Unterlassungsbegehren knüpft an die Maßnahme an, die die Beklagte bisher betrieben hat und deren Fortsetzung oder Wiederholung unterbleiben soll. Das ist hier allein eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, die damit zugleich den Lebenssachverhalt darstellt, auf den der Anspruch gestützt ist.

17

Obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag die Videokameras abgeschaltet hat, die der dauernden anlasslosen Videoüberwachung der Reeperbahn dienen, hat sich dadurch nicht das Begehren der Klägerin erledigt, eine solche Überwachung der Reeperbahn durch die Kamera zu unterlassen, die vor dem Haus postiert ist, in dem die Klägerin wohnt.

18

Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).

19

Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.

20

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin beruft sich zwar zu Recht auf eine von der Beklagten ausgehende Wiederholungsgefahr (a)) für einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (b)). Dieser Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt (c)), und die angegriffene Maßnahme der Beklagten hält sich auch nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz in diesem gesetzlichen Rahmen (d)). Der Klägerin steht somit der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu.

21

a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 S. 12, 17) liegt vor. Dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 17). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die anlasslose offene Überwachung der Reeperbahn und insbesondere des Abschnittes vor der Wohnung der Klägerin nicht aufgegeben, weil sie sich deren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht hätte, sondern weil sie den damit verbundenen Aufwand nicht mehr für gerechtfertigt gehalten hat. Aus der Sicht der Klägerin kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre Rechtsansicht einmal wieder ändern könnte und sie dann ohne gerichtliche Entscheidung dem rechtlichen Eingriff erneut ausgesetzt wäre.

22

b) Als Rechtsgrundlage für ihren Unterlassungsanspruch kommen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm - wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird - eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (Urteile vom 14. Dezember 1973 - BVerwG 4 C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <243> = Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 2; vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - NJW 1985, 1481 und vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <189, 199> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11).

23

Den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berührt auch die beobachtende und observierende Tätigkeit der Polizei (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <342> ). Das gilt nicht nur für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Straßenverkehr (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <397 ff.> ; Kammerbeschluss vom 11. August 2009 - 2 BvR 941/08 - DVBl 2009, 1237 und Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 - DAR 2010, 574 ), sondern auch für eine offene Videoüberwachung des öffentlichen Raums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl 2007, 497 ).

24

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung greift die Videoüberwachung jedenfalls insoweit in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, als sie mittels Bildaufzeichnung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG erfolgt. Dies wäre zwar möglicherweise anders zu beurteilen, wenn die aufgezeichneten Bilder unmittelbar nach der Aufzeichnung wieder gelöscht würden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 397). So liegt es hier aber nicht. Wie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG ergibt, soll das aufgezeichnete Bildmaterial mindestens einen Monat lang aufbewahrt werden. Eine derartige Speicherung von Bildmaterial greift insbesondere dann in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wenn das Bildmaterial zur Vorbereitung von belastenden Maßnahmen gegen Personen dienen soll, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, und zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht legt die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BüDrucks 18/1487 S. 15) dahingehend aus, dass die Bildaufzeichnung und Speicherung sowohl der Straftatverhütung durch Abschreckung als auch der Strafverfolgungsvorsorge durch vorbereitende Verschaffung von Beweismaterial dienen soll. Die Bildaufzeichnung greift deshalb in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juli 2003 -1 S 377/02 - NVwZ 2004, 498; VG Halle, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 3 B 121/99 HAL - LKV 2000, 164; Kloepfer/Breitkreutz, DVBl 1998, 1149 <1152>; Roggan, NVwZ 2001, 134 <135>; Fischer, VBlBW 2002, 89 <92>; Collin, JuS 2006, 494; Ellermann, Die Polizei 2006, 271 f.; Saurer, DÖV 2008, 17 <19>; Maximini, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsprävention, S. 89; Schnabel, NVwZ 2010, 1457).

25

Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur den Schutz der Privat- und Intimsphäre gewährleistet, sondern auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung trägt, der sich in die Öffentlichkeit begibt, entfällt der Eingriff in den Schutzbereich nicht dadurch, dass lediglich Daten über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Es ist auch nicht als eine einen Eingriff ausschließende Einwilligung in die Informationserhebung zu werten, wenn sich die Betroffenen in den Erfassungsbereich der Videokameras begeben, obwohl sie aufgrund der angebrachten Hinweisschilder wissen, dass sie gefilmt werden. Das Unterlassen eines ausdrücklichen Protests kann nicht mit einer Einverständniserklärung gleichgesetzt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.).

26

Greift mithin die Videoüberwachung jedenfalls in ihrer Aufzeichnungsform in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, kann dahinstehen, ob auch die bloße Bildübertragung einen solchen Eingriff bewirkt. Die Frage, ob die bloße Bildübertragung (das sog. Kamera-Monitor-Prinzip) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wäre zwar dann zu klären, wenn § 8 Abs. 3 HmbPolDVG die Bildübertragung an andere Voraussetzungen geknüpft hätte als die Bildaufzeichnung oder es hier sogar - wie in dem Fall, der dem Beschluss des VG Halle vom 17. Januar 2000 (a.a.O.) zugrunde lag - ausschließlich um eine Bildübertragung ginge. Dies ist aber bei § 8 Abs. 3 HmbPolDVG - im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen einiger anderer Bundesländer (vgl. dazu: Lang, Die Polizei 2006, 265 <266>) - nicht der Fall. § 8 Abs. 3 HmbPolDVG regelt die Videoüberwachung als einheitliche Beobachtung nebst Speicherung (vgl. Zöller, NVwZ 2005, 1235).

27

c) Der Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen bedürfen aber einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <44> ). Eine solche gesetzliche Grundlage liegt in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besaß zum Erlass dieser Norm die Gesetzgebungsbefugnis (aa)). Die Norm ist ausreichend bestimmt (bb)) und verhältnismäßig (cc)).

28

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG setzt voraus, dass die Beklagte für diese Regelung die Gesetzgebungskompetenz hatte. Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über das Recht der Gesetzgebung, soweit die Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund zugewiesen ist. Zu den bei den Ländern verbleibenden Materien gehört u.a. das Recht der Gefahrenabwehr. Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dahingehend ausgelegt, dass diese Regelung sowohl der Verhütung von Straftaten (aaa)) als auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) (bbb)) dient (Berufungsurteil S. 29).

29

aaa) Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern bzw. eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender, momentan aber noch nicht konkret drohender Gefahren zu ermöglichen. Die Gefahrenvorsorge umfasst auch die Verhütung von noch nicht konkret drohenden Straftaten (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10). Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Zweck, Straftaten der Straßenkriminalität zu verhüten oder - wenn sie drohen - ihre Abwehr vorzubereiten, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen und unterfällt damit aufgrund von Art. 70 GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Verhütung von Straftaten in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Wie weit der Gesetzgeber eine derartige Maßnahme in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzung verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368>).

30

Soweit an öffentlich zugänglichen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, dient die offene Beobachtung dieser Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG der Verhinderung von Straftaten. Die offene ausgewiesene Beobachtung soll potentielle Straftäter von vornherein von der Begehung einer Straftat abschrecken und diese dadurch verhindern. Zur Abschreckung gehört die Bildaufzeichnung. Sie erhöht die Effektivität der Abschreckung, weil der potentielle Täter damit rechnen muss, dass seine Tat aufgezeichnet wird und die Aufzeichnung nicht nur für seine Identifizierung, sondern auch als Beweismittel in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen wird. Die Beobachtung ermöglicht es zudem den damit betrauten Beamten, sich anbahnende Gefahrenlagen, aus denen sich typischerweise Straftaten entwickeln können, rechtzeitig zu erkennen und Beamte vor Ort gezielt einzusetzen.

31

bbb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Videoüberwachung allerdings nicht auf die Ziele beschränkt, Straftaten zu verhüten und deren Abwehr vorzubereiten, sondern sie soll daneben auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten dienen. Diesem Ziel dient die Datenspeicherung, also die Bildaufzeichnung einschließlich der einmonatigen anlasslosen Aufbewahrung. Bei der Strafverfolgungsvorsorge handelt es sich um eine Kategorie des Sicherheitsrechts, die von der Gefahrenvorsorge ebenso wie von der Strafverfolgung zu unterscheiden ist (a1)). Sie gehört - wie die Vorinstanz ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - zu demjenigen Teil der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (b1)), von der der Bund noch nicht abschließend Gebrauch gemacht hat (c1)).

32

a1) Unter Strafverfolgungsvorsorge versteht das Berufungsgericht - in Anlehnung an den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG genannten Gesetzeszweck - die "Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten" (Berufungsurteil S. 20 und 29). Sie dient der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere bzw. später bekannt werdende Straftaten. Ihrer sich nach der Zielrichtung der Maßnahme bestimmenden Abgrenzung von der Gefahrenvorsorge steht nicht im Wege, dass im Einzelfall ein polizeiliches Handeln sowohl unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgungsvorsorge wie auch dem der Gefahrenvorsorge in Betracht kommt (Schenke, a.a.O. § 1 Rn. 11).

33

b1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Strafverfolgungsvorsorge kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, nämlich der Sicherung von Beweismitteln für ein künftiges Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 369; vgl. auch Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30). Daran ändert der Umstand nichts, dass im Unterschied zur Strafverfolgung die Strafverfolgungsvorsorge ebenso wie die Gefahrenvorsorge präventiv ansetzt. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme, anders als bei der Strafverfolgung im herkömmlichen Sinne, an einer bereits begangenen Straftat. Die Verfolgungsvorsorge erfolgt in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren. Die Daten werden zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur möglichen Verwertung in einem künftigen Strafverfahren erhoben. Eine Verwertung der erhobenen Daten für diesen Zweck kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde und daraus strafprozessuale Konsequenzen gezogen werden. Die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen sind insofern dazu bestimmt, in ungewisser Zukunft in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren einzufließen. Es geht - jenseits eines konkreten Anfangsverdachts - um die Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren, nicht um eine präventive Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten. Eine solche Verfolgungsvorsorge gehört zum gerichtlichen Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 370 f.).

34

Die Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge zur Sachmaterie "gerichtliches Verfahren" innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das davon umfasste strafrechtliche Ermittlungsverfahren erst später beginnt. Sowohl im gerichtlichen Hauptverfahren als auch im vorgelagerten Ermittlungsverfahren geht es um die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts gegen einen konkreten Beschuldigten. Dies bedeutet indes nicht, dass nur für Maßnahmen nach Vorliegen eines Anfangsverdachts die kompetenzrechtliche Zuordnung zum gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass vorsorgende Maßnahmen, die sich auf die Durchführung künftiger Strafverfahren beziehen, von der Zuweisung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht erfasst sein sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30>). Die Ungewissheit, ob die vorsorglich gespeicherten Daten für ein späteres Strafverfahren tatsächlich benötigt werden, kann sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auswirken, steht aber der Zuordnung der Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren nicht entgegen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 371).

35

c1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02 u.a. - BVerfGE 109, 190 <229>). Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <300 f.>). Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat. Vielmehr kann auch das absichtsvolle Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327 f.>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 a.a.O. S. 327; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <211 f.>; Beschluss vom 13. Februar 1974 - 2 BvL 11/73 - BVerfGE 36, 314 <320>; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89 - BVerfGE 85, 134 <147>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300; Urteil vom 10. Februar 2004 a.a.O. S. 230).

36

Der hamburgische Gesetzgeber war durch die Vorgaben des Bundes nicht gehindert, die in § 8 Abs. 3 HmbPolDVG enthaltene Regelung über die offene anlasslose Videobeobachtung zu erlassen. Eine möglicherweise abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse - sog. Kodifikationsprinzip - beinhaltet die Strafprozessordnung gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der bei Bestehen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. Die Regelungen des Bundes auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge hingegen sind nicht in einer vergleichbaren Weise dicht, dass sie abschließend wirken. § 6 EGStPO erstreckt sich nicht auf die Strafverfolgungsvorsorge, denn es geht insoweit nicht um Maßnahmen, die vom Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat abhängen. Dies ist anders zu sehen, soweit der Bundesgesetzgeber strafprozessuale Ermächtigungen zur Strafverfolgungsvorsorge geschaffen hat, wie z.B. in § 81b Alt. 2 StPO, § 81g StPO und § 484 StPO. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden; Spielraum bleibt allenfalls für landesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen. Der Bundesgesetzgeber hat aber keine allgemeine abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen. So bestimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO ausdrücklich, dass sich die Verwendung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind oder werden, grundsätzlich nach den Polizeigesetzen richtet. Ausgenommen hiervon wird nur die Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens. Zu beachten ist zudem, dass selbst in Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge normiert hat, dies nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber entsprechende Befugnisse zum Zwecke der mit der Strafverfolgungsvorsorge häufig parallel laufenden Gefahrenvorsorge vorsieht (Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30).

37

§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient neben der Gefahrenabwehr gleichrangig der Strafverfolgungsvorsorge in einem Sachbereich, für den der Bund seine Gesetzgebungskompetenz noch nicht mit einer die Länder ausschließenden Wirkung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift dient namentlich durch die Bildaufzeichnung der Gewinnung von Beweismitteln in künftigen Strafverfahren. Dass die Bildaufzeichnungen aufbewahrt werden können, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG), macht die Bildaufzeichnung selbst noch nicht zu einer Maßnahme der Strafverfolgung. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber nur in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise eine künftige Verwendung der gewonnenen Daten geregelt, ohne dass aus diesem einen zugelassenen Verwendungszweck auf den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung geschlossen werden könnte. Ausweislich der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbPolDVG hat der Gesetzgeber die Erhebung von Daten allgemein und damit auch die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) zugelassen. Die offene Beobachtung und damit unmittelbar verbunden die Bildaufzeichnung setzt zu einem Zeitpunkt ein, zu dem nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Straftat beobachtet und aufgezeichnet werden wird. Beobachtung und Aufzeichnung treffen Vorsorge für den Fall, dass eine Straftat im überwachten Bereich geschieht, für deren künftige Verfolgung auf die gewonnenen Daten zurückgegriffen werden kann. Die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG berührt zwar in gewisser Weise den Regelungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermöglicht. § 81b Alt. 2 StPO regelt aber nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bilder für Zwecke künftiger Strafverfolgung angefertigt werden dürfen. Aus dem Regelungsinhalt des § 81b Alt. 2 StPO tritt kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind. Diese weisen erhebliche tatbestandliche Besonderheiten auf. Die dauernde Überwachung von Schwerpunkten der Kriminalität ohne konkreten Anlass entfaltet in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Breitenwirkung, die auf eine substantiell abweichende polizeitaktische Zweckbestimmung verweist, zumal sie funktional mit der Verhütung von Straftaten verknüpft ist. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die landesrechtliche Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG unterlaufe eine bestimmte bundesrechtliche Eingriffsschwelle und verfälsche so die konzeptionelle Entscheidung, die der Bundesgesetzgeber mit § 81b Alt. 2 StPO getroffen habe. Dasselbe gilt mit Blick auf § 100h und § 163f StPO. Bei der Observation nach diesen Bestimmungen handelt es sich um eine verdeckte, auf bestimmte Zielpersonen fokussierte Ermittlungsmaßnahme, die im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person bedeutsame Unterschiede zur offenen Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung aufweist. Zwar hat der Bundesgesetzgeber in § 100h StPO klargestellt, dass die an sich verdeckt gedachte Observation nicht abgebrochen werden muss, wenn der Betroffene sie gewahr wird. Das rückt die Observation aber nicht in bedeutsamer Weise der offenen Videoüberwachung näher.

38

Die Vorschriften des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei genügen - soweit es für die offene Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung auf sie ankommt - dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit.

39

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 375 ff.). Für Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme für den Betroffenen vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 376). Da bei Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder zur Verhütung von Straftaten das Risiko einer Fehlprognose besonders hoch ist, sind bei entsprechenden Regelungen besonders hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 377 f.). Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit auch die bereichsspezifische Funktion, eine Umgrenzung des Anlasses der Maßnahme und auch des möglichen Verwendungszwecks der betroffenen Information sicherzustellen (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 408). Ist der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O S. 408). Die Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG genügt auch diesen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen.

40

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten gleichermaßen und gleichrangige Ziele der Videoüberwachung (Berufungsurteil S. 20 ff.). Ebenfalls hinreichend bestimmt geregelt sind insbesondere in den §§ 14 ff. HmbPolDVG die Zwecke, für die die gewonnenen Daten künftig verwendet und weiter übermittelt werden dürfen, sowie die Voraussetzungen, die hierbei einzuhalten sind.

41

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG bundesrechtlich nicht beanstandet werden. Er bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift anhand des Regelungszusammenhangs und der Entstehungsgeschichte dahin ausgelegt, dass mit dieser Umschreibung Schwerpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind. Dass diese Begriffe ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig sind, nimmt der Norm nicht die hinreichende Bestimmtheit. Wie die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, ist eine solche Auslegung möglich, ohne dass dabei die bundesrechtlichen Grenzen überschritten werden müssten, die der Bestimmtheitsgrundsatz einer noch möglichen Auslegung zieht.

42

cc) Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG wahrt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient (aaa)) und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen (bbb)) ist (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 u.a. - BVerfGE 120, 274 <318 f.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt auch die Regelung über die Aufbewahrungsdauer der Bildaufnahmen (ccc)).

aaa) Die anlasslose Videoüberwachung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient einem legitimen Zweck. Die damit beabsichtigte Gefahrenvorsorge dient dem Schutz von Personen und Sachen auf der Reeperbahn. Die Beklagte hat dargetan, dass es immer wieder zu Rechtsbeeinträchtigungen insbesondere durch gewaltbereite Besucher kommt. Die Videoanlage ermöglicht die rasche Erkennung von Gefahrensituationen und daran anknüpfend den schnellen Einsatz von Polizeibeamten zur Abwehr der Gefahr. Die außerdem bezweckte Strafverfolgungsvorsorge ermöglicht die Aufbereitung von Beweismitteln für den Fall geschehener Rechtsverletzungen und deren Verwendung für die Strafverfolgung. Dies sichert den staatlichen Strafverfolgungsanspruch.

44

bbb) Die als Mittel für diese Zwecke eingesetzte Videoüberwachung ist gleichermaßen geeignet (a1), erforderlich (b1) und angemessen (c1).

45

a1) Dass eine Videoüberwachung dazu geeignet ist, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Hand. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial können Straftaten erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme können potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte (Berufungsurteil S. 34).

