Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. März 2015 - 6 K 7535/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an das klagende Land 4.327,84 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
Tatbestand:
21. Zum Schutz von Baumaßnahmen bei Bodeneingriffen werden die Grundstücke in kampfmittelbelasteten Bereichen gemäß § 16 Landesbauordnung (BauO NRW) überprüft, wenn die örtliche Ordnungsbehörde dies als erforderlich erachtet. Ist dies der Fall, meldet sie die betreffenden Grundstücke bei dem bei den Bezirksregierungen B. und E. angesiedelten Kampfmittelbeseitigungsdienst zur Überprüfung an.
3Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen den Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst, Gem. RdErl. d. Innenministeriums – 75-54.06.06 – u.d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – V A 3- 16.21 – vom 8. Mai 2006; Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung – VV BauO NRW – (MBl. NRW Ausgabe 2000 Nr. 71 vom 23. November 2000, S. 1431-1512), Ziffer 16.22.
4Kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst im Rahmen einer Indikatorkontrolle anhand seiner vorliegenden Dokumentation, den alliierten Luftbildern und den historischen Unterlagen sowie der ihm übergebenen Information zu dem Ergebnis, dass ein konkreter Indikator auf eine Kampfmittelbelastung vorliegt, teilt die Bezirksregierung dies der örtlichen Ordnungsbehörde mit. Die erforderlichen Maßnahmen zur Kampfmittelbeseitigung – Erkundung, Detektion und feststellender Bodeneingriff sowie ggf. notwendige Räummaßnahmen – werden sodann in Rücksprache mit der örtlichen Ordnungsbehörde durchgeführt.
5Vgl. zum Betriebsablauf Ziffer 2 Technische Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen (Stand 09.06.2005) vom 3. August 2005 – 75 – 54.07.03 –, MBl. NRW. 2005, S. 968 (= TVV KMB NRW).
6Die Zusammenarbeit des Kampfmittelbeseitigungsdienstes und der örtlichen Ordnungsbehörden hat das Land durch
7 Runderlass des Innenministers über den staatlichen Kampfmittelräumdienst, Organisation, Aufgabenverteilung vom 29. August 1969,
8 die ordnungsbehördliche Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel – Kampfmittelverordnung – vom 12. November 2003 (GV. NRW. S. 685),
9 die Technische Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land Nordrhein-Westfalen – TVV KpfMiBes – (Runderlass des Innenministeriums vom 3. August 2005 – 75-54.07.03 –, MBl. NRW. 2005 S. 900, ber. MBL. NRW. 2005 S. 968, Stand 9. Juni 2009, abrufbar unterhttp://www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/editors/import/sch/doks/tvkampfmittelbes.pdf)
10sowie durch die
11 Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen den Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst – RL ZBauKBD – (Gem. RdErl. d. Innenministeriums – 75-54.06.06 – u.d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – V A 3-16.21 – vom 8. Mai 2006)
12näher konkretisiert und hinsichtlich der Frage, wer im Verhältnis Bund – Land NRW sowie im Verhältnis Staat – Dritte die auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung anfallenden Kosten zu tragen hat, den Runderlass des Innenministeriums – 75-54.01 – vom 9. November 2007, MBL. NRW. 2007 S. 863 (im Folgenden: RdErl. Kosten) erlassen.
132. Im Mai 2011 wandte sich der Bauherr eines auf dem bereits bebauten Grundstück Iserlohner Straße 52 in E. geplanten Anbaus an die Feuerwehr der Beklagten und bat diese um den Nachweis über die Kampfmittelfreiheit. Das Grundstück befindet sich in einem mit Wohnhäusern dicht bebauten Gebiet mit eingefriedeten Gärten (Reihenhausbebauung). Es ist über einen schmalen Weg erreichbar, welcher nicht mit Kraftfahrzeugen befahrbar ist. Das Grundstück grenzt nach Süden, Osten und Westen unmittelbar an bebaute Grundstücke, nach Norden hin an eine als Spielplatz ausgewiesene Fläche (Bl. 5 d. BA Heft 3).
14Die Beklagte wandte sich an den Kampfmittelbeseitigungsdienst bei der Bezirksregierung E. und bat um Prüfung und Mitteilung, ob die der Bezirksregierung vorliegenden Luftbildaufnahmen Kampfmitteleinschläge auf dem Grundstück Iserlohner Straße 52 aufweisen und welche konkreten Maßnahmen zur Abwehr der von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren für erforderlich gehalten würden.
15Mit Schreiben vom 24. Juni 2011 teilte der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Beklagten unter anderem mit, es liege ein diffuser Kampfmittelverdacht vor. Außerdem existiere ein konkreter Verdacht auf Kampfmittel bzw. Militäreinrichtungen des Zweiten Weltkrieges (Bombenblindgänger). Es werde die geophysikalische Untersuchung des Verdachts sowie die Überprüfung der zu überbauenden Fläche empfohlen.
16Am 14. Juli 2011 erfolgte ein Ortstermin, an welchem die Eigentümer der betroffenen Grundstücke J. Straße 50 und 52, zwei Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sowie zwei Mitarbeiter der Beklagten teilnahmen. Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes teilten den Anwesenden mit, dass Sondierungsbohrungen im Untersuchungsbereich nötig seien. Sie wiesen ferner darauf hin, dass der Zugang für ein Baggerfahrzeug aufgrund der dichten Bebauung nicht möglich sei. Als Alternative empfahlen sie ein mobiles Bohrgerät, für welches noch nicht genau bezifferbare Mehrkosten anfallen würden.
17Die Beklagte forderte im Anschluss an den Ortstermin die Bezirksregierung E. auf, zeitnah mit der von dieser beauftragen Bohrfirma vor Ort die Zuwegung und Bohrmöglichkeiten auszuloten (Bl. 21 d. BA Heft 3).
18Nach Aufforderung durch die Beklagte bestätigten der Eigentümer des Grundstücks J. Straße 50 sowie der Bauherr für den Anbau auf dem Grundstück J. Straße 52 durch schriftliche Erklärungen vom 21. Juli 2011, dass sie die Kosten für die vor- und nachbereitenden Maßnahmen im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung übernähmen.
19Die Bezirksregierung E. beauftragte sodann die L. Kampfmittelbergung GmbH N. mit den auf dem Grundstück J. Straße 52 erforderlichen Maßnahmen zur Überprüfung des Kampfmittelverdachts. Die Firma L. Kampfmittelbergung GmbH führte diese Maßnahmen zwischen dem 1. August 2011 und dem 8. August 2011 durch. Bei insgesamt 31 Bohrungen und 217 Bohrmetern mit einem Kleinbohrgerät (Kellerbohrgerät) wurden letztlich keine Kampfmittel aufgefunden. Die Bezirksregierung E. teilte der Beklagten das Ergebnis der Untersuchung des Verdachtspunkts unter dem 9. August 2011 mit. Diese wiederum leitete das Ergebnis an den Bauherrn des Grundstücks J. Straße 50 und an den Eigentümer des Grundstücks J. Straße 52 unter dem 15. August 2011 sowie an das Bauaufsichtsamt weiter.
20Die L. Kampfmittelbergung GmbH stellte der Bezirksregierung E. durch Schlussrechnung vom 17. August 2011 insgesamt 6.400,14 Euro für die durchgeführten Tiefenbohrungen auf dem Grundstück J. Straße 52 in E. in Rechnung, welche diese umgehend beglich. Die Rechnungssumme setzt sich zusammen aus der Einrichtungspauschale 1 in Höhe von 624,00 Euro, der Einrichtungspauschale 2 in Höhe von 47,62 Euro, den Kosten für den An- und Abtransport des Kellerbohrgeräts in Höhe von 120,00 Euro sowie den Kosten für das „Herstellen von Bohrungen mittels Kellerbohrungen inklusive Verbrauchsstoffe etc“. Für Letzteres setzte sie eine Tagespauschale in Höhe von 917,33 Euro (5 Tage * 917,33 Euro = 4.586,65 Euro) an.
21Mit Schreiben vom 30. August 2011 wandte sich die Bezirksregierung E. an die Beklagte und forderte diese auf, ihr einen Kostenanteil von insgesamt 4.327,84 Euro zu erstatten. Der von der Beklagten zu tragende Kostenanteil ergibt sich nach den Berechnungen der Bezirksregierung wie folgt:Von der von der L. Kampfmittelbergung GmbH in Rechnung gestellten Summe in Höhe von 5.378,27 Euro (ohne Mehrwertsteuer) sei der Anteil abzuziehen, welchen das Land NRW trage. Dieser entspreche den Kosten für eine normale Bohrlochdetektion ohne jegliche Hindernisse oder Mehraufwand; im vorliegenden Fall 1.741,43 Euro. Denn das Land trage nur die Kosten für das Ein/Abrüsten (Einrichtungspauschale 1 i.H.v. 624,00 Euro und Einrichtungspauschale 2 i.H.v. 47,62 Euro) sowie die Kosten für die „normale“ Bohrlochdetektion. Für diese setze die Bezirksregierung pro Bohrlochmeter Kosten in Höhe von 4,93 Euro an. Bei vorliegend 217 Bohrlochmetern wären unter Verwendung eines „normalen“ Bohrers danach Kosten in Höhe von 1.069,81 Euro entstanden. Die darüber hinausgehenden Mehrkosten seien von der Beklagten zu tragen.
22Die Mehrkosten für den Einsatz eines Kellerbohrgeräts sind nach Auskunft der L. Kampfmittelbergung GmbH wie folgt zu erklären: Standardbohrer und Kellerbohrgerät unterscheiden sich in Größe und Arbeitsleistung erheblich. Mit dem Standardbohrer (Bagger) können am Tag etwa 37 Bohrungen von ca. 7 Meter Tiefe durchgeführt werden. Das mobile Kellerbohrgerät ist hingegen deutlich kleiner. Mit ihm können nur etwa 6-7 Bohrungen am Tag durchgeführt werden. Für den Einsatz eines Kellerbohrgeräts werde regelmäßig eine Tagespauschale festgesetzt, hinzu komme eine Pauschale für den Transport des Geräts in Höhe von 120 Euro. Die Kosten für den Einsatz eines „Standardbohrers“ hingegen würden nach Bohrmetern berechnet. Pro Bohrmeter seien im Jahr 2011 4,93 Euro in Rechnung gestellt worden. Eine zusätzliche Pauschale für den An- und Abtransport falle nicht an.
23Nachdem die Beklagte den Eigentümer des Grundstücks J. Straße 50 – erfolglos – aufgefordert hatte, der Bezirksregierung E. den Anteil der im Rahmen der Bohrlochdetektion zur Überprüfung einer Bombenblindgängereinschlagstelle entstandenen Kosten in Höhe von 4.327,84 Euro zu erstatten, teilte die Beklagte der Bezirksregierung E. durch Schreiben vom 30. Januar 2012 unter anderem mit, sie sei der Auffassung, dass sie zur Begleichung der Rechnung in der von der Bezirksregierung E. genannten Höhe für eine im Rahmen der Maßnahmen der L. Kampfmittelbergung GmbH entstandenen Mehraufwand nicht verpflichtet sei.
24Die Bezirksregierung E. forderte die Beklagte letztmalig unter dem 20. August 2013 zur Zahlung auf. Nachdem die Beklagte bis zum Ablauf der Zahlungsfrist der Aufforderung der Bezirksregierung nicht nachgekommen ist, hat das klagende Land (im Folgenden: Bezirksregierung E. ) am 25. September 2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor:Ein Erstattungsanspruch folge bereits aus § 8 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Der Kampfmittelbeseitigungsdienst sei im Wege der Amtshilfe für die Beklagte tätig geworden. Die von der L. Kampfmittelbergung GmbH in Rechnung gestellten und von der Bezirksregierung E. beglichenen Kosten seien Auslagen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, die die Beklagte zu erstatten habe. Jedenfalls aber habe die Bezirksregierung E. einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Die Beklagte sei als örtliche Ordnungsbehörde nach § 5 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW für die Gefahrenabwehr zuständig. Hierzu zähle auch die Kampfmittelbeseitigung. Eine gesetzliche Vorschrift, die ausnahmsweise eine abweichende Zuständigkeit der Bezirksregierung als Landesordnungsbehörde begründen würde, existiere nicht. Aus dem Runderlass des Innenministers über den staatlichen Kampfmittelräumdienst, Organisation, Aufgabenverteilung vom 29. August 1969, der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen den Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst und der Kampfmittelverordnung werde vielmehr deutlich, dass der Kampfmittelbeseitigungsdienst lediglich zur Unterstützung der örtlichen Ordnungsbehörden vom Land NRW bei den Bezirksregierungen B. und E. unterhalten werde und nur auf Anforderung der örtlichen Ordnungsbehörde hin Verdachtsflächen auf Kampfmittelbelastung untersuche, bewerte und räume. Deutlich erfolge eine Unterscheidung zwischen den zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden und der Bezirksregierung, die nur für die Beauftragung der zur Kampfmittelbeseitigung qualifizierten Stellen zuständig sei. Schließlich sei es auch zweckmäßig, die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr im Hinblick auf Kampfmittel „in eine Hand“ zu legen, um in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten eine effektive Gefahrenabwehr durch einheitliche Koordinierung zu gewährleisten. Die Bezirksregierung E. habe im Auftrag der Beklagten gehandelt und deren Aufgaben der Gefahrenabwehr ausgeführt. Aus der Unterstützungstätigkeit der Bezirksregierung E. entstehe aber keine Pflicht, auch die entstehenden Kosten zu übernehmen. Diese habe vielmehr die Beklagte gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW zu tragen. Abweichend hiervon bestimme 2.4 des Runderlasses des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 9. November 2007 zwar, dass wegen § 19 Abs. 2 Ziff. 1 AKG in Verbindung mit § 1004 BGB das Land NRW die Kosten der Kampfmittelbeseitigung trage. Es sei aber bereits zweifelhaft, ob die Überprüfung des Verdachtspunktes als Gefahrerforschungsmaßnahme überhaupt unter den Begriff der Kampfmittelbeseitigung gefasst werden könne. Ungeachtet dessen übernehme das Land die Kosten aber nur bis zu der Höhe, die üblicherweise bei Räummaßnahmen entstünden. Hingegen sei die örtliche Ordnungsbehörde nach der Regelung des Runderlasses zur Übernahme der über die normalerweise bei Räummaßnahmen entstehenden Kosten hinausgehenden Mehrkosten, die auf die individuelle Nutzung oder Eigenschaften des Grundstücks zurückzuführen seien, verpflichtet (Ziff. 2 Abs. 7 des Runderlasses des Innenministeriums vom 9. November 2007). Solche Mehrkosten seien vorliegend durch die Anwendung eines Kleinbohrgerätes, also eines Spezialverfahrens, entstanden. Denn die geringere Arbeitsleistung des Kleinbohrgeräts und der damit verbundene erhöhte Zeitaufwand im Vergleich zum Einsatz eines normalen Bohrgerätes habe sich in höheren Kosten der Bohrlochdetektion niedergeschlagen. Für den Einsatz des Kleinbohrgeräts habe auch ein Sachzwang bestanden, weil aufgrund der Lage des zu überprüfenden Grundstücks der Einsatz eines normal großen Bohrgeräts nicht möglich gewesen sei. Aufgrund der im Vorfeld erfolgten Besprechungen und der auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude hätte der Beklagten auch bekannt sein müssen, dass bei dem Einsatz eines Kleinbohrgerätes Mehrkosten anfielen. Vergleichbare Mehrkosten habe die Beklagte in der Vergangenheit auch anstandslos getragen. Hierzu stehe ihr aktuelles Verhalten in Widerspruch. Der Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit ergebe sich mangels einer speziellen gesetzlichen Regelung für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche aus §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB analog.
25Der Kläger beantragt,
26die Beklagte zu verurteilen, an das klagende Land 4.327,84 Euro nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie führt zur Begründung ihres Antrages im Wesentlichen aus: Für eine Zahlungspflicht der Beklagten sei keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Die Beklagte sei im Ablauf der Gefahrerkundung weder als Auftraggeberin irgendwelcher Maßnahmen, noch als örtliche Ordnungsbehörde in eigener Zuständigkeit tätig geworden. Die Bezirksregierung E. sei aus § 19 Abs. 2 AKG für die Kampfmittelbeseitigung zuständig; hierzu gehörten wie bei jeder Verwaltungszuständigkeit auch die vorbereitenden und unterstützenden Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung bei einem bloßen Gefahrenverdacht. Der Versuch des klagenden Landes, mittels eines Erlasses eine unmittelbare Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden für diese Gefahrerkundung zu schaffen, gehe fehl. Es handele sich insoweit um eine künstliche Aufspaltung des Sachverhalts, die allein der Kostenabwälzung auf die beteiligten kommunalen Behörden diene. Wenn die Bezirksregierung E. mittels ihres Kampfmittelbeseitigungsdienstes einen Gefahrenverdacht auf Kampfmittel feststelle, deren Beseitigung ihr in eigener Zuständigkeit obliege, sei sie aus dieser Zuständigkeit heraus gemäß § 24 VwVfG NRW selber verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Damit sei die hier durchgeführte Untersuchung eine ureigene Aufklärungstätigkeit der Bezirksregierung E. . Soweit sie sich dabei mangels eigenen Personals der Hilfe durch örtliche Behörden bediene, handele es sich um Amtshilfe im Sinne der §§ 4 ff. VwVfG NRW. Die Beklagte werde diese auch jederzeit leisten können, sie lasse sich dadurch aber nicht zur zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde erklären bzw. qualifizieren. Nur hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass selbst nach dem rechtlichen Ansatz der Bezirksregierung E. die geltend gemachten Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nicht gegeben seien. Ein Erlass sei keine nach außen wirksame Rechtsgrundlage, bei eigener Kostentragungspflicht bestimmte zusätzliche Kosten auf Dritte abzuwälzen. Hierzu bedürfe es einer gesetzlichen Regelung, die es nicht gebe. Selbst wenn aber die Bezirksregierung E. nicht verpflichtet sein sollte, grundstücksbezogene Mehrkosten zu tragen, folge daraus keine Pflicht der Beklagten, solche Kosten zu übernehmen. Schließlich stellten die durchgeführten Maßnahmen auch keine Mehrkosten im Sinne des Erlasses dar. Der Erlass selbst unterscheide nicht zwischen verschiedenen Bohrgeräten. Die durch den Einsatz des Kellerbohrgeräts entstandenen Kosten seien auch nicht auf die Rahmenbedingungen im Sinne des Erlasses zurückzuführen, die von dem Grundstück selber oder durch dessen spezifische Nutzung ausgingen. Denn der Bagger habe hier allein deswegen nicht eingesetzt werden können, weil die angrenzenden Häuser und Garagen – und nicht die Bebauung des Grundstücks selbst – die freie Zufahrt zum Grundstück verhindert hätten. Die Kosten einer Bohrung mit einem großen Bohrer könnten ferner nicht als Standard maßgeblich sein, weil in der Stadt – anders als etwa auf dem freien Feld – der Einsatz eines Großgeräts regelmäßig nicht in Betracht komme. Im Ergebnis führe dies zu einer unverhältnismäßig hohen Kostenbelastung der Beklagten (2/3) im Verhältnis zur Bezirksregierung E. (1/3). Schließlich werde für den Einsatz eines „Kellerbohrgeräts“ eine geringere Tagespauschale berechnet als für ein Standardgerät. Demnach seien für den Einsatz des Kellerbohrgeräts keine Zusatzkosten angefallen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Klage hat Erfolg. Sie ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet.
321. Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Die Beteiligten streiten um die Verteilung der Kostenlast bei Maßnahmen der Kampfmittelbeseitigung. Die Bezirksregierung E. stützt ihr Begehren insoweit auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Das auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Klagebegehren ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Weder das Kampfmittelbeseitigungsrecht noch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch vermitteln dem klagenden Land eine Verwaltungsakt-Befugnis, sodass ihm kein einfacherer Weg der Rechtsdurchsetzung offen steht als die Klage. Im Übrigen stand nach den vorgerichtlichen Einlassungen der Beklagten fest, dass ein Rechtsstreit unumgänglich sein würde; auch ein eventuell vorrangiger Verwaltungsakt wäre von ihr angegriffen worden.
33Zum Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 15. Aufl. 2014, § 35 Rn. 21 ff.; a.A. BVerwG, Urteil vom 28. September 1967 – II C 37.67 –, juris Rn. 13 (= BVerwGE 28, 1-12); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 10 Rn. 5; siehe aber zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs durch Leistungsklage, soweit nicht die sog. Kehrseitentheorie Anwendung finden kann, ebda., § 29 Rn. 30.
34Die Bezirksregierung E. kann ihren Anspruch auch nicht durch fachaufsichtliche Weisung geltend machen.
35Vgl. allgemein Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 20. Aufl. 2014, Vorb. § 40 Rn. 50.
36Als Aufsichtsbehörde nach § 7 Abs. 2 Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) kann sie zwar im Einzelfall Weisungen gegenüber der Beklagten als örtlicher Ordnungsbehörde erteilen; dies aber nur, um die gesetzmäßige Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben zu sichern (§ 9 Abs. 1 OBG NRW). Die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen fällt nicht hierunter.
372. Die Klage ist begründet. Die Bezirksregierung E. hat einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 4.327,84 Euro (a) nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (b). Spezielle Erstattungsansprüche, insbesondere aus dem Amtshilferecht, kommen hingegen nicht in Betracht (c).
38a) Die Bezirksregierung E. kann ihren Anspruch auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen. Der als eigenständiges Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist dadurch gekennzeichnet, dass eine mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Vermögenslage durch Erstattung auszugleichen ist. Das heißt, dass der beim Begünstigten zu Unrecht bestehende Vermögensvorteil abgeschöpft wird. Er gilt grundsätzlich auch zwischen Trägern von Behörden.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2007 – 2 C 14.06 –, juris Rn. 15 f. (= DÖV 2008, 251-253); Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 15. Aufl. 2014, § 49a Rn. 27; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil II. Nr. 2.
40Voraussetzung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist, dass es innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung zu einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung durch Leistung oder in sonstiger Weise gekommen ist. Dies ist hier der Fall. Die auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr beruhende Rechtsbeziehung zwischen der Bezirksregierung E. und der Beklagten ist öffentlich-rechtlicher Art. Indem die Bezirksregierung E. die Mehrkosten der Bohrlochdetektion übernommen hat, ist es zu einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung gekommen. Die Bezirksregierung E. ist zu Unrecht mit den Mehrkosten der Bohrlochdetektion belastet. Nach § 45 Abs. 1 OBG NRW, der in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung einschlägig ist (aa), hat nicht die Bezirksregierung E. , sondern die Beklagte die (Mehr-)Kosten der Bohrlochdetektion zu tragen (bb). Eine von der Rechtsfolge des § 45 OBG NRW abweichende Verwaltungspraxis ist für den im konkreten Fall geltend gemachten Anspruch nicht einschlägig (cc). Auch rechtshindernde Einwendungen stehen der Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen (dd). Schließlich besteht der Anspruch im geltend gemachten Umfang (ee).
41aa) Eine spezialgesetzliche Regelung der Verteilung der Kostenlast zwischen der Bezirksregierung E. und den Trägern der örtlichen Ordnungsbehörden hinsichtlich der Kosten, die im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung entstehen, besteht nicht.
42Sie kann insbesondere nicht aus Art. 120 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Als Ergänzung zum X. Abschnitt des Grundgesetzes ist Art. 120 Abs. 1 GG vor allem im Zusammenhang mit Art. 104a Abs. 1 GG zu sehen. Danach folgt die Ausgabenverantwortung grundsätzlich der Aufgabenverantwortung. Art. 120 Abs. 1 GG durchbricht dieses allgemeine Lastenverteilungsprinzip und ordnet an, dass der Bund auf dem Gebiet der Kriegsfolgelasten bestimmte Ausgaben auch dann zu tragen hat, wenn die Erfüllung der zugehörigen Aufgaben den Ländern übertragen ist. Hierzu zählt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter bestimmten Voraussetzungen auch die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, für die die Länder nach Art. 30 GG zuständig sind. Die Verfassung sieht insofern selbst eine finanzwirtschaftliche Verteilung der Kriegsfolgelasten vor, die den Gesetzgeber bindet, auf die aber auch dann zurückzugreifen ist, wenn das von der Verfassung vorgesehene Gesetz fehlt oder es sich gemessen an Art. 120 GG als unzureichend erweist.
43Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 24 (=NVwZ-RR 2012, 787-792 = Buchholz 11 Art. 120 GG NR. 10), vom 18. November 2010 –3 A 1.09 –, juris Rn. 16 m.w.N. (= NVwZ 2011, 307-308 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 9); Urteil der Kammer vom 29. Januar 2015– 6 K 7040/12 –, juris.
44Die Regelung beschränkt sich aber auf das Verhältnis von Bund und Ländern. Es handelt sich um eine ausschließlich das Bund-Länder-Verhältnis regelnde finanzverfassungsrechtliche Vorschrift. Gemeinden und ihre Aufgabenträger zählen staatsverfassungsrechtlich zu den Ländern (vgl. Art. 106 Abs. 9 GG). Ihre Rechtsposition in Bezug auf die landesinterne Lastenverteilung wird durch Art. 120 GG nicht berührt.
45Vgl. Schaefer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2012, Art. 120 Rn. 22; Jarass, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 12. Aufl. 2012, Art. 120 Rn. 1, Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 120 Rn. 8.
46Unabhängig davon trägt nach der gemäß Art. 120 GG maßgeblichen Staatspraxis das Land die Kosten der Räumung alliierter Kampfmittel – um die es hier potentiell ging –, sofern das belastete Grundstück – wie hier – im Privateigentum steht.
47bb) Der Anspruch der Bezirksregierung E. ergibt sich daher aus der allgemeinen Regelung der Kostentragungslast auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr nach § 45 OBG NRW. Nach dessen Absatz 1 trägt das Land die Kosten, die durch die Tätigkeit der Landesordnungsbehörden entstehen. Die Kosten, die durch die Tätigkeit der Kreisordnungsbehörden und der örtlichen Ordnungsbehörden entstehen, tragen hingegen die Kreise, die kreisfreien Städte und die Gemeinden. Die Kostentragungspflicht knüpft hiernach an das Tätigwerden der eingreifenden Behörde an (Konnexität).
48Die Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips basiert wiederum auf der Annahme, dass eine angemessene Finanzausstattung der jeweiligen Gebietskörperschaft vorhanden ist, vgl. Art. 78 Abs. 3, 79 Satz 2 LV NRW, Art. 106 GG; Meyer, Finanzierung fremdbestimmter kommunaler Aufgaben – Harmonie und Dissonanz in der neueren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, NVwZ 1999, 843 (844); Beckenhoff/Bender, Das Konnexitätsprinzip aus Artikel 78 Abs. 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen in der aktuellen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, BRJ 2011, 53-57; Schönenbroicher, in: Heusch/Schönenbroicher (Hrsg.), Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2010, Art. 78 Rn. 53 ff.
49Der Träger einer jeden Behörde trägt die Kosten der von dieser eingeleiteten und durchgeführten Maßnahme (Entstehungsprinzip).
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Februar 1971 – III A 1400/68 –, OVGE 26,183 (191); OVG NRW; Urteil vom 5. Dezember 2007 – 13 A 931/05 –, juris Rn. 56; Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1972, § 48 Rn. 2; vgl. auch Nr. 45.1 der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ordnungsbehördengesetzes (VV OBG NRW), RdErl. des Innenministers vom 4. September 1980 – I B 3/10.10.14 –, MBl. NRW. 1980, S. 2114, zuletzt geändert am 11. Juni 2013, MBl. NRW. 2013 S. 204; Heusch, in: Schönenbroicher/Heusch, Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2014, § 45 Rn. 1.
51Die Kreise, kreisfreien Städte und Gemeinden sind danach Träger der Kosten, die im Zusammenhang mit den ihnen nach § 3 Abs. 1 OBG NRW als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragenen ordnungsbehördlichen Aufgaben entstehen.
52Maßgeblich ist, ob die kostenrelevante Tätigkeit als Maßnahme der örtlichen Ordnungsbehörde oder der Landesordnungsbehörde einzuordnen ist. Dies richtet sich danach, wer die Entscheidung über das Anfallen der Ausgaben getroffen und zu verantworten hat (Verantwortungsprinzip). Auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung ist dies die örtliche Ordnungsbehörde.
53(1) Die Überprüfung der Kampfmittelfreiheit eines Baugrundstücks, um etwaige Gefahren für die Sicherheit und Ordnung durch Bombenblindgänger aufzuklären und abzuwehren, ist Teil der allgemeinen Gefahrenabwehr im Sinne des § 1 Abs. 1 OBG NRW.
54Siehe zum Gefahrbegriff etwa Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2014, § 4; Schönenbroicher, in: ders./Heusch, Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2014, § 1 Rn. 10 ff.; speziell zum Gefahrbegriff auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung Ziffer 3 der Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen den Bauaufsichtsbehörden und dem staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst (Gem. RdErl. d. Innenministeriums – 75-54.06.06 – u.d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – V A 3 – 16.21 – vom 8. Mai 2006); OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 1997– 5 A 4/96 –, juris Rn. 3 ff. (= NWVBl 1998, 64-65).
55Hierfür sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW sind alle ordnungsbehördlichen Aufgaben, die nicht durch besondere gesetzliche Regelung den Landes- oder Kreisordnungsbehörden übertragen sind (§ 5 Abs. 2 OBG NRW) oder zur Zuständigkeit der Sonderordnungsbehörde (§ 12 OBG NRW) gehören, von den örtlichen Ordnungsbehörden wahrzunehmen. Vorliegend ist weder eine Zuständigkeitsübertragung auf die Bezirksregierung als Landesordnungsbehörde (§ 3 Abs. 2 OBG NRW) nach § 5 Abs. 2 OBG NRW erfolgt (1.1), noch ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst eine Sonderordnungsbehörde im Sinne des § 12 OBG NRW (1.2).
56(1.1) Eine Übertragung erstinstanzlicher Aufgaben auf die Landes- oder Kreisordnungsbehörden nach § 5 Abs. 2 OBG NRW kann etwa auf solchen Gebieten des Ordnungsrechts erfolgen, in denen die Leistungsfähigkeit örtlicher Ordnungsbehörden zur Aufgabenwahrnehmung nicht ausreicht, es der Grundsatz einer sachgerechten Verwaltungsorganisation somit gebietet, die Zuständigkeit bei den Kreisen oder Bezirksregierungen aus personellen und/oder fachlichen Gründen zu konzentrieren.
57Vgl. Schönenbroicher, in: ders./Heusch (Hrsg.), Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2014, § 5 Rn. 4.
58Von dieser Möglichkeit wurde auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung kein Gebrauch gemacht.
59Eine Spezialzuweisung der Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung auf die Bezirksregierung als Landesordnungsbehörde im Sinne des § 5 Abs. 2 OBG NRW folgt zunächst nicht aus Art. 120 Abs. 1 GG. Die hierin im Verhältnis von Bund und Ländern getroffene Durchbrechung des allgemeinen Lastenverteilungsprinzips auf dem Gebiet der Kriegsfolgelasten regelt nur die Finanzierungsverantwortung und betrifft nicht die Verwaltungszuständigkeit. Sie regelt außerdem das Verhältnis vom Land zur Gemeinde nicht.
60Vgl. Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 120 Rn. 5; Schaefer, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band 2, 6. Aufl. 2012, Art. 120 Rn. 7.
61Eine von § 5 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW abweichende Zuständigkeit der Bezirksregierungen B. und E. als Landesordnungsbehörden im Sinne des § 5 Abs. 2 OBG NRW folgt ferner nicht aus der Kampfmittelverordnung.
62Ob durch Rechtsverordnung von der Möglichkeit, nach § 5 Abs. 2 OBG NRW abweichend vom Ortsprinzip die sachliche Zuständigkeit den Bezirksregierungen als Landesordnungsbehörden zuzuweisen, Gebrauch gemacht worden ist, ist angesichts des Ausnahmecharakters einer solchen Zuständigkeitsregelung im Wege einer engen Auslegung zu beurteilen.
63Vgl. Schönenbroicher, in: ders./Heusch (Hrsg.), Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2014, § 5 Rn. 4 f.
64Danach sprechen Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung gegen eine Übertragung der Zuständigkeit.
