Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 16. Dez. 2010 - 3 B 284/10

published on 16/12/2010 00:00
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 16. Dez. 2010 - 3 B 284/10
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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. September 2010 - 6 L 746/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15.9.2010 - 6 L 746/10 -, durch den der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verurteilen, die seit dem 12.5.2010 andauernde Observation des Antragstellers zu beenden, zurückgewiesen wurde, ist fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie hat indes im Ergebnis keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, das gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung im vorliegenden Beschwerdeverfahren begrenzt, rechtfertigt keine von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Beurteilung.

Die begehrte einstweilige Anordnung i. S. d. § 123 VwGO setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus, die darzulegen und hinsichtlich ihrer tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen sind.

Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann hier - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – mit Blick auf das Gewicht der vom Antragsteller geltend gemachten Grundrechtsposition und die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs (Observationsmaßnahmen des Antragsgegners) bejaht werden.

Indes kann nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen, wenn auch - im Hinblick auf die geltend gemachte Grundrechtsposition des Antragstellers und die im Raum stehende verfassungsrechtliche Problematik - im gebotenen Maße vertieften Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Antragsteller der für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO) auf vorläufiges Unterlassen der seit dem 12.5.2010 erfolgenden Observation mit der dafür notwendigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit zusteht. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die von Seiten des Antragsgegners gegenüber dem Antragsteller angewendete polizeiliche Maßnahme der (dauernden) Observation bei Anlegung des hier möglichen und gebotenen Prüfungsmaßstabs jedenfalls nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist, dass vielmehr von einer offenen, erst im Hauptsacheverfahren abschließend zu klärenden Rechtslage auszugehen ist, und dass die Entscheidung im vorliegenden Verfahren – bei offenem Ausgang der Hauptsache - daher aufgrund einer Abwägung der Folgen einerseits des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung und andererseits ihres Nichterlasses jeweils für den Antragsteller, den Antragsgegner und potenziell betroffene andere Grundrechtsträger zu treffen ist. Diese Folgenabwägung musste hier zu Lasten des Antragstellers ausfallen.

Bei dieser Beurteilung geht der Senat davon aus, dass der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf eine tatsächlich und rechtlich wirksame Kontrolle staatlichen Handelns die Gerichte dazu verpflichtet, sich auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit entscheidungserheblicher Normen sowie mit den Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung derselben auseinanderzusetzen, wenn die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen oder einer erheblichen Verletzung von Grundrechten des Betroffenen führt

zum verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes: BVerfG, Beschluss vom 24.6.1992 – 1 BvR 1028/91 -, NJW 1992, 2749; BVerfG, Beschluss vom 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 -, zitiert nach Juris; BVerwG, Beschluss vom 11.3.2005 – 1 BvR 2298/04 -, zitiert nach Juris.

Ausgehend davon vermögen die Einwendungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nicht durchzudringen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist weder offensichtlich, dass es für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers – wie von ihm geltend gemacht – an einer (verfassungskonformen) Rechtsgrundlage fehlt, noch ist offensichtlich, dass die konkrete Anwendung der hier als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden Normen (§ 28 sowie § 8 SPolG) rechtswidrig erfolgt wäre.

Der Antragsgegner hat als Rechtsgrundlage für die hier angeordnete unbefristete Observation die Bestimmung des § 28 Abs. 1 i. V m. Abs. 2 Nr. 1 SPolG herangezogen. Nach der genannten Vorschrift kann eine offene oder verdeckte Observation angeordnet werden, soweit dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen erforderlich ist, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll. Die Erforschung des Sachverhaltes muss ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf andere Weise aussichtslos sein und die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhaltes stehen.

Bei Zugrundelegung einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung dieser Vorschrift spricht hier alles dafür, das Vorliegen der genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung der Observation des Antragstellers zu bejahen.

Die bisherige Straffälligkeit des Antragstellers seit dem Jahre 1970 und die Erkenntnisse dreier zuletzt in den Jahren 2005 und 2007 erstellter Gutachten über die psychische Disposition des Antragstellers belegen mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit die Gefahr der künftigen Begehung von Verbrechen durch den Antragsteller.