46

b1) Das eingesetzte Mittel ist auch erforderlich. Insbesondere ist ein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel als die Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenvorsorge auf der Reeperbahn nicht ersichtlich. Der stattdessen erwägenswerte größere Personaleinsatz der Polizei trifft auf Finanzierungsgrenzen. Die technische Beschaffenheit der Kameras - Zoomfunktion und Anbringung in 4 m Höhe - verhilft zu einer größeren Übersicht als der stattdessen vorstellbare Einsatz von Polizeibeamten auf der Reeperbahn selbst. Ein Flaschenverbot würde zwar die Gefahr von Verletzungen durch deren Verwendung als Waffen vermindern. Allerdings müsste dieses Verbot überwacht und durchgesetzt werden, was ebenfalls den Personaleinsatz erhöhen würde.

47

c1) Der vom Gesetzgeber ermöglichte Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 382). Die anlasslose Überwachung des öffentlichen Straßenraums stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, insbesondere für Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen gezwungen sind, sich dieser Beobachtung häufig auszusetzen. Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge dient jedoch in ebenso großem Maße nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit, sondern auch dem Individualrechtsschutz, insofern damit Eingriffe in hochwertige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit abgewehrt werden sollen. Als Anwohnerin kommt die Klägerin somit - gewollt oder ungewollt - selbst in den Genuss der Schutzwirkung der Kameraüberwachung.

48

Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verletzt deshalb nicht die Angemessenheit, weil ihr ein Ausnahmecharakter zukommt. Die Überwachung ist nämlich nur zulässig, soweit am Einsatzort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung auf beliebige Teile des Hamburger Stadtgebietes und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird in diesem Zusammenhang das Gewicht des staatlichen Eingriffs durch die Offenheit seiner Durchführung und durch die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit.

49

ccc) Die Eingriffsschwere wird durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG vorgesehen - zu Zwecken der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge für einen Monat oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten sogar darüber hinaus zu speichern. Die Verwertung in anderen Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <68 f.>). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG sind Bild- und Tonaufzeichnungen, in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten sowie zu einer Person suchfähig angelegte Akten spätestens einen Monat nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn die Daten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist (Satz 4). Diese Regelungen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

50

Die grundsätzliche Aufbewahrungsfrist in § 8 Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG von einem Monat nach Speicherung genügt den Bearbeitungsanforderungen bei der Auswertung eines täglichen Datenvolumens von 24 Stunden Beobachtungszeit aus mehreren Kameras. Der Gesetzgeber hat insofern in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass Straftaten zum Teil erst verzögert angezeigt und eine schnelle Löschung die Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes unnötig erschweren würde (BüDrucks 18/1487 S. 15). Sie belastet den Einzelnen in vertretbarem Maße, insbesondere weil er nicht in individualisierter Weise mit den Aufnahmen festgehalten wird, sondern als Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten auf der Reeperbahn. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist auf einen Monat verhindert ferner - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken entstehen kann (Berufungsurteil S. 37).

51

Die Regelung wird nicht durch die in § 8 Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG vorgesehene Möglichkeit einer zeitlich darüber hinaus gehenden Aufbewahrung für Zwecke der Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung unverhältnismäßig. Liegt ein entsprechender Tatverdacht vor, überwiegt das staatliche Verfolgungsinteresse das Interesse der Betroffenen an der sofortigen Löschung der erhobenen Bilddaten.

52

Verhältnismäßig im engeren Sinne ist schließlich die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG eröffnete Möglichkeit, die im Zuge der offenen Videoüberwachung erhobenen Bilddaten zu einer Person auch dann länger als einen Monat aufzubewahren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Insofern schlägt entscheidend zu Buche, dass der Gesetzgeber die Eingriffsvoraussetzungen von zwei Seiten her eng ausgestaltet hat, indem er einerseits eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt und andererseits nicht jedes, sondern nur ein auf Straftaten von erheblicher Bedeutung gerichtetes Bekämpfungsinteresse für die weitere Aufbewahrung genügen lässt. Im Hinblick auf den hohen Rang der staatlichen Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und die von dieser für die Allgemeinheit wie den einzelnen Grundrechtsträger ausgehenden Gefahren liegt darin keine unangemessene Verkürzung der grundrechtlichen Schutzansprüche der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

53

d) Die getroffene Maßnahme der Videobeobachtung hält sich nach den insoweit revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schließlich innerhalb der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Anlage hätte die Beklagte freilich zu überprüfen, ob sie die verfolgten Schutzzwecke quantitativ auch erreichen würde, wenn sie die durch das Oberverwaltungsgericht rechtskräftig aufgegebenen Verpixelungen der Kameras einhält.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
Der 1958 geborene Kläger ist verheiratet und Vater einer 1996 geborenen Tochter. Am 20.10.2005 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem lag der Verdacht zugrunde, dass er im Oktober 2004 und am 28.07.2005 als Teilnehmer an sogenannten Chatgroups im Internet kinderpornographische Dateien ausgetauscht bzw. auf diese zugegriffen habe. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 17.11.2006, rechtskräftig seit dem 07.12.2006, wurde gegen den Kläger wegen des Besitzes kinderporno-graphischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hat der Kläger mindestens 3.773 Bilddateien mit eindeutig kinderpornographischem Inhalt auf die Festplatten seiner Computer abgespeichert. Die Bilddateien zeigen in drastischer und direkter Weise den Oral-, Anal- und Vaginalverkehr erwachsener Männer an Kindern unter 14 Jahren. In einer hohen Anzahl zeigen die Bilddateien in besonders drastischer und verabscheuungswürdiger Weise Sexualverkehr an und mit Kleinstkindern.
Im Laufe des Ermittlungsverfahrens ordnete das Amtsgericht Heidelberg - auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg - mit Beschluss vom 02.02.2006 nach § 81g StPO eine molekulargenetische Untersuchung einer Speichelprobe zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren an. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Landgericht Heidelberg mit Beschluss vom 02.05.2006 zurück.
Mit Verfügung vom 09.02.2006 forderte das Polizeipräsidium Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - den Kläger auf, sich gem. § 81b StPO erkennungsdienstlich behandeln zu lassen, und drohte ihm für den Fall der Weigerung unmittelbaren Zwang an. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landespolizeidirektion - mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006 zurück. Aufgrund der vom Kläger gezeigten Verhaltensweisen bestünden begründete Anhaltspunkte dafür, dass er weiterhin strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Er sei in zwei unabhängig voneinander geführten Verfahren als Bezieher kinderpornographischen Materials in Erscheinung getreten. Für eine diesbezügliche Wiederholungsgefahr spreche die Professionalität der Nutzung des Internets und der Verdacht von Straftaten auf dem Gebiet der sexuellen Selbstbestimmung. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei auch geeignet für die Aufklärung zukünftiger Straftaten. Der Besitz kinderpornographischer Schriften bedinge nicht nur das Herunterladen oder Einstellen von Dateien im Internet. Eine Verbreitung solcher Schriften könne auf vielfältige Art und Weise, so auch in Gestalt von Printmedien erfolgen. Hier eigneten sich hinterlassene Fingerabdrücke sehr wohl zum Vergleich und stellten ein geeignetes Mittel zur Aufklärung von Straftaten dar. Schließlich stehe die Eingriffsintensität der beabsichtigten erkennungsdienstlichen Behandlung nicht außer Verhältnis zu den zu schützenden Rechtsgütern anderer Bürger.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17.11.2006 zurück. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei gerechtfertigt. Zwar könne der Kläger durch Fingerabdrücke und Lichtbilder in einer polizeilichen Kartei eher nicht überführt werden, wenn er sich wiederum verbotenes pornographisches Material aus dem Internet beschaffen sollte. Solche Unterlagen könnten aber hilfreich sein, wenn jemand sich nicht nur als PC-Nutzer gegen die sexuelle Selbstbestimmung Dritter vergehe. Der Kläger habe sehr viel kinderpornographisches Material gesammelt und geradezu professionell gesichert. Nach eigenem Bekunden habe er dies nicht getan, um es weiterzugeben. Sein Verhalten lasse sich danach weder mit Geschäftsinteressen noch mit Neugier auf Fremdartiges erklären. Es spreche vielmehr deutlich für pädophile Neigungen des Klägers, wodurch auch die Gefahr von Straftaten nach §§ 176 f. StGB nicht von der Hand zu weisen sei.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 02.07.2007 - 1 S 42/07 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er - wie erforderlich - „mit guten Gründen“ als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Aus dem bislang festgestellten Sachverhalt ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass er fähig wäre, eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, bei der er im persönlichen Kontakt direkt auf Dritte einwirken müsste. Zu Unrecht werde er als ausgeprägt pädophil veranlagter Mensch abgestempelt. Selbst soweit von einer Gefahr von Rückfalltaten ausgegangen werde, seien die durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Erkenntnisse für Ermittlungszwecke ungeeignet, da beim Versuch des Herunterladens von Dateien aus dem Internet keine verwertbaren Spuren hinterlassen würden. Ein Ausweichen auf Printmedien sei unwahrscheinlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - zu ändern und die Verfügung des Polizeipräsidiums Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - vom 09.02.2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Landespolizeidirektion - vom 07.06.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Es sei auszuschließen, dass der Kläger sich die kinderpornographischen Dateien aus bloßer Neugier beschafft habe oder weil er kurzzeitig dem „Reiz des Verbotenen“ erlegen sei. Aufgrund der Vorgehensweise des Klägers, der auf eine kurzfristig gegründete Chatgroup bzw. auf ein konspirativ aufgebautes, besonders gesichertes Kinderpornographie-Board zugegriffen habe, sei beim Kläger der Rückschluss auf ein triebbedingtes Verhalten und folglich eine immanente erhebliche Wiederholungsgefahr gerechtfertigt. Das Beschaffen kinderpornographischer Dateien über einen längeren Zeitraum und in außerordentlich großer Menge, wie es dem Kläger hier vorgeworfen werde, biete jedoch durchaus im Rahmen des § 81b StPO ausreichende Anhaltspunkte für die Begehung anderer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen erkennungsdienstliche Unterlagen zur Aufklärung beitragen können. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es sich hierbei um ein triebgesteuertes und somit nur schwer kontrollierbares Verhalten handele und weil häufig zu beobachten sei, dass die „Reizschwelle“ zur Befriedigung pädophiler Neigungen im Laufe der Zeit immer höher liege. Eine Gewissheit dahingehend, dass der Kläger in Zukunft auch andere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen werde, sei gerade nicht erforderlich. Schließlich bestünden auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger künftig weitere Straftaten nach § 184b StGB begehe, zu deren Aufklärung erkennungsdienstliche Unterlagen geeignet sein könnten, etwa weil sich Fingerspuren auf Printmedien fänden. Hiervon sei auch das Landgericht Heidelberg in dem Beschluss bezüglich der molekulargenetischen Untersuchung des Klägers nach § 81g StPO ausgegangen.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren sowie die Strafakten des Amtsgerichts Heidelberg vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Gründe

1

Die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassene weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht den Verwaltungsrechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt.

2

Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der angegriffenen behördlichen Entscheidung über die Anfertigung von Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b 2. Alternative StPO) begehrt, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die mangels einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere scheidet eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581) - EGGVG - aus. Diese Bestimmung weist Entscheidungen über Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden - die übrigen in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Sachgebiete kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht -, den ordentlichen Gerichten zu. Diese Vorschrift erfasst nur Rechtsstreitigkeiten über Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die zur Verfolgung einer strafbaren Handlung getroffen worden sind (vgl. Urteile vom 3. Dezember 1974 - BVerwG 1 C 26.72 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 138 und - BVerwG 1 C 11.73 - BVerwGE 47, 255 ). Dazu gehören aus dem Regelungsbereich des § 81b StPO nur solche - vorliegend nicht im Streit befindliche - Maßnahmen, die nach der ersten Alternative dieser Vorschrift der Durchführung des Strafverfahrens gegen den Betroffenen dienen, nicht dagegen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die aufgrund des § 81b 2. Alternative StPO für Zwecke des Erkennungsdienstes und damit nicht für Zwecke der Strafverfolgung ergangen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung solcher erkennungsdienstlichen Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. Urteile vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 <195 f.> und vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 2.05 - Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 1989 - BVerwG 1 B 85.89 - DÖV 1990, 117). Auch für den vorliegenden Fall wurde nach den Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin gemäß § 81b 2. Alternative StPO nicht wegen des konkret gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Ladendiebstahls am 24. November angeordnet, sondern als Vorsorge für die Durchführung künftiger Strafverfahren (Beschluss S. 5).

3

Während § 81b 1. Alternative StPO mit der ausdrücklichen Benennung der tatbestandlichen Voraussetzung "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens" der Strafverfolgung dient, soll die Ermächtigung in § 81b 2. Alternative StPO der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere oder später bekannt werdende Straftaten zugute kommen. Es handelt sich bei § 81b 2. Alternative StPO nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge, die außerhalb konkreter Strafverfahren erfolgen und auf die deshalb die §§ 23 ff. EGGVG nicht anwendbar sind (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 30 und Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Die dagegen vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Einwände überzeugen den Senat nicht.

4

Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht darin zu folgen, dass gegen die Zuordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO zum Recht der Gefahrenabwehr spreche, dass sie der Strafverfolgungsvorsorge dienten. Auch solche Maßnahmen dienen nicht dem Zweck der Verfolgung begangener Straftaten und sind deshalb Instrumente des Polizeirechts. Aus der vom Verwaltungsgerichtshof für seine abweichende Auffassung in Anspruch genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen und dem Bundesgesetzgeber für die Verhütung einer Straftat die Gesetzgebungskompetenz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30 f.> und Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368 f. und 370 f.>). Daraus folgt nichts für die hier interessierende Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge. Dies gilt gleichermaßen für die vom Verwaltungsgerichtshof auch in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <211 ff.>). Da die beiden Alternativen des § 81b StPO unterschiedliche Zwecke verfolgen, kann - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofs - die Zuweisung von Streitigkeiten über Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO an die ordentliche Gerichtsbarkeit auch nicht damit begründet werden, dass für die Anfechtung von Maßnahmen im Sinne der ersten Alternative des § 81b StPO nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die ordentlichen Gerichte zuständig seien und dies für den Streit um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen "desselben Rechtsgebiets" nicht anders gesehen werden könne.

5

Die Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen dient zwar der Strafrechtspflege, erfolgt jedoch außerhalb eines konkreten Strafverfahrens; mithin liegt keine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafprozesses vor, und die §§ 23 ff. EGGVG sind deshalb nicht anwendbar (Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Schließlich spricht, soweit entsprechende Befugnisse - wie dies meist zutrifft - in den Polizeigesetzen der Länder geregelt sind, der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dafür, hier wie auch sonst bei polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen den Rechtsweg gemäß § 40 VwGO für einschlägig anzusehen. Das liegt umso näher, als die entsprechenden Strafverfolgungsvorsorgebefugnisse nicht für die Staatsanwaltschaft gelten und damit wesentliche Gründe, welche sonst bei Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei für die Ergreifung des Rechtswegs gemäß § 23 EGGVG sprechen, hier entfallen (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 427).

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anfechtung über die Verweisung löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Gründe

1

Die vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassene weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat für den vorliegenden Rechtsstreit zu Unrecht den Verwaltungsrechtsweg gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG für unzulässig erklärt.

2

Die vorliegende Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der angegriffenen behördlichen Entscheidung über die Anfertigung von Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes (§ 81b 2. Alternative StPO) begehrt, ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die mangels einer anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere scheidet eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581) - EGGVG - aus. Diese Bestimmung weist Entscheidungen über Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden - die übrigen in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Sachgebiete kommen vorliegend von vornherein nicht in Betracht -, den ordentlichen Gerichten zu. Diese Vorschrift erfasst nur Rechtsstreitigkeiten über Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen, die zur Verfolgung einer strafbaren Handlung getroffen worden sind (vgl. Urteile vom 3. Dezember 1974 - BVerwG 1 C 26.72 - Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 138 und - BVerwG 1 C 11.73 - BVerwGE 47, 255 ). Dazu gehören aus dem Regelungsbereich des § 81b StPO nur solche - vorliegend nicht im Streit befindliche - Maßnahmen, die nach der ersten Alternative dieser Vorschrift der Durchführung des Strafverfahrens gegen den Betroffenen dienen, nicht dagegen Anordnungen, Verfügungen oder sonstige Maßnahmen, die aufgrund des § 81b 2. Alternative StPO für Zwecke des Erkennungsdienstes und damit nicht für Zwecke der Strafverfolgung ergangen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dienen die Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung solcher erkennungsdienstlichen Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind (vgl. Urteile vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 29.79 - BVerwGE 66, 192 <195 f.> und vom 23. November 2005 - BVerwG 6 C 2.05 - Buchholz 306 § 81b StPO Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.; Beschluss vom 12. Juli 1989 - BVerwG 1 B 85.89 - DÖV 1990, 117). Auch für den vorliegenden Fall wurde nach den Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin gemäß § 81b 2. Alternative StPO nicht wegen des konkret gegen sie eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts des Ladendiebstahls am 24. November angeordnet, sondern als Vorsorge für die Durchführung künftiger Strafverfahren (Beschluss S. 5).

3

Während § 81b 1. Alternative StPO mit der ausdrücklichen Benennung der tatbestandlichen Voraussetzung "für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens" der Strafverfolgung dient, soll die Ermächtigung in § 81b 2. Alternative StPO der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere oder später bekannt werdende Straftaten zugute kommen. Es handelt sich bei § 81b 2. Alternative StPO nicht um eine Regelung im Bereich der Strafverfolgung, sondern um die Ermächtigung zu Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge, die außerhalb konkreter Strafverfahren erfolgen und auf die deshalb die §§ 23 ff. EGGVG nicht anwendbar sind (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 30 und Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Die dagegen vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten Einwände überzeugen den Senat nicht.

4

Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht darin zu folgen, dass gegen die Zuordnung von Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO zum Recht der Gefahrenabwehr spreche, dass sie der Strafverfolgungsvorsorge dienten. Auch solche Maßnahmen dienen nicht dem Zweck der Verfolgung begangener Straftaten und sind deshalb Instrumente des Polizeirechts. Aus der vom Verwaltungsgerichtshof für seine abweichende Auffassung in Anspruch genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich nichts anderes. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der auch Maßnahmen, die sich auf künftige Strafverfahren beziehen, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unterfallen und dem Bundesgesetzgeber für die Verhütung einer Straftat die Gesetzgebungskompetenz fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30 f.> und Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368 f. und 370 f.>). Daraus folgt nichts für die hier interessierende Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Maßnahmen der Strafverfolgungsvorsorge. Dies gilt gleichermaßen für die vom Verwaltungsgerichtshof auch in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der Regelungen über die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden können (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834, 1588/02 - BVerfGE 109, 190 <211 ff.>). Da die beiden Alternativen des § 81b StPO unterschiedliche Zwecke verfolgen, kann - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofs - die Zuweisung von Streitigkeiten über Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2. Alternative StPO an die ordentliche Gerichtsbarkeit auch nicht damit begründet werden, dass für die Anfechtung von Maßnahmen im Sinne der ersten Alternative des § 81b StPO nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die ordentlichen Gerichte zuständig seien und dies für den Streit um die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen "desselben Rechtsgebiets" nicht anders gesehen werden könne.

