vorgehend
Amtsgericht Augsburg, 408 F 3674/07, 01.04.2008
Oberlandesgericht München, 4 UF 161/08, 26.03.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 68/09
vom
17. Februar 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Art. 6; BGB § 1666; FGG §§ 12, 33; FamFG §§ 26, 29, 33

a) In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen
Grundlage nicht gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch
/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem
Sachverständigen zu erscheinen (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2009,
944 f.; 2004, 523 f.).

b) Verweigert in Verfahren nach § 1666 BGB ein Elternteil die Mitwirkung an der
Begutachtung, kann dieses Verhalten nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung
gewürdigt werden.

c) In Betracht kommt allerdings, den die Begutachtung verweigernden Elternteil
in Anwesenheit eines Sachverständigen gerichtlich anzuhören und zu diesem
Zweck das persönliche Erscheinen des Elternteils anzuordnen und gegebenenfalls
gemäß § 33 FGG durchzusetzen (vgl. auch § 33 FamFG).
BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 - OLG München in Augsburg
AG Augsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina sowie die Richter
Dose, Dr. Klinkhammer und Schilling

beschlossen:
1. Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Entpflichtung ihres Verfahrensbevollmächtigten und Beiordnung eines neuen Verfahrensvollmächtigten im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. 2. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 4. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 26. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei. 3. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des am 11. Dezember 2000 nichtehelich geborenen Kindes. Sie lebte zunächst mit dem Kind im Haus ihrer Eltern. Nachdem es innerhalb der Familie zu Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sich die Mutter Anfang 2007 an das beteiligte Jugendamt (im Folgenden : Jugendamt) mit der Bitte um ein Beratungsgespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurde für die Mutter eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 wechselte die Mutter gemeinsam mit ihrem Kind mehrfach ihren Aufenthaltsort , wobei sie sich abwechselnd in A. und M. aufhielt. Das Kind besuchte in dieser Zeit die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort. Ab dem 19. Dezember 2007 blieb das Kind dem Schulunterricht unentschuldigt fern. Jedenfalls in der Zeit vom 27. Dezember 2007 bis zum 3. Januar 2008 hielt sich die Mutter mit dem Kind in Österreich auf. In der Folgezeit reiste sie mit dem Kind nach Bolivien.
2
Auf eine Anregung des Jugendamts vom 20. Dezember 2007 hat das Familiengericht der Mutter mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht , das Recht zur Heilfürsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII vorläufig entzogen. Zur Begründung hat es insbesondere auf Wahnvorstellungen verwiesen, unter denen die Mutter leide. Sie habe ihren Umzug gegenüber der Familienhelferin damit begründet, dass sie im Jahre 2008 einen atomaren Vernichtungsschlag befürchte und im Falle eines solchen Angriffs mit ihrem Kind in einem Salzbergwerk vor der Strahlung Zuflucht finden wolle. Diesen Beschluss hat das Familiengericht am 10. Januar 2008 um einen Herausgabebeschluss und am 11. Januar 2008 um einen Durchsuchungsbeschluss erweitert. Mit Beschluss vom 1. April 2008 hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung "in der Hauptsache bestätigt“. Zur Begründung hat es auf die vorangegangenen Beschlüsse verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Vorgehensweise der Mutter, das Kind von einem Tag auf den anderen aus der Schule zu nehmen und seinem bisherigen Umfeld zu entreißen, entspreche nicht dem Kindeswohl.
3
Aufgrund des Beschlusses vom 1. April 2008 hat das Jugendamt das Kind am 12. April 2008 nach der Rückkehr aus Bolivien in Obhut genommen. Nachdem es zunächst in einer Pflegefamilie gelebt hatte, befindet sich das Kind gegenwärtig in einer Kinder- und Wohngemeinschaft.
4
Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat sich die Mutter geweigert, an einer sachverständigen Begutachtung mitzuwirken. Außerdem haben beide Großeltern des Kindes von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
5
Auf die Beschwerde der Mutter hat das Beschwerdegericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. April 2008 aufgehoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten hat es nicht angeordnet. Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt das Jugendamt die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Mutter wendet sich mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts.

B.

6
Die Rechtsbeschwerde des Jugendamts ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

7
Das Beschwerdegericht hat seine internationale Zuständigkeit bejaht. Dies begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
8
Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (Brüssel IIa-Verordnung = EuEheVO, vgl. EuGH FamRZ 2008, 125, 126). Nach Art. 8 EuEheVO sind - vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 EuEheVO - für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden, sind vorbehaltlich Art. 12 EuEheVO gemäß Art. 13 Abs. 1 EuEheVO die Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig , in dem sich das Kind befindet. Danach war die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts gegeben.
9
Hierbei kann offen bleiben, ob, wie die Mutter geltend macht, am 20. Dezember 2007 noch vor Eingang der Anregung des Jugendamts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in Österreich begründet war oder sich das Kind zumindest - nach Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland - dort befand. Denn das Kind hält sich seit Mitte April 2008 wieder in Deutschland auf und ist dort familiär und sozial integriert (vgl. insoweit EuGH FamRZ 2009, 843, 845; Senatsbeschluss vom 18. Juni 1997 - XII ZB 156/95 - FamRZ 1997, 1070). Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts war daher ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gegeben. Auch ein erst während des Verfahrens begründeter gewöhnlicher Aufenthalt führt indes zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 8 Abs. 1 EuEheVO, wenn nicht zuvor ein ausländisches Gericht in derselben Rechtssache angerufen wurde. Dass Art. 8 Abs. 1 EuEheVO auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellt, hat lediglich die Bedeutung, dass ein einmal angerufenes Gericht international zuständig bleibt, auch wenn das Kind während des Verfahrens in einem anderen als dem angerufenen Staat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erwirbt (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall eines erst im Verlaufe des Verfahrens erworbenen gewöhnlichen Aufenthalts im Staat des angerufenen Gerichts verbleibt es hingegen bei dem allgemeinen Grundsatz, wonach die Zuständigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen müssen. Eine andere Sichtweise hätte die der Prozessökonomie widersprechende Folge, dass sich das Gericht zunächst gemäß Art. 17 EuEheVO für unzuständig erklären müsste , aber im Anschluss angesichts des nunmehr bestehenden inländischen Aufenthalts sogleich ein neues Verfahren einleiten könnte (Geimer/Schütze/Dilger Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 8 EheVO Rdn. 7 und vor Art. 3 EheVO Rdn. 66; HK-ZPO/Dörner 3. Aufl. Art. 8 EheGVVO Rdn. 7; Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Bd. 1 Art. 8 Brüssel IIa-VO Rdn. 5; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1411).

II.

10
In der Sache hat das Oberlandesgericht Maßnahmen nach § 1666 BGB abgelehnt. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Gefährdung des Kindeswohls , die einen Eingriff in die elterliche Sorge der Mutter notwendig mache, sei derzeit nicht mit Sicherheit festzustellen, obwohl der Senat nachhaltig versucht habe, den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt aufzuklären und die der Antragstellung des Jugendamtes und der Entscheidung des Amtsgerichts zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen zu verifizieren.
11
Zwar habe die Zeugin G. von einem Gespräch berichtet, in welchem die Mutter die Wirtschaftskrise in den USA angesprochen und diese als Indiz dafür gewertet habe, dass ein atomarer Vernichtungsschlag drohe. Laut der Zeugin sei die Mutter nach M. gereist, weil dort die Möglichkeit bestünde, sich in einen Salzstollen zu flüchten. Auch habe die Zeugin - ebenso wie die Vertreterin des Jugendamts, die Pflegerin und die Verfahrenspflegerin - Bedenken hinsichtlich der psychischen Verfassung der Mutter angemeldet.
12
Das daraufhin in Auftrag gegebene psychiatrische Gutachten habe indes keinen ausreichenden Aufschluss gegeben. Der Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit bei der Mutter vorlägen, eine spezifische diagnostische Einordnung ohne persönliche Untersuchung der Mutter aber nicht möglich sei und eine Beurteilung der Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht erfolgen könne. Die Mutter habe jedoch eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen verweigert, eine zwangsweise Durchsetzung von Terminen beim Sachverständigen komme nicht in Betracht.
13
Auch das gegenüber dem Amtsgericht erstattete psychologische Gutachten , das zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden sei, ermögliche keine ausreichenden Feststellungen. Dieses komme zwar zu dem Ergebnis, dass eine Bewertung der rudimentären Daten auf eine erhebliche Einschränkung der Erziehungsfähigkeit der Mutter hindeuteten. Der Sachverständige habe jedoch seiner Begutachtung teilweise unzutreffende Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt. Ob und inwieweit das Gutachten daher ergänzungsbedürftig bzw. verwertbar sei und ob und inwieweit die Begutachtung des Kindes ohne Einverständnis der Mutter zulässig gewesen sei, sei aber nicht verfahrensrelevant. Entscheidend sei, dass auch nach dem psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage nicht ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens möglich sei. Letzteres sei jedoch nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen vorliegend ohne persönliche Untersuchung der Mutter nicht denkbar.
14
Weiter hätten die Großeltern des Kindes von ihrem Aussageverweigerungs - bzw. Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass auch insoweit eine weitere Aufklärung des zugrunde liegenden Sachverhalts nicht möglich sei.
15
Im Ergebnis lägen zwar Hinweise für eine psychopathologische Auffälligkeit der Mutter vor. Art und Umfang der Auffälligkeiten und die Auswirkungen auf die Erziehungsfähigkeit könnten jedoch auch nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht weiter aufgeklärt werden. Nachdem im Rahmen des § 1666 BGB eine objektive Feststellungslast zu Ungunsten der Mutter nicht bestehe, müsse eine Maßnahme nach § 1666 BGB unterbleiben, wenn der gesetzliche Tatbestand dieser Norm nicht festgestellt werden könne.
16
Nachdem die Mutter durch ihren permanenten Ortswechsel unter ständiger Herausnahme des Kindes aus dem bisherigen Umfeld zum Verfahren Ver- anlassung gegeben habe, sei es billig, wenn sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trage.

III.