Im Alter von 20 Jahren wurde der Antragsteller am 11.12.1970 durch das Landgericht A-Stadt wegen Mordes an einem 16jährigen Mädchen und fortgesetzter Unzucht mit einem Kind zu 10 Jahren Jugendstrafe verurteilt. Am 12.6.1979 wurde er auf drei Jahre Bewährungszeit aus der Haft entlassen. Etwa 7 Wochen danach beging der Antragsteller eine gefährliche Körperverletzung durch Würgen einer jüngeren Frau, weshalb er durch das Landgericht A-Stadt am 9.5.1980 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Eine erneute Haftentlassung erfolgte am 4.2.1983. Im Jahre 1986 wurde er in England wegen des Angriffs zum Nachteil einer Frau in Manchester verurteilt.

Durch Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 28.9.1989 wurde der Antragsteller wegen 1988 begangener Vollrauschdelikte – gefährliche Körperverletzung, versuchte Vergewaltigung und versuchter Totschlag durch Unterlassen zum Nachteil einer Frau – zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, gleichzeitig wurde die Unterbringung gemäß § 63 StGB in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Das Landgericht Trier ordnete unter dem 28.2.1991 wegen einer gefährlichen Körperverletzung - Würgen einer Prostituierten in Trier -, die er 1990 nach einer Flucht aus dem Maßregelvollzug in Merzig verübt hatte, ebenfalls die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an.

Durch Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 28.11.2005 wurden beide Unterbringungsanordnungen (§ 67 d Abs. 6 StGB) für erledigt erklärt. Grundlage hierfür war ein psychiatrisches Gutachten vom 25.7.2005 von Prof. Dr. K., in dem festgestellt wurde, dass der Antragsteller zwar weiter als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen sei, die Voraussetzungen für die Unterbringung im Maßregelvollzug aber zu verneinen seien. Zusammenfassend stellte der Gutachter fest: „Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass bei dem Untersuchten ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten vorliegt, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden, woran angesichts der von ihm begangenen Taten, die jeweils mit rascher Rückfälligkeit von ihm begangen wurden, kein Zweifel besteht. Insofern besteht bei Herrn A. die fortdauernde Notwendigkeit weiterer Sicherung.“

Nach Entlassung aus der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbüßte er bis zum 22.7.2007 die Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten in der JVA A-Stadt. Unter anderem auf Grundlage eines weiteren durch Prof. Dr. R. erstellten Gutachtens vom 6.3.2007 sowie eines Gutachtens der Dres. B. und G. vom 21.3.2007 wurde er im Anschluss daran einstweilig untergebracht (§ 275 a Abs. 5 StPO). Durch Entscheidungen des Landgerichts A-Stadt vom 4.4.2007 sowie vom 17.7.2009 wurde die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB angeordnet. Im Urteil vom 17.7.2009 (Seiten 17 ff.) wurde die Gefährlichkeit des Antragstellers und die hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer und schwerster Gewaltdelikte sowie - wenn auch in etwas geringerem Maße - weiterer Sexualdelikte festgestellt.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Antragstellers führte der BGH mit Beschluss vom 11.2.2010 (4 StR 557/09) aus, das Landgericht habe nach vorläufiger Einschätzung des Senats die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 3 StGB zwar zu Recht als erfüllt angesehen, eine Entscheidung werde allerdings mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (EGMR) zurückgestellt. Nach Rechtskraft der Entscheidung des EGMR am 11.5.2010 entschied der BGH zwar am 12.5.2010, den Betroffenen unverzüglich aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, wies den Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung zurück und hob den Unterbringungsbefehl des Landgerichts A-Stadt vom 15.6.2007 auf. Auch in dieser Entscheidung stellte der BGH jedoch fest, dass die Vorinstanz die Tatbestandsvoraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht habe.

Diese im Verfahren auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gewonnenen Erkenntnisse durften auch der polizeilichen Gefahrenprognose im Rahmen der Gefahrenabwehr zu Grunde gelegt werden

so auch VG Aachen, Beschluss vom 18.3.2010 – 6 L 28/10 -, zitiert nach Juris.