65Die Kampfmittelverordnung sieht ausdrücklich die sachliche Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung vor. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KampfmittelVO obliegt der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren, die von Kampfmitteln ausgehen, als Aufgabe der Gefahrenabwehr den örtlichen Ordnungsbehörden.
66Diese Aussage findet sich ebenfalls unter anderem in Ziff. 1 Satz 1 RL ZBauKBD; in Ziffer 1 Abs. 4 TVV KpfMiBes, und in Ziffer 16.22 der Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung – VV BauO NRW – MBl. NRW S. 1431-1512.
67Der Kampfmittelbeseitigungsdienst soll hingegen ausweislich § 1 Abs. 2 KampfmittelVO nur auf Anforderung der örtlichen Ordnungsbehörden diesen als Unterstützung dienen. Ziel der Kampfmittelverordnung ist es danach nicht, Kompetenzen von der örtlichen Ordnungsbehörde auf die Landesordnungsbehörden zu übertragen, sondern den zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden personelle und sachliche Mittel gebündelt bei den Bezirksregierungen B. und E. zur Verfügung zu stellen, um ihnen die ihnen zugewiesene Aufgabenerfüllung zu erleichtern.
68Den örtlichen Ordnungsbehörden wird durch die in der Kampfmittelverordnung getroffenen Vorgaben auch nicht die Sachherrschaft über die ordnungsbehördliche Aufgabenerfüllung entzogen. Zwar legt der Kampfmittelbeseitigungsdienst aus fachlicher Sicht das staatliche Handlungserfordernis fest, plant und organisiert die notwendigen Kampfmittelbeseitigungsmaßnahmen, führt sie durch und vergibt Aufträge.
69Siehe § 3 KampfmittelVO sowie Ziffer 1 Abs. 1 TVV KpfMiBes; Ziffer 3 RL ZBauKBD; siehe zum Ablauf der einzelnen Arbeitsschritte das hierzu abgedruckte Schema in den Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, A-1.3.10, abrufbar unter: www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de.
70Ihr Handeln erfolgt jedoch stets erst und ausschließlich auf Anforderung der örtlichen Ordnungsbehörden, welche über das „ob“ und „wie“ der Maßnahme unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes entscheidet. Diese treten als zuständige Ordnungsbehörde nach außen auf und erlassen wenn notwendig die zur Gefahrenabwehr erforderlichen ordnungsrechtlichen Verfügungen gegenüber den betroffenen Grundstückseigentümern. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hingegen tritt nur nach vorheriger Einschaltung durch die örtlichen Ordnungsbehörden im Rahmen der Vorhabendurchführung mit dem Bürger in Kontakt, agiert selbst aber zu keiner Zeit nach außen hoheitlich-regelnd und wird nicht aus eigenem Antrieb gefahrenabwehrend tätig.
71Vgl. Ziffer 1 Abs. 5 TVV L. NRW; siehe auch Thilo, Können die Kosten von Munitionsräummaßnahmen den Grundstückseigentümern auferlegt werden?, in: DöV 1997, 725 (727), welcher – ohne nähere Begründung – den Kampfmittelräumdienst als Hilfsorgan der örtlichen Ordnungsbehörden einordnet.
72Der Zuständigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie durch die in der KampfmittelVO getroffenen Regelungen in ihrer Wahl der Art und Weise der Aufgabenerfüllung eingeschränkt werden. Nach § 3 KampfmittelVO ist nur den durch die Bezirksregierung mit der Beseitigung der Kampfmittel beauftragten Stellen der Umgang mit Kampfmitteln gestattet. Die örtlichen Ordnungsbehörden sind mithin verpflichtet, die Unterstützung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Anspruch zu nehmen. Die Beschränkung der örtlichen Ordnungsbehörden in der Auswahl ihrer Mittel zur Gefahrenabwehr ist jedoch als allgemeine Weisung im Sinne des § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW zulässig.
73Die Gefahrenabwehr obliegt den örtlichen Ordnungsbehörden nach § 3 Abs. 1 OBG NRW als eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung im Sinne des Art. 78 Abs. 4 Satz 2 LV NRW i.V.m. § 3 Abs. 2 Gemeindeordnung (GO NRW). Das den Kommunen grundsätzlich aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG garantierte Recht der eigenverantwortlichen Aufgabenerledigung als Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltung,
74siehe hierzu etwa Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht Band 3, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 16 ff., insbes. Rn. 26; Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl. 2014, § 2 Rn. 54 ff.,
75kann im Bereich der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung – anders als bei den Selbstverwaltungsaufgaben – durch die Sonderaufsicht nach § 119 Abs. 2 GO NRW mittels Weisungen eingeschränkt werden. Dem Land steht danach mit Blick auf seine fortbestehende Grundzuständigkeit das Recht der fachlichen Lenkung zu.
76Vgl. Brüning, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht Band 3, 3. Aufl. 2013, § 64 Rn. 96.
77Das Weisungsrecht besteht aber nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Maßgabe einer konkreten gesetzlichen Regelung. Im Rahmen der Gefahrenabwehr gestalten §§ 7 ff. OBG NRW die Sonderaufsicht im Sinne des § 119 Abs. 2 GO NRW gesetzlich näher aus. Nach § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW kann unter anderem das jeweils zuständige Ministerium als oberste Aufsichtsbehörde (§ 7 Abs. 3 OBG NRW) allgemeine Weisungen zur zweckmäßigen Erfüllung der ordnungsbehördlichen Aufgaben erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der Aufgabe zu sichern. Dazu gehören auch Weisungen zur Art und Weise der Aufgabenerfüllung. Eine bestimmte Form, in der die Weisung ergehen muss, sieht das Gesetz nicht vor.
78Danach stellt die aus der Kampfmittelverordnung folgende Pflicht der örtlichen Ordnungsbehörden, zur Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung den bei den Bezirksregierungen B. und E. angesiedelten Kampfmittelbeseitigungsdienst in Anspruch zu nehmen, eine generell-abstrakte Weisung nach § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW dar.
79Die formellen Anforderungen an eine Weisung im Sinne des § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW sind erfüllt. Denn das heutige Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, welches die Kampfmittelverordnung erlassen hat, ist die für das allgemeine Gefahrenabwehrrecht zuständige oberste Aufsichtsbehörde im Sinne des § 7 Abs. 3 OBG NRW (vgl. Ziffer 5.4 der Bekanntmachung der Neufassung der Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden vom 25. März 2011, GV. NRW 2011, 191-200). Da § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW keine besondere Form der Weisung vorsieht, steht dem Erlass einer Weisung durch eine insgesamt die Abwehr von Gefahren betreffende ordnungsbehördliche Verordnung grundsätzlich nichts entgegen. Dass die Kampfmittelverordnung selbst die formellen und materiellen Anforderungen an eine ordnungsrechtliche Verordnung nach §§ 25 ff. OBG NRW nicht erfüllt, ist nicht ersichtlich.
80Die Kampfmittelverordnung genügt den materiellen Anforderungen an eine allgemeine Weisung im Sinne des § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW. Die Verpflichtung zur Inanspruchnahme eines bei den Bezirksregierungen eingerichteten Kampfmittelbeseitigungsdienstes dient der zweckmäßigen Aufgabenerfüllung auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung. Denn es bedarf – wie in § 1 Abs. 1 KampfmittelVO zutreffend festgehalten – beim Umgang mit Kampfmitteln besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten. Dies gilt für die konkrete Behandlung von Kampfmitteln ebenso wie für die Gefahrerforschung. Die Bündelung von Fachkompetenz und Sachmitteln bei den Bezirksregierungen B. und E. ermöglicht den örtlichen Ordnungsbehörden eine effektive und kosteneffiziente Kampfmittelbeseitigung, gewährt zugleich eine gleichmäßige Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung eines einheitlichen Sicherheitsniveaus und stellt die Leistungsfähigkeit der örtlichen Ordnungsbehörden auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung sicher.
81(1.2) Insofern ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst auch keine Sonderordnungsbehörde im Sinne des § 12 OBG NRW. Zu der Kategorie der Sonderordnungsbehörde werden Behörden insbesondere dann gezählt, wenn ihre Organisation, Zuständigkeit, Befugnisse und Aufsicht nicht im allgemeinen Ordnungsrecht, sondern in den jeweils anwendbaren Sondergesetzen geregelt sind. Sonderordnungsbehörden haben regelmäßig im Rahmen ihres Aufgabenbereichs umfassend die Aufgaben der besonderen Gefahrenabwehr wahrzunehmen.
82Vgl. zur Schwierigkeit der Begriffsbestimmung Schönenbroicher, in: ders./Heusch, Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar, 2014, § 12 Rn. 1 ff.
83Dem Kampfmittelbeseitigungsdienst fehlt aus den dargelegten Gründen (1.1) bereits die Zuständigkeit, selbstständig gefahrenabwehrend auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung tätig zu werden. Der begrenzte Aufgabenbereich des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in Form der bloßen Unterstützertätigkeit steht einer Einordnung als Sonderordnungsbehörde im Sinne von § 12 OBG NRW entgegen.
84(2) Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte nach § 45 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW die Kosten der von der L. Kampfmittelbergung GmbH durchgeführten sondierenden Tiefenbohrungen zu tragen. Denn sie sind bei einer von der Beklagten eingeleiteten und durchgeführten Maßnahme der allgemeinen Gefahrenabwehr entstanden. Sie war als örtliche Ordnungsbehörde, in deren Bezirk der konkrete Verdacht auf Kampfmittel bestand, nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 OBG NRW örtlich und sachlich zuständig. Sie hat den Kampfmittelbeseitigungsdienst um Überprüfung des Grundstücks J. Straße 52 auf Vorliegen eines Kampfmittelverdachts gebeten, im Rahmen eines Ortstermins mit den Beteiligten das weitere Vorgehen besprochen und den Kampfmittelbeseitigungsdienst anschließend aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Auf ihr Ersuchen und in Absprache mit ihr hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst danach Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergriffen und die L. Kampfmittelbergung GmbH mit der Überprüfung des Kampfmittelverdachts durch Vornahme der Bohrlochdetektion beauftragt.
85cc) Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass nach der Verwaltungspraxis das Land regelmäßig die Kosten der Detektion, Entschärfung und Vernichtung der Kampfmittel trägt und sowohl Bürger als auch die Träger der örtlichen Ordnungsbehörden von einer etwaigen Kostenlast freistellt. Denn ungeachtet der Frage, ob und in welchem Umfang sich das Land NRW im Verhältnis zur Beklagten überhaupt an seiner Verwaltungspraxis festhalten lassen muss,
86vgl. zur Selbstbindung zwischen Behörden vgl. Boysen, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 28 m.w.N.,
87besteht im konkreten Fall bereits kein Anspruch auf Fortführung der Verwaltungspraxis (1). Aber auch nach der durch Runderlass vom 9. November 2007 konkretisierten Verwaltungspraxis wäre die Beklagte verpflichtet, die von der Bezirksregierung E. geltend gemachten Kosten der Kampfmitteldetektion zu tragen (2).
88(1) Voraussetzung der Selbstbindung der Verwaltung ist, dass die Verwaltung tatsächlich eine vom Gesetz nicht abschließend determinierte Handlungs- und Entscheidungsbefugnis innehat. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die vom Gesetz abweichende Rechtspraxis als rechtswidrig dar. Auf die Fortführung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis besteht aber auch nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung kein Anspruch.
89Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1998 – 2 A 3.98 –, juris (= ZBR 1999, 308); Boysen, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Band 1, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 79; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 24 Rn. 30; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 40 Rn. 117 f.; VG E. , Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2014 – 6 K 3659/14 –.
90Danach stellt sich die Verwaltungspraxis, wonach das Land NRW im Verhältnis zu den Kommunen als Träger der örtlichen Ordnungsbehörden aus Billigkeitsgründen grundsätzlich die im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung entstandenen Kosten trägt,
91siehe hierzu etwa Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW, Gefahrenabwehr in NRW, Jahresbericht 2013, S. 104: „Anforderung und Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sind für Gemeinde und Grundstückseigentümer kostenfrei.“; Arbeitshilfen Kampfmittelräumung, A-1.3.10 Nordrhein-Westfalen (abrufbar unter www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de). Anders wird dies etwa in Niedersachsen gehandhabt, wo nur die Kosten des Abtransports und der Vernichtung vom Land getragen werden, vgl. Arbeitshilfen Kampfmittelräumung A-1.3.9 Niedersachsen (abrufbar unter www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de). Zur Verwaltungspraxis auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung allgemein siehe Thilo, Können die Kosten von Munitionsräummaßnahmen den Grundstückseigentümern auferlegt werden?, in: DÖV 1997, 725 (726); OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 1997 – 5 A 4/96 –, juris Rn. 15 (= NWVBl 1998, 64-65); Peine, Rüstungsaltlasten, in: DVBl. 1990, 733 (734),
92als nicht im Einklang mit der in § 45 Abs. 1 OBG NRW vorgesehenen Lastenverteilung stehend dar. § 45 Abs. 1 OBG NRW sieht keinen Spielraum hinsichtlich der Bestimmung vor, wer die Kosten ordnungsbehördlicher Tätigkeit zu tragen hat. Der Landesgesetzgeber hat sich vielmehr für den Grundsatz entschieden, dass jeder Verwaltungsträger die Kosten trägt, die ihm bei Wahrnehmung seiner Aufgaben entstanden sind, ohne die Möglichkeit von Ausnahmetatbeständen vorzusehen.
93Eine von § 45 Abs. 1 OBG NRW abweichende Übung hat auch nicht den Rang von Gewohnheitsrecht erlangt. Ungeachtet der streitigen Frage, ob sich Gewohnheitsrecht auch gegen das Gesetz entwickeln kann,
94vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1959 – VII C 135.57 –, juris (= BVerwGE 8, 317-323); BVerfG, Beschluss vom 17. März 1959 – 1 BvR 53/56 –, juris (= BVerfGE 9, 213-223); Ossenbühl, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts. Band V: Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, 3. Aufl. 2007, § 100 Rn. 59,
95sind die Voraussetzungen hierfür bereits nicht gegeben. Neben einer regelmäßigen Übung über eine erhebliche Zeitspanne und der Herausbildung einer bestimmten Norm ist die Überzeugung aller Beteiligten in der Richtung erforderlich, dass die zur Anwendung kommende Übung wirklich Recht ist. Es müssen nicht bloß die unmittelbar Beteiligten, sondern auch die Allgemeinheit, die Behörden und die Gerichte diese Meinung teilen.
96Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1959 – VII C 135.57 –, juris Rn. 15 (= BVerwGE 8, 317-323).
97Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einer Überzeugung der Allgemeinheit, der Behörden und Gerichte, dass die Verwaltungspraxis Recht ist. Dies wird schon daran deutlich, dass es zu der Frage der Kostenverteilung zwischen Land und Gemeinde auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung an einschlägiger (höchst- und obergerichtlicher) Rechtsprechung fehlt.
98(2) Unabhängig davon kann die Beklagte auch unter Berücksichtigung der bislang geübten Verwaltungspraxis nicht geltend machen, dass die von der Bezirksregierung E. geltend gemachten Kosten von dieser zu tragen sind.
99Die Verwaltungspraxis hat das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen im Runderlass – 75-54.01 – vom 9. November 2007 konkretisiert und dabei zwischen dem Verhältnis Bund – Land NRW (Ziffer 1) und dem Verhältnis Staat – Dritter, also dem von der Kampfmittelbeseitigungsmaßnahme betroffenen Grundstückseigentümer (Ziffer 2) unterschieden. Hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst ein staatliches Handlungsbedürfnis festgestellt, tragen nach Ziffer 2 des Erlasses „Bund und Länder als staatliche Stellen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG die Kosten für die eigentliche Kampfmittelbeseitigung, d.h. die Kosten, die zur Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben erforderlich sind“. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Grundstückseigentümer zwar bei hinreichend konkreten Anhaltspunkten, dass sich auf einem Grundstück bislang verborgen gebliebene Kampfmittel befänden, vom dem Grundstück also selbst eine Gefahr ausgehe, als Zustandsstörer im Sinne der §§ 14, 18 OBG NRW verantwortlich sei, die Kampfmittelbeseitigung einschließlich der Kosten ihm dessen ungeachtet aber nicht auferlegt werden sollen. Zur Kampfmittelbeseitigung zählen nach dem Erlass die Kosten aller im Einzelfall erforderlichen Teilprozesse der Kampfmittelbeseitigung (Ortserkundung, Detektion, festellender Bodeneingriff und Räumung einschließlich Entschärfung, Sprengung, Transport, u.s.w.).
100Siehe zur Definition der Kampfmittelbeseitigung auch http://www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de/Kapitel/index.htm, sowie die ausführlichen Erläuterungen in Ziffer 2 TVV L. NRW.
101Darüber hinaus wird auch die Gefahrenerforschung, d.h. die Feststellung, ob ein staatliches Handlungserfordernis vorliegt, für den Bürger kostenfrei wahrgenommen.
102Vgl. zur „Doppelnatur“ der Teilprozesse im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung, soweit sie im Anschluss an die historische Erkundung der weiteren technischen Erkundung und Gefahrenabschätzung und zugleich der endgültigen Gefahrenbeseitigung dienen, soweit bereits bei der Sondierung aufgefundene Kampfmittel geräumt werden: BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1/11 –, juris Rn. 45.
103Unter Ziffer 2 des Runderlasses findet sich ferner eine nähere Darlegung der Verteilung der Kostenlast im Verhältnis des Landes NRW zu den Trägern der für die Gefahrenabwehr zuständigen örtlichen Ordnungsbehörden. Danach trägt das Land NRW auch im Verhältnis zum Träger der örtlichen Ordnungsbehörde die Kosten der Kampfmittelbeseitigung. Nur die die Kampfmittelbeseitigung vorbereitenden oder sonst begleitenden Maßnahmen, die „von § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG nicht erfasst“ werden, sind von der örtlichen Ordnungsbehörde bzw. vom Grundstückseigentümer auf dessen Kosten zu erledigen. Ferner hat die örtliche Ordnungsbehörde etwaige Mehrkosten, die sich aus der individuellen Nutzung des Grundstücks oder dessen Eigenschaften ergeben, zu tragen. Nach der Erlasslage trägt das klagende Land folglich die Kosten der Kampfmittelbeseitigung nur bis zu der Höhe, wie sie im Regelfall anfallen würden. Ist zur Abwendung der Gefahr aufgrund der individuellen Nutzung des Grundstücks oder der besonderen Grundstückseigenschaften die Anwendung eines aufwändigen Spezialverfahrens erforderlich, sind die hierdurch anfallenden Mehrkosten von der örtlichen Ordnungsbehörde zu tragen. Zu solchen Spezialverfahren zählt nach der Verwaltungspraxis unter anderem der Einsatz eines Kellerbohrgeräts.
104Vgl. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Gefahrenabwehr in Nordrhein-Westfalen. Jahresbericht 2013, S. 104; Bezirksregierung Düsseldorf. , Wer trägt die Kosten in der Kampfmittelbeseitigung?, 30. April 2010, abrufbar unter:http://www.brd.nrw.de/ordnung_gefahrenabwehr/kampfmittelbeseitigung/Kosten_der__Kampfmittelr__umung.html#Ausnahmen.
105Danach fallen die von der Bezirksregierung E. allein geltend gemachten Mehrkosten für das Kellerbohrgerät nicht unter die nach der Verwaltungspraxis von ihr zu tragenden Belastungen der Kampfmittelbeseitigung. Denn die Kosten der im Hinblick auf den konkreten Verdachtspunkt notwendigen Überprüfung der Kampfmittelfreiheit des Grundstücks J. Straße 52 übersteigen jedenfalls die Kosten einer üblichen Bohrlochdetektion und stellen in der von der Bezirksregierung E. geltend gemachten Höhe Mehrkosten im Sinne des Erlasses dar, welche die Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde zu tragen hat.
106Die Eigenschaft des Grundstücks, auf welchem der Kampfmittelverdachtspunkt vorliegend zu untersuchen war, machte es erforderlich, an Stelle eines normalen Bohrers ein Spezialverfahren, nämlich ein Kellerbohrgerät zu verwenden. Die Lage des Grundstücks – welche u.a. auch die Eigenschaft bzw. Beschaffenheit eines Grundstücks definiert –,
107vgl. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 434 Rn. 60,
108innerhalb einer dichten Reihenhausbebauung machte den Einsatz eines Standardbohrers unmöglich. Dies führte zu einem erheblichen zeitlichen und personellen Mehraufwand, welcher sich in den von der L. Kampfmittelbergung GmbH in Rechnung gestellten Kosten widerspiegelte.
109dd) Dem Anspruch der Bezirksregierung E. stehen keine rechtshindernden Einwendungen entgegen.
110Der Bezirksregierung E. kann nicht entgegen gehalten werden, dass sie von ihrer Nichtschuld Kenntnis hatte. Für eine rechtshindernde Einwendung entsprechend § 814 1. Alt. BGB ist kein Raum. Dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kommt hier Vorrang zu.
111Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil III. Nr. 5 c).
112Die Beklagte kann dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten.
113Vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil III. Nr. 4.
114Anhaltspunkte für eine unzulässige Rechtsausübung sind nicht ersichtlich. Insbesondere war der Beklagten bekannt, dass der Einsatz des Kellerbohrgeräts aufgrund der Lage des zu überprüfenden Grundstücks erforderlich war und Mehrkosten verursachen würde. Hierauf hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst die Beklagte ausdrücklich während des Ortstermins hingewiesen. Etwaige Vorarbeiten, die den Einsatz eines Standardbohrers ermöglicht hätten, waren nach der Inaugenscheinnahme des Grundstücks nicht ersichtlich. Die Beklagte hat der geplanten Vorgehensweise auch nicht widersprochen, sondern vielmehr den Kampfmittelbeseitigungsdienst aufgefordert, zeitnah mit der beauftragten Bohrfirma vor Ort die Zuwegung und Bohrmöglichkeiten auszuloten. Die Maßnahme ist damit auch in Kenntnis und mit Billigung der Beklagten erfolgt.
115Dass im Vorhinein – anders als dies der Erlass vorsieht – über die zu erwartenden Mehrkosten keine (schriftliche) Vereinbarung getroffen worden ist, erscheint mit Blick auf den Zweck einer solchen Vereinbarung im vorliegenden Fall unschädlich. Die Vereinbarung ist keine Erstattungsvoraussetzung, sondern dient eher der Dokumentation des beiderseitigen Einvernehmens über die Kostenhöhe. Die Beklagte musste nach den Hinweisen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes während des Ortstermins unabhängig davon mit einer Aufforderung zur Kostenübernahme rechnen. Die Mehrkosten sind ferner nicht derart hoch, dass eine die Mehrkosten konkret bestimmende Vereinbarung im Vorhinein der Maßnahmen zwingend geboten erschienen wäre, um der örtlichen Ordnungsbehörde die Möglichkeit einzuräumen, aus Kostengründen von den vorgesehenen Überprüfungsmaßnahmen abzusehen.
116Der Einwand der Beklagten, dass das Bohrverfahren, welches die Bezirksregierung E. als „Standardbohrung“ definiert, in dicht besiedelten Gebieten wie im Bezirk der Beklagten gerade nicht im Regelfall zur Anwendung komme, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Die Kostenübernahme für die Kampfmittelbeseitigung durch das Land erfolgt – wie dargelegt – aus Billigkeit. Eine Rechtspflicht besteht hierzu nicht. Erklärt die Bezirksregierung E. sich aber zur Übernahme der Kosten, ohne dass sie hierzu verpflichtet ist, bereit, steht ihr ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Bestimmung der von ihr zu tragenden Kosten zu, welcher allenfalls auf eine hier nicht gegebene grobe Sachwidrigkeit überprüfbar ist. Danach spricht nichts dagegen, dass die Bezirksregierung E. die Kostenübernahme der Kampfmittelbeseitigung im Verhältnis zu den Trägern der örtlichen Ordnungsbehörden auf die Kosten einer „Standardbohrlochdetektion“ begrenzt hat. Der von der Bezirksregierung E. gesetzte Umfang ist insbesondere nicht willkürlich, denn es werden für jede Bohrlochdetektion die gleichen Kostenpunkte (Standardbohrer, Kosten pro Bohrlochmeter) in Ansatz gebracht und anhand dessen die Mehrkosten im konkreten Fall berechnet. Die Wiederherstellung der von § 45 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW gesetzlich vorgesehenen Kostenverteilung ist nicht zu beanstanden.
117Schließlich besteht auch für eine etwaige rechtshindernde Einwendung entsprechend § 818 Abs. 3 BGB (Wegfall der Bereicherung) kein Raum. Zwar kann der im bürgerlichen Bereicherungsrecht geltende Grundsatz, dass von dem erlangten Vermögenswert nur das noch Vorhandene herauszugeben ist, auch im öffentlichen Recht in Form des Vertrauensschutzprinzips zur Anwendung kommen.
118Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 14 ff. (= BVerwGE 71, 85-93); Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil III. Nr. 5 c) m.w.N.,
119Dies gilt aber nur dann, wenn ein Kondiktionsverhältnis zwischen Hoheitsträger und Bürger besteht und letzterer erstattungspflichtig ist. Die öffentliche Hand hingegen ist dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet. Ihr Interesse muss darauf gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit gilt für sie auch dann, wenn sie selbst etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Deshalb ist ihr grundsätzlich versagt, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 – 7 C 48/82 –, juris Rn. 14 (= BVerwGE 71, 85-93); Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil III. Nr. 5 c) dd) m.w.N.
121ee) Der Erstattungsanspruch besteht in dem von der Bezirksregierung E. geltend gemachten Umfang. Dieser richtet sich entsprechend § 818 Abs. 2 BGB bei Dienstleistungen – wie sie die Bohrlochdetektion darstellt – nach der üblichen, höchstens nach der vereinbarten Vergütung.
122Vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 818 Rn. 22.
123Die Berechnung der Mehrkosten für den Einsatz eines Kellerbohrgeräts erweist sich als fehlerfrei und stellt sich im Einzelnen wie folgt dar:
124Die streitgegenständliche Bohrlochdetektion hat im Zeitraum 1. August bis 8. August 2011 an insgesamt fünf Werktagen stattgefunden. Für den Einsatz des Kellerbohrgeräts hat die L. Kampfmittelbergung GmbH pro Werktag eine Pauschale in Höhe von 917,33 Euro, insgesamt damit 4.586,65 Euro (5 Tage * 917,33 Euro) angesetzt. Hinzugerechnet wurden die Einrichtungspauschale 1 in Höhe von 624,00 Euro, die Einrichtungspauschale 2 in Höhe von 47,62 Euro sowie die Kosten für den An- und Abtransport des Kellerbohrgeräts in Höhe von 120,00 Euro. Damit sind insgesamt Kosten in Höhe von 5.378,27 Euro (ohne Mehrwertsteuer) für die Bohrlochdetektion im August 2011 entstanden.
125Für eine „übliche“ Bohrlochdetektion wären in einem vergleichbaren Fall (ohne Mehrwertsteuer) in Rechnung gestellt worden: die Einrichtungspauschale 1 (624,00 Euro), die Einrichtungspauschale 2 (47,62 Euro) sowie die Kosten pro Bohrlochmeter mit einem üblichen Bohrer. Pro Bohrlochmeter hat die L. Kampfmittelbergung GmbH im Jahr 2011 4,93 Euro angesetzt. Bei im konkreten Fall insgesamt 217 Bohrlochmetern hätte dies Kosten in Höhe von 1.096,81 Euro (4,93 Euro * 217m) verursacht. Insgesamt wären danach Kosten in Höhe von insgesamt 1741,43 Euro (624,00 Euro + 47,62 Euro + 1.069,81 Euro) entstanden.
126Die Kosten der Bohrlochdetektion mit einem Kellerbohrgerät überstiegen im konkreten Fall danach die Kosten der üblichen Bohrlochdetektion um 3.636,84 Euro (5.378,27 Euro – 1741,43 Euro). Dem ist die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % (691,00 Euro) hinzuzurechnen. Damit sind Mehrkosten in Höhe von 4.327,84 Euro gegenüber einer üblichen Bohrlochdetektion entstanden.
127Anhaltspunkte dafür, dass die von der L. Kampfmittel GmbH in Rechnung gestellten Kosten über die üblichen Kosten einer Bohrlochdetektion mit einem Kleinbohrgerät hinausgehen, bestehen nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten eine Alternative zur Anwendung des Kellerbohrgeräts zur Verfügung gestanden hätte, um die Kosten niedriger zu halten. Schließlich spricht auch nichts dafür, dass die von der Bezirksregierung E. zu tragenden Kosten der üblichen Bohrlochdetektion falsch angesetzt worden sind.
128b) Die Bezirksregierung E. hat darüber hinaus gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. September 2013 entsprechend §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
129Nach ständiger Rechtsprechung sind auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB im Grundsatz zu entrichten, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht – wie hier – keine gegenteilige Regelung trifft.
130Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Juni 1958 – V C 272.57 – ,BVerwGE 7, 95 (97), vom 20. Dezember 1960 – II C 120.59 –, BVerwGE 11, 314-318, vom 14. Februar 1962 – V C 11.61, V C 16.61 –, BVerwGE 14, 1-5, vom 26. März 1965 – IV C 123.63 –, BVerwGE 21, 44-45, vom 21. April 1971 – V C 45.69 –, BVerwGE 38, 49-54, vom 9. November 1976 – III C 56.75 –, BVerwGE 51, 287-291, vom 28. Juni 1995 – 11 C 22/94 –, BVerwGE 99, 53-56; Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34/00 –, BVerwGE 114, 61-68; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung. Kommentar, 20. Aufl. 2014, § 90 Rn. 22 f.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 13. Teil III. Nr. 5 c).
131Mit Klageerhebung am 25. September 2013 ist der Leistungsanspruch der Bezirksregierung E. gegen die Beklagte rechtshängig geworden, § 90 VwGO. Die Zinspflicht begann entsprechend § 187 Abs. 1 BGB mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit, also am 26. September 2013.
132c) Den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verdrängende vorrangige Ansprüche bestehen hingegen nicht. Vertragliche Ansprüche der Bezirksregierung E. gegen die Beklagte scheiden mangels vertraglich getroffener Vereinbarung über die Kostentragungspflicht im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung von vornherein aus. Die Bezirksregierung E. kann den geltend gemachten Anspruch ferner weder auf spezialgesetzliche Vorschriften stützen (aa), noch als Aufwendungsersatzanspruch gemäß einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag geltend machen (bb).
133(aa) Die Bezirksregierung E. hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung entstandenen (Mehr)Kosten aus § 8 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW). Danach hat die ersuchende Behörde der ersuchten Behörde auf Anforderung die im Rahmen der Amtshilfe im Sinne von § 4 Abs. 1 VwVfG NRW entstandenen Auslagen zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 35 Euro übersteigen. Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs liegen nicht vor. Denn die Beklagte hat den Kampfmittelbeseitigungsdienst nicht im Rahmen der Amtshilfe im Sinne des § 4 Abs. 1 VwVfG NRW in Anspruch genommen.
134Nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 VwVfG NRW ist Amtshilfe die auf Ersuchen geleistete ergänzende Hilfe zwischen Behörden. Sie ist eine im Einzelfall erfolgende Beistands- und Unterstützungshandlung in einem fremden Verfahren.
135Vgl. Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Großkommentar, 2014, § 4 Rn. 29 m.w.N.
136Amtshilfe hat danach eine dienende Funktion, weil sie die ersuchende Behörde in die Lage versetzen soll, das Hauptverfahren ordnungsgemäß durchzuführen. Sie beschränkt sich auf ein punktuelles Zusammenwirken mit Ausnahmecharakter. Verfahrensherrschaft und Verfahrensverantwortung bleiben bei der das Grundverfahren betreibenden Behörde.
137BT-Drucks. 7/910, S. 38; Meyer-Teschendorf, Die Amtshilfe, in: JuS 1981, 187 (188, 190); BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. Juli 2011 – 2 BvR 742/10 –, juris Rn. 23 (= NVwZ 2011, 1254-1256).
