Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die seit dem 10. September 2010 durchgeführte Observation des Klägers weiterhin durchzuführen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Fortdauer seiner Observation.
Der am ...1959 geborene Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Jugendschöffengericht - vom 05.07.1976 (20 Js/Ls 361/76) wegen eines Verbrechens der versuchten Vergewaltigung sowie in zwei Fällen eines Vergehens der Beleidigung zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt. Der Verurteilung wegen Beleidigung lag zugrunde, dass der Kläger an zwei aufeinander folgenden Tagen im April 1976 Frauen an die Brust gefasst hatte. Am 20.04.1976 folgte er einer 39-jährigen Frau in ein Waldstück, fiel über sie her, riss ihr die Hose herunter, bis die sich wehrende und schreiende Frau zu Boden fiel. Von der beabsichtigten Vergewaltigung ließ er - bereits mit entblößtem Geschlechtsteil - erst ab, als ein Fußgänger auftauchte. Durch weiteres Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken - Jugendschöffengericht - vom 21.09.1979 (28-108/79) wurde der Kläger wegen Vergewaltigung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der Kläger in der Silvesternacht 1978/1979 eine auf ein Taxi wartende Frau in seinem Auto mitgenommen und sie - nachdem er eine abgelegene Stelle aufgesucht hatte - unter Gewalt zum Geschlechtsverkehr mit ihm gezwungen hatte. Wegen positiven Verlaufs seiner Behandlung im Psychiatrischen Landeskrankenhaus ... wurde der Kläger im Mai 1981 bedingt entlassen. (Auch) Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich geschlossene (zweite) Ehe wurde ihm die Maßregel und die Führungsaufsicht am 06.06.1984 erlassen.
Mit am 16.08.1985 rechtskräftig gewordenem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 06.03.1985 (15 KLs 273/84) wurde der Kläger wegen zweier Verbrechen der Vergewaltigung, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Vergehen der Entführung gegen den Willen der Entführten, sowie wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Seine anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde angeordnet. Der Verurteilung lagen folgende Taten zugrunde: Der Kläger hatte am 22.03.1984 eine 19-jährige Schülerin als Anhalterin mitgenommen und sie unter Androhung von Gewalt mithilfe eines mitgeführten Messers in einem abgelegenen Waldstück vergewaltigt. Noch im selben Monat, spätestens aber im April 1984, nahm er eine 18-jährige an einer Bushaltestelle wartende Schülerin in seinem Auto mit. Die von ihm - wiederum unter Zuhilfenahme eines Messers - beabsichtigte Vergewaltigung scheiterte, weil der Schülerin die Flucht aus seinem Auto gelang. Am 17.05.1985 kam es zu einer Vergewaltigung einer damals 18 Jahre alten Schülerin, die sich auf dem Weg zu einer Bushaltestelle befand, sich aber vom Kläger in dessen Auto mitnehmen ließ.
Zum Vollzug der Sicherungsverwahrung wurde der Kläger am 28.06.1989 in die Justizvollzugsanstalt Freiburg verlegt. Im Jahr 1991 bestand er die Probezeit der Realschule mit einem Notendurchschnitt von 1,1. Vorschläge des im Jahr 1991 mit einer Begutachtung des Klägers betrauten Sachverständigen Dr. ... hinsichtlich der Lockerung des Vollzugs fanden nicht die Billigung des Justizministeriums. Wegen des Verdachts der Beteiligung an einer geplanten gemeinschaftlichen Geiselnahme - der Kläger wurde wegen dieses Vorwurfs später freigesprochen - wurde der Kläger im Jahr 1993 in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verlegt. Die im Rahmen eines gestuften Lockerungs- und Entlassungsprogramms beabsichtigte Verlegung in das Bodelschwingh-Haus in Karlsruhe kam nicht zustande. Seit 1997 befand sich der Kläger zum Vollzug der Sicherungsverwahrung wieder in der Justizvollzugsanstalt Freiburg.
Der Kläger wurde in der Zeit von 1999 bis 2010 wiederholt fachärztlich und psychologisch begutachtet. Das letzte psychiatrische Gutachten datiert vom 05.03.2010. Darin heißt es zusammenfassend (S. 82 des Gutachtens):
„Zusammenfassend wird somit die im Gutachtenauftrag gestellte Frage dahingehend beantwortet, dass bei einer unmittelbar beschlossenen Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ohne Vorbereitung und ohne Erprobung und ohne einigermaßen gesicherten sozialen Empfangsraum die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB nicht vorliegen, dass demgegenüber bei der Vorbereitung, Erprobung und Sicherung des sozialen Empfangsraums und bei gleichzeitiger Kooperation der Verantwortlichen und des Klägers die Voraussetzungen für die Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB aus forensisch-psychiatrischer Sicht anzunehmen sind.“
Mit Beschluss vom 10.09.2010 erklärte das Oberlandesgericht Karlsruhe (2 Ws 290/10) die Sicherungsverwahrung für erledigt, setzte die Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre fest und unterstellte den Kläger der Bewährungshilfe. In den Gründen der Entscheidung heißt es, die Überprüfung der Vollstreckungshindernisse ergebe, dass die Sicherungsverwahrung erledigt sei. Denn nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.12.2009 - 19359/04 - (NJW 2010, 2495) sei die mit Gesetz vom 26. Januar 1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vorgenommene Änderung des § 67d StGB, mit der die Befristung der ersten angeordneten Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 1 StGB auf zehn Jahre entfallen sei und die in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB auch diejenigen Sicherungsverwahrten erfasse, für die die Befristung im Zeitpunkt ihrer Verurteilung noch bestand, mit dem Freiheitsrecht des Art. 5 EMRK und dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK nicht vereinbar. Mit am 13.04.2011 rechtskräftig gewordenem Urteil vom 13.01.2011 - 27360/04 und 42225/07 - stellte der EGMR fest, dass der Kläger vom 26.06.1999 bis zu seiner Entlassung am 10.09.2010 unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei. Die Bundesrepublik Deutschland wurde zur Zahlung einer Entschädigung für den immateriellen Schaden in Höhe von 70.000,-- EUR verurteilt.
Der Kläger verließ die Justizvollzugsanstalt Freiburg noch am 10.09.2010. Bereits im August 2010 erstellte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg auf der Grundlage der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 eine Risikobewertung des Klägers. Er wurde in die Gefahrenkategorie 1 (Risikoprobanden mit herausragendem Gefährdungspotential) eingestuft. In der Gesamtschau bestehe - so die Annahme des Landeskriminalamts am 12.08.2010 - mehr als die bloße Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für hochrangige Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit sowie Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von potentiellen Opfern. Ein Schadenseintritt könne aufgrund der Vorgeschichte und der nicht behobenen psychischen Probleme des Klägers aus präventivpolizeilicher Sicht als hinreichend wahrscheinlich und konkret angenommen werden (vgl. Risikobewertung vom 12.08.2010, S. 17). Im Hinblick auf die Gefährdungseinschätzung ordnete der Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 31.08.2010 die längerfristige Observation des Klägers im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG an, die zunächst auf vier Wochen befristet war. Diese Anordnung ist seither - ohne Unterbrechung - 17 Mal verlängert worden. Die letzte, auf acht Wochen befristete Anordnung datiert vom 22.01.2013 und sieht die längerfristige Observation des Klägers bis zum 22.03.2013 vor.
Der Kläger lebt seit seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Freiburg in einem Übergangswohnheim in Freiburg und bezieht Leistungen nach dem SGB II. Er, dessen erste - im Jahr 1979 geschlossene - Ehe nach wenigen Tagen gescheitert war, hat weder zu seinem aus zweiter Ehe stammenden Sohn S. noch zu der Kindsmutter Kontakt. Sein Vater ist verstorben; seine Mutter lebt betagt und körperlich beeinträchtigt in seiner Heimat. Mit ihr hält der Kläger von Zeit zu Zeit telefonisch und schriftlich Kontakt. Zu seinen fünf Geschwistern und Halbgeschwistern besteht keine Verbindung. In dem dem Kläger in dem Übergangswohnheim zugewiesenen Zimmer von etwa 11 qm Größe findet keine Überwachung durch die Polizei statt. Bei Verlassen des Wohnheims folgen dem Kläger hingegen stets bis zu vier - anfänglich auch fünf - Polizisten. Im Rahmen der Führungsaufsicht sind seitens des Landgerichts Freiburg (Strafvollstreckungskammer) folgende Weisungen ergangen:
10 
- Wohnsitznahme in Freiburg, ... Den Wohnort darf der Kläger nur mit Einwilligung der Führungsaufsichtsstelle verlassen. Ein Wohnortwechsel ist sofort der Führungsaufsichtsstelle mitzuteilen;
- Wöchentliche Meldung beim Bewährungshelfer;
- Zwei Mal wöchentliche Meldung bei den KURS-Koordinatoren der PD Freiburg;
- Vorstellungsweisung vier Mal monatlich, mindestens drei Mal monatlich, bei der Forensischen Ambulanz Freiburg;
- Untersagung, gefährliche Gegenstände, die dazu geeignet oder bestimmt sind, Verletzungen hervorzurufen, bei sich zu führen. Messer mit Klingenlänge über 5 cm, Schusswaffen, auch Schreckschusswaffen, Gasdruckwaffen, Schlagstöcke und Ninjawurfsterne darf er weder besitzen noch bei sich führen oder für sich verwahren lassen;
- Kein Aufenthalt allein mit Frauen in einem KfZ.
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Zwischenzeitlich sind die Weisungen zum Teil geändert worden: Der Kläger darf sich auch im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald aufhalten. Handelsübliche Küchenmesser darf er in gewöhnlichem Umfang in seiner Wohnung besitzen und verwenden. Einbestellungen des Bewährungshelfers hat er Folge zu leisten, wöchentliche Meldungen sind nicht mehr erforderlich. Die Weisungen, sich ein Mal wöchentlich bei der Forensischen Ambulanz Freiburg und zwei Mal wöchentlich bei den KURS-Koordinatoren der Polizeidirektion Freiburg vorzustellen, sind entfallen (Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 27.03.2012 - 12 StVK 284/08 -). Seit Dezember 2010 ist der Kläger - der Empfehlung seines Bewährungshelfers folgend - ein Mal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung bei Dipl.-Psychologen ... ... Außerdem bemüht er sich - bislang erfolglos - um Arbeit im Rahmen eines so genannten Ein-Euro-Jobs. Eine Arbeitsaufnahme im „Freiburger ...“ scheiterte.
12 
Am 13.06.2012 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung seines auf Unterlassen der seit dem 10.09.2010 durchgeführten Observation gerichteten Begehrens macht er geltend: Er leide zunehmend unter der ihm aufgezwungenen Situation, die ihm keinen unbeobachteten Moment zulasse und die ihn zunehmend in Einsamkeit und Verzweiflung treibe. Dem beklagten Land sei es nicht möglich darzulegen, warum von ihm eine konkrete und gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Allgemeinheit ausgehe. Die Gutachten von Dres. ... (2006) und ... (2009) dürften nicht mehr herangezogen werden. Das Gutachten von Prof. Dr. ... (2010) enthalte wiederum auch positive Aussagen, insbesondere bei gegebenem sozialen Empfangsraum. Er lebe seit nunmehr über zwei Jahren in einem gesicherten Umfeld, habe sich im Dezember 2010 freiwillig in Psychotherapie begeben und suche seinen Therapeuten einmal wöchentlich auf. Obwohl er diesen von seiner Schweigepflicht entbunden habe, habe der Beklagte keine Stellungnahme von diesem eingeholt. Er - der Kläger - sei einsichtig und therapiebereit. Trotzdem werde jede seiner Verhaltensweisen registriert und bewertet. So habe er ein Küchenmesser bei sich geführt, um Löwenzahn für das Kaninchen eines Freundes zu schneiden. Dies habe ihm der Beklagte als Verstoß gegen die Weisungen der Führungsaufsicht ausgelegt. Obwohl der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg insoweit angemahnt habe, dieser Umstand dürfe nicht überbewertet werden, sei der Kauf eines weiteren Küchenmessers im Januar 2012 wiederum als Verstoß gegen die Weisungen der Führungsaufsicht ausgelegt, das Messer sei beschlagnahmt worden. Die Führungsaufsicht habe jedoch von der Stellung eines Strafantrages abgesehen. Zum Recht, sich zu ernähren, gehöre es auch, über Essbesteck und sonstige, für die Zubereitung von Speisen notwendige Gerätschaften zu verfügen. Er sehe sich durch die offene und dauernde Überwachung in schlimmer Weise stigmatisiert. Eine erneute Begutachtung werde nicht für notwendig erachtet; er werde an einer erneuten Begutachtung nicht mitwirken.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die seit dem 10. September 2010 unvermindert durchgeführte Observation weiterhin durchzuführen.
15 
Das beklagte Land beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Zur Begründung wird ausgeführt, die Observation des Klägers finde ihre Rechtsgrundlage nach wie vor in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG. Die Heranziehung dieser Norm sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Anordnungen beruhten auf Fallkonferenzen unter Beteiligung der Vertreter der Führungsaufsichtsstelle, der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanz Baden mit der Polizei. Das Gutachten von Prof. Dr. ... weise eine Gefährdung durch den Kläger als hinreichend konkret und wahrscheinlich aus. Zudem habe die Observation Erkenntnisse erbracht, die zumindest Zweifel an der Ungefährlichkeit des Klägers nährten. Hierzu gehöre vor allem, dass das Verhalten des Klägers als so wenig kooperativ wie noch nie und aggressiv beschrieben werden müsse. Gesprächen mit den Observierungskräften stehe er ablehnend gegenüber, Aktivitäten kündige er nicht mehr vorher an. Bei einem Besuch bei seinem Bewährungshelfer habe er das Gebäude durch einen anderen Ausgang verlassen und sei mit dem Fahrrad davon gefahren. Das kommentarlose Verlassen der Wohnung und sein Davonfahren mit dem Fahrrad habe sich auch in der Folgezeit wiederholt. Daher sei nicht absehbar, wie der Kläger reagiere, wenn das „Feindbild Polizei“ nicht mehr vorhanden sei. Die Risikobewertung werde ständig aktualisiert. Dies zeige auch der Umstand, dass von anfänglich acht aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Straftätern nunmehr nur noch wenige überwacht würden. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Insbesondere weigere sich der Kläger, eine elektronische Fußfessel zu tragen.
18 
Bereits mit Beschluss vom 02.09.2010 hat die erkennende Kammer einen Antrag des seinerzeit noch in Sicherungsverwahrung befindlichen Klägers auf vorläufiges Unterlassen der Observation abgelehnt (4 K 1570/10). Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 23.09.2010 verworfen (1 S 2149/10). Einen am 18.05.2011 erneut gestellten Eilantrag hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 16.08.2011 wiederum abgelehnt (4 K 917/11). Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 08.11.2011 zurück (1 S 2538/11). Auf die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde lehnte das Bundesverfassungsgericht einen Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 27.02.2012 ab. Mit Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - (DVBl. 2013, 169) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - und des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.08.2011 - 4 K 917/11 - verletzten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die genannten Beschlüsse wurden aufgehoben und die Sache wurde an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Verfassungsbeschwerde des Klägers zurückverwiesen. Das an das Verwaltungsgericht Freiburg zurückverwiesene Verfahren wird dort unter dem Aktenzeichen 4 K 2433/12 geführt; auch in diesem Eilverfahren hat das Gericht am 14.02.2013 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
19 
Bereits mit Beschluss vom 12.11.2012 hat das Verwaltungsgericht Freiburg dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bewilligt und ihm seinen Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.
20 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung von Dipl.-Psychologen ... als sachverständigen Zeugen, Polizeihauptkommissar ... und Polizeioberkommissar ... sowie Bewährungshelfer ... als Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
21 
Ferner hat das Gericht Polizeioberrat ... (Landeskriminalamt Baden-Württemberg) zur Vorgehensweise von GZS-KURS bei der Risikobewertung generell und im konkreten Fall als amtliche Auskunftsperson befragt. Polizeioberrat ... hat hierbei ausgeführt, die Risikobewertung erfolge grundsätzlich aufgrund einer Einschätzung der Persönlichkeit des Probanden sowie seines Aggressionspotentials, das insbesondere anhand Art, Schwere und Häufigkeit der begangenen Taten ermittelt werde. Ferner seien das Verhalten während der Führungsaufsicht und das aktuelle Umfeld des Probanden von Bedeutung. Die Einzelheiten ergäben sich aus der Verwaltungsvorschrift zu KURS. Bei der Risikobewertung sei man von dem Gutachten ... und der dortigen Aussage ausgegangen, wenn beim Kläger kein sozialer Empfangsraum vorhanden sei, sei die Prognose eher ungünstig. Da ein sozialer Empfangsraum weiterhin nicht bestehe, insbesondere keine beschützende Unterbringung erfolgt sei, sei der Kläger in die höchste Gefahrenkategorie eingestuft worden. Im Mai 2011 habe man die Tendenz zu einer niedrigen Gefahrenkategorie festgehalten. Seinerzeit sei man davon ausgegangen, der Kläger entwickele sich. Im Fortgang habe sich der Kläger jedoch zunehmend distanziert und kaum noch kooperiert. Der Kontakt zur Forensischen Ambulanz bestehe nicht mehr. Nach außen sei eine positive Entwicklung beim Kläger nicht wahrnehmbar geworden. Von den übrigen aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Sexualstraftätern sei der Kläger nunmehr der letzte, der noch observiert werde. Die übrigen hätten sich kooperativer verhalten und sich beispielsweise auch bereit erklärt, einen Sender bei sich zu führen. Es hätten auch Absprachen hinsichtlich der Reiseziele getroffen werden können. Dadurch habe der Überwachungsdruck gelockert werden können. Hinsichtlich des Klägers sei ihm zwar bekannt geworden, dass dieser anfänglich zur Kooperation bereit gewesen sei. Er könne nicht ausschließen, dass ein kooperatives Verhalten seinerzeit auch durch das Zutun der Polizei nicht habe aufrecht erhalten werden können. Da insgesamt aber keine positive Entwicklung sichtbar geworden sei, habe man auch weiterhin den Auftrag zu erfüllen, Gefahren für die Allgemeinheit durch die Observation abzuwehren.
22 
Der ebenfalls als amtliche Auskunftsperson vom Gericht befragte Polizeibeamte ... (Polizeidirektion Freiburg) hat zu Art und Weise der Observation Folgendes ausgeführt: Als im Jahr 2010 sehr plötzlich der Auftrag auf die Polizeidirektion Freiburg zugekommen sei, aus der Sicherungsverwahrung entlassene, rückfallgefährdete Sexualstraftäter zu überwachen, habe man eine generelle Führungs- und Einsatzanweisung erlassen. Diese trage dem Anliegen der Probanden, sich soweit wie möglich frei bewegen zu können, insoweit Rechnung, als es das Grundanliegen des Schutzes der Allgemeinheit verantwortbar erscheinen lasse. Es seien Verhaltensvorgaben für die observierenden Kräfte entwickelt worden, die sich später auch in der Praxis bewährt hätten. Die Dichte der Observation werde situationsabhängig gehandhabt. So seien die Beamten, die stets Zivilkleidung trügen, beispielsweise samstags in der Innenstadt näher bei den Probanden als in der freien Natur. Ziel sei es, neben der Sicherheit der Allgemeinheit auch die Grundrechte der Probanden zu gewährleisten. Der Kläger werde derzeit von drei Beamten rund um die Uhr bewacht.
23 
Schließlich hat das Gericht die Polizeibeamtin ... (KURS-Koordinatorin) als amtliche Auskunftsperson befragt. Sie hat ausgeführt, sie sei mit einer weiteren Person als Koordinatorin und Ansprechpartnerin für etwa 20 Personen zuständig. Ihr Ziel sei es, ein Vertrauensverhältnis mit den Probanden herzustellen und diese in gewissem Umfang auch zu begleiten. Zu diesem Zwecke besuche sie die Probanden und spreche mit ihnen über die Situation. Ihre Tätigkeit diene vornehmlich dem Ziel, die Weisungen der Führungsaufsicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr zu überwachen. Der Kläger habe ihr gegenüber aber keine Bereitschaft zur Kooperation erkennen lassen und lehne den Kontakt ab.
24 
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht auch den Kläger informatorisch befragt. Dieser hat ausgeführt, anfangs der Observation habe er sich bemüht, mit den Polizeibeamten zu kooperieren, habe beispielsweise angeboten, per Handy immer erreichbar zu sein. Ihm sei dann jedoch entgegnet worden, er solle den Beamten nicht vorschreiben, wie sie ihre Arbeit zu tun hätten. Die Forensische Ambulanz sei ihm aufgezwungen worden. Die Berichte des Herrn ... seien direkt an die Polizei gegangen. Es sei jedoch nicht seine Schuld, dass er dort nicht mehr hingehe. Vielmehr sei die Finanzierung durch das Land in Frage gestellt worden. Er könne bei seiner Situation nicht auch noch Verständnis für die Polizeibeamten entwickeln. (Befragt zu seinen Straftaten:) Nachdem die Sicherungsverwahrung unbegrenzt verlängert worden sei, habe man ihn einschließen können. Auf ein 08/15-Gutachten sei das nächste gefolgt. Es sei ihm nicht möglich, seine Nicht-Gefährlichkeit zu beweisen. Er habe im Vollzug so viele enttäuschende Erlebnisse gehabt. (Auf Nachfrage:) Mit seinen Taten habe er sich auseinander gesetzt. Er sei lange Zeit in der psychiatrischen Abteilung im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg gewesen. Bei seinen Opfern habe er sich brieflich entschuldigt. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien ein Tiefpunkt seines Lebens. Natürlich bereue man das. Die Sicherungsverwahrung sei das Druckmittel gewesen, eine Therapie zu machen. Er habe eine solche Therapie gemacht und sei trotzdem nicht freigekommen. (Auf nochmalige Nachfrage:) Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. (Befragt zur Gefährlichkeit:) Er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen sprächen sein Alter, seine Weiterbildung und die Schulbildung während des Vollzugs sowie seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Mit Machtausübung hätten die Taten - entgegen der Einschätzung einiger Gutachter - allerdings nichts zu tun gehabt. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Zu seinem Sohn und seiner früheren Ehefrau, die zwischenzeitlich wiederverheiratet sei und weitere Kinder bekommen habe, habe er keinen Kontakt. Zu seiner Mutter bestehe telefonischer Kontakt; sie habe nicht gewollt, dass er sie in Begleitung von Polizei besuche. Sie sei körperlich stark beeinträchtigt und benötige Pflege. Er könne sich aber momentan nicht vorstellen, in ihre Nähe zu ziehen und sie zu pflegen. Die Suche nach Freunden und Bekannten habe er aufgegeben. Nach dem Vorfall in dem Tafelladen habe er es auch aufgegeben, soziale Beziehungen knüpfen zu wollen, denn durch die Observation werde sowieso alles zunichte gemacht. Er habe es deshalb auch weitgehend aufgegeben, von Zeit zu Zeit in eine Kneipe zu gehen. (Befragt zu seinen Plänen:) Er brauche auf jeden Fall Beschäftigung. Zur Zeit habe er einen Rentenanspruch von 150,-- EUR pro Monat. Außerdem würde er sich gerne eine Wohnung suchen - und er wünsche sich eine Beziehung mit gegenseitigem Verständnis. (Befragt zu den Vorfällen im Jahr 2011:) Der Brief mit pornografischem Inhalt sei an ihn gerichtet worden - bekommen habe er ihn ja nicht, da er abgefangen worden sei - von einem Dritten, den er nicht persönlich kenne. Der „Kontakt“ sei wohl über einen früheren Mitgefangenen aus Bruchsal zustande gekommen, da sich der Autor des Briefes nicht mit „rechtlichen Dingen“ ausgekannt habe. Jener sei zwischenzeitlich aus der Justizvollzugsanstalt Straubing entlassen worden. Insofern frage er sich, warum er ihm, der er den Brief gar nicht kenne, weiterhin zum Vorwurf gemacht werde. Er wisse nicht, wie dieser Mann dazu gekommen sei, ihm einen solchen Brief zu schreiben. (Auf weitere Frage:) In der Veranstaltung an der katholischen Fachhochschule habe er seine Taten nicht verharmlost. Er habe lediglich aus dem Urteil des Landgerichts Stuttgart zitiert, das bei ihm wegen des vergleichsweise schonenden Umgangs mit den Opfern Strafmilderungsgründe gesehen habe.
25 
Dem Gericht liegen neben den Gerichtsakten, auch aus den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, drei Band Akten des Beklagten und Auszüge aus der Akte der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage in Gestalt der (vorbeugenden) Unterlassungsklage statthaft. Der vom Kläger geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist gerichtet auf die Abwehr der von dem Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG am 31.08.2010 erstmals angeordneten und zuletzt am 22.01.2013 verlängerten längerfristigen Observation. Hierbei handelt es sich - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Namentlich ändert sich die Rechtsqualität von Verwaltungshandeln nicht gleichsam automatisch dadurch, dass die Eingriffsintensität des Handelns hoch ist und mit fortdauernder Zeit weiter zunimmt. Zwar kann dieser Umstand prozedurale Sicherungen erforderlich machen, die Zulässigkeit schlichten Verwaltungshandelns ist aber grundsätzlich nicht auf Eingriffe geringen oder mittleren Umfangs in Freiheitsrechte beschränkt (vgl. zum Ganzen auch Hermes, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. [2012], § 39 RdNrn. 56 ff.), was etwa durch die Rechtsqualität des so genannten finalen Rettungsschusses besonders anschaulich wird. Dem Kläger steht auch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zur Seite, denn er kann geltend machen, durch die längerfristige Observation möglicherweise in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt zu sein (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239 [241]; Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Greve/Lucius, DÖV 2012, 97 [102 f.]).
27 
Die somit zulässige Klage ist auch begründet, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der längerfristigen Observation zu. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die hier im Streit stehende präventiv-polizeiliche Überwachung rund um die Uhr von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (dazu nachfolgend I.). Selbst wenn man als Rechtsgrundlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (noch) die polizeiliche Generalklausel in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen heranziehen wollte, lägen deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Kläger nicht vor (II.).
I.
28 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch das erkennende Gericht besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die längerfristige präventiv-polizeiliche Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern zum Zwecke der Abwehr weiterer Sexualstraftaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163f StPO sind eindeutig nicht gegeben und werden von dem Beklagten auch nicht in Anspruch genommen. Der Eingriff kann aber auch weder auf § 22 PolG (1.), noch auf die polizeiliche Generalklausel nach §§ 1, 3 PolG gestützt werden (2.). Die polizeiliche Generalklausel steht auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr zur Verfügung (3.). Daher bedarf es letztlich keiner Entscheidung, ob die Anwendbarkeit des Polizeirechts im vorliegenden Fall auch deshalb gesperrt ist, weil der Bund für den hier interessierenden Sachbereich von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat (4.).
29 
1. Die am 22.01.2013 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg angeordnete längerfristige Überwachung des Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von § 22 PolG gedeckt. Als besonderes Mittel der Datenerhebung benennt § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation). Nach § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten durch besondere Mittel der Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen (Nr. 2) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Die durch § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommene Vorschrift des § 20 Abs. 2 PolG bestimmt, dass die Polizei Daten der in den §§ 6 oder 7 PolG genannten Personen sowie anderer Personen erheben kann, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist und die Befugnisse der Polizei nicht anderweitig geregelt sind. Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG sind - soweit hier erheblich - Verbrechen (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten (§ 22 Abs. 5 Nr. 2a PolG). Der Einsatz von Mitteln nach § 22 Abs. 1 PolG, ausgenommen der verdeckte Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG, bedarf der Anordnung eines Regierungspräsidenten oder des Leiters des Landeskriminalamtes, eines Polizeipräsidiums oder einer Polizeidirektion. Diese können die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen (§ 22 Abs. 6 PolG). Der Betroffene ist von einer Maßnahme nach § 22 Abs. 3 PolG zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann (§ 22 Abs. 8 PolG).
30 
Die Vorschrift hat ihren systematischen Standort im mit „Datenerhebung“ überschriebenen Dritten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts („Maßnahmen der Polizei“) gefunden. Die Stellung der Vorschrift des § 22 PolG in diesem Unterabschnitt und der spezifische Bezug zur Datenerhebung spiegeln sich im Wortlaut der Norm wider. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nennt die längerfristige Observation als ein „besonderes Mittel der Datenerhebung“, § 22 Abs. 3 PolG lässt „die Erhebung personenbezogener Daten“ durch die längerfristige Observation zu. Auch die Historie der Vorschrift und des gesamten Dritten Unterabschnitts, die in Umsetzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1) durch Änderungsgesetz vom 22. Oktober 1991 in das Polizeigesetz aufgenommen worden sind (vgl. dazu näher Heckmann, VBlBW 1992, 164 [165]), sprechen dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 22 PolG nur verschiedene besondere Mittel der Datenerhebung geregelt hat und keine umfassende gefahrenabwehrrechtliche Regelung über die offene (begleitende) Observation von potenziellen Straftätern treffen wollte (in diese Richtung auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]; Greve/Lucius, a.a.O., S. 100).
31 
Die Datenerhebung ist im vorliegenden Fall nicht Zweck der Observation des Klägers. Unter den in § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommenen „personenbezogenen Daten“ werden gemäß § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) verstanden. „Erheben“ ist das Beschaffen von personenbezogenen Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 LDSG). Die Polizei bezweckt in vorliegendem Fall keineswegs das Beschaffen von Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse des Klägers oder Dritter. Die Observation dient vielmehr gleichsam als eine Art „gefahrenabwehrrechtlicher Ersatz“ für den aus Rechtsgründen nicht mehr zulässigen Maßregelvollzug betreffend latent gefährliche Menschen mit psychopathologischer Neigung (so auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100). Von dem § 22 PolG zugrunde liegenden gefahrenabwehrrechtlichen Leitbild der Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das vermutliche weitere Vorgehen eines Überwachten und der Erstellung von „Bewegungsprofilen“ unterscheidet sich die Observation des Klägers mithin deutlich (so auch VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23).
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Allerdings hat die erkennende Kammer in der Vergangenheit auch erwogen, ob § 22 PolG als eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen - zumindest übergangsweise - dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt (ebenso OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010, a.a.O., juris RdNr. 24; skeptisch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100), zumal der von § 22 PolG erfasste Gesetzeszweck der Informationsbeschaffung über den Kläger und sein Verhalten zumindest als Randerscheinung der Observation „mitverwirklicht“ wird. Ungeachtet etwaiger Einwände im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 - vorbeugende Telekommunikationsüberwachung) spricht dagegen allerdings, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG nicht als jahrelange Dauer-Maßnahme konzipiert ist. Denn den Regelungen liegt das Leitbild zugrunde, dass sich nach einer überschaubaren Zeit - § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG spricht von einem Zeitraum innerhalb einer Woche und länger als eine Woche, nicht aber von Monaten und Jahren - wird entscheiden lassen, ob Strafverfolgungsmaßnahmen (ggf. wegen einer Versuchsstraftat) erfolgen können oder ob die Maßnahme voraussichtlich ergebnislos bleiben wird (vgl. zur „Schwestervorschrift“ in § 28 PolG des Saarlandes: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O., RdNr. 16; Rachor, in: Lisken/Den-ninger, a.a.O., RdNrn. 283 ff.). Die Frage, ob die Heranziehung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG für die Observation des Klägers jedenfalls übergangsweise zulässig gewesen ist (vgl. in diese Richtung insbesondere Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239; zustimmend: Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Rachor, a.a.O., RdNr. 279; ebenso zu § 16a PolG NW: VG Aachen, Urteil vom 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, juris RdNrn. 51 ff.), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens allerdings keiner Entscheidung. Denn diese Übergangsfrist hätte spätestens mit Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Beklagten im November 2011 zu laufen begonnen, nachdem sich dort - wie auch schon früher (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -; zweifelnd auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100) - verschiedene Hinweise darauf finden, dass § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG als Ermächtigungsgrundlage für eine jahrelange Dauerobservation möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Da der Landesgesetzgeber die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - nicht zum Anlass für eine Neuregelung genommen hat, findet die hier im Streit stehende 17. Verlängerung der Anordnung der längerfristigen Observation vom 22.01.2013, die sich weiterhin ausdrücklich nur auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG stützt, in § 22 PolG keine gesetzliche Grundlage mehr.
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2. Da sich mithin § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Ermächtigungsgrundlage nicht (mehr) als tragfähig erweist und eine sonstige spezielle Ermächtigungsgrundlage schon thematisch nicht ersichtlich ist, stellt sich die Frage, ob die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Klägers ihre Rechtsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG findet. Dies ist nicht der Fall.
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aa) Die erkennende Kammer kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Rückgriff auf die Generalklausel schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich um einen Fall einer „gewollten Nichtregelung einer Befugnis“ handelt. Regelt ein Gesetzgeber eine Materie ausdrücklich und eine andere - typologisch eng verwandte - nicht, kann davon auszugehen sein, dass die eingriffsintensivere Maßnahme wegen des insoweit beredten Schweigens des Gesetzgebers nicht zugelassen ist. Im vorliegenden Fall wäre damit die Frage aufgeworfen, ob aus der expliziten Regelung der längerfristigen Observation zum Zwecke der Aufhellung eines „Dunkelfeldes“ geschlossen werden kann, dass sie zu anderen Zwecken als zur Informationsbeschaffung, insbesondere bei - wie hier - höherer Grundrechtsintensität, ausgeschlossen sein soll (vgl. so z.B. im Zusammenhang mit Durchsuchung und körperlicher Untersuchung: Rachor, a.a.O., RdNr. 718).
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bb) Diese Frage mag indes für das vorliegende Verfahren auf sich beruhen. Denn nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verpflichten das Rechtstaatsprinzip und das Demokratieprinzip sowie das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber muss die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst treffen und dadurch sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat daher Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 u.a. -, NJW 2008, 822 - „Online-Durchsuchung“; Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, NJW 2008, 1505 - automatisierte Kfz-Kennzeichenerfassung; Greve/Lucius, a.a.O., S. 103 f.; Guckelberger, a.a.O., S. 212 f.). Dies gilt umso eher, je stärker eine Maßnahme in Grundrechte eingreift. Zwar verstößt die polizeiliche Generalklausel als solche nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Sinn des Gesetzesvorbehalts widerstreitet es aber, eine so weit gespannte Generalklausel wie die polizeiliche stets als ausreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zu verwenden. Intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe muss der Gesetzgeber deshalb als solche ausdrücklich regeln (vgl. statt vieler: Rachor, a.a.O., RdNr. 723; einschränkend: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, RdNr. 49). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen haben die Landesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sie einzelne Befugnisse - die sog. Standardmaßnahmen - aus dem Anwendungsbereich der Generalklausel herausgelöst und hinsichtlich Voraussetzung, Mittel und Zweck genauer umschrieben haben.