Sie sind auch – wie erstinstanzlich überzeugend dargelegt – geeignet, die prognostische Einschätzung der Gefahr einer Verbrechensbegehung durch den Antragsteller nachvollziehbar zu belegen. Beide Gutachten setzen sich ausführlich mit der Persönlichkeit und der Vorgeschichte des Antragstellers auseinander und beziehen eine Vielzahl von Vorgutachten ab dem Jahr 1970 mit ein, die einen durchgängigen Eindruck von der Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und dessen Verhaltensmustern wiedergeben, die seine Gefährlichkeit begründen. Die Gutachten stimmen des weiteren auch darin überein, dass bei dem Antragsteller – auch unter Berücksichtigung seines fortgeschrittenen Lebensalters – ein hohes Rückfallrisiko vorliegt, und zwar in Bezug auf Straftaten, die mit erheblichen psychischen und physischen Belastungen der Opfer verbunden sein können. Dies betrifft schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die, wie etwa § 177 StGB, einen Verbrechenstatbestand erfüllen.

Dagegen vermag der auf eine mangelnde Aktualität der Gutachten gerichtete Einwand des Antragstellers nicht durchzugreifen. Abgesehen von dem Hinweis auf sein Alter von 61 Jahren und der angeblich relativ geringen Rückfallhäufigkeit entlassener Sicherungsverwahrter hat der Antragsteller nichts dargelegt, woraus auf eine zwischenzeitliche Änderung seiner Fähigkeit zu entsprechender Verhaltenssteuerung geschlossen werden könnte. Der Annahme einer solchen Änderung steht vielmehr – jedenfalls nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes – entgegen, dass in vierzehn Gutachten aus den Jahren 1970 bis 2007 sowie Berichten des Landeskrankenhauses bzw. der Saarländischen Klinik für Forensik und Psychiatrie Merzig in keinem Fall eine günstige, eine nachhaltige Verhaltensänderung konstatierende Prognose getroffen wurde. Eine gegebenenfalls erforderliche weitere Aufklärung des Sachverhalts – etwa im Wege der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens – muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Ausgehend von den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens besteht danach auch aus Sicht des Senats eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG, dass von dem Antragsteller - aktuell und konkret - eine hohe Gefahr ausgeht, weitere schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, durch welche die Opfer sowohl psychisch wie auch körperlich schwer geschädigt werden.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht allerdings Zweifel daran geäußert, ob eine vor allem am Wortlaut orientierte Auslegung des § 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SPolG in dem Sinne möglich ist, dass diese Vorschrift – auch – Grundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern allein der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation sein kann. Die Bedenken gründen auf der systematischen Stellung der Vorschrift innerhalb des SPolG (2. Unterabschnitt: „Befugnisse zur Informationsverarbeitung“) und der Gesetzesbegründung aus dem Jahre 1988. Danach liegt es nahe, dass die Norm seitens des Gesetzgebers - zumindest primär - konzipiert wurde, um der Polizei im Präventivbereich ein gesetzliches Instrumentarium zur Datenerhebung und -gewinnung zur Verfügung zu stellen, dass sie also grundsätzlich Vorfeldermittlungen zur Sachverhaltserforschung unter Anwendung der in § 28 Abs. 2 SPolG genannten Mittel ermöglichen soll.

Die genannten Zweifel führen indes nicht zu der Einschätzung, dass die Vorschrift des § 28 SPolG offensichtlich nicht als Rechtsgrundlage für eine dauerhafte, offene und nicht der Aufklärung, sondern der Abwehr einer bekannten Gefahr dienende Observation einschlägig sein kann. Insoweit hält es der Senat keineswegs für ausgeschlossen, dass eine ursprünglich auf eine bestimmte polizeirechtliche Gefahrenlage bezogene Bestimmung bei Entstehen neuartiger, bislang zwar in dieser Form nicht vorhergesehener, aber im Wesenskern vergleichbarer Gefahrenlagen – zumindest übergangsweise - dann herangezogen werden kann, wenn die normierten Tatbestandsvoraussetzungen dies prinzipiell erlauben und dies nicht zu einer unzulässigen Ausweitung der - in erster Linie an den Vorgaben des Verfassungsrechts zu orientierenden - polizeilichen Eingriffsbefugnisse führt.

Bei einer Anwendung des § 28 SPolG als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation bestehen darüber hinaus verfassungsrechtliche Zweifel unter den Gesichtspunkten des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Fehlens verfahrensrechtlicher Absicherungen.

Orientiert an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Telekommunikationsüberwachung

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, zitiert nach Juris,

hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf das Bestimmtheitserfordernis zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 28 SPolG möglicherweise deswegen als defizitär einzustufen sein könnte, weil sie verdeckte Ermittlungen schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr erlaubt, weil sie den Grad der Wahrscheinlichkeit der Straftatbegehung nicht genau umreißt, weil sie den Kreis eventuell betroffener Personen eher weit fasst und die in Rede stehenden Straftaten nicht im Einzelnen aufzählt.

Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass die genannte Vorschrift keinerlei verfahrensrechtliche Regularien wie eine zeitliche Begrenzung der Maßnahme oder sonstige Verfahrenskontrollen, wie etwa eine regelmäßige Überprüfung des weiteren Vorliegens der bei ihrer Anordnung angenommenen Voraussetzungen oder einen Richtervorbehalt enthält

vgl. in diesem Zusammenhang etwa § 34 Abs. 6 Thüring. PAG, § 17 Abs. 2 SOG Sachsen-Anhalt, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, § 32 Abs. 2 Bremisches PolG, Art. 33 Abs. 5 Bayerisches PAG, § 9 Abs. 2 des Hamburgischen Gesetzes über die Datenverarbeitung durch die Polizei, § 28 Abs. 5 POG Rheinland-Pfalz, § 27 Abs. 3 ASOG Berlin, die Befristungen z.T. mit Verlängerungsmöglichkeiten vorsehen sowie etwa § 186 Abs. 1 und 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, § 34 Abs. 3 SOG Niedersachsen, § 32 Abs. 2 Brandenburgisches PolG, 3 32 Abs. 2 Bremisches PolG, die verfahrensmäßige Kontrollmechanismen, etwa die eines Richtervorbehalts enthalten.

Beide Aspekte erweisen sich indes hier nicht als so gewichtig, dass bei der an den eingangs genannten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts orientierten summarischen Prüfung von einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 28 SPolG bei einer Anwendung als Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Dauerobservation ausgegangen werden müsste. Dem steht insbesondere die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung entgegen.

Dabei ist im Einzelnen von Folgendem auszugehen:

Das durch § 28 SPolG eingeschränkte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss solche Beschränkungen seines Rechts hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeinwohlinteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Bestimmtheitsgebot und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, NJW 2006, 1939 (zur präventiv-polizeilichen Rasterfahndung).

Das Bestimmtheitsgebot soll sicherstellen, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe und deren Reichweite selbst trifft, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und dass die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle durchführen können. Ferner erlauben die Bestimmtheit und Klarheit der Norm, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann. Der Gesetzgeber hat Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festzulegen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603 ff. (zu der vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung), Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BR 595/07 -, NJW 2008, 822 (zur „Online-Durchsuchung“), und vom 11.3.2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505 (zur automatisierten Kfz-Kennzeichenerfassung), jeweils mit weiteren Nachweisen.

Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung richten sich grundsätzlich nach der Art und Schwere des Eingriffs. Bei schwerwiegenden Eingriffen muss die Ermächtigung die besonderen Bestimmtheitsanforderungen festlegen, die bei solchen Eingriffen zu stellen sind

hierzu BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, mit weiteren Nachweisen.

Ausgehend von diesem Maßstab bestehen bei Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SPolG als Rechtsgrundlage für Fälle der hier streitgegenständlichen Dauerobservation zwar gewisse Bedenken hinsichtlich der erforderlichen Bestimmtheit. Jedoch ist grundsätzlich anerkannt, dass Bestimmtheitsdefizite durch eine verfassungskonforme Auslegung geheilt werden können. Eine derartige Auslegung scheidet nur dann aus, wenn es an einem die wesentlichen Fragen umfassenden Regelungskern fehlt, der auf einen erklärten objektivierten Willen des Gesetzgebers zurückgeführt werden kann

BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505.

Danach ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 SPolG im gegebenen Zusammenhang keineswegs ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale „zur vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass eine solche Straftat begangen werden soll“, zumal der im Zusammenhang mit polizeilichen Eingriffen stets zu wahrende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Absatz 1 Satz 2, zweiter Halbsatz der Bestimmung festgeschrieben ist. Es liegt auf der Hand, dass danach nicht jeder beliebige auf einen Verbrechenstatbestand des StGB bezogene Verdacht eine dauerhafte Observation rechtfertigen kann. Vielmehr muss sowohl die Schwere des zu erwartenden Verbrechens als auch der Grad der Wahrscheinlichkeit seiner Begehung in einem angemessenen Verhältnis zu dem konkreten Grundrechtseingriff stehen. So können unter dem Begriff „tatsächliche Anhaltspunkte“ im Zusammenhang mit der vorbeugenden Bekämpfung von Verbrechen ohne weiteres konkrete Umstände des Einzelfalls verstanden werden, die den Verdacht einer Straftat objektivierbar tragen müssen

BVerfG, Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -.