138Die Frage, ob eine ergänzende Hilfeleistung nach § 4 Abs. 1 VwVfG NRW oder eine selbständige Maßnahme außerhalb des Amtshilferechts vorliegt, bedarf regelmäßig der Einzelfalluntersuchung. Tatbestände, die „eindeutig nicht als Amtshilfe anzusehen sind“,
139BT-Drucks. 7/910, S. 38,
140normiert, wenn auch nicht abschließend, § 4 Abs. 2 VwVfG NRW. Danach stellen zunächst Unterstützungshandlungen zwischen weisungsgebundenen und weisungsberechtigten Behörden keine Amtshilfe dar (Nr. 1), weil die Amtshilfe voraussetzt, dass gleich- oder nebengeordnete Behörden einander Hilfe leisten. Dabei ist es unerheblich, ob ersuchende Behörde die weisungsgebundene oder die weisungsberechtigte Behörde ist. Dafür spricht zunächst der Wortlaut („einander“). Der Ausgrenzung liegt zudem die Erwägung zu Grunde, dass nachgeordnete Behörden im Weisungsstrang gegenüber vorgesetzten Behörden in der Regel ohnehin weitergehenden Pflichten unterliegen und von der Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde unter Rechts- oder Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten angewiesen werden können; umgekehrt können nachgeordnete gegenüber vorgesetzten Behörden weitergehende Beratungs- und Unterstützungsrechte haben. Fragen des Ob und des Wie einer Hilfeleistung können in diesem Verhältnis in beide Richtungen im Wege der Weisung geklärt werden, sodass es der Anwendung der Amtshilfevorschriften nicht bedarf.
141Vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 38; Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Großkommentar, 2014, § 4 Rn. 42 ff.; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 34; Schliesky, in: Knack/Henneke (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 4 Rn. 20; Meyer-Teschendorf, Die Amtshilfe, in: JuS 1981, 187 (189).
142Besteht die Hilfeleistung in Handlungen, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen, liegt nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW ebenfalls keine Amtshilfe vor. Dies ist zwingende Folge des Wesens der Amtshilfe, im Rahmen derer die ersuchte Behörde fremdnützig und altruistisch handelt, da sie ihr Verwaltungshandeln als Teilakt eines fremden Verwaltungsverfahrens in fremdem Interesse erbringt. Im Gegensatz dazu erbringt eine Behörde, der eine Verwaltungstätigkeit als eigene Aufgabe zugewiesen ist, diese zuvörderst deswegen, weil sie – ohne dass ihr ein Ablehnungsrecht vergleichbar mit § 5 Abs. 2 oder 3 VwVfG NRW zur Seite steht – gesetzlich dazu verpflichtet ist. Dabei kommt es für den Ausschlusstatbestand nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW nicht darauf an, ob die erbetene Amtshandlung generell ihrer Eigenart nach in den Aufgabenbereich der ersuchten Behörde fällt. Diese Zuständigkeit im engeren Sinne begründet überhaupt erst ihre Handlungsfähigkeit und ist damit immer Voraussetzung der Hilfeleistung.
143Vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 38; BayVGH, Urteil vom 25. Januar 2007 – 4 BV 04.3156 –. Juris Rn. 22 (= DÖV 2007, 345-347); VG Berlin, Urteil vom 2. November 1983 – 4 A 334.82 –, NJW 1984, 1915-1916; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 4 Rn. 11; Schliesky, in: Knack/Henneke (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 4 Rn. 23; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 35; Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Großkommentar, 2014, § 4 Rn. 46.
144Entscheidend ist vielmehr, ob die Amtshandlung als Hilfeleistung zum gesetzlichen Aufgabengebiet der ersuchten Behörde gehört, d.h. durch Gesetz, einer auf Gesetz beruhenden Verordnung, einer Satzung oder sonstigen Verwaltungsvorschrift unmittelbar angeordnet wird und außerhalb der Amtshilfevorschriften einen Anspruch zu Gunsten der ersuchenden Behörde begründet. Hier gehört es gerade zu den gesetzlichen Aufgaben der betreffenden Behörde, gegenüber anderen Behörden Hilfeleistungen zu erbringen, ohne dass der Rückgriff auf das Amtshilferecht notwendig wäre.
145Vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 – III ZR 34/00 –, juris Rn. 9 (= NJW 2001, 2799-2802); OVG Frankfurt/O, Beschluss vom 23. Juli 1997 – 2 A 16/96 –, RiA 1998, 298-302; BayVGH, Urteil vom 26. Januar 2007 – 4 BV 04.3156 –, juris Rn. 22 (= DÖV 2007, 345-347); Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 4 Rn. 11; Schliesky, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 5. Aufl. 2014, § 4 Rn. 23; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 4 Rn. 35.
146Dies zugrundegelegt, stellt die Tätigkeit des bei der Bezirksregierung E. angesiedelten Kampfmittelbeseitigungsdienstes keine Amtshandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 VwVfG NRW dar. Zum einen steht die ersuchende Beklagte als örtliche Ordnungsbehörde in einem Weisungsverhältnis zur ersuchten Behörde, der Bezirksregierung E. . Denn diese ist gemäß Art. 78 Abs. 4 Satz 2 Landesverfassung NRW (LV), §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2, 119 Abs. 2 GO NRW i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 7 Abs. 2 Satz 1 OBG NRW Aufsichtsbehörde über die kreisfreien Städte als örtliche Ordnungsbehörde. Hierzu zählt auch die Beklagte. Dies schließt bereits nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW die Anwendung der Amtshilfevorschriften aus. Zum anderen ist der Kampfmittelbeseitigungsdienst aus der Kampfmittelverordnung verpflichtet, auf Ersuchen der örtlichen Ordnungsbehörden hin auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung unterstützend tätig zu werden. Ein Rückgriff auf das Amtshilferecht ist insofern nicht erforderlich; einer Einordnung der Maßnahmen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes als Amtshilfe steht § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG NRW folglich entgegen.
147(bb) Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht auf die entsprechende Anwendung der Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches über eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB), sogenannte öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), stützen.
148Unabhängig von der Frage, ob die Vorschriften der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht allgemein und für Ansprüche zwischen den Rechtsträgern von Behörden im Besonderen anwendbar sind und auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung erfolgen müsste,
149vgl. zusammenfassend beispielsweise Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 29 Rn. 10 ff.,
150steht der Anwendung der §§ 677 ff. BGB vorliegend § 45 OBG NRW entgegen, der eine abschließende Regelung darüber trifft, welcher Verwaltungsträger die Kosten von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr trägt. Durch einen Rückgriff auf die öffentlich-rechtliche GoA darf die gesetzlich festgelegte Kostenverteilung nicht unterlaufen werden. Darüber hinaus ist es für die Bejahung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach §§ 677, 683 BGB (analog) erforderlich, dass jemand ein Geschäft „für einen anderen“, also ein objektiv fremdes Geschäft besorgt, ohne dazu beauftragt oder aus anderen Gründen berechtigt zu sein. Daran fehlt es, wenn ein Hoheitsträger aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Handlung in fremden Aufgabenkreisen ermächtigt ist.
151Vgl. Bamberger, Grundfälle zum Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, JuS 1998, 706 (707).
152Dies ist hier der Fall. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst kam mit der Beauftragung der L. Kampfmittelbergung GmbH zur Überprüfung des von ihr festgestellten Kampfmittelverdachts entsprechend den Maßgaben der Kampfmittelverordnung dem im Mai 2011 von der Beklagten gestellten Ersuchen und damit einem „Auftrag“ um Prüfung der Kampfmittelfreiheit des Grundstücks J. Straße 52 in E. nach.
1533. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
1544. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 Satz 1 ZPO.
155Beschluss:
156Der Streitwert wird auf 4.327,84 Euro festgesetzt.
157Gründe:
158Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG erfolgt.
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(1) Die ersuchende Behörde hat der ersuchten Behörde für die Amtshilfe keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Auslagen hat sie der ersuchten Behörde auf Anforderung zu erstatten, wenn sie im Einzelfall 35 Euro übersteigen. Leisten Behörden desselben Rechtsträgers einander Amtshilfe, so werden die Auslagen nicht erstattet.
(2) Nimmt die ersuchte Behörde zur Durchführung der Amtshilfe eine kostenpflichtige Amtshandlung vor, so stehen ihr die von einem Dritten hierfür geschuldeten Kosten (Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren und Auslagen) zu.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache auf Herausgabe der Sache sind zu erfüllen. Bei einem Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Ansprüche aus dem Eigentum mit der Maßgabe Anwendung, daß bis zum Ablauf der in § 20 Abs. 1 bezeichneten Fristen die in §§ 987 bis 992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Voraussetzungen als nicht vorliegend zu erachten sind. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach § 11 bleiben unberührt.
(2) Ansprüche (§ 1), die auf einer sonstigen Beeinträchtigung oder Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, sind nur dann zu erfüllen,
- 1.
wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist oder - 2.
wenn der Beeinträchtigung oder Verletzung eine nach dem 31. Juli 1945 begangene Handlung zugrunde liegt, es sei denn, daß die Beeinträchtigung oder Verletzung auf Veranlassung der Besatzungsmächte erfolgt ist. Bei einem Beseitigungsanspruch kann der Anspruchsschuldner (§ 25) den Anspruchsberechtigten in Geld entschädigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 vorliegen. Die Entschädigung soll den gemeinen Wert der Sache oder des Rechts nicht übersteigen, den diese ohne Beeinträchtigung haben würden.
(3) Sonstige Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache oder an einem Recht sind zu erfüllen. Dies gilt nicht für Ansprüche auf Zahlung von Geld oder auf Leistung einer sonstigen vertretbaren Sache, die vor dem 1. August 1945 fällig geworden sind.
(4) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Reallasten, Schiffshypotheken und sonstige Pfandrechte erlöschen, soweit die durch sie gesicherten Ansprüche (§ 1) nicht zu erfüllen sind.
(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.
(1) Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben.
(3) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. Bei der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird das Gesetz im Auftrage des Bundes ausgeführt, wenn der Bund drei Viertel der Ausgaben oder mehr trägt.
(4) Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Absatz 3 Satz 2 im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.
(5) Der Bund und die Länder tragen die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben und haften im Verhältnis zueinander für eine ordnungsmäßige Verwaltung. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(6) Bund und Länder tragen nach der innerstaatlichen Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung die Lasten einer Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. In Fällen länderübergreifender Finanzkorrekturen der Europäischen Union tragen Bund und Länder diese Lasten im Verhältnis 15 zu 85. Die Ländergesamtheit trägt in diesen Fällen solidarisch 35 vom Hundert der Gesamtlasten entsprechend einem allgemeinen Schlüssel; 50 vom Hundert der Gesamtlasten tragen die Länder, die die Lasten verursacht haben, anteilig entsprechend der Höhe der erhaltenen Mittel. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.
Tenor
Es wird festgestellt, dass das beklagte Land die Klägerin für die im Rahmen des Projektes Rhein-Ruhr-Express (RRX) im Planfeststellungsbereich 1 entstehenden Kosten der Kampfmittelsondierung und -räumung einschließlich einer Betreuungskostenpauschale in Höhe von 7 Prozent des an eine Räumungsfirma zu zahlenden Rechnungsbetrages (ohne Mehrwertsteuer) nicht in Anspruch nehmen darf.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens. Hiervon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese Kosten selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, wer im Rahmen des Schienenwegeausbauprojektes „Rhein-Ruhr-Express“ (RRX) die Kosten für die Sondierung und die Räumung von Kampfmitteln entlang der Ausbaustrecke zu tragen hat.
3Die Klägerin ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG. Sie ist als Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eigentümerin und Betreiberin der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes. Die Klägerin ging im Zuge der zweiten Stufe der Bahnreform zum 1. Januar 1999 aus dem Unternehmensbereich Fahrweg der Deutsche Bahn AG hervor. Die Deutsche Bahn AG war ihrerseits zum 1. Januar 1994 als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn gegründet worden.
4Die Klägerin führt den Trassenausbau des Projekts Rhein-Ruhr-Express (RRX) durch. Für dieses System von beschleunigten Regionalzügen müssen neben punktuellen Maßnahmen insbesondere Strecken durch Erweiterung bestehender Trassen von zwei auf vier (zwischen Köln-Mülheim bis Düsseldorf-Reisholz) bzw. von vier auf sechs Gleise (zwischen Düsseldorf-Reisholz und Duisburg-Großenbaum) ausgebaut werden. Der Ausbau erfolgt nach Maßgabe des Bundesschienenwegeausbaugesetzes. Der RRX ist eine Bedarfsplanmaßnahme in der Finanzierungslast des Bundes. Die Klägerin hat die Planfeststellung für drei Abschnitte im ersten von insgesamt sechs Planfeststellungsbereichen beantragt. Weitere Anträge liegen für den vierten und Teile des fünften Planfeststellungsbereichs vor. Planfeststellungsbeschlüsse sind bis November 2014 für zwei (Teil-)Bereiche ergangen – für Abschnitt 4.0 (Mülheim/Ruhr-Styrum bis Mülheim/Ruhr-Heißen) unter dem 31. Oktober 2013 und für Abschnitt 1.1 (Köln-Mülheim bis Köln-Stammheim) unter dem 21. August 2014.
5Für die Erdarbeiten sind Rammsondierungen und Bohraufschlüsse zur Bestimmung der Gründungsart und -tiefe erforderlich. Dies folgt unstreitig aus einem Bodengutachten, das u.a. Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. August 2014 ist (S. 9). Für derartige Aufschlüsse „empfiehlt“ die Bezirksregierung Sicherheitsdetektionen (Sondierungen) durch den Kampfmittelräumdienst. Im Einzelfall wird die Einleitung und Durchsetzung ordnungsrechtlicher Zwangsmaßnahmen vorbehalten. Kosten für die Sondierung und die Bergung von Kampfmitteln sind nach den geltenden Finanzierungsregelungen des Bundes den Baukosten zuzuordnen und werden durch die Beigeladene nur finanziert, wenn ihr gegenüber eine Kostentragungspflicht nachgewiesen werden kann.
6Bisher wurde die Klägerin bei Ausbaumaßnahmen an Schienenwegen regelmäßig durch den Beklagten zu Kosten für Kampfmittelsondierungs- und -räumungsarbeiten herangezogen. Dies geschah aufgrund weitgehend gleichförmig aufgebauter Verwaltungsvereinbarungen, die die Klägerin mit dem Beklagten abgeschlossen hatte: Demnach beauftragt die Klägerin als sogenannter Drittauftraggeber den Beklagten mit der Überprüfung von Flächen auf das Vorhandensein von Kampfmitteln und gegebenenfalls der Räumung gefundener Kampfmittel; zugleich ist sie verpflichtet, dem Beklagten die entstandenen Aufwendungen zu erstatten bzw. die Rechnungen der beauftragten Fachfirmen auszugleichen.
7Eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung über die Kampfmittelräumung soll auf Betreiben des Beklagten nach dem Vorbild der bisherigen Handhabung auch im Rahmen des Projekts Rhein-Ruhr-Express (RRX) geschlossen werden. Der Vereinbarungsentwurf sieht vor, dass die Klägerin die Bezirksregierung Düsseldorf mit der Überprüfung der beantragten Flächen und ggf. deren Räumung von Kampfmitteln beauftragt (§§ 1, 5), die Bezirksregierung sich eines Vertragsunternehmens bedient (§ 2) und die Rechnung des Vertragsunternehmens an eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG, die DB ProjektBau GmbH, durchleitet (§ 3). Zusätzlich soll ein Betreuungskostenzuschlag in Höhe von 7 Prozent des Rechnungsbetrages geleistet (§ 4) werden.
8Grundlage dieser Vereinbarungen ist – in formeller Hinsicht – die „Technische Verwaltungsvorschrift für die Kampfmittelbeseitigung im Land NRW“ vom 3. August 2005 - 75 - 54.07.03 (MBl. NRW. 2005, S. 968); demnach ist eine Verwaltungsvereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten abzuschließen, die auch die Kostenfolge für die Sondierung und ggf. der Bergung klärt. Inhaltlich beruhen die Vereinbarungen auf einem Runderlass des Innenministeriums NRW vom 9. November 2007 – 75-54.01 – über die Erstattung der anfallenden Kosten für Kampfmittelbeseitigung (MBl. NRW. 2007, S. 843). Der Erlass differenziert zwischen der Kostentragung im Verhältnis Bund – Land NRW (Ziffer 1) und dem Verhältnis Staat – Dritte (Ziffer 2). Im Verhältnis Bund – Land NRW trägt demnach auf der Grundlage von Art. 120 GG i.V.m. den Grundsätzen der auf die 1950er Jahre zurückgehenden Staatspraxis der Bund die Kosten der Beseitigung von Kampfmitteln auf bundeseigenen Liegenschaften. Dies gilt ausdrücklich auch für dessen Rechtsnachfolger, die durch Privatisierung entstanden sind, einschließlich der Deutsche Bahn AG (Ziffer 1.1). Dagegen trägt der Bund die Kosten für die Beseitigung von Kampfmitteln auf nicht bundeseigenen Liegenschaften nur für ehemals reichseigene Munition; soweit sich dort alliierte Munition befindet, trägt das Land NRW die Kosten. Bei Veräußerung von Liegenschaften aus Bundesvermögen wie z.B. Konversionsflächen ohne vorherige Kampfmittelbeseitigung oder Garantie der Kampfmittelfreiheit durch den Bund werden die Kosten nicht durch das Land, sondern „je nach Vertragsgestaltung“ durch den Erwerber getragen (Ziffer 1.2). Im Verhältnis Land – Dritter trägt das Land die Kosten für die „eigentliche Kampfmittelbeseitigung“, die mit der Recherche beginnt und die weiteren Teilprozesse wie Ortserkundung, Detektion Bodeneingriff, Räumung einschließlich Entschärfung, Sprengung und Abtransport der Kampfmittel umfasst. Davon abgegrenzt wird zum einen die Gefahrerforschung, wozu alle Arbeitsschritte zählen, die erforderlich sind, um der örtlichen Ordnungsbehörde mitteilen zu können, ob ein staatliches Handlungserfordernis vorliegt oder nicht. Zum anderen bleiben für vorbereitende oder sonst begleitende Maßnahmen die örtliche Ordnungsbehörde bzw. der Eigentümer kostenpflichtig. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte der Eigentümer gefahrenabwehrrechtlich Zustandsverantwortlicher ist (Ziffer 2).
9Diese Erlasslage, die die Kosten der Kampfmittelräumung auf Bahngrundstücken dem Bund zuweist, steht im Widerspruch zu der Rechtsauffassung des Bundes. Denn laut Rundschreiben des Bundesfinanzministers vom 4. Juni 1995 (V B 2 – VV 5042 – 110/95) sind die Liegenschaften der Bahn infolge der Bahnprivatisierung aus dem Bundesvermögen ausgeschieden und daher nicht mehr bundeseigen im Sinne der Staatspraxis. Der Bund hat danach nur noch bezüglich ehemals reichseigener Munition für die Kosten der Kampfmittelbeseitigung einzustehen.
10Zur Klärung der Finanzierung wandte sich die Klägerin im Oktober 2010 an das Eisenbahn-Bundesamt und beantragte die Freigabe von Bundesmitteln in Höhe von 460.000 Euro für Kampfmittelbeseitigungsarbeiten im Zusammenhang mit Baugrunduntersuchungen in der Entwurfsplanung. Dem Beklagten sei es unbenommen, die Kosten der Kampfmittelbeseitigung auf Verdachtsflächen ganz oder teilweise dem Grundstückseigentümer aufzuerlegen. Dies folge aus Ziffer 1.1. des Runderlasses des Innenministeriums NRW vom 9. November 2007. Demnach würden Liegenschaften der Klägerin wie bundeseigene Liegenschaften behandelt und die Zeichnung eines Vereinbarungsentwurfes verlangt.
11Das Eisenbahn-Bundesamt lehnte die Mittelfreigabe ab. Der Beklagte habe die Kosten der Sondierungs- und Kampfmittelbeseitigungsarbeiten zu tragen. Dessen Rechtsauffassung, dass Liegenschaften der Klägerin wie bundeseigene Liegenschaften zu behandeln seien und deshalb die beigeladene Bundesrepublik Deutschland die Kosten zu tragen habe, sei zweifelhaft. Dies ergebe sich zusätzlich aus den Förderrichtlinien des Bundes („EBA-Handbuch“), wonach Grundstücke der Deutschen Bahn nicht bundeseigen seien.
12Hierauf beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Übernahme der Kampfmittelsondierungs- und -beseitigungskosten. Die Verpflichtung des Landes folge aus der sog. „Staatspraxis“, wonach laut Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 4. Mai 1995 infolge der Bahnreform privatisierte Grundstücke nicht wie bundeseigene Grundstücke zu behandeln seien.
13Mit Schreiben vom 8. März 2011 lehnte für den Beklagten das Ministerium für Inneres und Kommunales die Kostentragung ab. Auch bei ehemals bundeseigenen Liegenschaften werde der Grundstückseigentümer für die Kosten der Kampfmittelräumung in Anspruch genommen. Dies gelte für Bahn und Post genauso wie für andere Erwerber von Bundesliegenschaften. Entsprechend sei in der Vergangenheit bei Schienenwegearbeiten verfahren worden. Dabei sei es zu keinerlei Schwierigkeiten gekommen. Der Betreuungszuschlag von 7 Prozent beruhe auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und sei seit dem Jahre 2000 in einer Vereinbarung zwischen dem Land NRW und dem Bundesfinanzministerium festgeschrieben und unbeanstandet. Für alle anderen „Drittaufträge“ werde diese Pauschale ebenfalls angewandt.
14Um das Bauvorhaben nicht weiter zu verzögern, gab das Eisenbahn-Bundesamt der Klägerin mit Schreiben vom 15. Juli 2011 für Kampfmittelbeseitigungsarbeiten im Rahmen des Vorhabens „Rhein-Ruhr-Express“ Bundesmittel in Höhe von 100.000,00 Euro als Baukostenzuschuss nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz frei. Die Freigabe war u.a. mit folgender Auflagen verbunden:
15„1. Die DB führt bei Inanspruchnahme der hiermit freigegebenen Mittel eine gerichtliche Klärung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der vom Bundesland Nordrhein-Westfalen im Bereich der Kampfmittelbeseitigung vorgenommenen Gleichsetzung von Grundeigentum der DB Netz AG mit den ehemaligen reichseigenen Grundstücken des Bundes (vgl. RdErl. d. Innenministeriums NRW vom 09.11.2007, Nummer 1.1.) herbei. Die Rechtsauffassung des Landes NRW, nach der Liegenschaften der DB Netz AG wie bundeseigene Liegenschaften zu behandeln wären, steht nämlich im Widerspruch zum Erlass des BMF vom 04.05.1995 (V B 2-VV 5042-110/95). Hiernach sind Grundstücke, die infolge der Bahn- und Postreform privatisiert wurden, grundsätzlich nicht wie bundeseigene Liegenschaften zu behandeln. Ferner ist die Rechtsgrundlage, auf welcher der vom Land geforderte Betreuungskostenzuschlag basiert, unklar […]“.
16Die Klägerin hat am 12. Oktober 2012 Klage erhoben. Sie trägt vor:
17Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet, da sich die Kampfmittelbeseitigung einschließlich vorbereitender und begleitender Maßnahmen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften richte. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts folge aus § 52 Nr. 5 VwGO.
18Die Klage sei auch als Feststellungsklage zulässig. Insbesondere bestehe zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte berühme sich eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Klägerin. Das Rechtsverhältnis habe sich auch dahingehend verdichtet, dass zum einen für die laut Bodengutachten erforderlichen Bohraufschlüsse Sicherheitsdetektionen des Kampfmittelräumdienstes durchzuführen seien. Zum anderen verlange der Beklagte die Zeichnung einer Verwaltungsvereinbarung, die die Kostenfolgen zu Lasten der Klägerin regele. Es bestehe auch ein Meinungsstreit darüber, wer die Kosten im Planfeststellungsbereich 1 zu tragen habe: Der Beklagte sei der Auffassung, die Kosten seien von der Klägerin zu tragen, weil die Klägerin nach der Staatspraxis als „Verwalterin“ für „mittelbare Liegenschaften“ des Bundes kostenpflichtig sei. Die Klägerin stehe dagegen auf dem Standpunkt, dass sie wie ein „privater Dritter“ zu behandeln sei. Der Beklagte sei daher nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung in Verbindung mit Ziffer 2 des Runderlasses vom 9. November 2007 zur Übernahme der Kosten gegenüber dem Eigentümer (Zustandsstörer) verpflichtet.
19Ein Feststellungsinteresse bestehe unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, da sich die Kostenfrage nicht nur für den Planfeststellungsbereich 1, sondern auch bei künftigen Planfeststellungsbereichen bzw. Ausbauvorhaben der Klägerin stellen werde.
20In der Sache trägt die Klägerin vor, der Beklagte dürfe sie nicht in Anspruch nehmen. Zwar sei die Klägerin gemäß § 18 OBG NRW zustandsverantwortlich für die von ihren Grundstücken ausgehenden Gefahren. Sie sei jedoch von den Kostenfolgen für Sondierungs- und Räumungsmaßnahmen – wie jeder Dritte – aus Billigkeitsgesichts-punkten sowie aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung freizustellen. Der Runderlass des Landes vom 9. November 2007 sehe in Ziffer 2 für das Verhältnis „Staat-Dritte“ ausdrücklich die Kostentragung des Landes für Ortserkundung, Detektion, feststellende Bodeneigriffe und Räumung einschließlich Entschärfung und Sprengung vor. Dagegen fehle dem beklagten Land für die Regelung in Ziffer 1.1 des Runderlasses, wonach die Kosten für Liegenschaften der Bahn ebenso wie bei bundeseigenen Grundstücken der Beigeladenen anheimfielen, die Kompetenz. Vielmehr sei der Bundesfinanzminister im Einklang mit Art. 120 GG und Art. 19 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes – AKG – berechtigt gewesen, die Behandlung der durch die Bahnreform privatisierten Grundstücke als nicht bundeseigene Grundstücke zu regeln und die Staatspraxis zu konkretisieren. Der entgegenstehende Erlass des Beklagten sei insoweit kompetenzwidrig und unbeachtlich. Zudem werde allein durch eine frühere Eigentümerstellung keine Zustandshaftung begründet.
21Die Klägerin beantragt,
22festzustellen, dass das beklagte Land die Klägerin für die im Rahmen des Projektes Rhein-Ruhr-Express (RRX) im Planfeststellungsbereich 1 entstehenden Kosten der Kampfmittelsondierung und -räumung einschließlich einer Betreuungskostenpauschale in Höhe von 7 Prozent des an eine Räumungsfirma zu zahlenden Rechnungsbetrages (ohne Mehrwertsteuer) nicht in Anspruch nehmen darf.
23Das beklagte Land beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Es trägt vor: In tatsächlicher Hinsicht sei es zutreffend, dass es die Klägerin bislang nicht von den Kosten der Kampfmittelräumung entlang von Eisenbahninfrastrukturen freigestellt habe. Zwar würden private Grundstückseigentümer aus Billigkeitserwägungen grundsätzlich von den Kosten für Bergung, Entschärfung, Vernichtung und Abtransport der Kampfmittel freigestellt. Sie trügen nur die Kosten für vor- und nachbereitende sowie begleitende Maßnahmen. Diese Freistellung gelte allerdings nicht für die Eigentümer von Grundstücken, die der Bund an Private veräußert habe. In solchen Fällen vertrete der Bund die Auffassung, dass der Erwerber das Grundstück entweder entmunitioniert oder zu einem günstigeren Preis erhalten habe, wofür er dann das Kampfmittelrisiko trage. Vor diesem Hintergrund werde der private Eigentümer (vollständig) in Anspruch genommen (Ziffer 1.2 des Runderlasses vom 9. November 2007).
26In rechtlicher Hinsicht sei die Klage abzuweisen. Sie sei bereits unschlüssig. Abgesehen von bestehenden Zulässigkeitsbedenken in Bezug auf die Subsidiarität der Feststellungsklage ergebe sich aus Art. 104a GG bzw. Art. 120 GG kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, auf das sich die Klägerin berufen könne. Ein solches bestehe allenfalls zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen. Die Klägerin habe aber für eine Drittfeststellungsklage kein schutzwürdiges Interesse, da dieses Rechtsverhältnis nicht für ein anderes Rechtsverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten vorgreiflich sei.
27Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Der Beklagte sei gegenüber der Klägerin nicht verpflichtet, auf den Liegenschaften der Klägerin die Kosten der Kampfmittelräumung im Rahmen des Vorhabens Rhein-Ruhr-Express zu tragen.
28Der Beklagte macht insoweit geltend, zur Übernahme dieser Kosten sei im Verhältnis zum Beklagten die Beigeladene verpflichtet. Das ergebe sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der „Staatspraxis“. Demnach komme es auf die bis zum 1. Oktober 1965 geübte Praxis der Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern an. Diese habe sich so dargestellt, dass der Bund die Kosten für die Erkundung, Räumung und Beseitigung ehemals reichseigener Munition stets und von alliierter Munition nur dann trug, sofern sich diese auf bundeseigenen Grundstücken befunden habe. Die Bahnflächen seien nach der Staatspraxis stets wie bundeseigene Grundstücke behandelt worden. Daran habe sich durch die formelle Privatisierung der Bahn nichts geändert. Die entsprechenden Grundstücke stünden mittelbar immer noch im Eigentum des Bundes. Eine solche mittelbare Eigentümerstellung habe das Bundesverwaltungsgericht in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 31. Mai 2012 in Bezug auf Flächen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) für ausreichend erachtet. Zudem könne sich die Beigeladene ihrer finanziellen Verantwortung für die Kriegsfolgelasten nicht dadurch entziehen, dass sie für die Wahrnehmung eigener Aufgaben erforderliche Liegenschaften auf einen selbstständigen Verwaltungsträger auslagere. Die Bahnreform habe nichts an der rechtlichen und wirtschaftlichen Zuordnung geändert. Mittelbar handele es sich um Liegenschaften des Bundes. Dies folge unmittelbar aus Art. 120 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG. Diese Bestimmungen sollten die verfassungsrechtlichen Grenzen der Kostentragung für Kriegsfolgelasten abschließend regeln. Daher sei es mit Art. 120 GG unvereinbar, wenn sich der Bund durch Organisationsgesetze oder durch eine formelle Privatisierung seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung entledigen könne. Dies sei erst recht nicht in Gestalt eines ministeriellen Erlasses möglich; hierdurch könne die Staatspraxis nicht nachträglich geändert bzw. – wie die Klägerin meine – „konkretisiert“ werden; derartige Erlasse seien zudem nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –) rechtlich irrelevant. Da die Aufwendungen der künftigen Kampfmittelräumung unbestritten auch der Abwehr von Gefahren im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG dienten – mit Blick auf die zahlreichen Kampfmittelfunde anlässlich früherer Trassenausbaumaßnahmen in NRW bestehe auch bei dem RRX-Projekt eine hohe Wahrscheinlichkeit von Kampfmittelfunden –, hafte für die diesbezüglichen Kosten nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene. Dies gelte nicht nur für die ehemals reichseigene, sondern auch für alliierte Munition.
29Aber selbst wenn die Staatspraxis nicht eingreifen würde, müsste der Beklagte die Kosten nicht übernehmen. Vielmehr hätte die Klägerin als Zustandsverantwortliche für die Kosten der Kampfmittelräumung auf den Grundstücken in ihrem Eigentum einzustehen. Der Beklagte sei nicht zustandsverantwortlich und damit nicht kostenpflichtig. Dies gelte auch dann, wenn eine Verpflichtung des Beklagten bestehen sollte, die Kosten nicht bei der Klägerin geltend zu machen. Insoweit müsse – wie gezeigt – die Beigeladene einstehen. Darüber hinaus bestehe auch keine Pflicht, die Klägerin von den Kosten freizustellen. Sie könne sich als nicht grundrechtsfähiges Unternehmen nicht darauf berufen, aus Billigkeitsgründen nicht in Anspruch genommen zu werden. Ruinöse Folgen seien aufgrund der Kampfmittelbeseitigung nicht vorgetragen und auch nicht zu erwarten. Im Übrigen kamen Billigkeitserwägungen laut Erlass nur bei Privatpersonen zum Tragen; die Klägerin könne insoweit keinen Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 GG und der Selbstbindung der Verwaltung herleiten. Die Klägerin übersehe, dass sie das Grundstück vom Bund erworben habe. Diese Eigentümer würden aber in ständiger Praxis gerade zu den Kosten herangezogen. Schließlich sei die Klägerin als bundes(un)mittelbares Unternehmen mit den aus Billigkeitsgründen freigestellten Privaten nicht vergleichbar.