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Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich die längerfristige offene Observation von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern jedenfalls dann nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen, wenn die Maßnahme - wie hier - über sehr lange Zeit durchgeführt wird. Die erkennende Kammer und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die besonders hohe Grundrechtsrelevanz der Observation hingewiesen. Denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen - auch dem Kläger als Mehrfach-Sexualstraftäter - einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, wobei die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 [384]; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger die Beschränkung dieses Grundrechts derzeit (noch) hinnehmen muss, überrascht daher die Auffassung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg in dessen schriftlicher Anordnung vom 22.01.2013, wonach „mit der Maßnahme keine schwerwiegenden Grundrechtseingriffe verbunden sind“ (ebenda, S. 5). Denn zweifellos stellt die 17. Verlängerung der vor etwa zweieinhalb Jahren begonnenen und seither ohne Unterlass durchgeführten längerfristigen Observation des Klägers einen besonders weitreichenden und schweren Grundrechtseingriff dar. Durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb des von ihm bewohnten Zimmers überwachenden Polizisten wird die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, sehr weitgehend beeinträchtigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung erneut deutlich geworden. Der Kläger hat dort nachvollziehbar und eindrücklich geschildert, dass er es wegen dieser Situation aufgegeben habe, Kontakte zu knüpfen oder auch nur abends „auf ein Bier“ in eine Kneipe zu gehen. Dass die Observation auch sonst, beispielsweise bei der Arbeits- und Wohnungssuche, erheblich negative Folgen hat, kann daher schwerlich bezweifelt werden. Nicht zuletzt wegen der Intensität der Beeinträchtigung hat der Landesgesetzgeber einen anderen - regelhaft weniger grundrechtsintensiven - Sachverhalt bewusst einer ausdrücklichen Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zugeführt. Auch daraus ist zu schließen, dass der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot einer dauerhaften Anwendung der Generalklausel auf Fälle der vorliegenden Art entgegenstehen (ebenso Greve/Lucius, a.a.O., S. 101; Söllner, DVBl. 2013, 171 [173]).
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3. Die polizeiliche Generalklausel steht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schließlich auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht hat es insoweit - offensichtlich anknüpfend an eine weit verbreitete Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.10.2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189 [194 ff.] - Laserdrome) und Literatur (statt vieler: Greve/Lucius, a.a.O., S. 105) - für möglich gehalten, die Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter als eine neue Form polizeilicher Maßnahmen anzusehen, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden ist, die aber aufgrund ihrer weitreichenden Folgen einer dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden normativen Typisierung in Gestalt einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedarf (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Bei dieser Sachlage - so die 1. Kammer des Ersten Senats (a.a.O.) - begegne es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die polizeiliche Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach werde damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend verstanden, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren. So ermöglichten es die Gerichte dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers, hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012, a.a.O.).
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Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht die polizeiliche Generalklausel mit den oben genannten Prämissen dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg, der sich in seinen Anordnungen im Übrigen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2012 weiterhin allein auf § 22 PolG stützt, nicht (mehr) als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Nach der zu Beschränkungen der Berufsfreiheit ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vorlagebeschluss vom 24.10.2001, a.a.O.) ist dem Gesetzgeber zuzubilligen, dass er vor der Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung die Entwicklung des potentiell regelungsbedürftigen Sachverhalts erst eine Zeit lang beobachtet. Für diesen Zeitraum kann die polizeiliche Generalklausel, die insoweit einer verfassungskonformen Interpretation bedarf, übergangsweise als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen. Übertragen auf den vorliegenden Fall wird man - gerade im Hinblick auf die außerordentliche Grundrechtsrelevanz des Eingriffs der Dauerüberwachung - die Be-obachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber nicht allzu großzügig bemessen können, zumal auch die regelungsbedürftige Sachmaterie überschaubar ist, namentlich für den Beklagten feststeht, welche Personengruppe mit welchem vermutetem Gefährdungspotential dauerhaft überwacht werden soll.
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Das beklagte Land geht spätestens seit Inkrafttreten der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 am 01.04.2010 davon aus, dass bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern auch eine Observation in Betracht zu ziehen sein wird (vgl. Nr. 4.7.2 VwV KURS 2010; heute Nr. 5.8.2 VwV KURS 2012). Wenngleich die Gruppe der im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (a.a.O.) aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden Straftäter nicht unmittelbar Anlass der VwV KURS war (vgl. hierzu etwa LT-Drs. 14/4965 vom 05.08.2009), ist das Phänomen im Hinblick auf Personenkreis (Täterprofil) und Maßnahmenkatalog unter Einschluss der Observation dem beklagten Land seit spätestens 01.04.2010 hinreichend bekannt. Zweifel an der dauerhaften Tragfähigkeit der von den die Observation anordnenden Behördenleitern in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage des § 22 PolG sind in Rechtsprechung und Literatur sehr früh laut geworden (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 29.10.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 [240 f.]: verfassungskonforme Auslegung notwendig, § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauerüberwachung ohne ständige Überprüfung, Problem fehlender verfahrensmäßiger Sicherungen; nachfolgend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -: hilfsweise Generalklausel in Betracht zu ziehen; zweifelnd auch Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [210 ff.]; zur saarländischen Regelung zweifelnd: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23). Das Land hat die zweifelnden Hinweise in Rechtsprechung und Literatur nicht zum Anlass für eine Gesetzesinitiative genommen und ist auch danach noch untätig geblieben, als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - in der Entscheidung über das Eilverfahren des Klägers (Beschluss vom 08.11.2011, a.a.O., BA S. 6 und 7) seine Zweifel an der Tragfähigkeit der vom beklagten Land in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG noch einmal betont hat. In dieser Entscheidung weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zudem - in unzweifelhafter Deutlichkeit - darauf hin, dass eine Dauer-Observation des Klägers selbst bei fortbestehender Gefährlichkeit mangels Rechtsgrundlage allenfalls für eine „gewisse Übergangszeit“ noch hingenommen werden kann (ebenda S. 12). Diese Einschätzung wird auch in der seither bekannt gewordenen Literatur geteilt (vgl. nur Greve/Lucius, a.a.O., S. 99 ff.). Selbst die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht am 27.02.2012 hat nicht zu einem Tätigwerden des Landesgesetzgebers geführt, obwohl es in der Beschlussbegründung heißt, dass die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen, namentlich ob die herangezogenen Vorschriften des Polizeigesetzes „grundsätzlich oder möglicherweise nur vorübergehend und befristet bis zur Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage tragen können“ (BA S. 4), in einem Hauptsacheverfahren zu klären seien.
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Bei dieser Sachlage geht die erkennende Kammer davon aus, dass die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung steht. Für eine bereichsspezifische Regelung des hinreichend klar umrissenen und letztlich auch überschaubaren Sachverhalts der Dauerüberwachung rückfallgefährdeter (Sexual-)Straftäter zum Zwecke der Verhinderung erneuter Tatbegehung stand dem Gesetzgeber bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Verfügung, ohne dass er bislang - soweit für das Gericht ersichtlich - ein Gesetzgebungsvorhaben initiiert hätte. Es ist dem Kläger auch angesichts der erheblichen Beschränkung seiner Freiheitsrechte nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zumutbar, wegen Untätigkeit des Gesetzgebers auch weiterhin signifikante Einbußen seiner Freiheitsrechte hinnehmen zu müssen. Das mag nicht ausschließen, dass die Überwachungsbedürftigkeit des Klägers nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung erneut zu prüfen sein mag. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch mangels zur Verfügung stehender Rechtsgrundlage keine Handhabe zur dauerhaften Observation dieses Personenkreises mehr.
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4. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf nach dem Vorstehenden die Frage, ob der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch deshalb gesperrt sein könnte, weil der Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete (Sexual-)Straftäter“ abschließend im Sechsten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuchs („Maßregeln der Besserung und Sicherung“) - namentlich in den Vorschriften über die Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) - geregelt ist. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg der Rückgriff auf das Polizeirecht des Landes schon kompetenziell nicht möglich. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit geklärt, dass der Kompetenztitel „Strafrecht“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weit zu verstehen ist und beispielsweise keine ergänzende Länderkompetenz im Bereich der Sicherungsverwahrung besteht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10.02.2004 - 2 BvR 834/02 u.a. -, BVerfGE 109, 190 - nachträgliche Sicherungsverwahrung). Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Demnach sind landesrechtliche Regelungen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000 - 2 BvL 3/96 -, BVerfGE 102, 99 [114] - Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen). Allerdings rechtfertigt der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist (vgl. wiederum BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O.). Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/06 u.a. -, BVerfGE 98, 265 [300 f.] - Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz).
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Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder in diesem Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen zu widersprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O., S. 115). Die Länder sind nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine - abschließende - Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen insbesondere nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998, a.a.O., S. 300).
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Im vorliegenden Fall könnte sich daher auch die Frage stellen, ob nicht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (so ausdrücklich § 68 Abs. 1 StGB) jedenfalls bei demjenigen Personenkreis, bei dem Führungsaufsicht angeordnet ist oder kraft Gesetzes besteht, abschließend im Strafgesetzbuch (§§ 68 ff. StGB) geregelt ist, sodass den Ländern ein Zugriff auf diese Materie im Wege des allgemeinen oder besonderen Polizeirechts verwehrt wäre. Der vorrangige Zweck der Führungsaufsicht besteht - nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (vgl. hierzu und zum Folgenden wörtlich BT-Drs. 17/3403 S. 13 f.) - darin, durch Maßnahmen der Betreuung und Überwachung eine erneute Straffälligkeit der verurteilten Person nach Entlassung zu vermeiden. Dem staatlichen Auftrag, die Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu schützen, kommt dabei bei solchen Verurteilten besondere Bedeutung zu, bei denen die Gefahr besteht, dass sie erneut schwere Straftaten, insbesondere schwere Gewalt- oder Sexualdelikte, begehen werden. Dies kann nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (a.a.O., S. 13 und 14)
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„vor allem bei solchen Personen angenommen werden, die aufgrund der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Nr. 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, obwohl bei ihnen weiterhin die Gefahr besteht, dass sie erhebliche Straftaten begehen werden, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. (…) Aufgrund dieser Entscheidung muss damit gerechnet werden, dass (…) als gefährlich eingestufte Täter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, bei denen die Sach- und Rechtslage gleichgelagert ist; solche Entlassungen sind auch schon erfolgt. Aber auch davon unabhängig hat die Führungsaufsicht mit verurteilten Personen zu tun, bei denen die Gefahr erneuter schwerer Straftaten, insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, hoch ist, aber zum Beispiel die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vollständiger Verbüßung der Haft aus Rechtsgründen ausscheidet. (…) Vor diesem Hintergrund und zur weiteren Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten verfolgt der Entwurf das Ziel, das zuletzt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513) erweiterte Instrumentarium der Führungsaufsicht weiter auszubauen. Daneben soll die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht ausgedehnt werden.“
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Die im Zusammenhang mit der längerfristigen Observation durch Polizeibeamte interessierende Frage der Gesetzgebungs- und Regelungskompetenz der Länder stellt sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2301 f.]) auch besonders deshalb, weil der Gesetzgeber die Weisung, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB überführt hat und damit jedenfalls einen wichtigen Teilbereich der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht geregelt hat. In diesem Zusammenhang hat er auch besondere Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Weisung statuiert (§ 68b Abs. 1 Satz 3 StGB). Die Regelung eines gewichtigen Teils der Überwachung könnte dafür sprechen, dass der Personenkreis der der Führungsaufsicht unterstehenden rückfallgefährdeten (Sexual-)Straftäter, zu dem der Beklagte auch den Kläger rechnet, jedenfalls in Bezug auf die Dauermaßnahmen - für einmalige, situationsabhängige Maßnahmen, wie etwa die Gefährdetenansprache, wird ein Rückgriff auf das Polizeirecht möglich bleiben - (nur) den entsprechenden Regelungen des Strafgesetzbuchs unterworfen sein soll. Hierfür könnte - neben den prozeduralen Sicherungen (richterliche Entscheidung, regelmäßige Überprüfung, Befristung) - auch sprechen, dass als Zweck der so genannten elektronischen Fußfessel ausdrücklich genannt wird, den Täter im Sinne einer positiven und negativen Spezialprävention von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (BT-Drs. 17/3403 S. 17). Der Gesetzgeber erhofft sich von der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB demzufolge auch, dass
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„die elektronische Überwachung auch eine enge polizeiliche Überwachung in Form einer fortwährenden unmittelbaren Begleitung des Betroffenen durch Polizeibeamte entbehrlich machen kann, wie sie derzeit zum Teil bei als gefährlich eingestuften Entlassenen praktiziert wird. Die mit dieser Begleitung zwangsläufig verbundene Stigmatisierung der verurteilten Person und ihr negativer Effekt auf deren Reintegration würden durch eine unauffällige, nach außen nicht erkennbare elektronische Überwachung vermieden“ (BT-Drs. 17/3403 S. 19).
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Diese Formulierung lässt Fragen offen. Sie könnte für eine Rest-Kompetenz der Länder ebenso sprechen wie für eine „Voll-Regelung“ im Bereich der Führungsaufsicht. Für die Personengruppe der „wegen rückwirkender Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung nicht länger in der Sicherungsverwahrung unterzubringender verurteilter Personen“ hat der Bundesgesetzgeber überdies - was als Abrundung der Frage der Gesetzgebungs- und damit auch Anordnungskompetenz nicht außer Betracht bleiben darf -, wiederum gestützt auf seine Annexkompetenz zum Kompetenztitel „Strafrecht“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BT-Drs. 17/3403 S. 20) - das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2305]) erlassen. Nach alledem könnten einige Gründe dafür sprechen, dass dem Land Baden-Württemberg für eine Observation des hier in Rede stehenden Personenkreises zu den hier maßgeblichen Zwecken eine Gesetzgebungskompetenz überhaupt nicht (mehr) zusteht. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg - selbstverständlich - auch der Rückgriff auf das Polizeirecht, gleich welcher Rechtsgrundlage, nicht eröffnet. Einer abschließenden Entscheidung bedarf dies freilich nicht. Denn selbst wenn eine „Reservekompetenz“ für eine präventiv-polizeiliche Regelung durch die Länder gegeben wäre, könnte die Observation des Klägers aus den oben genannten Gründen hierauf nicht mehr gestützt werden.
II.
48 
Selbst wenn die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - noch als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen sollte, wenn also die Beobachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber großzügiger zu bemessen wäre, als dies nach Auffassung der Kammer der Fall ist, stünde dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Denn eine hinreichende Gefahrenprognose des Beklagten liegt nicht vor (1.) und es sind auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Kläger sprechen könnten (2.).
49 
1. Eine auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Handlungsbefugnis setzt stets voraus, dass für das betroffene Schutzgut eine konkrete Gefahr besteht. Die insoweit zu treffende Prognoseentscheidung ist Sache der Polizei. Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird. Die Gefahrbeurteilung erfolgt aus der Perspektive ex-ante, wobei - insoweit ist die Generalklausel durch § 22 Abs. 6 PolG anzureichern - auf den Wissenshorizont eines sorgfältigen Behördenleiters der Polizeidirektion abzustellen ist. Maßgeblich für die Prognoseentscheidung ist also dessen Beurteilung zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Observation getroffen worden ist, hier der Zeitpunkt der 17. Verlängerung der Anordnung am 22.01.2013. Nicht jede Gefahr reicht als Voraussetzung für ein polizeiliches Tätigwerden aus. Die von der Generalklausel vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts liegt zwischen der Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit. Je größer der zu erwartende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit. Die Schadenswahrscheinlichkeit kann dabei vor allem auf der Ebene des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Rolle spielen. Für den vorliegenden Fall folgt hieraus dreierlei: Die von dem Beklagten behauptete und vom Kläger in Abrede gestellte konkrete Gefahr kann die Observation nur rechtfertigen, wenn sie in der Begehung von Straftaten gegen das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung besteht. Davon geht auch der Beklagte aus. In anderer Hinsicht nicht gegebenes Wohlverhalten des Klägers (z.B. Straftaten gegen das Eigentum, Ordnungswidrigkeiten, etc.) hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Im Hinblick auf die anzustellende Gefahrenprognose dürfen hingegen auch solche Umstände Berücksichtigung finden, wenn sie einen Bezug zu der „einschlägigen Gefahr“ haben, wenn etwa die emotionale Steuerungs- und Kontrollfähigkeit des Klägers nicht gegeben wäre und dies in seinem Verhalten (z.B. Körperverletzung gegenüber Polizeibeamten) sichtbar würde. Da es sich bei der sexuellen Selbstbestimmung etwaiger Opfer (bislang durchweg junge, aber volljährige Frauen) um höchste Rechtsgüter handelt, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen. In zeitlicher Hinsicht kann die Gefahrenprognose nur unbeanstandet bleiben, wenn sie zugrunde legt, dass die Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger gerade (auch) innerhalb des geregelten Zeitraums (hier vom 22.01.2013 bis zum 22.03.2013) besteht. Der Prognosehorizont von in der Sicherungsverwahrung - mit Blick auf § 67d Abs. 3 StGB - erstellten Gutachten (vgl. zu diesem Prognosemaßstab: Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 67d RdNr. 7; § 56 RdNrn. 15a ff.) ist dagegen ein anderer.
50 
Die vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 22.01.2013 getroffene Prognoseentscheidung rechtfertigt die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten nicht. Sie ist bereits in ihrem rechtlichen Ansatz - da weiterhin ausschließlich auf § 22 PolG gestützt - fraglich, legt aber - vor allem - der Prognoseentscheidung Umstände zugrunde, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr berücksichtigungsfähig sind. In seinem Beschluss vom 08.11.2012 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
51 
„Die Gerichte durften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte haben ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens haben die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück lag. (…) Zum anderen stand der Verwendung des Gutachtens vom 5. März 2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegen, dass die Begutachtung erfolgte, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befand. Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebt der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen.“
52 
Die Beteiligten sind an diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick sowohl auf dessen Rechtskraft als auch auf die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (vgl. nur Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. [2005], § 93c RdNrn. 13 ff.), können also - trotz mancher durch den Beschluss aufgeworfenen (und nicht beantworteten) Fragen - nicht geltend machen, die Entscheidung sei in ihren tragenden Erwägungen unrichtig und daher nicht zu beachten. Obwohl in dem genannten Beschluss die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnungen der Polizeidirektion Freiburg vom 05.09.2011, 11.07.2011, 18.05.2011, 21.03.2011, 28.01.2011, 02.12.2010, 03.11.2010, 07.10.2010 und vom 31.08.2010 - wenn auch ohne Begründung - zurückgewiesen wurde, steht mit dem genannten Beschluss doch fest, dass der Beklagte seine Prognoseentscheidung jedenfalls seither nicht mehr auf das Gutachten ... vom 05.03.2010 stützen darf. Denn wenn die Gerichte bei ihrer die Verwaltung kontrollierenden Tätigkeit das Gutachten „nicht maßgeblich“ zugrunde legen dürfen, kann für das beklagte Land nichts anderes gelten. Gleichwohl geht die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg weiterhin maßgeblich von dem Gutachten ... aus und begründet die ungünstige Rückfallprognose zudem mit einem weiteren (noch älteren) Gutachten (Anordnung vom 22.01.2013, S. 2). Die aufgrund dieser Gutachten angenommene Einschätzung als „Risikoproband mit herausragendem Gefährdungspotential“ (ebenda) wird in der 17. Verlängerung der Observationsanordnung gleichsam fortgeschrieben, indem davon ausgegangen wird, „Hinweise auf eine positive Änderung der Persönlichkeitsstruktur“ lägen nicht vor, was im Folgenden näher dargelegt wird. Damit wird der gebotene Prognosemaßstab verkannt: Nicht der Kläger muss das Gutachten ... und frühere Vorgutachten entkräften, mit anderen Worten seine Ungefährlichkeit dartun, sondern der Beklagte muss dessen Gefährlichkeit - unter Außerachtlassung der nicht mehr „maßgeblich“ verwertbaren Gutachten - begründen. Diesen rechtlichen Anforderungen genügt die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg vom 22.01.2013 - ungeachtet des Umstands, dass sie auch im Hinblick auf die einschneidende Wirkung der Observation für den Kläger auf ein Fehlverständnis hindeutet (S. 5) - nicht.
53 
Die in einem anderen Zusammenhang auf der Basis der VwV KURS erstellte Risikobewertung betreffend den Kläger vom 07.02.2013 ist ebenfalls ungeeignet, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die zu treffende Prognose-entscheidung Rechnung zu tragen. Darin wird zwar immerhin dargestellt, dass die noch in der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten keine Verwendung mehr finden dürfen (Risikobewertung vom 07.02.2013, S. 2). Hieraus wird aber nicht die gebotene rechtliche Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Gefährlichkeit des Klägers nunmehr nur mit neuen Anknüpfungstatsachen begründen lässt. Insofern werden zwar einige Umstände genannt, namentlich, dass sich der Kläger unkooperativ gegenüber den Polizeibeamten und der KURS-Koordinatorin verhält (ebenda, S. 6 und 7) und dass er gegenüber den Polizeibeamten seit einiger Zeit aggressiver und ablehnender auftritt (S. 8). Diese Umstände sind aber nicht geeignet, die konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu begründen. Der Kläger ist seit der Erledigung der Sicherungsverwahrung ein „freier Mann“, der die Weisungen der Führungsaufsicht einzuhalten hat und dessen Aufenthalt deshalb auf den Stadtkreis Freiburg und den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald beschränkt ist, der sich aber im Übrigen von Rechts wegen ebenso verhalten kann wie jeder andere freie Mensch. Der Kläger ist namentlich rechtlich nicht dazu verpflichtet, Kontakt zu der für ihn zuständigen KURS-Koordinatorin zu halten, nachdem diese Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ausdrücklich aufgehoben worden ist. Auch seine Aktivitäten, insbesondere Fahrradtouren, muss er den observierenden Kräften nicht vorher ankündigen. Für das Gelingen der Observation muss er nicht Sorge tragen. Es mag sein, dass die Regeln des Anstands und der gegenseitigen Rücksichtnahme ein solches Verhalten wünschenswert erscheinen lassen. Eine Rechtspflicht des Klägers besteht aber nicht; sein Verhalten kann deshalb insoweit auch nicht zur Begründung einer konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten herhalten. Verstöße gegen die Weisungen der Führungsaufsicht hat der Beklagte selbst nicht behauptet; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Soweit der Kläger im März 2011 ein Messer zum Löwenzahnschneiden mit sich geführt hat und ein Jahr später ein Küchenmesser im Laden erworben hat, das er dem begleitenden Beamten sofort übergeben hat, mag darin zwar ein Verstoß gegen die gegenteilige Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht zu sehen sein. Allerdings hat schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 08.11.2011 (a.a.O., S. 10) mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass der Verstoß vom März 2011 nicht überbewertet werden darf. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass der zweite (formale) Verstoß zu einer Änderung der entsprechenden Weisung geführt hat, indem klargestellt wurde, dass der Kläger in seinem Wohnraum Küchenmesser besitzen darf. In beiden Fällen ist bezeichnenderweise seitens der Führungsaufsicht auch kein Strafantrag gestellt worden. Auch der Beklagte zieht diese Vorfälle nicht mehr zur Begründung der Gefährlichkeit des Klägers heran. Da somit weder die 17. Verlängerung der Anordnung der Observation vom 22.01.2013 noch die Risikobewertung des Landeskriminalamts vom 07.02.2013 hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straf-taten durch den Kläger beinhalten, können die dort getroffenen prognostischen Einschätzungen die Observation des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtfertigen (vgl. auch zur Gewichtigkeit von Anknüpfungstatsachen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 7 ff.).
54 
2. Auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer sind keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straftaten durch den Kläger sprechen könnten. Die beiden von der Kammer vernommenen, für die Koordination der Observierung verantwortlichen Polizeibeamten ... und ... haben übereinstimmend berichtet, die observierenden Beamten hätten über die Gefährlichkeit des Klägers keine Erkenntnisse gewonnen. Die Zeugen ... und ... sind für die Koordination der Observation seit dem 18.11.2011 verantwortlich. Der vom Zeugen ... berichtete Vorfall, dass der Kläger ohne Ankündigung auf sein Fahrrad gestiegen und davon geradelt sei, mag für die mit der Observation betrauten Beamten misslich sein. Allerdings ist auch insoweit festzuhalten, dass der Kläger von Rechts wegen nicht gehalten ist, die Einsatzbereitschaft der Polizeibeamten abzuwarten oder sein Tempo gar an deren Fitnesszustand oder dem zur Verfügung stehenden Fahrradmaterial zu orientieren. Verbale Entgleisungen und aggressive Sprachmuster wären für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen. Der Zeuge ... hat insofern aber auch ausgesagt, er habe keinerlei Rückmeldungen über verbale Entgleisungen des Klägers erhalten. Es habe auch keine Erkenntnisse über ein Interesse des Klägers an jüngeren Frauen oder sonstiges Tatverhalten gegeben, wie dieser es in der Vergangenheit gezeigt habe. Der Zeuge ... hat diese Aussage auch für die jüngere Zeit (ab September 2012) bestätigt und - in der Sache selbstverständlich zutreffend - hinzugefügt, dass bei der Observation so gearbeitet werde, dass gefährliche Situationen gerade vermieden würden. Der Umstand, dass dem Kläger zurechenbare gefährliche Situationen für Dritte durch die Observation bislang vermieden wurden, kann aber - wiederum selbstverständlich - nicht als Argument dafür dienen, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen.
55 
Die erkennende Kammer ist aufgrund der Beweiserhebung auch zu der Auffassung gelangt, dass die gegen eine Gefährlichkeit des - insoweit freilich nicht materiell beweisbelasteten - Klägers sprechenden Umstände durchaus erheblich sind. Der Kläger hat - auf Anregung von Hausarzt und Bewährungshelfer - im Dezember 2010 freiwillig eine psychotherapeutische Behandlung begonnen und nimmt die in der Regel im Wochenabstand stattfindenden Termine regelmäßig und pünktlich wahr. Sein in der mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge vernommener Psychotherapeut, Dipl.-Psych. ..., hat - für die erkennende Kammer gut nachvollziehbar - Fortschritte in der Behandlung und Entwicklung geschildert und die Observation auch und gerade für den Erfolg der Psychotherapie als eher ungünstig wirkenden Umstand beschrieben. Für die erkennende Kammer insbesondere schlüssig und nachvollziehbar war die vom sachverständigen Zeugen herausgearbeitete Differenzierung zwischen sozialer Kompetenz und Gefährlichkeit des Klägers. In der Tat mag - so auch der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung - der Kläger manchmal schroff und unwirsch wirken; auch mag es sein, dass er gegenüber labilen Persönlichkeiten aufgrund seiner zweifellos gut ausgeprägten Intelligenz eine gewisse Dominanz entfalten kann. Diese Haltung mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger zwar einerseits schwere Straftaten begangen hat, er aber andererseits auch zehn Jahre zu Unrecht in Sicherungsverwahrung verbracht hat. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass beim Kläger sich (auch) eine gewisse Opferhaltung entwickelt hat, die ihn zuweilen - auch im Umgang mit den Polizeibeamten - strikt, verletzend, schroff und ablehnend erscheinen lässt und die im Hinblick auf die (Re-) Integration des Klägers in die Zivilgesellschaft Probleme mit sich bringen könnte. Auch am Frauenbild des Klägers sei - so sein Psychotherapeut - noch zu arbeiten. Das Nähe-/Distanzverhältnis sei entwicklungsbedürftig, und es sei auch noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich des Umstands notwendig, dass die Grenzen auch die Frau mitbestimme. Dies hat der sachverständige Zeuge ..., der gerade diese Themen mit dem Kläger im Rahmen der Psychotherapie bearbeitet, für die Kammer nachvollziehbar dargelegt. Er hat aber auch - und vor allem - ausgesagt, er habe im Laufe der Behandlung nie den Eindruck gehabt, der Kläger könne wieder gefährlich werden. Die Gefahr von Grenzverletzungen gegenüber Frauen sah der sachverständige Zeuge nicht als besonders ausgeprägt an, er sehe eher Tapsigkeiten und Ungeschicklichkeiten gegenüber Frauen im Vordergrund. Diese - für einen behandelnden Psychotherapeuten keineswegs selbstverständliche - differenzierte Beurteilung des Klägers lässt den Schluss auf eine konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger nicht zu, spricht im Gegenteil eher dafür, dass der Kläger bei - derzeit u.a. auch observationsbedingt nicht gegebenen - günstigeren Rahmenbedingungen (eigene Wohnung, Arbeitsplatz) auf einem guten Weg ist, einerseits ein angemessenes Verhältnis zu seinen Straftaten zu finden und andererseits möglicherweise bestehende Schwächen in seiner Persönlichkeitsstruktur zu verringern. Sowohl der Zeuge ... wie der sachverständige Zeuge ... haben im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Observation des Klägers dessen derzeitige Lebenssituation sehr in den Vordergrund rücke. Dieser Umstand mache es tendenziell eher schwieriger, die Straftaten und deren Einschätzung durch den Kläger angemessen aufzuarbeiten.
56 
Der Zeuge ... hat die Einschätzung des sachverständigen Zeugen ... zur - seiner Meinung nach nicht gegebenen - Gefährlichkeit des Klägers bestätigt und sehr klar dargelegt, dass er das Risiko der Begehung von weiteren Sexualstraftaten durch den Kläger als nicht hoch einschätzen würde, er sogar bei einer Besprechung gesagt habe, er würde die Verantwortung für die Beendigung der Observation des Klägers übernehmen. Dazu stehe er immer noch. Der Kläger könne heute einen angemessenen Umgang mit Frauen entwickeln, und auch die Fähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln, sei beim Kläger ausgeprägt vorhanden. Wichtig sei vor allem, Arbeit und eine Wohnung für ihn zu finden. Der Zeuge ... und der sachverständige Zeuge ... sind von allen von der erkennenden Kammer gehörten Vernehmungspersonen diejenigen, die den engsten Kontakt zum Kläger haben und - nicht zuletzt aufgrund ihres professionellen Hintergrunds - auch hinreichend kritisch gegenüber bloßen Besserungs- und Wohlverhaltensversprechen sind. Da auch diese beiden Vernehmungspersonen keinerlei Anhaltspunkte für die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu benennen vermochten, kann von einer solchen nicht ausgegangen werden.
57 
Die Kammer fühlt sich in dieser Annahme bestärkt durch einige Aussagen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Zunächst ist der Kläger einer Frage des Vorsitzenden zu seinen Straftaten ausgewichen. Erst auf Nachfrage hat er sich um eine Antwort bemüht. Diese fiel keineswegs glatt und bestimmt aus. Im Gegenteil hat der Kläger - zuvor noch etwas aufgebracht argumentierend, auf einmal eher ruhig und nachdenklich - ausgesagt, er habe sich mit seinen Taten auseinander gesetzt. Er habe im Vollzug selbst um eine Therapie gebeten und sei „auf dem Hohenasperg“ jahrelang behandelt worden. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien - insoweit wiederholte er die Fragestellung des Gerichts - ein Tiefpunkt seines Lebens. Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. Er bereue seine Taten und habe auch versucht, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Wenngleich sich in seiner Aussage auch distanzierende Formulierungen fanden - wie etwa das Wort „man“ („natürlich bereut man das“) -, hat das Gericht doch den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein akzeptables Verhältnis zu seinen Straftaten entwickelt hat. Überzeugend wirkte auf die Kammer auch, dass der Kläger seine Rückfallgefahr keineswegs absolut verneint, sondern - wiederum eher nachdenklich und reflektiert - ausgeführt hat, er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen spreche sein Alter, seine Weiterbildung und die Schule während des Vollzugs und seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Seine völlige Ungefährlichkeit hat der Kläger, der im Übrigen auch den „Vorfall“ an der katholischen Fachhochschule nachvollziehbar erklären konnte, damit zwar weder behauptet noch bewiesen; er muss diesen - im Grunde nicht möglichen - Nachweis aber von Rechts wegen auch nicht führen.
58 
Bei dieser Sachlage, in der sich einerseits aus der Gefährlichkeitsprognose des Beklagten keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine Gefährlichkeit des Klägers ergeben haben und andererseits die mündliche Verhandlung nicht ansatzweise einen Hinweis auf die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger erbracht hat, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch das erkennende Gericht - ungeachtet der hiermit verbundenen (erheblichen) rechtlichen Unklarheiten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.2003 - 1 BvR 2222/01 -, BVerfG(K) 1, 167; BGH, Beschluss vom 17.02.2010 - XII ZB 68/09 -, BGHZ 184, 269) - nicht in Betracht. Obwohl das beklagte Land insoweit für sich die rechtliche Kompetenz in Anspruch nimmt, den Kläger auch zwangsweise - auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel - zu einer psychiatrischen Begutachtung verpflichten zu können (dies erwägend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 11; dagegen Greve/Lucius, a.a.O., S. 105), hat es selbst bislang offenbar keinen Anlass gesehen, von dieser - rechtlich zweifelhaften - Möglichkeit Gebrauch zu machen.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Auch für eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Ausspruchs in der Hauptsache ist kein Raum (vgl. statt vieler: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 167 RdNr. 21 m.w.N.).
60 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache). Die Kammer hält die Klärung der mit dem prinzipiellen Bestehen einer Ermächtigungsgrundlage für die dauerhafte Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter verbundenen Rechtsfragen für rechtlich grundsätzlich bedeutsam.