5

Die Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen dient zwar der Strafrechtspflege, erfolgt jedoch außerhalb eines konkreten Strafverfahrens; mithin liegt keine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafprozesses vor, und die §§ 23 ff. EGGVG sind deshalb nicht anwendbar (Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, E Rn. 177). Schließlich spricht, soweit entsprechende Befugnisse - wie dies meist zutrifft - in den Polizeigesetzen der Länder geregelt sind, der Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dafür, hier wie auch sonst bei polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen den Rechtsweg gemäß § 40 VwGO für einschlägig anzusehen. Das liegt umso näher, als die entsprechenden Strafverfolgungsvorsorgebefugnisse nicht für die Staatsanwaltschaft gelten und damit wesentliche Gründe, welche sonst bei Strafverfolgungsmaßnahmen der Polizei für die Ergreifung des Rechtswegs gemäß § 23 EGGVG sprechen, hier entfallen (vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Aufl. 2009, Rn. 427).

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anfechtung über die Verweisung löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. Beschluss vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 B 1.10 - BVerwGE 137, 52 Rn. 13). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 208/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit diesem Urteil wurde die gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sei zwar nicht - wie in dem angefochtenen Bescheid und in dem Widerspruchsbescheid angegeben - § 81 b 2. Alt. StPO, da der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 9.12.2011 nicht mehr Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit kein zulässiger Adressat einer Maßnahme nach § 81 b 2. Alt. StPO mehr gewesen sei. Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme sei vielmehr § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG. Das nachträgliche Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage sei trotz des Vorliegens einer Ermessensentscheidung zulässig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 81 b 2. Alt. StPO und § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG bis auf die Beschuldigteneigenschaft inhaltsgleich und auch die anzustellenden Ermessenserwägungen dieselben seien. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger sei wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Der Kläger sei verdächtig, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben. Zwar sei das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlungen beglichen habe. Ein Restverdacht hinsichtlich der Begehung eines Betruges sei jedoch weiterhin gegeben. Auch bestehe die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergebe sich daraus, dass in der Vergangenheit bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger u.a. wegen Betrugs, Urkundenfälschung, weiterer Vermögensdelikte und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden seien. Dass die Ermittlungsverfahren allesamt eingestellt worden seien, sei unerheblich, da der Tatverdacht zumeist nicht ausgeräumt worden sei, sondern die Einstellungen etwa wegen geringer Schuld (§ 153 Abs. 1 StPO), mit Blick auf sonstige Straftaten (§ 154 Abs. 1 StPO) oder auch mangels hinreichenden Nachweises nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt seien. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei mit Blick auf das Gewicht der dem Kläger in der Vergangenheit vorgeworfenen Taten auch verhältnismäßig.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 15.5.2013 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird

vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164.

Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die vollständige Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung

vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542.

Das Vorbringen des Klägers vermag keine ernstlichen Zweifel im vorgenannten Sinne an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe in unzulässiger Weise die Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausgetauscht, vermag er damit nicht durchzudringen. Dass der Beklagte seine Anordnung auf § 81 b 2. Alt. StPO und nicht auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gestützt hat, steht der Anwendung der letztgenannten Vorschrift durch das Verwaltungsgericht nicht entgegen.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Das Gericht hebt nach dieser Vorschrift einen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. In § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt die Verpflichtung des Gerichts zum Ausdruck zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung hat das Gericht daher alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Hierin liegt keine Umdeutung des Verwaltungsakts in eine andere Maßnahme. Eine Umdeutung besteht in einem verändernden Eingriff in den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, der hier jedoch unverändert bleibt. Andere als im angefochtenen Bescheid genannte Normen und Tatsachen sind nur dann nicht heranzuziehen, wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind, d.h., wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde

vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 - und grundlegend schon Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12/81 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Eine Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides liegt hier indes nicht vor. Die angeordnete Maßnahme bleibt auch auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Strafverfolgungsvorsorge. Die erkennungsdienstliche Behandlung - Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale sowie Messungen - verändert sich auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG nicht. Die vorgenannte Vorschrift und § 81 b 2. Alt. StPO weisen bis auf den Personenkreis inhaltlich im Wesentlichen dieselben Tatbestandsvoraussetzungen auf. Der Anwendung der Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass es sich sowohl bei § 81 b 2. Alt. StPO als auch bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG um ermessenseröffnende Normen handelt, weil die Normen - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - demselben Zweck, nämlich der Strafverfolgungsvorsorge, dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG tragen

vgl. zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen: BVerwG, Urteil vom 30.6.1989 - 4 C 40/88 -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.12.1999 - B 2 S 73/99 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG, den der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als verfassungsgemäß erachtet hat

vgl. Beschluss vom 13 3.2009 - 3 B 34/09 -, juris,

greifen ebenfalls nicht durch. Die im Zulassungsantrag geäußerten Zweifel an der Gesetzgebungsbefugnis des saarländischen Landesgesetzgebers sind unbegründet.

Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über die Gesetzgebungskompetenz, soweit diese nicht dem Bund zugewiesen ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dient § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge unterfällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung

vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, und BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, jeweils bei juris.

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber eine Maßnahme nach Umfang, Zuständigkeit und Zweck sowie hinsichtlich der für die jeweilige Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen umfassend - ggf. auch durch ein absichtsvolles Unterlassen - geregelt hat. Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Gesetz für unzureichend hält

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, m.w.N., juris.

Im Bereich der Strafverfolgungsvorsorge hat der Bundesgesetzgeber mehrere Regelungen erlassen, von denen vorliegend § 81 b 2. Alt. StPO von Belang ist. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf eine landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Jedoch hat der Bundesgesetzgeber keine allgemein abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, juris,

so dass auch keine Verpflichtung des saarländischen Gesetzgebers bestand, den Bereich der Strafverfolgungsvorsorge aus dem SPolG herauszunehmen

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -; anders aber die Reaktion des niedersächsischen Gesetzgebers auf das o.g. Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 betreffend niedersächsische Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung; vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.2009 - 11 LB 431/08 -, jeweils bei juris.

§ 81 b 2. Alt. StPO ist insbesondere hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht abschließend, so dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Erweiterung des Adressatenkreises auf Nichtbeschuldigte durch die Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Gesetzgebers gedeckt ist

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, betreffend eine entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HmbPolDVG.

Weder aus dem Wortlaut noch der Systematik des § 81 b 2. Alt. StPO noch der Gesetzgebungsgeschichte oder den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber hinsichtlich des Adressatenkreises erkennungsdienstlicher Maßnahmen eine abschließende Regelung getroffen hat

hierzu ausführlich OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris.

Vielmehr spricht der Regelungszweck der Norm dagegen, dieser hinsichtlich des Adressatenkreises abschließenden Charakter beizumessen. Zweck der Strafverfolgungsvorsorge ist es, sächliche Hilfsmittel für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben bereitzustellen, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind. Diesem Zweck entspricht es, wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen auch gegenüber Personen ermöglicht werden, die nicht (mehr) Beschuldigte sind. Insbesondere bei rechtskräftig Verurteilten, aber auch bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen worden sind, und solchen, bei denen das Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, kann es geboten sein, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu gewinnenden Daten für künftige Ermittlungsverfahren vorrätig zu haben, um den jeweils Betroffenen als möglichen Täter überführen oder entlasten zu können. Bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen oder deren Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden sind, kann im Einzelfall weiter ein hinreichender Tatverdacht bestehen, der es rechtfertigen kann, für die Strafverfolgungsvorsorge entsprechende erkennungsdienstliche Unterlagen bereitzuhalten. Auch im Hinblick auf rechtskräftig Verurteilte ist kein einleuchtender Grund erkennbar, warum die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen während der Ermittlungen zulässig sein sollte, nach der Verurteilung jedoch nicht mehr.

Demnach war der Landesgesetzgeber befugt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern

so auch OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 - m.w.N.; im Ergebnis ebenso VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -; OVG Schleswig, Urteil vom 5.5.1998 - 4 L 1/98 -, NJW 1999, 1418; OVG Münster, Beschluss vom 13.1.1999 - 5 B 2562/98 -, jeweils bei juris; so im Ergebnis auch Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2011, E Rdnr. 419.

Mit Blick auf § 81 b 2. Alt. StPO ist die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG allerdings verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht nach § 81 b 2. Alt. StPO zulässig oder ausgeschlossen sind.

Ist somit die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Regelung von der Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Landesgesetzgebers gedeckt und sind sonstige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG weder vorgetragen noch erkennbar, bestehen auch von daher keine Bedenken gegen die Heranziehung der vorgenannten Vorschrift als Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung.

Da - wie eingangs bereits dargelegt - das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO -auch alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen hat, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Akten mehrerer Ermittlungsverfahren, u.a. derjenigen wegen Warenkreditbetrugs, herangezogen hat. Inwiefern dies - wie der Kläger vorträgt - die Kompetenz des Gerichts überschritten haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Des Weiteren vermag der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Subsumtion des Verwaltungsgerichts nicht durchzudringen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger - wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert - zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich gewesen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angeordneten erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht deshalb rechtswidrig, weil die gegen den Kläger geführten Ermittlungen bisher nicht zu einer Verurteilung geführt haben, diese vielmehr jeweils eingestellt wurden.

Des ungeachtet hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass der Kläger im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SPolG hinreichend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben und auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben ist. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, bemisst sich die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere angesichts der Art, Schwere und der Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, sowie Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, jeweils m.w.N., bei juris.

Ob es in der Vergangenheit zu einer Verurteilung des Betroffenen gekommen ist, ist hierbei nicht entscheidend. Vielmehr kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr im vorgenannten Sinne vorliegt, ein Tatvorwurf auch dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. StPO oder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügend Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Gleiches gilt , wenn gemäß § 153 a StPO unter Auflagen oder Weisungen von einer Anklageerhebung abgesehen wird in der Annahme, durch letztgenannte Maßnahmen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigen zu können, oder auch wenn Ermittlungsverfahren mit Blick auf eine geringe Schuld des Betroffenen und ein fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung gemäß § 153 StPO eingestellt werden. In all diesen Fällen ist vielmehr jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der Gründe für die Einstellung des Verfahrens, zu fragen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Betreffenden vollständig entfallen ist oder ob ein Restverdacht gegeben ist, der begründete Anhaltspunkte dafür liefert, dass der Betreffende auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könnte

vgl. bereits Beschluss des Senats vom 15.4.2013 - 3 A 108/12 -; BVerfG, Beschluss vom 16.5.2001 -1 BvR 2257/01-; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, jeweils bei juris.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht im Falle des Klägers hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass dieser auch künftig in Verdacht geraten könnte, eine aufzuklärende strafbare Handlung begangen zu haben und dass die mit den streitgegenständlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass gegen den Kläger bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Warenkreditbetrugs, Betrugs, Urkundenfälschung, Erpressung, gefährlicher Körperverletzung usw. geführt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen, denen der Kläger in der Sache nicht entgegen getreten ist. Wie bereits im Widerspruchsbescheid des Beklagten ausgeführt, weist das polizeiliche Informationssystem für den Zeitraum von 1996 bis 2010 hinsichtlich des Klägers insgesamt 21 Einträge mit strafrechtlicher Relevanz auf. Hinzu kommt das vom Verwaltungsgericht erwähnte, im Jahr 2011 aufgrund einer Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung durch Vortäuschen eines Unfalls sowie ein im Jahr 2012 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Erpressung. Zwar führten diese Ermittlungsverfahren - soweit ersichtlich - bisher nicht zu einer Verurteilung des Klägers. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Ermittlungsverfahren aber nicht eingestellt, weil der zugrunde liegende Tatverdacht ausgeräumt werden konnte. Vielmehr erfolgte etwa die Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlung beglichen, also den entsprechenden Schaden reguliert hatte und das geschädigte Unternehmen sich danach mit einem Absehen von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung einverstanden erklärte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht fortbestehende Verdachtsmomente eines vom Kläger begangenen (bzw. versuchten) Betrugs angenommen. Auch in dem Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung wurde der Schaden - soweit ersichtlich - ausgeglichen. Weitere Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung wurden ebenfalls gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Die Einstellung eines Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgte gemäß § 153 a Abs. 1 StPO unter der Auflage, dass der Kläger an das Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlte. Ausgehend von der Vielzahl gegen den Kläger eingeleiteter Ermittlungsverfahren sowie der Tatsache, dass bei einem erheblichen Teil davon der jeweilige Tatverdacht nicht ausgeräumt wurde, die Verfahrenseinstellung vielmehr aus sonstigen Gründen erfolgte, hat das Verwaltungsgericht zu Recht hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass der Kläger auch künftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.

Auch bestehen keine Bedenken hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Verhältnismäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers, dass sämtliche in der Vergangenheit gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe nicht von erheblichem Gewicht gewesen seien, was bereits durch die Tatsache der Einstellung der jeweiligen Ermittlungsverfahren belegt sei, bleibt ohne Erfolg. Auch wenn die Ermittlungsverfahren zum Teil wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurden, handelt es sich bei den gegenüber dem Kläger erhobenen Tatvorwürfen nicht um bloße Bagatelldelikte, welche eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermögen; vielmehr kommt diesen durchaus erhebliches Gewicht zu. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt ging es allein bei den Warenkreditbetrügereien um einen Gesamtschaden in Höhe von ca. 800,- EUR; bei dem gemeinschaftlichen Betrug einer Versicherung durch Vortäuschen eines Verkehrsunfalls stand ein Schaden in Höhe von 14.600,- EUR in Rede. Auch die gefährliche Körperverletzung, zu deren Ausgleich der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlen musste, ist keinesfalls als Bagatelldelikt anzusehen. Hinzu kommt, dass dem Kläger nicht nur einzelne Verfehlungen vorgeworfen wurden, sondern eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden war. Bei einer Gesamtschau der dem Kläger zur Last gelegten Taten, bei denen der jeweilige Tatverdacht - ungeachtet der Verfahrenseinstellung - in der Sache fortbesteht, ist ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung eventueller künftiger Straftaten, bei denen der Kläger in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werden könnte, anzunehmen. Dieses Aufklärungsinteresse überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner personenbezogenen Daten. Insofern erscheint die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch nicht als unverhältnismäßig.

Dass der Beklagte den Kläger nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung erneut – wohl versehentlich – unter Verweis auf § 81 b 2. Alt. StPO statt auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen hat, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung ohne Belang.

Nach alledem vermögen die vom Kläger im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände den allein geltend gemachten Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Reeperbahn wurde seit März 2006 durch 12 Videokameras offen polizeilich überwacht. Die verwendeten Kameras können um 360Grad geschwenkt und variabel geneigt werden, verfügen über eine Zoomfunktion und wurden in der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) der Beklagten gesteuert. Dort wurden die Bilder auf eine Monitorwand übertragen, die aus 12 Bildschirmen für die einzelnen Kamerastandorte und einem größeren, mittig angeordneten Bildschirm bestand, auf dem jeweils ein Kamerabild als Großbild aufgeschaltet werden konnte. Die Videobilder wurden durch Mitarbeiter der PEZ täglich 24 Stunden lang überwacht. Zum Schutz der während des Schwenkens erfassten Privatbereiche wurde eine sog. "Schwarzschaltung" etabliert.

2

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Gebäudes mit der Straßenbezeichnung ... Eine der Kameras wurde gegenüber diesem Gebäude an einem Pfahl auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in ungefähr 4 m Höhe befestigt und erfasste in ihrem Schwenkbereich auch das Wohnhaus der Klägerin einschließlich der von ihr bewohnten Räume.

3

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, Videoaufnahmen durch die Fenster ihrer Wohnung mittels mechanischer Sperren an der Videokamera vor ihrem Haus (z.B. durch Verhüllen mit einer Mülltüte) unmöglich zu machen. Zur Begründung berief sie sich auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die bereits praktizierte "Schwarzschaltung" zum Schutz privater Bereiche ab.

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Videokamera freizuschalten, soweit sie die Wohnung der Klägerin erfasste. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 untersagt, die "Schwarzschaltung" der Videokamera aufzuheben, soweit diese die Wohnung der Klägerin erfasst hat. Soweit die Klägerin ergänzend beantragt hat, der Beklagten eine dauerhafte "Schwarzschaltung" auch hinsichtlich des Eingangsbereichs ihres Hauses aufzugeben, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Eingangsbereich nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 GG umfasst werde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Wohnhauses ... und des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe dieses Hauses angebrachte Videokamera a) nach außen erkennbar unmöglich zu machen, hilfsweise b) zu unterlassen. Mit Urteil vom 22. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu unterlassen. Soweit sich die Klägerin auch gegen eine Überwachung des öffentlichen Straßenraums wandte, hat es die Berufung hingegen zurückgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt: Die Überwachung greife zwar in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch stelle die Regelung des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage dar. Die Norm entspreche dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Dies gelte sowohl mit Blick auf den Gesetzeszweck als auch den sachlich-zeitlichen und sachlich-räumlichen Anwendungsbereich. Dem Land Hamburg stehe die Gesetzgebungskompetenz zu. Soweit die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG die Verhütung von Straftaten bezwecke, sei die Gesetzgebungskompetenz des Landes Hamburg deshalb zu bejahen, weil die der Landesgesetzgebung unterliegende Gefahrenabwehr den Bereich der Straftatenverhütung umfasse. Die Gesetzgebungskompetenz stehe dem Land Hamburg aber auch insoweit zu, als die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG das Ziel einer Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten umfasse. Eine solche Strafverfolgungsvorsorge sei Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und gehöre deshalb gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe zwar in der Strafprozessordnung Regelungen über Bildaufnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung getroffen (§§ 100h, 163f, 81b StPO). Diese Regelungen seien aber mit Bezug auf eine offene Videoüberwachung nicht abschließend. Die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG sei verhältnismäßig. Die Regelung sei zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beklagte habe von der Norm rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Videoüberwachung sei formell rechtmäßig und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG seien erfüllt. Auch habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

6

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren mitgeteilt: Um das Urteil des Oberverwaltungsgerichts umzusetzen und die Hauseingänge von der Überwachung auszunehmen, seien die verpixelten Bereiche deutlich ausgeweitet und damit der räumliche Überwachungsbereich der Kameras erheblich eingeschränkt worden. In der Folge sei die Zahl der Einsätze, die durch die Videoüberwachung ausgelöst worden seien, merklich zurückgegangen. Deshalb sei die anlasslose Dauerüberwachung der Reeperbahn nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG mit Ablauf des 15. Juli 2011 eingestellt und die Kameras senkrecht nach unten ausgerichtet worden. Sie sollten nur noch auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 HmbPolDVG eingesetzt werden, nämlich wenn bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen mit Straftaten zu rechnen sei.