30Hierauf erwiderte die Klägerin, sie sei nicht mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vergleichbar. Diese sei eine unmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts unter der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums. Demgegenüber seien gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form zu führen. Mit der Grundgesetzänderung habe deren wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit befördert werden sollen. Ihre kommerzielle Ausrichtung habe abgesichert, ihnen habe unternehmerische Selbstbestimmung eingeräumt werden sollen. Durch Übertragung der Schienenwege auf die Klägerin habe gerade ein unternehmerischer Handlungszwang geschaffen werden sollen. Die Deutsche Bahn AG habe ausweislich der Gesetzesbegründung gerade nicht ähnlich einer Behörde die Schienenwege lediglich verwalten, sondern sie „als eigenes unternehmerisches Produktionsmittel wirtschaftlich optimal nutzen“ sollen. Etwaige Veräußerungen durch die Deutsche Bahn AG zögen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 22. November 2011 – 2 BvE 3/08 –) weder Einnahmen noch Ausgaben des Bundes nach sich; dem Bund flössen keine Mittel zu. Er selbst veräußere auch keine Vermögensgegenstände. Die Klägerin sei Eigentümerin der Liegenschaften, nicht der Bund. Daher sei die Klägerin kostenrechtlich mit privaten Dritten gleichzustellen. Dass die Betreuungskosten mit 7 Prozent zu hoch angesetzt seien, habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Mai 2012 ebenfalls ausdrücklich festgestellt.
31Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob der Beklagte tatsächlich wie er vorgibt, von einer Kostenpflicht des Bundes ausgehe. In dem Fall könnte er den Bund in Anspruch nehmen, wozu er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch vorrangig verpflichtet wäre. Dann aber wäre die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –) freizustellen, denn einer Heranziehung durch den Beklagten könnte sie die Regelungen des Art. 120 Abs. 1 GG i.V.m. der Staatspraxis entgegenhalten. Beides geschehe jedoch nicht. Der Beklagte halte vielmehr – wie die früher abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarungen belegten – die Klägerin für kostenpflichtig. Die Klägerin gehe jedoch davon aus, dass eine bundeseigene Liegenschaft infolge der Bahnreform und der Privatisierung der Infrastrukturunternehmen nicht mehr gegeben sei. Folglich handele es sich nicht mehr um bundeseigene Liegenschaften. Der Erlass des Bundesfinanzministers vom 4. Juni 1995 habe dies lediglich nachvollzogen.
32Im Übrigen dürfe der Beklagte die Klägerin auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen. Der Eigentümer eines Grundstücks hafte als Zustandsstörer nicht unbegrenzt, sondern aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur eingeschränkt mit dem Verkehrswert seines Grundstücks (BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 2002/315/99 –, BVerfGE 102,1). Die Trassengrundstücke der Klägerin seien aber nicht veräußerlich, hätten daher keinen Verkehrswert.
33Dem tritt der Beklagte entgegen: Selbst wenn man das Begehren der Klägerin dahingehend verstehen sollte, dass die Klägerin von dem Beklagten nicht in Anspruch genommen werden dürfe und in diesem Sinne freizustellen sei, sei die Klage unbegründet. Erstens bestreite der beigeladene Bund Ansprüche des Beklagten, zweitens seien die Verpflichtungen des Bundes auf die Klägerin übergegangen. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 DBGrG seien die auf den Trassengrundstücken liegenden Verpflichtungen bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit auf die DB AG übergegangen. Dessen ungeachtet seien die Verpflichtungen des Bundes der Klägerin auch deshalb zurechenbar, weil sich der Bund seiner materiellen Aufgaben nicht durch bloße Organisationsprivatisierung entledigen könne. Daher sei die Klägerin nicht gehalten, sich vorrangig an die Beigeladene zu halten. Das Ermessen des Beklagten sei hierdurch nicht eingeschränkt. Vielmehr stehe es dem Beklagten frei, entweder die Klägerin oder die Beigeladene in Anspruch zu nehmen. Die Gefahr einer Inanspruchnahme sowohl der Klägerin als auch der Beigeladenen bestehe nicht, zumal der Beklagte bereit sei, seine Ansprüche gegen die Beigeladene an die Klägerin abzutreten.
34Schließlich könne die Klägerin nicht beanstanden, dass die vom Beklagten geforderte Betreuungspauschale von 7 Prozent zu hoch sei. Projektbezogene Betreuungskosten gehörten zu den Kriegsfolgelasten in Form von Zweckausgaben. Diese habe nach der vor dem Stichtag geübten Erstattungspraxis die Beigeladene getragen. Hierfür hafte die Klägerin auch nach ihrer Organisationsprivatisierung weiter. Soweit die Klägerin aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2012 eine niedrigere Pauschale ableiten wolle, werde schon der Gehalt dieser Entscheidung völlig verkannt. Hierauf komme es aber letztlich nicht an. Denn die Beigeladene habe mit dem Beklagten am 24. Januar 2000 / 7. März 2000 eine Verwaltungsvereinbarung abgeschlossen, nach der der Bund dem Beklagten für dessen Aufwand für die Planung der Räumungsmaßnahmen, die Vergabe des Auftrags an eine Räumungsfirma, die Abnahme und die Schlussrechnung eine Pauschale von 7 Prozent der geprüften Rechnungsbeträge erstatten müsse. An diese Vereinbarung sei die Beigeladene gebunden.
35Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt und sich auch sonst nicht geäußert.
36Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Der auf (negative) Feststellung des Nichtbestehens eines Zahlungsanspruchs des Beklagten gerichtete Klageantrag hat Erfolg.
39I. Die Klage ist zulässig.
401. Der Verwaltungsrechtsweg ist mangels Sonderzuweisungen gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, denn die Beteiligten streiten vorliegend zum einen um Rechte und Pflichten im Rahmen der Gefahrenabwehr, namentlich der Kampfmittelbeseitigung. Die Normen über die Gefahrenabwehr gehören dem öffentlichen Recht an, da sie einen Hoheitsträger berechtigen und verpflichten. Auch soweit sich der Rechtsstreit auf Fragen der Kostenerstattung für die Kampfmittelbeseitigung bezieht, handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die demnach maßgeblichen Vorschriften richten sich nach öffentlichem Recht. Dies gilt auch, soweit die Klägerin ihr Begehren auf Art. 120 Grundgesetz (GG) und die damit verbundene Staatspraxis stützt.
41BVerwG, Urteile vom 19. Februar 2004 – 3 A 2.03 –, NVwZ 2004, 1125, juris Rn. 23, und vom 14. Juni 2006 – 3 A 6/05 –, NVwZ-RR 2007, 75 [76], juris Rn. 7.
42Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, weil die streitgegenständlichen Rechtsverhältnisse dem Verwaltungsrecht zuzuordnen sind. Dies betrifft auch Ansprüche aus Art. 120 GG, die aus einem Verwaltungshandeln des Landes entstehen.
43BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, NVwZ-RR 2012, 787 = Buchholz Art. 120 GG Nr 10, juris Rn. 22, und vom 16. Dezember 1999 – 3 A 1.99 –, Buchholz Art. 120 GG Nr 6, juris Rn. 16, jeweils m.w.N.
442. Das angerufene Verwaltungsgericht Düsseldorf ist sachlich (a) und örtlich (b) zuständig.
45a) Das Verwaltungsgericht ist gemäß § 45 VwGO sachlich zuständig. Eine erstinstanzliche Spezialzuständigkeit ist weder bezüglich des Bundesverwaltungsgerichts (aa) noch des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) gegeben (bb).
46aa) Insbesondere ist das Bundesverwaltungsgericht nicht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig. Es liegt kein Bund-Länder-Streit vor. Dazu wäre ein Streit zwischen dem Bund als solchem und einem Land als solchem erforderlich. Denn ein Beteiligter am Bund-Länder-Streit muss prinzipiell in der Lage sein, auch verfassungsrechtliche Streitigkeiten miteinander zu führen. Dies ist bei einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen, das unter eigenem Namen klagen oder verklagt werden kann, nicht der Fall.
47BVerwG, Beschluss vom 12. Dezember 2002 – 3 A 1.02 –, BVerwGE 117, 244, juris Rn. 3 ff., zum Bundeseisenbahnvermögen; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 50 Rn. 6.
48Dies gilt für die Klägerin als privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen erst recht.
49bb) Eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) ist ebenfalls nicht gegeben. Sie ist namentlich nicht über § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 VwGO eröffnet. Zwar liegen dem Vorhaben „RRX“ mehrere Planfeststellungsverfahren zugrunde. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft jedoch nicht spezifisch die Planfeststellungsverfahren zum Ausbau öffentlicher Eisenbahnstrecken; er ist auch losgelöst von eisenbahnrechtlichen Regelungen oder Genehmigungen.
50Vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 25. September 2012 – 1 K 339.10 –, juris Rn. 22.
51b) Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Düsseldorf folgt aus § 52 Nr. 5 VwGO. § 52 Nr. 1 VwGO ist nicht einschlägig, weil sich die Streitigkeit nicht unmittelbar auf die Grundstücke der Klägerin und damit unbewegliche Vermögensgegenstände bezieht, sondern nur auf Geldforderungen aus dem Ausbau von Bahnanlagen.
52Vgl. VG Köln, Urteil vom 22. April 2005 – 11 K 6557/03 –, juris Rn. 39 m.w.N.
53Da auch die Tatbestände des § 52 Nr. 2 bis 4 VwGO nicht eingreifen, bleibt es bei der an den Beklagtensitz (Düsseldorf) anknüpfenden Auffangzuständigkeit nach § 52 Nr. 5 VwGO.
543. Die Feststellungsklage ist statthaft.
55a) Es liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO vor. Darunter sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem solchen Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist.
56Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 –8 C 19.94 –, BVerwGE 100, 262 (264 f.), juris.
57Der Streit der Beteiligten betrifft die Bedeutung und Tragweite des Art. 120 GG i.V.m. der Staatspraxis nebst der hierzu ergangenen Schreiben und Erlasse des Bundesfinanzministers und des Beklagten, sowie deren Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich in Gestalt der Rechtsauffassung des Beklagten, im Rahmen des RRX-Projektes Kostenerstattung von der Klägerin verlangen zu dürfen. Der Beklagte berühmt sich des Rechts, in dieser Weise auch künftig – offenbar auf der Grundlage der Ziffern 1.1 oder 1.2 des Runderlasses vom 9. November 2007 – vorgehen, diese Rechtsposition im Wege einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung nachzeichnen und widrigenfalls („im Einzelfall“) auch mit Zwangsmitteln durchsetzen zu dürfen. Die Klägerin bestreitet das Bestehen eines solchen Rechts. Insofern sind die Rechtsbeziehungen in einem konkreten Sachverhalt hinreichend verdichtet. Dies reicht zur Begründung eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses aus, zumal die Hauptbeteiligten bereits in der Vergangenheit entsprechende Verwaltungsvereinbarungen gezeichnet hatten.
58b) Die Statthaftigkeit der Feststellungsklage wird nicht durch den Subsidiaritätsgrundsatz in Frage gestellt. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO greift nur in den Fällen ein, in denen sich das mit der Klage erstrebte Ziel mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage ebenso gut oder besser erreichen lässt. Der Gesetzgeber will den Rückgriff auf die Feststellungsklage verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht. Davon kann dort keine Rede sein, wo die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht als ein einzelnes Leistungsbegehren. Als effektiver erweist sich die Feststellungsklage insbesondere dann, wenn sich durch sie eine Vielzahl potenzieller Anfechtungsprozesse vermeiden lässt.
59BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11/03 –, BVerwGE 121, 152 ff., juris Rn. 19.
60Dies trifft für die auf der Grundlage des Runderlasses vom 9. November 2007 für den Fall des Scheiterns der Verwaltungsvereinbarung drohenden Kostenbescheide zu. Auszugehen ist für den hier streitgegenständlichen Bereich von dem Baugrundgutachten, das – bezogen auf den Planfeststellungsbereich 1.1 – bereits Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses vom 21. August 2014 ist (vgl. S. 9 des Beschlusses, abrufbar unter www.eba.bund.de) und unstreitig notwendige Bohraufschlüsse nach sich zieht. Der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung „empfiehlt“ in diesen Fällen eine Kampfmittelsondierung, behält sich aber – ebenfalls unstreitig – im Einzelfall Zwangsmaßnahmen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW vor. Der Beklagte hat bereits signalisiert, die Klägerin als Störer kostenrechtlich in Anspruch zu nehmen. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine etwaige Kostenentscheidung anzufechten und im Rahmen dieses Rechtsstreits die Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen entsprechender Einwendungen gegen den von dem Beklagten behaupteten Kostenanspruch klären zu lassen, nötigt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn diese Frage würde sich aufgrund der Größe des Projekts RRX und der zahlreichen noch anhängigen Planfeststellungsverfahren (vgl. hierzu die aktuelle Aufstellung unter www.rrx.de) in einer Vielzahl potenzieller Anfechtungsklagen stellen. Kann aber die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und in voller Übereinstimmung mit dem Rechtsschutzinteresse durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, die Klägerin auf eine Gestaltungsklage zu verweisen, wo der Kern des Anliegens bloße Vorfrage wäre, deren Klärung im Übrigen im Einzelfall aufgrund fraglicher Entscheidungserheblichkeit möglicherweise ungewiss wäre. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Feststellungsklage im vorliegenden Fall als effektivere Rechtsschutzform dar.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11/03 –, juris Rn. 19; Sodan/Ziekow, VwGO, 4 Aufl. 2014, § 43 Rn. 122 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 25. September 2012 – 1 K 339.10 –, juris Rn. 34.
62Keiner Entscheidung bedarf daher, ob der dem Freigabebescheid des Eisenbahn-Bundesamtes vom 15. Juli 2011 beigefügten Auflage ein materiellrechtlicher Gehalt innewohnt, mit dem zum Zweck einer sinnvollen Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Verfahrensbeteiligten ein Weg beschritten wird, auf dem das prozessuale Hindernis der Subsidiarität nicht mehr im Wege steht.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1982 – 4 C 80.80 –, DVBl. 1982, 841, juris.
64Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass der Klägerin mit einer Anfechtung der vorgenannten Auflage nicht gedient gewesen wäre. Weder hätte sie dadurch einer Inanspruchnahme durch den Beklagten entgehen noch eine Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage erwirken können. Zu erwägen wäre in diesem Zusammenhang allenfalls, ob die Beigeladene zur Klärung der Grundsatzfrage nicht direkt den Beklagten hätte in Anspruch nehmen müssen. Eine entsprechende Feststellungsklage (vor dem Bundesverwaltungsgericht, vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) stand und steht ihr prinzipiell offen. Ob die Beigeladene diesen Weg beschreitet oder nicht, entzieht sich jedoch dem Einflussbereich der Klägerin, so dass ihr ein diesbezügliches Unterlassen der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit prozessual nicht zum Nachteil gereichen darf.
65Lässt sich aber dem eigentlichen Rechtsschutzanliegen der Klägerin mit einer Feststellungsklage nicht bloß ebenso gut, sondern eher besser als mit einer Anfechtungs- klage Rechnung tragen, so steht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Wahl dieser Klageart nicht entgegen.
66Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 – 4 C 11/03 –, juris Rn. 19, vom 7. September 1989 –7 C 4.89 –, NVwZ 1990, 162 und vom 29. April 1997 –1 C 2.95 –, NJW 1997, 2534, juris.
67c) Es besteht auch das nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwGO berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung. Ein solches umfasst jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Es kann sich auf jede gegenwärtige Unsicherheit oder Ungewissheit in der Rechtsposition eines Klägers beziehen und liegt insbesondere dann vor, wenn der Beklagte eine vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsposition bestreitet. Dies ist hier der Fall. Es besteht erhebliche Unsicherheit in der Rechtsposition sämtlicher Verfahrensbeteiligter, insbesondere weil die Klägerin ein Recht des Beklagten, sie wegen der Kosten für die Kampfmittelsondierung und –räumung in Anspruch zu nehmen, bestreitet. Ein Abwarten von Sanktionen ist der Klägerin aus vorstehenden Gründen nicht zuzumuten.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2011 – 6 C 20/10 –, NVwZ 2012, 162, juris Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 15. Oktober 2003 – 6 A 4134/02 –, NWVBl. 2004, 320, juris Rn. 40 f.
69Überdies besteht ein berechtigtes Interesse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Denn die Frage der Kostentragung bei Kampfmittelräumung stellt sich, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, nicht lediglich im Planfeststellungsbereich 1, sondern konkret und mehrfach im Rahmen des gesamten RRX-Projektes.
70d) Schließlich ist die Klägerin klagebefugt, weil nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass der Beklagte die Klägerin nicht kostenmäßig in Anspruch nehmen darf. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung, die in § 43 VwGO nicht genannt wird, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber seit langem anerkannt ist, ist nur dann nicht erfüllt, wenn subjektive Rechte des Klägers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können. Sie dient ebenso wie im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO dazu, Popularklagen zu verhindern.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 –, juris Rn. 20.
72II. Die Klage ist auch begründet.
73Die Klägerin darf von dem Beklagten nicht zur Kostentragung für eine Kampfmittelsondierung und -räumung in Anspruch genommen werden. Insofern mag offen bleiben, ob dies – wie die Klägerin meint – bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung und Ziffer 2 des landesrechtlichen Runderlasses vom 9. November 2007 folgt. Denn die Klägerin kann einer Inanspruchnahme durch den Beklagten jedenfalls die Bestimmungen aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 bis 3 GG in Verbindung mit der so genannten „Staatspraxis“ entgegenhalten. Der Beklagte ist insoweit gehalten, vorrangig die Beigeladene in Anspruch zu nehmen. Die genannten Bestimmungen des Art. 120 GG sind nämlich – einer Einwendung ähnlich – im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten anwendbar (1.). Das insoweit vorauszusetzende Bestehen eines verfassungsunmittelbaren Erstattungsanspruchs des Beklagten gegenüber der Beigeladenen aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG ist dem Grunde nach gegeben, so dass die Klägerin von dem Beklagten verlangen kann, sie nicht zu den Sondierungs- und Räumungskosten heranzuziehen (2.).
741. Die Klägerin kann sich gegenüber dem Beklagten auf Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Danach trägt der Bund die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten. Zwar sieht die Vorschrift eine Erstattung „nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen“ vor, die nicht erlassen sind. Diese Vorschrift ist aber ungeachtet dessen in bestimmten Fällen unmittelbar Grundlage für Ansprüche eines Bundeslandes gegen den Bund. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, für die die Länder zuständig sind.
75Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, NVwZ-RR 2012, 787 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 10, juris Rn. 24, und vom 18. November 2010 –3 A 1.09 –, NVwZ 2011, 307 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 9, juris Rn. 16 m.w.N.
76Die Beseitigung der aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden reichseigenen und ausländischen (alliierten) Kampfmittel ist eine Kriegsfolgelast. Mit diesem Begriff meint die Verfassung die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende – und in diesem Sinne alleinige – Ursache der Zweite Weltkrieg ist.
77BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1959 – 2 BvF 5/56 – Kriegsfolgelasten, BVerfGE 9, 305 (323), juris Rn. 64 ff.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012, – 3 A 1.11 –, juris Rn. 24, und vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 3 A 1.99 –, Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 6 S. 3, juris.
78Die Verfassung sieht insofern selbst eine finanzwirtschaftliche Verteilung der Kriegsfolgelasten vor, die den Gesetzgeber bindet, auf die aber auch dann zurückzugreifen ist, wenn das von der Verfassung vorgesehene Gesetz fehlt oder es sich gemessen an Art. 120 GG als unzureichend erweist.
79BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 24, und vom 18. November 2010 –3 A 1.09 –, juris Rn. 16 m.w.N.
80Zwar betrifft die Vorschrift lediglich eine Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern. Es handelt sich um eine ausschließlich das Bund-Länder-Verhältnis regelnde finanzverfassungsrechtliche Vorschrift – Gemeinden und ihre Aufgabenträger zählen staatsverfassungsrechtlich zu den Ländern (vgl. Art. 106 Abs. 9 GG) –, die Ansprüche Dritter gegen die öffentliche Hand nicht begründet.
81Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1062 – 2 BvL 15/61, 2 BvL 16/61 – Fremdrentengesetz, BVerfGE, 14, 221, juris Rn. 47 ff.; Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 – Risikostrukturausgleich, BVerfGE 113, 167, juris Rn. 105, 114 ff.; BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1966 – V C 79.65 –, DÖV 1967, 133 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr 4, juris Rn. 32 m.w.N.; zur Zurechnung der Kommunen zu den Ländern vgl. Muckel, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 120 Fn. 16 m.w.N.
82Art. 120 Abs. 1 GG erlangt jedoch nach der Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts insoweit Wirkung über das Verhältnis Bund-Länder hinaus, als die Vorschrift ihrer Wertung nach auch von Dritten einer Inanspruchnahme durch das Land entgegengehalten werden kann. Die Vorschrift ist demnach als Grundentscheidung darüber aufzufassen, wer die Kosten endgültig tragen soll. Daraus folgt, dass ein Bundesland, dem Aufwendungen für Kriegsfolgen entstanden sind, aufgrund der Zuordnung von Kriegsfolgelasten an den Bund nicht verpflichtet ist, seine Rechte im Verhältnis zu Dritten zu suchen. Dann ist es aber folgerichtig anzunehmen, dass Dritte ihrer Kosteninanspruchnahme durch das Land – einer Einwendung ähnlich – entgegenhalten können, das Land könne Erstattung vom Bund verlangen.
83BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 42 –; Beschluss vom 8. November 2012 – 3 A 2.12 –, juris. - A.A. wohl noch Brand/Ristau, Rüstungskonversion, 1994, betreffend einen Gesetzesantrag mehrerer Bundesländer zum Erlass eines Rüstungsaltlastengesetzes, S. 92 ff., S. 108.
84Dem schließt sich die erkennende Kammer – nicht zuletzt aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit – an.
85Diese Entscheidungen stehen nicht in Widerspruch zu der bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Vorschrift des Art. 120 GG als finanzverfassungsrechtliche Regelung ausschließlich das Bund-Länder-Verhältnis betreffe und aus ihr keine Ansprüche Dritter gegen die öffentliche Hand hergeleitet werden könnten. Im Verhältnis der Klägerin zu dem Beklagten stehen Ansprüche aus Art. 120 GG nicht in Rede. Zu entscheiden ist vielmehr, wie sich im Verhältnis zu einem möglicherweise polizeirechtlich Verantwortlichen auswirkt, dass die Kostenverantwortung für Kriegsfolgelasten nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG im Bund-Länder-Verhältnis dem Bund zugewiesen ist. Dazu hat sich auch das Bundesverfassungsgericht bisher nicht geäußert.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2012 – 3 A 2.12 –, juris.
87Dem Einwendungscharakter des Art. 120 Abs. 1 GG kann auch nicht entgegengehalten werden, die Klägerin dürfe als ein von der Beigeladenen beherrschtes Staatsunternehmen nicht als einwendungsberechtigte Dritte eingestuft werden, zumal die vorliegende Fallkonstellation mit derjenigen, über die das Bundesverwaltungsgericht am 31. Mai 2012 (– 3 A 1.11 –) entschieden habe, nicht vergleichbar sei. Zwar trifft es zu, dass die in dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts als gemäß Art. 120 Abs. 1 GG einwendungsberechtigt erachtete und letztlich von den Ländern Berlin und Brandenburg beherrschte Betreibergesellschaft der Berliner Flughäfen (BFG) nicht in einem vergleichbaren Näheverhältnis zu der Beigeladenen wie die Klägerin steht. Hierauf kommt es in diesem Zusammenhang jedoch nicht an. Zum einen hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung mit der möglichen polizeirechtlichen Verantwortlichkeit der BFG – und nicht mit einer wie auch immer gearteten Staatsnähe – begründet. Diese (Zustands-)Verantwortlichkeit ist indes sowohl bei der BFG (als Pächterin) als auch bei der Klägerin (als bestehende oder künftige Eigentümerin der Bahnliegenschaften bzw. Inhaberin der tatsächlichen Gewalt i.S.d. § 18 OBG NRW) gegeben. Zum anderen ist die Einstufung der Klägerin als „Dritte“ auch deshalb geboten, weil Art. 120 Abs. 1 GG die kriegsfolgenkostenrechtliche Letztverantwortlichkeit ausschließlich der Gebietskörperschaft Bund – und nicht etwa sonstigen Aufgabenträgern des Bundes zuweist.
88Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 – Risikostrukturausgleich, juris Rn. 112; vgl. ähnlich zu Art. 110 GG: BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 - 2 BvE 3/08 – Bahnimmobilien, juris Rn. 26.
89Hiervon ausgehend ist das Land gehalten, die Kosten zunächst selbst zu tragen (bzw. etwaige Vorverauslagungen der Klägerin an diese zurückzuerstatten) und sodann ein etwaiges Erstattungsverlangen ausschließlich gegen die Beigeladene zu richten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich – wie hier – ein Dritter ausdrücklich auf Art. 120 GG im Sinne einer Einwendung beruft und die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs des Beklagten gegen die Beigeladene dem Grunde nach vorliegen.
902. Der Beklagte kann, soweit er Kosten für die Sondierung und Räumung der Kampfmittel auf den Liegenschaften der Klägerin im Rahmen des RRX-Projektes übernimmt, von der Beigeladenen Erstattung aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG verlangen.
91Voraussetzung eines solchen verfassungsunmittelbaren Anspruchs ist, dass die Beigeladene nach der bis zum 1. Oktober 1965 geübten Staatspraxis zur Übernahme der Kosten verpflichtet ist (a), eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes – AKG – besteht (b), bei wertender Betrachtung ein Zurechnungs- bzw. Ursachenzusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Kampfmitteln und der Gefahr besteht (c), der Erstattungsanspruch auch dem Umfang nach gegeben (d) und der Klägerin die Verpflichtung der Beigeladenen nicht nachträglich zuzurechnen ist (e). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
92a) Die Rechtsgrundlage eines Anspruchs des Beklagten ergibt sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG. Zwar bestimmt Art. 104a Abs. 1 GG, dass der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg ist eine Aufgabe der Gefahrenabwehr, die nach Art. 30 GG den Ländern obliegt; danach wären die entsprechenden Kosten von den Ländern zu tragen. Die Bestimmung macht jedoch einen ausdrücklichen Vorbehalt für abweichende Regelungen durch das Grundgesetz selbst. Eine solche Regelung enthält Art. 120 Abs. 1 GG, wonach der Bund die Aufwendungen für die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen trägt. Diese Vorschrift regelt unmittelbar und verbindlich die Kostentragungspflicht des Bundes für Kriegsfolgelasten. Zwar überlässt die Vorschrift die nähere Bestimmung dem Bundesgesetzgeber. Ihm ist dadurch aber nicht gestattet, den Begriff „Kriegsfolgelasten“ nach seinen Vorstellungen abzugrenzen. Ebenso wenig enthält der Gesetzesvorbehalt eine Ermächtigung für den Bundesgesetzgeber, den Ländern ganz oder teilweise Kriegsfolgelasten aufzubürden oder sich seiner Kostentragungspflicht dadurch zu entziehen, dass er trotz zwingender und betragsmäßig feststehender Aufwendungen der Länder keine Gesetze erlässt.
93BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, DÖV 2007, 164 = Buchholz 11 Art 120 GG Nr 8, juris Rn. 9 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1959 – 2 BvF 5/56 –, BVerfGE 9, 305, 318, 325, und Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 120 Rn. 16; Urteil vom 20. Februar 1997 – BVerwG 3 A 2.95 –, Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5, juris.
94Mangels gesetzlicher Konkretisierung bestimmt sich die Verteilung der Lasten aus der Beseitigung derartiger Kampfmittel zwischen Bund und Ländern nach der bis zum 1. Oktober 1965 geübten Staatspraxis. Das ergibt sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG. Nach dieser Bestimmung ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die – wie hier – in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, nicht verpflichtet, wenn diese Aufwendungen bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind. Ausdrücklich ist dort zwar nur von den Aufwendungen für Kriegsfolgelasten die Rede, die die Länder und ihre Untergliederungen bis zum 1. Oktober 1965 erbracht haben. Dies ist ersichtlich eine Ausnahme von dem Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch, dass der Bund entsprechend der verfassungsmäßigen Kostenzuordnung des Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG Aufwendungen zu tragen hat, die er vor dem 1. Oktober 1965 schon erbracht hatte. Der Verfassungsgeber ist mithin davon ausgegangen, dass die bis dahin bestehende Lastenverteilung durch eine „allgemeine Schutzklausel“ festgeschrieben werden sollte und der Bund zur Übernahme der Aufwendungen für solche Kriegsfolgelasten verpflichtet bleibt, die zu diesem Zeitpunkt von ihm – und nicht von den Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden – getragen worden waren. Es sollte also der seinerzeit bestehende durch die bisherige Staatspraxis geprägte status quo aufrechterhalten bleiben.
95BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012, – 3 A 1.11 –, juris Rn. 25, und vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 11 und 14; vgl. auch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 15. August 1964, BT-Drs. 4/2524 S. 8 f.; Sturm, DVBl 1965, 719, 723. – Nach h.M. folgt das Fortbestehen der Verpflichtung des Bundes daraus, dass Satz 3 nur eine konstitutive Ausnahme von der Regel des Satzes 1 darstellt, nach Satz 1 also der Bund an sich zur Übernahme auch von nur landesgesetzlich oder überhaupt nicht geregelten Kriegsfolgelasten verpflichtet ist, vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl 2005, Art. 120 Rn. 14.
96Die von Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG in Bezug genommene „Staatspraxis“ ist in Kap. 3.2 Abs. 2 der Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes
97Arbeitshilfen Kampfmittelräumung - AH KMR - Stand: 31. Oktober 2007, abrufbar unter www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de
98zutreffend festgehalten. Nach der dort wiedergegebenen Übung trägt der Bund die Beseitigungskosten auf seinen eigenen Liegenschaften, unabhängig davon, ob es sich um ehemals reichseigene oder ausländische Kampfmittel handelt. Auf nicht bundeseigenen Liegenschaften trägt der Bund die Beseitigungskosten hingegen nur für die ehemals reichseigenen Kampfmittel.
99Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 26.
100Grundlage dieser Staatspraxis sind – soweit es um die Entmunitionierung bundeseigener Grundstücke ging – Zusagen des Bundes aus den Jahren 1956 und 1959, wonach Maßnahmen zur Kampfmittelbeseitigung auf bundeseigenen Grundstücken ab dem 1. April 1956 von den zuständigen Landesbehörden im Benehmen mit dem das Grundstück nutzenden bzw. benötigenden Bundesministerium veranlasst und dem Land die Kosten von diesem Ministerium erstattet werden.
101Vgl. die Schreiben des Bundesfinanzministers vom 24. Juni 1959 – V B 3 – 0 4013 – 260/59 und vom 4. Mai 1995 – V B 2 – VV 5042 – 110/95, S. 3; BT-Drucks. 3/62, S. 177.
102Als bundeseigen galten nicht nur im Eigentum des Bundes stehende Liegenschaften, sondern auch solche unter Bundesverwaltung.
103Vgl. die Antwort des Staatssekretärs des Bundesfinanzministeriums Hartmann im Rahmen der Fragestunde für die 6. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 1957: „Ab 1. April 1956 trägt der Bund weiterhin die Entmunitionierungskosten, soweit es sich um Bundesliegenschaften oder um Liegenschaften handelt, die unter Bundesverwaltung stehen. […]“, BT-Drucks. 3/62, S. 177; vgl. auch RdErl. des Innenministers NRW vom 13. März 1963 – V III C 3/20.37.02 (Ziffer 1).
104Anknüpfungsgrund für die Einstufung als bundeseigen oder nicht war – soweit ersichtlich – die „Verfügbarkeit“ der Liegenschaft „für Zwecke des Bundes“ (vgl. das Schreiben des BMF vom 4. Mai 1995, S. 3). Dies entsprach auch einem Grundsatz des AKG, die kriegsfolgenrechtliche Verantwortlichkeit eines Hoheitsträgers nicht nur auf sein Eigentum, sondern auch auf die unter seiner Verwaltung stehenden Gegenstände zu erstrecken.