Gründe

 
26 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage in Gestalt der (vorbeugenden) Unterlassungsklage statthaft. Der vom Kläger geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist gerichtet auf die Abwehr der von dem Beklagten gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG am 31.08.2010 erstmals angeordneten und zuletzt am 22.01.2013 verlängerten längerfristigen Observation. Hierbei handelt es sich - entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers - nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239). Namentlich ändert sich die Rechtsqualität von Verwaltungshandeln nicht gleichsam automatisch dadurch, dass die Eingriffsintensität des Handelns hoch ist und mit fortdauernder Zeit weiter zunimmt. Zwar kann dieser Umstand prozedurale Sicherungen erforderlich machen, die Zulässigkeit schlichten Verwaltungshandelns ist aber grundsätzlich nicht auf Eingriffe geringen oder mittleren Umfangs in Freiheitsrechte beschränkt (vgl. zum Ganzen auch Hermes, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band 2, 2. Aufl. [2012], § 39 RdNrn. 56 ff.), was etwa durch die Rechtsqualität des so genannten finalen Rettungsschusses besonders anschaulich wird. Dem Kläger steht auch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Klagebefugnis zur Seite, denn er kann geltend machen, durch die längerfristige Observation möglicherweise in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzt zu sein (vgl. hierzu näher Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239 [241]; Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Greve/Lucius, DÖV 2012, 97 [102 f.]).
27 
Die somit zulässige Klage ist auch begründet, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der längerfristigen Observation zu. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die hier im Streit stehende präventiv-polizeiliche Überwachung rund um die Uhr von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (dazu nachfolgend I.). Selbst wenn man als Rechtsgrundlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (noch) die polizeiliche Generalklausel in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen heranziehen wollte, lägen deren Voraussetzungen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beim Kläger nicht vor (II.).
I.
28 
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch das erkennende Gericht besteht in Baden-Württemberg keine Rechtsgrundlage mehr für die längerfristige präventiv-polizeiliche Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen, (vermeintlich) rückfallgefährdeten Sexualstraftätern zum Zwecke der Abwehr weiterer Sexualstraftaten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 163f StPO sind eindeutig nicht gegeben und werden von dem Beklagten auch nicht in Anspruch genommen. Der Eingriff kann aber auch weder auf § 22 PolG (1.), noch auf die polizeiliche Generalklausel nach §§ 1, 3 PolG gestützt werden (2.). Die polizeiliche Generalklausel steht auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr zur Verfügung (3.). Daher bedarf es letztlich keiner Entscheidung, ob die Anwendbarkeit des Polizeirechts im vorliegenden Fall auch deshalb gesperrt ist, weil der Bund für den hier interessierenden Sachbereich von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat (4.).
29 
1. Die am 22.01.2013 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg angeordnete längerfristige Überwachung des Klägers ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von § 22 PolG gedeckt. Als besonderes Mittel der Datenerhebung benennt § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation (längerfristige Observation). Nach § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten durch besondere Mittel der Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen (Nr. 1) oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen (Nr. 2) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Die durch § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommene Vorschrift des § 20 Abs. 2 PolG bestimmt, dass die Polizei Daten der in den §§ 6 oder 7 PolG genannten Personen sowie anderer Personen erheben kann, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist und die Befugnisse der Polizei nicht anderweitig geregelt sind. Straftaten mit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG sind - soweit hier erheblich - Verbrechen (§ 22 Abs. 5 Nr. 1 PolG) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten (§ 22 Abs. 5 Nr. 2a PolG). Der Einsatz von Mitteln nach § 22 Abs. 1 PolG, ausgenommen der verdeckte Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG, bedarf der Anordnung eines Regierungspräsidenten oder des Leiters des Landeskriminalamtes, eines Polizeipräsidiums oder einer Polizeidirektion. Diese können die Anordnungsbefugnis auf besonders beauftragte Beamte des höheren Dienstes übertragen (§ 22 Abs. 6 PolG). Der Betroffene ist von einer Maßnahme nach § 22 Abs. 3 PolG zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann (§ 22 Abs. 8 PolG).
30 
Die Vorschrift hat ihren systematischen Standort im mit „Datenerhebung“ überschriebenen Dritten Unterabschnitt des Zweiten Abschnitts („Maßnahmen der Polizei“) gefunden. Die Stellung der Vorschrift des § 22 PolG in diesem Unterabschnitt und der spezifische Bezug zur Datenerhebung spiegeln sich im Wortlaut der Norm wider. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nennt die längerfristige Observation als ein „besonderes Mittel der Datenerhebung“, § 22 Abs. 3 PolG lässt „die Erhebung personenbezogener Daten“ durch die längerfristige Observation zu. Auch die Historie der Vorschrift und des gesamten Dritten Unterabschnitts, die in Umsetzung des Volkszählungsurteils des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1) durch Änderungsgesetz vom 22. Oktober 1991 in das Polizeigesetz aufgenommen worden sind (vgl. dazu näher Heckmann, VBlBW 1992, 164 [165]), sprechen dafür, dass der Landesgesetzgeber in § 22 PolG nur verschiedene besondere Mittel der Datenerhebung geregelt hat und keine umfassende gefahrenabwehrrechtliche Regelung über die offene (begleitende) Observation von potenziellen Straftätern treffen wollte (in diese Richtung auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]; Greve/Lucius, a.a.O., S. 100).
31 
Die Datenerhebung ist im vorliegenden Fall nicht Zweck der Observation des Klägers. Unter den in § 22 Abs. 3 PolG in Bezug genommenen „personenbezogenen Daten“ werden gemäß § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener) verstanden. „Erheben“ ist das Beschaffen von personenbezogenen Daten über den Betroffenen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 LDSG). Die Polizei bezweckt in vorliegendem Fall keineswegs das Beschaffen von Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse des Klägers oder Dritter. Die Observation dient vielmehr gleichsam als eine Art „gefahrenabwehrrechtlicher Ersatz“ für den aus Rechtsgründen nicht mehr zulässigen Maßregelvollzug betreffend latent gefährliche Menschen mit psychopathologischer Neigung (so auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100). Von dem § 22 PolG zugrunde liegenden gefahrenabwehrrechtlichen Leitbild der Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das vermutliche weitere Vorgehen eines Überwachten und der Erstellung von „Bewegungsprofilen“ unterscheidet sich die Observation des Klägers mithin deutlich (so auch VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23).
32 
Allerdings hat die erkennende Kammer in der Vergangenheit auch erwogen, ob § 22 PolG als eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen - zumindest übergangsweise - dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt (ebenso OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010, a.a.O., juris RdNr. 24; skeptisch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100), zumal der von § 22 PolG erfasste Gesetzeszweck der Informationsbeschaffung über den Kläger und sein Verhalten zumindest als Randerscheinung der Observation „mitverwirklicht“ wird. Ungeachtet etwaiger Einwände im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 - vorbeugende Telekommunikationsüberwachung) spricht dagegen allerdings, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG nicht als jahrelange Dauer-Maßnahme konzipiert ist. Denn den Regelungen liegt das Leitbild zugrunde, dass sich nach einer überschaubaren Zeit - § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG spricht von einem Zeitraum innerhalb einer Woche und länger als eine Woche, nicht aber von Monaten und Jahren - wird entscheiden lassen, ob Strafverfolgungsmaßnahmen (ggf. wegen einer Versuchsstraftat) erfolgen können oder ob die Maßnahme voraussichtlich ergebnislos bleiben wird (vgl. zur „Schwestervorschrift“ in § 28 PolG des Saarlandes: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O., RdNr. 16; Rachor, in: Lisken/Den-ninger, a.a.O., RdNrn. 283 ff.). Die Frage, ob die Heranziehung des § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG für die Observation des Klägers jedenfalls übergangsweise zulässig gewesen ist (vgl. in diese Richtung insbesondere Beschluss der Kammer vom 29.12.2010, a.a.O., VBlBW 2011, 239; zustimmend: Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [211]; Rachor, a.a.O., RdNr. 279; ebenso zu § 16a PolG NW: VG Aachen, Urteil vom 24.01.2011 - 6 K 140/10 -, juris RdNrn. 51 ff.), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens allerdings keiner Entscheidung. Denn diese Übergangsfrist hätte spätestens mit Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg an den Beklagten im November 2011 zu laufen begonnen, nachdem sich dort - wie auch schon früher (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -; zweifelnd auch Greve/Lucius, a.a.O., S. 100) - verschiedene Hinweise darauf finden, dass § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG als Ermächtigungsgrundlage für eine jahrelange Dauerobservation möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Da der Landesgesetzgeber die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - nicht zum Anlass für eine Neuregelung genommen hat, findet die hier im Streit stehende 17. Verlängerung der Anordnung der längerfristigen Observation vom 22.01.2013, die sich weiterhin ausdrücklich nur auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG stützt, in § 22 PolG keine gesetzliche Grundlage mehr.
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2. Da sich mithin § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als Ermächtigungsgrundlage nicht (mehr) als tragfähig erweist und eine sonstige spezielle Ermächtigungsgrundlage schon thematisch nicht ersichtlich ist, stellt sich die Frage, ob die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Klägers ihre Rechtsgrundlage in der polizeilichen Generalklausel gemäß §§ 1, 3 PolG findet. Dies ist nicht der Fall.
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aa) Die erkennende Kammer kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob der Rückgriff auf die Generalklausel schon deshalb ausgeschlossen ist, weil es sich um einen Fall einer „gewollten Nichtregelung einer Befugnis“ handelt. Regelt ein Gesetzgeber eine Materie ausdrücklich und eine andere - typologisch eng verwandte - nicht, kann davon auszugehen sein, dass die eingriffsintensivere Maßnahme wegen des insoweit beredten Schweigens des Gesetzgebers nicht zugelassen ist. Im vorliegenden Fall wäre damit die Frage aufgeworfen, ob aus der expliziten Regelung der längerfristigen Observation zum Zwecke der Aufhellung eines „Dunkelfeldes“ geschlossen werden kann, dass sie zu anderen Zwecken als zur Informationsbeschaffung, insbesondere bei - wie hier - höherer Grundrechtsintensität, ausgeschlossen sein soll (vgl. so z.B. im Zusammenhang mit Durchsuchung und körperlicher Untersuchung: Rachor, a.a.O., RdNr. 718).
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bb) Diese Frage mag indes für das vorliegende Verfahren auf sich beruhen. Denn nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verpflichten das Rechtstaatsprinzip und das Demokratieprinzip sowie das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht der Verwaltung zu überlassen (sog. Wesentlichkeitstheorie). Der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber muss die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst treffen und dadurch sicherstellen, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat daher Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 27.07.2005, a.a.O.; Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07 u.a. -, NJW 2008, 822 - „Online-Durchsuchung“; Urteil vom 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. -, NJW 2008, 1505 - automatisierte Kfz-Kennzeichenerfassung; Greve/Lucius, a.a.O., S. 103 f.; Guckelberger, a.a.O., S. 212 f.). Dies gilt umso eher, je stärker eine Maßnahme in Grundrechte eingreift. Zwar verstößt die polizeiliche Generalklausel als solche nicht gegen das Bestimmtheitsgebot. Dem Sinn des Gesetzesvorbehalts widerstreitet es aber, eine so weit gespannte Generalklausel wie die polizeiliche stets als ausreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zu verwenden. Intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe muss der Gesetzgeber deshalb als solche ausdrücklich regeln (vgl. statt vieler: Rachor, a.a.O., RdNr. 723; einschränkend: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl. 2007, RdNr. 49). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen haben die Landesgesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sie einzelne Befugnisse - die sog. Standardmaßnahmen - aus dem Anwendungsbereich der Generalklausel herausgelöst und hinsichtlich Voraussetzung, Mittel und Zweck genauer umschrieben haben.
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Gemessen an diesen Grundsätzen lässt sich die längerfristige offene Observation von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern jedenfalls dann nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen, wenn die Maßnahme - wie hier - über sehr lange Zeit durchgeführt wird. Die erkennende Kammer und der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg haben bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die besonders hohe Grundrechtsrelevanz der Observation hingewiesen. Denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen - auch dem Kläger als Mehrfach-Sexualstraftäter - einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann, wobei die vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 [384]; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Ungeachtet der Frage, ob der Kläger die Beschränkung dieses Grundrechts derzeit (noch) hinnehmen muss, überrascht daher die Auffassung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg in dessen schriftlicher Anordnung vom 22.01.2013, wonach „mit der Maßnahme keine schwerwiegenden Grundrechtseingriffe verbunden sind“ (ebenda, S. 5). Denn zweifellos stellt die 17. Verlängerung der vor etwa zweieinhalb Jahren begonnenen und seither ohne Unterlass durchgeführten längerfristigen Observation des Klägers einen besonders weitreichenden und schweren Grundrechtseingriff dar. Durch die fast lückenlose Präsenz der ihn außerhalb des von ihm bewohnten Zimmers überwachenden Polizisten wird die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu führen, sehr weitgehend beeinträchtigt. Dies ist in der mündlichen Verhandlung erneut deutlich geworden. Der Kläger hat dort nachvollziehbar und eindrücklich geschildert, dass er es wegen dieser Situation aufgegeben habe, Kontakte zu knüpfen oder auch nur abends „auf ein Bier“ in eine Kneipe zu gehen. Dass die Observation auch sonst, beispielsweise bei der Arbeits- und Wohnungssuche, erheblich negative Folgen hat, kann daher schwerlich bezweifelt werden. Nicht zuletzt wegen der Intensität der Beeinträchtigung hat der Landesgesetzgeber einen anderen - regelhaft weniger grundrechtsintensiven - Sachverhalt bewusst einer ausdrücklichen Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG zugeführt. Auch daraus ist zu schließen, dass der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot einer dauerhaften Anwendung der Generalklausel auf Fälle der vorliegenden Art entgegenstehen (ebenso Greve/Lucius, a.a.O., S. 101; Söllner, DVBl. 2013, 171 [173]).
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3. Die polizeiliche Generalklausel steht im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung schließlich auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Das Bundesverfassungsgericht hat es insoweit - offensichtlich anknüpfend an eine weit verbreitete Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.10.2001 - 6 C 3.01 -, BVerwGE 115, 189 [194 ff.] - Laserdrome) und Literatur (statt vieler: Greve/Lucius, a.a.O., S. 105) - für möglich gehalten, die Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter als eine neue Form polizeilicher Maßnahmen anzusehen, die bisher vom Landesgesetzgeber nicht eigens erfasst worden ist, die aber aufgrund ihrer weitreichenden Folgen einer dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden normativen Typisierung in Gestalt einer eigenständigen Ermächtigungsgrundlage bedarf (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012 - 2 BvR 22/12 -, DVBl. 2013, 169 [171]). Bei dieser Sachlage - so die 1. Kammer des Ersten Senats (a.a.O.) - begegne es keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die polizeiliche Generalklausel im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach werde damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend verstanden, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren. So ermöglichten es die Gerichte dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers, hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 08.11.2012, a.a.O.).
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Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht die polizeiliche Generalklausel mit den oben genannten Prämissen dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg, der sich in seinen Anordnungen im Übrigen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 08.11.2012 weiterhin allein auf § 22 PolG stützt, nicht (mehr) als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Nach der zu Beschränkungen der Berufsfreiheit ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Vorlagebeschluss vom 24.10.2001, a.a.O.) ist dem Gesetzgeber zuzubilligen, dass er vor der Verabschiedung einer gesetzlichen Regelung die Entwicklung des potentiell regelungsbedürftigen Sachverhalts erst eine Zeit lang beobachtet. Für diesen Zeitraum kann die polizeiliche Generalklausel, die insoweit einer verfassungskonformen Interpretation bedarf, übergangsweise als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen. Übertragen auf den vorliegenden Fall wird man - gerade im Hinblick auf die außerordentliche Grundrechtsrelevanz des Eingriffs der Dauerüberwachung - die Be-obachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber nicht allzu großzügig bemessen können, zumal auch die regelungsbedürftige Sachmaterie überschaubar ist, namentlich für den Beklagten feststeht, welche Personengruppe mit welchem vermutetem Gefährdungspotential dauerhaft überwacht werden soll.
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Das beklagte Land geht spätestens seit Inkrafttreten der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums, des Justizministeriums und des Ministeriums für Arbeit und Soziales zu einer ressortübergreifenden Konzeption zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (VwV KURS) vom 9. März 2010 am 01.04.2010 davon aus, dass bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern auch eine Observation in Betracht zu ziehen sein wird (vgl. Nr. 4.7.2 VwV KURS 2010; heute Nr. 5.8.2 VwV KURS 2012). Wenngleich die Gruppe der im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 (a.a.O.) aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden Straftäter nicht unmittelbar Anlass der VwV KURS war (vgl. hierzu etwa LT-Drs. 14/4965 vom 05.08.2009), ist das Phänomen im Hinblick auf Personenkreis (Täterprofil) und Maßnahmenkatalog unter Einschluss der Observation dem beklagten Land seit spätestens 01.04.2010 hinreichend bekannt. Zweifel an der dauerhaften Tragfähigkeit der von den die Observation anordnenden Behördenleitern in Anspruch genommenen Rechtsgrundlage des § 22 PolG sind in Rechtsprechung und Literatur sehr früh laut geworden (vgl. etwa Beschluss der Kammer vom 29.10.2010 - 4 K 2629/10 -, VBlBW 2011, 239 [240 f.]: verfassungskonforme Auslegung notwendig, § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauerüberwachung ohne ständige Überprüfung, Problem fehlender verfahrensmäßiger Sicherungen; nachfolgend: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2011 - 1 S 184/11 u.a. -: hilfsweise Generalklausel in Betracht zu ziehen; zweifelnd auch Guckelberger, VBlBW 2011, 209 [210 ff.]; zur saarländischen Regelung zweifelnd: VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris RdNr. 18; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.12.2010 - 3 B 284/10 -, juris RdNr. 23). Das Land hat die zweifelnden Hinweise in Rechtsprechung und Literatur nicht zum Anlass für eine Gesetzesinitiative genommen und ist auch danach noch untätig geblieben, als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - das für die Auslegung von Landesrecht letztinstanzliche Verwaltungsgericht des Landes - in der Entscheidung über das Eilverfahren des Klägers (Beschluss vom 08.11.2011, a.a.O., BA S. 6 und 7) seine Zweifel an der Tragfähigkeit der vom beklagten Land in Anspruch genommenen Ermächtigungsgrundlage des § 22 PolG noch einmal betont hat. In dieser Entscheidung weist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zudem - in unzweifelhafter Deutlichkeit - darauf hin, dass eine Dauer-Observation des Klägers selbst bei fortbestehender Gefährlichkeit mangels Rechtsgrundlage allenfalls für eine „gewisse Übergangszeit“ noch hingenommen werden kann (ebenda S. 12). Diese Einschätzung wird auch in der seither bekannt gewordenen Literatur geteilt (vgl. nur Greve/Lucius, a.a.O., S. 99 ff.). Selbst die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht am 27.02.2012 hat nicht zu einem Tätigwerden des Landesgesetzgebers geführt, obwohl es in der Beschlussbegründung heißt, dass die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen, namentlich ob die herangezogenen Vorschriften des Polizeigesetzes „grundsätzlich oder möglicherweise nur vorübergehend und befristet bis zur Schaffung einer eigenen Rechtsgrundlage tragen können“ (BA S. 4), in einem Hauptsacheverfahren zu klären seien.
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Bei dieser Sachlage geht die erkennende Kammer davon aus, dass die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - nicht mehr als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung steht. Für eine bereichsspezifische Regelung des hinreichend klar umrissenen und letztlich auch überschaubaren Sachverhalts der Dauerüberwachung rückfallgefährdeter (Sexual-)Straftäter zum Zwecke der Verhinderung erneuter Tatbegehung stand dem Gesetzgeber bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ausreichend Zeit zur Verfügung, ohne dass er bislang - soweit für das Gericht ersichtlich - ein Gesetzgebungsvorhaben initiiert hätte. Es ist dem Kläger auch angesichts der erheblichen Beschränkung seiner Freiheitsrechte nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zumutbar, wegen Untätigkeit des Gesetzgebers auch weiterhin signifikante Einbußen seiner Freiheitsrechte hinnehmen zu müssen. Das mag nicht ausschließen, dass die Überwachungsbedürftigkeit des Klägers nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung erneut zu prüfen sein mag. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht jedoch mangels zur Verfügung stehender Rechtsgrundlage keine Handhabe zur dauerhaften Observation dieses Personenkreises mehr.
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4. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf nach dem Vorstehenden die Frage, ob der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel auch deshalb gesperrt sein könnte, weil der Sachbereich „Gefahr durch rückfallgefährdete (Sexual-)Straftäter“ abschließend im Sechsten Titel des Dritten Abschnitts des Strafgesetzbuchs („Maßregeln der Besserung und Sicherung“) - namentlich in den Vorschriften über die Führungsaufsicht (§§ 68 ff. StGB) - geregelt ist. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg der Rückgriff auf das Polizeirecht des Landes schon kompetenziell nicht möglich. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit geklärt, dass der Kompetenztitel „Strafrecht“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG weit zu verstehen ist und beispielsweise keine ergänzende Länderkompetenz im Bereich der Sicherungsverwahrung besteht (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10.02.2004 - 2 BvR 834/02 u.a. -, BVerfGE 109, 190 - nachträgliche Sicherungsverwahrung). Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG dürfen die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung eigene Gesetze nur erlassen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Demnach sind landesrechtliche Regelungen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die bundesgesetzliche Regelung dieses Sachbereichs abschließenden Charakter hat. Ob eine bundesrechtliche Regelung abschließend ist oder nicht, kann nur einer Gesamtwürdigung des betreffenden Normenkomplexes entnommen werden (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000 - 2 BvL 3/96 -, BVerfGE 102, 99 [114] - Landesabfallgesetz Nordrhein-Westfalen). Allerdings rechtfertigt der Erlass eines Bundesgesetzes über einen bestimmten Gegenstand für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrig bleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen ist (vgl. wiederum BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O.). Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998 - 1 BvR 2306/06 u.a. -, BVerfGE 98, 265 [300 f.] - Bayerisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz).
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Hat der Bund einen Sachbereich in Wahrnehmung einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in diesem Sinne abschließend geregelt, so tritt die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG für eine Regelung der Länder in diesem Sachbereich unabhängig davon ein, ob die landesrechtlichen Regelungen den bundesrechtlichen Bestimmungen widerstreiten oder sie nur ergänzen, ohne ihnen zu widersprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.03.2000, a.a.O., S. 115). Die Länder sind nicht berechtigt, eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz dort in Anspruch zu nehmen, wo sie eine - abschließende - Bundesregelung für unzulänglich und deshalb reformbedürftig halten; das Grundgesetz weist ihnen insbesondere nicht die Aufgabe zu, kompetenzgemäß getroffene Entscheidungen des Bundesgesetzgebers „nachzubessern“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 27.10.1998, a.a.O., S. 300).
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Im vorliegenden Fall könnte sich daher auch die Frage stellen, ob nicht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (so ausdrücklich § 68 Abs. 1 StGB) jedenfalls bei demjenigen Personenkreis, bei dem Führungsaufsicht angeordnet ist oder kraft Gesetzes besteht, abschließend im Strafgesetzbuch (§§ 68 ff. StGB) geregelt ist, sodass den Ländern ein Zugriff auf diese Materie im Wege des allgemeinen oder besonderen Polizeirechts verwehrt wäre. Der vorrangige Zweck der Führungsaufsicht besteht - nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (vgl. hierzu und zum Folgenden wörtlich BT-Drs. 17/3403 S. 13 f.) - darin, durch Maßnahmen der Betreuung und Überwachung eine erneute Straffälligkeit der verurteilten Person nach Entlassung zu vermeiden. Dem staatlichen Auftrag, die Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern zu schützen, kommt dabei bei solchen Verurteilten besondere Bedeutung zu, bei denen die Gefahr besteht, dass sie erneut schwere Straftaten, insbesondere schwere Gewalt- oder Sexualdelikte, begehen werden. Dies kann nach Einschätzung des Bundesgesetzgebers (a.a.O., S. 13 und 14)
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„vor allem bei solchen Personen angenommen werden, die aufgrund der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Nr. 19359/04) aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, obwohl bei ihnen weiterhin die Gefahr besteht, dass sie erhebliche Straftaten begehen werden, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. (…) Aufgrund dieser Entscheidung muss damit gerechnet werden, dass (…) als gefährlich eingestufte Täter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden, bei denen die Sach- und Rechtslage gleichgelagert ist; solche Entlassungen sind auch schon erfolgt. Aber auch davon unabhängig hat die Führungsaufsicht mit verurteilten Personen zu tun, bei denen die Gefahr erneuter schwerer Straftaten, insbesondere schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten, hoch ist, aber zum Beispiel die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach vollständiger Verbüßung der Haft aus Rechtsgründen ausscheidet. (…) Vor diesem Hintergrund und zur weiteren Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor schweren Wiederholungstaten verfolgt der Entwurf das Ziel, das zuletzt durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 513) erweiterte Instrumentarium der Führungsaufsicht weiter auszubauen. Daneben soll die Möglichkeit der unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht ausgedehnt werden.“
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Die im Zusammenhang mit der längerfristigen Observation durch Polizeibeamte interessierende Frage der Gesetzgebungs- und Regelungskompetenz der Länder stellt sich nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2301 f.]) auch besonders deshalb, weil der Gesetzgeber die Weisung, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB überführt hat und damit jedenfalls einen wichtigen Teilbereich der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht geregelt hat. In diesem Zusammenhang hat er auch besondere Anforderungen an die Zulässigkeit dieser Weisung statuiert (§ 68b Abs. 1 Satz 3 StGB). Die Regelung eines gewichtigen Teils der Überwachung könnte dafür sprechen, dass der Personenkreis der der Führungsaufsicht unterstehenden rückfallgefährdeten (Sexual-)Straftäter, zu dem der Beklagte auch den Kläger rechnet, jedenfalls in Bezug auf die Dauermaßnahmen - für einmalige, situationsabhängige Maßnahmen, wie etwa die Gefährdetenansprache, wird ein Rückgriff auf das Polizeirecht möglich bleiben - (nur) den entsprechenden Regelungen des Strafgesetzbuchs unterworfen sein soll. Hierfür könnte - neben den prozeduralen Sicherungen (richterliche Entscheidung, regelmäßige Überprüfung, Befristung) - auch sprechen, dass als Zweck der so genannten elektronischen Fußfessel ausdrücklich genannt wird, den Täter im Sinne einer positiven und negativen Spezialprävention von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (BT-Drs. 17/3403 S. 17). Der Gesetzgeber erhofft sich von der Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB demzufolge auch, dass
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„die elektronische Überwachung auch eine enge polizeiliche Überwachung in Form einer fortwährenden unmittelbaren Begleitung des Betroffenen durch Polizeibeamte entbehrlich machen kann, wie sie derzeit zum Teil bei als gefährlich eingestuften Entlassenen praktiziert wird. Die mit dieser Begleitung zwangsläufig verbundene Stigmatisierung der verurteilten Person und ihr negativer Effekt auf deren Reintegration würden durch eine unauffällige, nach außen nicht erkennbare elektronische Überwachung vermieden“ (BT-Drs. 17/3403 S. 19).
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Diese Formulierung lässt Fragen offen. Sie könnte für eine Rest-Kompetenz der Länder ebenso sprechen wie für eine „Voll-Regelung“ im Bereich der Führungsaufsicht. Für die Personengruppe der „wegen rückwirkender Verschärfung des Rechts der Sicherungsverwahrung nicht länger in der Sicherungsverwahrung unterzubringender verurteilter Personen“ hat der Bundesgesetzgeber überdies - was als Abrundung der Frage der Gesetzgebungs- und damit auch Anordnungskompetenz nicht außer Betracht bleiben darf -, wiederum gestützt auf seine Annexkompetenz zum Kompetenztitel „Strafrecht“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (BT-Drs. 17/3403 S. 20) - das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300 [2305]) erlassen. Nach alledem könnten einige Gründe dafür sprechen, dass dem Land Baden-Württemberg für eine Observation des hier in Rede stehenden Personenkreises zu den hier maßgeblichen Zwecken eine Gesetzgebungskompetenz überhaupt nicht (mehr) zusteht. Dann wäre dem Leiter der Polizeidirektion Freiburg - selbstverständlich - auch der Rückgriff auf das Polizeirecht, gleich welcher Rechtsgrundlage, nicht eröffnet. Einer abschließenden Entscheidung bedarf dies freilich nicht. Denn selbst wenn eine „Reservekompetenz“ für eine präventiv-polizeiliche Regelung durch die Länder gegeben wäre, könnte die Observation des Klägers aus den oben genannten Gründen hierauf nicht mehr gestützt werden.
II.
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Selbst wenn die polizeiliche Generalklausel im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung übergangsweise - in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen - noch als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehen sollte, wenn also die Beobachtungs- und Regelungsfrist für den Gesetzgeber großzügiger zu bemessen wäre, als dies nach Auffassung der Kammer der Fall ist, stünde dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Denn eine hinreichende Gefahrenprognose des Beklagten liegt nicht vor (1.) und es sind auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Kläger sprechen könnten (2.).
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1. Eine auf die polizeiliche Generalklausel gestützte Handlungsbefugnis setzt stets voraus, dass für das betroffene Schutzgut eine konkrete Gefahr besteht. Die insoweit zu treffende Prognoseentscheidung ist Sache der Polizei. Gefahr ist eine Sachlage, in der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird. Die Gefahrbeurteilung erfolgt aus der Perspektive ex-ante, wobei - insoweit ist die Generalklausel durch § 22 Abs. 6 PolG anzureichern - auf den Wissenshorizont eines sorgfältigen Behördenleiters der Polizeidirektion abzustellen ist. Maßgeblich für die Prognoseentscheidung ist also dessen Beurteilung zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung über die Observation getroffen worden ist, hier der Zeitpunkt der 17. Verlängerung der Anordnung am 22.01.2013. Nicht jede Gefahr reicht als Voraussetzung für ein polizeiliches Tätigwerden aus. Die von der Generalklausel vorausgesetzte hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts liegt zwischen der Sicherheit und der nahezu, aber nicht völlig auszuschließenden Möglichkeit. Je größer der zu erwartende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit. Die Schadenswahrscheinlichkeit kann dabei vor allem auf der Ebene des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine Rolle spielen. Für den vorliegenden Fall folgt hieraus dreierlei: Die von dem Beklagten behauptete und vom Kläger in Abrede gestellte konkrete Gefahr kann die Observation nur rechtfertigen, wenn sie in der Begehung von Straftaten gegen das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung besteht. Davon geht auch der Beklagte aus. In anderer Hinsicht nicht gegebenes Wohlverhalten des Klägers (z.B. Straftaten gegen das Eigentum, Ordnungswidrigkeiten, etc.) hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Im Hinblick auf die anzustellende Gefahrenprognose dürfen hingegen auch solche Umstände Berücksichtigung finden, wenn sie einen Bezug zu der „einschlägigen Gefahr“ haben, wenn etwa die emotionale Steuerungs- und Kontrollfähigkeit des Klägers nicht gegeben wäre und dies in seinem Verhalten (z.B. Körperverletzung gegenüber Polizeibeamten) sichtbar würde. Da es sich bei der sexuellen Selbstbestimmung etwaiger Opfer (bislang durchweg junge, aber volljährige Frauen) um höchste Rechtsgüter handelt, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts geringere Anforderungen zu stellen. In zeitlicher Hinsicht kann die Gefahrenprognose nur unbeanstandet bleiben, wenn sie zugrunde legt, dass die Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger gerade (auch) innerhalb des geregelten Zeitraums (hier vom 22.01.2013 bis zum 22.03.2013) besteht. Der Prognosehorizont von in der Sicherungsverwahrung - mit Blick auf § 67d Abs. 3 StGB - erstellten Gutachten (vgl. zu diesem Prognosemaßstab: Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. 2001, § 67d RdNr. 7; § 56 RdNrn. 15a ff.) ist dagegen ein anderer.
50 
Die vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg am 22.01.2013 getroffene Prognoseentscheidung rechtfertigt die Annahme einer vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten nicht. Sie ist bereits in ihrem rechtlichen Ansatz - da weiterhin ausschließlich auf § 22 PolG gestützt - fraglich, legt aber - vor allem - der Prognoseentscheidung Umstände zugrunde, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr berücksichtigungsfähig sind. In seinem Beschluss vom 08.11.2012 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt:
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„Die Gerichte durften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden kann, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte haben ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 5. März 2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens haben die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück lag. (…) Zum anderen stand der Verwendung des Gutachtens vom 5. März 2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegen, dass die Begutachtung erfolgte, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befand. Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebt der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen.“
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Die Beteiligten sind an diesen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick sowohl auf dessen Rechtskraft als auch auf die Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (vgl. nur Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. [2005], § 93c RdNrn. 13 ff.), können also - trotz mancher durch den Beschluss aufgeworfenen (und nicht beantworteten) Fragen - nicht geltend machen, die Entscheidung sei in ihren tragenden Erwägungen unrichtig und daher nicht zu beachten. Obwohl in dem genannten Beschluss die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnungen der Polizeidirektion Freiburg vom 05.09.2011, 11.07.2011, 18.05.2011, 21.03.2011, 28.01.2011, 02.12.2010, 03.11.2010, 07.10.2010 und vom 31.08.2010 - wenn auch ohne Begründung - zurückgewiesen wurde, steht mit dem genannten Beschluss doch fest, dass der Beklagte seine Prognoseentscheidung jedenfalls seither nicht mehr auf das Gutachten ... vom 05.03.2010 stützen darf. Denn wenn die Gerichte bei ihrer die Verwaltung kontrollierenden Tätigkeit das Gutachten „nicht maßgeblich“ zugrunde legen dürfen, kann für das beklagte Land nichts anderes gelten. Gleichwohl geht die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg weiterhin maßgeblich von dem Gutachten ... aus und begründet die ungünstige Rückfallprognose zudem mit einem weiteren (noch älteren) Gutachten (Anordnung vom 22.01.2013, S. 2). Die aufgrund dieser Gutachten angenommene Einschätzung als „Risikoproband mit herausragendem Gefährdungspotential“ (ebenda) wird in der 17. Verlängerung der Observationsanordnung gleichsam fortgeschrieben, indem davon ausgegangen wird, „Hinweise auf eine positive Änderung der Persönlichkeitsstruktur“ lägen nicht vor, was im Folgenden näher dargelegt wird. Damit wird der gebotene Prognosemaßstab verkannt: Nicht der Kläger muss das Gutachten ... und frühere Vorgutachten entkräften, mit anderen Worten seine Ungefährlichkeit dartun, sondern der Beklagte muss dessen Gefährlichkeit - unter Außerachtlassung der nicht mehr „maßgeblich“ verwertbaren Gutachten - begründen. Diesen rechtlichen Anforderungen genügt die Anordnung des Leiters der Polizeidirektion Freiburg vom 22.01.2013 - ungeachtet des Umstands, dass sie auch im Hinblick auf die einschneidende Wirkung der Observation für den Kläger auf ein Fehlverständnis hindeutet (S. 5) - nicht.
53 
Die in einem anderen Zusammenhang auf der Basis der VwV KURS erstellte Risikobewertung betreffend den Kläger vom 07.02.2013 ist ebenfalls ungeeignet, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die zu treffende Prognose-entscheidung Rechnung zu tragen. Darin wird zwar immerhin dargestellt, dass die noch in der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten keine Verwendung mehr finden dürfen (Risikobewertung vom 07.02.2013, S. 2). Hieraus wird aber nicht die gebotene rechtliche Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Gefährlichkeit des Klägers nunmehr nur mit neuen Anknüpfungstatsachen begründen lässt. Insofern werden zwar einige Umstände genannt, namentlich, dass sich der Kläger unkooperativ gegenüber den Polizeibeamten und der KURS-Koordinatorin verhält (ebenda, S. 6 und 7) und dass er gegenüber den Polizeibeamten seit einiger Zeit aggressiver und ablehnender auftritt (S. 8). Diese Umstände sind aber nicht geeignet, die konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu begründen. Der Kläger ist seit der Erledigung der Sicherungsverwahrung ein „freier Mann“, der die Weisungen der Führungsaufsicht einzuhalten hat und dessen Aufenthalt deshalb auf den Stadtkreis Freiburg und den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald beschränkt ist, der sich aber im Übrigen von Rechts wegen ebenso verhalten kann wie jeder andere freie Mensch. Der Kläger ist namentlich rechtlich nicht dazu verpflichtet, Kontakt zu der für ihn zuständigen KURS-Koordinatorin zu halten, nachdem diese Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht ausdrücklich aufgehoben worden ist. Auch seine Aktivitäten, insbesondere Fahrradtouren, muss er den observierenden Kräften nicht vorher ankündigen. Für das Gelingen der Observation muss er nicht Sorge tragen. Es mag sein, dass die Regeln des Anstands und der gegenseitigen Rücksichtnahme ein solches Verhalten wünschenswert erscheinen lassen. Eine Rechtspflicht des Klägers besteht aber nicht; sein Verhalten kann deshalb insoweit auch nicht zur Begründung einer konkreten Gefahr der Begehung einschlägiger Straftaten herhalten. Verstöße gegen die Weisungen der Führungsaufsicht hat der Beklagte selbst nicht behauptet; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Soweit der Kläger im März 2011 ein Messer zum Löwenzahnschneiden mit sich geführt hat und ein Jahr später ein Küchenmesser im Laden erworben hat, das er dem begleitenden Beamten sofort übergeben hat, mag darin zwar ein Verstoß gegen die gegenteilige Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht zu sehen sein. Allerdings hat schon der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 08.11.2011 (a.a.O., S. 10) mit näherer Begründung darauf hingewiesen, dass der Verstoß vom März 2011 nicht überbewertet werden darf. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass der zweite (formale) Verstoß zu einer Änderung der entsprechenden Weisung geführt hat, indem klargestellt wurde, dass der Kläger in seinem Wohnraum Küchenmesser besitzen darf. In beiden Fällen ist bezeichnenderweise seitens der Führungsaufsicht auch kein Strafantrag gestellt worden. Auch der Beklagte zieht diese Vorfälle nicht mehr zur Begründung der Gefährlichkeit des Klägers heran. Da somit weder die 17. Verlängerung der Anordnung der Observation vom 22.01.2013 noch die Risikobewertung des Landeskriminalamts vom 07.02.2013 hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straf-taten durch den Kläger beinhalten, können die dort getroffenen prognostischen Einschätzungen die Observation des Klägers im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht rechtfertigen (vgl. auch zur Gewichtigkeit von Anknüpfungstatsachen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 7 ff.).
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2. Auch im Rahmen der Beweiserhebung durch die erkennende Kammer sind keine Tatsachen bekannt geworden, die für eine konkrete Gefahr der Begehung einschlägiger (Sexual-)Straftaten durch den Kläger sprechen könnten. Die beiden von der Kammer vernommenen, für die Koordination der Observierung verantwortlichen Polizeibeamten ... und ... haben übereinstimmend berichtet, die observierenden Beamten hätten über die Gefährlichkeit des Klägers keine Erkenntnisse gewonnen. Die Zeugen ... und ... sind für die Koordination der Observation seit dem 18.11.2011 verantwortlich. Der vom Zeugen ... berichtete Vorfall, dass der Kläger ohne Ankündigung auf sein Fahrrad gestiegen und davon geradelt sei, mag für die mit der Observation betrauten Beamten misslich sein. Allerdings ist auch insoweit festzuhalten, dass der Kläger von Rechts wegen nicht gehalten ist, die Einsatzbereitschaft der Polizeibeamten abzuwarten oder sein Tempo gar an deren Fitnesszustand oder dem zur Verfügung stehenden Fahrradmaterial zu orientieren. Verbale Entgleisungen und aggressive Sprachmuster wären für sich genommen ebenfalls nicht geeignet, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen. Der Zeuge ... hat insofern aber auch ausgesagt, er habe keinerlei Rückmeldungen über verbale Entgleisungen des Klägers erhalten. Es habe auch keine Erkenntnisse über ein Interesse des Klägers an jüngeren Frauen oder sonstiges Tatverhalten gegeben, wie dieser es in der Vergangenheit gezeigt habe. Der Zeuge ... hat diese Aussage auch für die jüngere Zeit (ab September 2012) bestätigt und - in der Sache selbstverständlich zutreffend - hinzugefügt, dass bei der Observation so gearbeitet werde, dass gefährliche Situationen gerade vermieden würden. Der Umstand, dass dem Kläger zurechenbare gefährliche Situationen für Dritte durch die Observation bislang vermieden wurden, kann aber - wiederum selbstverständlich - nicht als Argument dafür dienen, die Gefährlichkeit des Klägers zu begründen.
55 
Die erkennende Kammer ist aufgrund der Beweiserhebung auch zu der Auffassung gelangt, dass die gegen eine Gefährlichkeit des - insoweit freilich nicht materiell beweisbelasteten - Klägers sprechenden Umstände durchaus erheblich sind. Der Kläger hat - auf Anregung von Hausarzt und Bewährungshelfer - im Dezember 2010 freiwillig eine psychotherapeutische Behandlung begonnen und nimmt die in der Regel im Wochenabstand stattfindenden Termine regelmäßig und pünktlich wahr. Sein in der mündlichen Verhandlung als sachverständiger Zeuge vernommener Psychotherapeut, Dipl.-Psych. ..., hat - für die erkennende Kammer gut nachvollziehbar - Fortschritte in der Behandlung und Entwicklung geschildert und die Observation auch und gerade für den Erfolg der Psychotherapie als eher ungünstig wirkenden Umstand beschrieben. Für die erkennende Kammer insbesondere schlüssig und nachvollziehbar war die vom sachverständigen Zeugen herausgearbeitete Differenzierung zwischen sozialer Kompetenz und Gefährlichkeit des Klägers. In der Tat mag - so auch der Eindruck der Kammer in der mündlichen Verhandlung - der Kläger manchmal schroff und unwirsch wirken; auch mag es sein, dass er gegenüber labilen Persönlichkeiten aufgrund seiner zweifellos gut ausgeprägten Intelligenz eine gewisse Dominanz entfalten kann. Diese Haltung mag auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Kläger zwar einerseits schwere Straftaten begangen hat, er aber andererseits auch zehn Jahre zu Unrecht in Sicherungsverwahrung verbracht hat. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass beim Kläger sich (auch) eine gewisse Opferhaltung entwickelt hat, die ihn zuweilen - auch im Umgang mit den Polizeibeamten - strikt, verletzend, schroff und ablehnend erscheinen lässt und die im Hinblick auf die (Re-) Integration des Klägers in die Zivilgesellschaft Probleme mit sich bringen könnte. Auch am Frauenbild des Klägers sei - so sein Psychotherapeut - noch zu arbeiten. Das Nähe-/Distanzverhältnis sei entwicklungsbedürftig, und es sei auch noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich des Umstands notwendig, dass die Grenzen auch die Frau mitbestimme. Dies hat der sachverständige Zeuge ..., der gerade diese Themen mit dem Kläger im Rahmen der Psychotherapie bearbeitet, für die Kammer nachvollziehbar dargelegt. Er hat aber auch - und vor allem - ausgesagt, er habe im Laufe der Behandlung nie den Eindruck gehabt, der Kläger könne wieder gefährlich werden. Die Gefahr von Grenzverletzungen gegenüber Frauen sah der sachverständige Zeuge nicht als besonders ausgeprägt an, er sehe eher Tapsigkeiten und Ungeschicklichkeiten gegenüber Frauen im Vordergrund. Diese - für einen behandelnden Psychotherapeuten keineswegs selbstverständliche - differenzierte Beurteilung des Klägers lässt den Schluss auf eine konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger nicht zu, spricht im Gegenteil eher dafür, dass der Kläger bei - derzeit u.a. auch observationsbedingt nicht gegebenen - günstigeren Rahmenbedingungen (eigene Wohnung, Arbeitsplatz) auf einem guten Weg ist, einerseits ein angemessenes Verhältnis zu seinen Straftaten zu finden und andererseits möglicherweise bestehende Schwächen in seiner Persönlichkeitsstruktur zu verringern. Sowohl der Zeuge ... wie der sachverständige Zeuge ... haben im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass durch die Observation des Klägers dessen derzeitige Lebenssituation sehr in den Vordergrund rücke. Dieser Umstand mache es tendenziell eher schwieriger, die Straftaten und deren Einschätzung durch den Kläger angemessen aufzuarbeiten.
56 
Der Zeuge ... hat die Einschätzung des sachverständigen Zeugen ... zur - seiner Meinung nach nicht gegebenen - Gefährlichkeit des Klägers bestätigt und sehr klar dargelegt, dass er das Risiko der Begehung von weiteren Sexualstraftaten durch den Kläger als nicht hoch einschätzen würde, er sogar bei einer Besprechung gesagt habe, er würde die Verantwortung für die Beendigung der Observation des Klägers übernehmen. Dazu stehe er immer noch. Der Kläger könne heute einen angemessenen Umgang mit Frauen entwickeln, und auch die Fähigkeit, Mitgefühl zu entwickeln, sei beim Kläger ausgeprägt vorhanden. Wichtig sei vor allem, Arbeit und eine Wohnung für ihn zu finden. Der Zeuge ... und der sachverständige Zeuge ... sind von allen von der erkennenden Kammer gehörten Vernehmungspersonen diejenigen, die den engsten Kontakt zum Kläger haben und - nicht zuletzt aufgrund ihres professionellen Hintergrunds - auch hinreichend kritisch gegenüber bloßen Besserungs- und Wohlverhaltensversprechen sind. Da auch diese beiden Vernehmungspersonen keinerlei Anhaltspunkte für die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger zu benennen vermochten, kann von einer solchen nicht ausgegangen werden.
57 
Die Kammer fühlt sich in dieser Annahme bestärkt durch einige Aussagen des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Zunächst ist der Kläger einer Frage des Vorsitzenden zu seinen Straftaten ausgewichen. Erst auf Nachfrage hat er sich um eine Antwort bemüht. Diese fiel keineswegs glatt und bestimmt aus. Im Gegenteil hat der Kläger - zuvor noch etwas aufgebracht argumentierend, auf einmal eher ruhig und nachdenklich - ausgesagt, er habe sich mit seinen Taten auseinander gesetzt. Er habe im Vollzug selbst um eine Therapie gebeten und sei „auf dem Hohenasperg“ jahrelang behandelt worden. Er wisse, dass seine Taten falsch gewesen seien, sie seien - insoweit wiederholte er die Fragestellung des Gerichts - ein Tiefpunkt seines Lebens. Die Umstände, dass sein Sohn damals klein gewesen sei und dies möglicherweise die Ehe belastet habe und dass er seine Arbeit verloren habe, könnten keine Ausrede für die Straftaten sein. Er bereue seine Taten und habe auch versucht, sich bei den Opfern zu entschuldigen. Wenngleich sich in seiner Aussage auch distanzierende Formulierungen fanden - wie etwa das Wort „man“ („natürlich bereut man das“) -, hat das Gericht doch den Eindruck gewonnen, dass der Kläger ein akzeptables Verhältnis zu seinen Straftaten entwickelt hat. Überzeugend wirkte auf die Kammer auch, dass der Kläger seine Rückfallgefahr keineswegs absolut verneint, sondern - wiederum eher nachdenklich und reflektiert - ausgeführt hat, er glaube nicht, dass er heute so etwas noch einmal tun könne. Dagegen spreche sein Alter, seine Weiterbildung und die Schule während des Vollzugs und seine sonst gewonnenen Erkenntnisse. Auch seine Triebhaftigkeit habe nachgelassen. Er habe viele Enttäuschungen und Niederlagen erlitten und gelernt, sich durch Schreiben zu wehren, nicht durch Rache an Schwächeren. Seine völlige Ungefährlichkeit hat der Kläger, der im Übrigen auch den „Vorfall“ an der katholischen Fachhochschule nachvollziehbar erklären konnte, damit zwar weder behauptet noch bewiesen; er muss diesen - im Grunde nicht möglichen - Nachweis aber von Rechts wegen auch nicht führen.
58 
Bei dieser Sachlage, in der sich einerseits aus der Gefährlichkeitsprognose des Beklagten keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine Gefährlichkeit des Klägers ergeben haben und andererseits die mündliche Verhandlung nicht ansatzweise einen Hinweis auf die konkrete Gefahr der Begehung erneuter einschlägiger Straftaten durch den Kläger erbracht hat, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens durch das erkennende Gericht - ungeachtet der hiermit verbundenen (erheblichen) rechtlichen Unklarheiten (vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20.05.2003 - 1 BvR 2222/01 -, BVerfG(K) 1, 167; BGH, Beschluss vom 17.02.2010 - XII ZB 68/09 -, BGHZ 184, 269) - nicht in Betracht. Obwohl das beklagte Land insoweit für sich die rechtliche Kompetenz in Anspruch nimmt, den Kläger auch zwangsweise - auf Grundlage der polizeilichen Generalklausel - zu einer psychiatrischen Begutachtung verpflichten zu können (dies erwägend auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2013 - 1 S 1817/12 -, BA S. 11; dagegen Greve/Lucius, a.a.O., S. 105), hat es selbst bislang offenbar keinen Anlass gesehen, von dieser - rechtlich zweifelhaften - Möglichkeit Gebrauch zu machen.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Auch für eine vorläufige Vollstreckbarkeit des Ausspruchs in der Hauptsache ist kein Raum (vgl. statt vieler: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 167 RdNr. 21 m.w.N.).
60 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache). Die Kammer hält die Klärung der mit dem prinzipiellen Bestehen einer Ermächtigungsgrundlage für die dauerhafte Observation rückfallgefährdeter Sexualstraftäter verbundenen Rechtsfragen für rechtlich grundsätzlich bedeutsam.

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 14. Feb. 2013 - 4 K 1115/12 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 72


(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. (2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Strafgesetzbuch - StGB | § 68b Weisungen


(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen, 1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,2. sich nicht an

Strafgesetzbuch - StGB | § 68 Voraussetzungen der Führungsaufsicht


(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß e

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(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
12 
dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
13 
Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
14 
Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
15 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. September 2010 - 6 L 746/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.9.2010 - 6 L 746/10 -, durch den der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verurteilen, die seit dem 12.5.2010 andauernde Observation des Antragstellers zu beenden, zurückgewiesen wurde, ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im vorliegenden Beschwerdeverfahren begrenzt, rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Beurteilung.

Die begehrte einstweilige Anordnung i. S. d. § 123 VwGO setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus, die darzulegen und hinsichtlich ihrer tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann hier - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – mit Blick auf das Gewicht der vom Antragsteller geltend gemachten Grundrechtsposition und die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs (Observationsmaßnahmen des Antragsgegners) bejaht werden.

Indes kann nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen, wenn auch - im Hinblick auf die geltend gemachte Grundrechtsposition des Antragstellers und die im Raum stehende verfassungsrechtliche Problematik - im gebotenen Maße vertieften Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Antragsteller der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) auf vorläufiges Unterlassen der seit dem 12.5.2010 erfolgenden Observation mit der dafür notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zusteht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die von Seiten des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller angewendete polizeiliche Maßnahme der (dauernden) Observation bei Anlegung des hier möglichen und gebotenen Prüfungsmaßstabs jedenfalls nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist, dass vielmehr von einer offenen, erst im Hauptsacheverfahren abschließend zu klärenden Rechtslage auszugehen ist, und dass die Entscheidung im vorliegenden Verfahren – bei offenem Ausgang der Hauptsache - daher aufgrund einer Abwägung der Folgen einerseits des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung und andererseits ihres Nichterlasses jeweils für den Antragsteller, den Antragsgegner und potenziell betroffene andere Grundrechtsträger zu treffen ist. Diese Folgenabwägung musste hier zu Lasten des Antragstellers ausfallen.