Mithin kann vorliegend mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Annahme der Verfassungswidrigkeit des als Eingriffsnorm in Betracht zu ziehenden § 28 SPolG aufdrängen würde, mit der Folge, dass der Senat gehalten wäre, vorläufigen Rechtsschutz schon deshalb zu gewähren.

Gleiches gilt für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Norm.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) verlangt, dass die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe steht. In dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zum Rechtsgüterschutz und dem Interesse des Einzelnen an der Wahrung seiner von der Verfassung verbürgten Rechte ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in abstrakter Weise einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen. Dies kann dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürfen.

Je gewichtiger die drohende Rechtsgutbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, um den es sich handelt, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine drohende Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung kann allerdings auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht verzichtet werden. Grundrechtseingreifende Ermittlungen „ins Blaue hinein“ lässt die Verfassung nicht zu. Gleiches gilt auch für polizeiliche Maßnahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten im Sinne der Gefahrenabwehr

BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, und Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, jeweils a.a.O. sowie Urteil vom 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 -, NJW 2005, 2603.

Zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben tatbestandlichen Eingrenzungen durch die Festlegung einer klar definierten Eingriffsschwelle gegebenenfalls auch ergänzende verfahrensrechtliche Sicherungen vorzusehen

vgl. BVerfG, Urteile vom 27.2.2008 - 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07 -, NJW 2008, 822.

Im Falle der längerfristigen Observation wäre - wie in entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer erfolgt – etwa an eine verfahrensrechtliche Sicherung des Grundrechtsschutzes durch Festlegung einer maximalen Dauer zu denken, gegebenenfalls mit Verlängerungsmöglichkeiten sowie möglicherweise sogar durch Einfügen eines grundsätzlich im gesetzgeberischen Ermessen stehenden Richtervorbehalts, um der Gefahr von verfassungsrechtlich unzulässigen Grundrechtseinschränkungen wirksam zu begegnen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung derartiger verfahrensrechtlicher Sicherungen in der derzeit gültigen Fassung des § 28 SPolG führt indes im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens nicht zur Annahme einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der Norm. Es ist vielmehr der eingehenden rechtlichen Klärung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten, ob und in welchem Umfang die Notwendigkeit derartiger ausdrücklicher Regelungen verfassungsrechtlich zu bejahen sein könnte oder ob insoweit eine verfassungskonforme Auslegung, die insbesondere an das in § 28 SPolG ausdrücklich formulierte Erfordernis der Verhältnismäßigkeit anknüpft, die aufgezeigten Bedenken auszuräumen vermag.

Nach allem kann bei der hier allein möglichen summarischen, wenn auch angemessen vertieften Betrachtung nicht angenommen werden, dass § 28 SPolG als eine - auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten - tragfähige Rechtsgrundlage für die hier streitgegenständliche Observation des Antragstellers nicht in Betracht gezogen werden kann.

Darüber hinaus erweist sich auch deren konkrete Anwendung nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtswidrig.

Dass vorliegend aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte von einer den tatbestandlichen Anforderungen des § 28 Abs.1 SPolG entsprechenden ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen ausgegangen werden kann, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, wurde bereits dargelegt.

Bei summarischer Betrachtung ist auch nicht davon auszugehen, dass die Anordnung der hier in Rede stehenden Observation ermessensfehlerhaft ergangen oder unverhältnismäßig wäre.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Anordnung und Durchführung der bereits seit dem 12.5.2010 andauernden Observation für den Antragsteller einen intensiven Grundrechtseingriff darstellt. Zur Erreichung des oben genannten Zweckes der Abwehr der ernstlichen Gefahr der Begehung von Verbrechen, die schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beinhalten, erscheint die Maßnahme nach den Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden Verfahrens indes als geeignet, erforderlich und im engeren Sinne, d.h. im Sinne der Zweck-Mittel-Relation auch (noch) verhältnismäßig.