105Vgl. § 2 Nr. 3 AKG („in das Eigentum oder die Verwaltung des Bundes oder eines anderen öffentlichen Rechtsträgers gelangten Sache“), § 25 Abs. 2 Nr. 1 AKG („in das Eigentum oder in die Verwaltung eines anderen öffentlichen Rechtsträgers als des Bundes übergegangen“); vgl. auch die Verwaltungsvorschriften zum AKG – VV-AKG 01/2007, S. 4 (D I 1.1).
106Dass sich an der Erstreckung auf Liegenschaften unter Bundesverwaltung etwas durch die Schreiben bzw. Erlasse des Bundesfinanzministeriums von 1958/59, die ausdrücklich nur bundeseigene Grundstücke erfassen, etwas substanziell geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich.
107Vor diesem Hintergrund wurden nach der bis zum Stichtag (1. Oktober 1965) geübten Staatspraxis neben den Bundesautobahnen und Bundeswasserstraßen auch das Gelände der Bundespost und der Bundesbahn – letztere war ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes unter bundeseigener Verwaltung (vgl. §§ 1, 2 BundesbahnG) – als bundeseigen eingestuft.
108Vgl. Thilo, DÖV 1997, 725, 726; RdErl. des Innenministers NRW vom 13. März 1963 – VIII C 3.20.37.02 (Ziffer 2); vgl. auch das Schreiben des BMF vom 4. Mai 1995, S. 5, unter Hinweis auf VV-AKG D 3.5, wonach die Grundstücke von Sondervermögen und Bundesbetrieben im Sinne von § 26 BHO wie bundeseigene Grundstücke behandelt wurden.
109Das Gericht legt ferner zugrunde, dass nach der Staatspraxis ein Wechsel im Eigentum oder der Verfügungsbefugnis über eine Liegenschaft jedenfalls regelmäßig auch einen Wechsel der Kostenlast für die Kampfmittelräumung nach sich zog. So entstand die Kostenpflichtigkeit des Bundes neu, sobald eine Liegenschaft nachträglich in dessen Eigentum oder in die Verwaltung des Bundes gelangte (vgl. auch § 2 Nr. 3 AKG). Umgekehrt entfiel die Kostenpflicht, wenn der Bund seine Liegenschaften veräußerte oder die Verwaltung daran aufgab. In diesen Fällen nahm und nimmt das beklagte Land den (neuen) Verantwortlichen (i.d.R. den Eigentümer) über Ziffer 1.2 des Runderlasses vom 9. November 2007 in Anspruch („ehemals bundeseigene Liegenschaften“). Das Gericht geht davon aus, dass insoweit das Schreiben des Bundesfinanzministers vom 4. Mai 1995 (S. 3, letzter Abs.) auch die bis zum 1. Oktober 1965 bestehende Staatspraxis zutreffend wiedergibt.
110Ob ein Grundstück „bundeseigen“ ist bzw. „unter Bundesverwaltung“ steht, ist folglich nach den tatsächlich bestehenden Grundeigentums- bzw. Verwaltungsverhältnissen zum Zeitpunkt der Vornahme der kostenauslösenden Amtshandlung (Sondierung bzw. Räumung) zu beantworten. Im Übrigen wäre eine Beurteilung anhand der heute oftmals überholten Verhältnisse zum Stichtag 1. Oktober 1965 sinnwidrig.
111Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012, juris Rn. 27, das zur Beurteilung, ob eine Liegenschaft „bundeseigen“ ist oder nicht, ohne weiteres auf die erst 2005 entstandene Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) abstellt.
112Von diesen Grundsätzen ausgehend sind die für das Projekt RRX maßgeblichen Liegenschaften der Klägerin als (mittelbar) bundeseigene bzw. unter Bundesverwaltung stehende Grundstücke im Sinne der Staatspraxis einzuordnen. Sie sind auch nach ihrer Übertragung auf die Klägerin, die entweder im Zuge der Bahnprivatisierung bereits erfolgt ist oder künftig noch – ggf. auch enteignungsrechtlich (vgl. §§ 21, 22 AEG) – erfolgen wird, nach wie vor „für Zwecke des Bundes verfügbar“ und damit „bundeseigen“ im Sinne der Staatspraxis. Denn sie unterliegen nach der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsstellung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen (aa) dem maßgeblichen, einer (mittelbaren) Bundesverwaltung vergleichbaren Einfluss des Bundes (bb).
113aa) Gemäß Art. 87e Abs.1 Satz 1 GG wird die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes in bundeseigener Verwaltung geführt. „Eisenbahnen des Bundes“ sind, wie aus Art. 87e Abs. 3 Satz 2 GG folgt, sowohl Unternehmen, deren Gegenstand der Transport von Personen und Gütern auf der Schiene sind (Eisenbahnverkehrsverwaltung), als auch Unternehmen, deren Tätigkeit der Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen ist (Eisenbahninfrastruktur-unternehmen). Ob es sich um Eisenbahnen des Bundes handelt, hängt wie bei Art. 73 Nr. 6a GG von den Eigentumsverhältnissen ab. Infolge der Privatisierung der Bundeseisenbahnen kommt es darauf an, dass der Bund über die Mehrheit der Anteile an den Eisenbahnunternehmen verfügt.
114Vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn.14; Windthorst, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87e Rn. 15.
115Zur Eisenbahnverkehrsverwaltung gehört zum einen die sonderordnungsrechtliche Verwaltung im traditionellen Sinne, vor allem die Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit dem Erbringen von Verkehrsdienstleistungen („auf der Schiene“) sowie dem Bau und dem Betreiben von Verkehrswegen („an der Schiene“). Zu diesen gefahrenabwehrrechtlichen Aufgaben zählen etwa bahnpolizeiliche Aufgaben, die Abwehr von Angriffen auf den Bahnverkehr und die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Darüber hinaus beinhaltet Eisenbahnverkehrsverwaltung sonstige herkömmliche Verwaltungsaufgaben, insbesondere Hoheitsakte bei Planungs- und Leistungsverwaltung (z.B. die Erteilung von Genehmigungen und aufsichtliche Maßnahmen).
116Zum anderen beinhaltet Eisenbahnverkehrsverwaltung über den Wortlaut hinaus auch das Vorhalten der für den Transport von Personen und Gütern notwendigen Infrastruktur. Sie umfasst die gesamte Administrativtätigkeit, die der Bund in Wahrnehmung seines Infrastruktursicherungsauftrages nach Art. 87e Abs. 4 GG auszuüben verpflichtet ist. Hierzu gehören nicht nur der Bau, Ausbau und Erhalt des Gleiskörpers, sondern auch sämtliche begleitenden Maßnahmen zur Unterhaltung der Eisenbahninfrastruktur in einem betriebssicheren Zustand. Da nach dieser Vorschrift der Bund für eine Grundversorgung im Eisenbahnsektor Sorge zu tragen hat, muss er auch über die für den Vollzug entsprechender Infrastrukturgesetze erforderlichen Administrativbefugnisse verfügen. Innerhalb des Gewährleistungsbereichs des Art. 87e Abs. 4 GG schreibt die Verfassung daher obligatorische Bundesverwaltung verbindlich vor, die der Bund als Pflichtaufgabe der Leistungsverwaltung zur staatlichen Daseinsvorsorge wahrnimmt. Die Zugehörigkeit der Tätigkeit der Klägerin zum Aufgabenbereich der öffentlichen Verwaltung wird durch die Privatisierung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht in Frage gestellt. Die Privatisierung beschränkt sich auf die Organisationsform und stellt keine – auf dem Gebiet der Eisenbahninfrastruktur unzulässige – materielle Aufgabenprivatisierung dar.
117Vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 3 StR 312/10, juris Rn. 10 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 3 C 51.06 – juris; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 20; Windthorst, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87e Rn. 16 f.
118Das Substrat dieser Bundesverwaltung ist indes gegenüber der nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F. vorgeschriebenen Erfüllungsverwaltung deutlich verringert. Die Erbringung von Eisenbahndienstleistungen ist keine Verwaltungsaufgabe, dies ist Aufgabe der privatisierten Eisenbahnunternehmen. Denn nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG sind die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatwirtschaftlicher Form zu führen. Für den Bund besteht insoweit lediglich die Verwaltungsaufgabe, in dem von Art. 87a Abs. 4 GG vorgegebenen Umfang Dienstleistungen zu gewährleisten, und dies auch nur in einem verringerten Maße („Rechnung tragen“). Somit besteht im Rahmen von Art. 87 Abs. 4 GG keine staatliche Erfüllungsverantwortung, sondern nur noch eine auf die adäquate Grundversorgung mit Eisenbahninfrastrukturangeboten reduzierte Gewährleistungsverantwortung.
119Vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03 –, juris Rn. 24; Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: 2006, Art. 87e Rn. 23, 180; Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 21 ff.; Windthorst, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87e Rn. 15.
120Ist damit zur Umsetzung des Sicherstellungsauftrages eine unmittelbare Bereitstellung u.a. der Infrastruktur über entsprechende Angebote und Dienstleistungen durch den Bund von Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG ausgeschlossen, muss der Bund zur Sicherstellung der nach Art 87e Abs. 4 GG erforderlichen Grundversorgung auf seine Eisenbahnunternehmen einwirken. Derartige Einwirkungsmöglichkeiten werden von Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG, wonach die Eisenbahninfrastrukturunternehmen im – zumindest mehrheitlichen – Eigentum des Bundes stehen, vorausgesetzt. Diesem Einwirkungsauftrag kann der Bund zum einen mit den Mitteln des Eisenbahnverwaltungsrechts (z.B. hoheitliche Regulierung von Netzzugang, Schienenwegeausbau einschließlich Verkehrs- und Bedarfsplanung, Genehmigungsverfahren für Streckenstilllegungen, ggf. Entgeltregulierung, Finanzhilfen für die Infrastruktur, öffentliche Auftragsvergaben) und zum anderen über eine unternehmensinterne Einflussnahme auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen nachkommen.
121Vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: 2006, Art. 87e Rn. 176; Ehlers, Gutachten zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes (EBNeuOG) vom 15. September 2007, S. 54 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03 –, juris.
122bb) Ausgehend von diesen grundgesetzlichen Vorgaben verfügt die Beigeladene über maßgeblichen Einfluss auf den hier allein relevanten Umfang des von Kampfmitteln zu räumenden Liegenschaftsbestandes der Klägerin, so dass die als Ausbaustrecke für das Projekt RRX vorgesehenen Trassengrundstücke als „bundeseigen“ bzw. „unter Bundes-verwaltung“ im Sinne der Staatspraxis einzustufen sind. Dies ergibt sich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung daraus, dass der Schienenwegeausbau für den Rhein-Ruhr-Express sowohl aufgrund hoheitlicher Regulierung (1) als auch über eine gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverwaltung des Bundes (2) weitreichenden Steuerungsmöglichkeiten der Beigeladenen unterliegt.
123(1) Die Beigeladene ist bereits aufgrund gesetzlicher und administrativer Instrumentarien in der Lage, den Erwerb von Liegenschaften durch die Klägerin, die zum Schienenwegeausbau notwendig sind, entscheidend zu steuern. Dies betrifft nicht nur die Unterhaltung, sondern auch und gerade den – unmittelbar liegenschaftsrelevanten – Neu- und Ausbau des Schienennetzes.
124Diesbezüglich hat der Gesetzgeber weitreichende Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes durch das Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874) in der Fassung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) – BSchWAG – vorgesehen. Welche Strecken neu bzw. ausgebaut werden, legt der Bund durch den Bedarfsplan zum BSchWAG fest. Eine Konkretisierung dieses Bedarfsplanes erfolgt durch vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgestellte Fünfjahrespläne, die die Grundlage der Aufstellung von Ausbauplänen für die Bundesschienenwege bilden (§ 5 Abs. 1 BSchWAG). Nicht darin aufgeführte Strecken können gemäß § 6 BSchWAG nur in Ausnahmefällen aufgrund eines unvorhergesehenen Verkehrsbedarfs in die Ausbaupläne aufgenommen werden. Der Bedarfsplan ist alle fünf Jahre nach einer Prüfung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegebenenfalls anzupassen, wobei die Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplanes durch Gesetz vorgenommen werden (§ 4 Abs. 1 BSchWAG).
125Vorliegend ist die Ausbaustrecke Düsseldorf–Duisburg im Bedarfsplan für die Bundesschienenwege (Anlage zu § 1 BSchWAG) als neues Vorhaben des vordringlichen Bedarfs unter 1. Buchst. b lfd. Nr. 20 enthalten. Dies gilt ebenfalls für die Knoten Köln und Dortmund (1. Buchst. lfd. Nr. 28). Sie sind auch im Bundesverkehrswegeplan 2003 als neue Vorhaben des vordringlichen Bedarfs unter 7.2.1.2 Tabelle 13 lfd. Nr. 26 aufgeführt.
126Vgl. auch die Ergebnisse der Überprüfung der Bedarfspläne für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen vom 11. November 2010, S. 33, abrufbar unter www.bmvi.de/SharedDocs/DE/ Anlage/Internetredaktion/bedarfsplan-de.pdf?__blob=publicationFile.
127Zwar wird auf der Ebene des Schienenwegeausbaugesetzes und des Bundesverkehrswegeplans nur über die Frage des grundsätzlichen Bedarfs einer Maßnahme – Neubau eines Verkehrsweges oder Ausbau vorhandener Infrastruktur – entschieden und nicht die konkrete Projektplanung einschließlich Linienführung und Trassierung festgelegt. Der Bedarfsplan kann deshalb Entscheidungen auf den nachfolgenden Planungsstufen im Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren nicht vorwegnehmen oder ersetzen. Die Generalplanungsebene entscheidet somit, ob der verkehrliche Bedarf für ein nach Netzverknüpfung, Ausbautyp und Investitionskosten beschriebenes Projekt vorhanden ist und dass ggf. planerische Schritte zu seiner Realisierung einzuleiten sind; hiervon nicht erfasst ist die Entscheidung, wie ein Projekt realisiert werden soll.
128BT-Drs. 15/1656, S. 12 f.
129Dieser Umstand steht jedoch einer kampfmittelkostenrechtlichen Einordnung der für den RRX vorgesehenen Trassengrundstücke als bundeseigen bzw. bundesverwaltet nicht entgegen. Wenngleich die Klägerin als planungsrechtliche Vorhabenträgerin die Trassierung letztlich parzellenscharf plant und durchführt, legt doch der Bund über die Bedarfsplanung den Anfangs- und den Endpunkt der Neu- oder Ausbaustrecke fest und bestimmt damit insbesondere bei dem Ausbau vorhandener Infrastruktur – trotz des planfeststellungsrechtlichen Gestaltungsspielraums des Vorhabenträgers etwa bei der Wahl einer trassennahen oder trassenfernen Ausbauprojektierung und der Grunderwerbsplanung – jedenfalls abstrakt auch deren Verlauf. Dies gilt insbesondere bezüglich des Ausbauvorhabens Rhein-Ruhr-Express, für das der Planfeststellungsbeschluss vom 21. August 2014 – bezogen auf das Gesamtprojekt RRX – als einzige Alternative zum (trassennahen) Ausbau der bestehenden Strecken den Projektverzicht benennt („Nullvariante“) und etwaige Trassenvarianten ausdrücklich ausschließt (S. 6, 50). Zudem gilt der gesetzlich festgestellte Bedarf im späteren Genehmigungsverfahren gemäß § 1 Abs. 2 BSchWAG als Planrechtfertigung. Das bedeutet, dass die Feststellung des verkehrlichen Bedarfs einer Maßnahme für die nachfolgende Planfeststellung verbindlich ist (gestuftes Verfahren). Hinter dieser Grundentscheidung über die Streckenführung als solcher tritt die von der Klägerin als planfeststellungsrechtliche Vorhabenträgerin und Bauherrin vorzunehmende Feinsteuerung in kampfmittelkostenrechtlicher Hinsicht zurück. Letztere geht insoweit über eine die Bundesentscheidungen ausfüllende bzw. konkretisierende Tätigkeit nicht hinaus. Somit verbleibt die grundsätzliche Befugnis zur Festlegung der durchzuführenden Baumaßnahme beim Bund.
130Vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2010 – 3 StR 312/10, juris Rn. 27.
131Mag die Steuerungsmöglichkeit der Beigeladenen bezüglich des Erwerbs der jeweiligen Grundstücke noch Einschränkungen unterliegen, wird das aufgewogen, wenn es um deren Aufgabe geht. Ein maßgeblicher Gesichtspunkt der Vermögens- und damit der Grundstücksverwaltung ist die Befugnis zur Veräußerung, d.h. der Umwandlung von Vermögenswerten. Insofern steht dem beigeladenen Bund bereits ein erheblicher Einfluss zu, wenn die Bahn sich von Schienenwegen trennen will. Deren Stilllegung bedarf der Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes (§ 11 AEG),
132vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – 3 C 51.06 –, juris, BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03 -, juris Rn. 28,
133ihre Veräußerung gar kraft Verfassung eines Bundesgesetzes (Art. 87 Abs. 5 Satz 2 GG). Insofern kommt der Beigeladenen die formell entscheidende Verwaltungskompetenz zu. Die Zulässigkeit der Veräußerung nicht bahnnotwendiger Liegenschaften aufgrund unternehmerischer Entscheidung der DB AG bleibt, da sie von Art. 87e Abs. 4 GG nicht erfasst wird, hiervon unberührt.
134Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 (Bahnimmobilien) – 2 BvE 3/08 –, juris.
135Weiterhin spricht entscheidend für die bundeseigene Verwaltung, dass nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BSchWAG der Bund den Bau, den Ausbau von Schienenwegen sowie Ersatzinvestitionen finanziert. Dies erfolgt im Rahmen der Erfüllung des Infrastruktursicherungsauftrages aus Artikel 87e Abs. 4 GG.
136BT-Drs. 15/1656, S. 12.
137Die Durchführung und die Finanzierung der in den Bedarfsplan aufgenommenen Baumaßnahmen geschieht gemäß § 9 BSchWAG auf der Grundlage von öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen der DB AG, die ihrerseits dauerhaft auf Zuschüsse des Bundes angewiesen ist, und der den Neu- oder Ausbau finanzierenden Gebietskörperschaft, d. h. in aller Regel dem Bund, in denen konkrete Vorgaben für die Verwendung der Gelder gemacht werden. Der Bund beeinflusst insofern nicht nur durch die Planung, sondern auch durch die Finanzierung die grundsätzliche Entscheidung darüber, welche Strecken aus- bzw. neu gebaut werden. Dabei gibt es allein im Bereich der Neu- und Ausbauinvestitionen, in die der überwiegende Teil der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel fließt, konkrete Vorgaben für die Verwendung der Gelder durch öffentlich-rechtliche Verträge.
138Vgl. BGHSt, Urteile vom 9. Dezember 2010 – 3 StR 312/10 –, juris Rn. 19, 27, und vom 19. Juni 2008 – 3 StR 490/07 –, juris Rn. 18 f.; BT-Drucks. 12/5015, S. 11; BR-Drucks. 555/07, S. 1.
139Das ausschlaggebende Gewicht der Ausbaufinanzierung auf die Entscheidungen der Klägerin wird im vorliegenden Fall nicht zuletzt dadurch offenbar, dass die Klägerin das vorliegende Klageverfahren ausschließlich unter dem Druck eines drohenden Mittelentzuges durch das Eisenbahn-Bundesamt und in Erfüllung einer entsprechenden Auflage initiiert hat.
140(2) Darüber hinaus ist die Beigeladene in der Lage, gesellschaftsrechtlich auf den Liegenschaftsbestand der Klägerin einzuwirken. Der Bund hat als Alleinaktionär der Deutsche Bahn AG grundsätzlich einen maßgeblichen Einfluss (auch) auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin bzw. ihres Vorstandes.
141Gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 2 GG stehen die Eisenbahnen des Bundes im Eigentum des Bundes. Infolge der reinen Organisationsprivatisierung bedeutet die Formulierung „im Eigentum des Bundes“, dass der Bund zumindest mehrheitliches Eigentum an den Anteilen dieser Gesellschaften hält (vgl. Art. 87e Abs. 3 Satz 3 GG).
142Vgl. Windthorst, in Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87e Rn. 50.
143Dass dem Bund im Rahmen von Art. 87e Abs. 4 GG die Möglichkeit – wenn nicht gar die Pflicht – zur Wahrnehmung gesellschaftsrechtlicher Steuerungsbefugnisse dem Grunde nach zusteht, ist weitestgehend anerkannt. Vorauszusetzen ist dabei, dass mit der Eigentümerstellung überhaupt wirksame gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten einhergehen müssen, denn ansonsten ginge die Eigentümerstellung über das bloße Innehaben eines wertmäßigen Anteils nicht hinaus.
144Vgl. Möstl, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: 2006, Rn. 89 ff.; vgl. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 73 f.; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 50, 67, 75 („unternehmensinterner Einfluss“ des Bundes als „verfassungsrechtlich abgesichertes Einflusspotential“).
145Art und Umfang der Einflussmöglichkeiten des Bundes sind im Einzelnen umstritten und nicht abschließend geklärt. Die Diskussion setzt eine Auseinandersetzung fort, die bereits die Entstehungsgeschichte des Art. 87e GG prägte. So brachte die Bundesregierung gegen die vom Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren erhobene Forderung, der Bund müsse Eigentümer der Schienenwege bleiben, den Einwand an, durch die Übertragung des Eigentums an Schienenwegen auf die Deutsche Bahn AG solle gerade ein „unternehmerischer Handlungszwang“ geschaffen werden. Anderenfalls sei zu befürchten, dass die Deutsche Bahn AG „ähnlich einer Behörde“ die Schienenwege lediglich „verwalten“ und nicht „als eigenes unternehmerisches Produktionsmittel wirtschaftlich optimal nutzen“ werde.
146Vgl. BT-Drucks 12/5015, S. 16; zur Entstehungsgeschichte auch ausf. Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 38 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 – 2 BvE 3/08 –, BVerfGE 129, 356 ff., juris Rn. 30.
147Dementsprechend sieht eine Auffassung die Verpflichtung aller Eisenbahnen auf das Prinzip privatwirtschaftlicher Leistungserbringung als dominanten und vorrangigen Gehalt des Art. 87e Abs. 3 GG an mit der Folge, dass rein gemeinwohlorientierte Einwirkungen des Bundes auf das Unternehmen jedenfalls nicht ohne einen Nachteilsausgleich gemäß § 311 Abs. 1 AktG unzulässig seien.
148vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (579 ff.); Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 45 ff.
149Nach anderer Ansicht zielt Art. 87e Abs. 3 GG darauf, den Bund sozialpolitisch in die Pflicht zu nehmen und ihm die Mittel zu verschaffen, die für eine gemeinwohlorientierte Infrastruktursicherung erforderlich sind. Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3 GG gewähre dem Bund ein Instrumentarium, mit dem er – neben anderen – seinen Infrastruktursicherungsauftrag gemäß Art. 87e Abs. 4 GG erfüllen könne.
150Vgl. Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 87e Rn. 12 f., 16; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hemel, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 87e Rn. 25; diff. Möstl, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Stand: 2006; Art. 87e Rn. 89 ff.; vgl. zum Streitstand auch Masing, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für ein Gesetz zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes vom 8. Mai 2007, S. 11 ff. (abrufbar unter http://www.promobilitaet.de/media/file/413.Gutachten_Professor_Masing.pdf).
151Die Möglichkeit des Bundes, entscheidenden Einfluss auf das Vorstandspersonal und die Geschäftsleitung zu nehmen, wird indes von keiner Seite ausdrücklich infrage gestellt. So wird – im Gegenteil – darauf verwiesen, dass der Vorstand eines im Bundeseigentum stehenden Unternehmens trotz seiner Unabhängigkeit (§ 76 AktG) einer Veranlassung des Bundes in aller Regel folgen werde, weil die Mitglieder des Vorstands über den personalpolitischen Einfluss des Bundes persönlich abhängig seien.
152Masing, Rechtsgutachten, a.a.O., S. 14, unter Hinweis auf Hommelhoff/Schmidt-Aßmann, ZHR 160 (1996), 521 (555); vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03 -, juris Rn. 30.
153Dies liegt darin begründet, dass der Bund als Alleinaktionär der Deutsche Bahn AG über gewichtige Personalkompetenzen und Überwachungsrechte (§§ 84, 111 AktG) verfügt, die sich auch auf die Geschäftstätigkeit des Vorstandes der Klägerin auswirken. Die Einflussnahme auf die Geschäftsleitung vermittelt sich insbesondere über die Aufsichtsratssitze, die einem Mehrheitsaktionär rechtlich zustehen. Maßgeblich ist hierfür zunächst der gesetzliche Rahmen zu Größe und Zusammensetzung der Aufsichtsräte. Die relativ geringste Repräsentanz eines Mehrheitsaktionärs ergibt sich insoweit für Unternehmen mit mehr als 20.000 Mitarbeitern, wie der DB Netz AG. Gemäß § 95 Abs. 1, 4 AktG i.V.m. § 7 MitbestG umfasst hier der Aufsichtsrat 20 Mitglieder, von denen jeweils 10 Mitglieder von den Arbeitnehmern bzw. Anteilseignern gestellt werden. Nach § 101 Abs. 1, 133 Abs. 1 Aktiengesetz werden die Vertreter der Anteilseigner von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt. Daraus ergibt sich, dass der Mehrheitseigentümer mittels seiner Mehrheit in der Hauptversammlung die Anteilseignerbank vollständig besetzen kann. Dieser Einfluss wird weiter durch die Regeln zu Wahl und Stimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden präzisiert, die im Ergebnis sicherstellen, dass sich im Streitfall die Anteilseignerbank durchsetzen kann (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 2, 31 MitbestG). In der Sache bedeutet dies, dass der Mehrheitseigentümer über die von ihm bestellten Mitglieder des Aufsichtsrates bei allen nach Mehrheit zu treffenden Entscheidungen (§ 108 AktG) das letzte Wort hat. Damit liegt auch die Personalkompetenz mittelbar in der Hand des Mehrheitseigentümers. So geht die Entscheidung, wer als Vorstandsmitglied und wer als Vorstandsvorsitzender zu bestimmen – und ggf. abzuberufen – ist, letztlich auf den Mehrheitseigentümer zurück und kann von den in seiner Verantwortung entsandten Mitgliedern allein durchgesetzt werden (§ 84 AktG). Ferner verfügt der von dem Bund als Alleineigentümer beherrschte Aufsichtsrat über weitreichende Überwachungsrechte gegenüber dem Vorstand bis hin zu dem Recht, bestimmte Geschäfte seiner Zustimmung zu unterwerfen (§ 111 AktG). Er übt damit einen bestimmenden Einfluss auf die von ihm beherrschte Aktiengesellschaft aus. Aufgrund dieser realen Einwirkungsmacht des Alleinaktionärs ist auch der Unternehmensvorstand vollständig von dem aktuellen Vertrauen des Bundes abhängig.
154Vgl. Masing, Rechtsgutachten, a.a.O., S. 22 ff., 28 f.; Ehlers, Gutachten zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes (EBNeuOG) vom 15. September 2007, S. 43 ff., 56 (Fn. 160) unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz, vom 3. Mai 2007 - AZ III B 6 – 7410/20 – 35 110/2007 -, S. 5, wonach bei einer Aufgabe seiner Steuerung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen „von innen“ der Bund „die Schienenwegepolitik […] letztlich aus der Hand“ gebe.
155Der praktische Anwendungsbereich solcher Einflussrechte ist damit von erheblicher Bedeutung. Die Gesellschafterrechte des Bundes haben die Aufgabe, die Kontrolle einer effektiven Unternehmensführung sicherzustellen. Diese werden durch das Fehlen eines Beherrschungsvertrages gemäß §§ 291 ff. AktG zwischen der Beigeladenen und der Deutsche Bahn AG nicht geschmälert. Ein Beherrschungsvertrag hätte (sogar) ein unmittelbares Weisungsrecht des Bundes mit der Folgepflicht für den Vorstand (§ 308 Abs. 1 und 2 AktG) begründet. Von dieser Möglichkeit hat der Bund indes keinen Gebrauch gemacht. Besteht kein Beherrschungsvertrag, bleibt er als Eigentümer berechtigt, die Belange des gemeinen Wohls dort zur Geltung zu bringen, wo diese mit betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht konfligieren. Insbesondere darf nach § 311 Abs. 1 AktG ein herrschendes Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft zu veranlassen, Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen. Eine solche nachteilige Maßnahme wäre etwa die Erbringung vom Bund nach Art. 87e Abs. 4 GG geforderter, für die Bahn aber unrentabler Verkehrsleistungen. Etwas anderes gilt gemäß § 311 Abs. 1 AktG jedoch dann, wenn die Nachteile der Gesellschaft vollständig ausgeglichen werden, d.h. der Bund insoweit gegebenenfalls für einen finanziellen Ausgleich sorgt (sog. Nachteilsausgleich).
156Vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 – 2 StR 386/03 –, juris Rn. 31, Masing, Rechtsgutachten, S. 15.
157Dieser Nachteilsausgleich ist bei dem Ausbauprojekt RRX, das in die Finanzierungslast des Bundes gemäß Art. 87e Abs. 4 GG fällt (s.o.), indes gegeben.
158Die für das Projekt RRX maßgeblichen Liegenschaften der Klägerin sind damit, wenngleich sie nicht im zivilrechtlichen Eigentum der Beigeladenen bzw. der Bundesanstalt für Immobilien stehen, im Rahmen des von Art. 87e Abs. 4 GG vorgegebenen Gewährleistungsauftrages „für die Zwecke des Bundes verfügbar“ und damit – wie die Grundstücke der Bundesanstalt für Immobilien auch – (mittelbar) „bundeseigen“ im Sinne der Staatspraxis.
159Vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 3 StR 312/10 –, Rn. 14 ff., der die Klägerin insgesamt als „verlängerten Arm des Staates“ einordnet, der strafrechtlich einer Behörde gleichzustellen ist.
160b) Die zu sondierenden und ggf. zu beseitigenden Kampfmittel sind im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG gefährlich.
161Soweit es um die Beseitigung ehemals reichseigener Munition ging, wurde die Staatspraxis in Anlehnung an § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden vom 5. November 1957 (BGBl I S. 1747) – (Allgemeines Kriegsfolgengesetz – AKG) i.V.m. § 1004 BGB entwickelt. Danach sind Ansprüche i.S.v. § 1 AKG, die auf einer Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, noch zu erfüllen, wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist. Der Bundesfinanzminister hat sich in den Jahren 1958/1959 den Ländern gegenüber bereit erklärt, nach Maßgabe dieser Regelung die Kosten für die Beseitigung deutscher Munition auf nicht bundeseigenen Liegenschaften zu erstatten.
162Vgl. die Schreiben / Erlasse vom 20. Oktober 1958 – V B/3 – 0 4013 – 334/58 – und 24. Juni 1959, a.a.O.; BT-Drucks., 3/62, S. 178.
163Die Vorschrift hat demnach die Staatspraxis bis zum 1. Oktober 1965 geprägt, und zwar auch für das Auffinden alliierter Munition auf bundeseigenen Liegenschaften. Das Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen ist daher auch nach diesem Zeitpunkt Bedingung für einen Erstattungsanspruch der Länder. Daher sind entsprechend § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG einem Land Aufwendungen für Kampfmittelbeseitigungen zu erstatten, wenn die Räumung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich war.
164Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 29, und vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 14.
165Der Begriff der Gefahr ist nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen zu konkretisieren. Gefahr ist danach die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Welcher Grad an Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, hängt davon ab, welche Rechtsgüter gefährdet werden und welches Schadensausmaß droht. Da § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG Gefahren für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Blick hat, dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, dass die Möglichkeit von Schäden an diesen Rechtsgütern realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann. Auf die konkrete Absehbarkeit einer Detonation oder Detonationsneigung kommt es nicht an.
166BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 31, 34, 36 f.