17
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
18
1. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
19
2. Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige , in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - FamRZ 2005, 344, 345 m.w.N.).
20
Die Frage, ob im Falle der Rückkehr des Kindes zu seiner Mutter eine derartige Gefahr gegeben ist, hat das Beschwerdegericht zu Unrecht als nicht weiter aufklärbar angesehen. Ihm war es deswegen verwehrt, ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts die in Rede stehenden Maßnahmen nach § 1666 BGB zu unterlassen.
21
3. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Oberlandesgericht davon abgesehen hat, eine Untersuchung der Mutter durch den psychiatrischen Gutachter zu erzwingen. Eine derartige sachverständige Exploration berührt den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), welches grundsätzlich vor einer Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter schützt. Dieses Recht ist zwar nicht absolut geschützt, vielmehr sind Eingriffe grundsätzlich zulässig, sofern nur der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt wird. Allerdings erfordern Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine klare und unmissverständliche gesetzliche Grundlage. In Ermangelung einer derartigen Ermächtigungsgrundlage kann - von hier nicht einschlägigen Sonderbestimmungen abgesehen - niemand gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.
22
Als gesetzliche Grundlage können weder § 1666 BGB noch die §§ 12, 15 Abs. 1 FGG oder § 33 FGG herangezogen werden. § 33 FGG setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung bzw. Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat. Aus § 33 FGG selbst kann diese nicht hergeleitet werden (BVerfG FamRZ 2009, 944 f.; 2004, 523 f. m.w.N.; BGH Urteil vom 24. April 1952 - IV ZR 156/51 - LM § 32 EheG Nr. 3; OLG Stuttgart OLGZ 1975, 132 ff.; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 89).
23
4. Ebenso zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, dass im vorliegenden Verfahren keine materielle Feststellungslast zu Lasten der Mutter besteht. Vielmehr müssen, wenn in einem Verfahren nach § 1666 BGB die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht festgestellt wer- den können, entsprechende Maßnahmen unterbleiben (BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 214).
24
An dieser Feststellungslast des Staates vermag der Umstand, dass die Mutter die Begutachtung verweigert hat, nichts zu ändern. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war dieser Umstand auch nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 944, 945; a.A. OLG Naumburg FamRZ 2006, 282; OLG Koblenz FamRZ 2000, 1233; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1479, 1480).
25
Die Grundsätze der Beweisvereitelung können zwar auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anwendbar sein, ohne dass dem der Amtsermittlungsgrundsatz entgegenstünde (Senatsbeschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08 - FamRZ 2009, 1130, 1132 zum Versorgungsausgleich; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1095, 1096; OLGZ 1967, 74, 79 jeweils zum Erbscheinverfahren ; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 216; zum neuen Prozessrecht vgl. Prütting/Helms/Prütting FamFG § 27 Rdn. 10). Danach kann es Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweis- bzw. Feststellungslast zur Folge haben, wenn jemand seinem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht (BGH Urteil vom 23. Oktober 2008 - VII ZR 64/07 - NJW 2009, 360, 361 f. m.w.N.). Dabei vermag aber nur ein vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten den Vorwurf der Beweisvereitelung zu tragen, also ein Verhalten, das wider Treu und Glauben erfolgt und nach dem allgemeinen Rechtsempfinden als verwerflich erscheint (BGH Beschluss vom 26. September 1996 - III ZR 56/96 - NJW-RR 1996, 1534; Senatsurteil vom 27. Januar 1988 - IVb ZR 82/86 - FamRZ 1988, 482, 485).
26
Im vorliegenden Verfahren können diese Grundsätze indes nicht herangezogen werden. Darin, dass die Mutter die Mitwirkung an einer Begutachtung verweigert hat, kann kein missbilligenswertes Verhalten gesehen werden. Wie vorstehend ausgeführt wurde, berührt eine sachverständige Exploration das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen, weshalb sich die Weigerung der Mutter letztlich als Ausübung ihrer Grundrechte darstellt. Würde ihre Weigerung als missbilligenswertes Verhalten gewertet, welches beweisrechtliche Nachteile nach sich zöge, läge in dieser Würdigung zugleich ein ungerechtfertigter Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter (Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; vgl. auch BVerfGE 89, 69, 84).
27
5. Das Oberlandesgericht hat jedoch noch nicht alle gebotenen Ermittlungsansätze ausgeschöpft und damit seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG; jetzt § 26 FamFG) verletzt.
28
Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichtet das Gericht, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens alle zur Aufklärung des Sachverhalts dienlichen Ermittlungen anzustellen. Zwar braucht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgegangen zu werden. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH Beschlüsse vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266 und BGHZ 40, 54, 57; Rahm/Künkel/Schneider Handbuch des Familiengerichtsverfahrens Rdn. III B 58; Keidel/Sternal FamFG 16. Aufl. § 26 Rdn. 16 f.).
29
Besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung gelten in kindschaftsrechtlichen Familiensachen und insbesondere in Verfahren betref- fend die Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB. Denn die verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen, weshalb insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400; FamRZ 2002, 1021, 1023). Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verpflichtet ist (Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61; Leibholz/Rinck Grundgesetz Art. 6 Rdn. 637 ff.). Die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (BVerfG FamRZ 2009, 399, 400).
30
Sind demnach in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert, so kann insbesondere die Weigerung eines Beteiligten, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht ohne Konsequenzen für das Verfahren bleiben (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1166, 1168). Vielmehr ist das Tatgericht hier in besonderer Weise gehalten, die vorhandenen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen und auf diese Weise nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sich die Grundsätze der Feststellungslast zu Lasten des Kindes auswirken (vgl. Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 61).
31
Diesen gesteigerten Anforderungen an die Amtsermittlung ist das Beschwerdegericht nicht gerecht geworden.
32
a) Das Beschwerdegericht hat es versäumt, die Mutter in Anwesenheit eines psychiatrischen - und auch eines psychologischen - Sachverständigen gerichtlich anzuhören und hierzu das persönliche Erscheinen der Mutter anzuordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG zu erzwingen. Ein derartiges Vorgehen wäre vorliegend im Rahmen der Amtsermittlung geboten gewesen. Insbesondere ist die beschriebene Vorgehensweise grundsätzlich zulässig. Der Senat schließt sich insofern der ganz herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Lehre an (KG OLGZ 1988, 418, 421 ff.; BayObLG BayObLGZ 1972, 201, 204; 1970, 114, 116; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242 f.; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Böhm DAVorm 1985, 731, 733, 736; Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 33 Rdn. 7; Keidel/ Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 15 Rdn. 49; Säcker FamRZ 1971, 81, 83; Sauer FamRZ 2005, 1143, 1144; a.A. noch Jansen FGG 2. Aufl. § 12 Rdn. 68). Zwar ist auch mit einer Erzwingung des persönlichen Erscheinens vor Gericht zum Zwecke der Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen ein Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Betroffenen - insbesondere in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht - verbunden. Allerdings ist dieser Eingriff vorliegend gerechtfertigt, insbesondere ist hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden.
33
aa) Während der Betroffene mangels gesetzlicher Grundlage nicht gezwungen werden kann, vor einem Sachverständigen zum Zwecke der Exploration zu erscheinen (vgl. die Ausführungen unter III 3), steht dem Gericht eine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung, wenn es das persönliche Erscheinen des Betroffenen zum Zwecke der gerichtlichen Anhörung erzwingen will (so die ganz herrschende Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Lehre, vgl. OLG Zweibrücken MDR 2008, 570; OLG Bremen FamRZ 1989, 306; KG OLGZ 1988, 418, 422; BayObLG BayObLGZ 1970, 114, 117 f.; OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 242; Bumiller/Winkler aaO § 33 Rdn. 7; Keidel/Kuntze/ Winkler/Schmidt aaO § 12 Rdn. 191, Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt aaO § 50a Rdn. 16; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 71; a.A. Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 12 Rdn. 95). Für seit dem 1. September 2009 eingeleitete Verfahren regelt § 33 FamFG ausdrücklich die Anordnung und Durchsetzung des persönlichen Erscheinens. Aber auch das bis zum 31. August 2009 gültige Verfahrensrecht enthält insoweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werdende Grundlage. Die zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Vorschrift des § 50e FGG sieht insbesondere in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls eine Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten vor. Wird einem Beteiligten durch gerichtliche Verfügung aufgegeben, persönlich zu erscheinen, kann sich diese gerichtliche Verfügung daher auf eine gesetzliche Grundlage stützen, weshalb sie ihrerseits mit den Mitteln des § 33 FGG zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. zu dieser Voraussetzung des § 33 FGG BVerfG FamRZ 2004, 523).
34
bb) Darüber hinaus ist ebenfalls eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben, welcher darin liegt, dass das Gericht die Anhörung zwar in Anwesenheit eines Sachverständigen, allerdings ohne Befragung durch den Sachverständigen durchführt und dass es mit Hilfe des Sachverständigen aus den Äußerungen und dem Verhalten des Betroffenen Rückschlüsse auf dessen Erziehungseignung zieht. Eine derartige gesetzliche Grundlage ist in § 50e FGG i.V. mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu sehen (§ 286 ZPO), der über § 15 FGG auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung findet (Bumiller/Winkler FGG 8. Aufl. § 15 Rdn. 20; Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 und § 15 Rdn. 63; vgl. jetzt § 37 FamFG). Danach gehört es im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu den Aufgaben des Tatrichters, den gesamten Verfahrensstoff zu würdigen, wozu nicht nur die Ergebnisse der Beweisaufnahme , sondern insbesondere auch die Erklärungen und Stellungnah- men der Verfahrensbeteiligten sowie der von ihnen hinterlassene persönliche Eindruck gehören (Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rdn. 207 m.w.N.; vgl. auch Keidel/Meyer-Holz FamFG 16. Aufl. § 37 Rdn. 9). Der Richter ist folglich unter anderem befugt, aus den Äußerungen und dem Verhalten eines Beteiligten im Rahmen seiner gerichtlichen Anhörung - ebenso wie aus sonstigen unstreitigen oder festgestellten Umständen - Schlüsse zu ziehen, welche seine Erziehungseignung betreffen. Fehlt indes dem Richter die notwendige Sachkunde, um diese Schlüsse selbst zu ziehen, umfasst der Grundsatz der freien Würdigung auch die Befugnis, sich insoweit der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Dieser ist lediglich Gehilfe des Richters, der ihm die notwendige Sachkunde vermittelt. Der mit der Würdigung einhergehende Eingriff in die Rechte des Beteiligten wird durch die Hinzuziehung des Sachverständigen nicht intensiviert. Ein mit einer Exploration vergleichbarer Eingriff ist damit nicht verbunden.
35
cc) Schließlich verstößt der Eingriff in die Rechte der Mutter, welcher in der Anordnung und Erzwingung des persönlichen Erscheinens und in ihrer Anhörung in Anwesenheit eines Sachverständigen zu sehen ist, auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass ein Beteiligter im Rahmen der gerichtlichen Anhörung nicht zur Äußerung gezwungen werden kann (OLG Hamm OLGZ 1968, 239, 243; Bassenge/Roth FGG 11. Aufl. § 15 Rdn. 34; Säcker FamRZ 1971, 81, 83), weshalb der Eingriff in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht weniger schwer wiegt. In diesem Umfang tritt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Elternteils jedenfalls dann hinter dem mit Verfassungsrang ausgestalteten staatlichen Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) zurück, wenn dieser in Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls die Mitwirkung an der Begutachtung verweigert, ohne Einbeziehung dieses Elternteils aber - wie das Oberlandesgericht meint - keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1666 BGB gewonnen werden kann. Denn in solchen Fällen stellt die gerichtliche Anhörung des Elternteils in Anwesenheit des Sachverständigen eine wichtige Möglichkeit für das Gericht dar, der aus § 12 FGG folgenden Aufklärungspflicht nachzukommen und dem Wächteramt des Staates auch verfahrensrechtlich gerecht zu werden.
36
Der Eingriff ist auch nicht mangels Eignung unverhältnismäßig. Zwar hat der psychiatrische Sachverständige ausgeführt, eine diagnostische Einordnung etwaiger psychopathologischer Auffälligkeiten setze eine psychiatrische Untersuchung voraus, ohne eine solche könne die Erziehungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht beurteilt werden. Jedoch hat der Sachverständige sein Gutachten bislang nur auf der Grundlage von der Mutter verfasster Schriftstücke erstattet. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Sachverständige nach einer gerichtlichen Anhörung der Mutter in seiner Anwesenheit und unter Würdigung des gesamten Verfahrensstoffes zu einer ausreichenden Grundlage für die Begutachtung gelangt oder zumindest dem Gericht die Sachkunde vermitteln kann, die es benötigt, um selbst unter Würdigung der gesamten unstreitigen und festgestellten Umstände und unter Einbeziehung auch eines familienpsychologischen Gutachtens (vgl. dazu unten c) zu einem ausreichenden Grad an Überzeugung zu gelangen. Gerade weil in Kindschaftsverfahren die Anforderungen an die tatrichterliche Sachverhaltsaufklärung gesteigert sind, ist es dem Tatgericht verwehrt, sich mit einer entsprechenden sachverständigen Äußerung zufrieden zu geben, ohne sie zu hinterfragen und ohne noch vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen.
37
b) Ergänzend zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen war das Beschwerdegericht aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht gehalten , den Sachverständigen zu einer Begutachtung auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffes zu veranlassen. Hiervon konnte nicht deshalb abgesehen werden, weil insoweit sachdienliche Erkenntnisse nicht zu erwarten wa- ren (zu dieser Einschränkung der Amtsermittlung BGH Beschluss vom 24. November 1993 - BLw 53/92 - WM 1994, 265, 266). Vielmehr sind - neben den seitens des psychiatrischen Sachverständigen bislang berücksichtigten Umständen - noch weitere Anknüpfungstatsachen vorhanden, denen nicht von vornherein die Eignung abgesprochen werden kann, Rückschlüsse auf die Erziehungsfähigkeit der Mutter zuzulassen.
38
Zu nennen ist insoweit insbesondere das Verhalten der Mutter anlässlich der begleiteten Umgangstermine. Unter anderem hat die Mutter, wie sie selbst einräumt, ihrem damals 7-jährigen Kind aus Gesetzen und juristischen Kommentaren vorgelesen, um ihm aufzuzeigen, dass ihm Unrecht geschehe. Dieses Verhalten hätte Anlass geben müssen, mit sachverständiger Hilfe zu klären, ob die Mutter in der Lage ist, die altersgemäßen Bedürfnisse ihres Kindes einzuschätzen und danach zu handeln, wobei auf der anderen Seite auch zu problematisieren gewesen wäre, ob dieses in einer existenziellen Krisensituation zu beobachtende Verhalten auch Rückschlüsse auf die Erziehungseignung der Mutter unter "normalen" Verhältnissen - also insbesondere nach Rückführung ihrer Tochter - zulässt. Dasselbe gilt für die Verweigerung begleiteten Umgangs durch die Mutter mit der Folge, dass ein Kontakt zwischen Mutter und Kind über längere Zeit hinweg nicht zustande gekommen ist. Auch die Verweigerungshaltung , die die Mutter im Verfahren eingenommen hat, kann hier berücksichtigt werden. Insbesondere könnte diese Haltung die Schlussfolgerung nahe legen, dass die Mutter ihre eigenen Bedürfnisse über das Wohl des Kindes stellt.
39
Als weitere Anknüpfungstatsachen wären etwaige Wahnvorstellungen der Mutter in Betracht zu ziehen gewesen, die möglicherweise Beweggrund für die anfänglichen Aufenthaltswechsel waren. Zu Unrecht geht das Beschwerdegericht davon aus, dass insoweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist. Vielmehr ergeben sich nach Aktenlage insbesondere Anhaltspunkte dafür, dass der Wohnungsgeber in M. (Herr K.) Angaben werde machen können. Außerdem wäre noch zu klären gewesen, ob der Interneteintrag vom 8. März 2008 von der Mutter herrührt, in welchem die Einwohner Siebenbürgens vor einem möglichen Krieg in Deutschland gewarnt und aufgefordert werden , sich Dosen und Trinkwasser zu kaufen. Das Beschwerdegericht war hier gehalten, nach Vornahme ergänzender Ermittlungen dem Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO mitzuteilen, welche Anknüpfungstatsachen er der Begutachtung zugrunde legen solle.
40
Entsprechendes gilt für den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen des Kindes vor seiner Inobhutnahme, die beispielsweise - wie die Mutter angeregt hat - durch Vernehmung der ehemaligen Kindergarten-Erzieherinnen des Kindes in Anwesenheit der Sachverständigen ermittelt werden können. Auch Aussagen über den Entwicklungsstand und die Verhaltensweisen unmittelbar nach der Inobhutnahme hätten insoweit einbezogen werden müssen, wenn auch zusätzlich zu klären gewesen wäre, ob und inwieweit sich die Verhaltensweisen lediglich als Reaktion auf die Inobhutnahme darstellen.
41
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht die im Rahmen der Amtsermittlung gebotene Maßnahme unterlassen, ein neues familienpsychologisches Gutachten einzuholen.
42
Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings die seitens des Amtsgerichts veranlasste Stellungnahme des psychologischen Sachverständigen, wonach das Kind aus psychologischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zur Mutter zurückgeführt werden sollte, unberücksichtigt gelassen. Die Ergebnisse der Begutachtung konnten schon deshalb nicht ohne weiteres in die Würdigung einbezogen werden, weil der Sachverständige teilweise unzutreffende bzw. ungeklärte Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hatte. Vor allem aber war das Gutachten deshalb nicht verwertbar, weil die psychologische Begutachtung des Kindes erfolgt war, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Mutter vorgelegen hätte (vgl. OLG Frankfurt FF 2000, 176; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Vogel FPR 2008, 617) und ohne dass von Seiten des Gerichts Maßnahmen ergriffen worden wären, die eine Begutachtung gegen den Willen der Mutter ermöglicht hätten. Insbesondere war zum Zeitpunkt der psychologischen Begutachtung des Kindes am 18. November 2008 der Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juni 2008, mittels dem der Mutter vorläufig die gesamte elterliche Sorge entzogen worden war, bereits durch das Oberlandesgericht aufgehoben worden.
43
Dass das seitens des Amtsgerichts eingeholte psychologische Gutachten nicht verwertbar war, hatte indes nicht zur Folge, dass die Ermittlungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts insofern ausgeschöpft waren. Vielmehr hätte das Beschwerdegericht seinerseits ein neues psychologisches Gutachten in Auftrag geben müssen, nachdem es selbst nicht über die nötige Sachkunde verfügte, um die Frage nach der Gefährdung des Kindeswohls aus psychologischer Sicht beurteilen zu können. Als Anknüpfungstatsachen wären hierbei unter anderem die vorstehend dargelegten Umstände (vgl. 5b) einzubeziehen gewesen , wobei das Beschwerdegericht wiederum gehalten gewesen wäre, den Sachverständigen gemäß §§ 15 FGG, 404a Abs. 3 ZPO anzuleiten. Auf diese Weise hätte insbesondere vermieden werden können, dass die Begutachtung erneut auf der Grundlage unzutreffender Anknüpfungstatsachen erfolgt. Einer erneuten Begutachtung stand auch nicht entgegen, dass laut dem bisher vorliegenden psychologischen Gutachten eine gesicherte Aussage zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ohne Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nicht möglich war. Wie bereits dargelegt wurde (vgl. 5a cc), war nicht ausgeschlossen , dass eine ergänzende psychiatrische Begutachtung noch ausreichende Erkenntnisse erbringen würde.
44
Einer erneuten psychologischen Begutachtung hätte die fehlende Zustimmung der Mutter zur Exploration des Kindes nicht entgegengestanden. Zunächst war nicht ausgeschlossen, dass ein psychologischer Sachverständiger auch ohne Exploration des Kindes eine ausreichende Grundlage hätte gewinnen können, um zur Frage der Kindeswohlgefährdung aus psychologischer Sicht Stellung nehmen zu können. Dies lag insbesondere deshalb nahe, weil das Beschwerdegericht vorliegend auch gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter befugt gewesen wäre, das Kind in Anwesenheit und unter Mitwirkung des Sachverständigen gerichtlich anzuhören (OLG Frankfurt FF 2000, 176, 177; OLG München FamRZ 1997, 45). Hiermit verbundene Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes und in das Elternrecht der Mutter wären dabei auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 15 FGG, 286 ZPO erfolgt. Insoweit können die zur Anhörung der Mutter in Anwesenheit des Sachverständigen angestellten Erwägungen entsprechend herangezogen werden (vgl. oben 5a bb). Zudem wäre auch im Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt gewesen.
45
Falls ohne psychologische Untersuchung des Kindes keine hinreichende Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen wäre, hätte darüber hinaus die Möglichkeit bestanden, die Zustimmung der Mutter gemäß § 1666 Abs. 3 BGB zu ersetzen (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693 = FamRZ 2008, 2147 (LS); OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; Rahm/Künkel/Schneider aaO Rdn. III B 73; Staudinger/Coester BGB [2009] § 1666 Rdn. 224; Vogel FPR 2008, 617). Müsste das Gericht ohne psychologische Begutachtung des Kindes von Maßnahmen nach § 1666 BGB absehen, obwohl es eine Kindeswohlgefährdung nicht ausschließen könnte, wird eine Begutachtung regelmäßig zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung erforderlich sein (zu dieser Voraussetzung des § 1666 Abs. 3 BGB vgl. OLG Brandenburg OLGR 2008, 692, 693; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1210, 1211; OLG Frankfurt FF 2000, 176).

IV.