Das Ziel eines effektiven Schutzes der Allgemeinheit vor einzelnen gefährlichen Straftätern, von denen weitere erhebliche Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, stellt ein Gemeinwohlinteresse von überragendem Gewicht dar

vgl. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung: BVerfG, Urteil vom 10.2.2004 – 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02 -, NJW 2004, 750, Beschlüsse vom 23.8.2006, NJW 2006, 3483, vom 22.10.2008 – 2 BvR 749/08 -, NJW 2009, 980 und vom 5.8.2009 – 2 BvR 2098/08, 2 BvR 2633/08 -, zitiert nach Juris.

Indem der Antragsgegner die von ihm befürchtete Begehung der genannten Verbrechen durch den Antragsteller im Wege der angeordneten Observation zu verhindern sucht, verfolgt er mit der Maßnahme einen legitimen Zweck. Die dauerhaft und offen durchgeführte Observation erscheint zur Erreichung dieses Zwecks auch geeignet. Zudem wird voraussichtlich auch von der Erforderlichkeit der Maßnahme in der konkret beschriebenen Ausgestaltung auszugehen sein. Ein milderes Mittel, das zur effektiven vorbeugenden Verbrechensbekämpfung ebenso geeignet wäre, und das der Antragsgegner anstelle der längerfristigen Observation hätte ergreifen müssen, drängt sich nicht auf. Eine nur stichprobenartig auf einzelne Zeiträume begrenzte Observation erscheint auf der Grundlage der derzeit prognostizierten Gefährlichkeit des Antragstellers nicht in annähernd gleichem Maße wie die Dauerobservation geeignet, das Ziel des möglichst lückenlosen Schutzes der Allgemeinheit vor dem Antragsteller als potenziellem Täter zu erreichen. Soweit der Antragsteller darüber hinaus konkrete Einwände hinsichtlich der Ausgestaltung der Observation im Einzelnen geltend gemacht hat, etwa, dass die ihn observierenden Beamten auf eine Distanz im Zentimeterbereich an ihn heranrücken würden, hat der Antragsgegner nachvollziehbar und letztlich unwidersprochen dargelegt, dass dies ausschließlich in besonderen Ausnahmefällen vorkommt, und zwar nur dann, wenn die Observation anders ihren Zweck nicht erfüllen kann, weil sie etwa in dichtem Gedränge, wie bei einem Altstadtfest, stattfindet.

Für eine Bejahung der Verhältnismäßigkeit in der Zweck-Mittel-Relation spricht, dass - unbeschadet der auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Betroffenheit in Grundrechten - es auf Seiten potenzieller Opfer um nicht weniger als den Schutz von Leben und physischer wie psychischer Unversehrtheit sowie sexueller Selbstbestimmung geht.

Im Ergebnis kann daher auch nicht festgestellt werden, dass die konkrete Anwendung des Eingriffstatbestandes des § 28 SPolG gegenüber dem Antragsteller hier bislang überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig erfolgt ist.

Von einer als überwiegend wahrscheinlich anzunehmenden Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Dauerobservation wäre darüber hinaus selbst dann nicht auszugehen, wenn die tatbestandliche Anwendbarkeit des § 28 SPolG aufgrund der oben dargelegten Zweifel zu verneinen wäre. Denn in diesem Falle käme mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Nach § 8 SPolG kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 9 bis 40 SPolG die Befugnisse der Polizei besonders regeln. Unter einer Gefahr ist eine Lage zu verstehen, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Beeinträchtigung eines polizeilich geschützten Rechtsgutes nicht nur unerheblicher Natur führt. § 8 SPolG erfordert das Bestehen einer konkreten Gefahr, die anzunehmen ist, wenn in dem zu beurteilenden einzelnen Fall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.

Wie bereits dargelegt, sprechen derzeit gewichtige Gründe dafür, eine konkrete Gefahr der Begehung schwerer Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch den Antragsteller zu bejahen.

Allerdings bestehen auch gegen die Einschlägigkeit des § 8 SPolG als Ermächtigungsgrundlage für die hier angewendete polizeiliche Maßnahme der unbefristeten Observation Bedenken, und zwar mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie. Danach kann die polizeiliche Generalklausel, die nicht per se gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt

hierzu BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001 – 6 C 3.01 -, E 115, 189 f.; BVerfG, Beschluss vom 23.5.1980 - 2 BvR 854/79 -, NJW 80, 2572,

mit Rücksicht auf die Geltung des Gesetzesvorbehalts nicht stets als hinreichende Grundlage für Grundrechtseingriffe zum Zwecke der Gefahrenabwehr Anwendung finden. Vielmehr sind intensive und nicht nur kurzzeitig wirkende Grundrechtseingriffe grundsätzlich einer normativen Regelung durch den Gesetzgeber vorzubehalten. Auf die diesbezüglichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts im Einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 122 Abs.2 VwGO vollinhaltlich Bezug genommen.