167Ausgehend hiervon ist die Annahme einer Gefahr i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG gerechtfertigt. Denn in Anbetracht der von dem Beklagten im Einzelnen dargelegten Häufung von Kampfmittelfunden an Bahnhöfen und –strecken in NRW allein im Jahre 2012 einerseits
168– hinzu kam noch der Fund in Dortmund-Hörde Ende November 2014 mit zeitweiliger Stilllegung des Bahnverkehrs –, vgl. http://www.rp-online.de/nrw/staedte/bombe-in-dortmund-entschaerft-pluenderer-festgenommen-aid-1.4704249,
169und andererseits der historisch belegten Intensität, mit der die Eisenbahnverkehrsanlagen an Rhein und Ruhr vorrangig alliierten (Flächen-)Bombardements ausgesetzt waren,
170vgl. hierzu etwa ausführlich Blank, Ruhrschlacht – Das Ruhrgebiet im Kriegsjahr 1943, 2013, S. 54 ff.; ders., Bitter Ends – Die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs im Ruhrgebiet 1944/45, 2015, S. 32 ff., vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriffe_auf_das_Ruhrgebiet#Beginn_des_ strategischen Bombenkriegs (Stand: 15. Januar 2015),
171besteht grundsätzlich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass es im Zuge der Untersuchungen im Planfeststellungsbereich 1 und darüber hinaus zu Kampfmittelfunden kommen wird. Von einer Gefahrenlage gehen schließlich auch die beiden Hauptbeteiligten übereinstimmend aus.
172c) Die Gefahr ist auch im Sinne von § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG unmittelbar. Voraussetzung hierfür ist, dass die Gefahr dem Bund (noch) zurechenbar und ihre Beseitigung dringlich ist. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG bringt dies mit dem Begriff der Unmittelbarkeit zum Ausdruck. Die Staatspraxis verpflichtet den Bund nämlich nicht dazu, für die Beseitigung von Kampfmitteln schlechthin einzustehen. Gemeint ist eine zeitliche und wertungsmäßige Nähebeziehung zwischen dem Vorhandensein von Kampfmitteln und den möglichen Schäden dergestalt, dass Abhilfe keinen Aufschub duldet. Diese Nähe ist anzunehmen, wenn es bei einem Verlauf der Dinge, mit dem nicht nur theoretisch zu rechnen ist, jederzeit unkalkulierbar zu einem dem Bund zurechenbaren Schaden durch Kampfmittel kommen kann. Dieser Zurechnungszusammenhang ist bereits im Begriff der Kriegsfolgelast angelegt. Es kommt daher entscheidend darauf an, dass bei wertender Betrachtung das Vorhandensein von Kampfmitteln die prägende und damit maßgebliche – und nicht nur entfernte – Ursache von Gefahren ist.
173BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 35, 40.
174Dies erscheint im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft. Ein Dazwischentreten anderweitiger Ursachen, die bei wertender Betrachtung das Vorhandensein von Kampfmitteln als entscheidende Ursache in den Hintergrund treten lassen könnten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere die Bauarbeiten oder der Bahnbetrieb kommen nicht als vorrangige (Mit-) Ursachen in Betracht. Die Verantwortung des Bundes für die von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren wird nicht durch Handeln Dritter verdrängt, mit dem sich diese innerhalb ihres Rechtskreises bewegen oder sonst sozialadäquat verhalten.
175Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 38.
176d) Die von der Klägerin geltend gemachte Kostenfreistellung ist auch im Umfang nicht zu beanstanden.
177Der Erstattungsanspruch nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nur die Kosten solcher Arbeiten, die im Hinblick auf die Beseitigung der unmittelbaren Gefahr notwendig sind. Mit dieser Beschränkung der Erstattungspflicht auf notwendige Kosten verpflichtet die Staatspraxis die mit der Räumung befassten Behörden zum Schutz der Beklagten, Aufwendungen nur im unvermeidlichen Umfang zu tätigen. Maßnahmen, für die Erstattung verlangt werden kann, dürfen nicht über dasjenige hinausgehen, was geeignet und erforderlich ist, die Gefahr durch Kampfmittel effektiv und schadlos zu beseitigen.
178BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 44, und vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 16.
179Dies beinhaltet auch die Kosten für Sondierungsmaßnahmen, die zur Aufklärung des Umfangs der Gefahr und der gebotenen Räumungsmaßnahmen erforderlich sind. Erstattungsfähig sind mithin die Kosten nicht nur für die Kampfmittelräumungsarbeiten an sich, sondern auch die Kosten für die Beprobung zur Erlangung einer repräsentativen Gefährdungsabschätzung im Vorfeld der Räumung. Hinzu kommen die Kosten von Vor- und Nebenarbeiten im Zusammenhang mit der Beräumung wie die Beseitigung von Bewuchs und Totholz in Trichter- und Grabenbereichen sowie das Einebnen von Grabungsstellen und das Umsetzen von Bodenmaterial zum Wiederherstellen des Geländes.
180Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, Rn. 45 f., Urteil vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 16.
181Ob die – von der Klägerin „auflagengemäß“ infrage gestellten – Betreuungskosten zu den notwendigen Aufwendungen im vorstehenden Sinne zählen, wird vorliegend dahinstehen können, weil dem Beklagten gegen die Klägerin bereits kein Anspruch auf die Nettokosten der Kampfmittelräumung zusteht (s.o.). Ein Anspruch auf die Nebenforderung liegt daher fern. Dessen ungeachtet ist die Frage – im Verhältnis zu der Beigeladenen – zu bejahen.
182Von der verfassungsmäßigen Kostenzuordnung erfasst sind auch projektbezogene Betreuungskosten, die dem Beklagten im Zusammenhang mit der Beauftragung einer Räumfirma als Aufwand für die Planung der Räummaßnahme, Vergabe des Auftrags an die Räumfirma, der Überwachung seiner Durchführung und der Abnahme der Schlussrechnung entstehen. Hierbei handelt es sich um Kriegsfolgelasten in Form von Zweckausgaben i.S.d. Art. 120 Abs. 1 GG.
183BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1997 – 3 A 2.95 –, juris Rn. 12 ff.; Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 64.
184Die Berechtigung zur Erhebung einer Pauschale in Höhe von 7 Prozent der Rechnungsbeträge (ohne Mehrwertsteuer) folgt hier schon aus der von Beklagtenseite vorgelegten Rahmenvereinbarung, die am 7. März 2000 und am 24. Januar 2000 von dem Beklagten und der Beigeladenen ausdrücklich in Anlehnung an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 1997 gezeichnet worden ist (GA Bl. 123/124). Diese Vereinbarung stellt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar, an dessen Regelungen die Vertragsparteien in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte nach wie vor gebunden sind (§§ 59 ff. VwVfG). Die Höhe der Kostenpauschale von 7 Prozent des Rechungsbetrages ist in § 2 der Vereinbarung fixiert.
185Ob ohne diese Vereinbarung erstattungsfähige Betreuungskosten nicht oder mit Blick auf die Wertungen des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. Februar 1971 lediglich in geringerer Höhe angefallen wären,
186vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 64, 67,
187bedarf daher keiner Entscheidung.
188Dessen ungeachtet sind projektbezogene Betreuungskosten dann im Rahmen von Art. 120 GG erstattungsfähig, wenn sie nach der von den konkreten Beteiligten vor dem Stichtag 1. Oktober 1965 geübten Staatspraxis von der Beigeladenen gezahlt worden waren. Etwaige Aufklärungs-/Beweisschwierigkeiten gehen zu Lasten der Beigeladenen.
189Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 1997 – 3 A 2.95 –, juris Rn. 15 f., vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 64, und vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 17.
190e) Entgegen der Ansicht des Beklagten muss sich die Klägerin die kriegsfolgenrechtliche Kostenlast des Bundes nicht zurechnen lassen.
191aa) Ein Zurechnungstatbestand folgt insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin (partielle) Gesamtrechtsnachfolgerin der Beigeladenen ist. Denn Art. 120 GG weist – wie bereits dargelegt – die kostenrechtliche Letztverantwortlichkeit ausdrücklich nur der Gebietskörperschaft „Bund“ zu.
192Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 – Risikostrukturausgleich, BVerfGE 113, 167, juris Rn. 112; BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 42 („[…] Grundentscheidungen zur Frage, wem die Kosten endgültig anzulasten sind“).
193Nichts anderes folgt aus der vom Beklagten angeführten Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz – DBGrG). Die Vorschrift bestimmt, dass mit Eintragung der Deutsche Bahn AG in das Handelsregister die aus dem Bundeseisenbahnvermögen ausgegliederten Teile einschließlich der Verbindlichkeiten jeweils als Gesamtheit (zunächst) auf die DB AG übergingen. Von derartigen Verbindlichkeiten sind Kriegsfolgekosten schon deshalb nicht erfasst, weil die verfassungsrechtliche Kostenzuordnung in dem durch Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG vorgegebenen Rahmen (Staatspraxis) nicht zugunsten des Bundes durch einfaches Bundesgesetz geändert werden kann. Dies wäre nur durch verfassungsänderndes Gesetz möglich. Zwar ist die Beigeladene nicht gehindert, nach dem Stichtag für bis dahin bundesgesetzlich nicht geregelte Kriegsfolgelasten Regelungen zu treffen, sie unterliegt insoweit dann aber hinsichtlich der Lastenverteilung wieder der Grundregel des Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG.
194So bereits die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. IV/2524, S. 9; Sturm, DVBl. 1965, 719 (723); Heckt, DÖV 1966, 10 (16); v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 120 Rn. 15; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 120 Rn. 21 m.w.N.
195Bereits aus diesem Grund scheidet die Annahme aus, das Eisenbahn-Neuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) – ENeuOG –, dessen Artikel 2 das DBGrG bildet, habe eine Überwälzung bahnliegenschaftsbezogener Kriegsfolgelasten auf die Deutsche Bahn AG bzw. später auch auf die privatisierten Eisenbahninfrastrukturunternehmen bewirkt. Dies war auch nicht beabsichtigt. Die Materialien zum Eisenbahnneuordnungsgesetz geben hierfür nichts her. Dass „Verbindlichkeiten“ i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 DBGrG – oder auch des § 20 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Zusammenführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen (Art. 1 ENeuOG) – Kriegsfolgekosten einschließen sollten, ist mit Blick auf die zivilrechtliche Ausrichtung dieser Vorschriften nicht ersichtlich.
196Vgl. BT-Drucks. 12/4609, S. 70, 79.
197Eine Neuregelung der Kriegsfolgelasten wird vielmehr seit etlichen Jahren durch immer wiederkehrende Gesetzesinitiativen des Bundesrates in Gestalt eines Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes angestrebt. Die bisherigen Entwürfe sind jedoch bislang stets am Widerstand der Bundesregierung gescheitert.
198Vgl. hierzu die jüngste Bundesratsinitiative vom 27. August 2014, BT-Drs. 18/2411, S. 1, 13.
199Schließlich ist ein Übergangstatbestand auch der Verfassung nicht zu entnehmen. Wortlaut und Entstehungsgeschichte von Art. 87e GG
200BT-Drucks. 12/5015
201geben für eine Einschränkung der Kriegsfolgenlast des Bundes aus Art. 120 GG nichts her. Letztere blieb vielmehr von der Bahnprivatisierung unberührt. Der Beklagte weist selbst mehrfach – insoweit zu Recht – darauf hin, dass der Bund sich den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 120 Abs. 1 GG nicht durch bloße Organisationsprivatisierung entziehen kann. Dies kann im Übrigen erst recht nicht durch das Schreiben des Bundesfinanzministers vom 4. Juni 1995 erfolgt sein. Dieses kann die Staatspraxis nicht nachträglich abändern oder „konkretisieren“, denn maßgeblich ist der am Stichtag 1. Oktober 1965 bestehende status quo.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2006 – 3 A 6.05 –, juris Rn. 17.
203Die Befürchtung des Beklagten, durch die Organisationsprivatisierung würde ihm eine Durchsetzung seiner Ansprüche unzumutbar erschwert, ist ebenfalls unbegründet. Entsprechende Bund-Länder-Streitigkeiten sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der von Art. 120 Abs. 1 GG vorgezeichnete Weg. Dieser verfassungsrechtliche Vorrang der kriegsfolgenrechtlichen Letztverantwortlichkeit des Bundes besteht unabhängig davon, ob die Beigeladene ihre Verpflichtungen anerkennt oder bestreitet. Dessen ungeachtet ist es dem Beklagten durchaus zuzumuten, sich erforderlichenfalls mit der Beigeladenen gerichtlich auseinanderzusetzen. Wie die Vielzahl der vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Kriegsfolgenrecht in Bezug auf die Kosten für die Beseitigung von Kampfmitteln geführten Bund-Länder-Streitigkeiten zeigt, sind derartige Erstattungsprozesse auch keineswegs von vornherein aussichtslos. Eine eventuelle Weigerung der Beigeladenen zur Übernahme der ihr von der Verfassung zugewiesenen Kostenlast rechtfertigt vor diesem Hintergrund keine Kostenüberwälzung auf die Klägerin.
204Nichts anderes folgt aus dem von Beklagtenseite ins Feld geführten Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. September 2012 – 1 K 339/10 –. Darin wird zwar ausgeführt, dass die Störerhaftung auch eine private Gesellschaft als Zustandsverantwortliche treffen kann (juris Rn. 31). Diese Ausführungen betreffen indes lediglich die – vom Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung vom 31. Mai 2012 (juris Rn. 42) ausdrücklich offen gelassene – Frage der gefahrenabwehrrechtlichen Verantwortlichkeit bzw. Störereigenschaft auf der so genannten Primärebene. Hiervon zu unterscheiden ist – auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin – die hier allein maßgebliche kostenrechtliche (Sekundär-)Ebene, für die Art. 120 Abs. 1 GG wiederum spezielle Vorgaben enthält.
205bb) Schließlich stellt es keinen Wertungswiderspruch dar, wenn die Klägerin einerseits als materiell (einwendungs-)berechtigte Dritte angesehen wird, sie aber andererseits als „verlängerter Arm des Staates“ gilt,
206vgl. BGHSt, Urteil vom 9. Dezember 2010 – 3 StR 312/10 –, juris,
207und deshalb ihre Grundstücke als bundeseigen bzw. bundesverwaltet eingeordnet werden. Die Qualifizierung der Liegenschaften als bundeseigen knüpft in verfassungsrechtlich sanktionierter Weise an die Staatspraxis an („Übung“). Maßgeblich ist daher insoweit der anhand rechtstatsächlicher Kriterien zu bewertende Grad an Einflussmöglichkeiten des Bundes. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin formalrechtlich als eigenständiges Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnimmt und als solche auch gegenüber dem Bund und den Ländern mit eigenen materiellen Rechtspositionen ausgestattet ist, die sich auch als Einwendungen manifestieren können. Denn Art. 120 Abs. 1 GG weist die kriegsfolgenkostenrechtliche Letztverantwortlichkeit ausschließlich der Gebietskörperschaft „Bund“ – und nicht etwa sonstigen Aufgabenträgern des Bundes – zu.
208BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 – Risikostrukturausgleich, juris Rn. 112; vgl. auch zu Art. 110 GG BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 - 2 BvE 3/08 – Bahnimmobilien, juris Rn. 26.
209Dieses Ergebnis ist letztlich die Konsequenz aus der verfassungsrechtlichen Konzeption, die für Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufgrund der Privatisierungsschranken von Art. 87e Abs. 3 Satz 2 und 3, Abs. 4 GG lediglich eine begrenzte Eigenständigkeit vorsieht. Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit des Auseinanderfallens von dem Träger der Kostenlast nach Art. 120 Abs. 1 GG und dem (formellen) Liegenschaftsinhaber anerkannt.
210BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 – 3 A 1.11 –, juris Rn. 27 für die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
211Dass die Einnahmen und Ausgaben der Klägerin aus Liegenschaftsgeschäften keine solchen der Gebietskörperschaft Bund darstellen,
212BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 - 2 BvE 3/08 -, juris Rn. 26 f.,
213steht dem nicht entgegen. Sie betreffen allenfalls haushaltsrechtliche Fragen, ohne dass hieraus tragfähige Rückschlüsse auf die Nähebeziehung der Beigeladenen zu den Liegenschaften der Eisenbahninfrastrukturunternehmen und die Einflussmöglichkeiten der Beigeladenen hierauf gezogen werden könnten.
214Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene war nach Billigkeitsgesichtspunkten nicht an den Gerichtskosten zu beteiligen, da sie keinen Sachantrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
215Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die hier entscheidungserhebliche Frage, ob die Kosten für die Kampfmittelsondierung /-räumung auf den Liegenschaften der Klägerin nach der allgemeinen Schutzklausel in Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland anheimfallen, ist allgemein klärungsbedürftig. Da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, die in erster Linie das Bund-Länder-Verhältnis betrifft, lässt die Kammer zugleich die Sprungrevision zu, § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
216Beschluss:
217Der Streitwert wird auf 300.000,00 Euro festgesetzt.
218Gründe:
219Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
- 1.
die Zölle, - 2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, - 3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern, - 4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer, - 5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, - 6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, - 7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
- 1.
die Vermögensteuer, - 2.
die Erbschaftsteuer, - 3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen, - 4.
die Biersteuer, - 5.
die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
- 1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. - 2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
- 1.
die Zölle, - 2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, - 3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern, - 4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer, - 5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, - 6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, - 7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
- 1.
die Vermögensteuer, - 2.
die Erbschaftsteuer, - 3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen, - 4.
die Biersteuer, - 5.
die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
- 1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. - 2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen. Soweit diese Kriegsfolgelasten bis zum 1. Oktober 1969 durch Bundesgesetze geregelt worden sind, tragen Bund und Länder im Verhältnis zueinander die Aufwendungen nach Maßgabe dieser Bundesgesetze. Soweit Aufwendungen für Kriegsfolgelasten, die in Bundesgesetzen weder geregelt worden sind noch geregelt werden, bis zum 1. Oktober 1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind, ist der Bund zur Übernahme von Aufwendungen dieser Art auch nach diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet. Der Bund trägt die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe. Die durch diesen Absatz geregelte Verteilung der Kriegsfolgelasten auf Bund und Länder läßt die gesetzliche Regelung von Entschädigungsansprüchen für Kriegsfolgen unberührt.
(2) Die Einnahmen gehen auf den Bund zu demselben Zeitpunkte über, an dem der Bund die Ausgaben übernimmt.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache auf Herausgabe der Sache sind zu erfüllen. Bei einem Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Ansprüche aus dem Eigentum mit der Maßgabe Anwendung, daß bis zum Ablauf der in § 20 Abs. 1 bezeichneten Fristen die in §§ 987 bis 992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Voraussetzungen als nicht vorliegend zu erachten sind. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach § 11 bleiben unberührt.
(2) Ansprüche (§ 1), die auf einer sonstigen Beeinträchtigung oder Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, sind nur dann zu erfüllen,
- 1.
wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist oder - 2.
wenn der Beeinträchtigung oder Verletzung eine nach dem 31. Juli 1945 begangene Handlung zugrunde liegt, es sei denn, daß die Beeinträchtigung oder Verletzung auf Veranlassung der Besatzungsmächte erfolgt ist. Bei einem Beseitigungsanspruch kann der Anspruchsschuldner (§ 25) den Anspruchsberechtigten in Geld entschädigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 vorliegen. Die Entschädigung soll den gemeinen Wert der Sache oder des Rechts nicht übersteigen, den diese ohne Beeinträchtigung haben würden.
(3) Sonstige Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache oder an einem Recht sind zu erfüllen. Dies gilt nicht für Ansprüche auf Zahlung von Geld oder auf Leistung einer sonstigen vertretbaren Sache, die vor dem 1. August 1945 fällig geworden sind.
(4) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Reallasten, Schiffshypotheken und sonstige Pfandrechte erlöschen, soweit die durch sie gesicherten Ansprüche (§ 1) nicht zu erfüllen sind.
Tatbestand
- 1
-
Das klagende Land verlangt von der Bundesrepublik Deutschland die Erstattung von Aufwendungen, die ihm in den Jahren 2004 bis 2006 für das Sondieren und Räumen von Kampfmitteln auf den Berliner Flughäfen Tegel und Tempelhof entstanden sind.
- 2
-
Der Flughafen Tegel liegt auf Flächen, die teils im Eigentum des klagenden Landes, teils im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) stehen, die es von der Beklagten durch gesetzlichen Eigentumsübergang mit Wirkung vom 1. Januar 2005 erlangt hat. Entsprechendes galt für den Ende 2008 geschlossenen Flughafen Tempelhof, dessen Grundflächen seit 2009 im Alleineigentum des Klägers stehen. Die Flughäfen werden, der Flughafen Tempelhof bis zu seiner Schließung, von der Berliner Flughafen-Gesellschaft mbH (BFG) betrieben, deren Alleingesellschafterin die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH ist; deren Gesellschafter sind wiederum der Kläger, die Beklagte und das Land Brandenburg.
- 3
-
Das Gelände des Flughafens Tegel war zunächst als Artillerie-Schieß- und Raketenversuchsplatz genutzt worden, im Zweiten Weltkrieg als Truppenübungsplatz und als Standort von Flugabwehrgeschützen. Das Flughafengelände war Ziel von Luftangriffen. Vor Aufnahme des Flugbetriebs auf der ersten Start- und Landebahn im Jahre 1948 wurden keine Kampfmittel geräumt. Über spätere Räumungen ist wenig bekannt; punktuelle Räumungen wurden zwischen 1968 und 1981 in geringer Bodentiefe vorgenommen.
- 4
-
Im Mai 2004 wurden bei Bau- und Reparaturarbeiten der BFG an der nördlichen Rollbahn des Flughafens Tegel Kampfmittel aus Wehrmachtsbeständen gefunden. Daraufhin verbot das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin der BFG mit Bescheid vom 14. Juli 2004 Tief- und Erdarbeiten auf dem Flughafengelände, bis eine Munitionsbergung durch eine Fachfirma durchgeführt worden sei und eine schriftliche Freigabebescheinigung dieser Firma vorliege. Die Klage der BFG gegen die Beklagte wegen der dadurch angefallenen Kosten blieb vor dem Kammergericht Berlin ohne Erfolg. Die zwei Wochen nach dem Fund durchgeführte Räumung in den Baubereichen förderte knapp 5 200 kg abgabepflichtige Kampfmittel zutage. Im September 2004 bestätigte eine Luftbilduntersuchung den Verdacht einer hohen Kampfmittelbelastung des gesamten Flughafengeländes aus der Zeit bis 1945. Deshalb beauftragte der Kläger das Ingenieurbüro D. mit Testfelduntersuchungen entsprechend den "Arbeitshilfen Kampfmittelräumung" des Bundes. Die Beprobungen erfolgten zwischen Dezember 2004 und August 2005. Wegen von der BFG geplanter Bauarbeiten wurden ab Februar/März 2005 baubegleitend zusätzliche Testfelder angelegt. Insgesamt wurden 35 Testfelder, 15 Zusatztestfelder in Bereichen geplanter Bautätigkeit und 23 Einzelpunkte untersucht; dabei wurden in den meisten Bereichen Kampfmittel gefunden, insgesamt 1 909 Stück unterschiedlicher Gefährlichkeit in verschiedenen Tiefen, teilweise unmittelbar unter der Geländeoberkante. Zu den Testfelduntersuchungen auf dem Flughafen Tegel legte das Ingenieurbüro D. unter dem 23. Oktober 2005 ein Gutachten vor.
- 5
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Mit Bescheiden vom 19. Mai 2005 wies der Kläger die BImA und die BFG an, geplante Erdarbeiten unverzüglich, spätestens sechs Wochen vor Beginn, im Falle unaufschiebbarer Arbeiten umgehend anzuzeigen sowie bei Übertragung des Eigentums bzw. der Nutzungsrechte an andere als die BFG den neuen Eigentümer oder Nutzer über die Belastung mit Kampfmitteln und die Pflichten aus diesem Bescheid zu informieren. Die Klage der BImA hiergegen wurde vor dem Verwaltungsgericht Berlin durch Mediations-Vereinbarung vom 5. September 2006 erledigt.
- 6
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Auf dem Flughafen Tempelhof ließ der Kläger zwischen August und September 2005 drei Bombenblindgängerverdachtspunkte sondieren und räumen. Dabei wurden lediglich ungefährliche Kampfmittelreste gefunden. Außerdem wurden zwischen Juli und November 2006 die im Eigentum des Landes stehenden Flächen auf dem Flughafen Tegel - Los 1 - sondiert und geräumt.
- 7
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Für die Sondierung und Räumung von Kampfmitteln auf den bundeseigenen Flächen der Flughäfen Tegel und Tempelhof forderte der Kläger mit Schreiben vom August 2007 1 128 372,04 €. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 8. April 2009 endgültig ab.
- 8
-
Das Land hat am 23. Dezember 2010 bei dem Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben, die an das Bundesverwaltungsgericht verwiesen worden ist.
- 9
-
Die Klageforderung von zunächst 1 630 418,30 € hat der Kläger auf 1 346 362,97 € reduziert, die er wie folgt aufgeschlüsselt hat:
-
Flughafen Tegel - Bundesflächen Sondierung und Räumung 1 060 188,24 € projektbezogene Betreuungskosten 3 % 26 727,43 € - Landesflächen Sondierung und Räumung reichseigener Kampfmittel (Anteil 58,85 %) 174 205,43 € projektbezogene Betreuungskosten 3 % 4 505,31 € - Landesflächen, Los 1 Sondierung und Räumung reichseigener Kampfmittel (Anteil 21,45 %) 60 888,17 € projektbezogene Betreuungskosten 3 % 1 535,00 € Flughafen Tempelhof - Bundesflächen Sondierung und Räumung 17 295,98 € "Verwaltungskosten" 7 % 1 017,41 €
- 10
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Der Kläger stützt seine Forderung auf Art. 120 GG und die dazu geübte Staatspraxis.
- 11
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Die Maßnahmen seien zwingend erforderlich gewesen. Das Gutachten D. belege, dass die Kampfmittel zum großen Teil wirksam gewesen seien und teilweise jederzeit hätten selbstständig detonieren können. Es habe daher - auch unter Berücksichtigung möglicher Havarien auf dem Flughafen und dadurch ausgelöster Detonationen - eine Gefahr bestanden und kein bloßer Gefahrenverdacht. Ungewiss sei lediglich gewesen, wo, welche und wie viele Kampfmittel auf dem Flughafen vorhanden gewesen seien. Verantwortlich für die Gefahr sei der Bund. Er sei Zustandsstörer als Eigentümer seiner Flächen und der reichseigenen Munition sowie Handlungsstörer als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches.
- 12
-
Die BFG könne demgegenüber nicht in Anspruch genommen werden. Ihre Betriebssicherungspflicht beziehe sich nur auf Gefahren, die nach Übernahme des Flughafens eingetreten seien. Bauarbeiten und Grünpflege gehörten zur ordnungsgemäßen Nutzung des Flughafens und unterbrächen nicht den für die Verantwortlichkeit des Bundes notwendigen Zurechnungszusammenhang.
- 13
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Die freihändige Vergabe der Arbeiten sei wegen der besonderen Dringlichkeit der Sondierung gerechtfertigt gewesen. Die Dringlichkeit ergebe sich schon daraus, dass es sich um einen großen internationalen Verkehrsflughafen handele. Auch hätten Art und Umfang der Leistung vorab nicht hinreichend präzisiert werden können. Für die Inanspruchnahme eigenen Personals könne das Land nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Staatspraxis 3 % projektbezogene Betreuungskosten beanspruchen; für die Betreuung der Maßnahmen am Flughafen Tempelhof 7 %, weil kein Ingenieurbüro eingeschaltet gewesen sei.
- 14
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Der Kläger beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1 346 362,97 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 24. Dezember 2010 zu zahlen.
- 15
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Die Beklagte beantragt,
-
die Klage abzuweisen.
- 16
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Sie hält die Forderung für grundsätzlich unberechtigt sowie der Höhe nach für überzogen.
- 17
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Die Räumung auf dem Flughafen Tegel habe nicht der Beseitigung einer unmittelbaren Gefahr gedient, sondern der Entwicklung des Geländes für die Zeit nach Schließung des Flughafens Tegel. Es handele sich um nicht erstattungsfähige Gefahrerforschungsmaßnahmen. Von den vorhandenen Kampfmitteln sei bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Flughafengeländes keine Gefahr ausgegangen; daher sei auch der Flugbetrieb nicht gefährdet gewesen. Die Gefahr sei erst durch die Bauarbeiten der BFG entstanden. Das erkenne auch der Kläger selbst an, der den Betrieb des Flughafens nicht untersagt habe. Die BFG hätte vorrangig als Zustandsstörerin in Anspruch genommen werden müssen, zumal sie von der Fortführung des Flugbetriebs profitiert habe. Die Kosten seien überhöht ausgefallen, weil der Kläger keine Ausschreibung vorgenommen habe. Die Mehrkosten, die infolge der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs angefallen seien, seien unnötig, ebenso die Kosten für Zusatztestfelder. Diese hätten einer baubegleitenden Kampfmittelsuche gedient, für die sie, die Beklagte, nicht einzustehen habe; denn damit sei eine der BFG zurechenbare Gefahr beseitigt worden. Die Einzelpunkte seien fehlerhaft ausgewählt worden und die Untersuchungsmethode unsachgemäß gewesen. Die Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt, den der Senat abgelehnt hat (Gerichtsakte Bl. 465 f.). Betreuungskosten am Flughafen Tegel seien dem Kläger nicht entstanden, weil er die Durchführung der Beprobung auf das Ingenieurbüro D. übertragen habe.
- 18
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Die Kosten für die Räumung auf dem Flughafen Tempelhof seien ebenfalls nicht erstattungsfähig. Dort habe keinerlei Gefahr bestanden, weil Bombenblindgänger nicht vorhanden gewesen seien. Im Übrigen hätte auch dort die BFG als Zustandsstörer vorrangig in Anspruch genommen werden müssen. Die Forderung von 7% Betreuungskosten sei überzogen.
Entscheidungsgründe
- 19
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Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO teilweise einzustellen. Der Kläger hat seine Forderung nach Klageerhebung um 284 055,33 € reduziert und in diesem Umfang die Klage zurückgenommen.
- 20
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Soweit Aufwendungen für den Flughafen Tegel geltend gemacht werden, hat die Klage im Wesentlichen Erfolg (unten 2). Aufwendungen für den Flughafen Tempelhof sind hingegen nicht zu erstatten (unten 3).
- 21
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1. Die Klage ist zulässig.
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Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts steht aufgrund der bindenden Verweisung des Rechtsstreits durch das Verwaltungsgericht fest (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit, nämlich um einen Bund-Länder-Streit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO handelt. Maßgeblich für die Abgrenzung zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten ist die Rechtsnatur des geltend gemachten Erstattungsanspruchs. Der Kläger beruft sich auf Art. 120 Abs. 1 GG und die Staatspraxis im Bereich der Kampfmittelräumung, woraus sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein dem Verwaltungsrecht zuzurechnender Erstattungsanspruch ergibt (vgl. im Einzelnen Urteile vom 14. Juni 2006 - BVerwG 3 A 6.05 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 8 Rn. 7 und vom 19. Februar 2004 - BVerwG 3 A 2.03 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 7 S. 5 = NVwZ 2004, 1125 m.w.N.).
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2. Die Klage ist hinsichtlich des Flughafens Tegel im Wesentlichen begründet; in Abzug zu bringen ist lediglich ein Teil der Betreuungskosten (unten 2 l).
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a) Der Kläger kann Erstattung aus Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG verlangen. Danach trägt der Bund die Aufwendungen für die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten. Zwar sieht die Vorschrift eine Erstattung "nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen" vor, die nicht erlassen sind. Diese Vorschrift ist aber ungeachtet dessen in bestimmten Fällen unmittelbar Grundlage für Ansprüche eines Bundeslandes gegen den Bund. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung für die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg, für die die Länder zuständig sind (vgl. Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 3 A 1.09 - NVwZ 2011, 307 = Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 9 m.w.N.). Die Beseitigung der aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden reichseigenen und ausländischen (alliierten) Kampfmittel ist eine Kriegsfolgelast. Mit diesem Begriff meint die Verfassung die Lasten solcher Kriegsfolgen, deren entscheidende - und in diesem Sinne alleinige - Ursache der Zweite Weltkrieg ist (BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 1959 - 2 BvF 5/56 - BVerfGE 9, 305 <323>; vgl. auch Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 3 A 1.99 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 6 S. 3). Die Verfassung sieht insofern selbst eine finanzwirtschaftliche Verteilung der Kriegsfolgelasten vor, die den Gesetzgeber bindet, auf die aber auch dann zurückzugreifen ist, wenn das von der Verfassung vorgesehene Gesetz fehlt oder es sich gemessen an Art. 120 GG als unzureichend erweist (stRspr, vgl. Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
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b) Mangels gesetzlicher Konkretisierung bestimmt sich die Verteilung der Lasten aus der Beseitigung derartiger Kampfmittel zwischen Bund und Ländern nach der bis zum 1. Oktober 1965 geübten Staatspraxis. Das ergibt sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG, wonach der Bund zur Übernahme der Aufwendungen für solche Kriegsfolgelasten verpflichtet bleibt, die zu diesem Zeitpunkt von ihm - und nicht von den Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden - getragen worden waren (Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 11 und 14; vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 15. August 1964, BTDrucks 4/2524 S. 8 f.).