46
Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses noch weitere Feststellungen treffen und insbesondere die aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten ausschöpfen kann. Nachdem die Aufhebung des Beschlusses auch die Kostenentscheidung des Beschwerdegerichts betrifft, ist die Anschlussbeschwerde gegenstandslos.
47
Für das weitere Vorgehen weist der Senat auf Folgendes hin:
48
1. Sollte die gerichtliche Anhörung der Mutter in Anwesenheit der Sachverständigen keine weiteren Erkenntnisse bringen, wird das Beschwerdegericht dennoch nicht davon entbunden sein, die sonstigen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten noch auszuschöpfen. Im Anschluss daran wird das Oberlandesgericht unter Würdigung aller Umstände zu prüfen haben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entziehung insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegeben sind oder nicht. Lediglich wenn das Beschwerdegericht weiterhin keine hinreichende Überzeugung gewinnen kann, wird eine Entscheidung auf der Grundlage der Feststellungslast in Betracht kommen.
49
2. Sollte das Beschwerdegericht im weiteren Verlauf des Verfahrens zu dem Ergebnis kommen, dass die seitens des Amtsgerichts beschlossenen Maßnahmen gemäß § 1666 BGB im Ausgangspunkt nicht (mehr) gerechtfertigt sind bzw. dass insoweit keine hinreichenden Feststellungen getroffen werden können, wird außerdem - gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe - zu prüfen sein, ob anstelle der Trennung des Kindes von seiner Mutter Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität gerechtfertigt sind (vgl. § 1666a BGB).
50
Vor allem aber wird zu erwägen sein, ob eine nahtlose Rückführung des Kindes zur Mutter dessen Wohl gefährdet. Dies dürfte - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht - insbesondere dann nahe liegen, wenn bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts weiterhin kein (regelmäßiger) Kontakt zwischen Mutter und Kind zustande gekommen sein sollte. Bejahendenfalls wird zu erwägen sein, auf welche Weise einer derartigen Gefährdung begegnet werden kann, ob etwa die Rückführung des Kindes zur Mutter durch zunehmende Umgangskontakte vorbereitet werden sollte.
51
3. Weiter wird im Falle eines Erfolgs der Beschwerde der Mutter von einer Kostenerstattung zugunsten der Mutter nicht mit einer Begründung abgesehen werden können, die - wie die Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss - auf ein vorwerfbares Verhalten der Mutter abstellt. Sollte das Verhalten der Mutter vor Einleitung des Verfahrens bei objektiver Betrachtung in Kenntnis aller Umstände nicht geeignet gewesen sein, eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu rechtfertigen, oder kann dies nicht festgestellt werden, so kann der Mutter dieses Verhalten nicht vorgeworfen werden, um auf diese Weise die Kostenentscheidung zu begründen.

V.

52
Der Antrag der Mutter, die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten aufzuheben und einen neuen Verfahrensbevollmächtigten beizuordnen, war zurückzuweisen.
53
Dabei kann offen bleiben, ob der Mandant - ebenso wie der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO - das Recht hat, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen (zum Streitstand vgl. Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl.
§ 121 Rdn. 24). Jedenfalls fehlt es hier an dem dafür erforderlichen wichtigen Grund.
54
Insbesondere vermag der Hinweis der Mutter, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe nicht alle von ihr aufgezeigten Gesichtspunkte vorgebracht, ihrem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn es entspricht der Aufgabe des beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts, den Streitstoff auf diejenigen Gesichtspunkte zu konzentrieren, die nach seiner besonderen Sachkunde für eine dem Mandanten günstige Entscheidung Bedeutung haben können (BGH Beschluss vom 23. September 2009 - IV ZR 259/08 - juris Tz. 5). Ebenso wenig kann ein wichtiger Grund in dem Umstand gesehen werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter keine Sachstandsanfragen an den Bundesgerichtshof gerichtet hat.
Hahne Vézina Dose Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 01.04.2008 - 408 F 3674/07 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 26.03.2009 - 4 UF 161/08 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls


(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pf

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1666a Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen


(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil v

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 48 Pflicht zur Übernahme der Prozessvertretung


(1) Der Rechtsanwalt muß im gerichtlichen Verfahren die Vertretung einer Partei oder die Beistandschaft übernehmen, 1. wenn er der Partei auf Grund des § 121 der Zivilprozeßordnung, des § 4a Abs. 2 der Insolvenzordnung oder auf Grund anderer gesetzli

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 37 Grundlage der Entscheidung


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. (2) Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 27 Mitwirkung der Beteiligten


(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. (2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 29 Beweiserhebung


(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden. (2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeu

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 33 Persönliches Erscheinen der Beteiligten


(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin anordnen und ihn anhören, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Sind in einem Verfahren mehrere Beteiligte persönlich anzuhören, hat die Anh

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Tenor 1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. vom 07.07.2015, Az. UR II 1/14, wird zurückgewiesen. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend.

(3) Das Gericht hat die Ergebnisse der Beweiserhebung aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin anordnen und ihn anhören, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Sind in einem Verfahren mehrere Beteiligte persönlich anzuhören, hat die Anhörung eines Beteiligten in Abwesenheit der anderen Beteiligten stattzufinden, falls dies zum Schutz des anzuhörenden Beteiligten oder aus anderen Gründen erforderlich ist.

(2) Der verfahrensfähige Beteiligte ist selbst zu laden, auch wenn er einen Bevollmächtigten hat; dieser ist von der Ladung zu benachrichtigen. Das Gericht soll die Zustellung der Ladung anordnen, wenn das Erscheinen eines Beteiligten ungewiss ist.

(3) Bleibt der ordnungsgemäß geladene Beteiligte unentschuldigt im Termin aus, kann gegen ihn durch Beschluss ein Ordnungsgeld verhängt werden. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes kann wiederholt werden. Im Fall des wiederholten, unentschuldigten Ausbleibens kann die Vorführung des Beteiligten angeordnet werden. Erfolgt eine genügende Entschuldigung nachträglich und macht der Beteiligte glaubhaft, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft, werden die nach den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Anordnungen aufgehoben. Der Beschluss, durch den ein Ordnungsmittel verhängt wird, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(4) Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin anordnen und ihn anhören, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Sind in einem Verfahren mehrere Beteiligte persönlich anzuhören, hat die Anhörung eines Beteiligten in Abwesenheit der anderen Beteiligten stattzufinden, falls dies zum Schutz des anzuhörenden Beteiligten oder aus anderen Gründen erforderlich ist.

(2) Der verfahrensfähige Beteiligte ist selbst zu laden, auch wenn er einen Bevollmächtigten hat; dieser ist von der Ladung zu benachrichtigen. Das Gericht soll die Zustellung der Ladung anordnen, wenn das Erscheinen eines Beteiligten ungewiss ist.

(3) Bleibt der ordnungsgemäß geladene Beteiligte unentschuldigt im Termin aus, kann gegen ihn durch Beschluss ein Ordnungsgeld verhängt werden. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes kann wiederholt werden. Im Fall des wiederholten, unentschuldigten Ausbleibens kann die Vorführung des Beteiligten angeordnet werden. Erfolgt eine genügende Entschuldigung nachträglich und macht der Beteiligte glaubhaft, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft, werden die nach den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Anordnungen aufgehoben. Der Beschluss, durch den ein Ordnungsmittel verhängt wird, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(4) Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 50/08 Verkündet am:
16. Dezember 2009
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 1615 l Abs. 2, 1610, 1570, 1578 Abs. 1 Satz 1

a) Der Unterhaltsbedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes
bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums
, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines
Nichterwerbstätigen (zur Zeit 770 €) pauschaliert werden darf (im Anschluss
an das Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte keine kind- oder elternbezogenen Gründe für
eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten
Lebensjahres des Kindes hinaus vorgetragen, können solche nur insoweit
berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des sonst festgestellten
Sachverhalts auf der Hand liegen.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - OLG Hamm
AG Bocholt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2009 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterinnen Weber-Monecke und
Dr. Vézina und die Richter Dose und Schilling

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Februar 2008 wird auf Kosten der Klägerin zu 2 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten noch um Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB für die Zeit ab Mai 2006.
2
Die Klägerin zu 2 (im Folgenden: Klägerin) und der Beklagte lebten von September 1995 bis März 2006 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im November 1995 wurde der erste Sohn der Klägerin geboren, der aus einer anderen nichtehelichen Beziehung stammt. Im August 2000 wurde der gemeinsame Sohn der Parteien geboren, der seit August 2006 die Schule besucht.
3
Die im Jahre 1968 geborene Klägerin ist von Beruf Archäologin. Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie im Rahmen einiger Projekte des Landesamtes für Archäologie. Ihr dabei erzieltes Einkommen ist nicht vorgetragen.
Jedenfalls seit dem Jahre 2006 ist sie als freie Mitarbeiterin in der Lokalredaktion einer Tageszeitung tätig, woraus sie im Jahre 2006 durchschnittliche monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 206,59 € erzielte. Ihr monatlicher Beitrag zur Krankenversicherung beläuft sich auf 127,50 €. In der Zeit von April bis Juni 2006 erhielt die Klägerin zusätzlich Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 591,08 €. Die Klägerin leidet seit 1987 an Multipler Sklerose und musste deswegen in der Zeit vom 19. November bis zum 7. Dezember 2007 stationär behandelt werden.
4
Der Beklagte hat den Unterhaltsanspruch des gemeinsamen Sohnes, des früheren Klägers zu 1, mit Jugendamtsurkunde vom 17. August 2006 in Höhe von 135 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergeldes anerkannt.
5
Die Klägerin begehrt Betreuungsunterhalt für die Zeit ab Mai 2006 in Höhe von monatlich 908 €, wobei sie sich für die Zeit von Mai bis Juli 2006 eine Überzahlung in Höhe von monatlich 159 € anrechnen lässt. Ihren Unterhaltsbedarf hat sie aus einem vom Einkommen des Beklagten abgeleiteten Elementarunterhalt in Höhe von 765 € und weiterem Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe von 143 € monatlich errechnet.
6
Das Amtsgericht hat der Klage lediglich wegen eines Verzugsschadens in Höhe von insgesamt 209,96 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Oberlandesgericht für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 Unterhalt in Höhe von insgesamt 6.282 € (9 x 751 € abzüglich Überzahlung) zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie nach wie vor laufenden und unbefristeten monatlichen Unterhalt ab Mai 2006 in Höhe von 908 € abzüglich der für Mai bis Juli 2006 verrechneten Überzahlung begehrt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision hat keinen Erfolg. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar , weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2009, 1852 f.; OLG Stuttgart Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - veröffentlicht bei Juris; OLG Schleswig Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 2 W 152/09 - veröffentlicht bei Juris und OLG Dresden Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 3 W 1077/09 - veröffentlicht bei Juris).

I.

8
Das Oberlandesgericht hat der Klägerin lediglich Unterhalt für die Zeit bis einschließlich Januar 2007 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen , weil ihr Unterhaltsbedarf durch die im Rahmen einer zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkünfte gedeckt werden könne. Für die Zeit bis Januar 2007 stehe der Klägerin aus kind- und elternbezogenen Gründen nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen noch ein fortdauernder Unterhaltsanspruch aus § 1615 l BGB a.F. zu. Da die Klägerin das gemeinsame Kind während des nichtehelichen Zusammenlebens betreut habe, müsse der Beklagte ihr zunächst die Suche nach einer Ganztagsbetreuung für den gemeinsamen Sohn ermöglichen, bevor sie eine Erwerbstätigkeit übernehmen könne. Da die Klägerin trotz entsprechender Auflage nichts zu den Betreuungsmöglichkeiten vorgetragen habe, sei davon auszugehen, dass die Organisation einer solchen Ganztagsbetreuung kurzfristig möglich gewesen wäre, insbesondere für die Zeit nach der Einschulung im August 2006. Weil der Sohn bis zur Trennung der Parteien den Kindergarten besucht und sich im Übrigen auf die ständige Verfüg- barkeit der Mutter verlassen habe, erfordere sein Wechsel in eine Ganztagsbetreuung besondere Aufmerksamkeit und Zuwendung. Der Sohn scheine allerdings intellektuell und sozial gut entwickelt zu sein; von Lern- und Verhaltensauffälligkeiten sei nicht die Rede. Eine persönliche Betreuung durch die Mutter sei deswegen aus kindbezogenen Gründen nur bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres, also bis Januar 2007 erforderlich. Eine Verlängerung der persönlichen Betreuung des gemeinsamen Kindes über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus sei zwar auch aus elternbezogenen Gründen geboten, zumal die Klägerin vor der endgültigen Trennung keinen Anlass gehabt habe, ihr Leben umzustellen. Im Anschluss sei ihr aus Gründen des Vertrauensschutzes eine großzügige Orientierungsphase zur Anpassung an die neuen Lebensumstände und zur Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zuzubilligen. Auch die elternbezogenen Gründe stünden einer Erwerbspflicht der Klägerin aber lediglich bis einschließlich Januar 2007 entgegen. Das Maß des Unterhalts der Klägerin richte sich nach ihrer Lebensstellung. Weil die Klägerin vor der Aufnahme der Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten kein dauerhaftes Erwerbseinkommen erzielt habe und auch vor der Geburt des gemeinsamen Kindes nicht erwerbstätig gewesen sei, könne nur der notwendige Eigenbedarf als Maßstab für die eigene Lebensstellung der Klägerin herangezogen werden. Eine Teilnahme an der Lebensstellung des Beklagten komme trotz des langjährigen Zusammenlebens nicht in Betracht, weil der Beklagte in dieser Zeit lediglich freiwillige Leistungen erbracht habe, die er jederzeit wieder habe einstellen können. Die faktische Teilhabe könne deswegen keine Lebensstellung i.S. des § 1610 BGB begründen. Weil die Klägerin nur in geringem Umfang erwerbstätig sei, sei für die Zeit bis Januar 2006 nicht der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige, sondern ein Mittelwert zwischen diesem Selbstbehalt und dem Selbstbehalt für Nichterwerbstätige zugrunde zu legen, der seinerzeit 830 € monatlich betragen habe. Hinzuzurechnen sei ein Krankenvorsorgebedarf, der von dem am Selbst- behalt orientierten Eigenbedarf nicht abgedeckt sei. Zuzüglich dieses Betrages in Höhe von monatlich 127,50 € ergebe sich für diese Zeit ein Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 957,50 €. Nach Abzug der eigenen Einkünfte der Klägerin in Höhe von monatlich 206,59 € verbleibe ein Unterhaltsbedarf von monatlich 751 €. Für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 ergebe sich somit ein Gesamtbedarf von (9 x 751 € =) 6.759 €. Abzüglich der von der Klägerin akzeptierten Überzahlung in Höhe von insgesamt (3 x 159 € =) 477 € verbleibe die zugesprochene Unterhaltsforderung in Höhe von 6.282 €. Ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater des im November 1995 geborenen weiteren Kindes der Klägerin sei nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten stehe für diese Zeit nicht in Frage.
9
Für die Zeit ab Februar 2007 sei auf den Unterhaltsanspruch der Klägerin zunächst weiterhin die frühere Fassung des § 1615 l BGB anzuwenden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass der sich aus der Ungleichheit mit dem nachehelichen Betreuungsunterhalt ergebende verfassungswidrige Zustand bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber hinzunehmen sei. Es sei deswegen nicht möglich, der nichtehelichen Mutter Unterhalt nach dem Maßstab des früheren nachehelichen Betreuungsunterhalts gemäß § 1570 BGB a.F. zuzusprechen, um einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG zu beseitigen. Das verstoße gegen den eindeutigen Willen des Gesetzgebers und überschreite die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung. Auch die Reform des Betreuungsunterhalts führe nicht dazu, die gegenwärtige gesetzliche Regelung auf den Unterhaltsanspruch bis Ende Dezember 2007 anzuwenden, weil eine weitergehende verfassungskonforme Auslegung, als sie der Bundesgerichtshof zur früheren Fassung des § 1615 l BGB vertreten habe, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausscheide. Das Verbot einer rückwirkenden Belastung der Bürger habe ebenso Verfassungsrang, wie die Forderung nach der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder. Es sei davon aus- zugehen, dass der gemeinsame Sohn ab Februar 2007 in einer Schule mit Hort- und Hausaufgabenbetreuung hätte untergebracht werden können und er eine solche Fremdbetreuung auch verkraftet hätte. Die Klägerin habe deswegen ab Februar 2007 eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen. Weil sie keine Bemühungen die um Aufnahme einer solchen Erwerbstätigkeit dargelegt habe, seien ihr fiktiv erzielbare Einkünfte anzurechnen. Auf die von der Klägerin behauptete schubweise verlaufende Multiple Sklerose könne nicht abgestellt werden, weil der Beklagte im Rahmen des § 1615 l BGB keinen Krankheitsunterhalt schulde und die seit 1987 bestehende Krankheit der Klägerin auch nicht durch Schwangerschaft oder Entbindung verursacht worden sei. Weil die Klägerin nach ihrem Studium zumindest befristete Anstellungen in archäologischen Projekten gefunden habe, sei bei der Bemessung der ohne die Krankheit erzielbaren Einkünfte von einer realistischen Chance auf Anstellung im erlernten Beruf auszugehen. Aus einer vollschichtigen Tätigkeit könne sie monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von rund 1.840 € erzielen, genug, um den notwendigen Eigenbedarf abzudecken.
10
Für die Zeit ab Januar 2008 richte sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach der Neufassung des § 1615 l BGB. Selbst wenn sie von da an neben der verbleibenden Betreuung des gemeinsamen Sohnes nur eine halbschichtige Erwerbstätigkeit ausüben müsse, genüge das daraus erzielbare Einkommen zur Deckung des notwendigen Eigenbedarfs. Nach der gesetzlichen Neuregelung des § 1615 l BGB komme eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts der nichtehelichen Mutter über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus in Betracht, solange und soweit dies der Billigkeit entspreche. Zwar habe bereits das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass das Recht der Eltern auf Betreuung ihrer Kinder aus Art. 6 Abs. 2 GG einer Inanspruchnahme von Fremdbetreuung nicht entgegenstehe. Auch wenn kein sofortiger Wechsel zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit, sondern nur ein gestufter Übergang verlangt wer- den könne, sei die Klägerin neben der Betreuung ihres gemeinsamen Kindes für die Zeit ab Januar 2008 zumindest halbschichtig erwerbspflichtig. Da die Verfügbarkeit des betreuenden Elternteils für das Kind keine Rolle spiele, solange es während einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit fremdbetreut werde, könne nur die Arbeitsbelastung des betreuenden Elternteils gegen eine abrupte und für eine nur stufenweise Anhebung der Erwerbsobliegenheit sprechen. Die doppelte Belastung von Kinderbetreuung und beruflicher Tätigkeit sei im Rahmen der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit stets zu prüfen. Für den vorliegenden Fall ergebe sich jedenfalls eine halbschichtige Erwerbspflicht der Klägerin. Werde ein noch nicht acht Jahre altes Kind ab 16.00 Uhr aus einer Ganztagsbetreuung abgeholt, müsse der betreuende Elternteil sich der Kinderbetreuung für weitere vier bis viereinhalb Stunden widmen. Zwar könne die Betreuung des Kindes mit einigen Haushaltstätigkeiten verbunden werden. Andererseits müsse der Elternteil dem Kind auch intensiv zuhören und ihm Gelegenheit geben, seine Erlebnisse und Probleme aus der Fremdbetreuung aufzuarbeiten. Hinzu komme die Wahrnehmung von Arztterminen und Elterngesprächen. Selbst wenn die tägliche Mehrbelastung für ein Kind unter acht Jahren drei bis vier Stunden betrage, sei der betreuende Elternteil neben einer ganztägigen Fremdbetreuung wenigstens halbschichtig erwerbspflichtig. Aus einer solchen Erwerbstätigkeit könne die Klägerin auf der Grundlage ihres Berufes als Archäologin monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 1.096,24 € erzielen. Abzüglich der Kosten einer Ganztagsbetreuung von geschätzten 150 € verbleibe der Klägerin ein Einkommen, das ihren notwendigen Eigenbedarf von 900 € übersteige. Die Klage sei deswegen abzuweisen, soweit Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Februar 2007 geltend gemacht werden.
11
Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, weil umstritten sei, ob § 1615 l BGB a.F. für die Zeit bis Ende 2007 erweiternd auszulegen sei und in welchem Umfang der Mutter eines nichtehelichen Kindes nach der Neufas- sung des § 1615 l BGB eine Erwerbstätigkeit zuzumuten sei, und dies höchstrichterlicher Klärung bedürfe.