Die hiernach gegebenen Bedenken gelten im gegebenen Zusammenhang insbesondere mit Blick darauf, dass bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des auf Seiten des Antragstellers in Rede stehenden Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG zu berücksichtigen ist, dass nach der Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist und gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht. Allerdings sind staatliche Maßnahmen hinzunehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - in NJW 2004, 739 ff., zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Sicherungsverwahrung.

Vorliegend stellt die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Antragstellers durch mehrere Polizeibeamte einen erheblich belastenden Grundrechtseingriff dar. Auch dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, zum einen mit Blick auf die Beeinträchtigung der privaten Lebensführung des Antragstellers und die Erschwerung sozialer Kontakte und zum anderen mit Rücksicht darauf, dass die Maßnahme bislang keiner zeitlichen Begrenzung unterworfen ist.

Gleichwohl ist es auch aus Sicht des Senats nicht von vornherein ausgeschlossen, die polizeiliche Generalklausel zumindest für eine Übergangszeit als Rechtsgrundlage für eine derartige Dauerobservation von Personen anzusehen, die der Sicherungsverwahrung - trotz Vorliegens eines entsprechenden Gefährdungspotenzials - aus Rechtsgründen nicht unterstellt werden können, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Dass im Interesse einer effizienten Gefahrenabwehr bei Entstehen neuartiger Gefahrenlagen wie hier übergangsweise ein Rückgriff auf die Generalklausel erlaubt ist und dem Gesetzgeber insoweit ein gewisser Zeitraum zur Schaffung der speziellen gesetzlichen Grundlagen einer solchen Gefahrenabwehr zuzubilligen ist, ist anerkannt

vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001, E 115, 189 ff.

Bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind auch damit einhergehende Grundrechtseingriffe hinnehmbar. Insoweit gilt ähnliches wie bei der vorläufigen Anwendbarkeit einer als verfassungswidrig festgestellten Norm für eine Übergangsfrist bis zur gesetzlichen Neugestaltung,

vgl. BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 bis 4/09 -, zitiert nach Juris.

Vorliegend kann auch davon ausgegangen werden, dass eine derartige Übergangszeit überschaubar sein wird. Denn der Deutsche Bundestag hat am 2.12.2010 eine Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung beschlossen, die zum 1.1.2011 in Kraft treten soll. Die grundlegende Neuordnung der Sicherungsverwahrung wird dabei ergänzt durch die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie durch ein neues Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter, das künftig auch für die Fälle Anwendung finden soll, in denen infolge des seit dem 10.5.2010 rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Sexual- und Gewalttäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden. Letzteres sieht - nach erforderlicher doppelter Begutachtung - die Möglichkeit einer Unterbringung in geeigneten Einrichtungen vor, in denen die Behandlung des Betroffenen im Vordergrund steht

hierzu Pressemeldung des BMJ vom 2.12.2010, zitiert nach Juris.

Zusammenfassend lässt sich danach feststellen, dass bei der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen, allerdings auch im gebotenen Maße vertieften Prüfung durchaus denkbar erscheint, dass § 28 SPolG - auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten - eine tragfähige Rechtsgrundlage für die hier in Rede stehende Observation des Antragstellers sein kann, die von dem Antragsgegner auch nicht überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig angewendet wurde. Sollte dem nicht zu folgen sein, kommt mit § 8 SPolG eine weitere - jedenfalls für eine Übergangszeit als einschlägig denkbare - Rechtsgrundlage in Betracht, gegen deren konkrete Anwendung im hier vorliegenden Fall ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken in dem Sinne bestehen, dass sie überwiegend wahrscheinlich als rechtswidrig einzustufen wäre.