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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Staatspraxis in Kap. 3.2 Abs. 2 der Arbeitshilfen zur wirtschaftlichen Erkundung, Planung und Räumung von Kampfmitteln auf Liegenschaften des Bundes (Arbeitshilfen Kampfmittelräumung - AH KMR - Stand: 31. Oktober 2007, Bl. 73 der Gerichtsakte, vgl. auch www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de) zutreffend festgehalten ist. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 14) ist dies nicht fraglich. Nach der dort wiedergegebenen Übung trägt der Bund die Beseitigungskosten auf seinen eigenen Liegenschaften, unabhängig davon, ob es sich um ehemals reichseigene oder ausländische Kampfmittel handelt. Auf nicht bundeseigenen Liegenschaften trägt der Bund die Beseitigungskosten hingegen nur für die ehemals reichseigenen Kampfmittel.
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Der Anwendungsbereich des Art. 120 Abs. 1 GG ist eröffnet. Die streitigen Aufwendungen macht der Kläger in Übereinstimmung mit der Staatspraxis geltend. Kostenerstattung für die Beseitigung von Kampfmitteln ungeachtet ihrer Herkunft verlangt er nur hinsichtlich der (nunmehr mittelbar) bundeseigenen Flächen; für Maßnahmen auf den Landesflächen des Flughafens Tegel beansprucht er lediglich die anteiligen Kosten für die Beseitigung der reichseigenen Kampfmittel.
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c) Auch die weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs sind gegeben.
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Diese Voraussetzungen sind § 19 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl I S. 1747) zu entnehmen. Zwar ist dieses Gesetz nicht unmittelbar anwendbar, weil der Bund nicht, wie es § 1 AKG voraussetzt, für frühere Verpflichtungen des Reiches in Haftung genommen wird; die von Art. 120 Abs. 1 GG in Bezug genommene Staatspraxis hat sich aber in Anlehnung an diese Vorschrift entwickelt (vgl. Urteil vom 14. Juni 2006 a.a.O. Rn. 14). Ihr entsprechend sind einem Land Aufwendungen für Kampfmittelbeseitigungen zu erstatten, wenn die Räumung zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich war.
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Die Beklagte meint zu Unrecht, dass die Testfeldbeprobungen und die daran anknüpfenden Maßnahmen nicht der Beseitigung von unmittelbaren Gefahren für Leben und Gesundheit der darauf befindlichen Menschen gedient haben.
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aa) Die geborgenen Kampfmittel waren nicht sämtlich, aber doch zu einem wesentlichen Teil gefährlich. Der Begriff der Gefahr ist nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen zu konkretisieren. Gefahr ist danach die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Welcher Grad an Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, hängt davon ab, welche Rechtsgüter gefährdet werden und welches Schadensausmaß droht. Da § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG Gefahren für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Blick hat, dürfen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadens keine überzogenen Anforderungen gestellt werden; es genügt, dass die Möglichkeit von Schäden an diesen Rechtsgütern realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann. Dies war hier der Fall, ohne dass es darauf ankommt, dass nicht von allen Kampfmitteln Gefahren in derselben Größe ausgingen.
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Die Testfelderkundungen haben eine Belastung mit Kampfmitteln auf nahezu allen untersuchten Bereichen ergeben. Das ergibt sich aus dem Gutachten D. vom 23. Oktober 2005 (vgl. S. 53 ff.), dessen Aussagekraft die Beklagte nicht infrage zu stellen vermocht hat. Gefunden wurden danach insbesondere auch Kampfmittel der Klassen F und G, bei denen eine Detonation durch Fremdeinwirkung prinzipiell möglich ist (Gefährdungsklasse F) oder die sogar selbstdetonationsgefährdet sind (Gefährdungsklasse G). Etwa 25 % der geborgenen Kampfmittel waren wirksam (Gefährdungsklassen Fw und Gw). Knapp 96 % der geborgenen Kampfmittel befanden sich zwischen der Geländeoberkante und einer Tiefe von 120 cm, etwa 35 % in einer Tiefe bis 20 cm unter der Geländeoberkante, in der damit zu rechnen ist, dass die Schutzwirkung überlagernder Böden überwunden werden kann (Klasse w10).
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Kampfmittel dieser Art begründen auch dann, wenn sie nicht zur Selbstdetonation neigen, auf intensiv genutzten Grundstücken wie Flughäfen eine allemal hinreichend wahrscheinliche Gefährdung von Leben und Gesundheit. Wie im Gutachten hervorgehoben, ergeben sich solche Gefahren insbesondere durch eine hohe Wahrscheinlichkeit des unbeabsichtigten Auffindens spreng- und zündkräftiger Munition bei Eingriffen in den Boden oder durch Maßnahmen der Pflege auf unbefestigten Flächen. Als ähnlich gefahrträchtig sind Selbstdetonationen einzuschätzen, selbst wenn sie durch überlagernde Bodenschichten gedämpft worden wären; denn auch dann hätte sich nach den Ausführungen des Gutachters eine Schädigung von Personen nicht hinreichend ausschließen lassen.
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bb) Am Vorliegen einer Gefahr schon bei Beginn der Testfelduntersuchungen konnte kein Zweifel bestehen, sodass die Untersuchungen nicht der Gefahrerforschung, also der Aufklärung des Bestehens einer Gefahr dienten, sondern der Feststellung ihres Umfangs. Nach den bereits bei Beginn der Beprobungen vorliegenden Erkenntnissen war klar, dass im Erdreich Kampfmittel aller Art vorhanden waren. Das ergab sich schon aus der Nutzungsgeschichte des Flughafengeländes und dem Umstand, dass das Gelände nur punktuell geräumt worden war (Gutachten D. Nr. 2.3 und 4.5.2, S. 7 und 30 ff.). Diese Annahme wurde für den nördlichen Bereich des Flughafens durch den Kampfmittelfund während der Bauarbeiten und der anschließenden planmäßigen Räumung dieser Fläche bestätigt, für das übrige Flughafengelände durch die spätere Auswertung von Luftbildaufnahmen. Daraus ergab sich eine offenkundig hohe Belastung, die Schäden an Leib und Leben konkret besorgen ließ. Unklar waren lediglich die genauen Lagerstellen und die Gefährdungsklassen der Kampfmittel.
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d) Die Staatspraxis verpflichtet den Bund indes nicht dazu, für die Beseitigung von Kampfmitteln schlechthin einzustehen. Voraussetzung ist, dass die Gefahr dem Bund (noch) zurechenbar und ihre Beseitigung dringlich ist. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG bringt dies mit dem Begriff der Unmittelbarkeit zum Ausdruck. Gemeint ist eine zeitliche und wertungsmäßige Nähebeziehung zwischen dem Vorhandensein von Kampfmitteln und den möglichen Schäden dergestalt, dass Abhilfe keinen Aufschub duldet. Diese Nähebeziehung ist anzunehmen, wenn es bei einem Verlauf der Dinge, mit dem nicht nur theoretisch zu rechnen ist, jederzeit unkalkulierbar zu einem dem Bund zurechenbaren Schaden durch Kampfmittel kommen kann (vgl. Féaux de la Croix, Die Kriegsfolgenschlussgesetzgebung, 1959, Erl. C 2 b dd zu § 19 Abs. 2 AKG). Dieser Zurechnungszusammenhang ist bereits im Begriff der Kriegsfolgelast angelegt,
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aa) Die Beseitigung der im Gutachten D. beschriebenen Gefahren war dringlich. Dies versteht sich von selbst, soweit detonationsfähige und in Sonderheit selbstdetonationsgefährdete Kampfmittel der Klassen Fw und Gw in geringer Tiefe lagerten. Auch wenn Detonationen nicht konkret absehbar waren, hätten sie bei einigen der aufgefundenen Kampfmittel doch jederzeit stattfinden können, sei es aufgrund der Korrosion von Zündern, sei es infolge von Fremdeinwirkungen. Es besagt wenig, dass sich Gefahren seit dem Einbringen der Kampfmittel in den Boden nicht verwirklicht haben; denn die Detonationsneigung und damit die Wahrscheinlichkeit einer Explosion steigen mit der Zeit an. Dies wird im Gutachten D. (unter Nr. 5.1, S. 41 ff.) eingehend und nachvollziehbar beschrieben. Die Beklagte hat dem keine fundierten abweichenden Erkenntnisse entgegengesetzt. Das Zunehmen der Detonationsneigung ist im Übrigen auch in der Rechtsprechung des Senats bereits anerkannt (vgl. Urteil vom 19. Februar 2004 a.a.O. S. 7).
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Gefahren gingen ferner von der sonstigen zündfähigen, wenn auch nicht selbstdetonationsgeneigten Munition aus. Wie im Gutachten D. festgehalten, musste mit die Erdoberfläche durchbrechenden Detonationen jedenfalls bei äußeren Einwirkungen (etwa durch Tiefbauarbeiten, Pflege von Flächen wie Mäharbeiten und bei irregulärem Flugbetrieb wie Havarien, Abkommen von Luftfahrzeugen von befestigten Rollwegen und sonstigen Flugunfällen) auf die in geringer Tiefe liegende wirksame Munition gerechnet werden. Die in diesem Sinne unmittelbar gefährlichen Kampfmittel befanden sich schließlich nicht an Orten, die eine Gefährdung von Leben und Gesundheit als ausgeschlossen erscheinen ließen.
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bb) Die Unmittelbarkeit wird hier auch nicht insoweit infrage gestellt, als sich die Gefahren durch nicht selbstdetonationsgeneigte, aber noch wirksame Kampfmittel erst bei äußeren Einwirkungen Dritter auf sie hätten realisieren können. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Bau- und Instandhaltungsarbeiten der Flughafengesellschaft BFG und der Flugbetrieb, nicht aber die Kampfmittel seien die entscheidenden Ursachen für die Gefahren. Zwar trifft es zu, dass im Begriff der Unmittelbarkeit ein Zurechnungszusammenhang vorausgesetzt ist, der beim Dazwischentreten selbstständiger Handlungsbeiträge Dritter unterbrochen werden kann. Jedoch können hier weder die Bauarbeiten der BFG noch der Flugbetrieb als vorrangige (Mit)Ursachen in diesem Sinne bewertet werden. Die Verantwortung des Bundes für die von Kampfmitteln ausgehenden Gefahren wird nicht durch Handeln Dritter verdrängt, mit dem sich diese innerhalb ihres Rechtskreises bewegen oder sonst sozialadäquat verhalten. In diesem Sinne stellen auch die Arbeitshilfen KMR für die Bewertung und Gefährdungsabschätzung auf die Grundstücksnutzung ab (vgl. Kap. 5.1 Abs. 1 und Abs. 4 und Kap. 5.2 Kategorie 3: "Nutzungsänderungen und Infrastrukturmaßnahmen"). Bau- und Pflegearbeiten, die der Unterhaltung und Instandhaltung eines Flughafens dienen, sind nicht nur nutzungsadäquat, sondern entsprechen überdies dem Pflichtenkreis des Flughafenunternehmers, der gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) verpflichtet ist, den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu halten und ordnungsgemäß zu betreiben. Zu diesen, den Zurechnungszusammenhang unberührt lassenden Maßnahmen gehören Bau- und Reparaturarbeiten an den Flugbetriebsflächen, wie sie im Jahr 2004 zum Auffinden erster Kampfmittel geführt haben, ebenso Mäh- und Landschaftspflegearbeiten, die aus Gründen der Vorsorge gegen Schäden an Luftfahrzeugen durch so genannte Vogelschläge unabdingbar sind (vgl. Deutscher Ausschuss zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr, www.davvl.de/de).
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Dasselbe gilt für den Flugbetrieb, der von luftrechtlichen Erlaubnissen (§§ 6 und 8 Luftverkehrsgesetz) gedeckt ist oder - wie im Fall von Tegel - kraft Gesetzes als genehmigt gilt (vgl. Reidt, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 6 Rn. 71) und damit von der Betriebspflicht des Unternehmers gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO umfasst ist. Dem nutzungsadäquaten Betrieb des Flughafens zuzurechnen sind darüber hinaus Flugunfälle, die infolge des Kontakts mit Kampfmitteln auf den nicht zur Benutzung durch Luftfahrzeuge bestimmten Flughafenbereichen zu Schäden führen können. Derartige Ereignisse sind gemessen an der Zweckbestimmung des Flughafens zwar irregulär; mit ihnen ist aber auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu rechnen. Daher ist Flugunfällen auf dem Flugplatzgelände nach verbindlichen internationalen Regelwerken etwa durch den Bau von Sicherheitsflächen - auf denen hier ebenfalls Kampfmittel gefunden worden sind - schon bei der Anlegung eines Flughafens Rechnung zu tragen (vgl. Anhang 14 "Aerodromes" des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt
vom 7. Dezember 1944; dazu Beitrittsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 7. April 1956, BGBl II S. 411). Da das untersuchte Gelände bereits am maßgeblichen Stichtag, dem 1. Oktober 1965 (vgl. Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG), als Flughafen genutzt worden ist, kann der Senat offenlassen, ob und in welchen Fällen spätere Nutzungsänderungen den Zurechnungszusammenhang hätten unterbrechen können.
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cc) Ist bei wertender Betrachtung das Vorhandensein von Kampfmitteln die prägende und damit maßgebliche Ursache von Gefahren, so ist es rechtlich unerheblich, dass nicht alle aufgefundenen Kampfmittel unmittelbar oder überhaupt gefährlich waren, wie die Fundklassen A bis D (Schrott, Waffen und Waffenteile ohne Munition und Übungsmunition ohne Explosionsstoffe). Ebenso wenig weist es auf das Fehlen von Gefahren hin, dass der Flugbetrieb während der Beprobungen und Räumungen fortgeführt worden ist. Zwar trifft es ausweislich des Gutachtens D. zu, dass der reguläre Flugbetrieb keiner unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt war, weil die befestigten Flugbetriebsflächen nicht mit akut gefährlichen Kampfmitteln belastet waren und die Beprobungen so mit dem Betrieb koordiniert werden konnten, dass Schäden nicht zu erwarten waren (Gutachten D., S. 67 und 20 f.). Daraus folgt aber lediglich, dass Gefahren über die vorhandenen hinaus nicht zu besorgen waren; an der im Übrigen bestehenden Gefährdungslage änderte dies nichts.
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dd) Die Unmittelbarkeit lässt sich auch nicht mit den von der Beklagten in Bezug genommenen Erwägungen im Urteil des Senats vom 16. Dezember 1999 (BVerwG 3 A 1.99 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 6) infrage stellen. Nach dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt gingen von der auf dem Meeresboden eingesandeten und eingeschlickten Munition keine Gefahren für die Schifffahrt aus, sodass zu ihrer systematischen Entsorgung gerade kein Anlass bestand. Die Notwendigkeit der Beseitigung ergab sich dort vielmehr erst, als bei der Schleppnetzfischerei durch die meeresbodennahe Verwendung von Netzen unbeabsichtigt Kampfmittel zutage gefördert wurden.
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e) Die Beklagte kann nicht verlangen, dass der Kläger sie von der Kostenerstattung freistellt, weil vorrangig die BFG als Störerin in Anspruch genommen werden müsste. Nach allgemeinen Grundsätzen ist zwischen der Inanspruchnahme auf Gefahrenbeseitigung und auf Kostenerstattung zu unterscheiden. Was die Kostenbelastung angeht, enthält Art. 120 Abs. 1 GG nicht nur eine Regel über ihre Verteilung zwischen Bund und Ländern, sondern auch Grundentscheidungen zur Frage, wem die Kosten endgültig anzulasten sind. Dieser Vorgabe kann die Beklagte nicht entgegenhalten, dass die BFG zur Gefahrenbeseitigung hätte herangezogen werden können. Selbst wenn dies möglich gewesen wäre, würde sich an der verfassungsrechtlich bindenden Zuordnung der Kosten an den Bund nichts ändern. Die BFG könnte einer Heranziehung zu den Kosten die Wertung des Art. 120 Abs. 1 GG entgegenhalten, wonach nicht sie, sondern der Bund die hier streitigen Kriegsfolgelasten zu tragen hat. Daher ist es unter Kostentragungsgesichtspunkten auch unerheblich, dass die BFG von der Aufrechterhaltung des Flugbetriebs während der Beprobung profitiert hat.
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f) Der geforderte Umfang der Erstattung ist im Wesentlichen nicht zu beanstanden.
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Der Erstattungsanspruch nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nur die Kosten solcher Arbeiten, die im Hinblick auf die Beseitigung der unmittelbaren Gefahr notwendig sind (Urteil vom 14. Juni 2006 - BVerwG 3 A 6.05 - a.a.O. Rn. 16). Mit dieser Beschränkung der Erstattungspflicht auf notwendige Kosten verpflichtet die Staatspraxis die mit der Räumung befassten Behörden zum Schutz der Beklagten, Aufwendungen nur im unvermeidlichen Umfang zu tätigen. Maßnahmen, für die Erstattung verlangt werden kann, dürfen nicht über dasjenige hinausgehen, was geeignet und erforderlich ist, die Gefahr durch Kampfmittel effektiv und schadlos zu beseitigen.
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aa) Die vorgenommenen Beprobungen waren ihrer Art nach ein angemessenes Mittel, den Umfang der Gefahr und der gebotenen Räumungsmaßnahmen aufzuklären. Zwar sind sie durch eine Doppelnatur gekennzeichnet, weil sie einerseits dem Vorfeld der Gefahrenbeseitigung zuzuordnen sind, soweit sie im Anschluss an die historische Erkundung der weiteren technischen Erkundung und Gefahrenabschätzung dienten, andererseits aber der endgültigen Gefahrenbeseitigung, soweit bereits bei der Sondierung aufgefundene Kampfmittel geräumt wurden. Dieses untrennbare Vorgehen wird von der Beklagten zu Unrecht kritisiert; es entspricht dem von ihr vorgegebenen Phasenschema der Kampfmittelräumung, wie es in den Arbeitshilfen KMR (vgl. a.a.O. Kap. 4.2) für die Bearbeitung kampfmittelverdächtiger, aber auch kampfmittelbelasteter Flächen in der Zuständigkeit der Beklagten vorgesehen ist.
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bb) Angesichts der bei den Bauarbeiten aufgefundenen Kampfmittel war eine eingehende Beprobung geboten. Die bei Beginn der Erkundung durch Tatsachen untermauerte Befürchtung, dass mit einer unmittelbar gefährdenden Kampfmittelbelastung auf dem gesamten Flughafengelände zu rechnen war, schloss die Notwendigkeit genauerer Lokalisierung nicht aus, sondern begründete sie gerade. Nur so konnte der Zweck der Untersuchungen erreicht werden, ein - mit Blick auf die spätere endgültige Räumung - repräsentatives Belastungsbild der Gesamtfläche zu erlangen. Die Einwände der Beklagten hiergegen greifen nicht durch. Auch die Arbeitshilfen KMR sehen bei unklaren Verdachtslagen Maßnahmen zur Gefährdungsabschätzung vor, die zugleich der Festlegung eventuell anschließend gebotener Maßnahmen - der Erstellung des endgültigen Räumkonzeptes - dienen (a.a.O. Kapitel 4
, insbes. 4.2 ). Dies war hier angesichts der dürftigen historischen Erkenntnisse über die genaue Lage der Fundorte auf dem Flughafen Tegel auch im Sinne einer Geringhaltung der Gesamtkosten gerechtfertigt. Der Erkundungserfolg war im Übrigen nicht bereits, wie die Beklagte meint, bei Erlass der Verfügung vom 19. Mai 2005 erreicht, sondern erst bei Abschluss der Beprobungen.
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g) Die Beprobungen gingen nicht über das erforderliche Maß hinaus. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen den Umfang der Beprobung, die Zahl und Lage der Testfelder, Einzelpunkte und Bohrlöcher sind nicht berechtigt.
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aa) Der Anteil reichseigener Kampfmittel an der Gesamtmenge der Kampfmittel, der die Kostenlast der Beklagten auf den Landesflächen bestimmt, steht zur Überzeugung des Senats fest. Die aufgefundenen Kampfmittel sind dem Landeskriminalamt übergeben und von diesem klassifiziert, sortiert und gewogen worden. Dabei hat sich ein Anteil von 58,85 % reichseigener Kampfmittel ergeben, den der Kläger mit der Klage geltend gemacht hat. Fehler der Berechnung dieses Anteils sind nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte auf den Vermerk des Klägers in der "Übersicht Gesamtkostenaufstellung" (Anlage K 21 zur Klageschrift) beruft, in dem ein abweichender Anteil bezeichnet ist, handelt es sich ersichtlich um den Wert der Anteile der im Abrechnungszeitraum auf allen Flächen gefundenen Kampfmittelarten.
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bb) Es wäre den Bodenverhältnissen auf dem Flughafen Tegel nicht angemessen gewesen, die Lage von Kampfmitteln ausschließlich mithilfe kostengünstigerer Methoden wie der Geomagnetik zu erkunden. Der Gutachter hat ebenso wie der Kläger überzeugend aufgezeigt, dass dies vor allem wegen der Geländeaufschüttungen und -verschiebungen nicht zu hinreichend aussagekräftigen Ergebnissen geführt hätte.
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cc) Die Testfelder und Zusatzfelder sind auf Flächen angelegt worden, die noch nicht oder nicht systematisch und vollständig geräumt waren. Die gegenteilige Vermutung der Beklagten hat sich als haltlos erwiesen. Richtig ist lediglich, dass nicht an allen beprobten Stellen Kampfmittel gefunden worden sind.
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dd) Auch die Anlegung von Zusatztestfeldern war angemessen. Sie wurden in Bereichen geplanter Bautätigkeit der BFG eingerichtet, um dort zum Schutz der Bediensteten zu einer genaueren Gefährdungseinschätzung gelangen zu können. Der Einwand der Beklagten, für eine solche baubegleitende Kampfmittelsuche habe sie nicht einzustehen, trifft nicht zu; denn Bauarbeiten an Flugbetriebsflächen sind - wie oben dargetan - bei einem Flughafen Bestandteil der sozialadäquaten Grundstücksnutzung.
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ee) Die Untersuchung von zusätzlichen Einzelpunkten war sachgerecht.
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Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, nach welchen Kriterien die untersuchten Einzelpunkte festgelegt worden sind. Leitend war der Gesichtspunkt, anhand der konkreten Gegebenheiten eine zuverlässige Gefährdungsabschätzung zu ermöglichen. Zwar hat die Beklagte auf einen scheinbaren Widerspruch zwischen dem Gutachten und den Erklärungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, der dies infrage stellen könnte. Die Erläuterungen, die der Gutachter daraufhin zur Auswahl der Einzelpunkte gegeben hat, und der Abgleich der Borstellen mit dem Kartenmaterial verdeutlichen aber, dass tatsächlich kein solcher Widerspruch besteht. Entgegen dem Eindruck, den die Darstellung im Gutachten erweckt (S. 53, 65), wurden mit den Einzelpunkten nicht nur Bomben- oder Blindgängerverdachtspunkte untersucht. Vielmehr sind durchweg Punkte ausgewählt worden, für die aufgrund der Luftbildauswertung oder örtlicher Besonderheiten konkrete Verdachtsmomente auf eine Kampfmittelbelastung (wie Bombenkrater, Munitionslager oder andere militärische Strukturen) vorlagen, sodass eine großflächigere Untersuchung wie durch ein Testfeld nicht sinnvoll erschien. Die Beklagte erhebt hiergegen keine substanziierten Einwände; der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag musste daher abgelehnt werden.
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Soweit die Beklagte die Anordnung und Zahl der Bohrlöcher bemängelt, verkennt sie, dass verbindliche Regelungen hierüber nicht bestanden. Der - im Beprobungszeitpunkt noch nicht veröffentlichte - Anhang A-9.3.12 der Arbeitshilfen KMR sieht ein festes Bohrlochraster nur für Bombenblindgängerverdachtspunkte vor, lässt im Übrigen aber Raum für die Wahl von Abständen, die den örtlichen Besonderheiten angepasst sind. Die Einwände der Beklagten hiergegen gehen von unzutreffenden Annahmen aus, sodass dem Beweisantrag auch insoweit nicht nachzugehen war.
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ff) Ist nichts gegen den Umfang der Gesamtmaßnahmen zu erinnern, so ist auch die Anlastung anteiliger Gemeinkosten, d.h. solcher Aufwendungen, die sich keiner bestimmten Beprobungsmaßnahme zuordnen lassen, zulässig. Die Beklagte wird dadurch nicht an baubegleitenden Beprobungen, unnötigen Testfeldern oder anderen Maßnahmen beteiligt, für die sie nicht einzustehen hat.
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h) Erstattungsfähig sind auch die flugbetriebsbedingten Mehrkosten der Beprobungen. Der Kläger war nach Lage der Dinge nicht verpflichtet, in seiner Eigenschaft als zuständige Luftfahrtbehörde zur Kostenreduzierung eine Schließung des Flughafens während der Beprobungen anzuordnen. Es mag dahinstehen, ob dies angesichts der Möglichkeiten zur gefahrminimierenden Koordination von Flugbetrieb und Beprobung überhaupt eine rechtmäßige Handlungsalternative gewesen wäre. Jedenfalls aber muss sich die Beklagte darauf verweisen lassen, dass sie sich an Stelle der BFG schwerlich anders hätte verhalten können; denn das gewählte Vorgehen war in einem objektiven Sinne vernünftig. Die Vorsorgemaßnahmen des Ingenieurbüros D. bewirkten einen angemessenen Ausgleich der Interessen an der reibungslosen Durchführung des Flugbetriebs und der kostengünstigen Testung und Räumung der Flächen. Dann aber kann die Beklagte unter Kostengesichtspunkten nicht verlangen, dass die BFG zu ihren und zu Lasten einer breiten Öffentlichkeit Maßnahmen ergreift, die die Beklagte selbst, wäre sie Nutzungsberechtigte der Flughafenflächen gewesen, vernünftigerweise nicht ergriffen hätte.
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j) Es begrenzt hier nicht den Umfang der Kostentragungspflicht der Beklagten, dass der Kläger die Testfeldbeprobung für den Flughafen Tegel - anders als für den Flughafen Tempelhof - nicht ausgeschrieben hat.
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aa) Allerdings gehört eine Ausschreibung, soweit sie gesetzlich vorgeschrieben ist, zu den grundsätzlich zu beachtenden Anforderungen im Zusammenhang mit Kampfmittelräumungen. Das Vergaberecht schützt nicht nur die Aufrechterhaltung eines gesunden Wettbewerbs und das Interesse von Konkurrenten, gleichmäßig an öffentlichen Aufträgen teilhaben zu können; es dient auch dem Interesse der öffentlichen Hand, mithilfe von Wettbewerb Vorhaben zu angemessenen Preisen, d.h. geringeren Kosten durchführen zu können. Daher kann die Beklagte die Beachtung des Vergaberechts unter dem Gesichtspunkt der Kostengeringhaltung verlangen.
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bb) Der Kläger war grundsätzlich zur Ausschreibung verpflichtet. Zwar ergab sich das nicht aus Bundesrecht, weil die seinerzeit dafür gültigen Schwellenwerte nicht überschritten waren (vgl. § 2 Nr. 4 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
vom 1. Februar 2001, BGBl I S. 110, i.d.F. der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003, BGBl I S. 169). Nach seinem Landesrecht hatte der Kläger die Beprobung jedoch unter Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) auszuschreiben (§ 55 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung Berlin i.V.m. Nr. 2.2.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 55 LHO).
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cc) Dieser Pflicht nachzukommen, war er nicht deswegen gehindert, weil eine hinreichende Leistungsbeschreibung im Sinne des § 3 Nr. 4 Buchst. b VOB/A 2002 nicht möglich gewesen wäre. Auch wenn die Erstellung einer Leistungsbeschreibung wegen der Besonderheiten einer großflächigen Kampfmittelbelastung auf einem internationalen Verkehrsflughafen mit Schwierigkeiten verbunden war, ist sie doch prinzipiell möglich, wie nicht zuletzt der Umstand belegt, dass der Kläger die auf dem Flughafen Tempelhof durchgeführten Maßnahmen ausgeschrieben hat (vgl. ferner den "Musterleistungskatalog
Gewerbliche Leistungen - Testfeldräumung ", Anhang A-8.1.6 der Arbeitshilfen KMR).
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dd) Von der Ausschreibung durfte aber unter dem Gesichtspunkt der Dringlichkeit der Gefahrenbeseitigung abgesehen werden. Im Bereich der Gefahrenabwehr indiziert nach allgemeinen Grundsätzen eine unmittelbare, sich potenziell jederzeit realisierende Gefahr (hier durch detonationsfähige Munition) eine Dringlichkeit, die schon geringfügigen Verzögerungen der Abhilfe entgegensteht und regelmäßig eine Dringlichkeit der Leistung auch im Sinne des Vergaberechts begründet (vgl. § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. c, Nr. 4 Buchst. d VOB/A 2002; dazu auch OVG Münster, Urteil vom 2. September 2008 - 15 A 2328/06 - DVBl 2008, 1450). So lag der Fall hier, nachdem sich der Verdacht einer großflächigen Kampfmittelbelastung im Vorfeld der Beprobung bestätigt hatte. Unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt der Gefahrenbeseitigung war auf einem internationalen Verkehrsflughafen wie Tegel die zusätzliche erhebliche Zeitverzögerung durch eine unbeschränkte oder auch beschränkte öffentliche Ausschreibung nicht hinnehmbar. In dem dadurch vorgezeichneten Rahmen eines geordneten und zweckmäßigen Vorgehens hat sich der Kläger schonend verhalten, indem er Firmen (BVS, BSA und Halter) beauftragt hat, die - auch bei der Beklagten - als erfahren und bewährt galten und an Rahmenverträge gebunden waren, die auf der Grundlage von Ausschreibungen zustande gekommen waren.
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k) Die Beklagte hat dem Kläger auch die geltend gemachten Kosten für die Sondierung und Räumung der Landesfläche Los 1 zu erstatten. Es handelt sich ebenfalls um notwendige Aufwendungen zur Gefahrenbeseitigung. Die hiergegen erhobenen Einwände der Beklagten bleiben ohne Erfolg; insoweit gelten die Ausführungen zu den vorhergehenden Testfelduntersuchungen entsprechend.
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l) Die Erstattung von Betreuungskosten für die Überwachung der Maßnahmen am Flughafen Tegel kann der Kläger nur zu einem Teil verlangen.
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Nach der Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist, sind so genannte projektbezogene Betreuungskosten vom Bund zu tragende Kriegsfolgelasten in Form von Zweckausgaben, sofern sie nach der von den konkreten Beteiligten vor dem Stichtag geübten Erstattungspraxis gezahlt worden waren (Urteil vom 20. Februar 1997 - BVerwG 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 3). Die Beklagte stellt die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit von projektbezogenen Betreuungskosten nicht infrage, meint aber, dem Kläger sei aufgrund der Beauftragung des Ingenieurbüros Döring kein eigener Betreuungsaufwand entstanden, der abgerechnet werden könnte. Dieser Einwand ist zum Teil berechtigt. Es ist dem Kläger unbenommen, die ihm entstandenen Betreuungskosten konkret zu beziffern oder sich - wie hier - mit einer pauschalen Abgeltung zu begnügen. In diesem Fall sind die Betreuungskosten in Anlehnung an Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl I S. 1426) zu bemessen (vgl. Urteil vom 20. Februar 1997 a.a.O.). Danach beträgt die Pauschale 2 % der Auftragssumme für die Kosten der Entwurfsbearbeitung und 1 % für Kosten der Bauaufsicht. Nur Letztere sind dem Kläger infolge seiner Pflicht zur Beaufsichtigung der von ihm beauftragten Ingenieurbüros entstanden; die weiteren Kosten sind hingegen bei diesen angefallen und bereits in den abgerechneten Aufwendungen für die Kampfmittelbeprobung enthalten.
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3. Die Aufwendungen für Maßnahmen am Flughafen Tempelhof sind schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig.