II.

12
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klage nur teilweise stattgegeben und sie für die Zeit ab Februar 2007 vollständig abgewiesen.
13
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts besteht allerdings dem Grunde nach ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt, weil es nur von einer halbschichtigen Erwerbsobliegenheit der Klägerin ausgegangen ist. Nur die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, was eine Abänderung zu ihren Lasten ausschließt. Für die Zeit ab Februar 2007 ist der Unterhaltsbedarf der Klägerin aber durch ihr im Rahmen einer halbschichtigen Erwerbstätigkeit erzielbares Einkommen gedeckt.
14
1. Im Ansatz zutreffend ist das Oberlandesgericht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin von einem Bedarf in Höhe des notwendigen Selbstbehalts ausgegangen.
15
Das Maß des nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Anspruchsberechtigten. Denn nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 BGB sind auf den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils eines nichtehelich geborenen Kindes die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und somit auch § 1610 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden. Anders als beim Trennungsunterhalt oder beim nachehelichen Unterhalt, bei denen der Bedarf von den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt wird (§§ 1361 Abs. 1, 1578 Abs. 1 BGB), sind daher die wirtschaftli- chen Verhältnisse des unterhaltspflichtigen Elternteils für die Bedarfsbemessung grundsätzlich nicht maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des unterhaltsberechtigten Elternteils bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes entwickelt hatten.
16
Im Unterhaltsrecht hat grundsätzlich der Unterhaltsberechtigte neben den übrigen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs auch seinen Unterhaltsbedarf und seine Bedürftigkeit darzulegen und zu beweisen, während der Unterhaltspflichtige eine eventuelle Leistungsunfähigkeit, auf die er sich beruft, beweisen muss (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 6 Rdn. 700 ff.). Dies folgt aus dem Grundsatz, dass jede Partei die Voraussetzungen der für sie günstigen Normen darzulegen und zu beweisen hat, sofern das Gesetz keine andere Beweislastverteilung regelt.
17
a) War der betreuende Elternteil bis zur Geburt des Kindes erwerbstätig, bemisst sich seine Lebensstellung nach seinem bis dahin nachhaltig erzielten Einkommen. Der Unterhaltsbedarf ist deswegen an diesem Einkommensniveau auszurichten, soweit dies nicht dazu führt, dass dem Unterhaltsberechtigten aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen insgesamt mehr zur Verfügung steht, als dem Unterhaltspflichtigen verbleibt (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443 f.).
18
Eine solche Lebensstellung hat das Berufungsgericht hier nicht festgestellt. Die Klägerin hatte, bevor sie mit dem Beklagten zusammenzog und ihr erstes Kind sowie später das gemeinsame Kind geboren hat, lediglich an einigen Projekten mitgearbeitet. Die daraus resultierenden Einkünfte hat die insoweit darlegungspflichtige Klägerin nicht vorgetragen.
19
b) Eine nachhaltig gesicherte Lebensstellung im Sinne der §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB kann sich zwar auch aus einem Unterhaltsan- spruch gegen einen früheren Ehegatten ergeben, wenn dieser Anspruch den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten bis zur Geburt des gemeinsamen Kindes nachhaltig gesichert hat (Senatsurteil vom 15. Dezember 2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443 f.). Auch einen solchen Unterhaltsbedarf hat die Klägerin hier aber nicht dargelegt.
20
c) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin bestimmen sich ihre Lebensstellung und damit ihr Unterhaltsbedarf auch nicht als Quotenunterhalt nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beklagten innerhalb ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
21
Der Senat hat bereits entschieden, dass sich die Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten im Sinne der §§ 1615 l Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB nicht allein aus den tatsächlichen Umständen ergibt, sondern stets eine nachhaltig gesicherte Rechtsposition voraussetzt. Wenn die Eltern - wie hier - vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes in nichtehelicher Gemeinschaft zusammengelebt haben, beruhte ein gemeinsamer Lebensstandard regelmäßig auf freiwilligen Leistungen des besser verdienenden Partners. Denn ein Unterhaltsrechtsverhältnis entsteht nicht schon mit der Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sondern gemäß § 1615 l BGB erst aus Anlass der Geburt eines gemeinsamen Kindes. Weil der Partner seine Leistungen vor Beginn des Mutterschutzes deswegen jederzeit einstellen kann und das Gesetz außerhalb von Verwandtschaft und Ehe lediglich den Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB vorsieht, ist der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ohne gemeinsames Kind erreichte tatsächliche Lebensstandard nicht geeignet, eine Lebensstellung für den späteren Unterhaltsanspruch zu begründen (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 284 ff. = FamRZ 2008, 1739, 1742; OLG Zweibrücken FuR 2000, 286 Tz. 28). Dafür spricht auch, dass sich der Unterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB nicht - wie der nacheheliche Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen - nach den Lebensverhältnissen in der nichtehelichen Gemeinschaft, sondern allein nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bemisst. Im Gegensatz zum nachehelichen Unterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) sieht der Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB deswegen auch keinen Aufstockungsunterhalt vor, der den Bedarf nach den eigenen Verhältnissen des Unterhaltsberechtigten nach Maßgabe eines von einem höheren Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgeleiteten Unterhaltsbedarfs erhöht.
22
Anderes gilt auch dann nicht, wenn aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mehrere gemeinsame Kinder hervorgegangen sind. Auch dann sind für einen späteren Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB die Verhältnisse bei Geburt des ersten Kindes maßgeblich. Denn diese Verhältnisse bestimmen zunächst - unabhängig von darüber hinaus gehenden freiwilligen Leistungen - als Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten die Höhe des Unterhaltsbedarfs während der Erziehung und Betreuung des ersten Kindes. Dieser Unterhaltsbedarf wiederum bestimmt als Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten regelmäßig auch den Unterhaltsbedarf nach der Geburt des weiteren Kindes. Der Betreuungsunterhalt aus Anlass der Betreuung und Erziehung eines weiteren Kindes kann allenfalls dann auf einen höheren Unterhaltsbedarf gerichtet sein, wenn der betreuende Elternteil zwischenzeitlich, z.B. durch ein nachhaltig gesichertes höheres Einkommen, eine höhere Lebensstellung erworben hatte (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 284 ff. = FamRZ 2008, 1739, 1742).
23
Die tatsächlichen Verhältnisse während des nichtehelichen Zusammenlebens vor der Geburt des gemeinsamen Kindes konnten deswegen keine Lebensstellung im Sinne der §§ 1615 l Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 1610 Abs. 1 BGB begründen.
24
d) Mangels eines konkret feststellbaren höheren Lebensbedarfs ist das Berufungsgericht schließlich zu Recht von einem Mindestbedarf der Klägerin ausgegangen.
25
aa) Die Frage, ob für einen Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB generell von einem Mindestbedarf ausgegangen werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig.
26
Teilweise wird ein Mindestbedarf mit der Begründung abgelehnt, die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes sei sonst besser gestellt als die Mutter eines ehelich geborenen Kindes, die nach der Rechtsprechung des Senats keinen pauschalen Mindestbedarf verlangen könne (OLG Köln FamRZ 2001, 1322; OLG Zweibrücken FuR 2000, 286, 288; Puls FamRZ 1998, 865, 873).
27
Überwiegend wird hingegen die Auffassung vertreten, für den Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB müsse ein Mindestbedarf gelten, da der angemessene Unterhalt im Sinne des § 1610 Abs. 1 BGB das Existenzminimum nicht unterschreiten könne (OLG Karlsruhe NJW 2004, 523; OLG Hamm FF 2000, 137; Palandt/Diederichsen BGB 69. Aufl. Rdn. 24 f.; Scholz in Scholz/ Stein Praxishandbuch Familienrecht Teil K Rdn. 818 d; Büttner/Niepmann NJW 2001, 2218; AnwK-BGB/Schilling § 1615 l Rdn. 16; Wendl/Pauling aaO § 7 Rdn. 27; Göppinger/Wax/Maurer Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rdn. 1328; Hoppenz/ Hülsmann Familiensachen 8. Aufl. § 1615 l BGB Rdn. 9; Schnitzler/Wever Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht 2. Aufl. § 10 Rdn. 50 und 59; Eschenbruch/Klinkhammer/Menne Der Unterhaltsprozess 5. Aufl. Teil 4 Rdn. 44; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 10. Aufl. Rdn. 215; Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1615 l BGB Rdn. 34; Hamm Strategien im Unterhaltsrecht 2. Aufl. Rdn. 40; FA-FamR/Gerhardt 7. Aufl. 6. Kap. Rdn. 396 und 731; FA-FamR/Maier 7. Aufl.
6. Kap. Rdn. 542; Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz Rdn. 370; Ehinger/ Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 311 f.; Heiß in Heiß/ Born Unterhaltsrecht 14. Kap. Rdn. 56; vgl. auch Nr. 18 der Leitlinien der Oberlandesgerichte

).