Bei dieser Beurteilung geht der Senat davon aus, dass der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich und rechtlich wirksame Kontrolle staatlichen Handelns die Gerichte dazu verpflichtet, sich auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit entscheidungserheblicher Normen sowie mit den Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung derselben auseinanderzusetzen, wenn die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen oder einer erheblichen Verletzung von Grundrechten des Betroffenen führt

zum verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes: BVerfG, Beschluss vom 24.6.1992 – 1 BvR 1028/91 -, NJW 1992, 2749; BVerfG, Beschluss vom 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, zitiert nach Juris; BVerwG, Beschluss vom 11.3.2005 – 1 BvR 2298/04 -, zitiert nach Juris.

Ausgehend davon vermögen die Einwendungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht durchzudringen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder offensichtlich, dass es für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers – wie von ihm geltend gemacht – an einer (verfassungskonformen) Rechtsgrundlage fehlt, noch ist offensichtlich, dass die konkrete Anwendung der hier als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Normen (§ 28 sowie § 8 SPolG) rechtswidrig erfolgt wäre.

Der Antragsgegner hat als Rechtsgrundlage für die hier angeordnete unbefristete Observation die Bestimmung des § 28 Abs. 1 i. V m. Abs. 2 Nr. 1 SPolG herangezogen. Nach der genannten Vorschrift kann eine offene oder verdeckte Observation angeordnet werden, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen erforderlich ist, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll. Die Erforschung des Sachverhaltes muss ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf andere Weise aussichtslos sein und die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen.

Bei Zugrundelegung einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung dieser Vorschrift spricht hier alles dafür, das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung der Observation des Antragstellers zu bejahen.

Die bisherige Straffälligkeit des Antragstellers seit dem Jahre 1970 und die Erkenntnisse dreier zuletzt in den Jahren 2005 und 2007 erstellter Gutachten über die psychische Disposition des Antragstellers belegen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr der künftigen Begehung von Verbrechen durch den Antragsteller.

Im Alter von 20 Jahren wurde der Antragsteller am 11.12.1970 durch das Landgericht A-Stadt wegen Mordes an einem 16jährigen Mädchen und fortgesetzter Unzucht mit einem Kind zu 10 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Am 12.6.1979 wurde er auf drei Jahre Bewährungszeit aus der Haft entlassen. Etwa 7 Wochen danach beging der Antragsteller eine gefährliche Körperverletzung durch Würgen einer jüngeren Frau, weshalb er durch das Landgericht A-Stadt am 9.5.1980 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Eine erneute Haftentlassung erfolgte am 4.2.1983. Im Jahre 1986 wurde er in England wegen des Angriffs zum Nachteil einer Frau in Manchester verurteilt.

Durch Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 28.9.1989 wurde der Antragsteller wegen 1988 begangener Vollrauschdelikte – gefährliche Körperverletzung, versuchte Vergewaltigung und versuchter Totschlag durch Unterlassen zum Nachteil einer Frau – zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, gleichzeitig wurde die Unterbringung gemäß § 63 StGB in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Das Landgericht Trier ordnete unter dem 28.2.1991 wegen einer gefährlichen Körperverletzung - Würgen einer Prostituierten in Trier -, die er 1990 nach einer Flucht aus dem Maßregelvollzug in Merzig verübt hatte, ebenfalls die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an.

Durch Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 28.11.2005 wurden beide Unterbringungsanordnungen (§ 67 d Abs. 6 StGB) für erledigt erklärt. Grundlage hierfür war ein psychiatrisches Gutachten vom 25.7.2005 von Prof. Dr. K., in dem festgestellt wurde, dass der Antragsteller zwar weiter als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen sei, die Voraussetzungen für die Unterbringung im Maßregelvollzug aber zu verneinen seien. Zusammenfassend stellte der Gutachter fest: „Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass bei dem Untersuchten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vorliegt, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden, woran angesichts der von ihm begangenen Taten, die jeweils mit rascher Rückfälligkeit von ihm begangen wurden, kein Zweifel besteht. Insofern besteht bei Herrn A. die fortdauernde Notwendigkeit weiterer Sicherung.“

Nach Entlassung aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbüßte er bis zum 22.7.2007 die Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten in der JVA A-Stadt. Unter anderem auf Grundlage eines weiteren durch Prof. Dr. R. erstellten Gutachtens vom 6.3.2007 sowie eines Gutachtens der Dres. B. und G. vom 21.3.2007 wurde er im Anschluss daran einstweilig untergebracht (§ 275 a Abs. 5 StPO). Durch Entscheidungen des Landgerichts A-Stadt vom 4.4.2007 sowie vom 17.7.2009 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB angeordnet. Im Urteil vom 17.7.2009 (Seiten 17 ff.) wurde die Gefährlichkeit des Antragstellers und die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer und schwerster Gewaltdelikte sowie - wenn auch in etwas geringerem Maße - weiterer Sexualdelikte festgestellt.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Antragstellers führte der BGH mit Beschluss vom 11.2.2010 (4 StR 557/09) aus, das Landgericht habe nach vorläufiger Einschätzung des Senats die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 3 StGB zwar zu Recht als erfüllt angesehen, eine Entscheidung werde allerdings mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (EGMR) zurückgestellt. Nach Rechtskraft der Entscheidung des EGMR am 11.5.2010 entschied der BGH zwar am 12.5.2010, den Betroffenen unverzüglich aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, wies den Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung zurück und hob den Unterbringungsbefehl des Landgerichts A-Stadt vom 15.6.2007 auf. Auch in dieser Entscheidung stellte der BGH jedoch fest, dass die Vorinstanz die Tatbestandsvoraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht habe.

Diese im Verfahren auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gewonnenen Erkenntnisse durften auch der polizeilichen Gefahrenprognose im Rahmen der Gefahrenabwehr zu Grunde gelegt werden

so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.3.2010 – 6 L 28/10 -, zitiert nach Juris.

Sie sind auch – wie erstinstanzlich überzeugend dargelegt – geeignet, die prognostische Einschätzung der Gefahr einer Verbrechensbegehung durch den Antragsteller nachvollziehbar zu belegen. Beide Gutachten setzen sich ausführlich mit der Persönlichkeit und der Vorgeschichte des Antragstellers auseinander und beziehen eine Vielzahl von Vorgutachten ab dem Jahr 1970 mit ein, die einen durchgängigen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und dessen Verhaltensmustern wiedergeben, die seine Gefährlichkeit begründen. Die Gutachten stimmen des weiteren auch darin überein, dass bei dem Antragsteller – auch unter Berücksichtigung seines fortgeschrittenen Lebensalters – ein hohes Rückfallrisiko vorliegt, und zwar in Bezug auf Straftaten, die mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen der Opfer verbunden sein können. Dies betrifft schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die, wie etwa § 177 StGB, einen Verbrechenstatbestand erfüllen.

Dagegen vermag der auf eine mangelnde Aktualität der Gutachten gerichtete Einwand des Antragstellers nicht durchzugreifen. Abgesehen von dem Hinweis auf sein Alter von 61 Jahren und der angeblich relativ geringen Rückfallhäufigkeit entlassener Sicherungsverwahrter hat der Antragsteller nichts dargelegt, woraus auf eine zwischenzeitliche Änderung seiner Fähigkeit zu entsprechender Verhaltenssteuerung geschlossen werden könnte. Der Annahme einer solchen Änderung steht vielmehr – jedenfalls nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes – entgegen, dass in vierzehn Gutachten aus den Jahren 1970 bis 2007 sowie Berichten des Landeskrankenhauses bzw. der Saarländischen Klinik für Forensik und Psychiatrie Merzig in keinem Fall eine günstige, eine nachhaltige Verhaltensänderung konstatierende Prognose getroffen wurde. Eine gegebenenfalls erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts – etwa im Wege der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens – muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Ausgehend von den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens besteht danach auch aus Sicht des Senats eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG, dass von dem Antragsteller - aktuell und konkret - eine hohe Gefahr ausgeht, weitere schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht allerdings Zweifel daran geäußert, ob eine vor allem am Wortlaut orientierte Auslegung des § 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SPolG in dem Sinne möglich ist, dass diese Vorschrift – auch – Grundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern allein der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation sein kann. Die Bedenken gründen auf der systematischen Stellung der Vorschrift innerhalb des SPolG (2. Unterabschnitt: „Befugnisse zur Informationsverarbeitung“) und der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1988. Danach liegt es nahe, dass die Norm seitens des Gesetzgebers - zumindest primär - konzipiert wurde, um der Polizei im Präventivbereich ein gesetzliches Instrumentarium zur Datenerhebung und -gewinnung zur Verfügung zu stellen, dass sie also grundsätzlich Vorfeldermittlungen zur Sachverhaltserforschung unter Anwendung der in § 28 Abs. 2 SPolG genannten Mittel ermöglichen soll.

Die genannten Zweifel führen indes nicht zu der Einschätzung, dass die Vorschrift des § 28 SPolG offensichtlich nicht als Rechtsgrundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation einschlägig sein kann. Insoweit hält es der Senat keineswegs für ausgeschlossen, dass eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen – zumindest übergangsweise - dann herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt.

Bei einer Anwendung des § 28 SPolG als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation bestehen darüber hinaus verfassungsrechtliche Zweifel unter den Gesichtspunkten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Fehlens verfahrensrechtlicher Absicherungen.

Orientiert an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Telekommunikationsüberwachung

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, zitiert nach Juris,

hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf das Bestimmtheitserfordernis zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 28 SPolG möglicherweise deswegen als defizitär einzustufen sein könnte, weil sie verdeckte Ermittlungen schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr erlaubt, weil sie den Grad der Wahrscheinlichkeit der Straftatbegehung nicht genau umreißt, weil sie den Kreis eventuell betroffener Personen eher weit fasst und die in Rede stehenden Straftaten nicht im Einzelnen aufzählt.

Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass die genannte Vorschrift keinerlei verfahrensrechtliche Regularien wie eine zeitliche Begrenzung der Maßnahme oder sonstige Verfahrenskontrollen, wie etwa eine regelmäßige Überprüfung des weiteren Vorliegens der bei ihrer Anordnung angenommenen Voraussetzungen oder einen Richtervorbehalt enthält

vgl. in diesem Zusammenhang etwa § 34 Abs. 6 Thüring. PAG, § 17 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, § 32 Abs. 2 Bremisches PolG, Art. 33 Abs. 5 Bayerisches PAG, § 9 Abs. 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung durch die Polizei, § 28 Abs. 5 POG Rheinland-Pfalz, § 27 Abs. 3 ASOG Berlin, die Befristungen z.T. mit Verlängerungsmöglichkeiten vorsehen sowie etwa § 186 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, 3 32 Abs. 2 Bremisches PolG, die verfahrensmäßige Kontrollmechanismen, etwa die eines Richtervorbehalts enthalten.

Beide Aspekte erweisen sich indes hier nicht als so gewichtig, dass bei der an den eingangs genannten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts orientierten summarischen Prüfung von einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 28 SPolG bei einer Anwendung als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation ausgegangen werden müsste. Dem steht insbesondere die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung entgegen.

Dabei ist im Einzelnen von Folgendem auszugehen:

Das durch § 28 SPolG eingeschränkte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeinwohlinteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, NJW 2006, 1939 (zur präventiv-polizeilichen Rasterfahndung).

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 ff. (zu der vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung), Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BR 595/07 -, NJW 2008, 822 (zur „Online-Durchsuchung“), und vom 11.3.2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505 (zur automatisierten Kfz-Kennzeichenerfassung), jeweils mit weiteren Nachweisen.

Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung richten sich grundsätzlich nach der Art und Schwere des Eingriffs. Bei schwerwiegenden Eingriffen muss die Ermächtigung die besonderen Bestimmtheitsanforderungen festlegen, die bei solchen Eingriffen zu stellen sind

hierzu BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, mit weiteren Nachweisen.

Ausgehend von diesem Maßstab bestehen bei Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SPolG als Rechtsgrundlage für Fälle der hier streitgegenständlichen Dauerobservation zwar gewisse Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Bestimmtheit. Jedoch ist grundsätzlich anerkannt, dass Bestimmtheitsdefizite durch eine verfassungskonforme Auslegung geheilt werden können. Eine derartige Auslegung scheidet nur dann aus, wenn es an einem die wesentlichen Fragen umfassenden Regelungskern fehlt, der auf einen erklärten objektivierten Willen des Gesetzgebers zurückgeführt werden kann

BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505.

Danach ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 SPolG im gegebenen Zusammenhang keineswegs ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale „zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll“, zumal der im Zusammenhang mit polizeilichen Eingriffen stets zu wahrende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Absatz 1 Satz 2, zweiter Halbsatz der Bestimmung festgeschrieben ist. Es liegt auf der Hand, dass danach nicht jeder beliebige auf einen Verbrechenstatbestand des StGB bezogene Verdacht eine dauerhafte Observation rechtfertigen kann. Vielmehr muss sowohl die Schwere des zu erwartenden Verbrechens als auch der Grad der Wahrscheinlichkeit seiner Begehung in einem angemessenen Verhältnis zu dem konkreten Grundrechtseingriff stehen. So können unter dem Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ im Zusammenhang mit der vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen ohne weiteres konkrete Umstände des Einzelfalls verstanden werden, die den Verdacht einer Straftat objektivierbar tragen müssen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -.

Mithin kann vorliegend mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Annahme der Verfassungswidrigkeit des als Eingriffsnorm in Betracht zu ziehenden § 28 SPolG aufdrängen würde, mit der Folge, dass der Senat gehalten wäre, vorläufigen Rechtsschutz schon deshalb zu gewähren.

Gleiches gilt für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Norm.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen.

Je gewichtiger die drohende Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann allerdings auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Grundrechtseingreifende Ermittlungen „ins Blaue hinein“ lässt die Verfassung nicht zu. Gleiches gilt auch für polizeiliche Maßnahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Sinne der Gefahrenabwehr

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, und Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, jeweils a.a.O. sowie Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603.

Zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben tatbestandlichen Eingrenzungen durch die Festlegung einer klar definierten Eingriffsschwelle gegebenenfalls auch ergänzende verfahrensrechtliche Sicherungen vorzusehen

vgl. BVerfG, Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, NJW 2008, 822.

Im Falle der längerfristigen Observation wäre - wie in entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer erfolgt – etwa an eine verfahrensrechtliche Sicherung des Grundrechtsschutzes durch Festlegung einer maximalen Dauer zu denken, gegebenenfalls mit Verlängerungsmöglichkeiten sowie möglicherweise sogar durch Einfügen eines grundsätzlich im gesetzgeberischen Ermessen stehenden Richtervorbehalts, um der Gefahr von verfassungsrechtlich unzulässigen Grundrechtseinschränkungen wirksam zu begegnen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung derartiger verfahrensrechtlicher Sicherungen in der derzeit gültigen Fassung des § 28 SPolG führt indes im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht zur Annahme einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Norm. Es ist vielmehr der eingehenden rechtlichen Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten, ob und in welchem Umfang die Notwendigkeit derartiger ausdrücklicher Regelungen verfassungsrechtlich zu bejahen sein könnte oder ob insoweit eine verfassungskonforme Auslegung, die insbesondere an das in § 28 SPolG ausdrücklich formulierte Erfordernis der Verhältnismäßigkeit anknüpft, die aufgezeigten Bedenken auszuräumen vermag.

Nach allem kann bei der hier allein möglichen summarischen, wenn auch angemessen vertieften Betrachtung nicht angenommen werden, dass § 28 SPolG als eine - auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten - tragfähige Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Observation des Antragstellers nicht in Betracht gezogen werden kann.

Darüber hinaus erweist sich auch deren konkrete Anwendung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig.

Dass vorliegend aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte von einer den tatbestandlichen Anforderungen des § 28 Abs.1 SPolG entsprechenden ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen ausgegangen werden kann, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, wurde bereits dargelegt.

Bei summarischer Betrachtung ist auch nicht davon auszugehen, dass die Anordnung der hier in Rede stehenden Observation ermessensfehlerhaft ergangen oder unverhältnismäßig wäre.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Anordnung und Durchführung der bereits seit dem 12.5.2010 andauernden Observation für den Antragsteller einen intensiven Grundrechtseingriff darstellt. Zur Erreichung des oben genannten Zweckes der Abwehr der ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, erscheint die Maßnahme nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens indes als geeignet, erforderlich und im engeren Sinne, d.h. im Sinne der Zweck-Mittel-Relation auch (noch) verhältnismäßig.

Das Ziel eines effektiven Schutzes der Allgemeinheit vor einzelnen gefährlichen Straftätern, von denen weitere erhebliche Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, stellt ein Gemeinwohlinteresse von überragendem Gewicht dar

vgl. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung: BVerfG, Urteil vom 10.2.2004 – 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02 -, NJW 2004, 750, Beschlüsse vom 23.8.2006, NJW 2006, 3483, vom 22.10.2008 – 2 BvR 749/08 -, NJW 2009, 980 und vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08, 2 BvR 2633/08 -, zitiert nach Juris.

Indem der Antragsgegner die von ihm befürchtete Begehung der genannten Verbrechen durch den Antragsteller im Wege der angeordneten Observation zu verhindern sucht, verfolgt er mit der Maßnahme einen legitimen Zweck. Die dauerhaft und offen durchgeführte Observation erscheint zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet. Zudem wird voraussichtlich auch von der Erforderlichkeit der Maßnahme in der konkret beschriebenen Ausgestaltung auszugehen sein. Ein milderes Mittel, das zur effektiven vorbeugenden Verbrechensbekämpfung ebenso geeignet wäre, und das der Antragsgegner anstelle der längerfristigen Observation hätte ergreifen müssen, drängt sich nicht auf. Eine nur stichprobenartig auf einzelne Zeiträume begrenzte Observation erscheint auf der Grundlage der derzeit prognostizierten Gefährlichkeit des Antragstellers nicht in annähernd gleichem Maße wie die Dauerobservation geeignet, das Ziel des möglichst lückenlosen Schutzes der Allgemeinheit vor dem Antragsteller als potenziellem Täter zu erreichen. Soweit der Antragsteller darüber hinaus konkrete Einwände hinsichtlich der Ausgestaltung der Observation im Einzelnen geltend gemacht hat, etwa, dass die ihn observierenden Beamten auf eine Distanz im Zentimeterbereich an ihn heranrücken würden, hat der Antragsgegner nachvollziehbar und letztlich unwidersprochen dargelegt, dass dies ausschließlich in besonderen Ausnahmefällen vorkommt, und zwar nur dann, wenn die Observation anders ihren Zweck nicht erfüllen kann, weil sie etwa in dichtem Gedränge, wie bei einem Altstadtfest, stattfindet.

Für eine Bejahung der Verhältnismäßigkeit in der Zweck-Mittel-Relation spricht, dass - unbeschadet der auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Betroffenheit in Grundrechten - es auf Seiten potenzieller Opfer um nicht weniger als den Schutz von Leben und physischer wie psychischer Unversehrtheit sowie sexueller Selbstbestimmung geht.

Im Ergebnis kann daher auch nicht festgestellt werden, dass die konkrete Anwendung des Eingriffstatbestandes des § 28 SPolG gegenüber dem Antragsteller hier bislang überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig erfolgt ist.

Von einer als überwiegend wahrscheinlich anzunehmenden Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Dauerobservation wäre darüber hinaus selbst dann nicht auszugehen, wenn die tatbestandliche Anwendbarkeit des § 28 SPolG aufgrund der oben dargelegten Zweifel zu verneinen wäre. Denn in diesem Falle käme mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Nach § 8 SPolG kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 bis 40 SPolG die Befugnisse der Polizei besonders regeln. Unter einer Gefahr ist eine Lage zu verstehen, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung eines polizeilich geschützten Rechtsgutes nicht nur unerheblicher Natur führt. § 8 SPolG erfordert das Bestehen einer konkreten Gefahr, die anzunehmen ist, wenn in dem zu beurteilenden einzelnen Fall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.

Wie bereits dargelegt, sprechen derzeit gewichtige Gründe dafür, eine konkrete Gefahr der Begehung schwerer Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch den Antragsteller zu bejahen.

Allerdings bestehen auch gegen die Einschlägigkeit des § 8 SPolG als Ermächtigungsgrundlage für die hier angewendete polizeiliche Maßnahme der unbefristeten Observation Bedenken, und zwar mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie. Danach kann die polizeiliche Generalklausel, die nicht per se gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt

hierzu BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001 – 6 C 3.01 -, E 115, 189 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.5.1980 - 2 BvR 854/79 -, NJW 80, 2572,

mit Rücksicht auf die Geltung des Gesetzesvorbehalts nicht stets als hinreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zum Zwecke der Gefahrenabwehr Anwendung finden. Vielmehr sind intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe grundsätzlich einer normativen Regelung durch den Gesetzgeber vorzubehalten. Auf die diesbezüglichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs.2 VwGO vollinhaltlich Bezug genommen.

Die hiernach gegebenen Bedenken gelten im gegebenen Zusammenhang insbesondere mit Blick darauf, dass bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, dass nach der Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist und gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht. Allerdings sind staatliche Maßnahmen hinzunehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - in NJW 2004, 739 ff., zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung.

Vorliegend stellt die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Antragstellers durch mehrere Polizeibeamte einen erheblich belastenden Grundrechtseingriff dar. Auch dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, zum einen mit Blick auf die Beeinträchtigung der privaten Lebensführung des Antragstellers und die Erschwerung sozialer Kontakte und zum anderen mit Rücksicht darauf, dass die Maßnahme bislang keiner zeitlichen Begrenzung unterworfen ist.

Gleichwohl ist es auch aus Sicht des Senats nicht von vornherein ausgeschlossen, die polizeiliche Generalklausel zumindest für eine Übergangszeit als Rechtsgrundlage für eine derartige Dauerobservation von Personen anzusehen, die der Sicherungsverwahrung - trotz Vorliegens eines entsprechenden Gefährdungspotenzials - aus Rechtsgründen nicht unterstellt werden können, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Dass im Interesse einer effizienten Gefahrenabwehr bei Entstehen neuartiger Gefahrenlagen wie hier übergangsweise ein Rückgriff auf die Generalklausel erlaubt ist und dem Gesetzgeber insoweit ein gewisser Zeitraum zur Schaffung der speziellen gesetzlichen Grundlagen einer solchen Gefahrenabwehr zuzubilligen ist, ist anerkannt

vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001, E 115, 189 ff.

Bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind auch damit einhergehende Grundrechtseingriffe hinnehmbar. Insoweit gilt ähnliches wie bei der vorläufigen Anwendbarkeit einer als verfassungswidrig festgestellten Norm für eine Übergangsfrist bis zur gesetzlichen Neugestaltung,

vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 bis 4/09 -, zitiert nach Juris.

Vorliegend kann auch davon ausgegangen werden, dass eine derartige Übergangszeit überschaubar sein wird. Denn der Deutsche Bundestag hat am 2.12.2010 eine Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung beschlossen, die zum 1.1.2011 in Kraft treten soll. Die grundlegende Neuordnung der Sicherungsverwahrung wird dabei ergänzt durch die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie durch ein neues Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter, das künftig auch für die Fälle Anwendung finden soll, in denen infolge des seit dem 10.5.2010 rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Sexual- und Gewalttäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden. Letzteres sieht - nach erforderlicher doppelter Begutachtung - die Möglichkeit einer Unterbringung in geeigneten Einrichtungen vor, in denen die Behandlung des Betroffenen im Vordergrund steht

hierzu Pressemeldung des BMJ vom 2.12.2010, zitiert nach Juris.

Zusammenfassend lässt sich danach feststellen, dass bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen, allerdings auch im gebotenen Maße vertieften Prüfung durchaus denkbar erscheint, dass § 28 SPolG - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - eine tragfähige Rechtsgrundlage für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers sein kann, die von dem Antragsgegner auch nicht überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig angewendet wurde. Sollte dem nicht zu folgen sein, kommt mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Ist mithin das Bestehen des geltend gemachten Anordnungsanspruchs auf Beendigung der seit dem 12.5.2010 andauernden Observation nicht als überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen, sondern der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache vielmehr als offen einzuschätzen, so ist die Entscheidung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer allgemeinen Folgenabwägung zu treffen. Diese fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Denn die Folgen, die - im Falle des Nichtbestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs – bei einer Stattgabe eintreten könnten, wiegen schwerer als diejenigen Folgen, die der Antragsteller - im Falle des Bestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs - bei einer Ablehnung seines Antrags hinzunehmen hat. Unterbliebe die Observation und würde sich die Gefahr realisieren, dass der Antragsteller schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begeht, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, so wären die Folgen als erheblich schwerer zu bewerten als die bei einstweiliger Fortführung der Observation eintretenden Beeinträchtigungen der privaten Lebensführung des Antragstellers.

Diese Bewertung steht auch in Einklang mit der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts in dessen jüngsten Entscheidungen über Anträge noch in Sicherungsverwahrung befindlicher Antragsteller auf Erlass von einstweiligen Anordnungen mit dem Ziel der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung

BVerfG Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 – jeweils zitiert nach Juris.

Nachdem verschiedene Oberlandesgerichte

vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 30.3 2010, - 1 Ws 116/10 -, OLG Nürnberg Beschlüsse vom24.6. 2010, - 1 Ws 315/10 – und vom 7.7.2010, - 1 Ws 342/10 - jeweils zitiert nach Juris

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit einer nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 -, NJW 2004, 739 ff.,

auch in Ansehung der Rechtsprechung des EGMR

Urteil vom 17.12.2009 - 19359/04 -, NJW 2010, 2495

die Anträge nach §§ 66, 67 d StGB Sicherheitsverwahrter auf Entlassung abgelehnt hatten, hat das Bundesverfassungsgericht in den o.g. Beschlüssen den Erlass einstweiliger Anordnungen zu deren Gunsten gemäß § 32 Abs. 1 BVerfG abgelehnt. Grundlage war jeweils eine Folgenabwägung mit dem Ergebnis, dass „angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erneut besonders schwere Straftaten begehen könnte, das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner Freiheit überwiegt“

BVerfG, Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 -, jeweils zitiert nach Juris.

Trägt eine solche Folgenabwägung aber sogar die Entscheidung über eine Fortdauer des Freiheitsentzugs nicht entlassener sicherungsverwahrter Betroffener, so rechtfertigt er umso mehr die Fortdauer der hier in Rede stehenden polizeilichen Observation des – bei vergleichbarer Ausgangslage - bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Antragstellers. Denn die hier streitgegenständliche Maßnahme stellt im Vergleich zum Freiheitsentzug im Rahmen der Sicherungsverwahrung eine erheblich weniger einschneidende grundrechtsrelevante Maßnahme dar.

Nach alledem hat der Antragsteller die angeordnete Observation vorläufig weiter hinzunehmen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Orientiert an dem weiteren zeitlichen Verlauf des Hauptsacheverfahrens und des in Gang gesetzten Gesetzgebungsverfahrens mag der Antragsgegner allerdings in Erwägung ziehen, ob und wann nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur regelmäßigen Überprüfung von Prognoseentscheidungen auch durch Einholung von Gutachten

vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - zur fortdauernden Unterbringung in Sicherheitsverwahrung und vom 8.7.2010 - 2 BvR 1771/09 -, jeweils zitiert nach Juris

vorliegend die Einholung eines aktuellen Gutachtens zur Frage des Gefährdungspotenzials des Antragstellers angezeigt erscheint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird.

(2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. August 2012 - 4 K 1261/12 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Antragsteller zu observieren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500.-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am ... geborene Antragsteller wurde mit Urteil des ... ... vom ... wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Zu Grunde lag die Tötung eines 13-jährigen aus Eifersucht nach homosexuellem Verkehr. Mit Urteil des ... ... vom ... wurde der Antragsteller zu 4 Jahren Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, da er einen 19-jährigen unter Würgen und Todesdrohungen zu Anal- und Oralverkehr gezwungen hatte. Das ... ... verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom ... wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten und ordnete dessen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB an. Zu Grunde lag unter anderem, dass der Antragsteller einen wegen frühkindlicher Hirnschädigung behinderten 20-jährigen zum Analverkehr gezwungen hatte. Das Strafende aus dieser Verurteilung war der ... Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller in Sicherungsverwahrung. Das OLG ... erklärte mit Beschluss vom 14.12.2011 - ... ... ... - die Sicherungsverwahrung für erledigt. Eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei nur zulässig, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sei und dieser an einer psychischen Störung im Sinne des ThUG leide. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Antragsteller leide an keiner relevanten psychischen Störung. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 14.10.2011 lasse sich eine spezifische bzw. kombinierte Persönlichkeitsstörung nicht objektivieren. Es bestehe zudem auch keine auf gegenwärtige und konkrete Umstände in der Person oder im Verhalten des Antragstellers gestützte, durch die psychische Erkrankung bedingte hohe Rückfallgefahr. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ... ... gehe von dem Antragsteller keine Gefahr von Gewalt- oder Sexualdelikten aus. Dieser mit den früheren Prognosebeurteilungen in Widerspruch stehenden Bewertung schließe sich das Gericht an.
Nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung wurde der Antragsteller aufgrund von Verfügungen der Polizeidirektion ..., die auf §§ 1, 3, 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 6 PolG gestützt waren, durch Polizeibeamte fortlaufend überwacht. Den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, ihn zu observieren, hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Observation auf § 20 Abs. 3 PolG oder auf §§ 1, 3 PolG gestützt werden könne. Denn die Maßnahme sei überwiegend wahrscheinlich nach beiden Alternativen rechtmäßig. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich den Risikobewertungen nach dem Sicherheitsprogramm "Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern" (KURS) vom 23.9.2010, vom 10.11.2011 und - zuletzt - vom 15.03.2012 einschließlich der vorliegenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten von ... ... ... vom 23.09.2010 und ... ... ... vom 14.10.2011 dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen angezeigt, im Ergebnis voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die letzte von der Gemeinsamen Zentralstelle beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (GZS) nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung vom 15.03.2012, an der drei Staatsanwälte, ein Psychologe und vier Polizeibeamte mitgewirkt hätten, sei nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem plausiblen Ergebnis gelangt, dass an der in der ersten Risikobewertung (KURS) vom 23.09.2010 vorgenommenen Einstufung des Antragstellers in die Gefahrenkategorie 1 (höchste Gefährdungsstufe) festzuhalten sei. Die Kammer halte die Bedenken der GZS an der Kriminalprognose von ... ... ... zumindest für sehr plausibel. Gefahrerhöhend wirke sich aus, dass sich der Antragsteller seit seiner Freilassung zunehmend unkooperativ gegenüber den ihn begleitenden Beamten gezeigt und Kontakte zu Personen geknüpft habe, die unter Aliasnamen aufträten und mit Sexualdelikten in Erscheinung getreten seien, während er ansonsten keine tragfähigen sozialen Kontakte habe. Außerdem konsumiere er inzwischen Alkohol, was bei seinen früheren Tatbegehungen taterleichternde und enthemmende Wirkung gehabt habe. Zudem weigere er sich entgegen der Weisung im Beschluss des Landgerichts ... vom 20.03.2012, sich bei der Forensischen Ambulanz ... vorzustellen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat in der Sache Erfolg. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat Veranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss mit sehr ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung und unter eingehender Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen sowie im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung des Senats eine Rückfallgefahr beim Antragsteller bejaht. Der Senat hat in einem anderen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über den Antrag eines ehemals sicherungsverwahrten Straftäters, das Land Baden-Württemberg vorläufig zu verpflichten, die Observation umgehend einzustellen, mit Beschluss vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass die längerfristige Observation von rückfallgefährdeten ehemals sicherungsverwahrten, entlassenen Straftätern noch eine Rechtsgrundlage im Polizeigesetz finde. Dabei bedürfe es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Entscheidung, ob die polizeiliche Maßnahme unmittelbar auf die - verfassungskonform auszulegende - Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gestützt werden könne oder ob mit Blick darauf, dass diese Regelung die Datenerhebung zum Ziel habe, diese Zielrichtung aber bei der Observation ehemaliger Sicherungsverwahrter nicht im Vordergrund stehe, vielmehr auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und Abs. 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden müsse. Das rechtskräftige Urteil des EGMR, dass der Antragsteller jenes Verfahrens unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei, stehe einer eigenständigen Gefahrenprognose für die Observation nicht entgegen. Diese stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Der Maßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. c EGMR sei jedoch ein strengerer als der der Gefahr in § 22 Abs. 3 bzw. § 1 PolG. Gerade wenn es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, hier der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, gehe, dürften die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden. Neben dem noch während der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten vom 05.03.2010 sei bei der Gefahrenprognose das bei dem Antragsteller seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beobachtete Verhalten zugrundezulegen. Bei der anstehenden Bewertungskonferenz sei auch zu eruieren, inwieweit Therapiefortschritte zu verzeichnen seien. Sollte danach eine konkrete Gefahr im dargelegten Sinn nicht mehr bejaht werden können, könnte die Fortdauer auch nicht auf der Grundlage des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG angeordnet werden. Eine längerfristige Observation des Antragstellers jenes Verfahrens in der praktizierten Weise könne voraussichtlich auch bei einem Fortbestehen der Gefahrenlage nicht auf Dauer hingenommen werden, weil die damit einhergehenden Einschränkungen seiner privaten Lebensgestaltung mit zunehmender Dauer in unverhältnismäßiger Weise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingriffen. Für eine gewisse Übergangszeit erweise sich die Maßnahme indes noch als verhältnismäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des Senats, den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und die Anordnungen zur Observation der Polizeidirektion ausgeführt, dass die dauernde Observation des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstelle. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichere jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne.Es begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die vorhandene Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 3 PolG oder §§ 1, 3 PolG) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach verstünden sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichten so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden.Die angegriffenen Entscheidungen genügten jedoch aus einem anderen Grund nicht den Voraussetzungen für die hier von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität im Bereich des grundrechtsrelevanten einstweiligen Rechtsschutzes. Die Gerichte dürften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte hätten ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 05.03.2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens hätten die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück gelegen habe.Zum anderen habe der Verwendung des Gutachtens vom 05.03.2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegengestanden, dass die Begutachtung erfolgt sei, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befunden habe. Der Gutachter habe allenfalls vermuten können, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebe der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen ließen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - juris).
Eine nach diesen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, ausreichende Gefahrenprognose für eine dauernde Observation des Antragstellers liegt nicht vor. Das letzte psychiatrische Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Antragsteller eine Rückfallgefahr besteht, ist jenes von ... ... ... vom 23.09.2010. Es liegt daher mehr als zwei Jahre zurück und kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Gefahrenprognose zur Begründung der streitgegenständlichen Observation des Antragstellers nicht herangezogen werden. Das letzte Gutachten über den Antragsteller aus der Zeit der Sicherungsverwahrung, erstattet von ... ... ... am 14.10.2011, kommt hingegen zu einer Verneinung der Rückfallgefahr beim Antragsteller. Ein nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung erstelltes psychiatrisches Gutachten liegt nicht vor. Die Risikobewertungen der GZS nach dem Sicherheitsprogramm KURS stellen insofern keine ausreichenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten dar, die die Observation tragen könnten. Auch wenn bei der GZS an den durchgeführten Risikobewertungen ein Psychologe mitgewirkt hat, handelt es sich bereits deswegen nicht um für die Anordnung der Observation ausreichende psychiatrische Gutachten, weil ihnen keine eigenständige Exploration des Antragstellers zu Grunde liegt.
Auch aus nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung eingetretenen Umständen ergibt sich keine hinreichende Gefahrenprognose für die Observation des Antragstellers. Die von dem Antragsgegner insoweit angeführten Umstände bleiben vage und stellen lediglich Mutmaßungen dar.
Die vier persönlichen Kontakte des Antragstellers zu ... ..., der unter Alias-Namen auftrete und wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten sei, in der Zeit nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung begründen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte. Von den von dem Antragsgegner insoweit als bedeutsam aufgeführten sieben Delikten stammen nur zwei aus der jüngeren Vergangenheit: Das Verfahren wegen Körperverletzung nach § 223 StGB wegen einer Tat vom 09.05.2010 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Für den Verdacht der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, 5 StGB vom 01.01.2012 liegt ein Verfahrensausgang nach Mitteilung des Antragsgegners noch nicht vor. Welcher Sachverhalt dem Strafverfahren zu Grunde liegt, ist bereits nicht benannt. Die weiteren fünf mitgeteilten Delikte stammen aus den Jahren 2006 und früher. Das Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften an Personen unter 18 Jahren gemäß § 184 StGB mit Tatdatum vom 22.11.2006 ist nach § 154 StPO eingestellt worden. Die versuchte Nötigung gemäß § 240 StGB vom Tattag 12.01.2006 ist mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten geahndet worden; den Tathergang, insbesondere ob es sich um eine Tat mit Bezug zu Sexualstraftaten handelt, hat der Antragsgegner nicht benannt. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176a StGB im Versuch mit Tatdatum vom 07.06.2005 ist lediglich mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 30.-- EUR geahndet worden. Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB mit Tatdatum vom 31.07.2003 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, geführt hat, stammt vom 09.05.1985, liegt also bereits mehr als 27 Jahre zurück. Aus den weiteren vom Antragsgegner angeführten Umständen, dass ... ... nach polizeilichen Erkenntnissen bislang mit zwölf Alias-Namen in Erscheinung getreten ist, dem Antragsteller eine Generalvollmacht per E-Mail übersandt hat und dass nach den Kontakten des Antragstellers zu ... ... eine deutliche Verschlechterung der Kommunikation/Kommunikationsbereitschaft des Antragstellers festzustellen ist, besagen nichts über eine konkret feststellbare Rückfallgefahr beim Antragsteller.
10 
Das Gleiche gilt für die vom Antragsgegner angeführte Kontaktaufnahme des Antragstellers am ... zu einem zehnjährigen Jungen, als der Antragsteller außerhalb des Wohnhauses auf einer Bierbank weilte und seinen Hund dabei hatte. Nach den Mitteilungen des Antragsgegners sprach der Antragsteller mit dem Jungen über seinen Hund, das Gespräch war von kurzer Dauer und bislang einmalig. Konkrete Umstände, die eine Rückfallgefahr belegten, werden damit nicht benannt. Auch der Umstand, dass es danach seitens des Antragstellers zu verbalen Attacken gegenüber dem feststellenden Polizeibeamten gekommen ist, dass er zu diesem Polizeibeamten sagte, dass er "bereit wäre für zehn Monate ins Gefängnis zu gehen, wenn er jemand umnieten müsste, da ihm das Gefängnis nichts ausmacht" und dass er behauptet, die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen zu haben, belegen eine hinreichende Gefährlichkeit konkret nicht. Verbale Ausfälle gegenüber den observierenden Polizeibeamten können Folge der andauernden Observation sein. Die zitierte Äußerung ist offensichtlich gegen einen Polizeibeamten gerichtet gewesen und zeigt keinen Bezug zu der Art von Sexualstraftaten, wegen derer der Antragsteller verurteilt worden ist. Der Umstand, dass der Antragsteller leugnet, die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, begangen zu haben, ist aus Sicht des Senats nicht unproblematisch im Hinblick auf eine notwendige Auseinandersetzung des Antragstellers mit den begangenen Taten. Er ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, die konkrete Gefahr eines Rückfalls zu belegen.
11 
Die vom Antragsgegner angeführten starken Stimmungsschwankungen des Antragstellers, die sich in aufbrausend aggressiven bis zu depressiven Verhaltensweisen äußerten, Unmutsäußerungen gegenüber den überwachenden Polizeibeamten mit aggressiv-drohendem Ton und der Suizidversuch des Antragstellers vom 20.12.2012 sind ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine konkrete, die Observation rechtfertigende Gefahr begründen könnten. Stimmungsschwankungen und aggressive Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten können Folgen der dauernden Observation sein. Der Umstand des Suizidversuchs deckt sich mit den Feststellungen des Gutachters ... ... ..., der eine Rückfallgefahr beim Antragsteller unter anderem auch deswegen verneinte, weil nach seinen Feststellungen Aggressionen des Antragstellers sich gegen den Antragsteller selbst richten würden. Aus dem vom Antragsgegner ins Feld geführten Alkoholkonsum und dem Therapieverlauf des Antragstellers ergeben sich ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr des Antragstellers; woraus sich diese insoweit ergeben sollen, legt der Antragsgegner bereits nicht dar.
12 
Bei dieser Sachlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das letzte Gutachten aus der Zeit der Sicherungsverwahrung eine Rückfallgefahr verneint, das vorangegangene, eine Rückfallgefahr bejahende Gutachten mehr als zwei Jahre zurückliegt und ausreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr aus der Zeit nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlen, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Rückfallgefährdung beim Antragsteller durch den Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Die von dem Antragsgegner angeordnete Observation des Antragstellers setzt im Zeitpunkt ihrer Anordnung eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen voraus. Eine solche kann derzeit mit hinreichender Sicherheit nicht festgestellt werden, insbesondere ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung keine greifbaren Tatsachen für eine solche Gefahr.
13 
Ergänzend bemerkt der Senat - der bereits im Beschluss vom 08.11.2011 darauf hingewiesen hat, dass die vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen für eine Observation ehemals Sicherungsverwahrter voraussichtlich nur für eine Übergangszeit noch Anwendung finden können -, dass einiges dafür spricht, dass eine Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung ehemals Sicherungsverwahrter durch die Polizei auf der Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg ggfs. nach einer Übergangszeit voraussichtlich einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 68/09
vom
17. Februar 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 6; BGB § 1666; FGG §§ 12, 33; FamFG §§ 26, 29, 33

a) In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen
Grundlage nicht gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch
/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem
Sachverständigen zu erscheinen (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2009,
944 f.; 2004, 523 f.).

b) Verweigert in Verfahren nach § 1666 BGB ein Elternteil die Mitwirkung an der
Begutachtung, kann dieses Verhalten nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung
gewürdigt werden.

c) In Betracht kommt allerdings, den die Begutachtung verweigernden Elternteil
in Anwesenheit eines Sachverständigen gerichtlich anzuhören und zu diesem
Zweck das persönliche Erscheinen des Elternteils anzuordnen und gegebenenfalls
gemäß § 33 FGG durchzusetzen (vgl. auch § 33 FamFG).
BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 - OLG München in Augsburg
AG Augsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter
Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
1. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Entpflichtung ihres Verfahrensbevollmächtigten und Beiordnung eines neuen Verfahrensvollmächtigten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. 2. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 26. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei. 3. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des am 11. Dezember 2000 nichtehelich geborenen Kindes. Sie lebte zunächst mit dem Kind im Haus ihrer Eltern. Nachdem es innerhalb der Familie zu Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sich die Mutter Anfang 2007 an das beteiligte Jugendamt (im Folgenden : Jugendamt) mit der Bitte um ein Beratungsgespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurde für die Mutter eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 wechselte die Mutter gemeinsam mit ihrem Kind mehrfach ihren Aufenthaltsort , wobei sie sich abwechselnd in A. und M. aufhielt. Das Kind besuchte in dieser Zeit die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort. Ab dem 19. Dezember 2007 blieb das Kind dem Schulunterricht unentschuldigt fern. Jedenfalls in der Zeit vom 27. Dezember 2007 bis zum 3. Januar 2008 hielt sich die Mutter mit dem Kind in Österreich auf. In der Folgezeit reiste sie mit dem Kind nach Bolivien.
2
Auf eine Anregung des Jugendamts vom 20. Dezember 2007 hat das Familiengericht der Mutter mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht , das Recht zur Heilfürsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII vorläufig entzogen. Zur Begründung hat es insbesondere auf Wahnvorstellungen verwiesen, unter denen die Mutter leide. Sie habe ihren Umzug gegenüber der Familienhelferin damit begründet, dass sie im Jahre 2008 einen atomaren Vernichtungsschlag befürchte und im Falle eines solchen Angriffs mit ihrem Kind in einem Salzbergwerk vor der Strahlung Zuflucht finden wolle. Diesen Beschluss hat das Familiengericht am 10. Januar 2008 um einen Herausgabebeschluss und am 11. Januar 2008 um einen Durchsuchungsbeschluss erweitert. Mit Beschluss vom 1. April 2008 hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung "in der Hauptsache bestätigt“. Zur Begründung hat es auf die vorangegangenen Beschlüsse verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Vorgehensweise der Mutter, das Kind von einem Tag auf den anderen aus der Schule zu nehmen und seinem bisherigen Umfeld zu entreißen, entspreche nicht dem Kindeswohl.
3
Aufgrund des Beschlusses vom 1. April 2008 hat das Jugendamt das Kind am 12. April 2008 nach der Rückkehr aus Bolivien in Obhut genommen. Nachdem es zunächst in einer Pflegefamilie gelebt hatte, befindet sich das Kind gegenwärtig in einer Kinder- und Wohngemeinschaft.
4
Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat sich die Mutter geweigert, an einer sachverständigen Begutachtung mitzuwirken. Außerdem haben beide Großeltern des Kindes von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
5
Auf die Beschwerde der Mutter hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. April 2008 aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht angeordnet. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt das Jugendamt die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Mutter wendet sich mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts.