7

Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ausgeführt: Ihr Unterlassungsbegehren sei nicht in der Hauptsache erledigt. Die Überwachung auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 HmbPolDVG könne jederzeit wiederaufgenommen werden, zumal die Beklagte tatsächlich zumindest zwei Kameras weiterhin ständig einsetze. Im Übrigen könne das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überwachung auswechsele. In der Sache sei das Berufungsgericht zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne dieser Eingriff aber nicht auf die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG gestützt werden. Das Land habe diese Vorschrift bereits aus formellen Gründen nicht erlassen dürfen, weil ihm die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle. Durch die §§ 100h i.V.m. 163f StPO habe der Bundesgesetzgeber nicht nur den Bereich der verdeckten, sondern auch der offenen Videoüberwachung geregelt und damit abschließend von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO. Die Formulierung, wonach Bildaufnahmen "auch ohne Wissen der Betroffenen" angefertigt werden könnten, lasse erkennen, dass die Regelung auch Bildaufnahmen umfasse, die mit Wissen der Betroffenen angefertigt würden. Diese Auslegung werde durch die Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/5846 S. 39) werde betont, dass das Wissen der Betroffenen die Überwachung nicht unzulässig mache. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10) klargestellt, dass sich die aus § 100h StPO vermittelte Befugnis weder auf Observationszwecke noch auf Einzelaufnahmen beschränke, sondern auch Videoaufzeichnungen umfasse. Einer landesgesetzlichen Regelung stehe im Übrigen auch § 81b StPO entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 114.79 - BVerwGE 66, 202 <204> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 32) diene die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 StPO nicht der Aufklärung eines konkreten Strafverfahrens, sondern - ähnlich wie die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG - der vorsorgenden Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Strafaufklärung.

8

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG verletze auch den Wesentlichkeitsgrundsatz. Angesichts der Intensität des vorliegenden Eingriffs zähle es zu den wesentlichen normativen Grundlagen, dass die Videoüberwachung nur für Fälle der Straßenkriminalität sowie an Kriminalitätsbrennpunkten anwendbar sei. Diese einschränkenden Merkmale seien aber nicht in der Norm selbst geregelt. Insofern verletze die Regelung den Grundsatz der Bestimmtheit. Sie verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; insoweit fehle es an der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

9

Schließlich fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die Bildaufzeichnung und -speicherung. Insbesondere sei die in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG geregelte Speicherfrist von einem Monat nicht erforderlich.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 und das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera zu unterlassen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera bis zu deren Abschaltung rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig geworden. Die Hauptsache habe sich erledigt. Die Videoüberwachung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG sei eingestellt. Die beiden von der Klägerin erwähnten Kameras dienten nicht der dauernden Überwachung der Reeperbahn, sondern in einem Fall, gestützt auf das Hausrecht, der Überwachung eines Polizeikommissariats, im anderen Fall der Verkehrsüberwachung. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das berechtigte Interesse. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang zu Recht abgewiesen.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für den Erlass des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Landes bestanden.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unterlassungsklage zwar als zulässig angesehen (1.), in dem ausgesprochenen Umfang aber als unbegründet abgewiesen (2.).

15

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag weiterhin zulässig. Das mit ihm verfolgte Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge erledigt, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen wäre.

16

Streitgegenstand der allgemeinen Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestützte Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Vornahme der begehrten Handlung oder zur Unterlassung der beanstandeten Handlung. Die beanstandete Handlung, die die Beklagte unterlassen soll, ist hier eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl S. 187), nämlich die ohne konkreten Anlass vorgenommene und dauernde Videoüberwachung der Reeperbahn. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei unterscheidet in seinem § 8 zwischen der Überwachung von Ansammlungen und Veranstaltungen aus konkretem Anlass (§ 8 Abs. 1 HmbPolDVG) und der anlasslosen dauernden Überwachung von bestimmten, durch die Begehung von Straftaten gekennzeichneten Orten (§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG). Beide Maßnahmen unterscheiden sich nach ihren rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen. Das Unterlassungsbegehren knüpft an die Maßnahme an, die die Beklagte bisher betrieben hat und deren Fortsetzung oder Wiederholung unterbleiben soll. Das ist hier allein eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, die damit zugleich den Lebenssachverhalt darstellt, auf den der Anspruch gestützt ist.

17

Obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag die Videokameras abgeschaltet hat, die der dauernden anlasslosen Videoüberwachung der Reeperbahn dienen, hat sich dadurch nicht das Begehren der Klägerin erledigt, eine solche Überwachung der Reeperbahn durch die Kamera zu unterlassen, die vor dem Haus postiert ist, in dem die Klägerin wohnt.

18

Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).

19

Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.

20

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin beruft sich zwar zu Recht auf eine von der Beklagten ausgehende Wiederholungsgefahr (a)) für einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (b)). Dieser Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt (c)), und die angegriffene Maßnahme der Beklagten hält sich auch nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz in diesem gesetzlichen Rahmen (d)). Der Klägerin steht somit der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu.

21

a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 S. 12, 17) liegt vor. Dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 17). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die anlasslose offene Überwachung der Reeperbahn und insbesondere des Abschnittes vor der Wohnung der Klägerin nicht aufgegeben, weil sie sich deren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht hätte, sondern weil sie den damit verbundenen Aufwand nicht mehr für gerechtfertigt gehalten hat. Aus der Sicht der Klägerin kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre Rechtsansicht einmal wieder ändern könnte und sie dann ohne gerichtliche Entscheidung dem rechtlichen Eingriff erneut ausgesetzt wäre.

22

b) Als Rechtsgrundlage für ihren Unterlassungsanspruch kommen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm - wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird - eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (Urteile vom 14. Dezember 1973 - BVerwG 4 C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <243> = Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 2; vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - NJW 1985, 1481 und vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <189, 199> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11).

23

Den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berührt auch die beobachtende und observierende Tätigkeit der Polizei (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <342> ). Das gilt nicht nur für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Straßenverkehr (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <397 ff.> ; Kammerbeschluss vom 11. August 2009 - 2 BvR 941/08 - DVBl 2009, 1237 und Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 - DAR 2010, 574 ), sondern auch für eine offene Videoüberwachung des öffentlichen Raums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl 2007, 497 ).

24

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung greift die Videoüberwachung jedenfalls insoweit in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, als sie mittels Bildaufzeichnung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG erfolgt. Dies wäre zwar möglicherweise anders zu beurteilen, wenn die aufgezeichneten Bilder unmittelbar nach der Aufzeichnung wieder gelöscht würden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 397). So liegt es hier aber nicht. Wie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG ergibt, soll das aufgezeichnete Bildmaterial mindestens einen Monat lang aufbewahrt werden. Eine derartige Speicherung von Bildmaterial greift insbesondere dann in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wenn das Bildmaterial zur Vorbereitung von belastenden Maßnahmen gegen Personen dienen soll, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, und zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht legt die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BüDrucks 18/1487 S. 15) dahingehend aus, dass die Bildaufzeichnung und Speicherung sowohl der Straftatverhütung durch Abschreckung als auch der Strafverfolgungsvorsorge durch vorbereitende Verschaffung von Beweismaterial dienen soll. Die Bildaufzeichnung greift deshalb in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juli 2003 -1 S 377/02 - NVwZ 2004, 498; VG Halle, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 3 B 121/99 HAL - LKV 2000, 164; Kloepfer/Breitkreutz, DVBl 1998, 1149 <1152>; Roggan, NVwZ 2001, 134 <135>; Fischer, VBlBW 2002, 89 <92>; Collin, JuS 2006, 494; Ellermann, Die Polizei 2006, 271 f.; Saurer, DÖV 2008, 17 <19>; Maximini, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsprävention, S. 89; Schnabel, NVwZ 2010, 1457).

25

Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur den Schutz der Privat- und Intimsphäre gewährleistet, sondern auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung trägt, der sich in die Öffentlichkeit begibt, entfällt der Eingriff in den Schutzbereich nicht dadurch, dass lediglich Daten über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Es ist auch nicht als eine einen Eingriff ausschließende Einwilligung in die Informationserhebung zu werten, wenn sich die Betroffenen in den Erfassungsbereich der Videokameras begeben, obwohl sie aufgrund der angebrachten Hinweisschilder wissen, dass sie gefilmt werden. Das Unterlassen eines ausdrücklichen Protests kann nicht mit einer Einverständniserklärung gleichgesetzt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.).

26

Greift mithin die Videoüberwachung jedenfalls in ihrer Aufzeichnungsform in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, kann dahinstehen, ob auch die bloße Bildübertragung einen solchen Eingriff bewirkt. Die Frage, ob die bloße Bildübertragung (das sog. Kamera-Monitor-Prinzip) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wäre zwar dann zu klären, wenn § 8 Abs. 3 HmbPolDVG die Bildübertragung an andere Voraussetzungen geknüpft hätte als die Bildaufzeichnung oder es hier sogar - wie in dem Fall, der dem Beschluss des VG Halle vom 17. Januar 2000 (a.a.O.) zugrunde lag - ausschließlich um eine Bildübertragung ginge. Dies ist aber bei § 8 Abs. 3 HmbPolDVG - im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen einiger anderer Bundesländer (vgl. dazu: Lang, Die Polizei 2006, 265 <266>) - nicht der Fall. § 8 Abs. 3 HmbPolDVG regelt die Videoüberwachung als einheitliche Beobachtung nebst Speicherung (vgl. Zöller, NVwZ 2005, 1235).

27

c) Der Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen bedürfen aber einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <44> ). Eine solche gesetzliche Grundlage liegt in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besaß zum Erlass dieser Norm die Gesetzgebungsbefugnis (aa)). Die Norm ist ausreichend bestimmt (bb)) und verhältnismäßig (cc)).

28

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG setzt voraus, dass die Beklagte für diese Regelung die Gesetzgebungskompetenz hatte. Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über das Recht der Gesetzgebung, soweit die Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund zugewiesen ist. Zu den bei den Ländern verbleibenden Materien gehört u.a. das Recht der Gefahrenabwehr. Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dahingehend ausgelegt, dass diese Regelung sowohl der Verhütung von Straftaten (aaa)) als auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) (bbb)) dient (Berufungsurteil S. 29).

29

aaa) Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern bzw. eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender, momentan aber noch nicht konkret drohender Gefahren zu ermöglichen. Die Gefahrenvorsorge umfasst auch die Verhütung von noch nicht konkret drohenden Straftaten (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10). Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Zweck, Straftaten der Straßenkriminalität zu verhüten oder - wenn sie drohen - ihre Abwehr vorzubereiten, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen und unterfällt damit aufgrund von Art. 70 GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Verhütung von Straftaten in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Wie weit der Gesetzgeber eine derartige Maßnahme in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzung verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368>).

30

Soweit an öffentlich zugänglichen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, dient die offene Beobachtung dieser Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG der Verhinderung von Straftaten. Die offene ausgewiesene Beobachtung soll potentielle Straftäter von vornherein von der Begehung einer Straftat abschrecken und diese dadurch verhindern. Zur Abschreckung gehört die Bildaufzeichnung. Sie erhöht die Effektivität der Abschreckung, weil der potentielle Täter damit rechnen muss, dass seine Tat aufgezeichnet wird und die Aufzeichnung nicht nur für seine Identifizierung, sondern auch als Beweismittel in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen wird. Die Beobachtung ermöglicht es zudem den damit betrauten Beamten, sich anbahnende Gefahrenlagen, aus denen sich typischerweise Straftaten entwickeln können, rechtzeitig zu erkennen und Beamte vor Ort gezielt einzusetzen.

31

bbb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Videoüberwachung allerdings nicht auf die Ziele beschränkt, Straftaten zu verhüten und deren Abwehr vorzubereiten, sondern sie soll daneben auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten dienen. Diesem Ziel dient die Datenspeicherung, also die Bildaufzeichnung einschließlich der einmonatigen anlasslosen Aufbewahrung. Bei der Strafverfolgungsvorsorge handelt es sich um eine Kategorie des Sicherheitsrechts, die von der Gefahrenvorsorge ebenso wie von der Strafverfolgung zu unterscheiden ist (a1)). Sie gehört - wie die Vorinstanz ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - zu demjenigen Teil der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (b1)), von der der Bund noch nicht abschließend Gebrauch gemacht hat (c1)).

32

a1) Unter Strafverfolgungsvorsorge versteht das Berufungsgericht - in Anlehnung an den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG genannten Gesetzeszweck - die "Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten" (Berufungsurteil S. 20 und 29). Sie dient der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere bzw. später bekannt werdende Straftaten. Ihrer sich nach der Zielrichtung der Maßnahme bestimmenden Abgrenzung von der Gefahrenvorsorge steht nicht im Wege, dass im Einzelfall ein polizeiliches Handeln sowohl unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgungsvorsorge wie auch dem der Gefahrenvorsorge in Betracht kommt (Schenke, a.a.O. § 1 Rn. 11).

33

b1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Strafverfolgungsvorsorge kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, nämlich der Sicherung von Beweismitteln für ein künftiges Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 369; vgl. auch Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30). Daran ändert der Umstand nichts, dass im Unterschied zur Strafverfolgung die Strafverfolgungsvorsorge ebenso wie die Gefahrenvorsorge präventiv ansetzt. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme, anders als bei der Strafverfolgung im herkömmlichen Sinne, an einer bereits begangenen Straftat. Die Verfolgungsvorsorge erfolgt in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren. Die Daten werden zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur möglichen Verwertung in einem künftigen Strafverfahren erhoben. Eine Verwertung der erhobenen Daten für diesen Zweck kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde und daraus strafprozessuale Konsequenzen gezogen werden. Die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen sind insofern dazu bestimmt, in ungewisser Zukunft in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren einzufließen. Es geht - jenseits eines konkreten Anfangsverdachts - um die Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren, nicht um eine präventive Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten. Eine solche Verfolgungsvorsorge gehört zum gerichtlichen Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 370 f.).

34

Die Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge zur Sachmaterie "gerichtliches Verfahren" innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das davon umfasste strafrechtliche Ermittlungsverfahren erst später beginnt. Sowohl im gerichtlichen Hauptverfahren als auch im vorgelagerten Ermittlungsverfahren geht es um die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts gegen einen konkreten Beschuldigten. Dies bedeutet indes nicht, dass nur für Maßnahmen nach Vorliegen eines Anfangsverdachts die kompetenzrechtliche Zuordnung zum gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass vorsorgende Maßnahmen, die sich auf die Durchführung künftiger Strafverfahren beziehen, von der Zuweisung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht erfasst sein sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30>). Die Ungewissheit, ob die vorsorglich gespeicherten Daten für ein späteres Strafverfahren tatsächlich benötigt werden, kann sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auswirken, steht aber der Zuordnung der Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren nicht entgegen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 371).

35

c1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02 u.a. - BVerfGE 109, 190 <229>). Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <300 f.>). Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat. Vielmehr kann auch das absichtsvolle Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327 f.>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 a.a.O. S. 327; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <211 f.>; Beschluss vom 13. Februar 1974 - 2 BvL 11/73 - BVerfGE 36, 314 <320>; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89 - BVerfGE 85, 134 <147>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300; Urteil vom 10. Februar 2004 a.a.O. S. 230).

36

Der hamburgische Gesetzgeber war durch die Vorgaben des Bundes nicht gehindert, die in § 8 Abs. 3 HmbPolDVG enthaltene Regelung über die offene anlasslose Videobeobachtung zu erlassen. Eine möglicherweise abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse - sog. Kodifikationsprinzip - beinhaltet die Strafprozessordnung gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der bei Bestehen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. Die Regelungen des Bundes auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge hingegen sind nicht in einer vergleichbaren Weise dicht, dass sie abschließend wirken. § 6 EGStPO erstreckt sich nicht auf die Strafverfolgungsvorsorge, denn es geht insoweit nicht um Maßnahmen, die vom Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat abhängen. Dies ist anders zu sehen, soweit der Bundesgesetzgeber strafprozessuale Ermächtigungen zur Strafverfolgungsvorsorge geschaffen hat, wie z.B. in § 81b Alt. 2 StPO, § 81g StPO und § 484 StPO. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden; Spielraum bleibt allenfalls für landesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen. Der Bundesgesetzgeber hat aber keine allgemeine abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen. So bestimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO ausdrücklich, dass sich die Verwendung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind oder werden, grundsätzlich nach den Polizeigesetzen richtet. Ausgenommen hiervon wird nur die Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens. Zu beachten ist zudem, dass selbst in Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge normiert hat, dies nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber entsprechende Befugnisse zum Zwecke der mit der Strafverfolgungsvorsorge häufig parallel laufenden Gefahrenvorsorge vorsieht (Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30).

37

§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient neben der Gefahrenabwehr gleichrangig der Strafverfolgungsvorsorge in einem Sachbereich, für den der Bund seine Gesetzgebungskompetenz noch nicht mit einer die Länder ausschließenden Wirkung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift dient namentlich durch die Bildaufzeichnung der Gewinnung von Beweismitteln in künftigen Strafverfahren. Dass die Bildaufzeichnungen aufbewahrt werden können, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG), macht die Bildaufzeichnung selbst noch nicht zu einer Maßnahme der Strafverfolgung. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber nur in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise eine künftige Verwendung der gewonnenen Daten geregelt, ohne dass aus diesem einen zugelassenen Verwendungszweck auf den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung geschlossen werden könnte. Ausweislich der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbPolDVG hat der Gesetzgeber die Erhebung von Daten allgemein und damit auch die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) zugelassen. Die offene Beobachtung und damit unmittelbar verbunden die Bildaufzeichnung setzt zu einem Zeitpunkt ein, zu dem nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Straftat beobachtet und aufgezeichnet werden wird. Beobachtung und Aufzeichnung treffen Vorsorge für den Fall, dass eine Straftat im überwachten Bereich geschieht, für deren künftige Verfolgung auf die gewonnenen Daten zurückgegriffen werden kann. Die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG berührt zwar in gewisser Weise den Regelungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermöglicht. § 81b Alt. 2 StPO regelt aber nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bilder für Zwecke künftiger Strafverfolgung angefertigt werden dürfen. Aus dem Regelungsinhalt des § 81b Alt. 2 StPO tritt kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind. Diese weisen erhebliche tatbestandliche Besonderheiten auf. Die dauernde Überwachung von Schwerpunkten der Kriminalität ohne konkreten Anlass entfaltet in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Breitenwirkung, die auf eine substantiell abweichende polizeitaktische Zweckbestimmung verweist, zumal sie funktional mit der Verhütung von Straftaten verknüpft ist. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die landesrechtliche Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG unterlaufe eine bestimmte bundesrechtliche Eingriffsschwelle und verfälsche so die konzeptionelle Entscheidung, die der Bundesgesetzgeber mit § 81b Alt. 2 StPO getroffen habe. Dasselbe gilt mit Blick auf § 100h und § 163f StPO. Bei der Observation nach diesen Bestimmungen handelt es sich um eine verdeckte, auf bestimmte Zielpersonen fokussierte Ermittlungsmaßnahme, die im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person bedeutsame Unterschiede zur offenen Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung aufweist. Zwar hat der Bundesgesetzgeber in § 100h StPO klargestellt, dass die an sich verdeckt gedachte Observation nicht abgebrochen werden muss, wenn der Betroffene sie gewahr wird. Das rückt die Observation aber nicht in bedeutsamer Weise der offenen Videoüberwachung näher.