28
bb) Der Senat konnte diese Rechtsfrage bislang dahinstehen lassen (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743). Lediglich für Fälle, in denen sich der Unterhaltsbedarf nach der Lebensstellung im Zeitpunkt der Geburt aus einem Unterhaltsanspruch gegen einen früheren Ehegatten ableitet und dieser Bedarf geringer ist als der Mindestbedarf, hat er - wie bislang beim Ehegattenunterhalt - einen Mindestbedarf abgelehnt (Senatsurteile vom 17. Januar 2007 - XII ZR 104/03 - FamRZ 2007, 1303, 1304 f. und vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 808). Daran hält der Senat nicht mehr fest.
29
(1) Der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB soll dem Berechtigten - wie auch der nacheheliche Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB - eine aus kind- und elternbezogenen Gründen notwendige persönliche Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes in den ersten Lebensjahren ermöglichen. Damit der betreuende Elternteil daran nicht durch eine Erwerbstätigkeit gehindert ist, darf sein Unterhaltsbedarf nicht unterhalb des Existenzminimums liegen, zumal er sonst in weiterem Umfang, als es nach den kind- und elternbezogenen Gründen angemessen ist, erwerbstätig sein müsste. Ein Unterhaltsbedarf unterhalb des Existenzminimums würde die im Einzelfall notwendige persönliche Betreuung nicht sicherstellen.
30
(2) In Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Elternteil vor der Geburt des Kindes von Sozialleistungen gelebt hat, kann dessen Lebensstellung nicht mit Null angesetzt werden, weil sonst für diesen Elternteil ein Unterhaltsan- spruch nach § 1615 l Abs. 2 BGB von vornherein ausgeschlossen wäre. In solchen Fällen ergibt sich die Lebensstellung vielmehr aus der Höhe der gezahlten Sozialleistung, weil Einkünfte in dieser Höhe nach den §§ 8 ff. SGB XII gesetzlich garantiert sind. Entsprechend ist auch Unterhaltsberechtigten mit geringeren Einkünften ein solcher Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums zuzubilligen , weil ihr Bedarf nicht geringer sein kann, als der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten ohne eigene Einkünfte. Auch diese Unterhaltsberechtigten haben eine gesicherte Lebensstellung in Höhe des Existenzminimums, weil sie neben ihren geringen Einkünften aufstockende Sozialhilfe beantragen können.
31
(3) Frühere Erwägungen des Senats, die zur Sicherung des seinerzeit noch gleichrangigen Kindesunterhalts einem Mindestunterhalt des betreuenden Elternteils entgegenstanden (Senatsurteile vom 17. Januar 2007 - XII ZR 104/03 - FamRZ 2007, 1303, 1304 f. und vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806, 808), gelten heute nicht mehr. Schon zum früheren Unterhaltsrecht hatte der Senat im Rahmen der wegen des Gleichrangs des Unterhalts minderjähriger Kinder und des nachehelichen Unterhalts gebotenen Mangelfallberechnung Einsatzbeträge gewählt, die eine gleichmäßige Aufteilung des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens ermöglichten (Senatsurteil vom 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 - FamRZ 2003, 363, 365 f.). Inzwischen hat der Gesetzgeber durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 in § 1612 a BGB einen Mindestunterhalt für minderjährige Kinder eingeführt, der sich am steuerlichen Kinderfreibetrag orientiert. Entscheidend ist aber, dass der Unterhaltsanspruch minderjähriger und privilegiert volljähriger Kinder jetzt nach § 1609 Nr. 1 BGB allen anderen Unterhaltsansprüchen vorgeht. Die Höhe des Bedarfs nachrangiger Unterhaltsberechtigter hat deswegen auf die Leistungsfähigkeit für den Unterhalt minderjähriger Kinder keine Auswirkungen mehr (zur Bedarfsbemessung vgl. Senatsurteil BGHZ 178, 79, 83 f. = FamRZ 2008, 2189, 2190).
32
(4) Auch der Grundsatz der Halbteilung steht einem Mindestbedarf beim Betreuungsunterhalt nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats bleibt dem Unterhaltspflichtigen regelmäßig ein Selbstbehalt von seinen eigenen Einkünften, dessen Höhe zwar von der Art seiner Unterhaltspflicht abhängig ist, der den nur geringfügig über dem Existenzminimum pauschalierten Mindestbedarf aber keinesfalls unterschreitet (Senatsurteil vom 9. Januar 2008 - XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594, 596 f.). Gegenüber dem nachehelichen Unterhalt und dem Unterhalt wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes nach § 1615 l BGB beträgt der Selbstbehalt regelmäßig 1.000 € (BGHZ 166, 351, 156 = FamRZ 2006, 683, 684). Damit verbleibt dem Unterhaltspflichtigen von seinen eigenen Einkünften jedenfalls mehr, als dem Unterhaltsberechtigten - orientiert am Existenzminimum - als Mindestbedarf zusteht.
33
(5) Soweit ein Mindestbedarf im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1615 l Abs. 2 BGB mit der Erwägung abgelehnt wird, dem Elternteil eines nichtehelich geborenen Kindes könne kein höherer Bedarf zustehen als einem geschiedenen Ehegatten, der ein gemeinsames Kind betreut, überzeugt auch dies nicht. Dieses Argument betrifft das Verhältnis zwischen dem Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB und dem nachehelichen Unterhalt. Die Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mindestbedarf sprechen, gelten in gleicher Weise auch für den gesamten Ehegattenunterhalt. Auch insoweit kann der Bedarf das Existenzminimum nicht unterschreiten. Soweit der Senat darauf abgestellt hat, dass ein pauschalierter Mindestbedarf den nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessenden individuellen Bedarf nicht übersteigen dürfe (Senatsurteil vom 16. April 1997 - XII ZR 233/95 - FamRZ 1997, 806), ist zu berücksichtigen, dass die Ehegatten auch in ihrer Ehezeit jedenfalls einen Mindestlebensstandard in Höhe des Existenzminimums hatten.
34
cc) Da der Mindestbedarf nach dem Zweck einer Sicherung des notwendigen Bedarfs am Existenzminimum ausgerichtet ist, erfordert dies unterhaltsrechtlich eine Pauschalierung, die der Senat auch in anderem Zusammenhang nach Maßgabe des notwendigen Selbstbehalts vorgenommen hat (vgl. BGHZ 166, 351, 356 = FamRZ 2006, 683, 684 zum Selbstbehalt).
35
(1) Soweit in der Literatur sogar ein Mindestbedarf in Höhe des angemessenen Bedarfs von zurzeit 1.000 € monatlich befürwortet wird (FA-FamR/ Gerhardt 7. Aufl. 6. Kap. Rdn. 396 und 731), überzeugt dies nicht.
36
Der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten kann nicht mit dem entsprechenden Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen gleichgesetzt werden (vgl. insoweit Senatsurteile vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - zur Veröffentlichung bestimmt und BGHZ 179, 196, 206 f. Tz 30 f. = FamRZ 2009, 411, 414).
37
Soweit außerdem vertreten wird, der angemessene Unterhalt nach § 1610 Abs. 1 BGB könne nicht auf das Existenzminimum beschränkt bleiben, verkennt diese Meinung, dass es hier lediglich um einen Mindestbedarf geht, der die unterste Schwelle des Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen bildet.
38
(2) Im Rahmen der gebotenen Pauschalierung ist für einen Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums nicht auf den Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen abzustellen. Der am Existenzminimum orientierte Mindestbedarf kann sich lediglich nach dem Betrag richten, der einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen als notwendiger Selbstbehalt zur Verfügung steht und gegenwärtig nach der Düsseldorfer Tabelle und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte 770 € beträgt. Der darüber hinausgehende Selbstbehalt des Erwerbstätigen (900 €) schließt einen Erwerbsanreiz ein (Wendl/Klinkhammer aaO § 2 Rdn. 260 ff., 267), der auf Seiten des Unter- haltspflichtigen seine Berechtigung hat, aber nicht in gleicher Weise auf den Unterhaltsberechtigten übertragen werden kann. Denn dieser ist ohnehin gehalten , im Rahmen seiner Möglichkeiten den eigenen Lebensbedarf sicherzustellen. Die in dem Differenzbetrag zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines Erwerbstätigen und demjenigen eines nicht Erwerbstätigen ebenfalls enthaltenen gemischten Aufwendungen haben zunehmend an Bedeutung verloren (vgl. Klinkhammer FamRZ 2007, 85, 87 ff.). Weil der pauschalierte notwendige Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen über das Existenzminimum hinausgeht, sind diese Aufwendungen bereits darin enthalten. Soweit der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte erzielt, können die damit verbundenen erwerbsbedingten Aufwendungen wie beim Pflichtigen abgesetzt werden (vgl. Wendl/Dose aaO § 1 Rdn. 87 ff.).
39
e) Weil die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin einen höheren Unterhaltsbedarf nicht dargelegt hat, ist das Berufungsgericht zu Recht von einem Mindestbedarf ausgegangen, der allerdings auf den notwendigen Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen und somit auf gegenwärtig 770 € monatlich begrenzt ist. Auch zuzüglich eines im Rahmen des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB zusätzlich geschuldeten Krankenvorsorgeunterhalts, der sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für die Zeit vor Beginn der mindestens halbschichtigen Erwerbspflicht auf monatlich 127,50 € belief, bleibt der Unterhaltsbedarf der Klägerin hinter dem vom Oberlandesgericht berücksichtigten Bedarf zurück. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch das von der Klägerin im Jahre 2006 tatsächlich erzielte Einkommen auf diesen Bedarf angerechnet. Denn dafür, dass dieses monatliche Einkommen in Höhe von 206,59 € im Hinblick auf das Alter des gemeinsamen Kindes von fast sechs Jahren überobligatorisch war, hat die Klägerin nichts vorgetragen. Solche Umstände sind im Hinblick auf den Kindergarten- und Schulbesuch, den fehlenden Vortrag zur Vollzeitbetreuung des gemeinsamen Sohnes und das geringe Einkommen auch sonst nicht ersichtlich.
40
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 deswegen lediglich einen Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 751 € abzüglich der unstreitig insgesamt überzahlten 477 € zugesprochen hat, ist dies also nicht zu beanstanden. Für die Zeit von Mai 2006 bis Januar 2007 steht der Klägerin kein Unterhaltsanspruch zu, der den vom Oberlandesgericht zugesprochenen Betrag übersteigt.
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2. Zutreffend hat das Oberlandesgericht den weiteren Antrag der Klägerin auf Unterhalt für die Zeit ab Februar 2007 abgewiesen, weil sie ihren Unterhaltsbedarf für diese Zeit durch eigene Einkünfte decken kann. Denn es hat eine jedenfalls halbschichtige Erwerbsobliegenheit der Klägerin angenommen und ein daraus erzielbares fiktives Einkommen berücksichtigt. Dies ist weder auf der Grundlage des ab Februar 2007 zunächst noch geltenden früheren Rechts noch auf der Grundlage der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Neufassung des § 1615 l BGB zu beanstanden.
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a) Für Unterhaltsansprüche, die bereits vor dem 1. Januar 2008 fällig waren , bleibt nach § 36 Nr. 7 EGZPO das frühere Recht, hier also § 1615 l Abs. 2 BGB a.F., anwendbar. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin entfällt die Anwendbarkeit des früheren Rechts auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Das Bundesverfassungsgericht hat die frühere Regelung des § 1615 l Abs. 2 BGB allein gemäß Art. 6 Abs. 5 GG wegen gleichheitswidriger Behandlung des nachehelichen Betreuungsunterhalts und des Unterhalts wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes für verfassungswidrig erklärt. Es hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2008 eine diesem Umstand genügende Regelung zu treffen. Bis zur Neuregelung des verfas- sungswidrigen Zustands war die frühere Regelung allerdings nach den ausdrücklichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts hinzunehmen (BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965, 973 Tz. 77).
43
Die frühere Fassung des § 1615 l Abs. 2 BGB, die dem betreuenden Elternteil eines nichtehelichen Kindes einen in der Regel auf drei Jahre begrenzten Unterhaltsanspruch mit der Möglichkeit einer Verlängerung einräumte, verstieß nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Schon im Rahmen dieser Regelung hatte der Gesetzgeber sichergestellt, dass der das Kind betreuende Elternteil während der ersten drei Lebensjahre des Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgehen musste, sondern sich dem Kind widmen und damit seiner Elternverantwortung nachkommen durfte (vgl. Dose JAmt 2009, 1 f.). Die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auf in der Regel drei Jahre ist im Lichte des Art. 6 Abs. 2 GG nicht zu beanstanden. Zum einen liegt es in der Einschätzungskompetenz des Gesetzgebers, für wie lange er es aus Kindeswohlgesichtspunkten für erforderlich und dem unterhaltspflichtigen Elternteil zumutbar erachtet, die persönliche Betreuung des Kindes durch einen Elternteil mit Hilfe eines Unterhaltsanspruchs zu ermöglichen. Zum anderen hat er in § 24 SGB VIII jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr einen Anspruch auf Besuch einer Tageseinrichtung eingeräumt. Damit hat er sichergestellt, dass ein Kind ab diesem Alter in der Regel eine außerhäusliche Betreuung erfahren kann, während sein Elternteil einer Erwerbstätigkeit nachgeht (BVerfGE 118, 45 = FamRZ 2007, 965, 972 Tz. 73; Puls FamRZ 1998, 865, 870 f.). Schließlich hatte der Senat auf der Grundlage des früheren Rechts entschieden, dass die Möglichkeit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach § 1615 l Abs. 2 BGB a.F. in verfassungskonformer Auslegung der dafür relevanten kindbezogenen und elternbezogenen Gründe weit auszulegen sei (Senatsurteil BGHZ 168, 245, 260 f. = FamRZ 2006, 1362, 1366 f.).
44
Allerdings geht die frühere Fassung des § 1615 l Abs. 2 BGB auch in der vom Senat geforderten weiten Auslegung nicht über das Maß hinaus, das die Neuregelung des § 1615 l Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche ab dem 1. Januar 2008 im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgelegt hat (vgl. BT-Drucks. 16/6980 S. 8 f., 10).
45
b) Auch auf der Grundlage der Neufassung des § 1615 l Abs. 2 BGB für Unterhaltsansprüche ab dem 1. Januar 2008 steht der Klägerin kein über den zugesprochenen Unterhalt hinausgehender Anspruch zu, weil das Oberlandesgericht ihr zu Recht ein fiktiv erzielbares Einkommen angerechnet hat.
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aa) Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert sich, so lange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Insoweit hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB weitgehend einander angeglichen (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 zum nachehelichen Betreuungsunterhalt sowie BT-Drucks. 16/6980 S. 8 ff.).
47
bb) Mit der Einführung des Basisunterhalts bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres hat der Gesetzgeber dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in An- spruch nehmen will. Ein während dieser Zeit erzieltes Einkommen ist somit stets überobligatorisch und der betreuende Elternteil kann eine bestehende Erwerbstätigkeit jederzeit wieder aufgeben und sich voll der Erziehung und Betreuung des Kindes widmen. Insoweit unterscheiden sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt und der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes nicht, weil der Anspruch auf dem verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Recht der Kinder auf Pflege und Erziehung beruht. Entscheidet sich der betreuende Elternteil allerdings dafür, das Kind auf andere Weise betreuen zu lassen und erzielt er eigene Einkünfte, ist das überobligatorisch erzielte Einkommen nach den Umständen des Einzelfalles anteilig zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 m.w.N. und vom 13. April 2005 - XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1156 f.).
48
cc) Für die - hier relevante - Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (zum nachehelichen Betreuungsunterhalt vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 f. m.w.N.). Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen sieht § 1570 Abs. 2 BGB für den nachehelichen Betreuungsunterhalt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen vor. Danach verlängert sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt über die Verlängerung aus kindbezogenen Gründen hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer der Billigkeit entspricht. Insoweit ist also ausdrücklich auch ein Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen , der sich aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben kann. Im Rahmen des - hier relevanten - Anspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes ist diese Regelung zwar nicht ausdrücklich übernommen worden. Weil § 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB jedoch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen auch elternbezogene Umstände für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts in Betracht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Eltern - wie hier - mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und deswegen auch ein eventueller Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie zu berücksichtigen ist (BT-Drucks. 16/6980 S. 10). Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf (Senatsurteil BGHZ 177, 272, 305 f. = FamRZ 2008, 1739, 1748 m.w.N.).
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Der Unterhaltsberechtigte trägt allerdings die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen , dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen (Senatsurteile vom 17. Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391, 1393 m.w.N. und BGHZ 177, 272, 304 = FamRZ 2008, 1739, 1748).
50
Kindbezogene wie elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus hat die Klägerin hier auch auf ausdrücklichen Hinweis des Berufungsgerichts nicht vorgetragen. Sie können deswegen nur insoweit berücksichtigt werden , als sie auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.
51
(1) Kindbezogene Gründe können für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts der Klägerin nicht berücksichtigt werden. Der gemeinsame Sohn besuchte zunächst einen Kindergarten und geht seit August 2006 zur Schule. Dass ein Vollzeitkindergarten und ab August 2006 eine Nachmittagshortbetreuung in einer kindgerechten Einrichtung nicht zur Verfügung standen, hat die Klägerin weder vorgetragen, noch ergibt sich dies aus anderen Umständen. Wenn das Berufungsgericht bis zum Abschluss des ersten Schulhalbjahres aus kindbezogenen Gründen von der Notwendigkeit einer ständigen Verfügbarkeit der Mutter ausgegangen ist, obwohl der gemeinsame Sohn intellektuell und sozial gut entwickelt ist, geht dies sogar über die Rechtsprechung des Senats hinaus. Denn mit der Aufgabe des Vorrangs der persönlichen Betreuung ab Vollendung des dritten Lebensjahres ist aus kindbezogenen Gründen keine ständige Verfügbarkeit der Mutter mehr erforderlich (Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770, 772). Insoweit beschwert das angefochtene Urteil die Klägerin jedenfalls nicht.
52
(2) Im Ansatz zu Recht hat das Berufungsgericht auch elternbezogene Gründe bei der Frage einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus berücksichtigt. Denn die Parteien hatten mit dem gemeinsamen Kind als Familie zusammengelebt, wodurch ein Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin entstanden war. Allerdings waren die Parteien bereits im Jahre 1995 zusammengezogen, als die Klägerin von einem anderen Mann schwanger war. In dieser Zeit konnte sie nicht auf eine unterhaltsrechtliche Absicherung durch den Beklagten vertrauen, weil das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne gemeinsames Kind keine Unterhaltsansprüche kennt. Das änderte sich erst, als im August 2000 der gemeinsame Sohn geboren wurde. Auf der Grundlage des sich daran anschließenden fünfeinhalbjährigen Zusammenlebens mit dem gemeinsamen Kind durfte die Klägerin darauf vertrauen, nicht unverzüglich mit der Trennung eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufnehmen zu müssen. Wenn das Berufungsgericht ihr dafür von der Trennung im März 2006 bis Februar 2007 annähernd ein Jahr eingeräumt hat, ist auch dagegen nichts zu erinnern.
53
Weitere elternbezogene Umstände, die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Der Umstand, dass die Klägerin an Multipler Sklerose leidet, kann nicht zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts führen, weil der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines nichtehelichen Kindes aus § 1615 l Abs. 2 BGB keinen Krankheitsunterhalt vorsieht und die bereits im Jahre 1987 erstmals diagnostizierte Erkrankung nicht auf die Geburt des gemeinsamen Kindes zurückzuführen ist. Auch eine mögliche überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils steht einer Erwerbsobliegenheit der Klägerin für die Zeit ab Februar 2007 nicht aus elternbezogenen Gründen entgegen, zumal dafür keine konkreten Umstände vorgetragen sind. Wenn das Berufungsgericht der Klägerin auf der Grundlage des neuen Rechts lediglich ein fiktives Einkommen aus halbschichtiger Erwerbstätigkeit zugerechnet hat, bleibt auch dies hinter der Rechtsprechung des Senats zurück (BGHZ 177, 272, 275 = FamRZ 2008, 1338). Danach wäre die jetzt 41 Jahre alte Klägerin auch unter Berücksichtigung des durch das Zusammenleben gewonnenen Vertrauens mangels weiteren Vortrags zu kind- oder elternbezogenen Verlängerungsgründen sogar zu einer Er- werbstätigkeit verpflichtet, die deutlich über eine halbschichtige Erwerbstätigkeit hinausginge.
54
c) Soweit das Oberlandesgericht der Klägerin ein fiktives Einkommen angerechnet hat, das jedenfalls den hier relevanten Mindestbedarf deckt, bestehen auch dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Klägerin ist durch die Betreuung des gemeinsamen Kindes allenfalls halbtags an einer Erwerbstätigkeit gehindert. Ob sie aus gesundheitlichen Gründen (teilweise ) erwerbsunfähig ist oder ob sie einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf als Archäologin finden kann, ist im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes unerheblich, weil der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ihre Lebensstellung nur wegen der notwendigen Kindesbetreuung sichern will. Ihr Krankheitsrisiko oder ihr Beschäftigungsrisiko wird von § 1615 l BGB nicht erfasst, denn einen Krankheitsunterhalt oder einen Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wie sie die §§ 1572 und 1573 BGB für den nachehelichen Unterhalt zusätzlich vorsehen, kennt § 1615 l BGB nicht.
55
Auch soweit das Berufungsgericht im Ergebnis dazu gelangt ist, dass die Klägerin im Rahmen der ihr nach § 1615 l Abs. 2 BGB zumutbaren Erwerbstätigkeit jedenfalls Einkünfte erzielen könnte, die ihren Mindestbedarf decken, bestehen dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken.
56
d) Für die Zeit ab Februar 2007 entfällt der Unterhaltsanspruch der Klägerin also, weil sie ihren Mindestbedarf ab dann durch Einkünfte aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit selbst decken kann. Das Berufungsgericht hat die Klage deswegen auch insoweit zu Recht abgewiesen.
Hahne Weber-Monecke Vézina Dose Richter am Bundesgerichtshof Schilling ist urlaubsbedingt verhindert zu unterschreiben. Hahne
Vorinstanzen:
AG Bocholt, Entscheidung vom 21.09.2007 - 14 F 186/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.02.2008 - 1 UF 207/07 -

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 166/03
vom
15. Dezember 2004
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1666; MSA Artt. 3, 8
Die Gefahr, daß bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines
Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 Abs. 1 BGB insoweit zu entziehen
, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird.
Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten
, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden.
BGH, Beschluß vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 - OLG Dresden
AG Dresden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2004 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 20. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der vorgenannte Beschluß bezüglich der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten und insoweit aufgehoben, als in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 8. Mai 2003 die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind abgelehnt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerden ergeht gerichtsgebührenfrei. Beschwerdewert: 3.000 €.