B.

6
Die Rechtsbeschwerde des Jugendamts ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

7
Das Beschwerdegericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht. Dies begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
8
Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung = EuEheVO, vgl. EuGH FamRZ 2008, 125, 126). Nach Art. 8 EuEheVO sind - vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 EuEheVO - für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden, sind vorbehaltlich Art. 12 EuEheVO gemäß Art. 13 Abs. 1 EuEheVO die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig , in dem sich das Kind befindet. Danach war die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts gegeben.
9
Hierbei kann offen bleiben, ob, wie die Mutter geltend macht, am 20. Dezember 2007 noch vor Eingang der Anregung des Jugendamts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Österreich begründet war oder sich das Kind zumindest - nach Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland - dort befand. Denn das Kind hält sich seit Mitte April 2008 wieder in Deutschland auf und ist dort familiär und sozial integriert (vgl. insoweit EuGH FamRZ 2009, 843, 845; Senatsbeschluss vom 18. Juni 1997 - XII ZB 156/95 - FamRZ 1997, 1070). Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts war daher ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben. Auch ein erst während des Verfahrens begründeter gewöhnlicher Aufenthalt führt indes zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO, wenn nicht zuvor ein ausländisches Gericht in derselben Rechtssache angerufen wurde. Dass Art. 8 Abs. 1 EuEheVO auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, hat lediglich die Bedeutung, dass ein einmal angerufenes Gericht international zuständig bleibt, auch wenn das Kind während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall eines erst im Verlaufe des Verfahrens erworbenen gewöhnlichen Aufenthalts im Staat des angerufenen Gerichts verbleibt es hingegen bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach die Zuständigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen. Eine andere Sichtweise hätte die der Prozessökonomie widersprechende Folge, dass sich das Gericht zunächst gemäß Art. 17 EuEheVO für unzuständig erklären müsste , aber im Anschluss angesichts des nunmehr bestehenden inländischen Aufenthalts sogleich ein neues Verfahren einleiten könnte (Geimer/Schütze/Dilger Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 8 EheVO Rdn. 7 und vor Art. 3 EheVO Rdn. 66; HK-ZPO/Dörner 3. Aufl. Art. 8 EheGVVO Rdn. 7; Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Bd. 1 Art. 8 Brüssel IIa-VO Rdn. 5; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1411).

II.

10
In der Sache hat das Oberlandesgericht Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Gefährdung des Kindeswohls , die einen Eingriff in die elterliche Sorge der Mutter notwendig mache, sei derzeit nicht mit Sicherheit festzustellen, obwohl der Senat nachhaltig versucht habe, den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt aufzuklären und die der Antragstellung des Jugendamtes und der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen zu verifizieren.
11
Zwar habe die Zeugin G. von einem Gespräch berichtet, in welchem die Mutter die Wirtschaftskrise in den USA angesprochen und diese als Indiz dafür gewertet habe, dass ein atomarer Vernichtungsschlag drohe. Laut der Zeugin sei die Mutter nach M. gereist, weil dort die Möglichkeit bestünde, sich in einen Salzstollen zu flüchten. Auch habe die Zeugin - ebenso wie die Vertreterin des Jugendamts, die Pflegerin und die Verfahrenspflegerin - Bedenken hinsichtlich der psychischen Verfassung der Mutter angemeldet.
12
Das daraufhin in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten habe indes keinen ausreichenden Aufschluss gegeben. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit bei der Mutter vorlägen, eine spezifische diagnostische Einordnung ohne persönliche Untersuchung der Mutter aber nicht möglich sei und eine Beurteilung der Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht erfolgen könne. Die Mutter habe jedoch eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen verweigert, eine zwangsweise Durchsetzung von Terminen beim Sachverständigen komme nicht in Betracht.
13
Auch das gegenüber dem Amtsgericht erstattete psychologische Gutachten , das zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden sei, ermögliche keine ausreichenden Feststellungen. Dieses komme zwar zu dem Ergebnis, dass eine Bewertung der rudimentären Daten auf eine erhebliche Einschränkung der Erziehungsfähigkeit der Mutter hindeuteten. Der Sachverständige habe jedoch seiner Begutachtung teilweise unzutreffende Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. Ob und inwieweit das Gutachten daher ergänzungsbedürftig bzw. verwertbar sei und ob und inwieweit die Begutachtung des Kindes ohne Einverständnis der Mutter zulässig gewesen sei, sei aber nicht verfahrensrelevant. Entscheidend sei, dass auch nach dem psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage nicht ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens möglich sei. Letzteres sei jedoch nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen vorliegend ohne persönliche Untersuchung der Mutter nicht denkbar.
14
Weiter hätten die Großeltern des Kindes von ihrem Aussageverweigerungs - bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass auch insoweit eine weitere Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts nicht möglich sei.
15
Im Ergebnis lägen zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit der Mutter vor. Art und Umfang der Auffälligkeiten und die Auswirkungen auf die Erziehungsfähigkeit könnten jedoch auch nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht weiter aufgeklärt werden. Nachdem im Rahmen des § 1666 BGB eine objektive Feststellungslast zu Ungunsten der Mutter nicht bestehe, müsse eine Maßnahme nach § 1666 BGB unterbleiben, wenn der gesetzliche Tatbestand dieser Norm nicht festgestellt werden könne.
16
Nachdem die Mutter durch ihren permanenten Ortswechsel unter ständiger Herausnahme des Kindes aus dem bisherigen Umfeld zum Verfahren Ver- anlassung gegeben habe, sei es billig, wenn sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage.

III.

17
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
18
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
19
2. Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige , in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - FamRZ 2005, 344, 345 m.w.N.).
20
Die Frage, ob im Falle der Rückkehr des Kindes zu seiner Mutter eine derartige Gefahr gegeben ist, hat das Beschwerdegericht zu Unrecht als nicht weiter aufklärbar angesehen. Ihm war es deswegen verwehrt, ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts die in Rede stehenden Maßnahmen nach § 1666 BGB zu unterlassen.
21
3. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Oberlandesgericht davon abgesehen hat, eine Untersuchung der Mutter durch den psychiatrischen Gutachter zu erzwingen. Eine derartige sachverständige Exploration berührt den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), welches grundsätzlich vor einer Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter schützt. Dieses Recht ist zwar nicht absolut geschützt, vielmehr sind Eingriffe grundsätzlich zulässig, sofern nur der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Allerdings erfordern Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine klare und unmissverständliche gesetzliche Grundlage. In Ermangelung einer derartigen Ermächtigungsgrundlage kann - von hier nicht einschlägigen Sonderbestimmungen abgesehen - niemand gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.
22
Als gesetzliche Grundlage können weder § 1666 BGB noch die §§ 12, 15 Abs. 1 FGG oder § 33 FGG herangezogen werden. § 33 FGG setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung bzw. Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat. Aus § 33 FGG selbst kann diese nicht hergeleitet werden (BVerfG FamRZ 2009, 944 f.; 2004, 523 f. m.w.N.; BGH Urteil vom 24. April 1952 - IV ZR 156/51 - LM § 32 EheG Nr. 3; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132 ff.; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 89).
23
4. Ebenso zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass im vorliegenden Verfahren keine materielle Feststellungslast zu Lasten der Mutter besteht. Vielmehr müssen, wenn in einem Verfahren nach § 1666 BGB die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht festgestellt wer- den können, entsprechende Maßnahmen unterbleiben (BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 214).
24
An dieser Feststellungslast des Staates vermag der Umstand, dass die Mutter die Begutachtung verweigert hat, nichts zu ändern. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war dieser Umstand auch nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2006, 282; OLG Koblenz FamRZ 2000, 1233; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1479, 1480).
25
Die Grundsätze der Beweisvereitelung können zwar auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar sein, ohne dass dem der Amtsermittlungsgrundsatz entgegenstünde (Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08 - FamRZ 2009, 1130, 1132 zum Versorgungsausgleich; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1095, 1096; OLGZ 1967, 74, 79 jeweils zum Erbscheinverfahren ; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 216; zum neuen Prozessrecht vgl. Prütting/Helms/Prütting FamFG § 27 Rdn. 10). Danach kann es Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweis- bzw. Feststellungslast zur Folge haben, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht (BGH Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 64/07 - NJW 2009, 360, 361 f. m.w.N.). Dabei vermag aber nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten den Vorwurf der Beweisvereitelung zu tragen, also ein Verhalten, das wider Treu und Glauben erfolgt und nach dem allgemeinen Rechtsempfinden als verwerflich erscheint (BGH Beschluss vom 26. September 1996 - III ZR 56/96 - NJW-RR 1996, 1534; Senatsurteil vom 27. Januar 1988 - IVb ZR 82/86 - FamRZ 1988, 482, 485).
26
Im vorliegenden Verfahren können diese Grundsätze indes nicht herangezogen werden. Darin, dass die Mutter die Mitwirkung an einer Begutachtung verweigert hat, kann kein missbilligenswertes Verhalten gesehen werden. Wie vorstehend ausgeführt wurde, berührt eine sachverständige Exploration das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen, weshalb sich die Weigerung der Mutter letztlich als Ausübung ihrer Grundrechte darstellt. Würde ihre Weigerung als missbilligenswertes Verhalten gewertet, welches beweisrechtliche Nachteile nach sich zöge, läge in dieser Würdigung zugleich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter (Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; vgl. auch BVerfGE 89, 69, 84).
27
5. Das Oberlandesgericht hat jedoch noch nicht alle gebotenen Ermittlungsansätze ausgeschöpft und damit seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG; jetzt § 26 FamFG) verletzt.
28
Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen. Zwar braucht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgegangen zu werden. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH Beschlüsse vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266 und BGHZ 40, 54, 57; Rahm/Künkel/Schneider Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Rdn. III B 58; Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 26 Rdn. 16 f.).
29
Besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung gelten in kindschaftsrechtlichen Familiensachen und insbesondere in Verfahren betref- fend die Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB. Denn die verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400; FamRZ 2002, 1021, 1023). Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet ist (Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61; Leibholz/Rinck Grundgesetz Art. 6 Rdn. 637 ff.). Die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400).
30
Sind demnach in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert, so kann insbesondere die Weigerung eines Beteiligten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht ohne Konsequenzen für das Verfahren bleiben (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1166, 1168). Vielmehr ist das Tatgericht hier in besonderer Weise gehalten, die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und auf diese Weise nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sich die Grundsätze der Feststellungslast zu Lasten des Kindes auswirken (vgl. Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61).
31
Diesen gesteigerten Anforderungen an die Amtsermittlung ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden.
32
a) Das Beschwerdegericht hat es versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen - und auch eines psychologischen - Sachverständigen gerichtlich anzuhören und hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzuordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vorgehen wäre vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig. Der Senat schließt sich insofern der ganz herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre an (KG OLGZ 1988, 418, 421 ff.; BayObLG BayObLGZ 1972, 201, 204; 1970, 114, 116; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242 f.; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Böhm DAVorm 1985, 731, 733, 736; Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 33 Rdn. 7; Keidel/ Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rdn. 49; Säcker FamRZ 1971, 81, 83; Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; a.A. noch Jansen FGG 2. Aufl. § 12 Rdn. 68). Zwar ist auch mit einer Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht zum Zwecke der Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Betroffenen - insbesondere in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht - verbunden. Allerdings ist dieser Eingriff vorliegend gerechtfertigt, insbesondere ist hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden.
33
aa) Während der Betroffene mangels gesetzlicher Grundlage nicht gezwungen werden kann, vor einem Sachverständigen zum Zwecke der Exploration zu erscheinen (vgl. die Ausführungen unter III 3), steht dem Gericht eine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung, wenn es das persönliche Erscheinen des Betroffenen zum Zwecke der gerichtlichen Anhörung erzwingen will (so die ganz herrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Lehre, vgl. OLG Zweibrücken MDR 2008, 570; OLG Bremen FamRZ 1989, 306; KG OLGZ 1988, 418, 422; BayObLG BayObLGZ 1970, 114, 117 f.; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242; Bumiller/Winkler aaO § 33 Rdn. 7; Keidel/Kuntze/ Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 191, Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt aaO § 50a Rdn. 16; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 71; a.A. Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 95). Für seit dem 1. September 2009 eingeleitete Verfahren regelt § 33 FamFG ausdrücklich die Anordnung und Durchsetzung des persönlichen Erscheinens. Aber auch das bis zum 31. August 2009 gültige Verfahrensrecht enthält insoweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werdende Grundlage. Die zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Vorschrift des § 50e FGG sieht insbesondere in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls eine Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten vor. Wird einem Beteiligten durch gerichtliche Verfügung aufgegeben, persönlich zu erscheinen, kann sich diese gerichtliche Verfügung daher auf eine gesetzliche Grundlage stützen, weshalb sie ihrerseits mit den Mitteln des § 33 FGG zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. zu dieser Voraussetzung des § 33 FGG BVerfG FamRZ 2004, 523).
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bb) Darüber hinaus ist ebenfalls eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben, welcher darin liegt, dass das Gericht die Anhörung zwar in Anwesenheit eines Sachverständigen, allerdings ohne Befragung durch den Sachverständigen durchführt und dass es mit Hilfe des Sachverständigen aus den Äußerungen und dem Verhalten des Betroffenen Rückschlüsse auf dessen Erziehungseignung zieht. Eine derartige gesetzliche Grundlage ist in § 50e FGG i.V. mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu sehen (§ 286 ZPO), der über § 15 FGG auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet (Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 15 Rdn. 20; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 und § 15 Rdn. 63; vgl. jetzt § 37 FamFG). Danach gehört es im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu den Aufgaben des Tatrichters, den gesamten Verfahrensstoff zu würdigen, wozu nicht nur die Ergebnisse der Beweisaufnahme , sondern insbesondere auch die Erklärungen und Stellungnah- men der Verfahrensbeteiligten sowie der von ihnen hinterlassene persönliche Eindruck gehören (Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 m.w.N.; vgl. auch Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Aufl. § 37 Rdn. 9). Der Richter ist folglich unter anderem befugt, aus den Äußerungen und dem Verhalten eines Beteiligten im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung - ebenso wie aus sonstigen unstreitigen oder festgestellten Umständen - Schlüsse zu ziehen, welche seine Erziehungseignung betreffen. Fehlt indes dem Richter die notwendige Sachkunde, um diese Schlüsse selbst zu ziehen, umfasst der Grundsatz der freien Würdigung auch die Befugnis, sich insoweit der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Dieser ist lediglich Gehilfe des Richters, der ihm die notwendige Sachkunde vermittelt. Der mit der Würdigung einhergehende Eingriff in die Rechte des Beteiligten wird durch die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht intensiviert. Ein mit einer Exploration vergleichbarer Eingriff ist damit nicht verbunden.
35
cc) Schließlich verstößt der Eingriff in die Rechte der Mutter, welcher in der Anordnung und Erzwingung des persönlichen Erscheinens und in ihrer Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen zu sehen ist, auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass ein Beteiligter im Rahmen der gerichtlichen Anhörung nicht zur Äußerung gezwungen werden kann (OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 243; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Säcker FamRZ 1971, 81, 83), weshalb der Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht weniger schwer wiegt. In diesem Umfang tritt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Elternteils jedenfalls dann hinter dem mit Verfassungsrang ausgestalteten staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zurück, wenn dieser in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls die Mitwirkung an der Begutachtung verweigert, ohne Einbeziehung dieses Elternteils aber - wie das Oberlandesgericht meint - keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1666 BGB gewonnen werden kann. Denn in solchen Fällen stellt die gerichtliche Anhörung des Elternteils in Anwesenheit des Sachverständigen eine wichtige Möglichkeit für das Gericht dar, der aus § 12 FGG folgenden Aufklärungspflicht nachzukommen und dem Wächteramt des Staates auch verfahrensrechtlich gerecht zu werden.
36
Der Eingriff ist auch nicht mangels Eignung unverhältnismäßig. Zwar hat der psychiatrische Sachverständige ausgeführt, eine diagnostische Einordnung etwaiger psychopathologischer Auffälligkeiten setze eine psychiatrische Untersuchung voraus, ohne eine solche könne die Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht beurteilt werden. Jedoch hat der Sachverständige sein Gutachten bislang nur auf der Grundlage von der Mutter verfasster Schriftstücke erstattet. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sachverständige nach einer gerichtlichen Anhörung der Mutter in seiner Anwesenheit und unter Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes zu einer ausreichenden Grundlage für die Begutachtung gelangt oder zumindest dem Gericht die Sachkunde vermitteln kann, die es benötigt, um selbst unter Würdigung der gesamten unstreitigen und festgestellten Umstände und unter Einbeziehung auch eines familienpsychologischen Gutachtens (vgl. dazu unten c) zu einem ausreichenden Grad an Überzeugung zu gelangen. Gerade weil in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert sind, ist es dem Tatgericht verwehrt, sich mit einer entsprechenden sachverständigen Äußerung zufrieden zu geben, ohne sie zu hinterfragen und ohne noch vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
37
b) Ergänzend zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen war das Beschwerdegericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht gehalten , den Sachverständigen zu einer Begutachtung auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffes zu veranlassen. Hiervon konnte nicht deshalb abgesehen werden, weil insoweit sachdienliche Erkenntnisse nicht zu erwarten wa- ren (zu dieser Einschränkung der Amtsermittlung BGH Beschluss vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266). Vielmehr sind - neben den seitens des psychiatrischen Sachverständigen bislang berücksichtigten Umständen - noch weitere Anknüpfungstatsachen vorhanden, denen nicht von vornherein die Eignung abgesprochen werden kann, Rückschlüsse auf die Erziehungsfähigkeit der Mutter zuzulassen.
38
Zu nennen ist insoweit insbesondere das Verhalten der Mutter anlässlich der begleiteten Umgangstermine. Unter anderem hat die Mutter, wie sie selbst einräumt, ihrem damals 7-jährigen Kind aus Gesetzen und juristischen Kommentaren vorgelesen, um ihm aufzuzeigen, dass ihm Unrecht geschehe. Dieses Verhalten hätte Anlass geben müssen, mit sachverständiger Hilfe zu klären, ob die Mutter in der Lage ist, die altersgemäßen Bedürfnisse ihres Kindes einzuschätzen und danach zu handeln, wobei auf der anderen Seite auch zu problematisieren gewesen wäre, ob dieses in einer existenziellen Krisensituation zu beobachtende Verhalten auch Rückschlüsse auf die Erziehungseignung der Mutter unter "normalen" Verhältnissen - also insbesondere nach Rückführung ihrer Tochter - zulässt. Dasselbe gilt für die Verweigerung begleiteten Umgangs durch die Mutter mit der Folge, dass ein Kontakt zwischen Mutter und Kind über längere Zeit hinweg nicht zustande gekommen ist. Auch die Verweigerungshaltung , die die Mutter im Verfahren eingenommen hat, kann hier berücksichtigt werden. Insbesondere könnte diese Haltung die Schlussfolgerung nahe legen, dass die Mutter ihre eigenen Bedürfnisse über das Wohl des Kindes stellt.
39
Als weitere Anknüpfungstatsachen wären etwaige Wahnvorstellungen der Mutter in Betracht zu ziehen gewesen, die möglicherweise Beweggrund für die anfänglichen Aufenthaltswechsel waren. Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Vielmehr ergeben sich nach Aktenlage insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass der Wohnungsgeber in M. (Herr K.) Angaben werde machen können. Außerdem wäre noch zu klären gewesen, ob der Interneteintrag vom 8. März 2008 von der Mutter herrührt, in welchem die Einwohner Siebenbürgens vor einem möglichen Krieg in Deutschland gewarnt und aufgefordert werden , sich Dosen und Trinkwasser zu kaufen. Das Beschwerdegericht war hier gehalten, nach Vornahme ergänzender Ermittlungen dem Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO mitzuteilen, welche Anknüpfungstatsachen er der Begutachtung zugrunde legen solle.
40
Entsprechendes gilt für den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen des Kindes vor seiner Inobhutnahme, die beispielsweise - wie die Mutter angeregt hat - durch Vernehmung der ehemaligen Kindergarten-Erzieherinnen des Kindes in Anwesenheit der Sachverständigen ermittelt werden können. Auch Aussagen über den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen unmittelbar nach der Inobhutnahme hätten insoweit einbezogen werden müssen, wenn auch zusätzlich zu klären gewesen wäre, ob und inwieweit sich die Verhaltensweisen lediglich als Reaktion auf die Inobhutnahme darstellen.
41
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht die im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahme unterlassen, ein neues familienpsychologisches Gutachten einzuholen.
42
Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste Stellungnahme des psychologischen Sachverständigen, wonach das Kind aus psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte. Vor allem aber war das Gutachten deshalb nicht verwertbar, weil die psychologische Begutachtung des Kindes erfolgt war, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Mutter vorgelegen hätte (vgl. OLG Frankfurt FF 2000, 176; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Vogel FPR 2008, 617) und ohne dass von Seiten des Gerichts Maßnahmen ergriffen worden wären, die eine Begutachtung gegen den Willen der Mutter ermöglicht hätten. Insbesondere war zum Zeitpunkt der psychologischen Begutachtung des Kindes am 18. November 2008 der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juni 2008, mittels dem der Mutter vorläufig die gesamte elterliche Sorge entzogen worden war, bereits durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden.
43
Dass das seitens des Amtsgerichts eingeholte psychologische Gutachten nicht verwertbar war, hatte indes nicht zur Folge, dass die Ermittlungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts insofern ausgeschöpft waren. Vielmehr hätte das Beschwerdegericht seinerseits ein neues psychologisches Gutachten in Auftrag geben müssen, nachdem es selbst nicht über die nötige Sachkunde verfügte, um die Frage nach der Gefährdung des Kindeswohls aus psychologischer Sicht beurteilen zu können. Als Anknüpfungstatsachen wären hierbei unter anderem die vorstehend dargelegten Umstände (vgl. 5b) einzubeziehen gewesen , wobei das Beschwerdegericht wiederum gehalten gewesen wäre, den Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO anzuleiten. Auf diese Weise hätte insbesondere vermieden werden können, dass die Begutachtung erneut auf der Grundlage unzutreffender Anknüpfungstatsachen erfolgt. Einer erneuten Begutachtung stand auch nicht entgegen, dass laut dem bisher vorliegenden psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nicht möglich war. Wie bereits dargelegt wurde (vgl. 5a cc), war nicht ausgeschlossen , dass eine ergänzende psychiatrische Begutachtung noch ausreichende Erkenntnisse erbringen würde.
44
Einer erneuten psychologischen Begutachtung hätte die fehlende Zustimmung der Mutter zur Exploration des Kindes nicht entgegengestanden. Zunächst war nicht ausgeschlossen, dass ein psychologischer Sachverständiger auch ohne Exploration des Kindes eine ausreichende Grundlage hätte gewinnen können, um zur Frage der Kindeswohlgefährdung aus psychologischer Sicht Stellung nehmen zu können. Dies lag insbesondere deshalb nahe, weil das Beschwerdegericht vorliegend auch gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter befugt gewesen wäre, das Kind in Anwesenheit und unter Mitwirkung des Sachverständigen gerichtlich anzuhören (OLG Frankfurt FF 2000, 176, 177; OLG München FamRZ 1997, 45). Hiermit verbundene Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes und in das Elternrecht der Mutter wären dabei auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 15 FGG, 286 ZPO erfolgt. Insoweit können die zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen angestellten Erwägungen entsprechend herangezogen werden (vgl. oben 5a bb). Zudem wäre auch im Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt gewesen.
45
Falls ohne psychologische Untersuchung des Kindes keine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen wäre, hätte darüber hinaus die Möglichkeit bestanden, die Zustimmung der Mutter gemäß § 1666 Abs. 3 BGB zu ersetzen (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693 = FamRZ 2008, 2147 (LS); OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rdn. 224; Vogel FPR 2008, 617). Müsste das Gericht ohne psychologische Begutachtung des Kindes von Maßnahmen nach § 1666 BGB absehen, obwohl es eine Kindeswohlgefährdung nicht ausschließen könnte, wird eine Begutachtung regelmäßig zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung erforderlich sein (zu dieser Voraussetzung des § 1666 Abs. 3 BGB vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; OLG Frankfurt FF 2000, 176).

IV.

46
Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses noch weitere Feststellungen treffen und insbesondere die aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen kann. Nachdem die Aufhebung des Beschlusses auch die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts betrifft, ist die Anschlussbeschwerde gegenstandslos.
47
Für das weitere Vorgehen weist der Senat auf Folgendes hin:
48
1. Sollte die gerichtliche Anhörung der Mutter in Anwesenheit der Sachverständigen keine weiteren Erkenntnisse bringen, wird das Beschwerdegericht dennoch nicht davon entbunden sein, die sonstigen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten noch auszuschöpfen. Im Anschluss daran wird das Oberlandesgericht unter Würdigung aller Umstände zu prüfen haben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegeben sind oder nicht. Lediglich wenn das Beschwerdegericht weiterhin keine hinreichende Überzeugung gewinnen kann, wird eine Entscheidung auf der Grundlage der Feststellungslast in Betracht kommen.
49
2. Sollte das Beschwerdegericht im weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die seitens des Amtsgerichts beschlossenen Maßnahmen gemäß § 1666 BGB im Ausgangspunkt nicht (mehr) gerechtfertigt sind bzw. dass insoweit keine hinreichenden Feststellungen getroffen werden können, wird außerdem - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - zu prüfen sein, ob anstelle der Trennung des Kindes von seiner Mutter Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität gerechtfertigt sind (vgl. § 1666a BGB).
50
Vor allem aber wird zu erwägen sein, ob eine nahtlose Rückführung des Kindes zur Mutter dessen Wohl gefährdet. Dies dürfte - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - insbesondere dann nahe liegen, wenn bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts weiterhin kein (regelmäßiger) Kontakt zwischen Mutter und Kind zustande gekommen sein sollte. Bejahendenfalls wird zu erwägen sein, auf welche Weise einer derartigen Gefährdung begegnet werden kann, ob etwa die Rückführung des Kindes zur Mutter durch zunehmende Umgangskontakte vorbereitet werden sollte.
51
3. Weiter wird im Falle eines Erfolgs der Beschwerde der Mutter von einer Kostenerstattung zugunsten der Mutter nicht mit einer Begründung abgesehen werden können, die - wie die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss - auf ein vorwerfbares Verhalten der Mutter abstellt. Sollte das Verhalten der Mutter vor Einleitung des Verfahrens bei objektiver Betrachtung in Kenntnis aller Umstände nicht geeignet gewesen sein, eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu rechtfertigen, oder kann dies nicht festgestellt werden, so kann der Mutter dieses Verhalten nicht vorgeworfen werden, um auf diese Weise die Kostenentscheidung zu begründen.

V.

52
Der Antrag der Mutter, die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten aufzuheben und einen neuen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, war zurückzuweisen.
53
Dabei kann offen bleiben, ob der Mandant - ebenso wie der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO - das Recht hat, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen (zum Streitstand vgl. Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl.
§ 121 Rdn. 24). Jedenfalls fehlt es hier an dem dafür erforderlichen wichtigen Grund.
54
Insbesondere vermag der Hinweis der Mutter, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe nicht alle von ihr aufgezeigten Gesichtspunkte vorgebracht, ihrem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn es entspricht der Aufgabe des beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts, den Streitstoff auf diejenigen Gesichtspunkte zu konzentrieren, die nach seiner besonderen Sachkunde für eine dem Mandanten günstige Entscheidung Bedeutung haben können (BGH Beschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 259/08 - juris Tz. 5). Ebenso wenig kann ein wichtiger Grund in dem Umstand gesehen werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter keine Sachstandsanfragen an den Bundesgerichtshof gerichtet hat.
Hahne Vézina Dose Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 01.04.2008 - 408 F 3674/07 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 26.03.2009 - 4 UF 161/08 -