38

Die Vorschriften des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei genügen - soweit es für die offene Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung auf sie ankommt - dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit.

39

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 375 ff.). Für Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme für den Betroffenen vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 376). Da bei Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder zur Verhütung von Straftaten das Risiko einer Fehlprognose besonders hoch ist, sind bei entsprechenden Regelungen besonders hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 377 f.). Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit auch die bereichsspezifische Funktion, eine Umgrenzung des Anlasses der Maßnahme und auch des möglichen Verwendungszwecks der betroffenen Information sicherzustellen (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 408). Ist der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O S. 408). Die Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG genügt auch diesen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen.

40

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten gleichermaßen und gleichrangige Ziele der Videoüberwachung (Berufungsurteil S. 20 ff.). Ebenfalls hinreichend bestimmt geregelt sind insbesondere in den §§ 14 ff. HmbPolDVG die Zwecke, für die die gewonnenen Daten künftig verwendet und weiter übermittelt werden dürfen, sowie die Voraussetzungen, die hierbei einzuhalten sind.

41

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG bundesrechtlich nicht beanstandet werden. Er bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift anhand des Regelungszusammenhangs und der Entstehungsgeschichte dahin ausgelegt, dass mit dieser Umschreibung Schwerpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind. Dass diese Begriffe ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig sind, nimmt der Norm nicht die hinreichende Bestimmtheit. Wie die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, ist eine solche Auslegung möglich, ohne dass dabei die bundesrechtlichen Grenzen überschritten werden müssten, die der Bestimmtheitsgrundsatz einer noch möglichen Auslegung zieht.

42

cc) Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG wahrt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient (aaa)) und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen (bbb)) ist (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 u.a. - BVerfGE 120, 274 <318 f.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt auch die Regelung über die Aufbewahrungsdauer der Bildaufnahmen (ccc)).

aaa) Die anlasslose Videoüberwachung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient einem legitimen Zweck. Die damit beabsichtigte Gefahrenvorsorge dient dem Schutz von Personen und Sachen auf der Reeperbahn. Die Beklagte hat dargetan, dass es immer wieder zu Rechtsbeeinträchtigungen insbesondere durch gewaltbereite Besucher kommt. Die Videoanlage ermöglicht die rasche Erkennung von Gefahrensituationen und daran anknüpfend den schnellen Einsatz von Polizeibeamten zur Abwehr der Gefahr. Die außerdem bezweckte Strafverfolgungsvorsorge ermöglicht die Aufbereitung von Beweismitteln für den Fall geschehener Rechtsverletzungen und deren Verwendung für die Strafverfolgung. Dies sichert den staatlichen Strafverfolgungsanspruch.

44

bbb) Die als Mittel für diese Zwecke eingesetzte Videoüberwachung ist gleichermaßen geeignet (a1), erforderlich (b1) und angemessen (c1).

45

a1) Dass eine Videoüberwachung dazu geeignet ist, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Hand. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial können Straftaten erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme können potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte (Berufungsurteil S. 34).

46

b1) Das eingesetzte Mittel ist auch erforderlich. Insbesondere ist ein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel als die Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenvorsorge auf der Reeperbahn nicht ersichtlich. Der stattdessen erwägenswerte größere Personaleinsatz der Polizei trifft auf Finanzierungsgrenzen. Die technische Beschaffenheit der Kameras - Zoomfunktion und Anbringung in 4 m Höhe - verhilft zu einer größeren Übersicht als der stattdessen vorstellbare Einsatz von Polizeibeamten auf der Reeperbahn selbst. Ein Flaschenverbot würde zwar die Gefahr von Verletzungen durch deren Verwendung als Waffen vermindern. Allerdings müsste dieses Verbot überwacht und durchgesetzt werden, was ebenfalls den Personaleinsatz erhöhen würde.

47

c1) Der vom Gesetzgeber ermöglichte Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 382). Die anlasslose Überwachung des öffentlichen Straßenraums stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, insbesondere für Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen gezwungen sind, sich dieser Beobachtung häufig auszusetzen. Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge dient jedoch in ebenso großem Maße nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit, sondern auch dem Individualrechtsschutz, insofern damit Eingriffe in hochwertige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit abgewehrt werden sollen. Als Anwohnerin kommt die Klägerin somit - gewollt oder ungewollt - selbst in den Genuss der Schutzwirkung der Kameraüberwachung.

48

Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verletzt deshalb nicht die Angemessenheit, weil ihr ein Ausnahmecharakter zukommt. Die Überwachung ist nämlich nur zulässig, soweit am Einsatzort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung auf beliebige Teile des Hamburger Stadtgebietes und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird in diesem Zusammenhang das Gewicht des staatlichen Eingriffs durch die Offenheit seiner Durchführung und durch die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit.

49

ccc) Die Eingriffsschwere wird durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG vorgesehen - zu Zwecken der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge für einen Monat oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten sogar darüber hinaus zu speichern. Die Verwertung in anderen Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <68 f.>). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG sind Bild- und Tonaufzeichnungen, in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten sowie zu einer Person suchfähig angelegte Akten spätestens einen Monat nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn die Daten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist (Satz 4). Diese Regelungen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

50

Die grundsätzliche Aufbewahrungsfrist in § 8 Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG von einem Monat nach Speicherung genügt den Bearbeitungsanforderungen bei der Auswertung eines täglichen Datenvolumens von 24 Stunden Beobachtungszeit aus mehreren Kameras. Der Gesetzgeber hat insofern in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass Straftaten zum Teil erst verzögert angezeigt und eine schnelle Löschung die Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes unnötig erschweren würde (BüDrucks 18/1487 S. 15). Sie belastet den Einzelnen in vertretbarem Maße, insbesondere weil er nicht in individualisierter Weise mit den Aufnahmen festgehalten wird, sondern als Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten auf der Reeperbahn. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist auf einen Monat verhindert ferner - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken entstehen kann (Berufungsurteil S. 37).

51

Die Regelung wird nicht durch die in § 8 Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG vorgesehene Möglichkeit einer zeitlich darüber hinaus gehenden Aufbewahrung für Zwecke der Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung unverhältnismäßig. Liegt ein entsprechender Tatverdacht vor, überwiegt das staatliche Verfolgungsinteresse das Interesse der Betroffenen an der sofortigen Löschung der erhobenen Bilddaten.

52

Verhältnismäßig im engeren Sinne ist schließlich die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG eröffnete Möglichkeit, die im Zuge der offenen Videoüberwachung erhobenen Bilddaten zu einer Person auch dann länger als einen Monat aufzubewahren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Insofern schlägt entscheidend zu Buche, dass der Gesetzgeber die Eingriffsvoraussetzungen von zwei Seiten her eng ausgestaltet hat, indem er einerseits eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt und andererseits nicht jedes, sondern nur ein auf Straftaten von erheblicher Bedeutung gerichtetes Bekämpfungsinteresse für die weitere Aufbewahrung genügen lässt. Im Hinblick auf den hohen Rang der staatlichen Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und die von dieser für die Allgemeinheit wie den einzelnen Grundrechtsträger ausgehenden Gefahren liegt darin keine unangemessene Verkürzung der grundrechtlichen Schutzansprüche der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

53

d) Die getroffene Maßnahme der Videobeobachtung hält sich nach den insoweit revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schließlich innerhalb der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Anlage hätte die Beklagte freilich zu überprüfen, ob sie die verfolgten Schutzzwecke quantitativ auch erreichen würde, wenn sie die durch das Oberverwaltungsgericht rechtskräftig aufgegebenen Verpixelungen der Kameras einhält.

(1) Ist jemand einer Straftat verdächtig, so können die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen treffen; § 163a Abs. 4 Satz 1 gilt entsprechend. Der Verdächtige darf festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Unter den Voraussetzungen von Satz 2 sind auch die Durchsuchung der Person des Verdächtigen und der von ihm mitgeführten Sachen sowie die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen zulässig.

(2) Wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist, kann auch die Identität einer Person festgestellt werden, die einer Straftat nicht verdächtig ist; § 69 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Art dürfen nicht getroffen werden, wenn sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen; Maßnahmen der in Absatz 1 Satz 3 bezeichneten Art dürfen nicht gegen den Willen der betroffenen Person getroffen werden.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 6 K 208/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Mit diesem Urteil wurde die gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil im Wesentlichen ausgeführt, Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sei zwar nicht - wie in dem angefochtenen Bescheid und in dem Widerspruchsbescheid angegeben - § 81 b 2. Alt. StPO, da der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bescheide aufgrund der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft A-Stadt vom 9.12.2011 nicht mehr Beschuldigter eines Strafverfahrens und damit kein zulässiger Adressat einer Maßnahme nach § 81 b 2. Alt. StPO mehr gewesen sei. Rechtsgrundlage für die angefochtene Maßnahme sei vielmehr § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG. Das nachträgliche Auswechseln der Ermächtigungsgrundlage sei trotz des Vorliegens einer Ermessensentscheidung zulässig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 81 b 2. Alt. StPO und § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG bis auf die Beschuldigteneigenschaft inhaltsgleich und auch die anzustellenden Ermessenserwägungen dieselben seien. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger sei wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich. Der Kläger sei verdächtig, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben. Zwar sei das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlungen beglichen habe. Ein Restverdacht hinsichtlich der Begehung eines Betruges sei jedoch weiterhin gegeben. Auch bestehe die erforderliche Wiederholungsgefahr. Diese ergebe sich daraus, dass in der Vergangenheit bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger u.a. wegen Betrugs, Urkundenfälschung, weiterer Vermögensdelikte und gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden seien. Dass die Ermittlungsverfahren allesamt eingestellt worden seien, sei unerheblich, da der Tatverdacht zumeist nicht ausgeräumt worden sei, sondern die Einstellungen etwa wegen geringer Schuld (§ 153 Abs. 1 StPO), mit Blick auf sonstige Straftaten (§ 154 Abs. 1 StPO) oder auch mangels hinreichenden Nachweises nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt seien. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei mit Blick auf das Gewicht der dem Kläger in der Vergangenheit vorgeworfenen Taten auch verhältnismäßig.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 15.5.2013 gibt keine Veranlassung, das vorgenannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Der vom Kläger allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wie es etwa der Fall ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird

vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164.

Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO meint dabei die Ergebnisrichtigkeit des Entscheidungstenors, nicht dagegen die vollständige Richtigkeit der dafür gegebenen Begründung

vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542.

Das Vorbringen des Klägers vermag keine ernstlichen Zweifel im vorgenannten Sinne an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen.

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe in unzulässiger Weise die Rechtsgrundlage für die angefochtene Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ausgetauscht, vermag er damit nicht durchzudringen. Dass der Beklagte seine Anordnung auf § 81 b 2. Alt. StPO und nicht auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gestützt hat, steht der Anwendung der letztgenannten Vorschrift durch das Verwaltungsgericht nicht entgegen.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Verwaltungsgericht zu überprüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Das Gericht hebt nach dieser Vorschrift einen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. In § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt die Verpflichtung des Gerichts zum Ausdruck zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung hat das Gericht daher alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht. Hierin liegt keine Umdeutung des Verwaltungsakts in eine andere Maßnahme. Eine Umdeutung besteht in einem verändernden Eingriff in den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, der hier jedoch unverändert bleibt. Andere als im angefochtenen Bescheid genannte Normen und Tatsachen sind nur dann nicht heranzuziehen, wenn dadurch die Grenzen überschritten würden, die der Zulässigkeit des sogenannten Nachschiebens von Gründen gezogen sind, d.h., wenn die anderweitige rechtliche Begründung oder das Zugrundelegen anderer Tatsachen zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde

vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 - und grundlegend schon Urteil vom 27.1.1982 - 8 C 12/81 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Eine Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides liegt hier indes nicht vor. Die angeordnete Maßnahme bleibt auch auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Strafverfolgungsvorsorge. Die erkennungsdienstliche Behandlung - Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale sowie Messungen - verändert sich auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG nicht. Die vorgenannte Vorschrift und § 81 b 2. Alt. StPO weisen bis auf den Personenkreis inhaltlich im Wesentlichen dieselben Tatbestandsvoraussetzungen auf. Der Anwendung der Vorschrift steht auch nicht entgegen, dass es sich sowohl bei § 81 b 2. Alt. StPO als auch bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG um ermessenseröffnende Normen handelt, weil die Normen - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - demselben Zweck, nämlich der Strafverfolgungsvorsorge, dienen und die Ermessenserwägungen des Beklagten auch die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG tragen

vgl. zum Auswechseln einer Rechtsgrundlage bei Ermessensentscheidungen: BVerwG, Urteil vom 30.6.1989 - 4 C 40/88 -; OVG Magdeburg, Beschluss vom 29.12.1999 - B 2 S 73/99 -; OVG Bautzen, Beschluss vom 16.6.2010 - 4 B 57/10 -, und OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, jeweils bei juris.

Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG, den der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als verfassungsgemäß erachtet hat

vgl. Beschluss vom 13 3.2009 - 3 B 34/09 -, juris,

greifen ebenfalls nicht durch. Die im Zulassungsantrag geäußerten Zweifel an der Gesetzgebungsbefugnis des saarländischen Landesgesetzgebers sind unbegründet.

Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über die Gesetzgebungskompetenz, soweit diese nicht dem Bund zugewiesen ist. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, dient § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG der Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten. Die Strafverfolgungsvorsorge unterfällt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG der konkurrierenden Gesetzgebung

vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, und BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, jeweils bei juris.

Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn der Bundesgesetzgeber eine Maßnahme nach Umfang, Zuständigkeit und Zweck sowie hinsichtlich der für die jeweilige Maßnahme erforderlichen Voraussetzungen umfassend - ggf. auch durch ein absichtsvolles Unterlassen - geregelt hat. Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Gesetz für unzureichend hält

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, m.w.N., juris.

Im Bereich der Strafverfolgungsvorsorge hat der Bundesgesetzgeber mehrere Regelungen erlassen, von denen vorliegend § 81 b 2. Alt. StPO von Belang ist. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf eine landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlage gestützt werden. Jedoch hat der Bundesgesetzgeber keine allgemein abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.1.2012 - 6 C 9/11 -, juris,

so dass auch keine Verpflichtung des saarländischen Gesetzgebers bestand, den Bereich der Strafverfolgungsvorsorge aus dem SPolG herauszunehmen

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -; anders aber die Reaktion des niedersächsischen Gesetzgebers auf das o.g. Urteil des BVerfG vom 27.7.2005 betreffend niedersächsische Regelungen zur Telekommunikationsüberwachung; vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urteil vom 26.2.2009 - 11 LB 431/08 -, jeweils bei juris.

§ 81 b 2. Alt. StPO ist insbesondere hinsichtlich des möglichen Adressatenkreises der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht abschließend, so dass die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Erweiterung des Adressatenkreises auf Nichtbeschuldigte durch die Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Gesetzgebers gedeckt ist

sinngemäß ebenso OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris, betreffend eine entsprechende Regelung in § 7 Abs. 1 Nr. 2 HmbPolDVG.

Weder aus dem Wortlaut noch der Systematik des § 81 b 2. Alt. StPO noch der Gesetzgebungsgeschichte oder den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber hinsichtlich des Adressatenkreises erkennungsdienstlicher Maßnahmen eine abschließende Regelung getroffen hat

hierzu ausführlich OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 -, juris.

Vielmehr spricht der Regelungszweck der Norm dagegen, dieser hinsichtlich des Adressatenkreises abschließenden Charakter beizumessen. Zweck der Strafverfolgungsvorsorge ist es, sächliche Hilfsmittel für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben bereitzustellen, die der Kriminalpolizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten durch § 163 StPO zugewiesen sind. Diesem Zweck entspricht es, wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen auch gegenüber Personen ermöglicht werden, die nicht (mehr) Beschuldigte sind. Insbesondere bei rechtskräftig Verurteilten, aber auch bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen worden sind, und solchen, bei denen das Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, kann es geboten sein, die durch erkennungsdienstliche Maßnahmen zu gewinnenden Daten für künftige Ermittlungsverfahren vorrätig zu haben, um den jeweils Betroffenen als möglichen Täter überführen oder entlasten zu können. Bei Personen, die mangels Beweisen freigesprochen oder deren Ermittlungsverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden sind, kann im Einzelfall weiter ein hinreichender Tatverdacht bestehen, der es rechtfertigen kann, für die Strafverfolgungsvorsorge entsprechende erkennungsdienstliche Unterlagen bereitzuhalten. Auch im Hinblick auf rechtskräftig Verurteilte ist kein einleuchtender Grund erkennbar, warum die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen während der Ermittlungen zulässig sein sollte, nach der Verurteilung jedoch nicht mehr.

Demnach war der Landesgesetzgeber befugt, den Adressatenkreis erkennungsdienstlicher Anordnungen über Beschuldigte im Sinne von § 81 b 2. Alt. StPO hinaus zu erweitern

so auch OVG Hamburg, Urteil vom 11.4.2013 - 4 Bf 141/11 - m.w.N.; im Ergebnis ebenso VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 - 10 C 08.2872 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 - 11 B 11859/00 -; OVG Schleswig, Urteil vom 5.5.1998 - 4 L 1/98 -, NJW 1999, 1418; OVG Münster, Beschluss vom 13.1.1999 - 5 B 2562/98 -, jeweils bei juris; so im Ergebnis auch Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, juris; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2011, E Rdnr. 419.

Mit Blick auf § 81 b 2. Alt. StPO ist die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG allerdings verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die nicht nach § 81 b 2. Alt. StPO zulässig oder ausgeschlossen sind.

Ist somit die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG enthaltene Regelung von der Gesetzgebungskompetenz des saarländischen Landesgesetzgebers gedeckt und sind sonstige Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG weder vorgetragen noch erkennbar, bestehen auch von daher keine Bedenken gegen die Heranziehung der vorgenannten Vorschrift als Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Anordnung.