Gründe:

I.

Die am 2. Juli 1998 geborene J. T. ist die Tochter der weiteren Beteiligten zu 1. Sie besitzt, ebenso wie ihre nicht mit einander verheirateten Eltern, die gambische Staatsangehörigkeit. Der Vater lebt in Gambia. Die Mutter heiratete am 24. November 2000 in Gambia einen deutschen Staatsangehörigen und folgte ihm zusammen mit ihrer Tochter im März 2001 nach Deutschland. Da die Mutter hier eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolviert und sich deshalb gehindert sah, das Kind zu betreuen, beabsichtigte sie, dieses am 8. Januar 2003 durch ihren Ehemann und dessen Vater nach Gambia verbringen zu lassen. J. sollte in Gambia von der Familie der Mutter betreut werden und eine Vorschule besuchen. Das Jugendamt Dresden (weiterer Beteiligter zu 3), das über die bevorstehende Reise informiert worden war, veranlaßte am 6. Januar 2003 die Inobhutnahme des Kindes gemäß § 42 SGB VIII, weil es befürchtete, diesem drohe bei einem Aufenthalt in Gambia die Beschneidung. Auf Antrag des Jugendamtes entzog das Amtsgericht der Mutter zunächst vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge und bestellte insoweit das Jugendamt zum Pfleger. Mit Beschluß vom 8. Mai 2003 hat das Amtsgericht auch in der Hauptsache entsprechend der vorläufigen Anordnung entschieden. Hiergegen hat die Mutter befristete Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat eine "mündliche Verhandlung" durchgeführt und anschließend eine vorläufige Anordnung erlassen, nach der das Kind der Mutter unverzüglich herauszugeben ist, dieser aber untersagt wird, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kind zu verlassen oder zu gestatten, daß ihre Tochter mit
Dritten das Land verläßt. Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Beschluß teilweise abgeändert und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur insoweit entzogen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind - zu Urlaubszwecken oder für einen längeren Aufenthalt - nach Gambia verbracht wird. Insoweit hat es Pflegschaft angeordnet und den weiteren Beteiligten zu 3) als Pfleger eingesetzt. Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Mutter und der Landeshauptstadt Dresden - Ortsamt Plauen - (weiterer Beteiligter zu 2, im folgenden: Ortsamt). Die Mutter erstrebt die vollständige Abweisung des Antrags, während das Ortsamt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insgesamt erreichen möchte.

II.

Die Rechtsbeschwerde der Mutter ist unbegründet. Auf die Rechtsbeschwerde des Ortsamtes ist der Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. A. Rechtsbeschwerde der Mutter 1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2003, 1862 ff. veröffentlicht ist, hat seine internationale Zuständigkeit sowie die Anwendbarkeit deutschen Rechts ohne weitere Ausführungen bejaht. Das begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Die - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte richtet sich nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom
5. Oktober 1961 (BGBl. 1971 II 217; im folgenden: MSA). Nach Art. 1 MSA sind die Gerichte des Staates, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorbehaltlich der Artt. 3, 4 und 5 Abs. 3 MSA dafür zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person des Minderjährigen zu treffen. Nach Art. 13 Abs. 1 MSA ist das Übereinkommen auf alle Minderjährigen anzuwenden, die - wie hier das Kind J. - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten haben, ohne daß der Minderjährige die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen müßte (Staudinger/Kropholler BGB, 13. Bearb. - 1994 - Vorbemerkung zu Art. 19 EGBGB Rdn. 525 m.w.N.). Einen einschränkenden Vorbehalt gegenüber Angehörigen von Nichtvertragsstaaten nach Art. 13 Abs. 3 MSA hat die Bundesrepublik Deutschland nicht erklärt. Hinsichtlich der von den inländischen Gerichten zu treffenden Schutzmaßnahmen, zu denen die im Streit stehende Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB gehört (Staudinger/Kropholler aaO Rdn. 217), ist gemäß Art. 2 MSA innerstaatliches, hier also deutsches Recht anzuwenden. Gemäß Art. 3 MSA ist allerdings ein nach dem Recht des Heimatstaates des Kindes kraft Gesetzes bestehendes Gewaltverhältnis anzuerkennen. Ein Eingriff in ein solches Gewaltverhältnis liegt vor, wenn das ausländische Heimatrecht des Minderjährigen eine derartige Maßnahme nicht zuläßt (Palandt /Heldrich BGB 63. Aufl. Anh. zu Art. 24 EGBGB Rdn. 25). Dies macht die Rechtsbeschwerde der Mutter in bezug auf das gambische Recht geltend, ohne ihren Einwand zu konkretisieren. Dessen Richtigkeit entzieht sich infolgedessen einer Beurteilung. Feststellungen zu dem gambischen Recht hat das OLG nicht getroffen. Die Frage, ob der Einwand gerechtfertigt ist, bedarf indessen keiner Entscheidung. Ein eventuell bestehendes Gewaltverhältnis schließt es nämlich nach Art. 8 MSA nicht aus, daß die Behörden des Aufenthaltsstaates, also auch die deutschen Gerichte, Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen treffen, soweit er in seiner Person oder seinem Vermögen ernstlich gefährdet ist. Mit
solchen Schutzmaßnahmen kann deshalb auch in ein grundsätzlich anzuerkennendes Gewaltverhältnis eingegriffen werden. In den Fällen, in denen nach den §§ 1666 ff. BGB Maßnahmen zu treffen sind, ist in der Regel auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 8 MSA anzunehmen (BGHZ 60, 68, 73 f.). 2. In der Sache hat das Beschwerdegericht ein Eingreifen nach § 1666 BGB für erforderlich gehalten. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Durchführung der Beschneidung von Mädchen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Es handele sich um Genitalverstümmelungen, in denen eine schwere Menschenrechtsverletzung zu sehen sei und die in ihrer Intensität den gravierendsten Erscheinungsformen asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen , wie der Folter, nicht nachstehe. Die Gefahr, als Mädchen in Gambia beschnitten zu werden, sei groß. Gambia sei der UN-Kinderrechtskonvention nicht beigetreten. Aus den vom Jugendamt vorgelegten Unterlagen gehe hervor, daß nach Auskunft lokal tätiger Nichtregierungsorganisationen in Gambia fast alle ethnischen Gruppen Genitalverstümmelungen praktizierten und zwischen 80 bis 90 % der weiblichen Bevölkerung beschnitten seien. Die Beschneidung könne Mädchen jeden Alters drohen, einer Dreijährigen ebenso wie einer 16-jährigen. Auch die Mutter habe bei ihrer Anhörung bestätigt, daß es keine Altersgrenze gebe, von der an ein Kind selbst entscheiden könne, ob es beschnitten werde oder nicht. Die traditionell begründete Beschneidung drohe dem Kind deshalb, sobald es sich in Gambia aufhalte. Insofern bestehe auch eine gegenwärtige, begründete Besorgnis der Schädigung. Die Mutter sei derzeit nicht in der Lage, ihre Tochter vor einer solchen Körperverletzung ausreichend zu schützen. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt habe, sie wünsche nicht, daß ihrem Kind eine Beschneidung widerfahre, sei diese ablehnende Äußerung unter dem Druck des vorliegenden Verfahrens zustande gekommen und beruhe (noch) nicht auf eigener Erkenntnis. Denn die mehrfach geäußerte Auffassung , das Kind könne mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob es beschnitten
werde, mache deutlich, daß die Mutter die Genitalverstümmelung nicht in dem erforderlichen Maße als bedrohliche Gefahr für ihre Tochter erkannt habe. Angesichts der Brutalität des Eingriffs und der möglichen physischen und psychischen Folgen hätte andererseits eine klare Ablehnung der Beschneidung in bezug auf ihr Kind erfolgen müssen. Die eigene Erfahrung der - ihrerseits beschnittenen - Mutter belege, daß selbst ein 13 Jahre altes Mädchen durch gezielte unrichtige Informationen dazu gebracht werden könne, sich die grausame Verstümmelung sogar selbst zu wünschen. Wenn die Mutter gleichwohl daran festhalte, die Entscheidung über die Beschneidung dem Kinde selbst zu überlassen , habe sie den Fehler ihrer eigenen Mutter wiederholt und damit gezeigt, daß sie nicht fähig sei, die Gefahr von ihrem Kind abzuwenden. Dies sei indessen umsomehr notwendig, als nach den zu den Akten gelangten Informationen traditionell die Großfamilie mitentscheide, ob eine Beschneidung durchgeführt werde. Da die Mutter gleichwohl geplant habe, daß das Kind während der Dauer ihrer Ausbildung in Gambia leben solle und es damit der Gefahr einer Genitalverstümmelung (schutzlos) ausgeliefert hätte, müsse ihr Verhalten als unverschuldetes Versagen, aber auch als Form von Vernachlässigung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB angesehen werden. Richtig verstandenes elterliches Sorgerecht hätte von ihr nicht passives Verhalten, sondern aktives Tun verlangt. Die Gefährdung sei auch gegenwärtig. Die Mutter habe zwar erklärt, daß ihre Tochter sich nicht mehr ohne ihre Begleitung in Gambia aufhalten solle. Es sei jedoch zu besorgen, daß sie an diesem Entschluß nicht festhalte, sondern das Kind doch zu ihrer Familie nach Gambia bringe, wenn sie sich wegen der auf sie zukommenden Prüfungen zur Altenpflegerin außerstande sehe, neben ihrer Arbeit zu lernen und ihre Tochter ausreichend zu betreuen. Diese Gefahr werde durch die Bekanntschaft mit in der Nähe ihrer Wohnung lebenden gambischen Familien nicht aufgehoben. Die danach vorzunehmende Abwägung zwischen dem Elternrecht der Mutter einerseits und dem Recht des Kindes auf Schutz
seiner Menschenwürde und seiner körperlichen Unversehrtheit andererseits führe zu der Notwendigkeit der Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts insoweit, als es um Reisen des Kindes nach Gambia oder um Aufenthalte dort gehe. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Gefahr müsse auch das Recht des Kindes, seine Verwandtschaft in seinem Heimatstaat zu besuchen, zurücktreten. Auf andere Weise könne ein hinreichend sicherer Schutz nicht gewährleistet werden. Auch der Respekt vor einer anderen Kultur rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Die mit der Ausländereigenschaft von Mutter und Kind verbundenen Vorstellungen von Kultur, Tradition, Religion und Erziehung, denen grundsätzlich Bedeutung beizumessen sei, müßten zurücktreten, wenn die drohende Schädigung entsprechend der ordre-public-Klausel des Art. 6 EGBGB unter keinem Gesichtspunkt zu tolerieren sei. 3. Diese Ausführungen halten der im Verfahren der Rechtsbeschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche , geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Versagen eines Dritten gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden , die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt insbesondere auch die Entziehung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung als Teil des Personensorgerechts (§§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB) in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, daß sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen läßt (BGH Beschluß vom 14. Juli 1956 - IV ZB 32/56 - FamRZ 1956, 350,
351; BayObLG DAVorm 1981, 897, 898 f.; Staudinger/Coester BGB 13. Bearb. - 2004 - § 1666 Rdn. 79; MünchKomm/Olzen 4. Aufl. § 1666 Rdn. 49).
b) Daß die Beschneidung eines Mädchens als eine das Kindeswohl in ganz erheblicher Weise beeinträchtigende Behandlung zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei der Genitalverstümmelung um einen schweren Eingriff, der bleibende physische und psychische Schäden zur Folge hat. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff nicht - wie zumeist - unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, ohne Betäubung und mit grausamen Hilfsmitteln, wie Glasscherben oder Rasierklingen als Schneidewerkzeug, durchgeführt wird, sondern selbst wenn er nach allen Regeln ärztlichen Könnens erfolgt. Es bleibt ein radikaler Eingriff in die körperliche Integrität und psychische Befindlichkeit der Frau. Dabei verbietet sich eine Unterscheidung nach der Art der Verstümmelung (Klitorisbeschneidung , Excision oder Infibulation), denn in allen Fällen liegt eine grausame, folgenschwere und durch nichts zu rechtfertigende Mißhandlung vor (vgl. Bumke NVwZ 2002, 423, 426 m.w.N., sowie Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Beschneidung von Mädchen und Frauen BT-Drucks. 13/10682 S. 3 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde der Mutter erhebt gegen die Beurteilung der Beschneidung durch das Berufungsgericht keine Einwendungen.
c) Sie rügt aber, das Beschwerdegericht habe eine hieraus resultierende gegenwärtige Gefahr für das Kind zu Unrecht bejaht. Es habe nicht berücksichtigt , daß die Mutter ihrem Vorbringen zufolge nicht gegen ihren Willen oder auf Druck ihrer Eltern, eines Elternteils oder naher Verwandter beschnitten worden sei, sondern aufgrund eigener Entscheidung, und zwar nach von dritter Seite erhaltener, heute als falsch und irreführend erkannter Informationen. In den Vorgang sei sie aber nicht als Kleinkind, sondern als Mädchen, das die Pubertät
durchlaufen habe, involviert gewesen. Daraus folge, daß niemand aus der Familie der Mutter Anstalten getroffen habe, sie als Kind oder ohne ihre Einwilligung als herangereiftes Mädchen beschneiden zu lassen, auch nicht ihr eigener Vater, in dessen Stamm noch Beschneidungen vorgenommen würden und der dieses Ritual befürwortet habe. Auf diesen sei ohnehin nicht abzustellen, da die Großmutter sich vor 20 Jahren von ihm habe scheiden lassen und inzwischen wieder verheiratet sei. J. habe aber bei der Großmutter und nicht bei ihrem leiblichen Großvater leben sollen. Daneben habe sie, als sie noch in Gambia gelebt habe, engen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater und dessen Familie unterhalten , die nicht weit von der Großmutter entfernt lebten. Die Großmutter sei nicht beschnitten und lehne diesen Brauch ab. Sie habe auch ihrer Tochter verboten , sich dem Ritual zu unterziehen. Deshalb sei kein Anhaltspunkt dafür auszumachen, daß das Kind während eines Aufenthalts bei der Großmutter der Gefahr ausgesetzt wäre, diese könne eine Beschneidung veranlassen oder zulassen. Es sei auch nichts dafür ersichtlich, daß die Großmutter das Mädchen nicht vor Übergriffen Dritter schützen könne, denn sie habe ihre Tochter bis zu deren eigener Entscheidung vor einer zwangsweisen Beschneidung bewahrt. Auch von der Seite der Familie des leiblichen Vaters sei fürJ. nicht die Gefahr einer Beschneidung auszumachen. Zwar seien in dem Stamm, dem der Vater angehöre, Beschneidungen noch üblich. Der Vater und seine Familie lehnten, wie die Mutter bei ihrer Anhörung ausgeführt habe, aber Beschneidungen ab, weshalb in dieser Familie niemand beschnitten sei. Warum J. in einer solchen Familie der Gefahr ausgesetzt sein solle, als Kind fremdbestimmt beschnitten zu werden, sei nicht ersichtlich. Damit vermag die Rechtsbeschwerde der Mutter nicht durchzudringen. Das Beschwerdegericht hat den betreffenden Sachvortrag nicht übergangen , sondern in seine von Amts wegen (§ 12 FGG) zu treffenden Feststel-
lungen einbezogen. Es hat seiner Entscheidung die Umstände der eigenen Beschneidung der Mutter zugrunde gelegt, dem Gesichtspunkt, daß in der Familie des Vaters - entgegen den Gepflogenheiten ihres Stammes - Beschneidungen nicht üblich seien, aber ersichtlich keine Bedeutung beigemessen. Nach den von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen entscheiden nämlich nicht die Eltern oder deren Familien allein über eine Beschneidung, sondern hierzu ist traditionell die Großfamilie mitberufen. Aus dieser Gestaltung ist letztlich auch zu erklären, daß die Großmutter die eigene Tochter nicht vor einer Beschneidung zu bewahren vermochte, obwohl letztere damals erst 13 Jahre alt war und ihr deshalb die Einsichtsfähigkeit und Reife für die von ihr zugunsten einer Beschneidung getroffene Entscheidung fehlte und die Großmutter diese Verstümmelung selbst ablehnt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Großmutter könne in einer anderen Situation, nämlich bei Vorliegen anderer Umstände hinsichtlich der Beschneidung der Enkelin, bedingt durch äußere Einflüsse abermals versagen, stellt sich deshalb als vertretbare tatrichterliche Würdigung dar, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist. Denn die hohe Beschneidungsquote von 80 - 90 % der weiblichen Bevölkerung Gambias kann, wenn sich die Ablehnung der Genitalverstümmelungen wie von der Rechtsbeschwerde geltend gemacht, durchsetzen ließe, nicht erklärt werden. Von daher ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Beschneidung des Kindes bei einem Aufenthalt in Gambia ausgegangen ist.
d) Die Rechtsbeschwerde der Mutter wendet sich schließlich gegen die Annahme, dem Kind drohe eine gegenwärtige Gefahr, weil zu besorgen sei, daß die Mutter es im Zusammenhang mit den im Rahmen ihrer Ausbildung abzulegenden Prüfungen entgegen den abgegebenen Erklärungen doch nach Gambia verbringen werde. Sie beruft sich insoweit auf den Vortrag der Mutter,
mit ihrem Arbeitgeber Arbeitszeiten vereinbart zu haben, die eine Betreuung des Kindes erlaubten. Auch das vermag die Entscheidung, soweit sie zum Nachteil der Mutter ergangen ist, nicht in Frage zu stellen. Das Berufungsgericht hat nicht bezweifelt, daß die Mutter in der Lage sein wird, den normalen Alltag mit der Betreuung des Kindes in Einklang zu bringen. Seine Annahme, es sei zu befürchten, daß sich die Einstellung der Mutter unter dem Prüfungsdruck ändere, ist indessen eine von der Lebenserfahrung getragene tatrichterliche Würdigung. Für deren Berechtigung sprechen zudem die Mitteilungen der beiden Pflegefamilien, in denen das Kind sich aufgehalten hat. Danach ist J. nicht oder kaum in der Lage, sich selbst zu beschäftigen , sondern erheischt permanent Aufmerksamkeit. 4. Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht zu Recht von einer gegenwärtigen , in einem solchen Maße vorhandenen Gefahr ausgegangen, daß sich im weiteren Verlauf eine erhebliche Schädigung des Kindes in Form einer Beschneidung mit hinreichender Sicherheit voraussehen läßt. Denn die Mutter ist, wie das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, derzeit jedenfalls noch nicht in der Lage, die Gefahr, die ihrem Kind in Gambia droht, realistisch einzuschätzen und dürfte deshalb bei zu erwartenden Betreuungsengpässen nicht davor zurückschrecken, ihr derzeit erklärtermaßen aufgegebenes Vorhaben einer Verbringung des Kindes nach Gambia doch noch in die Tat umzusetzen. Dem ist nach § 1666 Abs. 1 BGB durch die erforderlichen Maßnahmen zu begegnen. Insoweit stellt sich die angeordnete teilweise Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts jedenfalls als einerseits gebotener, andererseits aber auch verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht dar, um das Kind vor einem irreparablen Schaden seiner psychischen und physischen Unversehrtheit
zu bewahren. Dessen Interesse, seine Verwandten in Gambia zu besuchen, oder das Bedürfnis, der heimatlichen Kultur und Tradition verbunden zu bleiben, müssen dahinter zurücktreten. B. Rechtsbeschwerde des Ortsamtes 1. Das Berufungsgericht hat es abgelehnt, weitere Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der vollständige Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und die Unterbringung des Kindes in einer deutschen Pflegefamilie seien unverhältnismäßig. 2. Demgegenüber bringt die Beschwerde des Ortsamtes vor: Der Teilentzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei nicht ausreichend, um die Gefahr der Genitalverstümmelung weitgehend zu verhindern. Die angeordnete Pflegschaft könne praktisch nicht verhindern, daß die Mutter oder ein Dritter das Kind über einen Mitgliedsstaat der EU nach Gambia verbringe. Sie könne sich in der jeweiligen gambischen Botschaft einen Ersatzpaß für J. anfertigen lassen, während das Original bei der Amtspflegerin hinterlegt bleibe. Die begründete Besorgnis ergebe sich daraus, daß die Mutter sowohl im Verfahren vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlandesgericht nicht habe erkennen lassen, daß sie aufgrund eigener Überzeugung ihre Tochter vor einer drohenden Genitalverstümmelung schützen wolle bzw. könne. Diesem Einwand ist ein Erfolg nicht zu versagen. Es erscheint nicht fernliegend, daß die Mutter, von der nach Auffassung des Oberlandesgerichts zu besorgen ist, sie werde im Prüfungsdruck ihr Kind doch noch nach Gambia verbringen, sich über die bisher getroffenen Maßnahmen hinwegsetzt und von dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Weg Gebrauch macht. Ziel der Maßnahmen nach § 1666 BGB muß aber die effekti-
ve Gefahrenabwehr für das Kind sein. Zwar steht jeder Eingriff in das Elternrecht unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere ist eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit, daß das Berufungsgericht als weitergehende Maßnahmen von vornherein aber nur die vollständige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Verbindung mit der Unterbringung in einer Pflegefamilie erwogen hat, hat es sich den Blick dafür verstellt, die Geeignetheit anderer, weniger gravierender Maßnahmen in seine Beurteilung einzubeziehen und in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt auch die Möglichkeit öffentlicher Hilfen, etwa im Sinne einer beaufsichtigenden Pflegschaft , zu prüfen, um auf diesem Weg einen auch tatsächlich wirkungsvollen Schutz des Kindes zu gewährleisten. 3. Da das Oberlandesgericht somit von seinem Auswahlermessen (vgl. hierzu Staudinger/Coester aaO § 1666 Rdn. 177) keinen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat, kann die Entscheidung im Umfang der Anfechtung durch das Ortsamt keinen Bestand haben. Der Beschluß ist insoweit aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die unterlassene Prüfung, welche weitergehenden Maßnahmen zu ergreifen sind, in tatrichterlicher Verantwortung nachholen kann. Im weiteren Verfahren wird das Ortsamt
auch Gelegenheit haben, das Begehren zu wiederholen, der Mutter möge aufgegeben werden, das Kind regelmäßig einem Kinderarzt vorzustellen (vgl. zu entsprechenden Auflagen etwa Children's Protection Act 1993 - South Australia