Ist mithin das Bestehen des geltend gemachten Anordnungsanspruchs auf Beendigung der seit dem 12.5.2010 andauernden Observation nicht als überwiegend wahrscheinlich zu beurteilen, sondern der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache vielmehr als offen einzuschätzen, so ist die Entscheidung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer allgemeinen Folgenabwägung zu treffen. Diese fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Denn die Folgen, die - im Falle des Nichtbestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs – bei einer Stattgabe eintreten könnten, wiegen schwerer als diejenigen Folgen, die der Antragsteller - im Falle des Bestehens des geltend gemachten Anordnungsanspruchs - bei einer Ablehnung seines Antrags hinzunehmen hat. Unterbliebe die Observation und würde sich die Gefahr realisieren, dass der Antragsteller schwere Gewaltdelikte ebenso wie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begeht, bei denen mit erheblichen physischen und psychischen Belastungen der Opfer zu rechnen ist, so wären die Folgen als erheblich schwerer zu bewerten als die bei einstweiliger Fortführung der Observation eintretenden Beeinträchtigungen der privaten Lebensführung des Antragstellers.

Diese Bewertung steht auch in Einklang mit der Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts in dessen jüngsten Entscheidungen über Anträge noch in Sicherungsverwahrung befindlicher Antragsteller auf Erlass von einstweiligen Anordnungen mit dem Ziel der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung

BVerfG Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 – jeweils zitiert nach Juris.

Nachdem verschiedene Oberlandesgerichte

vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 30.3 2010, - 1 Ws 116/10 -, OLG Nürnberg Beschlüsse vom24.6. 2010, - 1 Ws 315/10 – und vom 7.7.2010, - 1 Ws 342/10 - jeweils zitiert nach Juris

unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit einer nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung

BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 -, NJW 2004, 739 ff.,

auch in Ansehung der Rechtsprechung des EGMR

Urteil vom 17.12.2009 - 19359/04 -, NJW 2010, 2495

die Anträge nach §§ 66, 67 d StGB Sicherheitsverwahrter auf Entlassung abgelehnt hatten, hat das Bundesverfassungsgericht in den o.g. Beschlüssen den Erlass einstweiliger Anordnungen zu deren Gunsten gemäß § 32 Abs. 1 BVerfG abgelehnt. Grundlage war jeweils eine Folgenabwägung mit dem Ergebnis, dass „angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erneut besonders schwere Straftaten begehen könnte, das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner Freiheit überwiegt“

BVerfG, Beschlüsse vom 16.8.2010 - 2 BvR 1762/10 -, vom 5.8.2010 - 2 BvR 1646/10 -, vom 30.6.2010 - 2 BvR 571/10 - und vom 19.5.2010 - 2 BvR 769/10 -, jeweils zitiert nach Juris.

Trägt eine solche Folgenabwägung aber sogar die Entscheidung über eine Fortdauer des Freiheitsentzugs nicht entlassener sicherungsverwahrter Betroffener, so rechtfertigt er umso mehr die Fortdauer der hier in Rede stehenden polizeilichen Observation des – bei vergleichbarer Ausgangslage - bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Antragstellers. Denn die hier streitgegenständliche Maßnahme stellt im Vergleich zum Freiheitsentzug im Rahmen der Sicherungsverwahrung eine erheblich weniger einschneidende grundrechtsrelevante Maßnahme dar.

Nach alledem hat der Antragsteller die angeordnete Observation vorläufig weiter hinzunehmen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Orientiert an dem weiteren zeitlichen Verlauf des Hauptsacheverfahrens und des in Gang gesetzten Gesetzgebungsverfahrens mag der Antragsgegner allerdings in Erwägung ziehen, ob und wann nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur regelmäßigen Überprüfung von Prognoseentscheidungen auch durch Einholung von Gutachten

vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 5.2.2004 - 2 BvR 2029/01 - zur fortdauernden Unterbringung in Sicherheitsverwahrung und vom 8.7.2010 - 2 BvR 1771/09 -, jeweils zitiert nach Juris

vorliegend die Einholung eines aktuellen Gutachtens zur Frage des Gefährdungspotenzials des Antragstellers angezeigt erscheint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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published on 17/04/2012 00:00

Tenor Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 7. Juli 2010 - 1 Ws 342/10 - und der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Str
published on 05/08/2010 00:00

Gründe 1 1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig reg
published on 30/06/2010 00:00

Gründe 1 1. Der wegen zahlreicher schwerer Sexualstraftaten vorbestrafte Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde
published on 19/05/2010 00:00

Tenor Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Gründe 1
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published on 14/02/2013 00:00

Tenor Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die seit dem 10. September 2010 durchgeführte Observation des Klägers weiterhin durchzuführen.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1 D
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Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.