Da - wie eingangs bereits dargelegt - das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes alle einschlägigen Rechtsvorschriften und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO -auch alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen hat, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG die Akten mehrerer Ermittlungsverfahren, u.a. derjenigen wegen Warenkreditbetrugs, herangezogen hat. Inwiefern dies - wie der Kläger vorträgt - die Kompetenz des Gerichts überschritten haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Des Weiteren vermag der Kläger auch mit seinen Einwendungen gegen die Subsumtion des Verwaltungsgerichts nicht durchzudringen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen den Kläger - wie von § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG gefordert - zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich gewesen ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die angeordneten erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht deshalb rechtswidrig, weil die gegen den Kläger geführten Ermittlungen bisher nicht zu einer Verurteilung geführt haben, diese vielmehr jeweils eingestellt wurden.

Des ungeachtet hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass der Kläger im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SPolG hinreichend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben und auch die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben ist. Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, bemisst sich die Notwendigkeit der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Straf- bzw. Ermittlungsverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere angesichts der Art, Schwere und der Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, angesichts seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten

vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, sowie Beschluss des Senats vom 13.3.2009 - 3 B 34/09 -, jeweils m.w.N., bei juris.

Ob es in der Vergangenheit zu einer Verurteilung des Betroffenen gekommen ist, ist hierbei nicht entscheidend. Vielmehr kann bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr im vorgenannten Sinne vorliegt, ein Tatvorwurf auch dann berücksichtigt werden, wenn das Ermittlungsverfahren nach den §§ 153 ff. StPO oder gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügend Anlass zur Anklage, steht einer Bewertung des zugrunde liegenden „Anfangsverdachts“ sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Gleiches gilt , wenn gemäß § 153 a StPO unter Auflagen oder Weisungen von einer Anklageerhebung abgesehen wird in der Annahme, durch letztgenannte Maßnahmen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigen zu können, oder auch wenn Ermittlungsverfahren mit Blick auf eine geringe Schuld des Betroffenen und ein fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung gemäß § 153 StPO eingestellt werden. In all diesen Fällen ist vielmehr jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere auch der Gründe für die Einstellung des Verfahrens, zu fragen, ob mit der Einstellung des Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Betreffenden vollständig entfallen ist oder ob ein Restverdacht gegeben ist, der begründete Anhaltspunkte dafür liefert, dass der Betreffende auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könnte

vgl. bereits Beschluss des Senats vom 15.4.2013 - 3 A 108/12 -; BVerfG, Beschluss vom 16.5.2001 -1 BvR 2257/01-; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, jeweils bei juris.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht zu Recht im Falle des Klägers hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass dieser auch künftig in Verdacht geraten könnte, eine aufzuklärende strafbare Handlung begangen zu haben und dass die mit den streitgegenständlichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass gegen den Kläger bereits zahlreiche Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Warenkreditbetrugs, Betrugs, Urkundenfälschung, Erpressung, gefährlicher Körperverletzung usw. geführt wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen, denen der Kläger in der Sache nicht entgegen getreten ist. Wie bereits im Widerspruchsbescheid des Beklagten ausgeführt, weist das polizeiliche Informationssystem für den Zeitraum von 1996 bis 2010 hinsichtlich des Klägers insgesamt 21 Einträge mit strafrechtlicher Relevanz auf. Hinzu kommt das vom Verwaltungsgericht erwähnte, im Jahr 2011 aufgrund einer Selbstanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung durch Vortäuschen eines Unfalls sowie ein im Jahr 2012 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Erpressung. Zwar führten diese Ermittlungsverfahren - soweit ersichtlich - bisher nicht zu einer Verurteilung des Klägers. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Ermittlungsverfahren aber nicht eingestellt, weil der zugrunde liegende Tatverdacht ausgeräumt werden konnte. Vielmehr erfolgte etwa die Einstellung der Ermittlungsverfahren wegen Warenkreditbetrugs gemäß § 153 Abs. 1 StPO, nachdem der Kläger die Rechnungen im Nachhinein per Ratenzahlung beglichen, also den entsprechenden Schaden reguliert hatte und das geschädigte Unternehmen sich danach mit einem Absehen von einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung einverstanden erklärte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht fortbestehende Verdachtsmomente eines vom Kläger begangenen (bzw. versuchten) Betrugs angenommen. Auch in dem Ermittlungsverfahren wegen gemeinschaftlichen Betrugs einer Versicherung wurde der Schaden - soweit ersichtlich - ausgeglichen. Weitere Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung wurden ebenfalls gemäß § 153 Abs. 1 StPO bzw. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Die Einstellung eines Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung erfolgte gemäß § 153 a Abs. 1 StPO unter der Auflage, dass der Kläger an das Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlte. Ausgehend von der Vielzahl gegen den Kläger eingeleiteter Ermittlungsverfahren sowie der Tatsache, dass bei einem erheblichen Teil davon der jeweilige Tatverdacht nicht ausgeräumt wurde, die Verfahrenseinstellung vielmehr aus sonstigen Gründen erfolgte, hat das Verwaltungsgericht zu Recht hinreichende Anhaltspunkte dafür angenommen, dass der Kläger auch künftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.

Auch bestehen keine Bedenken hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angenommenen Verhältnismäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers, dass sämtliche in der Vergangenheit gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe nicht von erheblichem Gewicht gewesen seien, was bereits durch die Tatsache der Einstellung der jeweiligen Ermittlungsverfahren belegt sei, bleibt ohne Erfolg. Auch wenn die Ermittlungsverfahren zum Teil wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt wurden, handelt es sich bei den gegenüber dem Kläger erhobenen Tatvorwürfen nicht um bloße Bagatelldelikte, welche eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermögen; vielmehr kommt diesen durchaus erhebliches Gewicht zu. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt ging es allein bei den Warenkreditbetrügereien um einen Gesamtschaden in Höhe von ca. 800,- EUR; bei dem gemeinschaftlichen Betrug einer Versicherung durch Vortäuschen eines Verkehrsunfalls stand ein Schaden in Höhe von 14.600,- EUR in Rede. Auch die gefährliche Körperverletzung, zu deren Ausgleich der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,- EUR zahlen musste, ist keinesfalls als Bagatelldelikt anzusehen. Hinzu kommt, dass dem Kläger nicht nur einzelne Verfehlungen vorgeworfen wurden, sondern eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden war. Bei einer Gesamtschau der dem Kläger zur Last gelegten Taten, bei denen der jeweilige Tatverdacht - ungeachtet der Verfahrenseinstellung - in der Sache fortbesteht, ist ein erhebliches öffentliches Interesse an der Aufklärung eventueller künftiger Straftaten, bei denen der Kläger in den Kreis der Verdächtigen einbezogen werden könnte, anzunehmen. Dieses Aufklärungsinteresse überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner personenbezogenen Daten. Insofern erscheint die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch nicht als unverhältnismäßig.

Dass der Beklagte den Kläger nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung erneut – wohl versehentlich – unter Verweis auf § 81 b 2. Alt. StPO statt auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 SPolG zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen hat, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung ohne Belang.

Nach alledem vermögen die vom Kläger im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände den allein geltend gemachten Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu begründen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist demnach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 47 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine offene Videoüberwachung der Reeperbahn in Hamburg durch eine vor dem von ihr bewohnten Haus aufgestellte Kamera. Die Reeperbahn wurde seit März 2006 durch 12 Videokameras offen polizeilich überwacht. Die verwendeten Kameras können um 360Grad geschwenkt und variabel geneigt werden, verfügen über eine Zoomfunktion und wurden in der Polizeieinsatzzentrale (PEZ) der Beklagten gesteuert. Dort wurden die Bilder auf eine Monitorwand übertragen, die aus 12 Bildschirmen für die einzelnen Kamerastandorte und einem größeren, mittig angeordneten Bildschirm bestand, auf dem jeweils ein Kamerabild als Großbild aufgeschaltet werden konnte. Die Videobilder wurden durch Mitarbeiter der PEZ täglich 24 Stunden lang überwacht. Zum Schutz der während des Schwenkens erfassten Privatbereiche wurde eine sog. "Schwarzschaltung" etabliert.

2

Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss des Gebäudes mit der Straßenbezeichnung ... Eine der Kameras wurde gegenüber diesem Gebäude an einem Pfahl auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in ungefähr 4 m Höhe befestigt und erfasste in ihrem Schwenkbereich auch das Wohnhaus der Klägerin einschließlich der von ihr bewohnten Räume.

3

Mit Schreiben vom 27. März 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, Videoaufnahmen durch die Fenster ihrer Wohnung mittels mechanischer Sperren an der Videokamera vor ihrem Haus (z.B. durch Verhüllen mit einer Mülltüte) unmöglich zu machen. Zur Begründung berief sie sich auf ihr Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 29. März 2006 unter Hinweis auf die bereits praktizierte "Schwarzschaltung" zum Schutz privater Bereiche ab.

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Videokamera freizuschalten, soweit sie die Wohnung der Klägerin erfasste. Im Hauptsacheverfahren hat das Verwaltungsgericht der Beklagten mit Urteil vom 24. Mai 2007 untersagt, die "Schwarzschaltung" der Videokamera aufzuheben, soweit diese die Wohnung der Klägerin erfasst hat. Soweit die Klägerin ergänzend beantragt hat, der Beklagten eine dauerhafte "Schwarzschaltung" auch hinsichtlich des Eingangsbereichs ihres Hauses aufzugeben, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, weil der Eingangsbereich nicht vom Schutzbereich des Wohnungsgrundrechts aus Art. 13 GG umfasst werde.

5

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Wohnhauses ... und des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe dieses Hauses angebrachte Videokamera a) nach außen erkennbar unmöglich zu machen, hilfsweise b) zu unterlassen. Mit Urteil vom 22. Juni 2010 hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, die Videoüberwachung des Eingangsbereichs zu unterlassen. Soweit sich die Klägerin auch gegen eine Überwachung des öffentlichen Straßenraums wandte, hat es die Berufung hingegen zurückgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt: Die Überwachung greife zwar in das Grundrecht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein. Jedoch stelle die Regelung des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG eine verfassungsmäßige Ermächtigungsgrundlage dar. Die Norm entspreche dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit. Dies gelte sowohl mit Blick auf den Gesetzeszweck als auch den sachlich-zeitlichen und sachlich-räumlichen Anwendungsbereich. Dem Land Hamburg stehe die Gesetzgebungskompetenz zu. Soweit die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG die Verhütung von Straftaten bezwecke, sei die Gesetzgebungskompetenz des Landes Hamburg deshalb zu bejahen, weil die der Landesgesetzgebung unterliegende Gefahrenabwehr den Bereich der Straftatenverhütung umfasse. Die Gesetzgebungskompetenz stehe dem Land Hamburg aber auch insoweit zu, als die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG das Ziel einer Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten umfasse. Eine solche Strafverfolgungsvorsorge sei Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und gehöre deshalb gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Der Bund habe zwar in der Strafprozessordnung Regelungen über Bildaufnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung getroffen (§§ 100h, 163f, 81b StPO). Diese Regelungen seien aber mit Bezug auf eine offene Videoüberwachung nicht abschließend. Die Norm des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG sei verhältnismäßig. Die Regelung sei zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Beklagte habe von der Norm rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Videoüberwachung sei formell rechtmäßig und die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG seien erfüllt. Auch habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

6

Die Beklagte hat im Revisionsverfahren mitgeteilt: Um das Urteil des Oberverwaltungsgerichts umzusetzen und die Hauseingänge von der Überwachung auszunehmen, seien die verpixelten Bereiche deutlich ausgeweitet und damit der räumliche Überwachungsbereich der Kameras erheblich eingeschränkt worden. In der Folge sei die Zahl der Einsätze, die durch die Videoüberwachung ausgelöst worden seien, merklich zurückgegangen. Deshalb sei die anlasslose Dauerüberwachung der Reeperbahn nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG mit Ablauf des 15. Juli 2011 eingestellt und die Kameras senkrecht nach unten ausgerichtet worden. Sie sollten nur noch auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 HmbPolDVG eingesetzt werden, nämlich wenn bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen mit Straftaten zu rechnen sei.

7

Zur Begründung ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ausgeführt: Ihr Unterlassungsbegehren sei nicht in der Hauptsache erledigt. Die Überwachung auf der Grundlage von § 8 Abs. 3 HmbPolDVG könne jederzeit wiederaufgenommen werden, zumal die Beklagte tatsächlich zumindest zwei Kameras weiterhin ständig einsetze. Im Übrigen könne das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überwachung auswechsele. In der Sache sei das Berufungsgericht zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Videoüberwachung in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz könne dieser Eingriff aber nicht auf die Rechtsgrundlage des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG gestützt werden. Das Land habe diese Vorschrift bereits aus formellen Gründen nicht erlassen dürfen, weil ihm die hierfür erforderliche Gesetzgebungskompetenz fehle. Durch die §§ 100h i.V.m. 163f StPO habe der Bundesgesetzgeber nicht nur den Bereich der verdeckten, sondern auch der offenen Videoüberwachung geregelt und damit abschließend von seiner Befugnis zur Normsetzung Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO. Die Formulierung, wonach Bildaufnahmen "auch ohne Wissen der Betroffenen" angefertigt werden könnten, lasse erkennen, dass die Regelung auch Bildaufnahmen umfasse, die mit Wissen der Betroffenen angefertigt würden. Diese Auslegung werde durch die Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt. In der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/5846 S. 39) werde betont, dass das Wissen der Betroffenen die Überwachung nicht unzulässig mache. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 12. August 2010 (2 BvR 1447/10) klargestellt, dass sich die aus § 100h StPO vermittelte Befugnis weder auf Observationszwecke noch auf Einzelaufnahmen beschränke, sondern auch Videoaufzeichnungen umfasse. Einer landesgesetzlichen Regelung stehe im Übrigen auch § 81b StPO entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 - BVerwG 1 C 114.79 - BVerwGE 66, 202 <204> = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 32) diene die Erhebung erkennungsdienstlicher Unterlagen nach § 81b Alt. 2 StPO nicht der Aufklärung eines konkreten Strafverfahrens, sondern - ähnlich wie die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG - der vorsorgenden Bereitstellung sächlicher Hilfsmittel für die Strafaufklärung.

8

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG verletze auch den Wesentlichkeitsgrundsatz. Angesichts der Intensität des vorliegenden Eingriffs zähle es zu den wesentlichen normativen Grundlagen, dass die Videoüberwachung nur für Fälle der Straßenkriminalität sowie an Kriminalitätsbrennpunkten anwendbar sei. Diese einschränkenden Merkmale seien aber nicht in der Norm selbst geregelt. Insofern verletze die Regelung den Grundsatz der Bestimmtheit. Sie verstoße zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; insoweit fehle es an der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

9

Schließlich fehle es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage für die Bildaufzeichnung und -speicherung. Insbesondere sei die in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG geregelte Speicherfrist von einem Monat nicht erforderlich.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2007 und das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera zu unterlassen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die auf dem Mittelstreifen der Reeperbahn in Höhe des Hauses ... angebrachte Videokamera bis zu deren Abschaltung rechtswidrig gewesen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Sie ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig geworden. Die Hauptsache habe sich erledigt. Die Videoüberwachung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG sei eingestellt. Die beiden von der Klägerin erwähnten Kameras dienten nicht der dauernden Überwachung der Reeperbahn, sondern in einem Fall, gestützt auf das Hausrecht, der Überwachung eines Polizeikommissariats, im anderen Fall der Verkehrsüberwachung. Für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das berechtigte Interesse. Im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Klage in dem jetzt noch streitigen Umfang zu Recht abgewiesen.

13

Der Vertreter des Bundesinteresses unterstützt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, für den Erlass des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Landes bestanden.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet; das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht, soweit es die Klage abgewiesen hat. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Unterlassungsklage zwar als zulässig angesehen (1.), in dem ausgesprochenen Umfang aber als unbegründet abgewiesen (2.).

15

1. Die Klage ist mit dem Hauptantrag weiterhin zulässig. Das mit ihm verfolgte Unterlassungsbegehren hat sich nicht in der Hauptsache mit der Folge erledigt, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfallen wäre.

16

Streitgegenstand der allgemeinen Leistungsklage ist der auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gestützte Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Vornahme der begehrten Handlung oder zur Unterlassung der beanstandeten Handlung. Die beanstandete Handlung, die die Beklagte unterlassen soll, ist hier eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (HmbPolDVG) vom 2. Mai 1991 (HmbGVBl S. 187), nämlich die ohne konkreten Anlass vorgenommene und dauernde Videoüberwachung der Reeperbahn. Das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei unterscheidet in seinem § 8 zwischen der Überwachung von Ansammlungen und Veranstaltungen aus konkretem Anlass (§ 8 Abs. 1 HmbPolDVG) und der anlasslosen dauernden Überwachung von bestimmten, durch die Begehung von Straftaten gekennzeichneten Orten (§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG). Beide Maßnahmen unterscheiden sich nach ihren rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen. Das Unterlassungsbegehren knüpft an die Maßnahme an, die die Beklagte bisher betrieben hat und deren Fortsetzung oder Wiederholung unterbleiben soll. Das ist hier allein eine Maßnahme nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG, die damit zugleich den Lebenssachverhalt darstellt, auf den der Anspruch gestützt ist.

17

Obwohl die Beklagte nach ihrem Vortrag die Videokameras abgeschaltet hat, die der dauernden anlasslosen Videoüberwachung der Reeperbahn dienen, hat sich dadurch nicht das Begehren der Klägerin erledigt, eine solche Überwachung der Reeperbahn durch die Kamera zu unterlassen, die vor dem Haus postiert ist, in dem die Klägerin wohnt.

18

Die Hauptsache des Rechtsstreits hat sich objektiv erledigt, wenn der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, seinem Klagebegehren vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen worden ist. Es muss eine Lage eingetreten sein, die eine Entscheidung über seinen Klageanspruch erübrigt oder ausschließt. Das ist der Fall, wenn das Rechtsschutzziel in dem Prozess nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder außerhalb des Prozesses bereits erreicht ist oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann (vgl. Beschluss vom 15. August 1988 - BVerwG 4 B 89.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 82).

19

Die Klägerin hat ihr Rechtsschutzziel - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - nicht bereits erreicht. Das wäre nur der Fall, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die beanstandete Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch die inmitten stehende Videokamera ausgeschlossen ist. Tatsächlich wäre dies der Fall, wenn die Videokamera abgebaut ist; rechtlich wäre dies der Fall, wenn die Beklagte sich gegenüber der Klägerin in rechtlich verbindlicher Weise verpflichtet hätte, die Videokamera nicht mehr für die streitige Maßnahme einer anlasslosen Dauerüberwachung der Reeperbahn einzusetzen. Die bloße Mitteilung über die rein faktische Abschaltung der Videokamera genügt hingegen nicht, zumal die Kamera ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus Gründen technischer Unzweckmäßigkeit außer Betrieb genommen wurde. Jedenfalls solange eine Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs noch gegeben ist, erledigt sich die Unterlassungsklage nicht in der Hauptsache.