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. August 2012 - 4 K 1261/12 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Antragsteller zu observieren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500.-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am ... geborene Antragsteller wurde mit Urteil des ... ... vom ... wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Zu Grunde lag die Tötung eines 13-jährigen aus Eifersucht nach homosexuellem Verkehr. Mit Urteil des ... ... vom ... wurde der Antragsteller zu 4 Jahren Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, da er einen 19-jährigen unter Würgen und Todesdrohungen zu Anal- und Oralverkehr gezwungen hatte. Das ... ... verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom ... wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten und ordnete dessen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB an. Zu Grunde lag unter anderem, dass der Antragsteller einen wegen frühkindlicher Hirnschädigung behinderten 20-jährigen zum Analverkehr gezwungen hatte. Das Strafende aus dieser Verurteilung war der ... Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller in Sicherungsverwahrung. Das OLG ... erklärte mit Beschluss vom 14.12.2011 - ... ... ... - die Sicherungsverwahrung für erledigt. Eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei nur zulässig, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sei und dieser an einer psychischen Störung im Sinne des ThUG leide. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Antragsteller leide an keiner relevanten psychischen Störung. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 14.10.2011 lasse sich eine spezifische bzw. kombinierte Persönlichkeitsstörung nicht objektivieren. Es bestehe zudem auch keine auf gegenwärtige und konkrete Umstände in der Person oder im Verhalten des Antragstellers gestützte, durch die psychische Erkrankung bedingte hohe Rückfallgefahr. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ... ... gehe von dem Antragsteller keine Gefahr von Gewalt- oder Sexualdelikten aus. Dieser mit den früheren Prognosebeurteilungen in Widerspruch stehenden Bewertung schließe sich das Gericht an.
Nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung wurde der Antragsteller aufgrund von Verfügungen der Polizeidirektion ..., die auf §§ 1, 3, 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 6 PolG gestützt waren, durch Polizeibeamte fortlaufend überwacht. Den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, ihn zu observieren, hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Observation auf § 20 Abs. 3 PolG oder auf §§ 1, 3 PolG gestützt werden könne. Denn die Maßnahme sei überwiegend wahrscheinlich nach beiden Alternativen rechtmäßig. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich den Risikobewertungen nach dem Sicherheitsprogramm "Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern" (KURS) vom 23.9.2010, vom 10.11.2011 und - zuletzt - vom 15.03.2012 einschließlich der vorliegenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten von ... ... ... vom 23.09.2010 und ... ... ... vom 14.10.2011 dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen angezeigt, im Ergebnis voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die letzte von der Gemeinsamen Zentralstelle beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (GZS) nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung vom 15.03.2012, an der drei Staatsanwälte, ein Psychologe und vier Polizeibeamte mitgewirkt hätten, sei nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem plausiblen Ergebnis gelangt, dass an der in der ersten Risikobewertung (KURS) vom 23.09.2010 vorgenommenen Einstufung des Antragstellers in die Gefahrenkategorie 1 (höchste Gefährdungsstufe) festzuhalten sei. Die Kammer halte die Bedenken der GZS an der Kriminalprognose von ... ... ... zumindest für sehr plausibel. Gefahrerhöhend wirke sich aus, dass sich der Antragsteller seit seiner Freilassung zunehmend unkooperativ gegenüber den ihn begleitenden Beamten gezeigt und Kontakte zu Personen geknüpft habe, die unter Aliasnamen aufträten und mit Sexualdelikten in Erscheinung getreten seien, während er ansonsten keine tragfähigen sozialen Kontakte habe. Außerdem konsumiere er inzwischen Alkohol, was bei seinen früheren Tatbegehungen taterleichternde und enthemmende Wirkung gehabt habe. Zudem weigere er sich entgegen der Weisung im Beschluss des Landgerichts ... vom 20.03.2012, sich bei der Forensischen Ambulanz ... vorzustellen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat in der Sache Erfolg. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat Veranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss mit sehr ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung und unter eingehender Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen sowie im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung des Senats eine Rückfallgefahr beim Antragsteller bejaht. Der Senat hat in einem anderen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über den Antrag eines ehemals sicherungsverwahrten Straftäters, das Land Baden-Württemberg vorläufig zu verpflichten, die Observation umgehend einzustellen, mit Beschluss vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass die längerfristige Observation von rückfallgefährdeten ehemals sicherungsverwahrten, entlassenen Straftätern noch eine Rechtsgrundlage im Polizeigesetz finde. Dabei bedürfe es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Entscheidung, ob die polizeiliche Maßnahme unmittelbar auf die - verfassungskonform auszulegende - Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gestützt werden könne oder ob mit Blick darauf, dass diese Regelung die Datenerhebung zum Ziel habe, diese Zielrichtung aber bei der Observation ehemaliger Sicherungsverwahrter nicht im Vordergrund stehe, vielmehr auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und Abs. 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden müsse. Das rechtskräftige Urteil des EGMR, dass der Antragsteller jenes Verfahrens unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei, stehe einer eigenständigen Gefahrenprognose für die Observation nicht entgegen. Diese stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Der Maßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. c EGMR sei jedoch ein strengerer als der der Gefahr in § 22 Abs. 3 bzw. § 1 PolG. Gerade wenn es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, hier der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, gehe, dürften die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden. Neben dem noch während der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten vom 05.03.2010 sei bei der Gefahrenprognose das bei dem Antragsteller seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beobachtete Verhalten zugrundezulegen. Bei der anstehenden Bewertungskonferenz sei auch zu eruieren, inwieweit Therapiefortschritte zu verzeichnen seien. Sollte danach eine konkrete Gefahr im dargelegten Sinn nicht mehr bejaht werden können, könnte die Fortdauer auch nicht auf der Grundlage des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG angeordnet werden. Eine längerfristige Observation des Antragstellers jenes Verfahrens in der praktizierten Weise könne voraussichtlich auch bei einem Fortbestehen der Gefahrenlage nicht auf Dauer hingenommen werden, weil die damit einhergehenden Einschränkungen seiner privaten Lebensgestaltung mit zunehmender Dauer in unverhältnismäßiger Weise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingriffen. Für eine gewisse Übergangszeit erweise sich die Maßnahme indes noch als verhältnismäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des Senats, den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und die Anordnungen zur Observation der Polizeidirektion ausgeführt, dass die dauernde Observation des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstelle. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichere jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne.Es begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die vorhandene Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 3 PolG oder §§ 1, 3 PolG) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach verstünden sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichten so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden.Die angegriffenen Entscheidungen genügten jedoch aus einem anderen Grund nicht den Voraussetzungen für die hier von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität im Bereich des grundrechtsrelevanten einstweiligen Rechtsschutzes. Die Gerichte dürften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte hätten ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 05.03.2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens hätten die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück gelegen habe.Zum anderen habe der Verwendung des Gutachtens vom 05.03.2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegengestanden, dass die Begutachtung erfolgt sei, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befunden habe. Der Gutachter habe allenfalls vermuten können, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebe der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen ließen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - juris).
Eine nach diesen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, ausreichende Gefahrenprognose für eine dauernde Observation des Antragstellers liegt nicht vor. Das letzte psychiatrische Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Antragsteller eine Rückfallgefahr besteht, ist jenes von ... ... ... vom 23.09.2010. Es liegt daher mehr als zwei Jahre zurück und kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Gefahrenprognose zur Begründung der streitgegenständlichen Observation des Antragstellers nicht herangezogen werden. Das letzte Gutachten über den Antragsteller aus der Zeit der Sicherungsverwahrung, erstattet von ... ... ... am 14.10.2011, kommt hingegen zu einer Verneinung der Rückfallgefahr beim Antragsteller. Ein nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung erstelltes psychiatrisches Gutachten liegt nicht vor. Die Risikobewertungen der GZS nach dem Sicherheitsprogramm KURS stellen insofern keine ausreichenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten dar, die die Observation tragen könnten. Auch wenn bei der GZS an den durchgeführten Risikobewertungen ein Psychologe mitgewirkt hat, handelt es sich bereits deswegen nicht um für die Anordnung der Observation ausreichende psychiatrische Gutachten, weil ihnen keine eigenständige Exploration des Antragstellers zu Grunde liegt.
Auch aus nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung eingetretenen Umständen ergibt sich keine hinreichende Gefahrenprognose für die Observation des Antragstellers. Die von dem Antragsgegner insoweit angeführten Umstände bleiben vage und stellen lediglich Mutmaßungen dar.
Die vier persönlichen Kontakte des Antragstellers zu ... ..., der unter Alias-Namen auftrete und wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten sei, in der Zeit nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung begründen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte. Von den von dem Antragsgegner insoweit als bedeutsam aufgeführten sieben Delikten stammen nur zwei aus der jüngeren Vergangenheit: Das Verfahren wegen Körperverletzung nach § 223 StGB wegen einer Tat vom 09.05.2010 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Für den Verdacht der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, 5 StGB vom 01.01.2012 liegt ein Verfahrensausgang nach Mitteilung des Antragsgegners noch nicht vor. Welcher Sachverhalt dem Strafverfahren zu Grunde liegt, ist bereits nicht benannt. Die weiteren fünf mitgeteilten Delikte stammen aus den Jahren 2006 und früher. Das Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften an Personen unter 18 Jahren gemäß § 184 StGB mit Tatdatum vom 22.11.2006 ist nach § 154 StPO eingestellt worden. Die versuchte Nötigung gemäß § 240 StGB vom Tattag 12.01.2006 ist mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten geahndet worden; den Tathergang, insbesondere ob es sich um eine Tat mit Bezug zu Sexualstraftaten handelt, hat der Antragsgegner nicht benannt. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176a StGB im Versuch mit Tatdatum vom 07.06.2005 ist lediglich mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 30.-- EUR geahndet worden. Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB mit Tatdatum vom 31.07.2003 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, geführt hat, stammt vom 09.05.1985, liegt also bereits mehr als 27 Jahre zurück. Aus den weiteren vom Antragsgegner angeführten Umständen, dass ... ... nach polizeilichen Erkenntnissen bislang mit zwölf Alias-Namen in Erscheinung getreten ist, dem Antragsteller eine Generalvollmacht per E-Mail übersandt hat und dass nach den Kontakten des Antragstellers zu ... ... eine deutliche Verschlechterung der Kommunikation/Kommunikationsbereitschaft des Antragstellers festzustellen ist, besagen nichts über eine konkret feststellbare Rückfallgefahr beim Antragsteller.
10 
Das Gleiche gilt für die vom Antragsgegner angeführte Kontaktaufnahme des Antragstellers am ... zu einem zehnjährigen Jungen, als der Antragsteller außerhalb des Wohnhauses auf einer Bierbank weilte und seinen Hund dabei hatte. Nach den Mitteilungen des Antragsgegners sprach der Antragsteller mit dem Jungen über seinen Hund, das Gespräch war von kurzer Dauer und bislang einmalig. Konkrete Umstände, die eine Rückfallgefahr belegten, werden damit nicht benannt. Auch der Umstand, dass es danach seitens des Antragstellers zu verbalen Attacken gegenüber dem feststellenden Polizeibeamten gekommen ist, dass er zu diesem Polizeibeamten sagte, dass er "bereit wäre für zehn Monate ins Gefängnis zu gehen, wenn er jemand umnieten müsste, da ihm das Gefängnis nichts ausmacht" und dass er behauptet, die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen zu haben, belegen eine hinreichende Gefährlichkeit konkret nicht. Verbale Ausfälle gegenüber den observierenden Polizeibeamten können Folge der andauernden Observation sein. Die zitierte Äußerung ist offensichtlich gegen einen Polizeibeamten gerichtet gewesen und zeigt keinen Bezug zu der Art von Sexualstraftaten, wegen derer der Antragsteller verurteilt worden ist. Der Umstand, dass der Antragsteller leugnet, die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, begangen zu haben, ist aus Sicht des Senats nicht unproblematisch im Hinblick auf eine notwendige Auseinandersetzung des Antragstellers mit den begangenen Taten. Er ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, die konkrete Gefahr eines Rückfalls zu belegen.
11 
Die vom Antragsgegner angeführten starken Stimmungsschwankungen des Antragstellers, die sich in aufbrausend aggressiven bis zu depressiven Verhaltensweisen äußerten, Unmutsäußerungen gegenüber den überwachenden Polizeibeamten mit aggressiv-drohendem Ton und der Suizidversuch des Antragstellers vom 20.12.2012 sind ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine konkrete, die Observation rechtfertigende Gefahr begründen könnten. Stimmungsschwankungen und aggressive Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten können Folgen der dauernden Observation sein. Der Umstand des Suizidversuchs deckt sich mit den Feststellungen des Gutachters ... ... ..., der eine Rückfallgefahr beim Antragsteller unter anderem auch deswegen verneinte, weil nach seinen Feststellungen Aggressionen des Antragstellers sich gegen den Antragsteller selbst richten würden. Aus dem vom Antragsgegner ins Feld geführten Alkoholkonsum und dem Therapieverlauf des Antragstellers ergeben sich ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr des Antragstellers; woraus sich diese insoweit ergeben sollen, legt der Antragsgegner bereits nicht dar.
12 
Bei dieser Sachlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das letzte Gutachten aus der Zeit der Sicherungsverwahrung eine Rückfallgefahr verneint, das vorangegangene, eine Rückfallgefahr bejahende Gutachten mehr als zwei Jahre zurückliegt und ausreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr aus der Zeit nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlen, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Rückfallgefährdung beim Antragsteller durch den Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Die von dem Antragsgegner angeordnete Observation des Antragstellers setzt im Zeitpunkt ihrer Anordnung eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen voraus. Eine solche kann derzeit mit hinreichender Sicherheit nicht festgestellt werden, insbesondere ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung keine greifbaren Tatsachen für eine solche Gefahr.
13 
Ergänzend bemerkt der Senat - der bereits im Beschluss vom 08.11.2011 darauf hingewiesen hat, dass die vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen für eine Observation ehemals Sicherungsverwahrter voraussichtlich nur für eine Übergangszeit noch Anwendung finden können -, dass einiges dafür spricht, dass eine Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung ehemals Sicherungsverwahrter durch die Polizei auf der Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg ggfs. nach einer Übergangszeit voraussichtlich einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, sowie auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ..., Stuttgart, bleibt ohne Erfolg. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Antrag überhaupt „bewilligungsreif“ ist, nachdem die vom Antragsteller ausgefüllte und unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse immerhin die Frage aufwirft, wovon er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet. Hierauf kommt es aber nicht an, denn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ist bereits deshalb abzulehnen, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG [Senat], Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413) - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 VwGO in Verbindung mit §§ 114, 121 Abs. 2 ZPO), was sich im Einzelnen den nachfolgenden Gründen entnehmen lässt.
II.
1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt, „die ständige 24-stündige Überwachung mit fünf Polizeibeamten einzustellen“, ist zulässig. Namentlich handelt es sich bei der Anordnung der Observation gemäß § 22 Abs. 6 PolG weder generell noch im vorliegenden Fall um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren wäre (vgl. hierzu näher: Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2009], § 22 RdNr. 71; Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 7. Aufl. [2011], RdNr. 442c). Dem - in seiner Reichweite unklaren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. [2009], § 123 RdNr. 22) - Erfordernis der vorherigen Antragstellung bei der Behörde hat der Antragsteller ebenfalls genügt.
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und der Grund, weshalb es des Erlasses der einstweiligen Anordnung bedarf (Anordnungsgrund), sind hierbei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
Ob ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht ist, bedarf keiner Entscheidung, denn dem Antragsteller steht kein Anordnungsanspruch zur Seite. Die Einstellung der längerfristigen Observation könnte der Antragsteller von Rechts wegen nur verlangen, wenn diese - auf § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gründende - Maßnahme aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts rechtswidrig und damit künftig zu unterlassen wäre. Dies ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht der Fall. Die längerfristige Observation des Antragstellers dürfte durch die nämliche Vorschrift gedeckt sein.
Der Polizeivollzugsdienst kann nach § 22 Abs. 3 PolG personenbezogene Daten durch eine längerfristige Observation zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen - zu diesen zählt der Antragsteller - erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG erklärt zu der hier in Rede stehenden längerfristigen Observation „jede voraussichtlich innerhalb einer Woche länger als 24 Stunden dauernde oder über den Zeitraum einer Woche hinaus stattfindende Observation“. Zu den durch § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Bezug genommenen Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechnen nach § 22 Abs. 5 PolG Verbrechen (Nr. 1) sowie Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen richten (Nr. 2 Buchstabe a). Die Anordnung steht gemäß § 22 Abs. 6 PolG unter einem so genannten Behördenleitervorbehalt und der Betroffene hat ein Unterrichtungsrecht nach Maßgabe des § 22 Abs. 8 PolG.
a) Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 02.09.2010 (4 K 1570/10) entschieden, dass § 22 PolG voraussichtlich in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und den Freiheitsrechten der Betroffenen in Einklang zu bringen ist (so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.03.2010 - 6 L 28/10 -, juris zur vergleichbaren Vorschrift des § 16 Abs. 1 PolG NW 2003; VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010 - 6 L 746/10 -, juris zu § 28 PolG des Saarlandes; vgl. zum Ganzen auch BVerfG [Senat], Urteil vom 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, BVerfGE 113, 348 = NJW 2005, 2603 zu § 33a NdsSOG; Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. [2007], F RdNrn. 336 ff.), sodass das Verdikt der Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage voraussichtlich nicht droht und es der Erörterung der Folgefrage, ob die längerfristige Observation auch auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könnte (so VG des Saarlandes, Beschluss vom 15.09.2010, a.a.O.), nicht bedarf. Hieran hält die Kammer nach erneuter Überprüfung aus Anlass des vorliegenden Falles fest.
b) Auch die Anwendung der voraussichtlich verfassungskonform interpretierbaren Vorschrift des § 22 PolG im konkreten Fall dürfte mit der genannten Ermächtigungsgrundlage im Einklang stehen.
aa) Es spricht zunächst alles dafür, dass eine längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG in Rede steht. Namentlich teilt die beschließende Kammer nicht die in der Literatur vereinzelt gebliebene Auffassung, wonach § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG nur die verdeckte Observation umfasse (so Ruder/Schmidt, a.a.O., RdNrn. 438 und 442c). Zum einen gibt der Wortlaut der Vorschrift für ein solch enges Verständnis der Norm nichts her. Zum anderen zeigen gerade die systematische Auslegung und der Normkontext mit § 22 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 PolG, dass dem Gesetzgeber die Frage durchaus bewusst gewesen ist, ob ein Datenerhebungsmittel ausschließlich verdeckt eingesetzt werden soll. Für die hier vertretene Auffassung spricht im Übrigen die Ausgestaltung der Unterrichtungspflicht (§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG) und der allgemeine, auch hier Anwendung findende Grundsatz der vorrangig „offenen Datenerhebung“ (§ 19 Abs. 2 PolG). Soweit ersichtlich geht auch die übrige Literatur davon aus, dass die längerfristige Observation im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG die offene Beobachtung mit einschließt (so Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl. [2009], § 22 Rn. 4; Belz/Mußmann, a.a.O., § 22 RdNr. 3; Rachor, a.a.O., RdNr. 325 Fn. 450; ebenso VG des Saarlandes, Beschluss vom 1509.2010, a.a.O., juris RdNr. 6).
bb) In formeller Hinsicht dürfte den Anforderungen des § 22 Abs. 6 PolG genügt sein. Die längerfristige Observation wurde am 03.12.2010 vom Leiter der Polizeidirektion Freiburg für die Dauer von weiteren acht Wochen angeordnet. Dem Behördenleitervorbehalt des § 22 Abs. 6 Satz 1 PolG ist damit Rechnung getragen. Soweit man in der Unterrichtungspflicht des § 22 Abs. 8 PolG zugleich eine formelle Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solcher sehen wollte, wäre dem bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Observation von Anfang an und mit dem Wissen der Betroffenen offen erfolgte und der Antragsteller jedenfalls mittlerweile auch über den Umfang der Observation Klarheit hat.
10 
cc) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht spricht Überwiegendes dafür, dass die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 3 PolG derzeit vorliegen. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich der Risikobewertung nach dem Sicherheitsprogramm „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“ (KURS) und der einschlägigen psychiatrischen Gutachten, dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen (§ 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 1 PolG) angezeigt, voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung gelangt nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem für die Kammer plausiblen und vom Antragsteller nicht hinreichend in Frage gestellten Ergebnis, ein Schadenseintritt für hochrangige Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Leben sowie die sexuelle Selbstbestimmung könne aufgrund der Vorgeschichte und der immer noch bestehenden Persönlichkeitsproblematik als hinreichend konkret angenommen werden (vgl. Ergebnis der Risikobewertung S. 17). Dass diese knapp vier Monate zurückliegende Risikobewertung zwischenzeitlich überholt und nicht mehr aussagekräftig sein könnte, vermag die beschließende Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen. Auch der Antragsteller hat hierzu - mit Ausnahme des Hinweises auf ein offenes Bein und letztlich pauschaler Beteuerungen - nichts vorgebracht, was die sorgfältig erstellte Risikobewertung bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Frage stellen könnte. Es ist bereits nicht hinreichend dargetan, welche Auswirkungen das offene Bein auf die Fortbewegungsfreiheit des Antragstellers hat. Im Übrigen ist angesichts der bisherigen Begehungsweise von Sexualstraftaten auch nicht ersichtlich, dass ein offenes Bein für den Antragsteller ein Hindernis für die Begehung weiterer einschlägiger Straftaten wäre. Im Gegenteil sprechen die wiederholte Tatbegehung, die hierbei zu Tage getretene Brutalität gegenüber minderjährigen Opfern, die rein triebgesteuerte Vorgehensweise im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol, das konsequente Ablehnen jeglicher Therapie und - vor allem - der fehlende soziale Empfangsraum nach den im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnissen eher für die Richtigkeit der Risikobewertung des Landeskriminalamts und damit für das Vorliegen einer vom Antragsteller ausgehenden konkreten Gefahr im Sinne des § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG.
11 
Allerdings dürfte der Antragsgegner bei der gebotenen verfassungsorientierten Auslegung des § 22 Abs. 3 PolG auch gehalten sein, seine Gefahrenprognose den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen. Namentlich bietet § 22 Abs. 3 PolG keine Handhabe zur Dauer-Überwachung von Menschen, von denen anzunehmen ist, dass das in der Vergangenheit prognostizierte Risiko zwischenzeitlich nicht mehr oder nur noch eingeschränkt besteht oder bei denen andere - mildere - Mittel in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr geeignet sein könnten. Ob der Antragsgegner mit Rücksicht auf diese rechtlichen Prämissen seine Risikobewertung nach oder vergleichbar dem Sicherheitsprogramm KURS in bestimmten Abständen wiederholen muss oder gehalten sein könnte, nach Ablauf einer gewissen Zeit eine erneute psychiatrische Begutachtung unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Führungsaufsicht, der Observation und des derzeitigen Gesundheitszustands des Antragstellers durchzuführen, bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung. Denn die Risikobewertung des Landeskriminalamts dürfte derzeit noch hinreichend belastbar sein und wurde vom Antragsteller auch nicht substantiiert angegriffen. Indes dürften sich entsprechende Fragen der aktualisierten Risikobewertung möglicherweise bereits bei der Frage der Verlängerung der derzeit auf acht Wochen befristeten längerfristigen Observation ebenso stellen wie die Frage der weiteren Perspektive des Antragstellers, der sich selbst eine Unterbringung im „...hof“ in Bayern vorstellen könnte, der aber möglicherweise auch zum Adressatenkreis des noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Therapieunterbringung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter rechnen könnte.
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dd) Die beschließende Kammer ist schließlich der Auffassung, dass die Anordnung der längerfristigen Observation derzeit voraussichtlich dem Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) genügt. Sie ist zur Gefahrenabwehr zweifellos geeignet und wohl auch erforderlich, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen dürften und vom Antragsteller auch nicht benannt werden. Die von ihm als gleich geeignet bezeichneten elektronischen Fußfesseln (electronic monitoring) sind - ungeachtet ihrer rechtlichen Unzulässigkeit - schon deshalb nicht gleichermaßen geeignet, weil sie die Begehung von Straftaten nicht zu verhindern vermögen. Die längerfristige Observation dürfte zum jetzigen Zeitpunkt auch noch angemessen sein. Allerdings ist dabei dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers auch im Hinblick auf dessen Bezug zum Schutz der Menschenwürde (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfassend und zwingend Rechnung zu tragen. Mit der Würde des Menschen ist es - nach einer weit verbreiteten, freilich etwas plakativen Formel - nicht vereinbar, einen Menschen zum bloßen Objekt der Staatsgewalt zu machen (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 15.12.1970 - 2 BvF 1/69 u.a. -, BVerfGE 30, 1 [25] = NJW 1971, 275). Im Hinblick auf ihre Anwendung treten die Grenzen der Objektformel jedoch deutlich zutage. Der Mensch ist nicht selten bloßes Objekt nicht nur der Verhältnisse und der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch des Rechts, dem er sich zu fügen hat. Die Menschenwürde wird insbesondere nicht schon dadurch verletzt, dass jemand zum Adressaten von Maßnahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr wird, wohl aber dann, wenn durch die Art der ergriffenen Maßnahme die Subjektqualität des Betroffenen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. -, BVerfGE 109, 279 = NJW 2004, 999). Solche Maßnahmen dürfen auch nicht im Interesse der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgenommen werden und dies auch in solchen Fällen nicht, in denen der hiervon Betroffene - wie hier - die Menschenwürde seiner Opfer bei der Begehung von Straftaten mit Vehemenz negiert hat. Vielmehr hat der Staat auch beim Umgang mit gefährlichen Menschen dem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private - „höchstpersönliche“ - Entfaltung Rechnung zu tragen (Kernbereich privater Lebensgestaltung). Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung setzt voraus, dass der Einzelne über einen dafür geeigneten Freiraum verfügt. Die vertrauliche Kommunikation benötigt ein räumliches Substrat jedenfalls dort, wo die Rechtsordnung um der höchstpersönlichen Lebensgestaltung willen einen besonderen Schutz einräumt und die Bürger auf diesen Schutz vertrauen. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann. Verfügt der Einzelne über einen solchen Raum, kann er für sich sein und sich nach selbst gesetzten Maßstäben frei entfalten. Die Wohnung ist als „letztes Refugium“ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde. Dies verlangt zwar nicht einen absoluten Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber absoluten Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. wiederum BVerfG [Senat], Urteil vom 03.03.2004, a.a.O.). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung umfasst ferner die Kommunikation mit anderen Personen des besonderen Vertrauens, deren Kreis sich nur teilweise mit den in §§ 52 und 53 StPO genannten Zeugnisverweigerungsberechtigten deckt (vgl. zum Ganzen: Trurnit, VBlBW 2010, 413 [414]). Dabei führt selbst ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs (vgl. zur verdeckten, technischen Überwachung: BVerfG [Senat], Urteil vom 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 -, BVerfGE 112, 304 = NJW 2005, 1338 - GPS). Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nämlich nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher, soweit hierbei - gleich ob offen oder verdeckt beobachtet wird - ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung gewahrt wird. Auf diesen - unverbrüchlichen - Kern des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist bei der längerfristigen Observation des Antragstellers jedenfalls (und zwingend) Rücksicht zu nehmen. Eine Totalüberwachung im Sinne einer zeitlichen und räumlichen Rundumüberwachung wäre hiermit nicht vereinbar (vgl. wiederum Trurnit, ebenda).
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Gemessen daran dürfte die vom Antragsgegner praktizierte längerfristige Observation dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung tragen. Der Antragsgegner hat den Ablauf der Observation mittels einer Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 im Einzelnen dargelegt. Danach findet eine Beobachtung in dem Wohnraum des Antragstellers weder offen noch verdeckt statt. Bei Gesprächen des Antragstellers mit Ärzten, Rechtsanwälten und Bediensteten von Behörden sind die Beamten angewiesen, Abstand zu halten. Damit ist dem Kernbereich privater Lebensgestaltung hinreichend Rechnung getragen. Es mag sein, dass dies - wie der Antragsteller in seiner Antragsschrift hinreichend glaubhaft gemacht und was der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt hat - bei dem Kontakt mit seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2010 nicht der Fall gewesen sein mag. In solchen Fällen der besonders zu schützenden Kommunikation, in denen die Gefahr für den als gefährdet angesehenen Personenkreis gering sein dürfte, sind die Beamten des Polizeivollzugsdienstes nach den oben genannten Grundsätzen von Rechts wegen gehalten, der gebotenen Vertraulichkeit des gesprochenen Worts Rechnung zu tragen und sich darauf zu beschränken, ein etwaiges Entweichen des Antragstellers zu verhindern. Die Effektivität der Gefahrenabwehr dürfte es grundsätzlich auch nicht erfordern, dass Nachfragen zum Titel einer erworbenen Compact-Disc bei der Verkäuferin erfolgen. Hingegen dürfte die Observation kaum der Grund dafür sein, dass der Antragsteller in seinem Wohnraum keinen Besuch empfangen darf. Dieser Umstand dürfte eher - worauf der Führungs- und Einsatzstab in seiner Stellungnahme vom 22.12.2010 zutreffend hingewiesen hat - der Hausordnung des ... geschuldet sein. Insgesamt dürfte dem Kernbereich privater Lebensgestaltung derzeit noch hinreichend Rechnung getragen sein, soweit er sich so, wie in der Stellungnahme des Führungs- und Einsatzstabs der Polizeidirektion Freiburg vom 22.12.2010 dargelegt, vollziehen sollte. Von einer entsprechenden Erlasslage und einem „erlassgerechten“ Vollzug geht die Kammer aus.
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Die längerfristige Observation dürfte derzeit auch im Übrigen noch angemessen sein. Hierbei verkennen die beschließende Kammer wie auch der Antragsgegner nicht, dass trotz des hinreichend gesicherten Kernbereichs ein schwerwiegender Grundrechtseingriff zulasten des Antragstellers in Rede steht. Er kann sich außerhalb seines Wohnraums nur in dem Bewusstsein fortbewegen, dass er von Polizeibeamten verfolgt wird. Hierdurch wird er in seiner privaten Lebensgestaltung in erheblicher Weise beeinträchtigt und - was auch im Hinblick auf seine Integration in die Gesellschaft schädlich ist - für die Außenwelt stigmatisiert. Insbesondere die Aufnahme und die Pflege sozialer Kontakte werden wesentlich erschwert, in vielen Fällen sogar nahezu unmöglich gemacht. Zwar lässt sich § 19 Abs. 2 PolG entnehmen, dass die offene Observation das mildere Mittel gegenüber der verdeckten Beobachtung ist. Jedoch sind damit für den Antragsteller auch die genannten Einschränkungen verbunden. Hinzu kommt, dass bei Fortbestehen der Gefahrenlage und in Ermangelung von Alternativen ein Ende der Observation zur Zeit nicht absehbar ist (vgl. hierzu Rachor, a.a.O., RdNr. 361) und das Polizeigesetz verfahrensmäßige Sicherungen - wie etwa eine regelmäßige von Amts wegen durchzuführende, ggf. gerichtliche Überprüfung des Fortbestands der Gefahr - nicht statuiert. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände dürfte die längerfristige Observation gleichwohl derzeit noch angemessen sein, da angesichts der plausiblen Risikobewertung des Landeskriminalamts und der vorliegenden Gutachten zur Zeit noch davon auszugehen sein dürfte, dass die Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit Dritter so schwer wiegen, dass die Freiheitsrechte des Antragstellers dahinter zurückstehen müssen. Hierbei ist für die beschließende Kammer auch von Bedeutung, dass die an Kindern und Jugendlichen begangenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in einer Häufigkeit und Brutalität begangen wurden, die das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung bei einer Einschränkung oder Aussetzung der Observation als besonders hoch erscheinen lässt. Dieser durch psychiatrische Gutachten hinreichend belegte Umstand, die Therapieresistenz des Antragstellers und der nicht vorhandene soziale Empfangsraum lassen eine ihm günstigere Entscheidung derzeit nicht zu.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist, so darf eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten angeordnet werden, die

1.
durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder
2.
an mehr als zwei Tagen stattfinden
soll (längerfristige Observation).
Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Gegen andere Personen ist die Maßnahme zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, dass die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters führen wird und dies auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.

(2) Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Die Maßnahme darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird. § 100e Absatz 1 Satz 4 und 5, Absatz 3 Satz 1 gilt entsprechend.

(4) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. September 2010 - 6 L 746/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.9.2010 - 6 L 746/10 -, durch den der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verurteilen, die seit dem 12.5.2010 andauernde Observation des Antragstellers zu beenden, zurückgewiesen wurde, ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im vorliegenden Beschwerdeverfahren begrenzt, rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Beurteilung.

Die begehrte einstweilige Anordnung i. S. d. § 123 VwGO setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus, die darzulegen und hinsichtlich ihrer tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann hier - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – mit Blick auf das Gewicht der vom Antragsteller geltend gemachten Grundrechtsposition und die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs (Observationsmaßnahmen des Antragsgegners) bejaht werden.

Indes kann nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen, wenn auch - im Hinblick auf die geltend gemachte Grundrechtsposition des Antragstellers und die im Raum stehende verfassungsrechtliche Problematik - im gebotenen Maße vertieften Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Antragsteller der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) auf vorläufiges Unterlassen der seit dem 12.5.2010 erfolgenden Observation mit der dafür notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zusteht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die von Seiten des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller angewendete polizeiliche Maßnahme der (dauernden) Observation bei Anlegung des hier möglichen und gebotenen Prüfungsmaßstabs jedenfalls nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist, dass vielmehr von einer offenen, erst im Hauptsacheverfahren abschließend zu klärenden Rechtslage auszugehen ist, und dass die Entscheidung im vorliegenden Verfahren – bei offenem Ausgang der Hauptsache - daher aufgrund einer Abwägung der Folgen einerseits des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung und andererseits ihres Nichterlasses jeweils für den Antragsteller, den Antragsgegner und potenziell betroffene andere Grundrechtsträger zu treffen ist. Diese Folgenabwägung musste hier zu Lasten des Antragstellers ausfallen.

Bei dieser Beurteilung geht der Senat davon aus, dass der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich und rechtlich wirksame Kontrolle staatlichen Handelns die Gerichte dazu verpflichtet, sich auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit entscheidungserheblicher Normen sowie mit den Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung derselben auseinanderzusetzen, wenn die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen oder einer erheblichen Verletzung von Grundrechten des Betroffenen führt

zum verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes: BVerfG, Beschluss vom 24.6.1992 – 1 BvR 1028/91 -, NJW 1992, 2749; BVerfG, Beschluss vom 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, zitiert nach Juris; BVerwG, Beschluss vom 11.3.2005 – 1 BvR 2298/04 -, zitiert nach Juris.

Ausgehend davon vermögen die Einwendungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht durchzudringen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder offensichtlich, dass es für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers – wie von ihm geltend gemacht – an einer (verfassungskonformen) Rechtsgrundlage fehlt, noch ist offensichtlich, dass die konkrete Anwendung der hier als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Normen (§ 28 sowie § 8 SPolG) rechtswidrig erfolgt wäre.

Der Antragsgegner hat als Rechtsgrundlage für die hier angeordnete unbefristete Observation die Bestimmung des § 28 Abs. 1 i. V m. Abs. 2 Nr. 1 SPolG herangezogen. Nach der genannten Vorschrift kann eine offene oder verdeckte Observation angeordnet werden, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen erforderlich ist, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll. Die Erforschung des Sachverhaltes muss ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf andere Weise aussichtslos sein und die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen.

Bei Zugrundelegung einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung dieser Vorschrift spricht hier alles dafür, das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung der Observation des Antragstellers zu bejahen.

Die bisherige Straffälligkeit des Antragstellers seit dem Jahre 1970 und die Erkenntnisse dreier zuletzt in den Jahren 2005 und 2007 erstellter Gutachten über die psychische Disposition des Antragstellers belegen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr der künftigen Begehung von Verbrechen durch den Antragsteller.

Im Alter von 20 Jahren wurde der Antragsteller am 11.12.1970 durch das Landgericht A-Stadt wegen Mordes an einem 16jährigen Mädchen und fortgesetzter Unzucht mit einem Kind zu 10 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Am 12.6.1979 wurde er auf drei Jahre Bewährungszeit aus der Haft entlassen. Etwa 7 Wochen danach beging der Antragsteller eine gefährliche Körperverletzung durch Würgen einer jüngeren Frau, weshalb er durch das Landgericht A-Stadt am 9.5.1980 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Eine erneute Haftentlassung erfolgte am 4.2.1983. Im Jahre 1986 wurde er in England wegen des Angriffs zum Nachteil einer Frau in Manchester verurteilt.

Durch Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 28.9.1989 wurde der Antragsteller wegen 1988 begangener Vollrauschdelikte – gefährliche Körperverletzung, versuchte Vergewaltigung und versuchter Totschlag durch Unterlassen zum Nachteil einer Frau – zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, gleichzeitig wurde die Unterbringung gemäß § 63 StGB in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Das Landgericht Trier ordnete unter dem 28.2.1991 wegen einer gefährlichen Körperverletzung - Würgen einer Prostituierten in Trier -, die er 1990 nach einer Flucht aus dem Maßregelvollzug in Merzig verübt hatte, ebenfalls die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an.

Durch Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 28.11.2005 wurden beide Unterbringungsanordnungen (§ 67 d Abs. 6 StGB) für erledigt erklärt. Grundlage hierfür war ein psychiatrisches Gutachten vom 25.7.2005 von Prof. Dr. K., in dem festgestellt wurde, dass der Antragsteller zwar weiter als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen sei, die Voraussetzungen für die Unterbringung im Maßregelvollzug aber zu verneinen seien. Zusammenfassend stellte der Gutachter fest: „Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass bei dem Untersuchten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vorliegt, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden, woran angesichts der von ihm begangenen Taten, die jeweils mit rascher Rückfälligkeit von ihm begangen wurden, kein Zweifel besteht. Insofern besteht bei Herrn A. die fortdauernde Notwendigkeit weiterer Sicherung.“

Nach Entlassung aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbüßte er bis zum 22.7.2007 die Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten in der JVA A-Stadt. Unter anderem auf Grundlage eines weiteren durch Prof. Dr. R. erstellten Gutachtens vom 6.3.2007 sowie eines Gutachtens der Dres. B. und G. vom 21.3.2007 wurde er im Anschluss daran einstweilig untergebracht (§ 275 a Abs. 5 StPO). Durch Entscheidungen des Landgerichts A-Stadt vom 4.4.2007 sowie vom 17.7.2009 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB angeordnet. Im Urteil vom 17.7.2009 (Seiten 17 ff.) wurde die Gefährlichkeit des Antragstellers und die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer und schwerster Gewaltdelikte sowie - wenn auch in etwas geringerem Maße - weiterer Sexualdelikte festgestellt.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Antragstellers führte der BGH mit Beschluss vom 11.2.2010 (4 StR 557/09) aus, das Landgericht habe nach vorläufiger Einschätzung des Senats die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 3 StGB zwar zu Recht als erfüllt angesehen, eine Entscheidung werde allerdings mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (EGMR) zurückgestellt. Nach Rechtskraft der Entscheidung des EGMR am 11.5.2010 entschied der BGH zwar am 12.5.2010, den Betroffenen unverzüglich aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, wies den Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung zurück und hob den Unterbringungsbefehl des Landgerichts A-Stadt vom 15.6.2007 auf. Auch in dieser Entscheidung stellte der BGH jedoch fest, dass die Vorinstanz die Tatbestandsvoraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht habe.

Diese im Verfahren auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gewonnenen Erkenntnisse durften auch der polizeilichen Gefahrenprognose im Rahmen der Gefahrenabwehr zu Grunde gelegt werden

so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.3.2010 – 6 L 28/10 -, zitiert nach Juris.

Sie sind auch – wie erstinstanzlich überzeugend dargelegt – geeignet, die prognostische Einschätzung der Gefahr einer Verbrechensbegehung durch den Antragsteller nachvollziehbar zu belegen. Beide Gutachten setzen sich ausführlich mit der Persönlichkeit und der Vorgeschichte des Antragstellers auseinander und beziehen eine Vielzahl von Vorgutachten ab dem Jahr 1970 mit ein, die einen durchgängigen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und dessen Verhaltensmustern wiedergeben, die seine Gefährlichkeit begründen. Die Gutachten stimmen des weiteren auch darin überein, dass bei dem Antragsteller – auch unter Berücksichtigung seines fortgeschrittenen Lebensalters – ein hohes Rückfallrisiko vorliegt, und zwar in Bezug auf Straftaten, die mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen der Opfer verbunden sein können. Dies betrifft schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die, wie etwa § 177 StGB, einen Verbrechenstatbestand erfüllen.

Dagegen vermag der auf eine mangelnde Aktualität der Gutachten gerichtete Einwand des Antragstellers nicht durchzugreifen. Abgesehen von dem Hinweis auf sein Alter von 61 Jahren und der angeblich relativ geringen Rückfallhäufigkeit entlassener Sicherungsverwahrter hat der Antragsteller nichts dargelegt, woraus auf eine zwischenzeitliche Änderung seiner Fähigkeit zu entsprechender Verhaltenssteuerung geschlossen werden könnte. Der Annahme einer solchen Änderung steht vielmehr – jedenfalls nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes – entgegen, dass in vierzehn Gutachten aus den Jahren 1970 bis 2007 sowie Berichten des Landeskrankenhauses bzw. der Saarländischen Klinik für Forensik und Psychiatrie Merzig in keinem Fall eine günstige, eine nachhaltige Verhaltensänderung konstatierende Prognose getroffen wurde. Eine gegebenenfalls erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts – etwa im Wege der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens – muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Ausgehend von den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens besteht danach auch aus Sicht des Senats eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG, dass von dem Antragsteller - aktuell und konkret - eine hohe Gefahr ausgeht, weitere schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht allerdings Zweifel daran geäußert, ob eine vor allem am Wortlaut orientierte Auslegung des § 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SPolG in dem Sinne möglich ist, dass diese Vorschrift – auch – Grundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern allein der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation sein kann. Die Bedenken gründen auf der systematischen Stellung der Vorschrift innerhalb des SPolG (2. Unterabschnitt: „Befugnisse zur Informationsverarbeitung“) und der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1988. Danach liegt es nahe, dass die Norm seitens des Gesetzgebers - zumindest primär - konzipiert wurde, um der Polizei im Präventivbereich ein gesetzliches Instrumentarium zur Datenerhebung und -gewinnung zur Verfügung zu stellen, dass sie also grundsätzlich Vorfeldermittlungen zur Sachverhaltserforschung unter Anwendung der in § 28 Abs. 2 SPolG genannten Mittel ermöglichen soll.

Die genannten Zweifel führen indes nicht zu der Einschätzung, dass die Vorschrift des § 28 SPolG offensichtlich nicht als Rechtsgrundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation einschlägig sein kann. Insoweit hält es der Senat keineswegs für ausgeschlossen, dass eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen – zumindest übergangsweise - dann herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt.

Bei einer Anwendung des § 28 SPolG als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation bestehen darüber hinaus verfassungsrechtliche Zweifel unter den Gesichtspunkten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Fehlens verfahrensrechtlicher Absicherungen.

Orientiert an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Telekommunikationsüberwachung

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, zitiert nach Juris,

hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf das Bestimmtheitserfordernis zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 28 SPolG möglicherweise deswegen als defizitär einzustufen sein könnte, weil sie verdeckte Ermittlungen schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr erlaubt, weil sie den Grad der Wahrscheinlichkeit der Straftatbegehung nicht genau umreißt, weil sie den Kreis eventuell betroffener Personen eher weit fasst und die in Rede stehenden Straftaten nicht im Einzelnen aufzählt.

Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass die genannte Vorschrift keinerlei verfahrensrechtliche Regularien wie eine zeitliche Begrenzung der Maßnahme oder sonstige Verfahrenskontrollen, wie etwa eine regelmäßige Überprüfung des weiteren Vorliegens der bei ihrer Anordnung angenommenen Voraussetzungen oder einen Richtervorbehalt enthält

vgl. in diesem Zusammenhang etwa § 34 Abs. 6 Thüring. PAG, § 17 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, § 32 Abs. 2 Bremisches PolG, Art. 33 Abs. 5 Bayerisches PAG, § 9 Abs. 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung durch die Polizei, § 28 Abs. 5 POG Rheinland-Pfalz, § 27 Abs. 3 ASOG Berlin, die Befristungen z.T. mit Verlängerungsmöglichkeiten vorsehen sowie etwa § 186 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, 3 32 Abs. 2 Bremisches PolG, die verfahrensmäßige Kontrollmechanismen, etwa die eines Richtervorbehalts enthalten.

Beide Aspekte erweisen sich indes hier nicht als so gewichtig, dass bei der an den eingangs genannten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts orientierten summarischen Prüfung von einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 28 SPolG bei einer Anwendung als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation ausgegangen werden müsste. Dem steht insbesondere die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung entgegen.

Dabei ist im Einzelnen von Folgendem auszugehen:

Das durch § 28 SPolG eingeschränkte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeinwohlinteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, NJW 2006, 1939 (zur präventiv-polizeilichen Rasterfahndung).

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 ff. (zu der vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung), Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BR 595/07 -, NJW 2008, 822 (zur „Online-Durchsuchung“), und vom 11.3.2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505 (zur automatisierten Kfz-Kennzeichenerfassung), jeweils mit weiteren Nachweisen.

Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung richten sich grundsätzlich nach der Art und Schwere des Eingriffs. Bei schwerwiegenden Eingriffen muss die Ermächtigung die besonderen Bestimmtheitsanforderungen festlegen, die bei solchen Eingriffen zu stellen sind

hierzu BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, mit weiteren Nachweisen.

Ausgehend von diesem Maßstab bestehen bei Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SPolG als Rechtsgrundlage für Fälle der hier streitgegenständlichen Dauerobservation zwar gewisse Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Bestimmtheit. Jedoch ist grundsätzlich anerkannt, dass Bestimmtheitsdefizite durch eine verfassungskonforme Auslegung geheilt werden können. Eine derartige Auslegung scheidet nur dann aus, wenn es an einem die wesentlichen Fragen umfassenden Regelungskern fehlt, der auf einen erklärten objektivierten Willen des Gesetzgebers zurückgeführt werden kann

BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505.