).


Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 46/08
vom
1. April 2009
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 130 Nr. 1, 621 e Abs. 1 und 3; FGG § 21 Abs. 2
Der Zulässigkeit eines Rechtsmittels (hier: Beschwerde gegen die Entscheidung über
den Versorgungsausgleich) steht nicht entgegen, dass der Rechtsmittelführer seine
Anschrift bewusst geheim hält, wenn dadurch weder der geordnete Ablauf des
Rechtsmittelverfahrens noch mögliche Kostenerstattungsansprüche des Rechtsmittelgegners
gefährdet werden.
BGH, Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08 - OLG Karlsruhe
AG Heidelberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter
Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Januar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.000 €

Gründe:


I.

1
Die Antragsgegnerin begehrt die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverbund.
2
Die Parteien haben am 28. Dezember 1992 die Ehe geschlossen, aus der das am 13. Januar 2000 geborene Kind T. hervorgegangen ist. Bereits kurze Zeit nach der Heirat bezogen die Ehegatten verschiedene Wohnungen in München; seit dem 1. April 2005 leben sie getrennt. Die Antragsgegnerin verzog mit dem Kind nach Heidelberg.
3
Im Dezember 2004 beantragte der Antragsteller, das Umgangsrecht mit T. zu regeln; im April 2006 begehrte er die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind. Zur Begründung trug er vor, die Antragsgegnerin sei aufgrund ihrer psychischen Disposition nicht in der Lage, ihr Verhalten am Wohl des Kindes zu orientieren und beeinflusse dieses negativ. Sie behindere einen regelmäßigen Umgang von Vater und Sohn. Das Amtsgericht ordnete nach Anhörung der Parteien und Einholung eines Gutachtens eine Verfahrenspflegschaft an und übertrug im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Antragsteller. In der Folgezeit lebte T. beim Vater in München. Dort wurde das Kind am 16. September 2006 von der Antragsgegnerin entführt, als es sich in Begleitung der damaligen Partnerin des Antragstellers auf dem Weg zu dessen Wohnung befand. Seitdem ist der Aufenthalt von Mutter und Sohn unbekannt. Die Antragsgegnerin wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ihre Mutter wurde wegen Beteiligung an der Tat zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
4
Durch Verbundurteil vom 3. Mai 2007 wurde die Ehe der Parteien geschieden und - dem Begehren des Antragstellers folgend - der Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB ausgeschlossen. Zur Begründung wurde ausgeführt , durch die Entführung des Kindes habe die Antragsgegnerin dieses dem Vater nicht nur gänzlich entzogen, sondern zugleich eine schwerwiegende Eheverfehlung begangen; der Vater müsse damit rechnen, das Kind nie wieder zu sehen. Hinzu komme, dass die Antragsgegnerin nur geringfügige ehebedingte Nachteile erlitten und infolge der getrennten Haushaltsführung keine Versorgungsleistungen für den Antragsteller erbracht habe.
5
Die gegen das Verbundurteil eingelegte Beschwerde, mit der die Antragsgegnerin die Durchführung des Versorgungsausgleichs erstrebt, hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die - vom Oberlandesgericht zugelassene - Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist unbeschadet des Umstands zulässig, dass in der Rechtsbeschwerdeschrift wiederum die Anschrift der Antragsgegnerin angegeben worden ist, unter der sie sich nicht aufhält. Der Antragsgegnerin muss es nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens möglich sein, die vom Oberlandesgericht verneinte Frage einer zulässigen Beschwerdeeinlegung auf die zugelassene Rechtsbeschwerde durch den Senat überprüfen zu lassen, ohne durch die Mitteilung ihrer Anschrift in der Rechtsmittelschrift ihren Rechtsstandpunkt von vornherein aufzugeben (vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 332, 334 = FamRZ 1988, 382).

III.