20

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin beruft sich zwar zu Recht auf eine von der Beklagten ausgehende Wiederholungsgefahr (a)) für einen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung (b)). Dieser Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt (c)), und die angegriffene Maßnahme der Beklagten hält sich auch nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz in diesem gesetzlichen Rahmen (d)). Der Klägerin steht somit der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch nicht zu.

21

a) Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 S. 12, 17) liegt vor. Dass weitere Eingriffe drohen, kann ohne weiteres angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat. Im Regelfall wird die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen, von ihr Abstand zu nehmen. Sie wird sie in der Zukunft aufrechterhalten und in diesem Sinne wiederholen wollen (Urteil vom 15. Dezember 2005 a.a.O. S. 17). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die anlasslose offene Überwachung der Reeperbahn und insbesondere des Abschnittes vor der Wohnung der Klägerin nicht aufgegeben, weil sie sich deren Rechtsstandpunkt zu eigen gemacht hätte, sondern weil sie den damit verbundenen Aufwand nicht mehr für gerechtfertigt gehalten hat. Aus der Sicht der Klägerin kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ihre Rechtsansicht einmal wieder ändern könnte und sie dann ohne gerichtliche Entscheidung dem rechtlichen Eingriff erneut ausgesetzt wäre.

22

b) Als Rechtsgrundlage für ihren Unterlassungsanspruch kommen die Grundrechte der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm - wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird - eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (Urteile vom 14. Dezember 1973 - BVerwG 4 C 50.71 - BVerwGE 44, 235 <243> = Buchholz 445.4 § 29 WHG Nr. 2; vom 21. September 1984 - BVerwG 4 C 51.80 - NJW 1985, 1481 und vom 18. April 1985 - BVerwG 3 C 34.84 - BVerwGE 71, 183 <189, 199> = Buchholz 418.32 AMG Nr. 11).

23

Den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung berührt auch die beobachtende und observierende Tätigkeit der Polizei (BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <342> ). Das gilt nicht nur für die Anfertigung von Bildaufnahmen im Straßenverkehr (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <397 ff.> ; Kammerbeschluss vom 11. August 2009 - 2 BvR 941/08 - DVBl 2009, 1237 und Nichtannahmebeschluss vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 - DAR 2010, 574 ), sondern auch für eine offene Videoüberwachung des öffentlichen Raums (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 - 1 BvR 2368/06 - DVBl 2007, 497 ).

24

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung greift die Videoüberwachung jedenfalls insoweit in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, als sie mittels Bildaufzeichnung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG erfolgt. Dies wäre zwar möglicherweise anders zu beurteilen, wenn die aufgezeichneten Bilder unmittelbar nach der Aufzeichnung wieder gelöscht würden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 397). So liegt es hier aber nicht. Wie sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG ergibt, soll das aufgezeichnete Bildmaterial mindestens einen Monat lang aufbewahrt werden. Eine derartige Speicherung von Bildmaterial greift insbesondere dann in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, wenn das Bildmaterial zur Vorbereitung von belastenden Maßnahmen gegen Personen dienen soll, die in dem von der Überwachung erfassten Bereich bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, und zugleich abschreckend wirken und insofern das Verhalten der Betroffenen lenken soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht legt die Vorschrift des § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BüDrucks 18/1487 S. 15) dahingehend aus, dass die Bildaufzeichnung und Speicherung sowohl der Straftatverhütung durch Abschreckung als auch der Strafverfolgungsvorsorge durch vorbereitende Verschaffung von Beweismaterial dienen soll. Die Bildaufzeichnung greift deshalb in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21. Juli 2003 -1 S 377/02 - NVwZ 2004, 498; VG Halle, Beschluss vom 17. Januar 2000 - 3 B 121/99 HAL - LKV 2000, 164; Kloepfer/Breitkreutz, DVBl 1998, 1149 <1152>; Roggan, NVwZ 2001, 134 <135>; Fischer, VBlBW 2002, 89 <92>; Collin, JuS 2006, 494; Ellermann, Die Polizei 2006, 271 f.; Saurer, DÖV 2008, 17 <19>; Maximini, Polizeiliche Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze zur Kriminalitätsprävention, S. 89; Schnabel, NVwZ 2010, 1457).

25

Da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur den Schutz der Privat- und Intimsphäre gewährleistet, sondern auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung trägt, der sich in die Öffentlichkeit begibt, entfällt der Eingriff in den Schutzbereich nicht dadurch, dass lediglich Daten über Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erhoben werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.). Es ist auch nicht als eine einen Eingriff ausschließende Einwilligung in die Informationserhebung zu werten, wenn sich die Betroffenen in den Erfassungsbereich der Videokameras begeben, obwohl sie aufgrund der angebrachten Hinweisschilder wissen, dass sie gefilmt werden. Das Unterlassen eines ausdrücklichen Protests kann nicht mit einer Einverständniserklärung gleichgesetzt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2007 a.a.O.).

26

Greift mithin die Videoüberwachung jedenfalls in ihrer Aufzeichnungsform in das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung ein, kann dahinstehen, ob auch die bloße Bildübertragung einen solchen Eingriff bewirkt. Die Frage, ob die bloße Bildübertragung (das sog. Kamera-Monitor-Prinzip) in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, wäre zwar dann zu klären, wenn § 8 Abs. 3 HmbPolDVG die Bildübertragung an andere Voraussetzungen geknüpft hätte als die Bildaufzeichnung oder es hier sogar - wie in dem Fall, der dem Beschluss des VG Halle vom 17. Januar 2000 (a.a.O.) zugrunde lag - ausschließlich um eine Bildübertragung ginge. Dies ist aber bei § 8 Abs. 3 HmbPolDVG - im Gegensatz zu den entsprechenden Regelungen einiger anderer Bundesländer (vgl. dazu: Lang, Die Polizei 2006, 265 <266>) - nicht der Fall. § 8 Abs. 3 HmbPolDVG regelt die Videoüberwachung als einheitliche Beobachtung nebst Speicherung (vgl. Zöller, NVwZ 2005, 1235).

27

c) Der Eingriff ist jedoch im streitigen Umfang durch § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG gerechtfertigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird nicht schrankenlos gewährleistet. Beschränkungen bedürfen aber einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <44> ). Eine solche gesetzliche Grundlage liegt in § 8 Abs. 3, Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besaß zum Erlass dieser Norm die Gesetzgebungsbefugnis (aa)). Die Norm ist ausreichend bestimmt (bb)) und verhältnismäßig (cc)).

28

aa) Die formelle Rechtmäßigkeit des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG setzt voraus, dass die Beklagte für diese Regelung die Gesetzgebungskompetenz hatte. Nach Art. 70 Abs. 1 GG verfügen die Länder über das Recht der Gesetzgebung, soweit die Gesetzgebungsbefugnis nicht dem Bund zugewiesen ist. Zu den bei den Ländern verbleibenden Materien gehört u.a. das Recht der Gefahrenabwehr. Das Berufungsgericht hat § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dahingehend ausgelegt, dass diese Regelung sowohl der Verhütung von Straftaten (aaa)) als auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten (Strafverfolgungsvorsorge) (bbb)) dient (Berufungsurteil S. 29).

29

aaa) Zur Aufgabe der Gefahrenabwehr gehört auch die Gefahrenvorsorge, bei der bereits im Vorfeld konkreter Gefahren staatliche Aktivitäten entfaltet werden, um die Entstehung von Gefahren zu verhindern bzw. eine wirksame Bekämpfung sich später realisierender, momentan aber noch nicht konkret drohender Gefahren zu ermöglichen. Die Gefahrenvorsorge umfasst auch die Verhütung von noch nicht konkret drohenden Straftaten (Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl. 2011, § 1 Rn. 10). Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Zweck, Straftaten der Straßenkriminalität zu verhüten oder - wenn sie drohen - ihre Abwehr vorzubereiten, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat - dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen und unterfällt damit aufgrund von Art. 70 GG der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Verhütung von Straftaten in der Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Gefahrenabwehr, und zwar auch dann, wenn sie vorbeugend für den Zeitraum vor dem Beginn einer konkreten Straftat vorgesehen wird. Wie weit der Gesetzgeber eine derartige Maßnahme in das Vorfeld künftiger Rechtsgutverletzung verlegen darf, ist eine Frage des materiellen Rechts, berührt aber nicht die Gesetzgebungskompetenz des Landes (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 - BVerfGE 113, 348 <368>).

30

Soweit an öffentlich zugänglichen Orten wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist, dient die offene Beobachtung dieser Orte mittels Bildübertragung und -aufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG der Verhinderung von Straftaten. Die offene ausgewiesene Beobachtung soll potentielle Straftäter von vornherein von der Begehung einer Straftat abschrecken und diese dadurch verhindern. Zur Abschreckung gehört die Bildaufzeichnung. Sie erhöht die Effektivität der Abschreckung, weil der potentielle Täter damit rechnen muss, dass seine Tat aufgezeichnet wird und die Aufzeichnung nicht nur für seine Identifizierung, sondern auch als Beweismittel in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen wird. Die Beobachtung ermöglicht es zudem den damit betrauten Beamten, sich anbahnende Gefahrenlagen, aus denen sich typischerweise Straftaten entwickeln können, rechtzeitig zu erkennen und Beamte vor Ort gezielt einzusetzen.

31

bbb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Videoüberwachung allerdings nicht auf die Ziele beschränkt, Straftaten zu verhüten und deren Abwehr vorzubereiten, sondern sie soll daneben auch der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten dienen. Diesem Ziel dient die Datenspeicherung, also die Bildaufzeichnung einschließlich der einmonatigen anlasslosen Aufbewahrung. Bei der Strafverfolgungsvorsorge handelt es sich um eine Kategorie des Sicherheitsrechts, die von der Gefahrenvorsorge ebenso wie von der Strafverfolgung zu unterscheiden ist (a1)). Sie gehört - wie die Vorinstanz ebenfalls zu Recht ausgeführt hat - zu demjenigen Teil der konkurrierenden Gesetzgebung aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (b1)), von der der Bund noch nicht abschließend Gebrauch gemacht hat (c1)).

32

a1) Unter Strafverfolgungsvorsorge versteht das Berufungsgericht - in Anlehnung an den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbPolDVG genannten Gesetzeszweck - die "Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten" (Berufungsurteil S. 20 und 29). Sie dient der zukünftigen Durchführung der Strafverfolgung in Bezug auf mögliche spätere bzw. später bekannt werdende Straftaten. Ihrer sich nach der Zielrichtung der Maßnahme bestimmenden Abgrenzung von der Gefahrenvorsorge steht nicht im Wege, dass im Einzelfall ein polizeiliches Handeln sowohl unter dem Gesichtspunkt der Strafverfolgungsvorsorge wie auch dem der Gefahrenvorsorge in Betracht kommt (Schenke, a.a.O. § 1 Rn. 11).

33

b1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Strafverfolgungsvorsorge kompetenzmäßig dem "gerichtlichen Verfahren" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, nämlich der Sicherung von Beweismitteln für ein künftiges Strafverfahren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 369; vgl. auch Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30). Daran ändert der Umstand nichts, dass im Unterschied zur Strafverfolgung die Strafverfolgungsvorsorge ebenso wie die Gefahrenvorsorge präventiv ansetzt. Zwar fehlt es im Zeitpunkt der Überwachungsmaßnahme, anders als bei der Strafverfolgung im herkömmlichen Sinne, an einer bereits begangenen Straftat. Die Verfolgungsvorsorge erfolgt in zeitlicher Hinsicht präventiv, betrifft aber gegenständlich das repressiv ausgerichtete Strafverfahren. Die Daten werden zu dem Zweck der Verfolgung einer in der Zukunft möglicherweise verwirklichten konkreten Straftat und damit letztlich nur zur möglichen Verwertung in einem künftigen Strafverfahren erhoben. Eine Verwertung der erhobenen Daten für diesen Zweck kommt erst in Betracht, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde und daraus strafprozessuale Konsequenzen gezogen werden. Die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen sind insofern dazu bestimmt, in ungewisser Zukunft in ein Ermittlungs- und Hauptverfahren einzufließen. Es geht - jenseits eines konkreten Anfangsverdachts - um die Beweisbeschaffung zur Verwendung in künftigen Strafverfahren, nicht um eine präventive Datenerhebung zur Verhütung von Straftaten. Eine solche Verfolgungsvorsorge gehört zum gerichtlichen Verfahren im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 370 f.).

34

Die Zuordnung der Strafverfolgungsvorsorge zur Sachmaterie "gerichtliches Verfahren" innerhalb der konkurrierenden Gesetzgebung wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass das davon umfasste strafrechtliche Ermittlungsverfahren erst später beginnt. Sowohl im gerichtlichen Hauptverfahren als auch im vorgelagerten Ermittlungsverfahren geht es um die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts gegen einen konkreten Beschuldigten. Dies bedeutet indes nicht, dass nur für Maßnahmen nach Vorliegen eines Anfangsverdachts die kompetenzrechtliche Zuordnung zum gerichtlichen Verfahren erfolgen kann. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass vorsorgende Maßnahmen, die sich auf die Durchführung künftiger Strafverfahren beziehen, von der Zuweisung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht erfasst sein sollen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. - BVerfGE 103, 21 <30>). Die Ungewissheit, ob die vorsorglich gespeicherten Daten für ein späteres Strafverfahren tatsächlich benötigt werden, kann sich bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme auswirken, steht aber der Zuordnung der Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz für das gerichtliche Verfahren nicht entgegen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 371).

35

c1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind die Länder nach Art. 72 Abs. 1 GG von der Gesetzgebung ausgeschlossen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Inwieweit bundesgesetzliche Regelungen erschöpfend sind, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der einschlägigen Bestimmungen und des jeweiligen Sachbereichs festgestellt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02 u.a. - BVerfGE 109, 190 <229>). Es ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <300 f.>). Der Bund macht von seiner Kompetenz nicht nur dann Gebrauch, wenn er eine Regelung getroffen hat. Vielmehr kann auch das absichtsvolle Unterlassen eine Sperrwirkung für die Länder erzeugen (BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 - 1 BvR 111/68 - BVerfGE 32, 319 <327 f.>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300). Zu einem erkennbar gewordenen Willen des Bundesgesetzgebers, zusätzliche Regelungen auszuschließen, darf sich ein Landesgesetzgeber nicht in Widerspruch setzen, selbst wenn er das Bundesgesetz für unzureichend hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 a.a.O. S. 327; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <211 f.>; Beschluss vom 13. Februar 1974 - 2 BvL 11/73 - BVerfGE 36, 314 <320>; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - 2 BvL 8/89 - BVerfGE 85, 134 <147>; Urteil vom 27. Oktober 1998 a.a.O. S. 300; Urteil vom 10. Februar 2004 a.a.O. S. 230).

36

Der hamburgische Gesetzgeber war durch die Vorgaben des Bundes nicht gehindert, die in § 8 Abs. 3 HmbPolDVG enthaltene Regelung über die offene anlasslose Videobeobachtung zu erlassen. Eine möglicherweise abschließende Regelung der polizeilichen Befugnisse - sog. Kodifikationsprinzip - beinhaltet die Strafprozessordnung gemäß § 6 EGStPO hinsichtlich der bei Bestehen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO einsetzenden Strafverfolgung. Die Regelungen des Bundes auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge hingegen sind nicht in einer vergleichbaren Weise dicht, dass sie abschließend wirken. § 6 EGStPO erstreckt sich nicht auf die Strafverfolgungsvorsorge, denn es geht insoweit nicht um Maßnahmen, die vom Bestehen eines Anfangsverdachts einer Straftat abhängen. Dies ist anders zu sehen, soweit der Bundesgesetzgeber strafprozessuale Ermächtigungen zur Strafverfolgungsvorsorge geschaffen hat, wie z.B. in § 81b Alt. 2 StPO, § 81g StPO und § 484 StPO. Die davon erfassten Maßnahmen können nicht zugleich auf landespolizeigesetzliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden; Spielraum bleibt allenfalls für landesgesetzliche Zuständigkeitsregelungen. Der Bundesgesetzgeber hat aber keine allgemeine abschließende Regelung hinsichtlich der Strafverfolgungsvorsorge getroffen. So bestimmt denn auch § 484 Abs. 4 StPO ausdrücklich, dass sich die Verwendung personenbezogener Daten, die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind oder werden, grundsätzlich nach den Polizeigesetzen richtet. Ausgenommen hiervon wird nur die Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens. Zu beachten ist zudem, dass selbst in Fällen, in denen der Bundesgesetzgeber polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgungsvorsorge normiert hat, dies nicht ausschließt, dass der Landesgesetzgeber entsprechende Befugnisse zum Zwecke der mit der Strafverfolgungsvorsorge häufig parallel laufenden Gefahrenvorsorge vorsieht (Schenke, a.a.O. § 2 Rn. 30).

37

§ 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient neben der Gefahrenabwehr gleichrangig der Strafverfolgungsvorsorge in einem Sachbereich, für den der Bund seine Gesetzgebungskompetenz noch nicht mit einer die Länder ausschließenden Wirkung in Anspruch genommen hat. Die Vorschrift dient namentlich durch die Bildaufzeichnung der Gewinnung von Beweismitteln in künftigen Strafverfahren. Dass die Bildaufzeichnungen aufbewahrt werden können, wenn sie zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG), macht die Bildaufzeichnung selbst noch nicht zu einer Maßnahme der Strafverfolgung. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber nur in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise eine künftige Verwendung der gewonnenen Daten geregelt, ohne dass aus diesem einen zugelassenen Verwendungszweck auf den ausschließlichen oder überwiegenden Zweck der offenen Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung geschlossen werden könnte. Ausweislich der Aufgabenzuweisung in § 1 Abs. 1 Satz 2 HmbPolDVG hat der Gesetzgeber die Erhebung von Daten allgemein und damit auch die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten) zugelassen. Die offene Beobachtung und damit unmittelbar verbunden die Bildaufzeichnung setzt zu einem Zeitpunkt ein, zu dem nicht feststeht, ob und gegebenenfalls welche Straftat beobachtet und aufgezeichnet werden wird. Beobachtung und Aufzeichnung treffen Vorsorge für den Fall, dass eine Straftat im überwachten Bereich geschieht, für deren künftige Verfolgung auf die gewonnenen Daten zurückgegriffen werden kann. Die Bildaufzeichnung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG berührt zwar in gewisser Weise den Regelungsbereich des § 81b Alt. 2 StPO, der die Aufnahme von Lichtbildern eines Beschuldigten für Zwecke künftiger Strafverfolgung ermöglicht. § 81b Alt. 2 StPO regelt aber nicht abschließend, unter welchen Voraussetzungen Bilder für Zwecke künftiger Strafverfolgung angefertigt werden dürfen. Aus dem Regelungsinhalt des § 81b Alt. 2 StPO tritt kein Wille des Bundesgesetzgebers hervor, landesrechtliche Regelungen auszuschließen, die nach dem Muster des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG gestaltet sind. Diese weisen erhebliche tatbestandliche Besonderheiten auf. Die dauernde Überwachung von Schwerpunkten der Kriminalität ohne konkreten Anlass entfaltet in örtlicher und zeitlicher Hinsicht eine Breitenwirkung, die auf eine substantiell abweichende polizeitaktische Zweckbestimmung verweist, zumal sie funktional mit der Verhütung von Straftaten verknüpft ist. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, die landesrechtliche Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG unterlaufe eine bestimmte bundesrechtliche Eingriffsschwelle und verfälsche so die konzeptionelle Entscheidung, die der Bundesgesetzgeber mit § 81b Alt. 2 StPO getroffen habe. Dasselbe gilt mit Blick auf § 100h und § 163f StPO. Bei der Observation nach diesen Bestimmungen handelt es sich um eine verdeckte, auf bestimmte Zielpersonen fokussierte Ermittlungsmaßnahme, die im Hinblick auf ihr äußeres Gepräge, ihren Einsatzzweck und die grundrechtliche Betroffenheit der observierten Person bedeutsame Unterschiede zur offenen Beobachtung von Kriminalitätsschwerpunkten mittels Bildübertragung und -aufzeichnung aufweist. Zwar hat der Bundesgesetzgeber in § 100h StPO klargestellt, dass die an sich verdeckt gedachte Observation nicht abgebrochen werden muss, wenn der Betroffene sie gewahr wird. Das rückt die Observation aber nicht in bedeutsamer Weise der offenen Videoüberwachung näher.