Danach ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 SPolG im gegebenen Zusammenhang keineswegs ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale „zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll“, zumal der im Zusammenhang mit polizeilichen Eingriffen stets zu wahrende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Absatz 1 Satz 2, zweiter Halbsatz der Bestimmung festgeschrieben ist. Es liegt auf der Hand, dass danach nicht jeder beliebige auf einen Verbrechenstatbestand des StGB bezogene Verdacht eine dauerhafte Observation rechtfertigen kann. Vielmehr muss sowohl die Schwere des zu erwartenden Verbrechens als auch der Grad der Wahrscheinlichkeit seiner Begehung in einem angemessenen Verhältnis zu dem konkreten Grundrechtseingriff stehen. So können unter dem Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ im Zusammenhang mit der vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen ohne weiteres konkrete Umstände des Einzelfalls verstanden werden, die den Verdacht einer Straftat objektivierbar tragen müssen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -.

Mithin kann vorliegend mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Annahme der Verfassungswidrigkeit des als Eingriffsnorm in Betracht zu ziehenden § 28 SPolG aufdrängen würde, mit der Folge, dass der Senat gehalten wäre, vorläufigen Rechtsschutz schon deshalb zu gewähren.

Gleiches gilt für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Norm.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen.

Je gewichtiger die drohende Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann allerdings auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Grundrechtseingreifende Ermittlungen „ins Blaue hinein“ lässt die Verfassung nicht zu. Gleiches gilt auch für polizeiliche Maßnahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Sinne der Gefahrenabwehr

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, und Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, jeweils a.a.O. sowie Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603.

Zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben tatbestandlichen Eingrenzungen durch die Festlegung einer klar definierten Eingriffsschwelle gegebenenfalls auch ergänzende verfahrensrechtliche Sicherungen vorzusehen

vgl. BVerfG, Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, NJW 2008, 822.

Im Falle der längerfristigen Observation wäre - wie in entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer erfolgt – etwa an eine verfahrensrechtliche Sicherung des Grundrechtsschutzes durch Festlegung einer maximalen Dauer zu denken, gegebenenfalls mit Verlängerungsmöglichkeiten sowie möglicherweise sogar durch Einfügen eines grundsätzlich im gesetzgeberischen Ermessen stehenden Richtervorbehalts, um der Gefahr von verfassungsrechtlich unzulässigen Grundrechtseinschränkungen wirksam zu begegnen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung derartiger verfahrensrechtlicher Sicherungen in der derzeit gültigen Fassung des § 28 SPolG führt indes im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht zur Annahme einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Norm. Es ist vielmehr der eingehenden rechtlichen Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten, ob und in welchem Umfang die Notwendigkeit derartiger ausdrücklicher Regelungen verfassungsrechtlich zu bejahen sein könnte oder ob insoweit eine verfassungskonforme Auslegung, die insbesondere an das in § 28 SPolG ausdrücklich formulierte Erfordernis der Verhältnismäßigkeit anknüpft, die aufgezeigten Bedenken auszuräumen vermag.

Nach allem kann bei der hier allein möglichen summarischen, wenn auch angemessen vertieften Betrachtung nicht angenommen werden, dass § 28 SPolG als eine - auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten - tragfähige Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Observation des Antragstellers nicht in Betracht gezogen werden kann.

Darüber hinaus erweist sich auch deren konkrete Anwendung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig.

Dass vorliegend aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte von einer den tatbestandlichen Anforderungen des § 28 Abs.1 SPolG entsprechenden ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen ausgegangen werden kann, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, wurde bereits dargelegt.

Bei summarischer Betrachtung ist auch nicht davon auszugehen, dass die Anordnung der hier in Rede stehenden Observation ermessensfehlerhaft ergangen oder unverhältnismäßig wäre.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Anordnung und Durchführung der bereits seit dem 12.5.2010 andauernden Observation für den Antragsteller einen intensiven Grundrechtseingriff darstellt. Zur Erreichung des oben genannten Zweckes der Abwehr der ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, erscheint die Maßnahme nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens indes als geeignet, erforderlich und im engeren Sinne, d.h. im Sinne der Zweck-Mittel-Relation auch (noch) verhältnismäßig.

Das Ziel eines effektiven Schutzes der Allgemeinheit vor einzelnen gefährlichen Straftätern, von denen weitere erhebliche Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, stellt ein Gemeinwohlinteresse von überragendem Gewicht dar

vgl. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung: BVerfG, Urteil vom 10.2.2004 – 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02 -, NJW 2004, 750, Beschlüsse vom 23.8.2006, NJW 2006, 3483, vom 22.10.2008 – 2 BvR 749/08 -, NJW 2009, 980 und vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08, 2 BvR 2633/08 -, zitiert nach Juris.

Indem der Antragsgegner die von ihm befürchtete Begehung der genannten Verbrechen durch den Antragsteller im Wege der angeordneten Observation zu verhindern sucht, verfolgt er mit der Maßnahme einen legitimen Zweck. Die dauerhaft und offen durchgeführte Observation erscheint zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet. Zudem wird voraussichtlich auch von der Erforderlichkeit der Maßnahme in der konkret beschriebenen Ausgestaltung auszugehen sein. Ein milderes Mittel, das zur effektiven vorbeugenden Verbrechensbekämpfung ebenso geeignet wäre, und das der Antragsgegner anstelle der längerfristigen Observation hätte ergreifen müssen, drängt sich nicht auf. Eine nur stichprobenartig auf einzelne Zeiträume begrenzte Observation erscheint auf der Grundlage der derzeit prognostizierten Gefährlichkeit des Antragstellers nicht in annähernd gleichem Maße wie die Dauerobservation geeignet, das Ziel des möglichst lückenlosen Schutzes der Allgemeinheit vor dem Antragsteller als potenziellem Täter zu erreichen. Soweit der Antragsteller darüber hinaus konkrete Einwände hinsichtlich der Ausgestaltung der Observation im Einzelnen geltend gemacht hat, etwa, dass die ihn observierenden Beamten auf eine Distanz im Zentimeterbereich an ihn heranrücken würden, hat der Antragsgegner nachvollziehbar und letztlich unwidersprochen dargelegt, dass dies ausschließlich in besonderen Ausnahmefällen vorkommt, und zwar nur dann, wenn die Observation anders ihren Zweck nicht erfüllen kann, weil sie etwa in dichtem Gedränge, wie bei einem Altstadtfest, stattfindet.

Für eine Bejahung der Verhältnismäßigkeit in der Zweck-Mittel-Relation spricht, dass - unbeschadet der auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Betroffenheit in Grundrechten - es auf Seiten potenzieller Opfer um nicht weniger als den Schutz von Leben und physischer wie psychischer Unversehrtheit sowie sexueller Selbstbestimmung geht.

Im Ergebnis kann daher auch nicht festgestellt werden, dass die konkrete Anwendung des Eingriffstatbestandes des § 28 SPolG gegenüber dem Antragsteller hier bislang überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig erfolgt ist.

Von einer als überwiegend wahrscheinlich anzunehmenden Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Dauerobservation wäre darüber hinaus selbst dann nicht auszugehen, wenn die tatbestandliche Anwendbarkeit des § 28 SPolG aufgrund der oben dargelegten Zweifel zu verneinen wäre. Denn in diesem Falle käme mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Nach § 8 SPolG kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 bis 40 SPolG die Befugnisse der Polizei besonders regeln. Unter einer Gefahr ist eine Lage zu verstehen, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung eines polizeilich geschützten Rechtsgutes nicht nur unerheblicher Natur führt. § 8 SPolG erfordert das Bestehen einer konkreten Gefahr, die anzunehmen ist, wenn in dem zu beurteilenden einzelnen Fall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.

Wie bereits dargelegt, sprechen derzeit gewichtige Gründe dafür, eine konkrete Gefahr der Begehung schwerer Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch den Antragsteller zu bejahen.

Allerdings bestehen auch gegen die Einschlägigkeit des § 8 SPolG als Ermächtigungsgrundlage für die hier angewendete polizeiliche Maßnahme der unbefristeten Observation Bedenken, und zwar mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie. Danach kann die polizeiliche Generalklausel, die nicht per se gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt

hierzu BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001 – 6 C 3.01 -, E 115, 189 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.5.1980 - 2 BvR 854/79 -, NJW 80, 2572,

mit Rücksicht auf die Geltung des Gesetzesvorbehalts nicht stets als hinreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zum Zwecke der Gefahrenabwehr Anwendung finden. Vielmehr sind intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe grundsätzlich einer normativen Regelung durch den Gesetzgeber vorzubehalten. Auf die diesbezüglichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs.2 VwGO vollinhaltlich Bezug genommen.

Die hiernach gegebenen Bedenken gelten im gegebenen Zusammenhang insbesondere mit Blick darauf, dass bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, dass nach der Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist und gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht. Allerdings sind staatliche Maßnahmen hinzunehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - in NJW 2004, 739 ff., zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung.

Vorliegend stellt die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Antragstellers durch mehrere Polizeibeamte einen erheblich belastenden Grundrechtseingriff dar. Auch dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, zum einen mit Blick auf die Beeinträchtigung der privaten Lebensführung des Antragstellers und die Erschwerung sozialer Kontakte und zum anderen mit Rücksicht darauf, dass die Maßnahme bislang keiner zeitlichen Begrenzung unterworfen ist.

Gleichwohl ist es auch aus Sicht des Senats nicht von vornherein ausgeschlossen, die polizeiliche Generalklausel zumindest für eine Übergangszeit als Rechtsgrundlage für eine derartige Dauerobservation von Personen anzusehen, die der Sicherungsverwahrung - trotz Vorliegens eines entsprechenden Gefährdungspotenzials - aus Rechtsgründen nicht unterstellt werden können, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Dass im Interesse einer effizienten Gefahrenabwehr bei Entstehen neuartiger Gefahrenlagen wie hier übergangsweise ein Rückgriff auf die Generalklausel erlaubt ist und dem Gesetzgeber insoweit ein gewisser Zeitraum zur Schaffung der speziellen gesetzlichen Grundlagen einer solchen Gefahrenabwehr zuzubilligen ist, ist anerkannt

vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001, E 115, 189 ff.

Bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind auch damit einhergehende Grundrechtseingriffe hinnehmbar. Insoweit gilt ähnliches wie bei der vorläufigen Anwendbarkeit einer als verfassungswidrig festgestellten Norm für eine Übergangsfrist bis zur gesetzlichen Neugestaltung,

vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 bis 4/09 -, zitiert nach Juris.

Vorliegend kann auch davon ausgegangen werden, dass eine derartige Übergangszeit überschaubar sein wird. Denn der Deutsche Bundestag hat am 2.12.2010 eine Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung beschlossen, die zum 1.1.2011 in Kraft treten soll. Die grundlegende Neuordnung der Sicherungsverwahrung wird dabei ergänzt durch die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie durch ein neues Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter, das künftig auch für die Fälle Anwendung finden soll, in denen infolge des seit dem 10.5.2010 rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Sexual- und Gewalttäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden. Letzteres sieht - nach erforderlicher doppelter Begutachtung - die Möglichkeit einer Unterbringung in geeigneten Einrichtungen vor, in denen die Behandlung des Betroffenen im Vordergrund steht

hierzu Pressemeldung des BMJ vom 2.12.2010, zitiert nach Juris.

Zusammenfassend lässt sich danach feststellen, dass bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen, allerdings auch im gebotenen Maße vertieften Prüfung durchaus denkbar erscheint, dass § 28 SPolG - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - eine tragfähige Rechtsgrundlage für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers sein kann, die von dem Antragsgegner auch nicht überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig angewendet wurde. Sollte dem nicht zu folgen sein, kommt mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Ist mithin das Bestehen des geltend gemachten Anordnungsanspruchs auf Beendigung der seit dem 12.5.2010 andauernden Observation nicht als überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen, sondern der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache vielmehr als offen einzuschätzen, so ist die Entscheidung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer allgemeinen Folgenabwägung zu treffen. Diese fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Denn die Folgen, die - im Falle des Nichtbestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs – bei einer Stattgabe eintreten könnten, wiegen schwerer als diejenigen Folgen, die der Antragsteller - im Falle des Bestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs - bei einer Ablehnung seines Antrags hinzunehmen hat. Unterbliebe die Observation und würde sich die Gefahr realisieren, dass der Antragsteller schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begeht, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, so wären die Folgen als erheblich schwerer zu bewerten als die bei einstweiliger Fortführung der Observation eintretenden Beeinträchtigungen der privaten Lebensführung des Antragstellers.

Diese Bewertung steht auch in Einklang mit der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts in dessen jüngsten Entscheidungen über Anträge noch in Sicherungsverwahrung befindlicher Antragsteller auf Erlass von einstweiligen Anordnungen mit dem Ziel der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung

BVerfG Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 – jeweils zitiert nach Juris.

Nachdem verschiedene Oberlandesgerichte

vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 30.3 2010, - 1 Ws 116/10 -, OLG Nürnberg Beschlüsse vom24.6. 2010, - 1 Ws 315/10 – und vom 7.7.2010, - 1 Ws 342/10 - jeweils zitiert nach Juris

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit einer nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 -, NJW 2004, 739 ff.,

auch in Ansehung der Rechtsprechung des EGMR

Urteil vom 17.12.2009 - 19359/04 -, NJW 2010, 2495

die Anträge nach §§ 66, 67 d StGB Sicherheitsverwahrter auf Entlassung abgelehnt hatten, hat das Bundesverfassungsgericht in den o.g. Beschlüssen den Erlass einstweiliger Anordnungen zu deren Gunsten gemäß § 32 Abs. 1 BVerfG abgelehnt. Grundlage war jeweils eine Folgenabwägung mit dem Ergebnis, dass „angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erneut besonders schwere Straftaten begehen könnte, das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner Freiheit überwiegt“

BVerfG, Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 -, jeweils zitiert nach Juris.

Trägt eine solche Folgenabwägung aber sogar die Entscheidung über eine Fortdauer des Freiheitsentzugs nicht entlassener sicherungsverwahrter Betroffener, so rechtfertigt er umso mehr die Fortdauer der hier in Rede stehenden polizeilichen Observation des – bei vergleichbarer Ausgangslage - bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Antragstellers. Denn die hier streitgegenständliche Maßnahme stellt im Vergleich zum Freiheitsentzug im Rahmen der Sicherungsverwahrung eine erheblich weniger einschneidende grundrechtsrelevante Maßnahme dar.

Nach alledem hat der Antragsteller die angeordnete Observation vorläufig weiter hinzunehmen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Orientiert an dem weiteren zeitlichen Verlauf des Hauptsacheverfahrens und des in Gang gesetzten Gesetzgebungsverfahrens mag der Antragsgegner allerdings in Erwägung ziehen, ob und wann nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur regelmäßigen Überprüfung von Prognoseentscheidungen auch durch Einholung von Gutachten

vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - zur fortdauernden Unterbringung in Sicherheitsverwahrung und vom 8.7.2010 - 2 BvR 1771/09 -, jeweils zitiert nach Juris

vorliegend die Einholung eines aktuellen Gutachtens zur Frage des Gefährdungspotenzials des Antragstellers angezeigt erscheint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird.

(2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt.

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anweisen,

1.
den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen,
2.
sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können,
3.
zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen,
4.
bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
5.
bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu lassen,
6.
Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu halten oder zu führen, die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,
7.
sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden,
8.
jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,
9.
sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,
10.
keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
11.
sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen oder
12.
die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.
Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Eine Weisung nach Satz 1 Nummer 12 ist, unbeschadet des Satzes 5, nur zulässig, wenn
1.
die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2.
die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3.
die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4.
die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.
Die Voraussetzungen von Satz 3 Nummer 1 in Verbindung mit Nummer 2 liegen unabhängig davon vor, ob die dort genannte Führungsaufsicht nach § 68e Absatz 1 Satz 1 beendet ist. Abweichend von Satz 3 Nummer 1 genügt eine Freiheits- oder Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, wenn diese wegen einer oder mehrerer Straftaten verhängt worden ist, die unter den Ersten oder Siebenten Abschnitt des Besonderen Teils fallen; zu den in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Straftaten gehört auch eine Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verurteilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine bereits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behandlung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 entsprechend.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. August 2012 - 4 K 1261/12 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Antragsteller zu observieren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500.-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am ... geborene Antragsteller wurde mit Urteil des ... ... vom ... wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Zu Grunde lag die Tötung eines 13-jährigen aus Eifersucht nach homosexuellem Verkehr. Mit Urteil des ... ... vom ... wurde der Antragsteller zu 4 Jahren Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, da er einen 19-jährigen unter Würgen und Todesdrohungen zu Anal- und Oralverkehr gezwungen hatte. Das ... ... verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom ... wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten und ordnete dessen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB an. Zu Grunde lag unter anderem, dass der Antragsteller einen wegen frühkindlicher Hirnschädigung behinderten 20-jährigen zum Analverkehr gezwungen hatte. Das Strafende aus dieser Verurteilung war der ... Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller in Sicherungsverwahrung. Das OLG ... erklärte mit Beschluss vom 14.12.2011 - ... ... ... - die Sicherungsverwahrung für erledigt. Eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei nur zulässig, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sei und dieser an einer psychischen Störung im Sinne des ThUG leide. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Antragsteller leide an keiner relevanten psychischen Störung. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 14.10.2011 lasse sich eine spezifische bzw. kombinierte Persönlichkeitsstörung nicht objektivieren. Es bestehe zudem auch keine auf gegenwärtige und konkrete Umstände in der Person oder im Verhalten des Antragstellers gestützte, durch die psychische Erkrankung bedingte hohe Rückfallgefahr. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ... ... gehe von dem Antragsteller keine Gefahr von Gewalt- oder Sexualdelikten aus. Dieser mit den früheren Prognosebeurteilungen in Widerspruch stehenden Bewertung schließe sich das Gericht an.
Nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung wurde der Antragsteller aufgrund von Verfügungen der Polizeidirektion ..., die auf §§ 1, 3, 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 6 PolG gestützt waren, durch Polizeibeamte fortlaufend überwacht. Den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, ihn zu observieren, hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Observation auf § 20 Abs. 3 PolG oder auf §§ 1, 3 PolG gestützt werden könne. Denn die Maßnahme sei überwiegend wahrscheinlich nach beiden Alternativen rechtmäßig. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich den Risikobewertungen nach dem Sicherheitsprogramm "Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern" (KURS) vom 23.9.2010, vom 10.11.2011 und - zuletzt - vom 15.03.2012 einschließlich der vorliegenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten von ... ... ... vom 23.09.2010 und ... ... ... vom 14.10.2011 dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen angezeigt, im Ergebnis voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die letzte von der Gemeinsamen Zentralstelle beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (GZS) nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung vom 15.03.2012, an der drei Staatsanwälte, ein Psychologe und vier Polizeibeamte mitgewirkt hätten, sei nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem plausiblen Ergebnis gelangt, dass an der in der ersten Risikobewertung (KURS) vom 23.09.2010 vorgenommenen Einstufung des Antragstellers in die Gefahrenkategorie 1 (höchste Gefährdungsstufe) festzuhalten sei. Die Kammer halte die Bedenken der GZS an der Kriminalprognose von ... ... ... zumindest für sehr plausibel. Gefahrerhöhend wirke sich aus, dass sich der Antragsteller seit seiner Freilassung zunehmend unkooperativ gegenüber den ihn begleitenden Beamten gezeigt und Kontakte zu Personen geknüpft habe, die unter Aliasnamen aufträten und mit Sexualdelikten in Erscheinung getreten seien, während er ansonsten keine tragfähigen sozialen Kontakte habe. Außerdem konsumiere er inzwischen Alkohol, was bei seinen früheren Tatbegehungen taterleichternde und enthemmende Wirkung gehabt habe. Zudem weigere er sich entgegen der Weisung im Beschluss des Landgerichts ... vom 20.03.2012, sich bei der Forensischen Ambulanz ... vorzustellen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat in der Sache Erfolg. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat Veranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss mit sehr ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung und unter eingehender Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen sowie im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung des Senats eine Rückfallgefahr beim Antragsteller bejaht. Der Senat hat in einem anderen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über den Antrag eines ehemals sicherungsverwahrten Straftäters, das Land Baden-Württemberg vorläufig zu verpflichten, die Observation umgehend einzustellen, mit Beschluss vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass die längerfristige Observation von rückfallgefährdeten ehemals sicherungsverwahrten, entlassenen Straftätern noch eine Rechtsgrundlage im Polizeigesetz finde. Dabei bedürfe es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Entscheidung, ob die polizeiliche Maßnahme unmittelbar auf die - verfassungskonform auszulegende - Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gestützt werden könne oder ob mit Blick darauf, dass diese Regelung die Datenerhebung zum Ziel habe, diese Zielrichtung aber bei der Observation ehemaliger Sicherungsverwahrter nicht im Vordergrund stehe, vielmehr auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und Abs. 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden müsse. Das rechtskräftige Urteil des EGMR, dass der Antragsteller jenes Verfahrens unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei, stehe einer eigenständigen Gefahrenprognose für die Observation nicht entgegen. Diese stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Der Maßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. c EGMR sei jedoch ein strengerer als der der Gefahr in § 22 Abs. 3 bzw. § 1 PolG. Gerade wenn es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, hier der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, gehe, dürften die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden. Neben dem noch während der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten vom 05.03.2010 sei bei der Gefahrenprognose das bei dem Antragsteller seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beobachtete Verhalten zugrundezulegen. Bei der anstehenden Bewertungskonferenz sei auch zu eruieren, inwieweit Therapiefortschritte zu verzeichnen seien. Sollte danach eine konkrete Gefahr im dargelegten Sinn nicht mehr bejaht werden können, könnte die Fortdauer auch nicht auf der Grundlage des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG angeordnet werden. Eine längerfristige Observation des Antragstellers jenes Verfahrens in der praktizierten Weise könne voraussichtlich auch bei einem Fortbestehen der Gefahrenlage nicht auf Dauer hingenommen werden, weil die damit einhergehenden Einschränkungen seiner privaten Lebensgestaltung mit zunehmender Dauer in unverhältnismäßiger Weise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingriffen. Für eine gewisse Übergangszeit erweise sich die Maßnahme indes noch als verhältnismäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des Senats, den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und die Anordnungen zur Observation der Polizeidirektion ausgeführt, dass die dauernde Observation des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstelle. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichere jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne.Es begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die vorhandene Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 3 PolG oder §§ 1, 3 PolG) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach verstünden sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichten so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden.Die angegriffenen Entscheidungen genügten jedoch aus einem anderen Grund nicht den Voraussetzungen für die hier von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität im Bereich des grundrechtsrelevanten einstweiligen Rechtsschutzes. Die Gerichte dürften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte hätten ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 05.03.2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens hätten die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück gelegen habe.Zum anderen habe der Verwendung des Gutachtens vom 05.03.2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegengestanden, dass die Begutachtung erfolgt sei, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befunden habe. Der Gutachter habe allenfalls vermuten können, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebe der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen ließen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - juris).
Eine nach diesen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, ausreichende Gefahrenprognose für eine dauernde Observation des Antragstellers liegt nicht vor. Das letzte psychiatrische Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Antragsteller eine Rückfallgefahr besteht, ist jenes von ... ... ... vom 23.09.2010. Es liegt daher mehr als zwei Jahre zurück und kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Gefahrenprognose zur Begründung der streitgegenständlichen Observation des Antragstellers nicht herangezogen werden. Das letzte Gutachten über den Antragsteller aus der Zeit der Sicherungsverwahrung, erstattet von ... ... ... am 14.10.2011, kommt hingegen zu einer Verneinung der Rückfallgefahr beim Antragsteller. Ein nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung erstelltes psychiatrisches Gutachten liegt nicht vor. Die Risikobewertungen der GZS nach dem Sicherheitsprogramm KURS stellen insofern keine ausreichenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten dar, die die Observation tragen könnten. Auch wenn bei der GZS an den durchgeführten Risikobewertungen ein Psychologe mitgewirkt hat, handelt es sich bereits deswegen nicht um für die Anordnung der Observation ausreichende psychiatrische Gutachten, weil ihnen keine eigenständige Exploration des Antragstellers zu Grunde liegt.
Auch aus nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung eingetretenen Umständen ergibt sich keine hinreichende Gefahrenprognose für die Observation des Antragstellers. Die von dem Antragsgegner insoweit angeführten Umstände bleiben vage und stellen lediglich Mutmaßungen dar.
Die vier persönlichen Kontakte des Antragstellers zu ... ..., der unter Alias-Namen auftrete und wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten sei, in der Zeit nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung begründen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte. Von den von dem Antragsgegner insoweit als bedeutsam aufgeführten sieben Delikten stammen nur zwei aus der jüngeren Vergangenheit: Das Verfahren wegen Körperverletzung nach § 223 StGB wegen einer Tat vom 09.05.2010 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Für den Verdacht der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, 5 StGB vom 01.01.2012 liegt ein Verfahrensausgang nach Mitteilung des Antragsgegners noch nicht vor. Welcher Sachverhalt dem Strafverfahren zu Grunde liegt, ist bereits nicht benannt. Die weiteren fünf mitgeteilten Delikte stammen aus den Jahren 2006 und früher. Das Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften an Personen unter 18 Jahren gemäß § 184 StGB mit Tatdatum vom 22.11.2006 ist nach § 154 StPO eingestellt worden. Die versuchte Nötigung gemäß § 240 StGB vom Tattag 12.01.2006 ist mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten geahndet worden; den Tathergang, insbesondere ob es sich um eine Tat mit Bezug zu Sexualstraftaten handelt, hat der Antragsgegner nicht benannt. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176a StGB im Versuch mit Tatdatum vom 07.06.2005 ist lediglich mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 30.-- EUR geahndet worden. Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB mit Tatdatum vom 31.07.2003 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, geführt hat, stammt vom 09.05.1985, liegt also bereits mehr als 27 Jahre zurück. Aus den weiteren vom Antragsgegner angeführten Umständen, dass ... ... nach polizeilichen Erkenntnissen bislang mit zwölf Alias-Namen in Erscheinung getreten ist, dem Antragsteller eine Generalvollmacht per E-Mail übersandt hat und dass nach den Kontakten des Antragstellers zu ... ... eine deutliche Verschlechterung der Kommunikation/Kommunikationsbereitschaft des Antragstellers festzustellen ist, besagen nichts über eine konkret feststellbare Rückfallgefahr beim Antragsteller.
10 
Das Gleiche gilt für die vom Antragsgegner angeführte Kontaktaufnahme des Antragstellers am ... zu einem zehnjährigen Jungen, als der Antragsteller außerhalb des Wohnhauses auf einer Bierbank weilte und seinen Hund dabei hatte. Nach den Mitteilungen des Antragsgegners sprach der Antragsteller mit dem Jungen über seinen Hund, das Gespräch war von kurzer Dauer und bislang einmalig. Konkrete Umstände, die eine Rückfallgefahr belegten, werden damit nicht benannt. Auch der Umstand, dass es danach seitens des Antragstellers zu verbalen Attacken gegenüber dem feststellenden Polizeibeamten gekommen ist, dass er zu diesem Polizeibeamten sagte, dass er "bereit wäre für zehn Monate ins Gefängnis zu gehen, wenn er jemand umnieten müsste, da ihm das Gefängnis nichts ausmacht" und dass er behauptet, die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen zu haben, belegen eine hinreichende Gefährlichkeit konkret nicht. Verbale Ausfälle gegenüber den observierenden Polizeibeamten können Folge der andauernden Observation sein. Die zitierte Äußerung ist offensichtlich gegen einen Polizeibeamten gerichtet gewesen und zeigt keinen Bezug zu der Art von Sexualstraftaten, wegen derer der Antragsteller verurteilt worden ist. Der Umstand, dass der Antragsteller leugnet, die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, begangen zu haben, ist aus Sicht des Senats nicht unproblematisch im Hinblick auf eine notwendige Auseinandersetzung des Antragstellers mit den begangenen Taten. Er ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, die konkrete Gefahr eines Rückfalls zu belegen.
11 
Die vom Antragsgegner angeführten starken Stimmungsschwankungen des Antragstellers, die sich in aufbrausend aggressiven bis zu depressiven Verhaltensweisen äußerten, Unmutsäußerungen gegenüber den überwachenden Polizeibeamten mit aggressiv-drohendem Ton und der Suizidversuch des Antragstellers vom 20.12.2012 sind ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine konkrete, die Observation rechtfertigende Gefahr begründen könnten. Stimmungsschwankungen und aggressive Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten können Folgen der dauernden Observation sein. Der Umstand des Suizidversuchs deckt sich mit den Feststellungen des Gutachters ... ... ..., der eine Rückfallgefahr beim Antragsteller unter anderem auch deswegen verneinte, weil nach seinen Feststellungen Aggressionen des Antragstellers sich gegen den Antragsteller selbst richten würden. Aus dem vom Antragsgegner ins Feld geführten Alkoholkonsum und dem Therapieverlauf des Antragstellers ergeben sich ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr des Antragstellers; woraus sich diese insoweit ergeben sollen, legt der Antragsgegner bereits nicht dar.
12 
Bei dieser Sachlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das letzte Gutachten aus der Zeit der Sicherungsverwahrung eine Rückfallgefahr verneint, das vorangegangene, eine Rückfallgefahr bejahende Gutachten mehr als zwei Jahre zurückliegt und ausreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr aus der Zeit nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlen, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Rückfallgefährdung beim Antragsteller durch den Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Die von dem Antragsgegner angeordnete Observation des Antragstellers setzt im Zeitpunkt ihrer Anordnung eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen voraus. Eine solche kann derzeit mit hinreichender Sicherheit nicht festgestellt werden, insbesondere ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung keine greifbaren Tatsachen für eine solche Gefahr.
13 
Ergänzend bemerkt der Senat - der bereits im Beschluss vom 08.11.2011 darauf hingewiesen hat, dass die vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen für eine Observation ehemals Sicherungsverwahrter voraussichtlich nur für eine Übergangszeit noch Anwendung finden können -, dass einiges dafür spricht, dass eine Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung ehemals Sicherungsverwahrter durch die Polizei auf der Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg ggfs. nach einer Übergangszeit voraussichtlich einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 68/09
vom
17. Februar 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 6; BGB § 1666; FGG §§ 12, 33; FamFG §§ 26, 29, 33

a) In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen
Grundlage nicht gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch
/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem
Sachverständigen zu erscheinen (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2009,
944 f.; 2004, 523 f.).

b) Verweigert in Verfahren nach § 1666 BGB ein Elternteil die Mitwirkung an der
Begutachtung, kann dieses Verhalten nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung
gewürdigt werden.

c) In Betracht kommt allerdings, den die Begutachtung verweigernden Elternteil
in Anwesenheit eines Sachverständigen gerichtlich anzuhören und zu diesem
Zweck das persönliche Erscheinen des Elternteils anzuordnen und gegebenenfalls
gemäß § 33 FGG durchzusetzen (vgl. auch § 33 FamFG).
BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 - OLG München in Augsburg
AG Augsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter
Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
1. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Entpflichtung ihres Verfahrensbevollmächtigten und Beiordnung eines neuen Verfahrensvollmächtigten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. 2. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 26. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei. 3. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des am 11. Dezember 2000 nichtehelich geborenen Kindes. Sie lebte zunächst mit dem Kind im Haus ihrer Eltern. Nachdem es innerhalb der Familie zu Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sich die Mutter Anfang 2007 an das beteiligte Jugendamt (im Folgenden : Jugendamt) mit der Bitte um ein Beratungsgespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurde für die Mutter eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 wechselte die Mutter gemeinsam mit ihrem Kind mehrfach ihren Aufenthaltsort , wobei sie sich abwechselnd in A. und M. aufhielt. Das Kind besuchte in dieser Zeit die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort. Ab dem 19. Dezember 2007 blieb das Kind dem Schulunterricht unentschuldigt fern. Jedenfalls in der Zeit vom 27. Dezember 2007 bis zum 3. Januar 2008 hielt sich die Mutter mit dem Kind in Österreich auf. In der Folgezeit reiste sie mit dem Kind nach Bolivien.
2
Auf eine Anregung des Jugendamts vom 20. Dezember 2007 hat das Familiengericht der Mutter mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht , das Recht zur Heilfürsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII vorläufig entzogen. Zur Begründung hat es insbesondere auf Wahnvorstellungen verwiesen, unter denen die Mutter leide. Sie habe ihren Umzug gegenüber der Familienhelferin damit begründet, dass sie im Jahre 2008 einen atomaren Vernichtungsschlag befürchte und im Falle eines solchen Angriffs mit ihrem Kind in einem Salzbergwerk vor der Strahlung Zuflucht finden wolle. Diesen Beschluss hat das Familiengericht am 10. Januar 2008 um einen Herausgabebeschluss und am 11. Januar 2008 um einen Durchsuchungsbeschluss erweitert. Mit Beschluss vom 1. April 2008 hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung "in der Hauptsache bestätigt“. Zur Begründung hat es auf die vorangegangenen Beschlüsse verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Vorgehensweise der Mutter, das Kind von einem Tag auf den anderen aus der Schule zu nehmen und seinem bisherigen Umfeld zu entreißen, entspreche nicht dem Kindeswohl.
3
Aufgrund des Beschlusses vom 1. April 2008 hat das Jugendamt das Kind am 12. April 2008 nach der Rückkehr aus Bolivien in Obhut genommen. Nachdem es zunächst in einer Pflegefamilie gelebt hatte, befindet sich das Kind gegenwärtig in einer Kinder- und Wohngemeinschaft.
4
Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat sich die Mutter geweigert, an einer sachverständigen Begutachtung mitzuwirken. Außerdem haben beide Großeltern des Kindes von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
5
Auf die Beschwerde der Mutter hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. April 2008 aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht angeordnet. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt das Jugendamt die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Mutter wendet sich mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts.

B.

6
Die Rechtsbeschwerde des Jugendamts ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

7
Das Beschwerdegericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht. Dies begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
8
Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung = EuEheVO, vgl. EuGH FamRZ 2008, 125, 126). Nach Art. 8 EuEheVO sind - vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 EuEheVO - für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden, sind vorbehaltlich Art. 12 EuEheVO gemäß Art. 13 Abs. 1 EuEheVO die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig , in dem sich das Kind befindet. Danach war die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts gegeben.
9
Hierbei kann offen bleiben, ob, wie die Mutter geltend macht, am 20. Dezember 2007 noch vor Eingang der Anregung des Jugendamts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Österreich begründet war oder sich das Kind zumindest - nach Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland - dort befand. Denn das Kind hält sich seit Mitte April 2008 wieder in Deutschland auf und ist dort familiär und sozial integriert (vgl. insoweit EuGH FamRZ 2009, 843, 845; Senatsbeschluss vom 18. Juni 1997 - XII ZB 156/95 - FamRZ 1997, 1070). Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts war daher ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben. Auch ein erst während des Verfahrens begründeter gewöhnlicher Aufenthalt führt indes zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO, wenn nicht zuvor ein ausländisches Gericht in derselben Rechtssache angerufen wurde. Dass Art. 8 Abs. 1 EuEheVO auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, hat lediglich die Bedeutung, dass ein einmal angerufenes Gericht international zuständig bleibt, auch wenn das Kind während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall eines erst im Verlaufe des Verfahrens erworbenen gewöhnlichen Aufenthalts im Staat des angerufenen Gerichts verbleibt es hingegen bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach die Zuständigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen. Eine andere Sichtweise hätte die der Prozessökonomie widersprechende Folge, dass sich das Gericht zunächst gemäß Art. 17 EuEheVO für unzuständig erklären müsste , aber im Anschluss angesichts des nunmehr bestehenden inländischen Aufenthalts sogleich ein neues Verfahren einleiten könnte (Geimer/Schütze/Dilger Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 8 EheVO Rdn. 7 und vor Art. 3 EheVO Rdn. 66; HK-ZPO/Dörner 3. Aufl. Art. 8 EheGVVO Rdn. 7; Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Bd. 1 Art. 8 Brüssel IIa-VO Rdn. 5; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1411).

II.

10
In der Sache hat das Oberlandesgericht Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Gefährdung des Kindeswohls , die einen Eingriff in die elterliche Sorge der Mutter notwendig mache, sei derzeit nicht mit Sicherheit festzustellen, obwohl der Senat nachhaltig versucht habe, den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt aufzuklären und die der Antragstellung des Jugendamtes und der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen zu verifizieren.
11
Zwar habe die Zeugin G. von einem Gespräch berichtet, in welchem die Mutter die Wirtschaftskrise in den USA angesprochen und diese als Indiz dafür gewertet habe, dass ein atomarer Vernichtungsschlag drohe. Laut der Zeugin sei die Mutter nach M. gereist, weil dort die Möglichkeit bestünde, sich in einen Salzstollen zu flüchten. Auch habe die Zeugin - ebenso wie die Vertreterin des Jugendamts, die Pflegerin und die Verfahrenspflegerin - Bedenken hinsichtlich der psychischen Verfassung der Mutter angemeldet.
12
Das daraufhin in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten habe indes keinen ausreichenden Aufschluss gegeben. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit bei der Mutter vorlägen, eine spezifische diagnostische Einordnung ohne persönliche Untersuchung der Mutter aber nicht möglich sei und eine Beurteilung der Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht erfolgen könne. Die Mutter habe jedoch eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen verweigert, eine zwangsweise Durchsetzung von Terminen beim Sachverständigen komme nicht in Betracht.
13
Auch das gegenüber dem Amtsgericht erstattete psychologische Gutachten , das zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden sei, ermögliche keine ausreichenden Feststellungen. Dieses komme zwar zu dem Ergebnis, dass eine Bewertung der rudimentären Daten auf eine erhebliche Einschränkung der Erziehungsfähigkeit der Mutter hindeuteten. Der Sachverständige habe jedoch seiner Begutachtung teilweise unzutreffende Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. Ob und inwieweit das Gutachten daher ergänzungsbedürftig bzw. verwertbar sei und ob und inwieweit die Begutachtung des Kindes ohne Einverständnis der Mutter zulässig gewesen sei, sei aber nicht verfahrensrelevant. Entscheidend sei, dass auch nach dem psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage nicht ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens möglich sei. Letzteres sei jedoch nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen vorliegend ohne persönliche Untersuchung der Mutter nicht denkbar.
14
Weiter hätten die Großeltern des Kindes von ihrem Aussageverweigerungs - bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass auch insoweit eine weitere Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts nicht möglich sei.
15
Im Ergebnis lägen zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit der Mutter vor. Art und Umfang der Auffälligkeiten und die Auswirkungen auf die Erziehungsfähigkeit könnten jedoch auch nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht weiter aufgeklärt werden. Nachdem im Rahmen des § 1666 BGB eine objektive Feststellungslast zu Ungunsten der Mutter nicht bestehe, müsse eine Maßnahme nach § 1666 BGB unterbleiben, wenn der gesetzliche Tatbestand dieser Norm nicht festgestellt werden könne.
16
Nachdem die Mutter durch ihren permanenten Ortswechsel unter ständiger Herausnahme des Kindes aus dem bisherigen Umfeld zum Verfahren Ver- anlassung gegeben habe, sei es billig, wenn sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage.

III.