7
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
8
1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in OLG Karlsruhe OLGR 2008, 615 ff. veröffentlicht ist, hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragsgegnerin verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Seit dem 19. September 2006 sei der Aufenthalt der Antragsgegnerin allgemein unbekannt , weil sie "untergetaucht" sei. Diese Situation habe auch beim Eingang der Beschwerde vorgelegen, da die Antragsgegnerin nicht mehr unter der angegebenen Adresse gelebt habe. Ohne eine ladungsfähige Anschrift liege grundsätzlich keine ordnungsgemäße Klageerhebung im Sinne der §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO vor. Eine Rechtsmittelschrift sei allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 114, 117) und des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1987, 1356 f.) auch dann ordnungsgemäß, wenn sie die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelbeklagten oder seines Prozessbevollmächtigten nicht enthalte, obgleich dadurch die alsbaldige Zustellung nach § 521 Abs. 1 ZPO erschwert werde. Entsprechendes gelte nach wohl einhelliger Meinung, wenn in der Rechtsmittelschrift die ladungsfähige Anschrift des Berufungsklägers fehle. Die zitierten Entscheidungen könnten auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragen werden, denn ihnen habe jeweils ein versehentliches Verhalten der Partei zugrunde gelegen. Etwas anderes müsse bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten gelten, wie es der Antragsgegnerin anzulasten sei. Die zum Verbund gehörenden, inzwischen abgetrennten Folgesachen elterliche Sorge und Umgangsrecht hätten wegen des unbekannten Aufenthalts der Ehefrau nicht zum Abschluss gebracht werden können. Wenn die Antragsgegnerin einerseits für sich in Anspruch nehme, dass alle Beteiligten die Folgen dieses Verhaltens hinnehmen müssten, andererseits aber Rechtsschutz gegen die Versorgungsausgleichsentscheidung begehre, manipuliere sie das Verfahren in ihrem Interesse und stelle sich allgemein gegen die Rechtsordnung. Sie könne deshalb schlechterdings nicht erwarten, dass unter diesen Umständen ein Beschwerdeverfahren durchgeführt werde. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass Schreiben, die an die angegebene Adresse gerichtet würden, die Antragsgegnerin möglicherweise erreichten. Der Rechtsmissbrauch liege nicht in der völligen Unerreichbarkeit, sondern in dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich im Rahmen des auch von ihr betriebenen Verfahrens nicht vorbehaltlos der Rechtsordnung unterwerfe, sondern für sich in Anspruch nehme zu entscheiden, inwieweit sie ihr Verhalten an der Rechtsordnung ausrichte. Unter derartigen Bedingungen sei weder ein geordneter Ablauf des Verbundverfahrens noch des Beschwerdeverfahrens möglich.
9
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
10
2. a) Im Ansatz zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, dass die ladungsfähige Anschrift des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift nicht Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels ist (BGH Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116; Senatsurteil BGHZ 102, 332, 333 f. = FamRZ 1988, 382). Dies geht über das Erfordernis, dass eine Rechtsmittelschrift ergeben muss, für und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, hinaus, da die Anschrift einer Partei grundsätzlich nicht notwendig ist, um ihre Parteirolle in der Rechtsmittelinstanz zu bestimmen.
11
b) Anders ist die Situation dagegen für die Frage zu beurteilen, ob eine ordnungsgemäße Klageerhebung bei fehlenden Angaben zur ladungsfähigen Anschrift des Klägers vorliegt. Die Klageschrift ist Anlass und Voraussetzung für das gerichtliche Verfahren und soll für dieses eine möglichst sichere Grundlage schaffen. Die Angabe der Anschrift des Klägers ist im reinen Parteiprozess schon deswegen geboten, weil er sonst nicht zu den Gerichtsterminen geladen werden kann, zu denen er, wie § 330 ZPO zeigt, grundsätzlich erscheinen muss. Aber auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist, kann auf die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift nicht verzichtet werden. Da mit dem Betreiben des Prozesses nachteilige Folgen verbunden sein können, wie insbesondere die Kostenpflicht im Falle des Unterliegens, wird dadurch dokumentiert, dass er sich diesen möglichen Folgen stellt. Auch muss er bereit sein, persönlich in Terminen zu erscheinen, falls das Gericht dies an- ordnet (vgl. §§ 141, 279 Abs. 1, 445 ff. ZPO; vgl. Senatsurteil BGHZ 102, 332, 334 f.).
12
c) Wird allerdings - wie im vorliegenden Fall - eine in der Klage- bzw. Scheidungsantragsschrift angegebene ladungsfähige Anschrift erst im Laufe des Prozesses unrichtig und bringt der anwaltlich vertretene Kläger eine neue ladungsfähige Anschrift nicht bei, darf die Klage nicht allein aus diesem Grund als unzulässig abgewiesen werden. Eine gesetzliche Grundlage hierfür besteht nicht. Vielmehr hat der Kläger mit der Angabe der ladungsfähigen Anschrift in der Klageschrift die Anforderungen an die Bezeichnung seiner Person nach §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO erfüllt. Die Prozessvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Klageerhebung, die ihrer Natur nach nur die Einleitung der Klage betrifft, ist damit gegeben. Der Kläger hat zugleich zum Ausdruck gebracht , dass er sich nachteiligen Folgen im Fall des Unterliegens stellt (BGH Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503 f.).
13
d) Ungeachtet dessen kann es sich als ein der Zulässigkeit entgegenstehendes rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellen, wenn ein Kläger den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Der Schluss, eine solche rechtsmissbräuchliche Absicht liege vor, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn trotz gerichtlicher Anfrage nach der Anschrift des Berufungsklägers deren Mitteilung ohne hinreichende Angabe von Gründen verweigert wird (BGH Beschluss vom 28. November 2007 - III ZR 50/07 - veröffentlicht bei juris).
14
e) Aus diesem Gesichtspunkt ergeben sich im vorliegenden Fall indes keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde. Die Rechtsbeschwerde hat geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe bereits im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass ein möglicher Kostenerstattungsanspruch des Antragstellers aufgrund ihres unbekannten Aufenthalts nicht berührt werde, weil sie zusammen mit diesem Miteigentümerin einer Eigentumswohnung sei, die - erforderlichenfalls nach öffentlicher Zustellung - verwertet werden könne. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin im Rechtsbeschwerdeverfahren in zulässiger Weise nachgetragen, ihre Mutter habe sich bereit erklärt, sich für eventuelle Kostenerstattungsansprüche zu verbürgen. Die Annahme rechtsmissbräuchlichen Handelns, um sich durch eine Prozessführung aus dem Verborgenen heraus einer möglichen Kostenerstattungspflicht zu entziehen, scheidet damit jedenfalls aus. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich aus der Entscheidung des XI. Zivilsenats vom 11. Oktober 2005 (XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116 f.) aber nicht generell herleiten, dass die bewusste Weigerung der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift auch bei anderen Fallgestaltungen zur Annahme eines Rechtsmissbrauchs führe.
15
3. Das Oberlandesgericht hat dem Kostenargument letztlich selbst keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es hat vielmehr darauf abgestellt, die Antragsgegnerin handele rechtsmissbräuchlich, weil sie sich einerseits einer Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens entziehe, andererseits aber Rechtsschutz gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich beanspruche und sich damit allgemein gegen die Rechtsordnung stelle. Dieser Beurteilung kann nicht gefolgt werden.
16
a) Das Rechtsschutzinteresse stellt keine besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels dar. Mit dem Erfordernis der Beschwer ist im Allgemeinen gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Allenfalls kann bei ganz besonderer Sachlage eine Prüfung angezeigt sein, ob trotz Vorliegens der Beschwer eine unnötige, zweckwidrige oder missbräuchliche Beschreitung des vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelwegs anzunehmen ist.
In solchen Fällen kann ausnahmsweise die Unzulässigkeit des Rechtsmittels mit dem Fehlen eines Rechtsschutzbedürfnisses begründet werden (BGHZ 57, 224, 225).
17
Eine solche besondere Sachlage liegt hier indessen nicht vor. Es ist zwar zutreffend, dass die Antragsgegnerin das Scheidungsverbundverfahren nur selektiv betreibt, während sie es im Übrigen aufgrund des unbekannten Aufenthalts , auch des Sohnes T., torpediert. Das hat aber nicht zur Folge, dass ihr der Zugang zur Rechtsmittelinstanz und damit die Wahrnehmung ihrer Verfahrensgrundrechte , insbesondere desjenigen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) im Rahmen einer statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde , verweigert werden dürfte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass die Erwägungen, die zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs geführt haben, sich mit denjenigen, aus denen das Oberlandesgericht ein rechtsmissbräuchliches Handeln hergeleitet hat, überschneiden. Die Antragsgegnerin muss aber trotz des ihr anzulastenden schwerwiegenden Verhaltens die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes haben, d.h. eine sie beschwerende Entscheidung und damit die Rechtsfolgen ihres Handelns in der Sache überprüfen lassen können. Das setzt voraus, dass ihr Verhalten nicht bereits als der Zulässigkeit der Beschwerde entgegenstehend bewertet wird.
18
b) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts steht das Verhalten der Antragsgegnerin auch einem geordneten Ablauf des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Für den Gegner ergeben sich aus dem Ausbleiben einer Partei, deren persönliches Erscheinen mangels ladungsfähiger Anschrift nicht angeordnet werden kann, bei einem nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahren keine nachteiligen Folgen. Bei einer angeordneten Parteivernehmung nach §§ 445 ff. ZPO bleibt es dem Gericht unbenommen , aus der Vorenthaltung einer ladungsfähigen Anschrift unter Heranzie- hung des allgemeinen Gesichtspunkts einer Beweisvereitelung Schlüsse zum Nachteil der Partei zu ziehen (BGH Urteile vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02 - NJW-RR 2004, 1503 f. und vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04 - FamRZ 2006, 116 f.).
19
Bei dem hier vorliegenden Versorgungsausgleichsverfahren handelt es sich zwar um ein sog. echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, an dem die Ehegatten durch Auskunftserteilung über ihre Versorgungsanrechte mitzuwirken haben. Wenn ein solches Verfahren in der Rechtsmittelinstanz anhängig ist und ohne weitere Mitwirkung durchgeführt werden kann, weil etwa - wie hier - die Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen, steht der unbekannte Aufenthalt des Rechtsmittelführers der geordneten Abwicklung des Beschwerdeverfahrens aber nicht entgegen. Vielmehr ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen eine Entscheidung in der Sache möglich.
20
4. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befinden, da sie nicht entscheidungsreif ist. Der Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die von der Rechtsbeschwerde angeregte Zurückverweisung an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO) hält der Senat unbeschadet der Frage, ob die Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar ist, nicht für gerechtfertigt.
Hahne Weber-Monecke Fuchs Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Heidelberg, Entscheidung vom 03.05.2007 - 37 F 97/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.01.2008 - 16 UF 109/07 -

(1) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken.

(2) Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Gericht kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zu einem Termin anordnen und ihn anhören, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts sachdienlich erscheint. Sind in einem Verfahren mehrere Beteiligte persönlich anzuhören, hat die Anhörung eines Beteiligten in Abwesenheit der anderen Beteiligten stattzufinden, falls dies zum Schutz des anzuhörenden Beteiligten oder aus anderen Gründen erforderlich ist.

(2) Der verfahrensfähige Beteiligte ist selbst zu laden, auch wenn er einen Bevollmächtigten hat; dieser ist von der Ladung zu benachrichtigen. Das Gericht soll die Zustellung der Ladung anordnen, wenn das Erscheinen eines Beteiligten ungewiss ist.

(3) Bleibt der ordnungsgemäß geladene Beteiligte unentschuldigt im Termin aus, kann gegen ihn durch Beschluss ein Ordnungsgeld verhängt werden. Die Festsetzung des Ordnungsgeldes kann wiederholt werden. Im Fall des wiederholten, unentschuldigten Ausbleibens kann die Vorführung des Beteiligten angeordnet werden. Erfolgt eine genügende Entschuldigung nachträglich und macht der Beteiligte glaubhaft, dass ihn an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft, werden die nach den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Anordnungen aufgehoben. Der Beschluss, durch den ein Ordnungsmittel verhängt wird, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(4) Der Beteiligte ist auf die Folgen seines Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

(2) Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

1.
Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
2.
Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
3.
Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
4.
Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
5.
die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
6.
die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

(1) Der Rechtsanwalt muß im gerichtlichen Verfahren die Vertretung einer Partei oder die Beistandschaft übernehmen,

1.
wenn er der Partei auf Grund des § 121 der Zivilprozeßordnung, des § 4a Abs. 2 der Insolvenzordnung oder auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte beigeordnet ist;
2.
wenn er der Partei auf Grund der §§ 78b, 78c der Zivilprozeßordnung beigeordnet ist;
3.
wenn er dem Antragsgegner auf Grund des § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Beistand beigeordnet ist.

(2) Der Rechtsanwalt kann beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 259/08
vom
23. September 2009
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und die
Richterin Harsdorf-Gebhardt
am 23. September 2009

beschlossen:
Der Antrag des Klägers, unter Abänderung des Senatsbeschlusses vom 3. Dezember 2008 die Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. K. aufzuheben und ihm Rechtsanwalt Dr. N. beizuordnen, wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Der Senat hat dem Kläger durch Beschluss vom 3. Dezember 2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und seinem Vorschlag entsprechend Rechtsanwalt Dr. K. (im Folgenden Dr. K.) beigeordnet. Mit Schreiben vom 5. Juli 2009 beantragt der Kläger, die Beiordnung von Dr. K. aufzuheben, weil zwischen ihnen kein Vertrauensverhältnis mehr bestehe, und ihm Rechtsanwalt Dr. N. (im Folgenden Dr. N.) beizuordnen.
2
Kläger Der stützt diese Anträge auf folgende Gesichtspunkte: Dr. K. habe die ausführliche Begründung des erfolgreichen Prozesskostenhilfeantrags , den der Kläger ohne anwaltliche Unterstützung gestellt hatte, nur unzureichend in seine Begründung der Nichtzulassungsbe- schwerde übernommen. Außerdem habe er die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht sogleich mit einer Revisionsbegründung verbunden (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 140/03 - NJW 2004, 2981 unter I). Weiter habe Dr. K. eingeräumt, als Rechtsanwalt auch Versicherer gegen Versicherungsnehmer vertreten zu haben; das gelte vermutlich auch für Unternehmen des Konzerns, dem die Beklagte angehöre. Es sei der Eindruck entstanden, Dr. K. betreibe das Verfahren zu Lasten des Klägers nicht mit der gebotenen und zulässigen Beschleunigung , indem er in die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht auch schon die Revisionsbegründung aufgenommen habe. Schließlich seien weder Dr. K. noch ein Urlaubsvertreter seit 27. Juli 2009 für den Kläger telefonisch zu erreichen. Dr. N. sei bereit, das Mandat fortzuführen. Dr. K. sei gebeten worden, der Staatskasse gegenüber auf seine Gebühren zu verzichten.
3
II. Die Anträge waren zurückzuweisen.
4
1. Dabei kann offen bleiben, ob der Mandant - ebenso wie der beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 2 BRAO - das Recht hat, die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen (zum Streitstand vgl. OLG Nürnberg MDR 2003, 712; Musielak/Fischer, ZPO 7. Aufl. § 121 Rdn. 24). Jedenfalls fehlt es hier an dem dafür erforderlichen wichtigen Grund. Vielmehr beruhen die geltend gemachten Zweifel an der Sachbehandlung durch Dr. K. auf Missverständnissen des Klägers.
5
a) Dass Dr. K. nicht alle Argumente, die der Kläger in seinem erfolgreichen Prozesskostenhilfeantrag vorgetragen hatte, auch in die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übernommen haben mag, ent- spricht der Aufgabe des beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts , den Streitstoff auf diejenigen Gesichtspunkte zu konzentrieren, die nach seiner besonderen Sachkunde für eine dem Mandanten günstige Entscheidung Bedeutung haben können. Dass der Mandant selbst Weiteres vorgetragen wissen möchte, entbindet den beigeordneten Prozessbevollmächtigten nicht von seiner Pflicht, im Interesse des Mandanten von weiterem Vortrag abzusehen, wenn er ihn nach eigenverantwortlicher Prüfung nicht für erheblich oder sogar für schädlich für das Prozessziel des Mandanten hält.
6
Die b) Erledigung des Revisionsverfahrens verzögert sich nicht dadurch, dass Dr. K. bisher nur die Nichtzulassungsbeschwerde, nicht aber zugleich auch schon die Revision begründet hat: Selbst wenn dies geschehen wäre, muss die Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zumindest durch Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde begründet werden (§ 551 Abs. 3 ZPO). Die Revisionsbegründungsfrist beginnt erst mit der Zulassung durch den Senat. Eine solche Revisionsbegründung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn schon in dem Schriftsatz, in dem die Nichtzulassungsbeschwerde begründet worden ist, die Revisionsanträge gestellt und begründet worden waren (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - III ZR 27/06 - NJW 2008, 588; der IV. Zivilsenat hat an seiner im Urteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 140/03 - NJW 2004, 2981 unter I vertretenen Auffassung nicht festgehalten

).


7
c) Es mag sein, dass der Kläger Dr. K. kein Mandat erteilt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Dr. K. auch Versicherer vor dem Bundesgerichtshof vertreten hat, darunter möglicherweise auch Unternehmen, die demselben Konzern angehören wie die Beklagte. Dieser Umstand recht- fertigt jedoch für sich genommen bei objektiver Betrachtung keine Zweifel an der uneingeschränkten Bereitschaft und der Fähigkeit von Dr. K., die Interessen des Klägers als Versicherungsnehmer gegenüber dem beklagten Versicherer zu vertreten. Dass er in der hier streitigen Sache bereits für den Gegner tätig geworden sei, behauptet der Kläger nicht und ist auch nicht ersichtlich.
8
d) Dr. K. trägt vor, dass seine Kanzlei zu den üblichen Bürozeiten stets telefonisch erreichbar gewesen sei. Etwas anderes hat der Kläger nicht behauptet. Er hat auch nicht vorgetragen, dass es nicht möglich gewesen sei, durch Anruf über die Kanzlei oder aber schriftlich Anfragen oder Nachrichten an Dr. K. zu übermitteln. Nicht vorgetragen worden ist insbesondere, aus welchem Grund der Kläger gerade in der Zeit seit 27. Juli 2009, also nach Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, noch ein persönliches Gespräch mit Dr. K. oder einem Urlaubsvertreter glaubte führen zu müssen. Danach ist nicht nachvollziehbar, dass das erforderliche Mindestmaß an Vertrauen zum beigeordneten Rechtsanwalt verloren gegangen sei und eine Vertretung durch Dr. K. für den Kläger unzumutbar wäre.
9
a) 2. Ob ein Wechsel in der Beiordnung auch ohne wichtigen Grund möglich ist, wenn der Staatskasse infolge Gebührenverzichts eines der Anwälte durch den Wechsel keine zusätzlichen Kosten entstehen (so etwa Musielak/Fischer aaO § 121 Rdn. 25; MünchKomm-ZPO/ Motzer, 3. Aufl. § 121 Rdn. 24; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 78c Rdn. 31 und § 121 Rdn. 27), bedarf hier keiner Entscheidung, weil Dr. K. einen Verzicht auf Gebühren abgelehnt hat und der Kläger nicht behauptet , dass Dr. N. auf Gebühren verzichte.
10
b) Wenn der Kläger in Zukunft durch weitere, sachlich nicht gerechtfertigte Vorwürfe das Vertrauensverhältnis zu seinem beigeordneten Anwalt zerstören sollte und dieser deshalb auf entsprechenden Antrag gemäß § 48 Abs. 2 BRAO entpflichtet werden müsste, könnte der Kläger nicht ohne weiteres mit der Beiordnung eines anderen Anwalts rechnen. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisher beigeordneten Anwalt nicht auf mutwilligem Verhalten des Klägers selbst beruht und sein Antrag auf Beiordnung eines anderen Anwalts nicht rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1991 - XII ZR 212/90 - VersR 1992, 721 unter 2). Besteht aus solchen Gründen kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Anwalts, wird der Kläger auf eigene Kosten für seine ordnungsgemäße Vertretung vor dem Bundesgerichtshof sorgen müssen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 09.08.2006 - 23 O 418/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.12.2007 - 5 U 173/06 -