38

Die Vorschriften des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei genügen - soweit es für die offene Beobachtung mittels Bildübertragung und -aufzeichnung auf sie ankommt - dem verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Bestimmtheit.

39

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf belastende Maßnahmen einstellen kann, dass die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und dass die Gerichte die Rechtskontrolle durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 375 ff.). Für Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot zwar nicht, dass die konkrete Maßnahme für den Betroffenen vorhersehbar ist, wohl aber, dass die betroffene Person grundsätzlich erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 376). Da bei Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten oder zur Verhütung von Straftaten das Risiko einer Fehlprognose besonders hoch ist, sind bei entsprechenden Regelungen besonders hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz zu stellen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O S. 377 f.). Ermächtigt eine gesetzliche Regelung zu einem Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, so hat das Gebot der Bestimmtheit und Klarheit auch die bereichsspezifische Funktion, eine Umgrenzung des Anlasses der Maßnahme und auch des möglichen Verwendungszwecks der betroffenen Information sicherzustellen (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O. S. 408). Ist der Zweck nicht festgelegt, entsteht das Risiko einer Nutzung der Daten für Zwecke, für die sie nicht erhoben wurden (BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 a.a.O S. 408). Die Norm des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG genügt auch diesen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen.

40

bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Verhütung von Straftaten einschließlich der Vorbereitung ihrer Abwehr als auch die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten gleichermaßen und gleichrangige Ziele der Videoüberwachung (Berufungsurteil S. 20 ff.). Ebenfalls hinreichend bestimmt geregelt sind insbesondere in den §§ 14 ff. HmbPolDVG die Zwecke, für die die gewonnenen Daten künftig verwendet und weiter übermittelt werden dürfen, sowie die Voraussetzungen, die hierbei einzuhalten sind.

41

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Regelung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG bundesrechtlich nicht beanstandet werden. Er bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf öffentlich zugängliche Orte, soweit dort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Vorschrift anhand des Regelungszusammenhangs und der Entstehungsgeschichte dahin ausgelegt, dass mit dieser Umschreibung Schwerpunkte der Straßenkriminalität gemeint sind. Dass diese Begriffe ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig sind, nimmt der Norm nicht die hinreichende Bestimmtheit. Wie die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, ist eine solche Auslegung möglich, ohne dass dabei die bundesrechtlichen Grenzen überschritten werden müssten, die der Bestimmtheitsgrundsatz einer noch möglichen Auslegung zieht.

42

cc) Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 HmbPolDVG wahrt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient (aaa)) und als Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen (bbb)) ist (BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 - 1 BvR 370/07 u.a. - BVerfGE 120, 274 <318 f.). Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt auch die Regelung über die Aufbewahrungsdauer der Bildaufnahmen (ccc)).

aaa) Die anlasslose Videoüberwachung nach § 8 Abs. 3 HmbPolDVG dient einem legitimen Zweck. Die damit beabsichtigte Gefahrenvorsorge dient dem Schutz von Personen und Sachen auf der Reeperbahn. Die Beklagte hat dargetan, dass es immer wieder zu Rechtsbeeinträchtigungen insbesondere durch gewaltbereite Besucher kommt. Die Videoanlage ermöglicht die rasche Erkennung von Gefahrensituationen und daran anknüpfend den schnellen Einsatz von Polizeibeamten zur Abwehr der Gefahr. Die außerdem bezweckte Strafverfolgungsvorsorge ermöglicht die Aufbereitung von Beweismitteln für den Fall geschehener Rechtsverletzungen und deren Verwendung für die Strafverfolgung. Dies sichert den staatlichen Strafverfolgungsanspruch.

44

bbb) Die als Mittel für diese Zwecke eingesetzte Videoüberwachung ist gleichermaßen geeignet (a1), erforderlich (b1) und angemessen (c1).

45

a1) Dass eine Videoüberwachung dazu geeignet ist, die Abwehr drohender Straftaten der Straßenkriminalität vorzubereiten, liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf der Hand. Durch das aufgezeichnete und gespeicherte Bildmaterial können Straftaten erkannt und ggf. Täter ermittelt werden. Durch die offene Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahme können potentielle Straftäter wirksam abgeschreckt werden. Keinesfalls sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Videoüberwachung zur Erreichung dieser Ziele evident ungeeignet sein könnte (Berufungsurteil S. 34).

46

b1) Das eingesetzte Mittel ist auch erforderlich. Insbesondere ist ein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel als die Videoüberwachung des öffentlichen Raums zur Gefahrenvorsorge auf der Reeperbahn nicht ersichtlich. Der stattdessen erwägenswerte größere Personaleinsatz der Polizei trifft auf Finanzierungsgrenzen. Die technische Beschaffenheit der Kameras - Zoomfunktion und Anbringung in 4 m Höhe - verhilft zu einer größeren Übersicht als der stattdessen vorstellbare Einsatz von Polizeibeamten auf der Reeperbahn selbst. Ein Flaschenverbot würde zwar die Gefahr von Verletzungen durch deren Verwendung als Waffen vermindern. Allerdings müsste dieses Verbot überwacht und durchgesetzt werden, was ebenfalls den Personaleinsatz erhöhen würde.

47

c1) Der vom Gesetzgeber ermöglichte Eingriff ist auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinn. Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit dürfen nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient. Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person führen zwar dazu, dass der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte hinzunehmen hat, wenn überwiegende Allgemeininteressen dies rechtfertigen. Der Gesetzgeber muss aber zwischen Allgemein- und Individualinteressen einen angemessenen Ausgleich herstellen. Dabei spielt auf grundrechtlicher Seite eine Rolle, unter welchen Voraussetzungen welche und wie viele Grundrechtsträger wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Maßgebend sind also insbesondere die Gestaltung der Einschreitschwellen, die Zahl der Betroffenen und die Intensität der Beeinträchtigungen (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 a.a.O. S. 382). Die anlasslose Überwachung des öffentlichen Straßenraums stellt einen erheblichen Grundrechtseingriff dar, insbesondere für Menschen, die aus persönlichen oder beruflichen Gründen gezwungen sind, sich dieser Beobachtung häufig auszusetzen. Der mit § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verfolgte Gesetzeszweck der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge dient jedoch in ebenso großem Maße nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit, sondern auch dem Individualrechtsschutz, insofern damit Eingriffe in hochwertige Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit abgewehrt werden sollen. Als Anwohnerin kommt die Klägerin somit - gewollt oder ungewollt - selbst in den Genuss der Schutzwirkung der Kameraüberwachung.

48

Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 HmbPolDVG verletzt deshalb nicht die Angemessenheit, weil ihr ein Ausnahmecharakter zukommt. Die Überwachung ist nämlich nur zulässig, soweit am Einsatzort wiederholt Straftaten begangen worden sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Dies verhindert eine grenzenlose Ausdehnung der Überwachung auf beliebige Teile des Hamburger Stadtgebietes und somit ein andernfalls drohendes Übermaß an Überwachung. Gemildert wird in diesem Zusammenhang das Gewicht des staatlichen Eingriffs durch die Offenheit seiner Durchführung und durch die Begrenzung der Beobachtungen auf das Verhalten von Menschen in der Öffentlichkeit.

49

ccc) Die Eingriffsschwere wird durch die Möglichkeit der Behörden verstärkt, die erhobenen Daten - wie in § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG vorgesehen - zu Zwecken der Gefahrenvorsorge und der Strafverfolgungsvorsorge für einen Monat oder zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten sogar darüber hinaus zu speichern. Die Verwertung in anderen Zusammenhängen ist ein eigenständiger Eingriff (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 - BVerfGE 110, 33 <68 f.>). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG sind Bild- und Tonaufzeichnungen, in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten sowie zu einer Person suchfähig angelegte Akten spätestens einen Monat nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten (Satz 3). Dies gilt nicht, wenn die Daten zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder von Straftaten benötigt werden oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist (Satz 4). Diese Regelungen genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

50

Die grundsätzliche Aufbewahrungsfrist in § 8 Abs. 1 Satz 3 HmbPolDVG von einem Monat nach Speicherung genügt den Bearbeitungsanforderungen bei der Auswertung eines täglichen Datenvolumens von 24 Stunden Beobachtungszeit aus mehreren Kameras. Der Gesetzgeber hat insofern in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass Straftaten zum Teil erst verzögert angezeigt und eine schnelle Löschung die Aufklärung des angezeigten Sachverhaltes unnötig erschweren würde (BüDrucks 18/1487 S. 15). Sie belastet den Einzelnen in vertretbarem Maße, insbesondere weil er nicht in individualisierter Weise mit den Aufnahmen festgehalten wird, sondern als Teil einer grundsätzlich anonymen Menge von Passanten auf der Reeperbahn. Die Begrenzung der Aufbewahrungsfrist auf einen Monat verhindert ferner - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - dass eine Sammlung nicht anonymisierter Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken entstehen kann (Berufungsurteil S. 37).

51

Die Regelung wird nicht durch die in § 8 Abs. 1 Satz 4 HmbPolDVG vorgesehene Möglichkeit einer zeitlich darüber hinaus gehenden Aufbewahrung für Zwecke der Strafverfolgung oder der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung unverhältnismäßig. Liegt ein entsprechender Tatverdacht vor, überwiegt das staatliche Verfolgungsinteresse das Interesse der Betroffenen an der sofortigen Löschung der erhobenen Bilddaten.

52

Verhältnismäßig im engeren Sinne ist schließlich die durch § 8 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 und 4 HmbPolDVG eröffnete Möglichkeit, die im Zuge der offenen Videoüberwachung erhobenen Bilddaten zu einer Person auch dann länger als einen Monat aufzubewahren, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Insofern schlägt entscheidend zu Buche, dass der Gesetzgeber die Eingriffsvoraussetzungen von zwei Seiten her eng ausgestaltet hat, indem er einerseits eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt und andererseits nicht jedes, sondern nur ein auf Straftaten von erheblicher Bedeutung gerichtetes Bekämpfungsinteresse für die weitere Aufbewahrung genügen lässt. Im Hinblick auf den hohen Rang der staatlichen Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität und die von dieser für die Allgemeinheit wie den einzelnen Grundrechtsträger ausgehenden Gefahren liegt darin keine unangemessene Verkürzung der grundrechtlichen Schutzansprüche der Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.

53

d) Die getroffene Maßnahme der Videobeobachtung hält sich nach den insoweit revisionsrechtlich nicht überprüfbaren Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts schließlich innerhalb der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Im Falle einer Wiederinbetriebnahme der Anlage hätte die Beklagte freilich zu überprüfen, ob sie die verfolgten Schutzzwecke quantitativ auch erreichen würde, wenn sie die durch das Oberverwaltungsgericht rechtskräftig aufgegebenen Verpixelungen der Kameras einhält.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
Der 1958 geborene Kläger ist verheiratet und Vater einer 1996 geborenen Tochter. Am 20.10.2005 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem lag der Verdacht zugrunde, dass er im Oktober 2004 und am 28.07.2005 als Teilnehmer an sogenannten Chatgroups im Internet kinderpornographische Dateien ausgetauscht bzw. auf diese zugegriffen habe. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 17.11.2006, rechtskräftig seit dem 07.12.2006, wurde gegen den Kläger wegen des Besitzes kinderporno-graphischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hat der Kläger mindestens 3.773 Bilddateien mit eindeutig kinderpornographischem Inhalt auf die Festplatten seiner Computer abgespeichert. Die Bilddateien zeigen in drastischer und direkter Weise den Oral-, Anal- und Vaginalverkehr erwachsener Männer an Kindern unter 14 Jahren. In einer hohen Anzahl zeigen die Bilddateien in besonders drastischer und verabscheuungswürdiger Weise Sexualverkehr an und mit Kleinstkindern.
Im Laufe des Ermittlungsverfahrens ordnete das Amtsgericht Heidelberg - auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg - mit Beschluss vom 02.02.2006 nach § 81g StPO eine molekulargenetische Untersuchung einer Speichelprobe zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren an. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Landgericht Heidelberg mit Beschluss vom 02.05.2006 zurück.
Mit Verfügung vom 09.02.2006 forderte das Polizeipräsidium Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - den Kläger auf, sich gem. § 81b StPO erkennungsdienstlich behandeln zu lassen, und drohte ihm für den Fall der Weigerung unmittelbaren Zwang an. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landespolizeidirektion - mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006 zurück. Aufgrund der vom Kläger gezeigten Verhaltensweisen bestünden begründete Anhaltspunkte dafür, dass er weiterhin strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Er sei in zwei unabhängig voneinander geführten Verfahren als Bezieher kinderpornographischen Materials in Erscheinung getreten. Für eine diesbezügliche Wiederholungsgefahr spreche die Professionalität der Nutzung des Internets und der Verdacht von Straftaten auf dem Gebiet der sexuellen Selbstbestimmung. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei auch geeignet für die Aufklärung zukünftiger Straftaten. Der Besitz kinderpornographischer Schriften bedinge nicht nur das Herunterladen oder Einstellen von Dateien im Internet. Eine Verbreitung solcher Schriften könne auf vielfältige Art und Weise, so auch in Gestalt von Printmedien erfolgen. Hier eigneten sich hinterlassene Fingerabdrücke sehr wohl zum Vergleich und stellten ein geeignetes Mittel zur Aufklärung von Straftaten dar. Schließlich stehe die Eingriffsintensität der beabsichtigten erkennungsdienstlichen Behandlung nicht außer Verhältnis zu den zu schützenden Rechtsgütern anderer Bürger.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17.11.2006 zurück. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei gerechtfertigt. Zwar könne der Kläger durch Fingerabdrücke und Lichtbilder in einer polizeilichen Kartei eher nicht überführt werden, wenn er sich wiederum verbotenes pornographisches Material aus dem Internet beschaffen sollte. Solche Unterlagen könnten aber hilfreich sein, wenn jemand sich nicht nur als PC-Nutzer gegen die sexuelle Selbstbestimmung Dritter vergehe. Der Kläger habe sehr viel kinderpornographisches Material gesammelt und geradezu professionell gesichert. Nach eigenem Bekunden habe er dies nicht getan, um es weiterzugeben. Sein Verhalten lasse sich danach weder mit Geschäftsinteressen noch mit Neugier auf Fremdartiges erklären. Es spreche vielmehr deutlich für pädophile Neigungen des Klägers, wodurch auch die Gefahr von Straftaten nach §§ 176 f. StGB nicht von der Hand zu weisen sei.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 02.07.2007 - 1 S 42/07 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er - wie erforderlich - „mit guten Gründen“ als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Aus dem bislang festgestellten Sachverhalt ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass er fähig wäre, eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, bei der er im persönlichen Kontakt direkt auf Dritte einwirken müsste. Zu Unrecht werde er als ausgeprägt pädophil veranlagter Mensch abgestempelt. Selbst soweit von einer Gefahr von Rückfalltaten ausgegangen werde, seien die durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Erkenntnisse für Ermittlungszwecke ungeeignet, da beim Versuch des Herunterladens von Dateien aus dem Internet keine verwertbaren Spuren hinterlassen würden. Ein Ausweichen auf Printmedien sei unwahrscheinlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - zu ändern und die Verfügung des Polizeipräsidiums Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - vom 09.02.2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Landespolizeidirektion - vom 07.06.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Es sei auszuschließen, dass der Kläger sich die kinderpornographischen Dateien aus bloßer Neugier beschafft habe oder weil er kurzzeitig dem „Reiz des Verbotenen“ erlegen sei. Aufgrund der Vorgehensweise des Klägers, der auf eine kurzfristig gegründete Chatgroup bzw. auf ein konspirativ aufgebautes, besonders gesichertes Kinderpornographie-Board zugegriffen habe, sei beim Kläger der Rückschluss auf ein triebbedingtes Verhalten und folglich eine immanente erhebliche Wiederholungsgefahr gerechtfertigt. Das Beschaffen kinderpornographischer Dateien über einen längeren Zeitraum und in außerordentlich großer Menge, wie es dem Kläger hier vorgeworfen werde, biete jedoch durchaus im Rahmen des § 81b StPO ausreichende Anhaltspunkte für die Begehung anderer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen erkennungsdienstliche Unterlagen zur Aufklärung beitragen können. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es sich hierbei um ein triebgesteuertes und somit nur schwer kontrollierbares Verhalten handele und weil häufig zu beobachten sei, dass die „Reizschwelle“ zur Befriedigung pädophiler Neigungen im Laufe der Zeit immer höher liege. Eine Gewissheit dahingehend, dass der Kläger in Zukunft auch andere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen werde, sei gerade nicht erforderlich. Schließlich bestünden auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger künftig weitere Straftaten nach § 184b StGB begehe, zu deren Aufklärung erkennungsdienstliche Unterlagen geeignet sein könnten, etwa weil sich Fingerspuren auf Printmedien fänden. Hiervon sei auch das Landgericht Heidelberg in dem Beschluss bezüglich der molekulargenetischen Untersuchung des Klägers nach § 81g StPO ausgegangen.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren sowie die Strafakten des Amtsgerichts Heidelberg vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.