17
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
18
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
19
2. Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige , in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - FamRZ 2005, 344, 345 m.w.N.).
20
Die Frage, ob im Falle der Rückkehr des Kindes zu seiner Mutter eine derartige Gefahr gegeben ist, hat das Beschwerdegericht zu Unrecht als nicht weiter aufklärbar angesehen. Ihm war es deswegen verwehrt, ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts die in Rede stehenden Maßnahmen nach § 1666 BGB zu unterlassen.
21
3. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Oberlandesgericht davon abgesehen hat, eine Untersuchung der Mutter durch den psychiatrischen Gutachter zu erzwingen. Eine derartige sachverständige Exploration berührt den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), welches grundsätzlich vor einer Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter schützt. Dieses Recht ist zwar nicht absolut geschützt, vielmehr sind Eingriffe grundsätzlich zulässig, sofern nur der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Allerdings erfordern Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine klare und unmissverständliche gesetzliche Grundlage. In Ermangelung einer derartigen Ermächtigungsgrundlage kann - von hier nicht einschlägigen Sonderbestimmungen abgesehen - niemand gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.
22
Als gesetzliche Grundlage können weder § 1666 BGB noch die §§ 12, 15 Abs. 1 FGG oder § 33 FGG herangezogen werden. § 33 FGG setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung bzw. Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat. Aus § 33 FGG selbst kann diese nicht hergeleitet werden (BVerfG FamRZ 2009, 944 f.; 2004, 523 f. m.w.N.; BGH Urteil vom 24. April 1952 - IV ZR 156/51 - LM § 32 EheG Nr. 3; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132 ff.; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 89).
23
4. Ebenso zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass im vorliegenden Verfahren keine materielle Feststellungslast zu Lasten der Mutter besteht. Vielmehr müssen, wenn in einem Verfahren nach § 1666 BGB die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht festgestellt wer- den können, entsprechende Maßnahmen unterbleiben (BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 214).
24
An dieser Feststellungslast des Staates vermag der Umstand, dass die Mutter die Begutachtung verweigert hat, nichts zu ändern. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war dieser Umstand auch nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2006, 282; OLG Koblenz FamRZ 2000, 1233; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1479, 1480).
25
Die Grundsätze der Beweisvereitelung können zwar auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar sein, ohne dass dem der Amtsermittlungsgrundsatz entgegenstünde (Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08 - FamRZ 2009, 1130, 1132 zum Versorgungsausgleich; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1095, 1096; OLGZ 1967, 74, 79 jeweils zum Erbscheinverfahren ; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 216; zum neuen Prozessrecht vgl. Prütting/Helms/Prütting FamFG § 27 Rdn. 10). Danach kann es Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweis- bzw. Feststellungslast zur Folge haben, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht (BGH Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 64/07 - NJW 2009, 360, 361 f. m.w.N.). Dabei vermag aber nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten den Vorwurf der Beweisvereitelung zu tragen, also ein Verhalten, das wider Treu und Glauben erfolgt und nach dem allgemeinen Rechtsempfinden als verwerflich erscheint (BGH Beschluss vom 26. September 1996 - III ZR 56/96 - NJW-RR 1996, 1534; Senatsurteil vom 27. Januar 1988 - IVb ZR 82/86 - FamRZ 1988, 482, 485).
26
Im vorliegenden Verfahren können diese Grundsätze indes nicht herangezogen werden. Darin, dass die Mutter die Mitwirkung an einer Begutachtung verweigert hat, kann kein missbilligenswertes Verhalten gesehen werden. Wie vorstehend ausgeführt wurde, berührt eine sachverständige Exploration das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen, weshalb sich die Weigerung der Mutter letztlich als Ausübung ihrer Grundrechte darstellt. Würde ihre Weigerung als missbilligenswertes Verhalten gewertet, welches beweisrechtliche Nachteile nach sich zöge, läge in dieser Würdigung zugleich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter (Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; vgl. auch BVerfGE 89, 69, 84).
27
5. Das Oberlandesgericht hat jedoch noch nicht alle gebotenen Ermittlungsansätze ausgeschöpft und damit seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG; jetzt § 26 FamFG) verletzt.
28
Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen. Zwar braucht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgegangen zu werden. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH Beschlüsse vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266 und BGHZ 40, 54, 57; Rahm/Künkel/Schneider Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Rdn. III B 58; Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 26 Rdn. 16 f.).
29
Besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung gelten in kindschaftsrechtlichen Familiensachen und insbesondere in Verfahren betref- fend die Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB. Denn die verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400; FamRZ 2002, 1021, 1023). Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet ist (Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61; Leibholz/Rinck Grundgesetz Art. 6 Rdn. 637 ff.). Die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400).
30
Sind demnach in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert, so kann insbesondere die Weigerung eines Beteiligten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht ohne Konsequenzen für das Verfahren bleiben (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1166, 1168). Vielmehr ist das Tatgericht hier in besonderer Weise gehalten, die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und auf diese Weise nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sich die Grundsätze der Feststellungslast zu Lasten des Kindes auswirken (vgl. Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61).
31
Diesen gesteigerten Anforderungen an die Amtsermittlung ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden.
32
a) Das Beschwerdegericht hat es versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen - und auch eines psychologischen - Sachverständigen gerichtlich anzuhören und hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzuordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vorgehen wäre vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig. Der Senat schließt sich insofern der ganz herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre an (KG OLGZ 1988, 418, 421 ff.; BayObLG BayObLGZ 1972, 201, 204; 1970, 114, 116; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242 f.; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Böhm DAVorm 1985, 731, 733, 736; Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 33 Rdn. 7; Keidel/ Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rdn. 49; Säcker FamRZ 1971, 81, 83; Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; a.A. noch Jansen FGG 2. Aufl. § 12 Rdn. 68). Zwar ist auch mit einer Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht zum Zwecke der Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Betroffenen - insbesondere in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht - verbunden. Allerdings ist dieser Eingriff vorliegend gerechtfertigt, insbesondere ist hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden.
33
aa) Während der Betroffene mangels gesetzlicher Grundlage nicht gezwungen werden kann, vor einem Sachverständigen zum Zwecke der Exploration zu erscheinen (vgl. die Ausführungen unter III 3), steht dem Gericht eine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung, wenn es das persönliche Erscheinen des Betroffenen zum Zwecke der gerichtlichen Anhörung erzwingen will (so die ganz herrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Lehre, vgl. OLG Zweibrücken MDR 2008, 570; OLG Bremen FamRZ 1989, 306; KG OLGZ 1988, 418, 422; BayObLG BayObLGZ 1970, 114, 117 f.; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242; Bumiller/Winkler aaO § 33 Rdn. 7; Keidel/Kuntze/ Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 191, Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt aaO § 50a Rdn. 16; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 71; a.A. Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 95). Für seit dem 1. September 2009 eingeleitete Verfahren regelt § 33 FamFG ausdrücklich die Anordnung und Durchsetzung des persönlichen Erscheinens. Aber auch das bis zum 31. August 2009 gültige Verfahrensrecht enthält insoweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werdende Grundlage. Die zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Vorschrift des § 50e FGG sieht insbesondere in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls eine Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten vor. Wird einem Beteiligten durch gerichtliche Verfügung aufgegeben, persönlich zu erscheinen, kann sich diese gerichtliche Verfügung daher auf eine gesetzliche Grundlage stützen, weshalb sie ihrerseits mit den Mitteln des § 33 FGG zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. zu dieser Voraussetzung des § 33 FGG BVerfG FamRZ 2004, 523).
34
bb) Darüber hinaus ist ebenfalls eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben, welcher darin liegt, dass das Gericht die Anhörung zwar in Anwesenheit eines Sachverständigen, allerdings ohne Befragung durch den Sachverständigen durchführt und dass es mit Hilfe des Sachverständigen aus den Äußerungen und dem Verhalten des Betroffenen Rückschlüsse auf dessen Erziehungseignung zieht. Eine derartige gesetzliche Grundlage ist in § 50e FGG i.V. mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu sehen (§ 286 ZPO), der über § 15 FGG auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet (Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 15 Rdn. 20; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 und § 15 Rdn. 63; vgl. jetzt § 37 FamFG). Danach gehört es im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu den Aufgaben des Tatrichters, den gesamten Verfahrensstoff zu würdigen, wozu nicht nur die Ergebnisse der Beweisaufnahme , sondern insbesondere auch die Erklärungen und Stellungnah- men der Verfahrensbeteiligten sowie der von ihnen hinterlassene persönliche Eindruck gehören (Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 m.w.N.; vgl. auch Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Aufl. § 37 Rdn. 9). Der Richter ist folglich unter anderem befugt, aus den Äußerungen und dem Verhalten eines Beteiligten im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung - ebenso wie aus sonstigen unstreitigen oder festgestellten Umständen - Schlüsse zu ziehen, welche seine Erziehungseignung betreffen. Fehlt indes dem Richter die notwendige Sachkunde, um diese Schlüsse selbst zu ziehen, umfasst der Grundsatz der freien Würdigung auch die Befugnis, sich insoweit der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Dieser ist lediglich Gehilfe des Richters, der ihm die notwendige Sachkunde vermittelt. Der mit der Würdigung einhergehende Eingriff in die Rechte des Beteiligten wird durch die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht intensiviert. Ein mit einer Exploration vergleichbarer Eingriff ist damit nicht verbunden.
35
cc) Schließlich verstößt der Eingriff in die Rechte der Mutter, welcher in der Anordnung und Erzwingung des persönlichen Erscheinens und in ihrer Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen zu sehen ist, auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass ein Beteiligter im Rahmen der gerichtlichen Anhörung nicht zur Äußerung gezwungen werden kann (OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 243; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Säcker FamRZ 1971, 81, 83), weshalb der Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht weniger schwer wiegt. In diesem Umfang tritt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Elternteils jedenfalls dann hinter dem mit Verfassungsrang ausgestalteten staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zurück, wenn dieser in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls die Mitwirkung an der Begutachtung verweigert, ohne Einbeziehung dieses Elternteils aber - wie das Oberlandesgericht meint - keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1666 BGB gewonnen werden kann. Denn in solchen Fällen stellt die gerichtliche Anhörung des Elternteils in Anwesenheit des Sachverständigen eine wichtige Möglichkeit für das Gericht dar, der aus § 12 FGG folgenden Aufklärungspflicht nachzukommen und dem Wächteramt des Staates auch verfahrensrechtlich gerecht zu werden.
36
Der Eingriff ist auch nicht mangels Eignung unverhältnismäßig. Zwar hat der psychiatrische Sachverständige ausgeführt, eine diagnostische Einordnung etwaiger psychopathologischer Auffälligkeiten setze eine psychiatrische Untersuchung voraus, ohne eine solche könne die Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht beurteilt werden. Jedoch hat der Sachverständige sein Gutachten bislang nur auf der Grundlage von der Mutter verfasster Schriftstücke erstattet. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sachverständige nach einer gerichtlichen Anhörung der Mutter in seiner Anwesenheit und unter Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes zu einer ausreichenden Grundlage für die Begutachtung gelangt oder zumindest dem Gericht die Sachkunde vermitteln kann, die es benötigt, um selbst unter Würdigung der gesamten unstreitigen und festgestellten Umstände und unter Einbeziehung auch eines familienpsychologischen Gutachtens (vgl. dazu unten c) zu einem ausreichenden Grad an Überzeugung zu gelangen. Gerade weil in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert sind, ist es dem Tatgericht verwehrt, sich mit einer entsprechenden sachverständigen Äußerung zufrieden zu geben, ohne sie zu hinterfragen und ohne noch vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
37
b) Ergänzend zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen war das Beschwerdegericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht gehalten , den Sachverständigen zu einer Begutachtung auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffes zu veranlassen. Hiervon konnte nicht deshalb abgesehen werden, weil insoweit sachdienliche Erkenntnisse nicht zu erwarten wa- ren (zu dieser Einschränkung der Amtsermittlung BGH Beschluss vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266). Vielmehr sind - neben den seitens des psychiatrischen Sachverständigen bislang berücksichtigten Umständen - noch weitere Anknüpfungstatsachen vorhanden, denen nicht von vornherein die Eignung abgesprochen werden kann, Rückschlüsse auf die Erziehungsfähigkeit der Mutter zuzulassen.
38
Zu nennen ist insoweit insbesondere das Verhalten der Mutter anlässlich der begleiteten Umgangstermine. Unter anderem hat die Mutter, wie sie selbst einräumt, ihrem damals 7-jährigen Kind aus Gesetzen und juristischen Kommentaren vorgelesen, um ihm aufzuzeigen, dass ihm Unrecht geschehe. Dieses Verhalten hätte Anlass geben müssen, mit sachverständiger Hilfe zu klären, ob die Mutter in der Lage ist, die altersgemäßen Bedürfnisse ihres Kindes einzuschätzen und danach zu handeln, wobei auf der anderen Seite auch zu problematisieren gewesen wäre, ob dieses in einer existenziellen Krisensituation zu beobachtende Verhalten auch Rückschlüsse auf die Erziehungseignung der Mutter unter "normalen" Verhältnissen - also insbesondere nach Rückführung ihrer Tochter - zulässt. Dasselbe gilt für die Verweigerung begleiteten Umgangs durch die Mutter mit der Folge, dass ein Kontakt zwischen Mutter und Kind über längere Zeit hinweg nicht zustande gekommen ist. Auch die Verweigerungshaltung , die die Mutter im Verfahren eingenommen hat, kann hier berücksichtigt werden. Insbesondere könnte diese Haltung die Schlussfolgerung nahe legen, dass die Mutter ihre eigenen Bedürfnisse über das Wohl des Kindes stellt.
39
Als weitere Anknüpfungstatsachen wären etwaige Wahnvorstellungen der Mutter in Betracht zu ziehen gewesen, die möglicherweise Beweggrund für die anfänglichen Aufenthaltswechsel waren. Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Vielmehr ergeben sich nach Aktenlage insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass der Wohnungsgeber in M. (Herr K.) Angaben werde machen können. Außerdem wäre noch zu klären gewesen, ob der Interneteintrag vom 8. März 2008 von der Mutter herrührt, in welchem die Einwohner Siebenbürgens vor einem möglichen Krieg in Deutschland gewarnt und aufgefordert werden , sich Dosen und Trinkwasser zu kaufen. Das Beschwerdegericht war hier gehalten, nach Vornahme ergänzender Ermittlungen dem Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO mitzuteilen, welche Anknüpfungstatsachen er der Begutachtung zugrunde legen solle.
40
Entsprechendes gilt für den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen des Kindes vor seiner Inobhutnahme, die beispielsweise - wie die Mutter angeregt hat - durch Vernehmung der ehemaligen Kindergarten-Erzieherinnen des Kindes in Anwesenheit der Sachverständigen ermittelt werden können. Auch Aussagen über den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen unmittelbar nach der Inobhutnahme hätten insoweit einbezogen werden müssen, wenn auch zusätzlich zu klären gewesen wäre, ob und inwieweit sich die Verhaltensweisen lediglich als Reaktion auf die Inobhutnahme darstellen.
41
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht die im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahme unterlassen, ein neues familienpsychologisches Gutachten einzuholen.
42
Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste Stellungnahme des psychologischen Sachverständigen, wonach das Kind aus psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte. Vor allem aber war das Gutachten deshalb nicht verwertbar, weil die psychologische Begutachtung des Kindes erfolgt war, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Mutter vorgelegen hätte (vgl. OLG Frankfurt FF 2000, 176; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Vogel FPR 2008, 617) und ohne dass von Seiten des Gerichts Maßnahmen ergriffen worden wären, die eine Begutachtung gegen den Willen der Mutter ermöglicht hätten. Insbesondere war zum Zeitpunkt der psychologischen Begutachtung des Kindes am 18. November 2008 der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juni 2008, mittels dem der Mutter vorläufig die gesamte elterliche Sorge entzogen worden war, bereits durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden.
43
Dass das seitens des Amtsgerichts eingeholte psychologische Gutachten nicht verwertbar war, hatte indes nicht zur Folge, dass die Ermittlungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts insofern ausgeschöpft waren. Vielmehr hätte das Beschwerdegericht seinerseits ein neues psychologisches Gutachten in Auftrag geben müssen, nachdem es selbst nicht über die nötige Sachkunde verfügte, um die Frage nach der Gefährdung des Kindeswohls aus psychologischer Sicht beurteilen zu können. Als Anknüpfungstatsachen wären hierbei unter anderem die vorstehend dargelegten Umstände (vgl. 5b) einzubeziehen gewesen , wobei das Beschwerdegericht wiederum gehalten gewesen wäre, den Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO anzuleiten. Auf diese Weise hätte insbesondere vermieden werden können, dass die Begutachtung erneut auf der Grundlage unzutreffender Anknüpfungstatsachen erfolgt. Einer erneuten Begutachtung stand auch nicht entgegen, dass laut dem bisher vorliegenden psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nicht möglich war. Wie bereits dargelegt wurde (vgl. 5a cc), war nicht ausgeschlossen , dass eine ergänzende psychiatrische Begutachtung noch ausreichende Erkenntnisse erbringen würde.
44
Einer erneuten psychologischen Begutachtung hätte die fehlende Zustimmung der Mutter zur Exploration des Kindes nicht entgegengestanden. Zunächst war nicht ausgeschlossen, dass ein psychologischer Sachverständiger auch ohne Exploration des Kindes eine ausreichende Grundlage hätte gewinnen können, um zur Frage der Kindeswohlgefährdung aus psychologischer Sicht Stellung nehmen zu können. Dies lag insbesondere deshalb nahe, weil das Beschwerdegericht vorliegend auch gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter befugt gewesen wäre, das Kind in Anwesenheit und unter Mitwirkung des Sachverständigen gerichtlich anzuhören (OLG Frankfurt FF 2000, 176, 177; OLG München FamRZ 1997, 45). Hiermit verbundene Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes und in das Elternrecht der Mutter wären dabei auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 15 FGG, 286 ZPO erfolgt. Insoweit können die zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen angestellten Erwägungen entsprechend herangezogen werden (vgl. oben 5a bb). Zudem wäre auch im Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt gewesen.
45
Falls ohne psychologische Untersuchung des Kindes keine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen wäre, hätte darüber hinaus die Möglichkeit bestanden, die Zustimmung der Mutter gemäß § 1666 Abs. 3 BGB zu ersetzen (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693 = FamRZ 2008, 2147 (LS); OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rdn. 224; Vogel FPR 2008, 617). Müsste das Gericht ohne psychologische Begutachtung des Kindes von Maßnahmen nach § 1666 BGB absehen, obwohl es eine Kindeswohlgefährdung nicht ausschließen könnte, wird eine Begutachtung regelmäßig zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung erforderlich sein (zu dieser Voraussetzung des § 1666 Abs. 3 BGB vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; OLG Frankfurt FF 2000, 176).

IV.

46
Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses noch weitere Feststellungen treffen und insbesondere die aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen kann. Nachdem die Aufhebung des Beschlusses auch die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts betrifft, ist die Anschlussbeschwerde gegenstandslos.
47
Für das weitere Vorgehen weist der Senat auf Folgendes hin:
48
1. Sollte die gerichtliche Anhörung der Mutter in Anwesenheit der Sachverständigen keine weiteren Erkenntnisse bringen, wird das Beschwerdegericht dennoch nicht davon entbunden sein, die sonstigen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten noch auszuschöpfen. Im Anschluss daran wird das Oberlandesgericht unter Würdigung aller Umstände zu prüfen haben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegeben sind oder nicht. Lediglich wenn das Beschwerdegericht weiterhin keine hinreichende Überzeugung gewinnen kann, wird eine Entscheidung auf der Grundlage der Feststellungslast in Betracht kommen.
49
2. Sollte das Beschwerdegericht im weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die seitens des Amtsgerichts beschlossenen Maßnahmen gemäß § 1666 BGB im Ausgangspunkt nicht (mehr) gerechtfertigt sind bzw. dass insoweit keine hinreichenden Feststellungen getroffen werden können, wird außerdem - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - zu prüfen sein, ob anstelle der Trennung des Kindes von seiner Mutter Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität gerechtfertigt sind (vgl. § 1666a BGB).
50
Vor allem aber wird zu erwägen sein, ob eine nahtlose Rückführung des Kindes zur Mutter dessen Wohl gefährdet. Dies dürfte - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - insbesondere dann nahe liegen, wenn bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts weiterhin kein (regelmäßiger) Kontakt zwischen Mutter und Kind zustande gekommen sein sollte. Bejahendenfalls wird zu erwägen sein, auf welche Weise einer derartigen Gefährdung begegnet werden kann, ob etwa die Rückführung des Kindes zur Mutter durch zunehmende Umgangskontakte vorbereitet werden sollte.
51
3. Weiter wird im Falle eines Erfolgs der Beschwerde der Mutter von einer Kostenerstattung zugunsten der Mutter nicht mit einer Begründung abgesehen werden können, die - wie die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss - auf ein vorwerfbares Verhalten der Mutter abstellt. Sollte das Verhalten der Mutter vor Einleitung des Verfahrens bei objektiver Betrachtung in Kenntnis aller Umstände nicht geeignet gewesen sein, eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu rechtfertigen, oder kann dies nicht festgestellt werden, so kann der Mutter dieses Verhalten nicht vorgeworfen werden, um auf diese Weise die Kostenentscheidung zu begründen.

V.

52
Der Antrag der Mutter, die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten aufzuheben und einen neuen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, war zurückzuweisen.
53
Dabei kann offen bleiben, ob der Mandant - ebenso wie der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO - das Recht hat, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen (zum Streitstand vgl. Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl.
§ 121 Rdn. 24). Jedenfalls fehlt es hier an dem dafür erforderlichen wichtigen Grund.
54
Insbesondere vermag der Hinweis der Mutter, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe nicht alle von ihr aufgezeigten Gesichtspunkte vorgebracht, ihrem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn es entspricht der Aufgabe des beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts, den Streitstoff auf diejenigen Gesichtspunkte zu konzentrieren, die nach seiner besonderen Sachkunde für eine dem Mandanten günstige Entscheidung Bedeutung haben können (BGH Beschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 259/08 - juris Tz. 5). Ebenso wenig kann ein wichtiger Grund in dem Umstand gesehen werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter keine Sachstandsanfragen an den Bundesgerichtshof gerichtet hat.
Hahne Vézina Dose Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 01.04.2008 - 408 F 3674/07 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 26.03.2009 - 4 UF 161/08 -

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 8. August 2012 - 4 K 1261/12 - geändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, den Antragsteller zu observieren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500.-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der am ... geborene Antragsteller wurde mit Urteil des ... ... vom ... wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Zu Grunde lag die Tötung eines 13-jährigen aus Eifersucht nach homosexuellem Verkehr. Mit Urteil des ... ... vom ... wurde der Antragsteller zu 4 Jahren Freiheitsstrafe wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt, da er einen 19-jährigen unter Würgen und Todesdrohungen zu Anal- und Oralverkehr gezwungen hatte. Das ... ... verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom ... wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten und ordnete dessen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB an. Zu Grunde lag unter anderem, dass der Antragsteller einen wegen frühkindlicher Hirnschädigung behinderten 20-jährigen zum Analverkehr gezwungen hatte. Das Strafende aus dieser Verurteilung war der ... Ab diesem Zeitpunkt befand sich der Antragsteller in Sicherungsverwahrung. Das OLG ... erklärte mit Beschluss vom 14.12.2011 - ... ... ... - die Sicherungsverwahrung für erledigt. Eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei nur zulässig, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sei und dieser an einer psychischen Störung im Sinne des ThUG leide. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Antragsteller leide an keiner relevanten psychischen Störung. Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 14.10.2011 lasse sich eine spezifische bzw. kombinierte Persönlichkeitsstörung nicht objektivieren. Es bestehe zudem auch keine auf gegenwärtige und konkrete Umstände in der Person oder im Verhalten des Antragstellers gestützte, durch die psychische Erkrankung bedingte hohe Rückfallgefahr. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ... ... gehe von dem Antragsteller keine Gefahr von Gewalt- oder Sexualdelikten aus. Dieser mit den früheren Prognosebeurteilungen in Widerspruch stehenden Bewertung schließe sich das Gericht an.
Nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung wurde der Antragsteller aufgrund von Verfügungen der Polizeidirektion ..., die auf §§ 1, 3, 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 6 PolG gestützt waren, durch Polizeibeamte fortlaufend überwacht. Den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zu verpflichten, es zukünftig zu unterlassen, ihn zu observieren, hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch nach § 123 VwGO bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Observation auf § 20 Abs. 3 PolG oder auf §§ 1, 3 PolG gestützt werden könne. Denn die Maßnahme sei überwiegend wahrscheinlich nach beiden Alternativen rechtmäßig. Nach dem Inhalt der dem Gericht vorgelegten Akten, namentlich den Risikobewertungen nach dem Sicherheitsprogramm "Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern" (KURS) vom 23.9.2010, vom 10.11.2011 und - zuletzt - vom 15.03.2012 einschließlich der vorliegenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten von ... ... ... vom 23.09.2010 und ... ... ... vom 14.10.2011 dürfte die Einschätzung des Antragsgegners, die Observation des Antragstellers sei derzeit (noch) zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen angezeigt, im Ergebnis voraussichtlich nicht zu beanstanden sein. Die letzte von der Gemeinsamen Zentralstelle beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (GZS) nach dem Sicherheitsprogramm KURS durchgeführte Risikobewertung vom 15.03.2012, an der drei Staatsanwälte, ein Psychologe und vier Polizeibeamte mitgewirkt hätten, sei nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse zu dem plausiblen Ergebnis gelangt, dass an der in der ersten Risikobewertung (KURS) vom 23.09.2010 vorgenommenen Einstufung des Antragstellers in die Gefahrenkategorie 1 (höchste Gefährdungsstufe) festzuhalten sei. Die Kammer halte die Bedenken der GZS an der Kriminalprognose von ... ... ... zumindest für sehr plausibel. Gefahrerhöhend wirke sich aus, dass sich der Antragsteller seit seiner Freilassung zunehmend unkooperativ gegenüber den ihn begleitenden Beamten gezeigt und Kontakte zu Personen geknüpft habe, die unter Aliasnamen aufträten und mit Sexualdelikten in Erscheinung getreten seien, während er ansonsten keine tragfähigen sozialen Kontakte habe. Außerdem konsumiere er inzwischen Alkohol, was bei seinen früheren Tatbegehungen taterleichternde und enthemmende Wirkung gehabt habe. Zudem weigere er sich entgegen der Weisung im Beschluss des Landgerichts ... vom 20.03.2012, sich bei der Forensischen Ambulanz ... vorzustellen.
Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt, der der Antragsgegner entgegengetreten ist.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat in der Sache Erfolg. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat Veranlassung, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss mit sehr ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung und unter eingehender Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erkenntnissen sowie im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung des Senats eine Rückfallgefahr beim Antragsteller bejaht. Der Senat hat in einem anderen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über den Antrag eines ehemals sicherungsverwahrten Straftäters, das Land Baden-Württemberg vorläufig zu verpflichten, die Observation umgehend einzustellen, mit Beschluss vom 08.11.2011 - 1 S 2538/11 - ausgeführt, es spreche einiges dafür, dass die längerfristige Observation von rückfallgefährdeten ehemals sicherungsverwahrten, entlassenen Straftätern noch eine Rechtsgrundlage im Polizeigesetz finde. Dabei bedürfe es im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Entscheidung, ob die polizeiliche Maßnahme unmittelbar auf die - verfassungskonform auszulegende - Regelung in § 22 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 PolG gestützt werden könne oder ob mit Blick darauf, dass diese Regelung die Datenerhebung zum Ziel habe, diese Zielrichtung aber bei der Observation ehemaliger Sicherungsverwahrter nicht im Vordergrund stehe, vielmehr auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 PolG) in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung der unter § 22 PolG genannten qualifizierten Tatbestandsvoraussetzungen sowie der in § 22 Abs. 6 und Abs. 8 PolG geregelten verfahrensrechtlichen Sicherungen als Ermächtigungsgrundlage zurückgegriffen werden müsse. Das rechtskräftige Urteil des EGMR, dass der Antragsteller jenes Verfahrens unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK in Sicherungsverwahrung untergebracht gewesen sei, stehe einer eigenständigen Gefahrenprognose für die Observation nicht entgegen. Diese stelle zwar einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Antragstellers auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar. Der Maßstab des Art. 5 Abs. 1 lit. c EGMR sei jedoch ein strengerer als der der Gefahr in § 22 Abs. 3 bzw. § 1 PolG. Gerade wenn es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, hier der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, gehe, dürften die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden. Neben dem noch während der Sicherungsverwahrung erstellten Gutachten vom 05.03.2010 sei bei der Gefahrenprognose das bei dem Antragsteller seit der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung beobachtete Verhalten zugrundezulegen. Bei der anstehenden Bewertungskonferenz sei auch zu eruieren, inwieweit Therapiefortschritte zu verzeichnen seien. Sollte danach eine konkrete Gefahr im dargelegten Sinn nicht mehr bejaht werden können, könnte die Fortdauer auch nicht auf der Grundlage des § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG angeordnet werden. Eine längerfristige Observation des Antragstellers jenes Verfahrens in der praktizierten Weise könne voraussichtlich auch bei einem Fortbestehen der Gefahrenlage nicht auf Dauer hingenommen werden, weil die damit einhergehenden Einschränkungen seiner privaten Lebensgestaltung mit zunehmender Dauer in unverhältnismäßiger Weise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingriffen. Für eine gewisse Übergangszeit erweise sich die Maßnahme indes noch als verhältnismäßig.
Das Bundesverfassungsgericht hat auf Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des Senats, den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts und die Anordnungen zur Observation der Polizeidirektion ausgeführt, dass die dauernde Observation des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstelle. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichere jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren könne.Es begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Gerichte angesichts des Gewichts der in Frage stehenden Rechtsgüter die vorhandene Rechtsgrundlage (§ 20 Abs. 3 PolG oder §§ 1, 3 PolG) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansähen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführten. Der Sache nach verstünden sie damit die polizeiliche Generalklausel dahingehend, dass sie es den Behörden ermögliche, auf unvorhergesehene Gefahrensituationen auch mit im Grunde genommen näher regelungsbedürftigen Maßnahmen vorläufig zu reagieren, und ermöglichten so dem Gesetzgeber, eventuelle Regelungslücken zu schließen. Dies sei - bei Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liege dann in der Verantwortung des Gesetzgebers hierauf zu reagieren oder in Kauf zu nehmen, dass solche Maßnahmen von den Gerichten auf Dauer als von der geltenden Rechtslage nicht als gedeckt angesehen würden.Die angegriffenen Entscheidungen genügten jedoch aus einem anderen Grund nicht den Voraussetzungen für die hier von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität im Bereich des grundrechtsrelevanten einstweiligen Rechtsschutzes. Die Gerichte dürften angesichts des mit einer solchen Observation verbundenen schweren Eingriffs, zumal wenn er zur Zeit nach der Auffassung der Verwaltungsgerichte wohl allein auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne, dem Beschwerdeführer nicht unter Berufung auf zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen im Wesentlichen nicht mehr aktuelle Erkenntnisse den einstweiligen Rechtsschutz versagen. Die Gerichte hätten ihre Entscheidung, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, vor allem darauf gestützt, dass sich aus einem psychiatrischen Gutachten vom 05.03.2010 ergebe, dass bei einem Verzicht auf eine Beobachtung des Beschwerdeführers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung von einer gewissen Rückfallgefahr auszugehen sei. Bei der maßgeblichen Berücksichtigung dieses Gutachtens hätten die Gerichte zum einen nicht ausreichend beachtet, dass die Begutachtung zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen bereits länger zurück gelegen habe.Zum anderen habe der Verwendung des Gutachtens vom 05.03.2010 spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs der Umstand entgegengestanden, dass die Begutachtung erfolgt sei, als der Beschwerdeführer sich noch in Sicherungsverwahrung befunden habe. Der Gutachter habe allenfalls vermuten können, wie der Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde. Nunmehr lebe der Beschwerdeführer aber seit geraumer Zeit unter vollständig veränderten Umständen, die es nicht angezeigt erscheinen ließen, eine so weitreichende Entscheidung wie die über die Fortsetzung einer fast durchgehenden polizeilichen Beobachtung auf veraltete Vermutungen zu stützen. In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in Grundrechte des Beschwerdeführers hätten die Gerichte ihre Entscheidungen - auch im Rahmen eines Eilverfahrens - nicht maßgeblich auf dieses weit zurückliegende Gutachten stützen dürfen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 08.11.2012 - 1 BvR 22/12 - juris).
Eine nach diesen Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, an die der Senat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden ist, ausreichende Gefahrenprognose für eine dauernde Observation des Antragstellers liegt nicht vor. Das letzte psychiatrische Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass bei dem Antragsteller eine Rückfallgefahr besteht, ist jenes von ... ... ... vom 23.09.2010. Es liegt daher mehr als zwei Jahre zurück und kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Gefahrenprognose zur Begründung der streitgegenständlichen Observation des Antragstellers nicht herangezogen werden. Das letzte Gutachten über den Antragsteller aus der Zeit der Sicherungsverwahrung, erstattet von ... ... ... am 14.10.2011, kommt hingegen zu einer Verneinung der Rückfallgefahr beim Antragsteller. Ein nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung erstelltes psychiatrisches Gutachten liegt nicht vor. Die Risikobewertungen der GZS nach dem Sicherheitsprogramm KURS stellen insofern keine ausreichenden kriminalprognostischen psychiatrischen Gutachten dar, die die Observation tragen könnten. Auch wenn bei der GZS an den durchgeführten Risikobewertungen ein Psychologe mitgewirkt hat, handelt es sich bereits deswegen nicht um für die Anordnung der Observation ausreichende psychiatrische Gutachten, weil ihnen keine eigenständige Exploration des Antragstellers zu Grunde liegt.
Auch aus nach der Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung eingetretenen Umständen ergibt sich keine hinreichende Gefahrenprognose für die Observation des Antragstellers. Die von dem Antragsgegner insoweit angeführten Umstände bleiben vage und stellen lediglich Mutmaßungen dar.
Die vier persönlichen Kontakte des Antragstellers zu ... ..., der unter Alias-Namen auftrete und wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten sei, in der Zeit nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung begründen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte. Von den von dem Antragsgegner insoweit als bedeutsam aufgeführten sieben Delikten stammen nur zwei aus der jüngeren Vergangenheit: Das Verfahren wegen Körperverletzung nach § 223 StGB wegen einer Tat vom 09.05.2010 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Für den Verdacht der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 1, 5 StGB vom 01.01.2012 liegt ein Verfahrensausgang nach Mitteilung des Antragsgegners noch nicht vor. Welcher Sachverhalt dem Strafverfahren zu Grunde liegt, ist bereits nicht benannt. Die weiteren fünf mitgeteilten Delikte stammen aus den Jahren 2006 und früher. Das Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften an Personen unter 18 Jahren gemäß § 184 StGB mit Tatdatum vom 22.11.2006 ist nach § 154 StPO eingestellt worden. Die versuchte Nötigung gemäß § 240 StGB vom Tattag 12.01.2006 ist mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten geahndet worden; den Tathergang, insbesondere ob es sich um eine Tat mit Bezug zu Sexualstraftaten handelt, hat der Antragsgegner nicht benannt. Der schwere sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176a StGB im Versuch mit Tatdatum vom 07.06.2005 ist lediglich mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 30.-- EUR geahndet worden. Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB mit Tatdatum vom 31.07.2003 ist nach § 170 Abs. 2 StPO, mithin mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Der sexuelle Missbrauch von Kindern gemäß § 176 StGB, der zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, geführt hat, stammt vom 09.05.1985, liegt also bereits mehr als 27 Jahre zurück. Aus den weiteren vom Antragsgegner angeführten Umständen, dass ... ... nach polizeilichen Erkenntnissen bislang mit zwölf Alias-Namen in Erscheinung getreten ist, dem Antragsteller eine Generalvollmacht per E-Mail übersandt hat und dass nach den Kontakten des Antragstellers zu ... ... eine deutliche Verschlechterung der Kommunikation/Kommunikationsbereitschaft des Antragstellers festzustellen ist, besagen nichts über eine konkret feststellbare Rückfallgefahr beim Antragsteller.
10 
Das Gleiche gilt für die vom Antragsgegner angeführte Kontaktaufnahme des Antragstellers am ... zu einem zehnjährigen Jungen, als der Antragsteller außerhalb des Wohnhauses auf einer Bierbank weilte und seinen Hund dabei hatte. Nach den Mitteilungen des Antragsgegners sprach der Antragsteller mit dem Jungen über seinen Hund, das Gespräch war von kurzer Dauer und bislang einmalig. Konkrete Umstände, die eine Rückfallgefahr belegten, werden damit nicht benannt. Auch der Umstand, dass es danach seitens des Antragstellers zu verbalen Attacken gegenüber dem feststellenden Polizeibeamten gekommen ist, dass er zu diesem Polizeibeamten sagte, dass er "bereit wäre für zehn Monate ins Gefängnis zu gehen, wenn er jemand umnieten müsste, da ihm das Gefängnis nichts ausmacht" und dass er behauptet, die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen zu haben, belegen eine hinreichende Gefährlichkeit konkret nicht. Verbale Ausfälle gegenüber den observierenden Polizeibeamten können Folge der andauernden Observation sein. Die zitierte Äußerung ist offensichtlich gegen einen Polizeibeamten gerichtet gewesen und zeigt keinen Bezug zu der Art von Sexualstraftaten, wegen derer der Antragsteller verurteilt worden ist. Der Umstand, dass der Antragsteller leugnet, die Taten, wegen derer er verurteilt wurde, begangen zu haben, ist aus Sicht des Senats nicht unproblematisch im Hinblick auf eine notwendige Auseinandersetzung des Antragstellers mit den begangenen Taten. Er ist für sich genommen jedoch nicht geeignet, die konkrete Gefahr eines Rückfalls zu belegen.
11 
Die vom Antragsgegner angeführten starken Stimmungsschwankungen des Antragstellers, die sich in aufbrausend aggressiven bis zu depressiven Verhaltensweisen äußerten, Unmutsäußerungen gegenüber den überwachenden Polizeibeamten mit aggressiv-drohendem Ton und der Suizidversuch des Antragstellers vom 20.12.2012 sind ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte, die eine konkrete, die Observation rechtfertigende Gefahr begründen könnten. Stimmungsschwankungen und aggressive Äußerungen gegenüber den Polizeibeamten können Folgen der dauernden Observation sein. Der Umstand des Suizidversuchs deckt sich mit den Feststellungen des Gutachters ... ... ..., der eine Rückfallgefahr beim Antragsteller unter anderem auch deswegen verneinte, weil nach seinen Feststellungen Aggressionen des Antragstellers sich gegen den Antragsteller selbst richten würden. Aus dem vom Antragsgegner ins Feld geführten Alkoholkonsum und dem Therapieverlauf des Antragstellers ergeben sich ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte für eine Rückfallgefahr des Antragstellers; woraus sich diese insoweit ergeben sollen, legt der Antragsgegner bereits nicht dar.
12 
Bei dieser Sachlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das letzte Gutachten aus der Zeit der Sicherungsverwahrung eine Rückfallgefahr verneint, das vorangegangene, eine Rückfallgefahr bejahende Gutachten mehr als zwei Jahre zurückliegt und ausreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr aus der Zeit nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlen, kommt die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Rückfallgefährdung beim Antragsteller durch den Senat im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht. Die von dem Antragsgegner angeordnete Observation des Antragstellers setzt im Zeitpunkt ihrer Anordnung eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person bzw. zur Vorbeugung der Bekämpfung von Verbrechen voraus. Eine solche kann derzeit mit hinreichender Sicherheit nicht festgestellt werden, insbesondere ergeben sich aus dem Verhalten des Antragstellers nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung keine greifbaren Tatsachen für eine solche Gefahr.
13 
Ergänzend bemerkt der Senat - der bereits im Beschluss vom 08.11.2011 darauf hingewiesen hat, dass die vorhandenen Ermächtigungsgrundlagen für eine Observation ehemals Sicherungsverwahrter voraussichtlich nur für eine Übergangszeit noch Anwendung finden können -, dass einiges dafür spricht, dass eine Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung ehemals Sicherungsverwahrter durch die Polizei auf der Grundlage des Polizeigesetzes Baden-Württemberg ggfs. nach einer Übergangszeit voraussichtlich einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedürfte.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.