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a) Anders als auf dem Flughafen Tegel dienten die Beprobungen in Tempelhof der Gefahrerforschung. Nach den Luftbildauswertungen konnte nicht davon ausgegangen werden, dass dort überhaupt eine Gefahr bestand. Sonstige greifbare Anhaltspunkte hierfür lagen nicht vor. Nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen kann derjenige, der (rechtmäßig) als Anscheinsstörer zur Abwendung einer polizeilichen Gefahr in Anspruch genommen wurde, in entsprechender Anwendung des in den Polizeigesetzen geregelten Ersatzanspruchs für zur Gefahrbeseitigung herangezogene Nichtstörer die Kosten der Maßnahme abwehren, wenn sich die ("ex ante") angenommene Gefahr nach Durchführung der Maßnahme ("ex post") nicht bestätigt (Urteil vom 17. Februar 2005 - BVerwG 7 C 14.04 - BVerwGE 123, 7 <12> = Buchholz 451.222 § 24 BBodSchG Nr. 1 m.w.N.; BGH, Urteile vom 23. Juni 1994 - III ZR 54/93 - BGHZ 126, 279 <283 f.> und vom 12. März 1992 - III ZR 128/91 - BGHZ 117, 303 <307 f.>). Vergleichbar liegt der Fall hier, denn der Gefahrenverdacht hat sich im Ergebnis als unbegründet herausgestellt.
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b) Schon aus diesem Grunde besteht auch kein Anspruch auf projektbezogene Betreuungskosten für die Räumung in Tempelhof. Es bedarf daher keiner Erörterung, dass vor dem Hintergrund der Wertung des Finanzanpassungsgesetzes pauschale Kosten in Höhe von 7 % schwerlich gerechtfertigt sein können.
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4. Nach alldem ist die Klage in Höhe von 1 306 204,42 € begründet; im Übrigen (in Höhe von 40 158,55 €) ist sie abzuweisen. Die geltend gemachten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus stehen dem Kläger entsprechend § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem Tag nach Klageerhebung zu (Urteil vom 28. Juni 1995 - BVerwG 11 C 22.94 - BVerwGE 99, 53 = Buchholz 310 § 90 VwGO Nr. 6).
(1) Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache auf Herausgabe der Sache sind zu erfüllen. Bei einem Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Ansprüche aus dem Eigentum mit der Maßgabe Anwendung, daß bis zum Ablauf der in § 20 Abs. 1 bezeichneten Fristen die in §§ 987 bis 992 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Voraussetzungen als nicht vorliegend zu erachten sind. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung nach § 11 bleiben unberührt.
(2) Ansprüche (§ 1), die auf einer sonstigen Beeinträchtigung oder Verletzung des Eigentums oder anderer Rechte an einer Sache oder an einem Recht beruhen, sind nur dann zu erfüllen,
- 1.
wenn die Erfüllung des Anspruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leben oder Gesundheit erforderlich ist oder - 2.
wenn der Beeinträchtigung oder Verletzung eine nach dem 31. Juli 1945 begangene Handlung zugrunde liegt, es sei denn, daß die Beeinträchtigung oder Verletzung auf Veranlassung der Besatzungsmächte erfolgt ist. Bei einem Beseitigungsanspruch kann der Anspruchsschuldner (§ 25) den Anspruchsberechtigten in Geld entschädigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 vorliegen. Die Entschädigung soll den gemeinen Wert der Sache oder des Rechts nicht übersteigen, den diese ohne Beeinträchtigung haben würden.
(3) Sonstige Ansprüche (§ 1) aus dem Eigentum oder anderen Rechten an einer Sache oder an einem Recht sind zu erfüllen. Dies gilt nicht für Ansprüche auf Zahlung von Geld oder auf Leistung einer sonstigen vertretbaren Sache, die vor dem 1. August 1945 fällig geworden sind.
(4) Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden, Reallasten, Schiffshypotheken und sonstige Pfandrechte erlöschen, soweit die durch sie gesicherten Ansprüche (§ 1) nicht zu erfüllen sind.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
(1) Eine Behörde kann um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie
- 1.
aus rechtlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann; - 2.
aus tatsächlichen Gründen, besonders weil die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, die Amtshandlung nicht selbst vornehmen kann; - 3.
zur Durchführung ihrer Aufgaben auf die Kenntnis von Tatsachen angewiesen ist, die ihr unbekannt sind und die sie selbst nicht ermitteln kann; - 4.
zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden; - 5.
die Amtshandlung nur mit wesentlich größerem Aufwand vornehmen könnte als die ersuchte Behörde.
(2) Die ersuchte Behörde darf Hilfe nicht leisten, wenn
- 1.
sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist; - 2.
durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereitet würden.
(3) Die ersuchte Behörde braucht Hilfe nicht zu leisten, wenn
- 1.
eine andere Behörde die Hilfe wesentlich einfacher oder mit wesentlich geringerem Aufwand leisten kann; - 2.
sie die Hilfe nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand leisten könnte; - 3.
sie unter Berücksichtigung der Aufgaben der ersuchenden Behörde durch die Hilfeleistung die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben ernstlich gefährden würde.
(4) Die ersuchte Behörde darf die Hilfe nicht deshalb verweigern, weil sie das Ersuchen aus anderen als den in Absatz 3 genannten Gründen oder weil sie die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für unzweckmäßig hält.
(5) Hält die ersuchte Behörde sich zur Hilfe nicht für verpflichtet, so teilt sie der ersuchenden Behörde ihre Auffassung mit. Besteht diese auf der Amtshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Amtshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde oder, sofern eine solche nicht besteht, die für die ersuchte Behörde fachlich zuständige Aufsichtsbehörde.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land Schleswig-Holstein beabsichtigte im Jahre 1993, die als Angestellte an einer Grundschule in E. tätige, in Hamburg wohnende Lehrerin M. Sch. in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Mit Schreiben vom 15. November 1993 forderte das Schulamt Frau Sch. auf, sich von dem für ihren Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt unter Vorlage dieses Schreibens
amtsärztlich untersuchen zu lassen; der amtsärztlichen Bescheinigung müsse zu entnehmen sein, ob die Eignung für den Lehrerberuf im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bestehe; das amtsärztliche Gesundheitszeugnis und die Kostenrechnung sollten an das Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport des Landes Schleswig-Holstein gesandt werden. Frau Sch. ließ sich am 29. November 1993 unter Vorlage dieses Schreibens vom Gesundheitsamt des Bezirksamts Ei. in Hamburg untersuchen. In einem ihr zur Vorbereitung der Untersuchung ausgehändigten Vordruck beantwortete sie die Frage nach "ernsthaften Erkrankungen" u.a. mit: "Angeborene Hüftdysplasie". Das Gesundheitsamt erteilte unter dem 13. Dezember 1993 ein amtsärztliches Zeugnis ("... ausgestellt auf Ersuchen vom Schulamt des Kreises P. ...") dahin, daß nach den erhobenen Untersuchungsbefunden ärztlicherseits keine Bedenken gegen die Übernahme der untersuchten als Lehrerin in ein Beamtenverhältnis bestünden; Frau Sch. sei für diesen Beruf gesundheitlich geeignet; mit vorzeitigem Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit sei nicht zu rechnen. Anschließend wurde Frau Sch. durch das Ministerium des klagenden Landes mit Wirkung vom 15. Dezember 1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Lehrerin z.A. ernannt. Inzwischen ist sie Beamtin auf Lebenszeit.
Anläßlich eines Verfahrens auf Übernahme in den Schuldienst der beklagten Stadt Hamburg im Rahmen eines Lehreraustauschverfahrens wurde Frau Sch. am 17. November 1994 nochmals untersucht, diesmal vom Personalärztlichen Dienst des Senatsamts für den Verwaltungsdienst der Beklagten. Diese Untersuchung und eine orthopädische Zusatzuntersuchung ergaben den Befund, daß wegen einer bestehenden Hüftgelenkserkrankung Bedenken gegen die Tätigkeit als Lehrerin - im Beamtenverhältnis - bestünden. Zwar zeige die Erkrankung derzeit keine Symptomatik. Im Hinblick darauf, daß der Lehrer-
beruf grundsätzlich im Stehen ausgeübt werde, könne jedoch keine sichere Prognose gestellt werden. Durch längeres Stehen könnten der Verlauf der Erkrankung und die Beschwerden ungünstig beeinflußt werden. Deshalb könnten zukünftige Fehlzeiten oder eine vorzeitige Pensionierung nicht mit einem ausreichend hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Dieser Befund führte dazu, daß die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung der Beklagten mit Schreiben vom 23. Januar 1995 aus gesundheitlichen Gründen die Übernahme von Frau Sch. als beamtete Lehrerin ablehnte.
Das klagende Land, das seinerseits im Hinblick auf den Gesundheitszustand der von ihm zur Lehrerin auf Lebenszeit ernannten Frau Sch. in Zukunft erhebliche Vermögenseinbußen befürchtet (z.B. im Falle von Beihilfeleistungen , notwendigen Vertretungen und etwa auch einer Frühpensionierung), nimmt die Beklagte - im Hinblick darauf, daß der Schaden noch nicht beziffert werden könne, im Wege einer Feststellungsklage - auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch. Das vom Gesundheitsamt der Beklagten erteilte amtsärztliche Gutachten sei schuldhaft auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage erstellt worden. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beamtenbewerberin wären bei der gebotenen gründlicheren Untersuchung sicher zu erkennen gewesen. Die Beklagte hat eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem klagenden Land in Abrede gestellt. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Feststellungsklage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage.
A.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Mit Recht hat das Berufungsgericht ein Feststellungsinteresse des klagenden Landes i.S. des § 256 Abs. 1 ZPO hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklage geltend gemacht werden kann, bejaht. Das Feststellungsinteresse ist in einem solchen Fall grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der Anspruchsgegner seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stellt und durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei um den Ersatz erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach Behauptung des Klägers bereits eingetretenen Rechtsverletzung, so setzt das Feststellungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese ist nur dann zu verneinen, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteil vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99 - NJW 2001, 1431 f). Eine dementsprechende Schadenswahrscheinlichkeit ist im Streitfall ohne weiteres anzunehmen.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Das Berufungsgericht will danach differenzieren, ob das Gesundheitsamt der Beklagten bei der Erteilung des amtsärztlichen Zeugnisses vom 13. Dezember 1993 in "eigener originärer Zuständigkeit" tätig geworden sei oder nicht. Im ersteren Fall habe das Gesundheitsamt Amtspflichten gegenüber dem im Sinne des Amtshaftungsrechts als "Dritter" anzusehenden klagenden Land verletzt, so daß ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben sei. Anderenfalls ergebe sich die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz aus den Rechtsgrundsätzen über die Amtshilfe.
I.
Indessen ist nach dem vorliegenden Sachverhalt für einen Ersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut der Amtshilfe von vornherein kein Raum. Um Amtshilfe handelte es sich bei der in Rede stehenden amtsärztlichen Untersuchung und Zeugniserteilung nicht.
1. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 des hier maßgeblichen Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HambVwVfG; vgl. auch § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) liegt selbst dann, wenn eine Behörde einer anderen Behörde auf Ersuchen ergänzende Hilfe leistet, Amtshilfe im Rechtssinne nicht vor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen.
Darunter sind alle Aufgaben zu verstehen, die der betreffenden Behörde bereits spezialgesetzlich außerhalb der Amtshilferegelungen als Hilfeleistungen (auch) gegenüber anderen Behörden übertragen sind, für die sich also die Pflicht zur Hilfeleistung nicht erst aufgrund des Ersuchens der auf die Hilfe angewiesenen Behörde ergibt (näher hierzu Kopp/Ramsauer VwVfG 7. Aufl. § 4 Rn. 16; Obermayer VwVfG 3. Aufl. § 4 Rn. 48; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 5. Aufl. § 4 Rn. 35 ff m.w.N.). Diese Regelung hat ihren inneren Grund darin, daß die von ihr erfaßten Hilfeleistungen in der Regel bestimmten Fachbehörden zugewiesen sind, die häufig eigens zu diesem Zweck errichtet oder zumindest (auch) hierfür mit Dienstkräften und Einrichtungen ausgestattet wurden, um andere Behörden unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Hilfeleistungen zu erbringen, ohne daß der Rückgriff auf die §§ 4 bis 8 des Verwaltungsverfahrensgesetzes notwendig wäre; das vom Gesetzgeber vorgegebene Zusammenwirken bestimmter Behörden, die dafür jeweils mit Teilaufgaben betraut sind, läßt sich nicht mit der Amtshilfe gleichsetzen, die die Aufgabenbewältigung nur in Ausnahmefällen mit fremder Hilfe ermöglichen soll (Obermayer aaO § 4 Rn. 49).
2. In diesem Sinne - also der pflichtgemäßen Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe, nicht einer Handlung im Rahmen der Amtshilfe - ist es auch zu werten , wenn Amtsärzte der Gesundheitsämter in Hamburg amtsärztliche Zeugnisse erteilen, die zur Ermittlung gesundheitlicher Befunde gesetzlich vorgeschrieben sind (vgl. OVG Münster NVwZ-RR 1992, 527; OVG Brandenburg Recht im Amt 1998, 299; Stelkens/Bonk/Sachs aaO Rn. 36; Kopp/Ramsauer aaO Rn. 16). Dies gilt auch im Streitfall.
a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. III des in Hamburg mit seinen Durchführungsverordnungen als Landesrecht fortgeltenden Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 3. Juli 1934 (RGBl. I S. 531) obliegt den Gesundheitsämtern u.a. die amts-, gerichts- und vertrauensärztliche Tätigkeit, soweit sie den Amtsärzten übertragen ist. § 1 Satz 2 Nr. 5 der Zweiten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 22. Februar 1935 (RGBl. I S. 215) schreibt vor, daß das Gesundheitsamt amtliche Zeugnisse in allen Fällen auszustellen hat, in denen die Beibringung eines amtsärztlichen Zeugnisses "vorgeschrieben" ist. Maßgebliche gesetzliche Vorschrift im letzteren Sinne ist im Streitfall § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Beamtengesetzes für das Land Schleswig-Holstein - Landesbeamtengesetz (LBG) - i.d.F. vom 2. Juni 1991 (GVOBl. Schl.-H. S. 275), wonach die gesundheitliche Eignung für das Beamtenverhältnis in der Regel durch Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses nachzuweisen ist. Hierauf beruhte die Anforderung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses durch das schleswig-holsteinische Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport gegenüber dem Schulamt des Kreises P., das seinerseits die Bewerberin, Frau Sch., entsprechend unter dem 15. November 1993 anschrieb und diese hierdurch veranlaßte, das Gesundheitsamt in ihrem Wohnort Hamburg aufzusuchen.
Daß mithin das Gesundheitsamt ein Gesundheitszeugnis erstellt hat, dessen Beibringung im Sinne des hamburgischen Landesrechts "vorgeschrieben" war, kann nicht mit der Erwägung der Revision - in anderem Zusammenhang - in Frage gestellt werden, schleswig-holsteinisches Landesrecht könne seiner Natur nach andere Bundesländer nicht verpflichten. Letzterer Gesichtspunkt schließt nicht die Befugnis des hamburgischen Gesetzgebers aus, den Tatbestand einer (landes-)gesetzlich begründeten Verpflichtung bestimmter
(Landes-)Behörden zum Handeln (hier: amtsärztliche Untersuchung und Begutachtung einer Hamburger Bürgerin) nach der jeweiligen Sachlage auch an einen durch Vorschriften eines anderen Bundeslandes ausgelösten "Handlungsbedarf" (hier: Notwendigkeit eines amtsärztlichen Attests im schleswigholsteinischen Beamteneinstellungsverfahren) anzuknüpfen. Soweit es um die Erstattung amtlicher Gesundheitszeugnisse als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens geht, ist eine derartige - "grenzüberschreitende" und auf Gegenseitigkeit beruhende (vgl. § 22 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst - Gesundheitsdienst-Gesetz [GDG] vom 26. März 1979 [GVO Bl. Schl.H. S. 244]) - Regelung ausgesprochen sachgerecht und - aus der Sicht der zu begutachtenden Personen, die das Gesundheitsamt ihres Wohnsitzes aufsuchen können - bürgerfreundlich.
b) Folglich erfüllte das Gesundheitsamt der Beklagten mit der Erstellung des amtsärztlichen Zeugnisses betreffend die in Hamburg wohnende Anwärterin für eine Beamtenlaufbahn in Schleswig-Holstein eine "eigene" gesetzliche Verpflichtung nach Hamburger Landesrecht. Daß diese Verpflichtung der hamburgischen Behörde sich hier letztlich erst im Zusammenhang mit gesetzlichen Bestimmungen eines anderen Bundeslandes konkretisierte, ist im vorliegenden Zusammenhang ebensowenig von Belang wie der Umstand, daß im Streitfall das hamburgische Gesundheitsamt nur deshalb anstelle eines der schleswigholsteinischen Gesundheitsämter (vgl. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1, 22 GDG) eingeschaltet wurde, weil die betroffene Bewerberin für das Beamtenverhältnis in Schleswig-Holstein ihren Wohnsitz in Hamburg hatte. Auch daraus, daß im Streitfall das hamburgische Gesundheitsamt als staatliche Behörde handelte, wogegen die Gesundheitsämter in Schleswig-Holstein als Behörden eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt in Wahrnehmung von Aufgaben zur Erfül-
lung nach Weisung tätig geworden wären (vgl. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 1 GDG), ergibt sich kein Unterschied; auch im letzteren Fall hätte es sich - im Verhältnis zu den für die Einstellung der Lehrer zuständigen Behörden - um die Wahrnehmung "eigener" Aufgaben des jeweiligen schleswig-holsteinischen Gesundheitsamtes gehandelt (vgl. auch Senatsurteil vom 25. April 1960 - III ZR 65/57 - LM BGB § 839 [C] Nr. 56 = VersR 1960, 750).
c) Der Bewertung der Erteilung des amtsärztlichen Zeugnisses durch das Gesundheitsamt der Beklagten vor dem Hintergrund der genannten Vorschriften als Wahrnehmung eigener Aufgaben steht schließlich nicht entgegen, daß die Bewerber für das Lehramt an Hamburger Schulen zur Feststellung ihrer gesundheitlichen Eignung vom Personalärztlichen Dienst (PÄ D) untersucht werden (§ 4 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung für Lehrämter an Hamburger Schulen vom 3. Juli 1973 [HambGVBl. S. 255] i.V.m. § 6 des Hamburgischen Beamtengesetzes i.d.F. vom 29. November 1977 - HambBG - [HambGVBl. S. 367]). Es handelt sich hierbei um eine für das Personalwesen von Hamburg eingerichtete Stelle; daß der PÄ D für amtsärztliche Untersuchungen zuständig wäre, die für andere Bundesländer benötigt werden, ist nicht ersichtlich, schon gar nicht, daß damit die Zuständigkeit der Gesundheitsämter in solchen Fällen entfallen wäre.
3. Handelte es sich nach allem im Streitfall nicht um Amtshilfe im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne, das heißt nicht um eine bloße Beistandsund Unterstützungshandlung der Gesundheitsbehörde des beklagten Landes in einem für sie "fremden" Verfahren, so scheidet ein darauf gegründeter Regreßanspruch des Klägers gegen die Beklagte - ob nun, wie das Berufungsgericht erwägt, aus § 7 Abs. 2 HambVwVfG oder aus einer entsprechenden Her-
anziehung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Auftrag oder im Sinne einer "internen Ausgleichsverpflichtung nach allgemeinen Grundsätzen" (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG aaO § 7 Rn. 10) - aus.
II.
1. Soweit das Berufungsgericht den vorstehend dargestellten - zutreffenden - Ausgangspunkt einnimmt, daß das Gesundheitsamt der Beklagten in Wahrnehmung eigener Aufgaben und nicht im Wege der Amtshilfe tätig wurde, bejaht es einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG des klagenden Landes gegen die Beklagte. Mit der schuldhaften Verletzung der Amtspflicht zur Erstellung eines ordnungsgemäßen amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses habe das Bezirksamt/Gesundheitsamt Ei. Amtspflichten gegenüber dem klagenden Land als einem "Dritten" im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB verletzt. Unter den vorliegenden Umständen habe nämlich die den begutachtenden Ä rzten obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Erstellung eines amtsärztlichen Zeugnisses dem klagenden Land gegenüber in einer Art und Weise bestanden, wie sie charakteristisch für das Verhältnis zwischen Bürger und öffentlicher Gewalt sei. Das klagende Land unterscheide sich insoweit nicht von einem privatrechtlichen Arbeitgeber, der unter Berücksichtigung des gesundheitlichen Zustandes eines künftigen Arbeitnehmers über dessen Eignung für die in Aussicht genommene Tätigkeit zu entscheiden habe. Insoweit habe die Pflicht des Amtsarztes zur ordnungsgemäßen Begutachtung dem klagenden Land gegenüber in gleicher Weise wie gegenüber einem privaten Arbeitgeber bestanden. Es sei auch nicht davon auszugehen, daß der Kläger und die Beklagte im vorliegenden Zusammenhang bei der Erfüllung einer ihnen
gemeinsam übertragenen Aufgabe "gleichsinnig" zusammengewirkt hätten oder ihre Aufgaben so eng miteinander verzahnt gewesen seien, daß ihre Beziehungen zueinander dem Außenstehenden wie etwas Zusammengehöriges hätte erscheinen müssen. Das klagende Land sei - so das Berufungsgericht weiter - in den Schutzbereich der vom Gesundheitsamt verletzten Amtspflicht auch mit seinem Interesse einbezogen gewesen, eine richtige Entscheidung bezüglich der Eignung der Bewerberin für die Einstellung als Beamtin auf Lebenszeit treffen zu können, mit der Folge, daß die Beklagte für dessen durch die fehlerhafte Begutachtung gegebenenfalls eintretende erhebliche Vermögensschäden aufkommen müsse.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgericht haben die - bei der in Rede stehenden Untersuchung und Begutachtung in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelnden (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 1994 - III ZR 78/93 - NJW 1994, 2415) - Ä rzte der Beklagten keine Amtspflichtverletzungen gegenüber dem klagenden Land als einem "Dritten" begangen.
a) Dritter im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB kann allerdings, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt mit Recht ausführt, auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Im allgemeinen werden die unter den verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts bestehenden Pflichten jedoch lediglich solche sein, die eine ordentliche Verwaltung gewährleisten sollen. Eine solche Körperschaft ist - wie das Berufungsgericht ebenfalls im Ansatz richtig sieht - nur dann Dritter, wenn der für die haftpflichtige
Behörde tätig gewordene Beamte ihr bei Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist (Senatsurteile BGHZ 116, 312, 315 und vom 21. Januar 1974 - III ZR 13/72 - VersR 1974, 666). Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, daß sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden , deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst (st. Rspr. vgl. BGHZ 116, 312, 315 mit den weiteren Fallbeispielen aaO S. 316).
b) Zu Unrecht ordnet das Berufungsgericht den hier vorliegenden Sachverhalt nicht der letzteren, sondern der ersteren der in diesem Zusammenhang in Betracht kommenden Fallgruppen zu.
aa) Das Berufungsgericht sieht den für seine Ansicht maßgeblichen Anknüpfungspunkt darin, daß vorliegend das klagende Land im Zusammenhang mit der bevorstehenden Entscheidung über die Berufung einer Lehrerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in gleicher Weise auf ein zutreffendes Gesundheitszeugnis des Amtsarztes angewiesen gewesen sei wie ein privater Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers.
Eine solche Betrachtung könnte in der Tat naheliegen, wenn die Gesundheitsämter nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und ihrer Zweckrichtung - auch - dafür eingerichtet und allgemein verpflichtet wären, amtliche Gesundheitszeugnisse als Entscheidungshilfen - etwa vor der Einstellung von Arbeitnehmern - für den allgemeinen (privaten wie öffentlichen) Arbeitsmarkt auszustellen. Wäre dies so, dann läge die haftungsrechtliche Konsequenz nahe, daß auch die (Vermögens-)Interessen der auf die betreffenden Gesundheitszeugnisse angewiesenen Personen als vom Schutzbereich der Amtspflicht zu ordnungsgemäßer amtsärztlicher Begutachtung umfaßt wären ; folgerichtig könnte ein solcher amtshaftungsrechtlicher Drittschutz im Grundsatz auch - etwa als zukünftigen Arbeitgebern bzw. Dienstherren - beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht versagt werden.
Dies sind indessen Erwägungen, die im heutigen Gesundheitswesen, so wie es im Gesetz vorgeschrieben und eingerichtet ist, keine Grundlage haben. Aufgabe der Gesundheitsämter ist nach geltendem Recht in erster Linie die Wahrnehmung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, und zwar primär im Interesse der Allgemeinheit. In diesen Zusammenhang gehört auch die amtsärztliche Gutachtertätigkeit. Sie ist als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens wie dieses dazu bestimmt, unmittelbar den Gesundheitszustand der Bevölkerung und bestimmter Bevölkerungsgruppen zu ermitteln und laufend zu überwachen , ihnen drohende Gefahren festzustellen und zu beseitigen bzw. auf deren Beseitigung hinzuwirken sowie die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt und in Teilen zu schützen und zu fördern (vgl. Pitschas NJW 1986, 2861, 2863 m.w.N.). Auch in Hamburg kann und darf das Gesundheitsamt amtliche Gesundheitszeugnisse nur in den Fällen ausstellen, in denen die Beibringung eines solchen Zeugnisses vorgeschrieben ist (Verordnung vom 22. Februar
1935 aaO). Anlaß für derartige Vorschriften zur Beibringung eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses sind stets Allgemeininteressen (z.B. § 47 Abs. 1 BSeuchG: Tbc-Attest, dazu BVerwG DÖV 1994, 171; § 15e StVZO: Eignung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, s. Senatsurteil vom 5. Mai 1994 aaO; vgl. auch OVG Münster NVwZ-RR 1992, 527: nach den Beihilfevorschriften erforderliche Feststellungen). Dem öffentlichen Interesse dienen selbstredend auch diejenigen Vorschriften, die vor der Einstellung von Beamten in den Staatsdienst eine Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerber - regelmäßig durch die staatlichen Gesundheitsbehörden - verlangen, weil nur gesunde Bedienstete Beamte auf Lebenszeit werden sollen. Vorschriften , die eine vergleichbare Absicherung privater Unternehmer gegen gesundheitliche Mängel ihrer Beschäftigten durch amtsärztliche Gesundheitszeugnisse begründen könnten, gibt es nicht. Für Hamburg schreibt § 20 der Verordnung vom 22. Februar 1935 (aaO) ausdrücklich vor, daß das Gesundheitsamt für Privatpersonen amtliche Zeugnissse nur ausstellen darf, wenn die Begutachtung als Dienstaufgabe erklärt ist. Die Gesundheitsämter sind mithin keine allgemeine amtliche ärztliche Begutachtungseinrichtungen, die etwa für Einstellungsuntersuchungen für den privaten Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden.
bb) Hiernach kann keine Rede davon sein, daß das klagende Land das amtsärztliche Gesundheitszeugnis betreffend eine Beamtenbewerberin genau so entgegengenommen und benutzt hätte wie ein privater Arbeitgeber ein Gesundheitszeugnis über einen einzustellenden Arbeitnehmer. Es handelt sich vielmehr um ein für den speziellen Fall der Berufung in das Beamtenverhältnis gesetzlich vorgeschriebenes Zusammenwirken von mehreren Behörden - hier: sogar in verschiedenen Bundesländern, ohne daß dies der Sache allerdings
ein besonderes Gepräge gibt - aus Gründen der Effektivität und der Vereinfachung der Verwaltung:
Wenn die Einstellungsbehörde eines Bundeslandes, statt die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers selbst festzustellen, auf entsprechender gesetzlicher Grundlage die Gesundheitsämter desselben oder aber auch eines anderen Bundeslandes in Anspruch nimmt, so arbeiten im einen wie im anderen Fall beide Behörden - als zusammenwirkende Teile der öffentlichen Verwaltung - auf dasselbe Ziel hin, nämlich die Erhebung eines zutreffenden Gesundheitsbefundes als Eignungsvoraussetzung für eine Person, die zur Verwaltung in besondere Rechtsbeziehungen treten will. So gesehen sind auch im Streitfall das schleswig-holsteinische Ministerium für Frauen, Bildung, Weiterbildung und Sport und das hamburgische Gesundheitsamt im Sinne der Rechtsprechung gleichsinnig tätig geworden. Die betroffene Lehrerin hat sich in dem laufenden Verfahren das von "der Verwaltung" verlangte Gesundheitszeugnis bei einer anderen Stelle "der Verwaltung" besorgt.
cc) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt, der dem Urteil vom 25. April 1960 (III ZR 65/57 - LM BGB § 839 [C] Nr. 56 = VersR 1960, 750) zugrunde lag. Dort hat der Senat ausgesprochen, daß die Pflicht der Meldebehörde einer bayerischen Gemeinde , Aufenthaltsbescheinigungen, die zum Nachweis der anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Bayerischen Entschädigungsgesetzes vom 18. August 1949 (GVBl. 195) verwendet wurden, richtig und wahrheitsgemäß auszustellen , auch als Amtspflicht gegenüber dem Freistaat Bayern im Sinne des § 839 BGB bestanden habe. Die betreffenden Meldebehörden hatten im Rahmen ihres damaligen Aufgabenbereichs den gemeldeten Meldepflichtigen Mel-
debestätigungen zu erteilen. Derartige Bescheinigungen konnten ohne besondere Zweckbestimmung allgemein im Rechtsverkehr verwendet werden. Sie wirkten im Verhältnis zu den jeweiligen Ansprechpartnern - Privatleuten wie Behörden - wie behördliche Auskünfte. Sie konnten im rechtsgeschäftlichen Verkehr und auch im Umgang mit Behörden eine Vertrauensgrundlage für Vermögensdispositionen - z.B. Zahlungsverpflichtungen - Dritter darstellen. Unter diesem Gesichtspunkt hat der erkennende Senat der unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewilligung einer Entschädigung verpflichteten Entschädigungsstelle , die sich - ohne sonstige gesetzliche oder verwaltungsmäßig organisatorische Verknüpfung - der ihr vorgelegten Meldebestätigung nur als eines von mehreren Mitteln im Rahmen ihrer erforderlichen Ermittlungen bediente, in bezug auf den amtshaftungsrechtlichen Drittschutz die gleiche Stellung zuerkannt wie jedem Bürger, der in vergleichbarer Weise unter Verwendung einer unrichtigen Meldebescheinigung getäuscht worden ist und einen Vermögensschaden erleidet.
Demgegenüber diente im Streitfall das in Rede stehende amtsärztliche Zeugnis des Gesundheitsamtes der Beklagten nur dem einzigen Zweck, der zuständigen Personalbehörde des klagenden Landes - auf einem nur ihr in dieser Weise gesetzlich eröffneten Weg - Erkenntnisse über die gesundheitliche Eignung der Bewerberin und damit eine Grundlage für die Einstellungsentscheidung zu verschaffen.
III.
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
Weder ist angesichts dessen, daß das Gesundheitsamt der Beklagten bei der Erteilung des vom klagenden Land verwendeten amtsärztlichen Zeugnisses eine eigene gesetzliche Aufgabe erfüllt hat (siehe oben zu I), Raum für die Annahme eines (öffentlich-rechtlichen) Auftragsverhältnisses zwischen den Parteien (vgl. für das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern bei der Auftragsverwaltung Senat BGHZ 16, 95, 99; BVerwGE 12, 253 f), noch kommt eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber dem klagenden Land unter dem Gesichtspunkt des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG in Betracht, wonach der Bund und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften. Ob diese Vorschrift auch auf das Verhältnis zwischen den Ländern anwendbar ist, kann offenbleiben. Im Hinblick darauf, daß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen als auch der Rechtsfolgen konkretisierungsbedürftig ist, das vom Verfassungsgeber erwartete Ausführungsgesetz (Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG) jedoch fehlt, kann zwar angenommen werden, daß die Haftungsregelung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG in ihrem Kernbereich schon eine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage ist. Dieser unmittelbar anwendbare Kernbereich der Haftungsregelung erfaßt jedoch nur vorsätzliche Pflichtverletzungen, wie der
4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen hat (BVerwGE 104, 29), dem der erkennende Senat sich anschließt. Um vorsätzliche Verstöße geht es im Streitfall nicht.
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Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.
Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. In den Fällen des § 679 steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer zu, auch wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.